Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion: Toleranzdebatten in der Frühen Neuzeit 9783515113687

Die Ausdifferenzierung des Christentums in verschiedene Konfessionen und Sekten im Verlauf des 16. Jahrhunderts ließ ein

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German Pages 313 [318] Year 2016

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
TOLERANTIA – LIBERTAS RELIGIONIS – CURA RELIGIONIS. ZUR EINFÜHRUNG
MONOTHEISMUS UND INTOLERANZ
RELIGIÖSE TOLERANZ AM MAß POLITISCHER KLUGHEIT. JOHANN GERHARD UND THEOPHIL LESSING ZUR STAATLICHEN RELIGIONSPOLITIK
OHNE SCHEITERHAUFEN, ABER MIT HENKERN. DIE JESUITEN UND DIE DISSIDENTENFRAGE IN DER ADELSREPUBLIK IM 16. UND 17. JAHRHUNDERT
TOLERANZ AUS DER PERSPEKTIVE DER REMONSTRANTEN UND IHRER REFORMIERTEN KONTRAHENTEN
DIE DROHENDE GEFAHR DES ATHEISMUS. DIE SOZINIANER PRZYPKOWSKI UND CRELL ÜBER DIE MÖGLICHEN FOLGEN VON INTOLERANZ
‘PRIVATE MEN NO PULPIT MEN’. ENGLISH SOCINIANS, ANTICLERICALISM, AND ARGUMENTS FOR TOLERATION, 1641–1665
THE PARABLE OF THE THREE RINGS IN GOTTHOLD EPHRAIM LESSING’S DRAMA NATHAN THE WISE
CONCORDIA DURCH TOLERANZ? KONTROVERSEN UM GEWISSENSFREIHEIT, RELIGIÖSE KOEXISTENZ UND GLAUBENSEINHEIT IM UMFELD DER KONVERSION DES FRANZÖSISCHEN KÖNIGS HEINRICH IV.
KOMMERZ VERSUS THEOLOGIE IM DÄNISCHEN GESAMTSTAAT
GUAMAN POMA AND THE ARGUMENTS FOR TOLERATION FROM SOLIDARITY WITH THE POWERFUL AND FROM THE BENEFITS OF SEGREGATION
TOLERATING TURKS? THE PRESENCE AND PERCEPTION OF ISLAM IN THE DUTCH REPUBLIC
DIE ANGLIKANISCHE KIRCHE UND DIE HERAUSFORDERUNG DER TOLERANZ IM ENGLAND DER SPÄTEN STUARTZEIT
DIE TOLERANZGARANTIE FÜR KAUFMÄNNER UND SEELEUTE IM SPANISCH-ENGLISCHEN FRIEDENSVERTRAG VON 1604
„EIN ÖFFENTLICHES ASYL FÜR ALLE VÖLKER UND NATIONEN“ – BEOBACHTUNGEN ZUR TOLERANZ IN MANNHEIM IN DER 2. HÄLFTE DES 17. JAHRHUNDERTS
SIND MIGRANTEN TOLERANTER? RELIGIÖSE FREISTELLUNG, KONFESSIONELLE MIGRATIONEN UND BEKENNTNISPLURALITÄT IM ,LANGEN‘ 17. JAHRHUNDERT
PERSONENREGISTER
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Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion: Toleranzdebatten in der Frühen Neuzeit
 9783515113687

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Sascha Salatowsky / Winfried Schröder (Hg.)

Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion Toleranzdebatten in der Frühen Neuzeit

Kulturwissenschaften Franz Steiner Verlag

Friedenstein-Forschungen 10

Sascha Salatowsky / Winfried Schröder (Hg.) Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion

friedenstein-forschungen Herausgegeben vom Forschungszentrum Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt Schriftleitung: Martin Mulsow und Kathrin Paasch Band 10

Sascha Salatowsky / Winfried Schröder (Hg.)

Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion Toleranzdebatten in der Frühen Neuzeit

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2016 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11368-7 (Print) ISBN 978-3-515-11369-4 (E-Book)

INHALTSVERZEICHNIS Sascha Salatowsky, Winfried Schröder Vorwort ..............................................................................................................

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Winfried Schröder Tolerantia – Libertas Religionis – Cura Religionis. Zur Einführung ................ 13 GRENZEN DER TOLERANZ Jan Assmann Montheismus und Intoleranz ............................................................................. 23 Walter Sparn Religiöse Toleranz am Maß politischer Klugheit. Johann Gerhard und Theophil Lessing zur staatlichen Religionspolitik ............................................. 39 Łukasz Bieniasz Ohne Scheiterhaufen, aber mit Henkern. Die Jesuiten und die Dissidentenfrage in der Adelsrepublik Polen im 16. und 17. Jahrhundert ........................... 59 DISSIDENTEN UND RANDGRUPPEN Kęstutis Daugirdas Toleranz aus der Perspektive der Remonstranten und ihrer reformierten Kontrahenten ................................................................................. 75 Sascha Salatowsky Die drohende Gefahr des Atheismus. Die Sozinianer Przypkowski und Crell über die möglichen Folgen von Intoleranz ........................................ 99 Justin Champion ʻPrivate Men no Pulpit Menʼ. English Socinians, Anticlericalism, and Arguments for Toleration, 1641–1665 .............................................................. 129 Friedrich Vollhardt The Parable of the Three Rings in Gotthold Ephraim Lessingʼs Drama Nathan the Wise ..................................................................................... 149

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Inhaltsverzeichnis

NATIONALE VARIANTEN DES TOLERANZDISKURSES Mona Garloff Concordia durch Toleranz? Kontroversen um Gewissensfreiheit, religiöse Koexistenz und Glaubenseinheit im Umfeld der Konversion des franzözischen Königs Heinrich IV. ............................................................. 161 Jens Glebe-Møller Kommerz versus Theologie im dänischen Gesamtstaat .................................... 183 John Christian Laursen Guaman Poma and the Arguments for Toleration from Solidarity with the Powerful and from the Benefits of Segregation ........................................... 195 Wiep van Bunge Tolerating Turks? The Presence and Perception of Islam in the Dutch Republic ........................................................................................ 205 Ulrich Niggemann Die Anglikanische Kirche und die Herausforderung der Toleranz im England der späten Stuartzeit ....................................................................... 223 JURISTISCHE UND SOZIALGESCHICHTLICHE ASPEKTE Wolfgang Forster Die Toleranzgarantie für Kaufmänner und Seeleute im spanischenglischen Friedensvertrag von 1604 ................................................................ 243 Harald Stockert „Ein öffentliches Asyl für alle Völker und Nationen“ – Beobachtungen zur Toleranz in Mannheim in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts ...................... 259 Alexander Schunka Sind Migranten toleranter? Religiöse Freistellung, konfessionelle Migrationen und Bekenntnispluralität im ,langen‘ 17. Jahrhundert .................. 281 Personenregister ................................................................................................. 303

VORWORT Sascha Salatowsky, Winfried Schröder Die philosophischen, theologischen, juristischen und politischen Debatten, die in der Neuzeit über Toleranz und Religionsfreiheit geführt wurden, haben seit je die von der Sache her zu erwartende Beachtung seitens der philosophie-, theologieund rechtshistorischen Forschung gefunden; hervorzuheben ist die bedeutende, 2003 erschienene historisch-systematische Monographie von Rainer Forst.1 Überblicksdarstellungen und Einzelstudien liegen in großer Zahl vor; auch in jüngster Zeit ist die Forschung auf diesem Feld überaus rege gewesen.2 Eine Reihe von Aspekten des Weg oder genauer: der Wege, die zur Durchsetzung und Sicherung dieser wohl größten Errungenschaft von Neuzeit und Aufklärung geführt haben, sind jedoch in ihrer Komplexität noch nicht angemessen verstanden. Der vorliegende Sammelband, dessen Zielsetzung und Programm im Folgenden skizziert wird, führt auf diesem Feld tätige Forscher zusammen, um zu einen Austausch über bislang nicht hinreichend beleuchtete Aspekte dieses Prozesses mit dem Ziel einer Zusammenschau der in jüngster Zeit erzielten Einzelerträge zu kommen. Eine erneute Befassung mit der frühneuzeitlichen Toleranzdebatte ist aus mehreren Gründen angezeigt. Insbesondere lässt ein Überblick über die vorliegende Forschung Schwerpunktsetzungen erkennen, die ein in mancher Hinsicht unvollständiges und einseitiges Bild ergeben. So ist zum einen das Reformationszeitalter naturgemäß intensiv von Kirchenhistorikern bearbeitet worden.3 Zu den Protagonisten der deutschen Szenerie4 – Luther und Melanchthon,5 aber auch zu   1 2 3

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Vgl. Rainer Forst: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. Frankfurt/Main 2003. Hierzu wird nachfolgend die wichtigste Literatur benannt. Vgl. Gerhard Güldner: Das Toleranz-Problem in den Niederlanden im Ausgang des 16. Jahrhunderts. Lübeck, Hamburg 1968. Heinrich Lutz (Hg.): Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit. Darmstadt 1977. Ole Peter Grell und Bob Scribner (Hg.): Tolerance and Intolerance in the European Reformation. Cambridge 1996 (²2002). Cary J. Nederman: Worlds of Difference: European Discourses of Toleration, c. 1100–c. 1550. Pennsylvania 2000. Heiko A. Oberman: „The Travail of Tolerance: Containing Chaos in Early Modern Europe“, in: Tolerance and Intolerance in the European Reformation, S. 13–31. Hartmut Laufhütte und Michael Titzmann (Hg.): Heterodoxie in der Frühen Neuzeit. Tübingen 2006. Vgl. Rob Scribner: „Preconditions of Tolerance and Intolerance in Sixteenth-Century Germany“, in: Tolerance and Intolerance in the European Reformation, S. 32–47. Vgl. James Martin Estes: Peace, Order And the Glory of God: Secular Authority and the Church in the Thought of Luther and Melanchthon. Leiden 2005.

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Sascha Salatowsky, Winfried Schröder

Erasmus von Rotterdam6 liegen Studien vor. Auch Toleranztheoretiker des ausgehenden Reformationszeitalters, allen voran Sebastian Castellio7 und Jean Bodin8 haben angemessene Beachtung gefunden. Zum anderen hat sich, was das 17. und 18. Jahrhundert angeht – und das gilt nicht nur für die ältere Forschung9 –, ein Kanon der als Meilensteine der einschlägigen Debatten eingestuften Texte herausgebildet. Neben Miltons Areopagitica10 und Spinozas Tractatus theologicopoliticus mit seinem Plädoyer für die libertas philosophandi und für die Freiheit der Religionsausübung11 stehen vor allem die beiden ‚Klassiker‘ der neuzeitlichen Toleranz- und Religionsfreiheitsdebatte im Vordergrund des Interesses: Pierre Bayles Commentaire philosophique sur ces paroles de Jésus-Christ ‚Contrain-les dʼentrer‘ ou traité de la tolérance universelle aus dem Jahre 168612 und John Lo  6

Literatur bei Gary Remer: Humanism and the Rhetoric of Toleration. Pennsylvania 1996, S. 43ff. 7 Vgl. Hans Rudolf Guggisberg: Sebastian Castellio 1515–1563. Göttingen 1997. 8 Zu seinem Colloquium heptaplomeres vgl. Georg Roellenbeck: „Der Schluß des ‚Heptaplomeres‘ und die Begründung der Toleranz bei Bodin“, in: Horst Denzer (Hg.): Jean Bodin. München 1973, S. 53–67. Remer: Humanism, S. 203ff. Luciano Parinetto: L’inquisitore libertino: discorso sulla tolleranza religiosa e sull’ateismo: a proposito dell’Heptaplomeres di Jean Bodin. Florenz 2002. Ingrid Creppell: Toleration and Identity: Foundations in Early Modern Thought. London 2003, S. 39ff. Andrea Suggi: Sovranità e armonia: la tolleranza religiosa nel Colloquium Heptaplomeres di Jean Bodin. Mailand 2005. 9 Vgl. Joseph Lecler: Histoire de la tolérance au siècle de la réforme. Paris 1955. Deutsche Fassung: Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation. 2 Bände. Stuttgart 1965. Hans Rudolf Guggisberg: Religiöse Toleranz. Stuttgart-Bad Cannstatt 1984. 10 Vgl. Sharon Achinstein und Elizabeth Sauer (Hg.): Milton and Toleration. Oxford 2007. Phillip J. Donnelly: Milton’s Scriptural Reasoning: Narrative and Protestant Toleration. Cambridge 2012. 11 Vgl. Jan Den Tex: Spinoza over de tolerantie. Leiden 1967. Jonathan Israel: „Spinoza, Locke and the Enlightenment Battle for Toleration“, in: Ole Peter Grell und Roy Porter (Hg.): Toleration in Enlightenment Europe. Cambridge 2000, S. 102–113. Jacqueline Lagrée: Ad captum auditoris loqui: Theology and Tolerance in Lodewijk Meyer and Spinoza. Paris 2001. 12 Vgl. Theodor G. Bucher: „Zwischen Atheismus und Toleranz. Zur historischen Wirkung von Pierre Bayle“, in: Philosophisches Jahrbuch 92 (1985), S. 353–379. Amie Godman Tannenbaum: Pierre Bayle’s Philosophical Commentary: a Modern Translation and Critical Interpretation. Bern 1967. Hans Rudolf Guggisberg, Frank Lestringant u. a. (Hg.): La liberté de conscience (XVIe–XVIIe siècle). Genf 1991. Harry M. Bracken: „Toleration Theories: Bayle vs. Locke“, in: Ethel Groffier und Michel Paradis (Hg.): The Notion of Tolerance and Human Rights. Ottawa 1991, S. 1–12. Alan Levine: Early Modern Skepticism and the Origins of Toleration. Oxford 1999. Thomas M. Lennon: Reading Bayle. Toronto 1999, insbes. S. 81–106. Sally L. Jenkinson: „Bayle and Leibniz: Two Paradigms of Tolerance and some Reflections on Goodness without God“, in: John Christian Laursen (Hg.): Religious Toleration: “The Variety of Rites” from Cyrus to Defoe. New York 1999, S. 173–189. Forst: Toleranz im Konflikt, S. 313–351. Ders.: „Pierre Bayle’s Reflexive Theory of Toleration“, in: Melissa S. Williams und Jeremy Waldron (Hg.): Toleration and Its Limits. New York 2008, S. 78–113. Lucien Du Bois: Bayle et la Tolérance. Paris 2010. Winfried Schröder: „L’athéisme comme défi pour les pionniers de la liberté de penser“, in: Philippe Fréchet (Hg.): Pierre Bayle et la liberté de conscience. Toulouse 2012, S. 185–196.

Vorwort

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ckes Letter concerning toleration.13 Schließlich haben die einschlägigen Diskussionen im Zeitalter der Aufklärung in besonderem Maße die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen.14 Gesamtdarstellungen und Sammelbände zu den Debatten des 18. Jahrhunderts in Deutschland,15 Frankreich16 und England17 liegen ebenso vor wie Einzelstudien insbesondere zu Christian Thomasius,18 Anthony Collinsʼ A discourse of free-thinking19 und allen voran zu Voltaire und seinem Traité sur la Tolerance (1763). Vergegenwärtigt man sich die Forschungslage mit ihren in diesem gerafften Überblick sichtbar werdenden Schwerpunktsetzungen, zeichnet sich in mehreren Hinsichten ein verbleibender Klärungs- und Vertiefungsbedarf ab.20 Der vorliegenden Sammelband will dem Rechnung tragen, indem er sich strikt von Gesichtpunkten leiten lässt, die in der vorliegenden Forschungsliteratur zwar des öfteren angesprochen, aber nicht konsequent zur Geltung gebracht worden sind. (1) Die religiösen und politischen Beharrungskräfte und ihre nachhaltigen Widerstände gegen die seit dem 16. Jahrhundert erhobene Forderung nach Toleranz und Religionsfreiheit verdienen weit mehr ins Blickfeld gerückt zu werden, als es vonseiten einer Forschung geschieht, die, auf der Suche nach den Wurzeln des modernen Liberalismus, den Argumenten der Protagonisten der Toleranz weit mehr Aufmerksamkeit schenkte als den – gleichfalls argumentativ abgesicherten – Posi  13 Vgl. John P. Horton und Susan Mendus (Hg.): John Locke, A Letter Concerning Toleration in Focus. London 1991. Ingrid Creppell: Toleration and Identity: Foundations in Early Modern Thought. London 2003, S. 91ff. Forst: Toleranz im Konflikt, S. 276–312. John Marshall: John Locke, Toleration and Early Enlightenment Culture. Religious Intolerance and Arguments for Religious Toleration in Early Modern and Early Enlightenment Europe. Cambridge 2006. Adam Wolfson: Persecution or Toleration: An Explication of the Locke-Proast Quarrel, 1689–1704. Lanham 2010. Richard Vernon: The Career of Toleration: John Locke, Jonas Proast, and After. Montreal 1997. 14 Vgl. Grell/Porter (Hg.): Toleration in Enlightenment Europe. 15 Vgl. Matthias J. Fritsch: Religiöse Toleranz im Zeitalter der Aufklärung: Naturrechtliche Begründung – konfessionelle Differenzen. Hamburg 2004. Klaus L. Berghahn: Grenzen der Toleranz: Juden und Christen im Zeitalter der Aufklärung. Köln u.a. ²2001. 16 Vgl. Gisela Schlüter: Die französische Toleranzdebatte im Zeitalter der Aufklärung: materiale und formale Aspekte. Tübingen 1992. 17 Vgl. Ole Peter Grell, Jonathan Israel u.a. (Hg.): From Persecution to Toleration: the Glorious Revolution and Religion in England. Oxford 1991. Alexandra Walsham: Charitable Hatred: Tolerance and Intolerance in England, 1500–1700. Manchester 2006. 18 Vgl. Günter Gawlick: „Thomasius und die Denkfreiheit“, in: Werner Schneiders (Hg.): Christian Thomasius 1655–1728. Interpretationen zu Werk und Wirkung. Hamburg 1989, S. 256– 274. 19 Dazu vor allem Pascal Taranto: Du déisme à lʼathéisme: la libre pensée de Antony Collins. Paris 2000. 20 Dies gilt selbst vor dem Hintergrund des jüngst veröffentlichten Sammelbandes von Friedrich Vollhardt, Oliver Bach u.a. (Hg.): Toleranzdiskurse in der Frühen Neuzeit. Berlin u.a. 2015, dessen Beiträge von Erasmus von Rotterdam über Sebastian Castellio bis hin zur Frühaufklärung reichen. Dabei bleibt jedoch genau das nachfolgend zu beschreibende historische Zeitfenster von 1580 bis 1670 unberücksichtigt, das hier im Mittelpunkt des Interesses liegt.

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tionen ihrer illiberalen Gegner. Eine solche Fragerichtung ist sicherlich legitim und fruchtbar. Doch ist diese nicht selten anzutreffende Perspektive einer Whig history, also einer von heutigen normativen Voraussetzungen ausgehenden Sicht auf die frühneuzeitlichen Debatten, geeignet, den Blick auf einen Sachverhalt zu verstellen, der für das Verständnis der neuzeitlichen Toleranzdebatte von entscheidender Bedeutung ist: Nur zu leicht wird aus einer solchen präsentistischen Perspektive übersehen oder doch nicht hinreichend berücksichtigt, dass durchaus rationale Gründe der Gewährung von Toleranz und Religionsfreiheit entgegenstanden. Abgesehen von der Furcht vor gesellschaftlicher und politischer Desintegration durch religiöse Pluralität war es vor allem eine religiöse Prämisse, die (abgesehen von Außenseitern wie Spinoza) von allen Teilnehmern an der frühneuzeitlichen Toleranzdebatte geteilt wurde: das christliche Wahrheits- und Heilsmonopol.21 Um die Integrität der wahren Religion zu sichern und die durch den Übertritt zu einer falschen Religion vom Heilsverlust bedrohten Individuen zu schützen, oblag der jeweiligen Obrigkeit die cura religionis,22 der Schutz und die Förderung der wahren Religion, d. i. des Christentums in seiner jeweiligen konfessionellen Gestalt. Es war daher eine – in der christlichen Tradition gründende23 – selbstverständliche Pflicht, den durch falsche religiöse bzw. konfessionelle Überzeugungen drohenden Schaden durch eine heilsame Repression zu begrenzen. Diesen – politischen wie religiösen – Legitimationen von Intoleranz soll im skizzierten Sammelband besondere Beachtung geschenkt werden. Ihnen mussten Spinoza, Locke oder Bayle argumentativ wirksam entgegentreten. Auf Beiträge über diese – hinreichend erforschten – Klassiker ist hier bewusst verzichtet worden. Der Blick auf das argumentative Arsenal der Verfechter der Intoleranz und der cura religionis ist jedoch aufschlussreich, wenn es gilt, die Stärken, aber auch die Defizite der klassischen Plädoyers für Toleranz und Religionsfreiheit angemessen zu würdigen. (2) Die Konzentration der Forschung auf das Reformationszeitalter und die Aufklärung ist – neben der Fokussierung auf die Klassiker – eine weitere Besonderheit, zu der der hier vorliegende Sammelband einen Gegenakzent setzen möchte, indem er den Zeitraum von 1580 bis 1670 mit seiner fortschreitenden Ausdifferenzierung des Christentums in verschiedene Konfessionen und Sekten ins Zentrum rückt.24 Verschärft durch den Umstand, dass Remonstranten, Sozinianer, Kollegianten, Puritaner und diverse Ausläufer von Randgruppen der Reformation erst   21 Vgl. hierzu insbesondere die einschlägigen Arbeiten von Jan Assmann, der für den Sammelband noch einmal seine Forschungsthese zusammengefasst hat. 22 Vgl. Johannes Heckel: Cura religionis. Ius in sacra – Ius circa sacra. Darmstadt ²1962. Martin Honecker: Cura religionis Magistratus Christiani: Studien zum Kirchenrecht. München 1968. 23 Vgl. Pier Franco Beatrice (Hg.): L’intolleranza cristiana nei confronti dei pagani. Bologna 1990. Winfried Schröder: Athen und Jerusalem. Die philosophische Kritik am Christentum in Antike und Neuzeit. Stuttgart-Bad Cannstatt 22013, S. 110–138. 24 Vgl. hierzu auch Sascha Salatowsky: „Zwischen Hinrichtung und Duldung. Toleranzdebatten im konfessionellen Zeitalter, 1580–1650“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 63,1 (2015), S. 22–57.

Vorwort

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im 17. Jahrhundert das religiöse Spektrum erweiterten, konnte auch mit dem Westfälischen Frieden von 1648 die Frage, ob Andersgläubige und Häretiker (sowie Atheisten, die erstmals im späten 17. Jahrhundert an die Öffentlichkeit traten)25 in einem christlichen Gemeinwesen geduldet werden dürfen, keiner endgültigen politischen bzw. theologischen Lösung zugeführt werden. In welchem Maße die Religionsausübung von Muslimen zu dulden sei (dazu der Beitrag von Wiep van Bunge), blieb umstritten. Neue Fragen warfen die im Rahmen der frühneuzeitlichen Globalisierung in den Blick kommenden nichteuropäischen Religionen, namentlich in den amerikanischen Kolonien, auf (hierzu der Beitrag von John Christian Laursen). (3) Die Auseinandersetzungen über Toleranz- und Religionsfreiheit weisen in den Kulturen des frühmodernen Europas und den jeweiligen konfessionellen Milieus charakteristische Unterschiede auf. So gibt es Beiträge, die die Argumentationsmuster der Verfechter der cura religionis und der Einschränkung der Toleranz in der lutherischen Orthodoxie (dazu der Beitrag von Walter Sparn), im Katholizismus (hierzu der Beitrag von Łukasz Bieniasz) und im England des 17. und frühen 18. Jahrhunderts in politischer Perspektive (dazu der Beitrag von Ulrich Niggemann) in den Blick nehmen. Ferner soll untersucht werden, welche Varianten die Plädoyers für Toleranz aufweisen, die in manchen konfessionellen Milieus vorherrschten, insbesondere bei Randgruppen und Dissidenten wie den Sozinianern (hierzu die Beiträge von Sascha Salatowsky und Justin Champion), bei den Remonstranten in den Niederlanden (dazu der Beitrag von Kęstutis Daugirdas) und unter französischen Hugenotten (hierzu der Beitrag von Mona Garloff), aber auch bei einem Aufklärer wie Gotthold Ephraim Lessing (dazu der Beitrag von Friedrich Vollhardt), der in seiner Ringparabel ein Beispiel religiöser Toleranz beschrieb. Auch die bereits in der Renaissance aufgegriffenen antiken Vorstellungen von Religionsfreiheit wirkten in der Frühneuzeit weiter, wie das Werk des ungarischen Späthumanisten András Dudith (dazu die Einführung von Winfried Schröder) und stellten eine Inspirationsquelle für etliche spätere Autoren, darunter Pierre Bayle, dar. Ziel der Berücksichtigung der konfessionellen Besonderheiten ist es, ein differenziertes und abgerundetes Bild des Spektrums der in den frühneuzeitlichen Toleranzdebatten vertretenen Positionen zu gewinnen. (4) Nicht minder wichtig ist es, den Blick über die Grenzen der philosophischen und theologischen Toleranzdebatte hinaus zu erweitern und die Präsenz der philosophischen Argumente in den politischen und juristischen Diskursen der Zeit und umgekehrt den Einfluss der realgeschichtlichen Kontexte auf die einschlägige philosophische Theoriebildung zu beleuchten. Ein praktisches Beispiel hierfür ist   25 Vgl. Dieter Hüning: „Die Grenzen der Toleranz und die Rechtsstellung der Atheisten“, in: Lutz Danneberg, Sandra Pott u.a. (Hg.): Säkularisierung in den Wissenschaften seit der Frühen Neuzeit. Bd. 2: Zwischen christlicher Apologetik und methodologischem Atheismus. Berlin u.a. 2002, S. 219–273. Winfried Schröder: Ursprünge des Atheismus. Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts. 2., mit einem neuen Nachwort versehene und bibliographisch aktualisierte Auflage. Stuttgart-Bad Cannstatt 2012.

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die Toleranzgarantie für Kaufmänner und Seeleute im spanisch-englischen Friedesnvertrag von 1604 (dazu der Beitrag von Wolfgang Forster). Regionalgeschichtliche Fallstudien zu Dänemark (hierzu der Beitrag von Jens Glebe-Møller) und Mannheim (dazu der Beitrag von Harald Stockert) fragen nach den Motiven liberaler Religionspolitik. Interessant nicht nur sozialgeschichtlicher Sicht ist auch die Frage, ob Migranten toleranter sind (hierzu der Beitrag von Alexander Schunka). Der Sammelband ist das Ergebnis der Tagung „Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die Religion. Toleranzdebatten in der Frühen Neuzeit“, die vom 22. bis 24. Juli 2013 in der Forschungsbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein mit großzügiger Unterstützung des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft stattfand. Die Tagung wurde im Rahmen des von der DFG geförderten Ausbaus der Forschungsbibliothek Gotha zu einer „Forschungs- und Studienstätte für die Kulturgeschichte des Protestantismus in der Frühen Neuzeit“ organisiert. Wir bedanken uns bei der Forschungsbibliothek Gotha für diese Möglichkeit sowie für die großzügige Unterstützung bei der Drucklegung des Sammelbandes. Unser Dank gilt ferner dem Forschungszentrum Gotha sowie dem Freundeskreis der Forschungsbibliothek Gotha e.V. für die gewährte finanzielle Unterstützung bei der Durchführung der Tagung. Zu großem Dank verpflichtet sind wir auch der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, die großzügig die Drucklegung des Sammelbandes förderte. Schließlich bedanken wir uns bei Anne-Marie Düfert, Lena Frewer und Ulrike Wolff für die redaktionelle Mitarbeit bei der Herstellung des Sammelbandes. Das Schloss Friedenstein, errichtet während der Wirren des 30-jährigen Krieges, war der geeignete Ort für eine Diskussion über die Toleranz in der Frühen Neuzeit. Die Herausgeber Gotha / Marburg im Januar 2016

TOLERANTIA – LIBERTAS RELIGIONIS – CURA RELIGIONIS. ZUR EINFÜHRUNG Winfried Schröder Wenn wir von heute aus – aus einer Situation, in der religiöse Toleranz als Ideal weitgehend anerkannt und Religionsfreiheit rechtlich gesichert ist – einen Blick zurück auf den langen Weg werfen, der dorthin geführt hat, kann es leicht zu verzerrten Wahrnehmungen der Vergangenheit kommen. So kann es vor dem Hintergrund des errungenen zivilisatorischen Fortschritts den Anschein haben, als seien die Intoleranz und der Glaubenszwang in den vormodernen Epochen brutale Repression und schiere Gewalt gewesen. Ein verbreiteter antiklerikaler Topos besagt genau dies: Intoleranz und Glaubenszwang sind geradezu der Inbegriff der cruauté religieuse, der religiösen Grausamkeit. Es war der Atheist Holbach, der diese griffige Formel um die Mitte des 18. Jahrhunderts geprägt hat.1 Ihre Pointe ist, dass Grausamkeit etwas anderes ist als bloße Repression. Repressiv sind ja auch Gesetze, die mit Sanktionen bewehrt sind, und wir halten es für legitim, dass sie normverletzendes Verhalten unterdrücken. Grausam dagegen können nur Repressionen genannt werden, die keinerlei nachvollziehbare Rechtfertigung besitzen. Genau das meinte Holbach mit seinem Schlagwort cruauté religieuse, wie die konkreten Beispiele zeigen, die er zu ihrer Illustration anführt: Inquisition, Bücherverbrennungen, Zwangsexilierungen, Autodafés und Scheiterhaufen. Natürlich ist das kämpferische Engagement Holbachs Welten entfernt von der nüchternen Sachlichkeit, mit der wir Historiker uns mit diesen Phänomenen befassen. Dennoch: Vonseiten der Forschung – ich denke dabei zuallererst an die philosophiehistorische Forschung – finden die Vorkämpfer von Toleranz und Religionsfreiheit immer wieder sympathisierende Darstellungen.2 Ganz anders ihre theologischen Widersacher. Im Vergleich mit unseren liberalen Heroen Sebastian Cas  1

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Anonymus: De la cruauté religieuse. Londres [i.e. Amsterdam: Marc Michel Rey] 1769. Bei diesem zumeist d’Holbach zugeschriebenen Text handelt es sich um eine Bearbeitung der anonymen Schrift Considerations upon war, upon cruelty in general and religious cruelty in particular (London 21761). Eine deutsche Übersetzung von De la cruauté religieuse legte Christian Ludwig Paalzow vor: Geschichte der religiösen Grausamkeit, vom Verfasser des Hierokles. Mainz 1800. Vgl. Rainer Forst: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. Frankfurt 2003. Ders. (Hg.): Toleranz. Philosophische Grundlagen und gesellschaftliche Praxis einer umstrittenen Tugend. Frankfurt/Main 2000. Hans Rudolf Guggisberg: Religiöse Toleranz. Stuttgart-Bad Cannstatt 1984.

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Winfried Schröder

 

tellio3, Jean Bodin4, John Milton5, Baruch Spinoza6, Pierre Bayle7 oder John Locke8 stehen sie oftmals als Fürsprecher brutaler Gewaltmaßnahmen da. Geradezu von „christlichem Meinungsterror“9 sprach der Kirchenhistoriker Karl Hoheisel. Das die Intoleranz motivierende Anliegen ist, so scheint es, durch die empfohlenen und eingesetzten Mittel – Inquisition, Autodafés und Scheiterhaufen – von Grund auf diskreditiert und verdient in der Sache gar nicht ernstgenommen zu werden. So einfach können wir es uns indessen nicht machen. Denn die christlichen Theologen, die eine weit bemessene Toleranz und erst recht eine vollumfängliche Religionsfreiheit ablehnten, taten dies aus Gründen, die man nicht von vornherein als abwegig oder vorgeschoben abtun kann. Und sie taten es aus Motiven, denen nicht ohne weiteres die Respektabilität abzusprechen ist. Die entscheidenden Gründe und Motive fallen in dem Gedanken zusammen, dass uns das Schicksal unserer Mitmenschen nicht gleichgültig sein kann. Wir müssen vielmehr aktiv   3 4

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Vgl. Hans Rudolf Guggisberg: Sebastian Castellio 1515–1563. Göttingen 1997. Vgl. Georg Roellenbeck: „Der Schluß des ‚Heptaplomeresʻ und die Begründung der Toleranz bei Bodin“, in: Horst Denzer (Hg.): Jean Bodin. München 1973, S. 53–67. Ingrid Creppell: Toleration and Identity. Foundations in Early Modern Thought. New York 2003, S. 39ff. Gary Remer: Humanism and the Rhetoric of Toleration. Pennsylvania 1996, S. 203ff. Luciano Parinetto: L’inquisitore libertino. Discorso sulla tolleranza religiosa e sull’ateismo. A proposito dell’Heptaplomeres di Jean Bodin. Florenz 2002. Andrea Suggi: Sovranità e armonia. La tolleranza religiosa nel Colloquium Heptaplomeres di Jean Bodin. Rom 2005. Vgl. Sharon Achinstein und Elizabeth Sauer (Hg.): Milton and Toleration. Oxford 2007. Phillip J. Donnelly: Milton’s Scriptural Reasoning. Narrative and Protestant Toleration. Cambridge 2012. Vgl. Jonathan Israel: „Spinoza, Locke and the Enlightenment Battle for Toleration“, in: Ole Peter Grell u.a. (Hg.): Beyond the Persecuting Society. Religious Toleration before the Enlightenment. Philadelphia 1998, S. 102ff. Jan Den Tex: Spinoza over de tolerantie. Leiden 1967. Vgl. Lucien du Bois: Bayle et la tolérance. Paris 1902. Rainer Forst: „Pierre Bayle’s Reflexive Theory of Toleration“, in: Melissa S. Williams und Jeremy Waldron (Hg.): Toleration and its Limits. New York 2008, S. 78ff. Vgl. John Marshall: John Locke, Toleration and Early Enlightenment Culture. Religious Intolerance and Arguments for Religious Toleration in Early Modern and Early Enlightenment Europe. Cambridge 2006. Richard Vernon: The Career of Toleration. John Locke, Jonas Proast, and After. Montreal 1997. John P. Horton und Susan Mendus: John Locke. A Letter Concerning Toleration in Focus. London 1991. Karl Hoheisel: Das Urteil über die nichtchristlichen Religionen im Traktat „De errore profanarum religionum“ des Julius Firmicus Maternus. Diss. Bonn 1972, S. 388. Vgl. auch: Pier Franco Beatrice (Hg.): L’intolleranza cristiana nei confronti dei pagani. Bologna 1993. François Paschoud: „L’intolérance chrétienne vue par les païens“, in: Cristianesimo nella storia 11 (1990), S. 544–577. Graham N. Stanton und Guy G. Stroumsa (Hg.): Tolerance and Intolerance in Early Judaism and Christianity. Cambridge 1998. Wolfgang Speyer: „Toleranz und Intoleranz in der Alten Kirche“, in: Ingo Broer und Richard Schlüter (Hg.): Christentum und Toleranz. Darmstadt 1996, S. 83–106. Harold Allen Drake: „Lambs into Lions. Explaining Early Christian Intolerance“, in: Past and Present 153 (1996), S. 3–36.

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Sorge für ihr Heil tragen. Und dazu bedarf es auch der institutionellen Mitwirkung der weltlichen Obrigkeit, der die cura religionis obliegt.10 Diese Begründungsfigur lässt sich bis in die Frühzeit des Christentums zurückverfolgen. Ihre klassische Formulierung fand sie bei Augustinus, der klarzustellen versucht hat, dass Zwangsmaßnahmen gegen Irrgläubige nicht nur legitim, sondern geradezu geboten sind. Sein Brief an Vincentius (Ep. 93) aus dem Jahre 40811, ein Traktat in Briefform, ist sicherlich die historisch wirkmächtigste Apologie der Intoleranz, die je geschrieben wurde. Denn seine Hauptgedanken fanden im 12. Jahrhundert Eingang in das Decretum Gratiani. Dieses wiederum bildet den ersten Teil des Corpus iuris canonici, und so wirkten die Thesen des Augustinus in der Rechtspraxis seit dem Mittelalter fort. Daher war der Vincentius-Brief der Referenztext, an dem die Advokaten der Toleranz sich abzuarbeiten hatten. Noch Pierre Bayle12 entfaltete sein Plädoyer für eine tolérance universelle in Form einer Auseinandersetzung mit der Losung compelle intrare, die Augustinus dem Neuen Testament (Lk 14,23) entnommen hatte und die als Abbreviatur seiner Rechtfertigung der Intoleranz genommen werden kann. Vor allem aber ist der Vincentius-Brief in der argumentativen Transparenz der Rechtfertigung von Intoleranz unübertroffen. Das Thema des Vincentius-Briefs ist der Umgang mit Andersgläubigen. Auf die Duldung der heidnischen Kulte geht Augustinus nur kurz ein. Seit Theodosius I. galt die Todesstrafe für Heiden, die die Religion ihrer Väter weiterhin praktizierten. Augustinus begrüßte diese Sanktion – das capitale supplicium – ausdrücklich und hielt sie nicht eigens für rechtfertigungsbedürftig. „Wer […] lobt nicht die Gesetze, die von den Kaisern gegen die heidnischen Opfer erlassen wurden? Dort ist […] über jene Gottlosigkeit die Todesstrafe [capitale supplicium] verhängt.“ (93.10) Im Zentrum seiner Überlegungen aber steht die Frage, ob Abweichler innerhalb des christlichen Spektrums zu tolerieren sind. Auch hier begrüßt Augustinus Zwangsmaßnahmen, rät aber zu „größerer Milde“ als im Umgang mit Heiden: „Verbannung und Vermögensverluste“ scheinen ihm bei christlichen Häretikern angemessen (93,19). Dieser gleichwohl gravierende Einsatz von gewaltsamen Abschreckungsmaßnahmen – terror und violentia – erfolgt aus „väterlicher Fürsorge [paterna diligentia]“ (93.1) und „im Dienste der Liebe [servientes […] caritati].“ (93.8) Denn es sei für die Irrgläubigen „heilsam […], wenn sie durch die von Gott eingesetzte Obrigkeit im Zaume gehalten und gezüchtigt wer  10 Vgl. Martin Honecker: Cura religionis Magistratus Christiani. Studien zum Kirchenrecht. München 1968. Johannes Heckel: Cura religionis. Ius in sacra – Ius circa sacra. Darmstadt ²1962. 11 Vgl. Peter Brown: „Saint Augustine’s Attitude to Religious Coercion“, in: Journal of Roman Studies 54 (1964), S. 107–116. John Vanderspoel: „The Background to Augustine’s Denial of Religious Plurality“, in: H. A. Meynell (Hg.): Grace, Politics and Desire. Calgary 1990, S. 179–193. 12 Vgl. Pierre Bayle: Commentaire philosophique sur ces paroles de Jésus- Christ, contrain-les d’entrer ou traité de la tolérance universelle. Vgl. die von Jean-Michel Gros besorgte Neuausgabe: De la tolérance. Commentaire philosophique. Paris 2006.

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den [cohiberi atque corrigi]“ (93,1), auf dass alle Menschen „im Schafstall des Friedens zusammengebracht werden [in pacis ovile colligerentur]“ (93.19). „Abschreckung“ – terror – „im Dienste der Liebe“ – Äußerungen wie diese mögen unmittelbar zynisch wirken. Gewiss wird man Karl Hoheisel nicht widersprechen können, der mit Blick auf solche Maximen von „christlichem Meinungsterror“ sprach. Aber zynisch sind die Überlegungen des Bischofs von Hippo keineswegs. Denn er legt die Prämissen offen, aus denen er die Pflicht zu Intoleranz und zum Einsatz von Gewalt ableitet. Und diese Prämissen sind nicht willkürlich von ihm gesetzt. Nämlich erstens: Wer nicht an die einzig wahre Religion glaubt, geht des Heils verlustig und fällt der ewigen Verdammnis anheim. Und zweitens: Wir sind zur Nothilfe verpflichtet, wenn Mitmenschen von größtem Schaden bedroht sind. Je größer der drohende Schaden, desto einschneidendere Maßnahmen müssen wir ergreifen. Die erste Prämisse ist durch die Heilige Schrift verbürgt. Mk 16,16 – „Wer nicht glaubt, wird verdammt“ – ist nur eine von zahllosen einschlägigen biblischen Aussagen. Die zweite Prämisse ist ein moralphilosophischer Gemeinplatz. Aus beiden Prämissen folgt, dass der Irrglaube, der unfehlbar die ewige Verdammnis nach sich zieht, nicht toleriert werden darf. Es ist ein Irrtum zu meinen, „man dürfe dem Menschen keine Gewalt antun, um ihn von einem verderblichen Irrtum zu befreien [ut ab erroris pernicie liberetur].“ (93.5) Würden wir den Irrtum „ertragen“ – Augustinus benutzt das Wort tolerare –, würden wir also „nichts tun, wodurch [die Irrenden] in Schrecken [terror] gesetzt und gebessert werden könnten, so würden wir in Wahrheit Böses mit Bösem vergelten.“ (93.2) Das Vergehen, dessen wir uns schuldig machen würden, wäre die moralisch verwerfliche Verletzung einer Beistandspflicht. Augustinus legitimiert gewaltsame Übergriffe auf Andersgläubige. Aber es sind Übergriffe zugunsten der von ihnen Betroffenen, also tatsächlich Interventionen „im Dienste der Liebe“ (93.8). Damit nicht genug: Augustinus stellt auch eine Reihe von Überlegungen an, mit denen er wesentliche Argumente, die die neuzeitlichen Vorkämpfer der Toleranz vorbrachten, der Sache nach vorwegnimmt und entkräftet. Ein klassisches Argument zugunsten der Toleranz besagt, dass eine direkte Einflussnahme auf Überzeugungen nicht möglich ist, weil wir nicht imstande sind, willentlich etwas für wahr zu halten. Um eine solche direkte Einflussnahme geht es, wie Augustinus klarstellt, jedoch nicht. Von den von ihm befürworteten Zwangsmaßnahmen verspricht er sich eine indirekte Wirkung: Sie sollen einen Prozess anstoßen, dessen Ziel es ist, dass die Irrenden ihren Irrtum überdenken und „zur Besinnung kommen“ (93.2). Gewöhnlich sind ja die Irrgläubigen „durch die Macht der Gewohnheit gefesselt“ und „würden in keiner Weise an eine Änderung zum Besseren denken, wenn nicht dieser Schrecken [terror] über sie käme und die Aufmerksamkeit ihrer Seele auf die Erwägung der Wahrheit lenkte“ (93.1). Augustinus gibt sich keineswegs der Illusion hin, man könne Menschen den wahren Glauben aufzwingen. Wohl aber ist es ihm zufolge möglich, und es ist unsere Pflicht, sie dazu zu bringen, „den Weg des Heils [viam salutis] einzuschlagen“ (93.2). Ein zweites Toleranzargument besagt, dass Zwangsmaßnahmen kontraproduktiv sind. Sie würden Lippenbekenntnissen und Heuchelei Vorschub leisten. Und am Ende, so

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nimmt Augustinus diesen Einwand vorweg, hätten wir ein aus seelsorgerischer Perspektive unerwünschtes Resultat: Wir würden keine Gläubigen, sondern „gezwungene Katholiken“ (93.17) gewinnen. Augustinus ist sich dieses Risikos bewusst. Zwangsmaßnahmen – terror – allein, so räumt er ein, genügen nicht. Sie müssen durch Belehrung ergänzt werden: Würden die Irrenden „nur in Schrecken gesetzt [terrerentur] und nicht auch belehrt, so würde dies als eine Art Tyrannei erscheinen. Würden sie hingegen nur belehrt und nicht auch in Schrecken gesetzt, so würden sie wegen ihrer Herzenshärte [vetustate consuetudinis obdurati]“ (93.3) an ihren hergebrachten Irrtümern festhalten. Eine Kombination dieser Maßnahmen ist also der richtige Weg. Der Vincentius-Brief macht die Grenzen explizit, innerhalb derer in der christlich geprägten Kultur über den Umgang mit religiöser Abweichung diskutiert werden konnte. Die religiösen Prämissen des augustinischen IntoleranzGebots – der Wahrheits- und Heilsexklusivismus des Christentums – durften nicht infrage gestellt werden. Die moralische Prämisse verstand sich von selbst. Natürlich müssen wir den vom größten anzunehmenden Unheil Bedrohten durch Nothilfe beistehen. Allenfalls ließ sich geltend machen, dass Dissens in Glaubensfragen in bestimmten Konstellationen als unvermeidlicher oder aus pragmatischen Gründen hinzunehmender Übelstand zu dulden ist. So wie das biblische Gleichnis es sagt, in dem geschrieben steht, man solle das Unkraut bis zur Zeit der Ernte stehenlassen (Mt 13,24–30). Toleranz in diesem Sinne – als Duldung eines Übelstandes – war in einer christlich geprägten Kultur möglich, und sie war vielerorts Realität. Juden beispielsweise waren ja, auch wenn es immer wieder zu den schlimmsten Verfolgungen kam, grundsätzlich geduldet. Es ist nicht jedoch zu sehen, wie unbeschadet des christlichen Wahrheits- und Heilsexklusivismus für Religionsfreiheit hätte argumentiert werden können. Religionsfreiheit, so sagt Augustinus an anderer Stelle, ist nichts anderes als ein Euphemismus für „Freiheit zu irren“: „quae peior mors quam libertas erroris?“13 Und Irrtum führt unweigerlich in die ewige Verdammnis. Christentum und Religionsfreiheit schließen sich, wenn wir Augustinus folgen, prinzipiell aus. Oder ist dies eine einseitige Zuspitzung? Werfen wir dazu abschließend einen Blick auf einen Text, in dem gerade dieser Versuch unternommen, also ausdrücklich die libertas religionis eingefordert wird. Der Text, auf den ich mich beziehe,14 entstand im späten 16. Jahrhundert und stammt von dem ungarischen Humanisten Andras Dudith.15 Er trägt den programmatischen Titel De libertate religionis. 1605 wurde er erstmals veröffentlicht und mehrmals nachgedruckt. Seine Wirkung strahlt bis in die Toleranzdebatten im   13 Augustinus: Epistula 105,2 [CSEL 34,2, 602]. 14 Vgl. Pro Libertate Relligionis in: Themistios: Orationes sex augustales […] nunc primum Latinum in sermonem conversae a Georgio Remo. […] Adjecimus & septimam Themistii orationem ad Valent. Imp. pro Libertate Relligionis [sic], latine. Amberg 1605, S. 225–230. 15 Vgl. Pierre Costil: André Dudith. Humaniste hongrois. Paris 1935.

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Zeitalter der Aufklärung aus und ist etwa bei Pierre Bayle nachzuweisen.16 Die tragende Säule von Dudiths Plädoyer für die Religionsfreiheit ist ein nichtexklusivistisches Religionsverständnis. Es besagt erstens, dass der Schöpfer alle Menschen in Kenntnis seines Daseins und gewisser Eigenschaften (Güte, Vorsehung) gesetzt hat. Zweitens: Darüberhinaus wissen wir nichts von ihm. Gott „hat sich unserer Erkenntnis in unerreichbare Ferne entzogen [a cognitione nostra se longissime removit]“ (S. 228). Insbesondere lässt er uns im Unklaren darüber, wie er verehrt werden will. Drittens: Die Vielfalt religiöser Vorstellungen unter den Völkern und Individuen ist eine unbestreitbare Realität, und weil sie es ist, müssen wir annehmen, dass sie gottgewollt ist. Viertens: Die religiöse Pluralität ist gottgefällig. Gott erfreut sich an dieser Vielfalt: „Hac varietate […] delectari existimare debes principem […] hujus universitatis“ (S. 229). Fünftens: Die Vielfalt von Glaubens- und Kultformen ist in religiöser Perspektive wertvoll. Denn, so sagt Dudith in denkwürdiger Vorwegnahme eines Gedankens der Lessingschen Ringparabel, der „Wettstreit“ (certamen) der Religionen ist ein Ansporn zur Gottesverehrung („veneratio“) in vielfältigen Formen („non una via“, S. 228). All das spricht klar gegen Zwangsmaßnahmen mit dem Ziel der Durchsetzung eines einheitlichen Glaubens. Denn religiöse Uniformität ist nicht herstellbar. Wir können ja so gut wie nichts mit Gewissheit von Gott aussagen. Und so gibt es gar keinen dogmatischen Lehrbestand, den wir anderen aufnötigen könnten. Mehr noch: Die Durchsetzung eines einheitlichen Glaubens liefe Gottes Freude an der Vielfalt zuwider: „Deo ipsi grata esse non potest haec opinionum consensio“ (S. 228). Und schließlich: Religiöse Gleichschaltung würde den Wettstreit auf dem Feld der Religion unterbinden und ließe damit eine wichtige Quelle der Gottesverehrung veröden. Deshalb darf und soll ein jeder sich auch in Religionsdingen „seines eigenen Verstandes bedienen [suo quisque utatur ingenio]“ (S. 229) – wieder eine erstaunliche, nahezu wörtliche Vorwegnahme des 200 Jahre später von Kant ausgegebenen ,Wahlspruchs der Aufklärung‘ Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Interessant an Dudiths Argumenten ist, dass er seine liberale Forderung nicht von außen – von der Philosophie oder von der Politik her – an die Religion heranträgt. Er macht vielmehr religiöse Gründe gegen den Versuch der Durchsetzung eines einheitlichen Glaubens geltend. Im Ergebnis zeigt sich: Religionsvielfalt ist aus Dudiths Sicht nicht als Übelstand zu dulden. Die angemessene Haltung zu religiöser Pluralität ist nicht Toleranz, sondern die auf Wertschätzung dieser Vielfalt beruhende Religionsfreiheit. Und doch ist unmittelbar ersichtlich, dass dieses Plädoyer für Religionsfreiheit bei seinen christlichen Adressaten kein Gehör finden konnte. Denn es steht und fällt mit Dudiths nichtexklusivistischem Religionsverständnis. Und dieses hat   16 Vgl. Pierre Bayle: Rez. Themistios, Orationes XXXIII, Nouvelles de la république des lettres (1684). Œuvres diverses. Bd. 1. Den Haag 1727. S. 178–180. Zur Wirkung dieses Textes in der deutschen Aufklärung vgl. Benjamin Friedrich Schmieder: De Themistio tolerantiae patrono. Halle 1789.

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zur Voraussetzung, dass keine gehaltvollen religiösen Aussagen verbindlich getroffen werden können, weil Gott „sich unserer Erkenntnis in unerreichbare Ferne entzogen hat“. Gegen den Nichtexklusivismus steht das einmütige Selbstverständnis aller Christen, das in dem Singular des Herrenwortes zum Ausdruck kommt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh 14,6) Gegen die These von der Unmöglichkeit gehaltvoller religiöser Aussagen steht die Idee der Offenbarung selbst. Gott hat sich in den Offenbarungstexten der Heiligen Schrift mitgeteilt und mitnichten „sich unserer Erkenntnis in unerreichbare Ferne entzogen“. Wer solche Argumente ins Feld führt, so schrieb ein früher Leser des Dudith-Textes, kann kein Christ gewesen sein: „minime Christianum fuisse qui scripsit“.17 Und genauso war es auch. Und zwar in buchstäblichem Sinne, wie die Textgeschichte des Traktats De libertate religionis zeigt. Dudith war zwar Christ, freilich von der konfessionell besonders beweglichen Sorte; er gab sogar sein katholisches Bischofsamt auf, um zum Protestantismus zu konvertieren. Aber unser Text – Pro libertate relligionis – ist nur teilweise ein Produkt seiner Feder. Die entscheidenden Passagen stammen von einem paganen Philosophen des vierten nachchristlichen Jahrhunderts: von dem als AristotelesKommentator bekannten Themistios. Themistios hatte im Jahre 364 in einer vor Kaiser Iovian gehaltenen Rede gegen religiöse Verfolgung und für die Freiheit auch der verschiedenen christlichen Bekenntnisse Stellung genommen.18 Später hat er vor Kaiser Valens eine weitere Toleranzrede gehalten, die jedoch verloren ist. Von ihr sind nur Bruchstücke bei den christlichen Kirchenhistorikern Sokrates und Sozomenos überliefert.19 Als Dudith im Jahre 1589 starb, fand sich unter seinen nachgelassenen Papieren ein lateinisches Manuskript über die Religionsfreiheit, eben jener Text, auf den ich mich gerade bezogen habe. Es enthielt lange Passagen aus der ersten sowie die erwähnten Bruchstücke der zweiten Toleranzrede des Themistios.20 Die meisten in dieser Schrift vorgetragenen Argumente, die ich eben referiert habe, gehen direkt, oft in wörtlicher Übertragung auf Themistios   17 Zitiert bei Winfried Schröder: Athen und Jerusalem. Die philosophische Kritik am Christentum in Antike und Neuzeit. Stuttgart-Bad Cannstatt 22013, S. 137. 18 Themistios: „Oratio 5 [am 11.1.364 vor Iovianus gehalten]“, in: Ders.: Orationes. Hrsg. v. Heinrich Schenkl, Glanville Downey u.a. Bd. 1. Leipzig 1965, S. 91–104. Vgl. Clifford Ando: „Pagan Apologetics and Christian Intolerance in the Ages of Themistius and Augustine“, in: Journal of Early Christian Studies 4 (1996), S. 171–207. Timothy D. Barnes und John Vanderspoel: „Julian and Themistius“, in: Greek, Roman and Byzantine Studies 22 (1981), S. 187–186. Thomas Brauch: „Themistius and the Emperor Julian“, in: Byzantion 63 (1993), S. 79–115. Lawrence J. Daly: „Themistius’ Plea for Religious Tolerance“, in: Greek, Roman and Byzantine Studies 12 (1971), S. 65–79. Roberto Maisano: „Il discorso di Temistio a Gioviano sulla tolleranza“, in: Franco Ela Consolino Catanzaro (Hg.): Pagani e cristiani da Giuliano l’Apostata al sacco di Roma. Catanzaro 1995, S. 35–51. 19 Vgl. Sokrates: Historia ecclesiastica 4,32 [Sources Chrétiennes 505, 132/134]. Sozomenos: Historia ecclesiastica, S. 6f. [Sources Chrétiennes 495, 442/444]. 20 Vgl. Schröder: Athen und Jerusalem, S. 131f.

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zurück. Als es im Jahre 1605 zum ersten Druck des Dudith-Textes kam, glaubte der Herausgeber, eine lateinische Übersetzung der verlorenen zweiten Toleranzrede des Themistios in den Händen zu halten. In der Folgezeit wurde sie als Werk des spätantiken Autors in zahlreiche Themistios-Ausgaben übernommen.21 Erst im Jahre 1900 wurde der Nachweis geführt, dass wir es nicht mit einem Werk des Themistios, sondern mit einer durch eigene Gedanken angereicherten Kompilation Dudiths zu tun haben.22 Die Herkunft der gedanklichen Substanz des Traktats von Dudith ist in der Sache höchst aufschlussreich. Denn zur Begründung seiner Forderung nach Religionsfreiheit musste Dudith auf das pluralistische Religionsverständnis23 zurückgreifen, das er bei dem spätantiken Heiden Themistios entfaltet fand. Er musste also den tragenden Boden christlicher Grundüberzeugungen verlassen und insbesondere den Wahrheits- und Heilsexklusivismus des Christentums verwerfen. Bei Pierre Bayle, der unseren Text für eine echte Themistios-Rede hielt, finden sich hierzu bedenkenswerte Reflexionen. Seine Gesamtwürdigung des Versuchs, die „diversité d’opinions“ zu entkriminalisieren, beschließt Bayle mit folgender Bemerkung: Es ist „bedauerlich, dass diese schönen Gedanken von einem Heiden ausgesprochen wurden und diese wichtige Lektion den Christen von einem Götzendiener erteilt werden musste“.24 Die Ironie dieser Bemerkung ist offensichtlich. Denn selbstverständlich war Bayle bewusst, dass nur ein Heide behaupten konnte, „es habe Gott gefallen“, sich den Menschen, die ihn kennen wollen, zu entziehen. „Christ sein“ heißt demgegenüber – ebenso selbstverständlich –, sich im Besitz der Offenbarung zu wissen, durch die Gott sich den Menschen mitgeteilt hat. Die ironische Tönung dieser Bemerkung Bayles soll wohl darauf hindeuten, dass hier eine weitere Lektion zu lernen ist. Und tatsächlich wird im Nachvollzug der argumentativen Schritte des Themistios und ihrer Wiederaufnahme bei Dudith eines klar: Im Ausgang von christlichen Prämissen führt kein Weg zur Religionsfreiheit: Denn um die schlüssige Rechtfertigung der christlichen Intoleranz entkräften zu können, muss das Wahrheitsmonopol des Christentums infrage gestellt   21 Sokrates: Historia ecclesiastica, S. 130. 22 Vgl. Richard Förster: „Andreas Dudith und die XII. Rede des Themistios“, in: Neue Jahrbücher für das Klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik 3 (1900), S. 74–93. Zweifel an Försters Athetese äußern Joseph Lecler: Histoire de la tolérance au siècle de la réforme. Bd. 1. Paris 1955, S. 74f., und Richard Goulding: „Who Wrote the Twelfth Oration of Themistius?“, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 63 (2000), S. 1–23, der aber einräumt: „The authenticity of the twelfth oration remains open to question“ (ebd., S. 22). 23 Vgl. Arthur Hilary Armstrong: „The Way and the Ways. Religious Tolerance and Intolerance in the Fourth Century A. D“, in: Vigiliae Christianae 38 (1984), S. 1–17, zu Themistios, Symmachus und anderen „fourth-century pagan pluralists“; Schröder: Athen und Jerusalem, S. 117ff. 24 Bayle: Nouvelles de la république, S. 179: „C’est dommage que d’aussi belles pensées ayent été dites par un Payen, & qu’il ait été nécessaire que les Chrétiens apprissent d’un Idolâtre cette importante leçon.“

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werden. Themistios und nach ihm Dudith taten dies unter Hinweis auf die Erkenntnisgrenzen in göttlichen Dingen. In der Debatte jedoch, in die Dudith involviert war, hielt die Gegenseite an diesem Monopol fest und war keineswegs zu seiner Preisgabe bereit. Daher war sein Eintreten für Religionsfreiheit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wer eine solche Strategie wählte, konnte bei seinen christlichen Adressaten kein Gehör finden. Ich hatte eingangs daran erinnert, dass eine präsentistisch-anachronistische Sichtweise und erst recht antiklerikaler Furor zu verzerrten Wahrnehmungen der christlich geprägten Vergangenheit führen. Insbesondere machen sie blind für die moralisch respektable Motivation religiöser Intoleranz. Sie verstellen den Blick darauf, dass ohne einen Anflug von Zynismus Gewalt gegen Irr- und Ungläubige als Wohltat für diese selbst und als Rettung der übrigen vor dem Schlimmsten verstanden werden konnte. Das polemische Schlagwort von der cruauté religieuse ist hier also völlig fehl am Platz. Allerdings müssen wir, das augustinische Argument vor Augen, demselben Holbach in einer Hinsicht rechtgeben. Nämlich seiner These, dass die Intoleranz kein Missbrauch der Religion, kein „abus de la religion“25 ist. Sie ist vielmehr die unausweichliche Folge des „esprit exclusif“26, also des Ausschließlichkeitsanspruchs des Christentums. Heute erheben Theologen gegen diese These Einspruch. Manche übergehen die intoleranten Implikationen des christlichen Exklusivismus mit Stillschweigen. Andere geben den Exklusivismus ausdrücklich auf. Die entscheidenden Anregungen hierzu stammen von dem Religionsphilosophen und Theologen John Hick. Einschlägig sind vor allem seine Bücher God and the Universe of Faiths und God Has Many Names.27 Seiner sogenannten pluralistischen Religionstheologie28 zufolge haben wir es mit einem veritablen „Universum“ von Glaubensvarianten zu tun, von denen keine einen Ausschließlichkeitsanspruch erheben darf. So lieblich der Titel von Hicks letztem Buch – The Rainbow of Faiths von 1995 – auch klingt, die pluralistische Religionstheologie ist hochumstritten29, und das aus naheliegenden Gründen. In der Sache trifft sie sich in vielerlei Hinsicht mit dem Religionsverständnis, das Dudiths   25 Paul-Henri Thiry d’Holbach: La contagion sacrée. [Amsterdam] 1768. Bd. 2, 1. Vgl. auch Bd. 1, S. 164: „l’intolérance est essentielle à cette Religion [scil. chrétienne].“ Mit der Bemerkung, ein toleranter Christ verstoße gegen seine eigenen Interessen („Un Chrétien tolérant est un homme qui renonce à ses intérêts“, Holbach, S. 42), verfehlt er jedoch den entscheidenden Punkt. Es sind ja die Interessen der anderen, der durch den Irrtum Gefährdeten, die durch Intoleranz gesichert werden sollen. 26 D’ Holbach: La contagion sacrée. Bd. 2, S. 32. 27 Vgl. John Hick: God Has Many Names. Philadelphia 1982. Deutsche Ausgabe: Gott und seine vielen Namen. Frankfurt am Main 2001. John Hick: The Rainbow of Faiths: Critical Dialogues on Religious Pluralism. London 1995. 28 Vgl. John Hick: „Religious Pluralism“, in: Charles Taliaferro u.a. (Hg.): A Companion to Philosophy of Religion. Malden, MA 22010, S. 710–717. Perry Schmidt-Leukel: Gott ohne Grenzen. Eine christliche und pluralistische Theologie der Religionen. Gütersloh 2005. 29 Vgl. Raymund Schwager (Hg.): Christus allein? Der Streit um die pluralistische Religionstheologie. Freiburg 1996.

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Plädoyer für die libertas religionis zugrundeliegt. Was die Zeit betrifft, mit der die Beiträge dieses Bandes befasst sind, war ein Eintreten für Religionsfreiheit allerdings nicht bloß umstritten, es war schlechthin unannehmbar. Allenfalls ließ sich für Toleranz im Sinne der Duldung eines Übelstandes votieren. Und immer war davon auszugehen, dass der Gedanke der cura religionis und die Akzeptanz von Zwangsmaßnahmen von einem breiten, theologisch gut fundierten Konsens getragen waren. In welchem Umfang trotzdem Toleranz eingefordert werden konnte, wird in den folgenden Beiträgen ausgelotet.

MONOTHEISMUS UND INTOLERANZ Jan Assmann Woher kommt die polarisierende Kraft, die den monotheistischen Religionen, und nur ihnen, eigen ist, die Welt zu spalten in Jews and Gentiles, Christen und Heiden, Muslims und Ungläubige, und dann auch nach innen, zwischen Juden und Samaritanern, Ostkirche und Westkirche, Katholiken und Protestanten, Sunniten und Schiiten usw. Unterscheidungen, die oft in Intoleranz, in Verfolgung und Gewalt übergingen, nicht im rabbinischen Judentum, aber im Christentum und Islam? Das Problem ist aktuell, weil wir mit dem religiösen Antagonismus und seinen gewaltsamen Äußerungen bis heute konfrontiert werden, aber die Frage nach dem woher gilt den Ursprüngen und damit der hebräischen Bibel, auf der alle drei abrahamitischen Religionen, vor allem aber Judentum und Christentum, basieren. Die Bibel, das wird niemand bestreiten, ist ja voller Szenen religiöser Gewalt, angefangen von den 3000 Mann, die Moses nach dem Tanz ums Goldene Kalb umbringen ließ, über Zimri, den Pinchas mit seiner midianitischen Geliebten nach dem Fest für Ba’al Pe’or im Liebesakt ermordete, die 400 Ba’alspriester, die Elias umbringen ließ, den Amalekiterkönig Agag, den Samuel in Stücke haute, bis zur Josianischen Kultreform und ihren Opfern und bis zur Scheidung der Mischehen unter Ezra und Nehemiah. Auch wenn es sich bei den meisten, wenn nicht allen dieser Szenen nicht um historische, sondern um literarische Tatsachen handelt, muss man sich doch fragen: Wo kommt diese Gewalt her und was hat sie zu bedeuten? In meinen Büchern Moses der Ägypter und Der Preis des Monotheismus habe ich diese polarisierende Kraft auf ein Prinzip zurückgeführt, dass ich die ‚mosaische Unterscheidung‘ genannt habe. Der Monotheismus, das war die These, habe erstmals die Unterscheidung zwischen wahr und falsch in den Raum der Religion eingeführt.1 Erst jetzt wurde es denkbar, zwischen wahrer Religion und falschen   1

 

Vgl. Jan Assmann: Moses the Egyptian. The Memory of Egypt in Western Monotheism. Cambridge 1997. Deutsche Übersetzung: Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur. München 1998. Erweiterte Übersetzung: Frankfurt/Main 2000. Ders.: Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus. München 2003. Vgl. auch: Ders.: Der Monotheismus und die Sprache der Gewalt. Wiener Vorlesungen. Wien 2006. Sowie Ders.: „Monotheismus und Gewalt. Eine Auseinandersetzung mit Rolf Schieders Kritik an ‚Moses der Ägypter‘“ und „Monotheismus der Treue. Korrekturen am Konzept der ‚mosaischen Unterscheidung‘ im Hinblick auf die Beiträge von Marcia Pally und Micha Brumlik“, in: Rolf Schieder (Hg.): Die Gewalt des einen Gottes. Die Monotheismus-Debatte zwischen Jan

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Religionen, wahrem Gott und falschen Göttern zu unterscheiden und damit auch, von falschen Religionen zur wahren zu konvertieren oder umgekehrt von der wahren zu falschen Religionen abzufallen. Der Begriff der mosaischen Unterscheidung hat in theologischen Kreisen Empörung ausgelöst und mir geradezu den Vorwurf des Antisemitismus eingetragen.2 Die wichtigsten Einwände lassen sich in zwei Argumenten zusammenfassen. Erstens: Moses – wie immer wir ihn verstehen wollen, als historische oder literarische Figur – ging es nicht um Wahrheit, sondern um Befreiung. Die Unterscheidung, die dem Mythos vom Auszug aus Ägypten zugrunde liegt, betrifft den Gegensatz von Knechtschaft und Freiheit, aber nicht von Wahrheit und Unwahrheit. Damit entfällt, das ist das zweite Argument, auch der Vorwurf der Intoleranz. Intoleranz gehört zu Wahrheit, aber nicht zu Freiheit. Vor allem aber ist der Vorwurf zurückzuweisen, dass der monotheistische Gedanke mit Gewalt verbunden sei. Im Gegenteil hat er die Welt friedlicher gemacht, indem er dem polytheistischen Kampf zwischen den Göttern und seiner Widerspiegelung in irdischen Kriegen ein Ende bereitet habe. Was sollte auch Wahrheit mit Gewalt zu tun haben? Der Ausübung von Gewalt liegt die Unterscheidung von Freund und Feind zugrunde, aber nicht die zwischen wahr und falsch. Diese Einwände sind berechtigt und laden dazu ein, die Frage der Unterscheidung und der Gewalt noch einmal gründlich zu überdenken. In der Tat passen die Begriffe Moses, mosaisch und Unterscheidung von wahr und falsch nicht zusammen. Der Name Moses ist mit dem Exodus-Mythos verbunden, dem Mythos von Auszug, Offenbarung, Erwählung, Gottesbund und Gelobtem Land. Hier geht es nicht um Wahrheit, sondern um einige fundamentale Unterscheidungen, die in den beiden Teilen des Buches Exodus, den Erzählungen vom Auszug aus Ägypten und vom Bundesschluss am Sinai entfaltet werden. Die Unterscheidung, die dem ersten Teil zugrunde liegt, ist eindeutig die zwischen Knechtschaft und Freiheit. Im zweiten Teil dagegen geht es um Bindung, und die Klammer, die diese beiden Teile verbindet, liegt in dem Gedanken, dass diese Bindung Freiheit bedeutet. Das Gesetz, auf das sich die Befreiten verpflichten, macht sie frei von menschlicher Unterdrückung.3 Damit kommen zwei neue Unterscheidungen ins Spiel, die beide nichts mit wahr und falsch zu tun haben. Die erste unterscheidet zwischen Außen und Innen, Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit zum Bund, Exo- und Endosphäre. Diese Unterscheidung ergibt sich aus den Gedanken des Bundes und der Erwählung. Gott schließt diesen Bund nicht mit der Welt und der Menschheit, sondern mit den Kindern Israel, die er sich als sein Volk aus Ägypten herausgeholt hat. Durch  

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Assmann, Micha Brumlik, Rolf Schieder, Peter Sloterdijk und anderen. Berlin 2014, S. 36–55 und 249–266. Vgl. Richard Wolin: „Biblical Blame Shift. Is the Egyptologist Jan Assmann fueling AntiSemitism?“, in: The Chronicle of Higher Education. 15 April 2013. URL: http://chronicle.com/article/Biblical-Blame-Shift/138457/ (letzter Zugriff: 07.10.2015). Vgl. dazu Jan Assmann: Exodus. Die Revolution der Alten Welt. München 2015.

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Bund und Erwählung scheidet sich die Welt in Israel und die Völker. Diese Unterscheidung, das muss ausdrücklich betont werden, hat nichts mit Polarisierung, Intoleranz und Gewalt und vor allem nichts mit der Unterscheidung von Freund und Feind zu tun. Gott kümmert sich auch um die anderen Völker, mit Israel aber hat er etwas Besonderes vor. Innerhalb des Bundes aber, in der Endosphäre, gilt eine andere Unterscheidung, und das ist nun in der Tat ganz explizit die Unterscheidung zwischen Freund und Feind. Sie bildet die Begründung des Fremdgötter- und Bilderverbots, steht also an zentraler und prominenter Stelle: Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld (Dtn 5,9–10, Ex 20,5–6, vgl. Ex 34,7).

Was Gott von seinem Volk verlangt, ist Treue, unbedingte, absolute Treue, die sich im Einhalten seiner Gebote und Verbote bewährt. Treu oder untreu kann man nur sein, wo es Alternativen gibt. Dem Schöpfer kann man nicht untreu sein, denn aus der Bindung der Geschöpflichkeit kommt man nicht heraus. Dem Befreier aber kann man untreu werden, indem man zurückgeht in die ägyptische Knechtschaft, zu anderen Göttern überläuft oder die Gesetze bricht. Die Gesetze sind nicht wahr oder falsch, sondern bindend und verpflichtend. Daher ist im Rahmen des Exodus-Mythos von Gott nie als dem Schöpfer von Himmel und Erde, sondern immer nur als dem Befreier, „der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, herausgeführt hat“ die Rede. Das ist der Gott, der zwischen Freund und Feind unterscheidet und dem einen seine Huld, dem anderen seinen Zorn zuwendet. Zorn und Furcht gehören zu diesem Bund genauso wie Liebe und Huld, auch wenn die Liebe den Zorn vielhundertfach überwiegt. In dem Gedanken des Bundes und der Treue liegt das Spezifische des biblischen Monotheismus. Damit ist eine vollkommen neue Form von Religion, von Bindung und Zugehörigkeit gefunden worden. Im Exodus-Mythos hat diese neue Religion, die auf dem Begriff der Treue, basiert, ihren verbindlichen Ausdruck gefunden. Der Prophet Hosea, der im 8. Jh. zur Zeit des Untergangs des Nordreichs durch die Assyrer wirkte und bei dem der Exodus-Mythos zum ersten Mal greifbar wird, hat sie in den Bildern von Sohnschaft, Brautschaft und Ehe beschrieben und die Anbetung anderer Götter als Ehebruch und Hurerei gebrandmarkt.4 Das Deuteronomium, dessen Urfassung ca. 100 Jahre später entstand, hat sie nach dem Modell assyrischer Vasallenverträge und Loyalitätsvereidigungen ausgestaltet, indem es das Prinzip der Loyalität, zu   4

Vgl. Peggy L. Day: „Yahweh’s Broken Marriages as Metaphoric Vehicle in the Hebrew Bible Prophets“, in: Martti Nissinen und Risto Uro (Hg.): Sacred Marriages. The Divine-Human Sexual Metaphor from Sumer to Early Christianity. Winona Lake 2008, 219–241. Vgl. auch Ruben Zimmermann: Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis. Traditionsgeschichte und Theologie eines Bildfelds in Urchristentum und antiker Umwelt. Tübingen 2001, S. 104– 112 (Hosea), S. 112–117 (Jeremia), S. 117–137 (Ez, Dtjes, Trjes).

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der sich die Vasallen und Untertanen in Bezug auf den Großkönig verpflichten, auf die Beziehung von Gott und Bundesvolk umdeutete.5 Die Unterscheidungen zwischen Treue und Abtrünnigkeit sowie Freund und Feind stammen aus dieser politischen Herkunft des Modells, das aber in der Umdeutung (oder „Umbuchung“6) auf die Gottesbeziehung drei maßgebliche Veränderungen erfährt: Erstens wird die Bindung, um die es hier geht, durch den Exodus-Mythos unauflöslich mit dem Begriff der Befreiung verkoppelt: Man versteht den Sinn der Gesetze nur, wenn man sich an die ägyptische Versklavung erinnert; zweitens wird der Gottesbund dem Volk nicht in der Form des Vasallenvertrages aufoktroyiert, sondern freiwillig eingegangen und auch immer wieder freiwillig erneuert; darauf wird großer Wert gelegt. Drittens spielt hier der Aspekt von Gnade, Güte, Langmut und Erbarmen eine ganz andere Rolle als in dem politischen Vorbild. Immerhin stammt die Unterscheidung von Freund und Feind ganz offensichtlich aus dieser Quelle, und damit auch das Problem von Intoleranz und Gewalt. Im Buch Genesis ist weder von Freund und Feind, noch von Zorn und Eifersucht Gottes die Rede, obwohl es auch hier oft genug um strafende Gewalt geht, angefangen von der Vertreibung aus dem Paradies über die Sintflut und die Verwirrung der Sprachen bis zur Zerstörung von Sodom und Gomorrha; aber nie entbrennt bei diesen gewaltsamen Interventionen Gottes Zorn.7 Das setzt sich auch im Buch Exodus so fort. Hinter den zehn Plagen, mit denen Gott Ägypten schlägt, steht kein flammender Zorn, sondern der Wunsch, Zeichen zu setzen und seine Macht zu erweisen. Zorn und Eifersucht gehören erst in die Semantik des Bundes, der am Sinai geschlossen wird, und die Erzählung vom Goldenen Kalb hat die Funktion, das deutlich zu machen. Das hat schon Laktanz so gesehen, wenn er in seiner Schrift De ira Dei den Zorn Gottes mit seinem imperium, also seiner Rolle als Bundesherr, und nicht mit seinem transzendenten Wesen in Verbindung bringt.8 Zu diesem Imperium gehört die Unterscheidung von Freund und Feind. Sie gehört zu einem Gott, der nicht nur, wie viele andere Götter auch, Re in Ägypten, Schamasch in Babylonien, Zeus in Griechenland, Mithras in Persien, Varuna in Indien, der Ba’al berît in Kanaan usw. über die Einhaltung der Verträge und Gesetze wacht, sondern der – und das ist das umstürzend Neue dieser Religion – diese Gesetze und Verträge selbst erlässt. Das ist der Befreier aus ägyptischer   5

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Vgl. Eckart Otto: Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien. Berlin u.a. 1999. Hans Ulrich Steymans: Deuteronomium 28 und die adê zur Thronfolgeregelung Asarhaddons. Segen und Fluch im Alten Orient und in Israel. Freiburg, Göttingen 1995. Vgl. zu diesem Begriff Jan Assmann: Herrschaft und Heil. Politische Theologie zwischen Altägypten, Israel und Europa. München 2000. Diese wichtige Beobachtung machte Claus Westermann: „Boten des Zorns. Der Begriff des Zornes Gottes in der Prophetie“, in: Jörg Jeremias und Lothar Perlitt (Hg.): Die Botschaft und die Boten. Neukirchen-Vluyn 1981, S. 147–156. Vgl. Lucius Caelius Firmianus Lactantius: Vom Zorne Gottes. Eingeleitet, herausgegeben, übertragen und erläutert v. Heinrich Kraft und Antonie Wlosok. Darmstadt 1957, hier: 11.15.

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Knechtschaft, von dem der Exodus erzählt. Der Gott der Genesis dagegen ist der Schöpfer von Himmel und Erde. Allerdings dürfen wir uns nicht vorstellen, dass der Monotheismus der Treue die Religion Israels im 8. bis 6. Jh. gewesen war. Er war die Sache einer oppositionellen Minderheit, vor allem der Propheten, deren Botschaft auf den massiven Widerstand des Hofes und wohl auch des breiten Volkes traf. „Sie warfen dein Gesetz hinter sich und töteten deine Propheten, die sie vermahnten“ (Neh 9,26, vgl. „Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigest, die zu dir gesandt werden“, Luk 13,34).9 Erst im Exil, als das prophezeite Unheil eingetroffen war, setzte sich diese Richtung stärker durch. Bevor die Priesterschrift gegen Ende des 6. Jh. die Bücher Genesis und Exodus zusammengespannt hat, und spätere Redaktoren sie dann mit dem Deuteronomium verbunden und zum 5-Bücher-Kanon der Torah ausgebaut haben, haben sie als alternative Ursprungsmythen Israels ein literarisches Eigenleben geführt.10 Beide Mythen leiten den Ursprung Israels von anderswo her. Der ErzväterMythos der Genesis lässt Gott den Abra(ha)m aus Mesopotamien nach Kanaan rufen, um mit ihm einen Bund zu schließen und ihm und seinen unzähligen Nachkommen in ferner Zeit dieses Land als Eigentum zu verheißen, im ExodusMythos ruft Gott, wie es Hosea ausdrückt, aus Ägypten seinen Sohn – die zum Volk angewachsenen Kinder Israel – und schließt mit ihm am Sinai durch Moses seinen Bund. Beim Abraham-Bund geht es nur um Abstammung und das Zeichen der Beschneidung als Kriterien der Zugehörigkeit; von Treue ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede, sondern nur von Vertrauen (emunah, der Begriff, der dann im christlichen Kontext Glaube heißt), von Vertrauen nämlich in die Verheißung. Beim Moses-Bund dagegen bildet das Korpus der Gebote und Verbote das Kriterium der Zugehörigkeit, und Treue wird der zentrale Begriff. Im Horizont der Genesis und des Erzväter-Mythos ist von anderen Göttern nicht die Rede. Im Gegenteil: Der kanaanäische König Melchisedek von Salem stellt explizit fest, dass sein Gott und Abrahams Gott identisch sind, der Schöpfer von Himmel und Erde (Gen 14,18–20). Die anderen Götter und das Verbot, sie anzubeten, bilden demgegenüber die Grundlage des Moses-Bundes. Die Priesterschrift hat diese beiden Ursprungsmythen zu einem umfassenden Geschichtswerk vereinigt, indem es den Erzväter-Mythos als Vorgeschichte vor den Exodus-Mythos stellte und beide durch die Josephserzählung miteinander verkoppelte. Nach dem Vorbild der babylonischen und ägyptischen Königslisten wurde diese doppelte Herkunftsgeschichte um die Urgeschichte ergänzt und bis auf die Weltentstehung zurückgeführt. Gemeinsam ist diesen beiden Herkunftssa  9

Vgl. Odil Hannes Steck: Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten. Untersuchungen zur Überlieferung des deuteronomistischen Geschichtsbildes im Alten Testament, Spätjudentum und Urchristentum. Neukirchen-Vluyn 1967. 10 Vgl. hierzu Konrad Schmid: Erzväter und Exodus. Untersuchungen zur doppelten Begründung der Ursprünge Israels innerhalb der Geschichtsbücher des Alten Testaments. Neukirchen-Vluyn 1999.

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gen die Betonung der fremden Herkunft, der Allochthonie. Dadurch definiert sich Israel als fremd im Lande Kanaan und grenzt sich scharf ab gegen die übrigen Bewohner des Landes. Der Erzväter-Mythos schildert dieses Gast- oder Fremdlingsverhältnis jedoch als freundlich, Land wird nicht erobert, sondern gekauft, mit den Ureinwohnern werden Verträge geschlossen und auf der Grundlage gegenseitiger Toleranz wird friedlich zusammengelebt. Der Exodus-Mythos aber bestimmt das Verhältnis von Einwanderern und Ureinwohnern im Sinne eines heiligen Krieges. Hier dürfen keine Verträge geschlossen und keine Menschen verschont werden. Gegenüber den Kanaanäern gelten nur Vernichtung und Vertreibung, denn diese Völker könnten die Israeliten zu ihren Bräuchen verführen, die Gott verhasst sind. So wie der Erzväter-Mythos im Zeichen der Toleranz und Verständigung, steht der Exodus-Mythos im Zeichen religiöser Abscheu und Verfolgung. Zunächst wird Ägypten, aus dem die Befreiten ausziehen, in den schwärzesten Farben der Unterdrückung geschildert, die auch vor geradezu genozidalen Maßnahmen nicht zurückschreckt, und dann wird dem Gottesvolk eingeschärft, die in Kanaan siedelnden Völker mit unnachgiebiger Härte zu vertreiben und zu vernichten. Nachdem sie in Ägypten Opfer waren, wird ihnen mit dem Gottesbund die heilige Pflicht auferlegt, in Kanaan zu Tätern zu werden. Beiden Ursprungserzählungen aber, dem friedlichen und inklusivistischen Erzväter-Mythos und dem aggressiven und exklusivistischen Exodus-Mythos ist das Motiv der Allochthonie, der Herkunft aus einem anderen Land gemeinsam. Der Sinn dieses Motivs ist der Gedanke der Absonderung oder, um es mit der stärksten und prägnantesten Bedeutung von Absonderung zu sagen, der Heiligung. Das ist die eigentliche Bedeutung der Unterscheidung, die mit Bund und Erwählung getroffen wird, und sie gehört zu beiden Mythen, dem Erzväter- und dem Exodus-Mythos. Mit dem Akt der Erwählung und des Bundesschlusses sind die Partner – im Buch Genesis ein Einzelner mit seiner Familie und seinen Nachkommen, im Buch Exodus ein ganzes Volk – vom Rest der Menschheit und vor allem von den Mitbewohnern des Gelobten Landes abgesondert. Gott beruft die Kinder Israels in den Bund mit den Worten: „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern, denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.“ (Ex 19,5–6). Durch den Bund wird Israel zu einem „Volk, das sich abseits hält und sich nicht zu den Völkern rechnet“ (Num 23,9). Das ist die eigentliche ‚mosaische Unterscheidung‘, und sie hat nichts zu tun mit der Unterscheidung von wahrer und falscher Religion, wahrem Gott und falschen Göttern. Ebenso wenig hat sie zu tun mit der Unterscheidung von Freund und Feind. Wenn wir eingangs fragten, wo die polarisierende Kraft der monotheistischen Religionen herkommt, die sich von den anderen als Heiden, Ungläubige, Götzendiener, Polytheisten usw. absetzen, dann müssen wir hier betonen, dass diese antagonistische Energie nicht aus der mosaischen Unterscheidung von Israel und den Völkern herrührt. Die Unterscheidung von Freund und Feind, wie sie das erste – oder das erste und zweite – Gebot trifft, gilt nur innerhalb des Bundes. Die Anderen sind keine Feinde. Mit einer Ausnahme: und das sind die sieben Völker, die im Gelobten Lande siedeln. Für diese gilt die Semantik des heiligen Krieges,

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bei der die nur innerhalb des Bundes geltende Unterscheidung von Freund und Feind auf die Außenbeziehung zwischen dem Bundesvolk und seinen Nachbarvölkern übertragen wird. Die diesbezüglichen Vorschriften sind eindeutig. Im Buch Deuteronomium heißt es: Wenn der Herr, dein Gott, dich in das Land geführt hat, in das du jetzt hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, wenn er dir viele Völker aus dem Weg räumt – Hetiter, Girgaschiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, sieben Völker, die zahlreicher und mächtiger sind als du –, wenn der Herr, dein Gott, sie dir ausliefert und du sie schlägst, dann sollst du sie der Vernichtung weihen. Du sollst keinen Vertrag mit ihnen schließen, sie nicht verschonen und dich nicht mit ihnen verschwägern. Deine Tochter gib nicht seinem Sohn, und nimm seine Tochter nicht für deinen Sohn! Wenn er deinen Sohn verleitet, mir nicht mehr nachzufolgen, und sie dann anderen Göttern dienen, wird der Zorn des Herrn gegen euch entbrennen und wird dich unverzüglich vernichten. So sollt ihr gegen sie vorgehen: Ihr sollt ihre Altäre niederreißen, ihre Steinmale zerschlagen, ihre Kultpfähle umhauen und ihre Götterbilder im Feuer verbrennen. Denn du bist ein Volk, das dem Herrn, deinem Gott, heilig ist. Dich hat der Herr, dein Gott, ausgewählt, damit du unter allen Völkern, die auf der Erde leben, das Volk wirst, das ihm persönlich gehört (Dt 7,1–6).

Die Semantik des Heiligen Krieges ist nichts spezifisch Biblisches.11 In der Inschrift der Stele des Königs Mesha von Moab aus der Mitte des 9. Jh.12 begegnet dieselbe Begrifflichkeit. Der Heilige Krieg ist ein Vernichtungskrieg, bei dem keine Beute gemacht werden darf, sondern die gesamte Kriegsbeute dem Gott zum Opfer geweiht wird, in dessen Auftrag der Krieg geführt und auf dessen Unterstützung alles gesetzt wird. Es handelt sich hier um eine okkasionelle Monolatrie, die sicher bei der Herausbildung des biblischen Monotheismus der Treue eine wichtige Rolle gespielt hat. Im 20. Kapitel des Deuteronomium wird festgelegt, dass gegen weit entfernte Völker und Städte ein normaler Krieg geführt werden darf, bei dem man Beute nehmen kann, gegen die Völker und Städte der Kanaanäer aber muss ein heiliger Krieg geführt werden. Die drei Unterscheidungen, die im Exodus-Mythos mit den Mitteln der Erzählung getroffen werden und daher mit gewissem Recht als „mosaisch“ bezeichnet werden können, sind also 1. die zwischen Knechtschaft und Freiheit, 2. Bund und Außenwelt bzw. Israel und den Völkern, und 3. Gottesfreunden und Gottesfeinden. Sie charakterisieren die Exodus-Religion als einen Monotheismus der Treue. Von diesen drei ‚mosaischen‘ Unterscheidungen ist es die dritte, die zwischen Freunden und Feinden Gottes, die man am ehesten mit unserer Frage nach der   11 Vgl. Sa-Moon Kang: Divine War in the Old Testament and in the Ancient Near East. Berlin u.a. 1989. Thomas v. d. Way: Göttergericht und ‚heiliger Krieg‘ im Alten Ägypten. Heidelberg 1992. Bernhard Lang: Buch der Kriege – Buch des Himmels. Kleine Schriften zur Exegese und Theologie. Leuven 2011. 12 „Die Inschrift des Königs Mesa von Moab“, in: Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Band 1: Rechts- und Wirtschaftsurkunden. Historisch-chronologische Texte. Hrsg. von Otto Kaiser. Gütersloh 1985, S. 646–650. Christian Molke: Der Text der Mescha-Stele und die biblische Geschichtsschreibung. Mit Beiträgen von Udo Worschech und Friedbert Ninow. Frankfurt/Main u. a. 2006.

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Herkunft der polarisierenden, antagonistischen Energie des Monotheismus in Verbindung bringen könnte. Es ist auch die einzige der drei Unterscheidungen, die in der Umwelt Israels ihre Entsprechungen und vermutlich auch ihren Ursprung hat. Für die bundesinterne Unterscheidung von Freunden und Feinden, das heißt Treuen und Abtrünnigen, liegt der Ursprung im assyrischen Staatsloyalismus, und für die Beziehung zwischen dem Gottesvolk und seinen unmittelbaren Nachbarvölkern liegt er im Institut des heiligen Krieges. Dabei wird der assyrische Staatsloyalismus auf die Gottesbeziehung umgepolt und die okkasionelle Monolatrie des heiligen Krieges auf Dauer gestellt. Im Vergleich mit der friedlichen und inklusivistischen Tendenz des Buches Genesis tritt der aggressive und exklusivistische Charakter des Buches Exodus stark hervor. Und doch ist die Geschichte vom Auszug aus Ägypten ohne jeden Zweifel die großartigste und folgenreichste Geschichte, die Menschen je erzählt haben, und es gäbe den jüdischen, christlichen und islamischen Monotheismus, zu dem sich heute fast die halbe Menschheit bekennt, nicht ohne die im ExodusMythos entfaltete Theologie von Befreiung, Bindung und Verheißung. Es ist dieser Mythos, der das jüdische Volk über die Katastrophen der Vernichtung des Nordreichs durch die Assyrer und 150 Jahre später des Südreichs durch die Babylonier gerettet und durch die vielen Jahrhunderte der Diaspora als einziges Volk der Antike bis heute erhalten hat. Das ist der theologische Rahmen, für den der Name Moses steht, und hier geht es nicht um Wahrheit, sondern um Treue. Die Form von Monotheismus, die hier im Blick steht, wird in der Religionswissenschaft meist als ‚Monolatrie‘ bezeichnet. Monolatrie setzt die Existenz anderer Götter voraus und fordert die ausschließliche Verehrung eines Einzigen. Monotheismus dagegen bestreitet die Existenz anderer Götter. Diese Terminologie ist wenig glücklich, weil sie den Eindruck erweckt, die Bundestheologie der Bücher Exodus bis Deuteronomium sei etwas Typisches und Verbreitetes. Im Gegenteil ist sie etwas Einmaliges und Revolutionäres, das sich nur in der Bibel findet. Statt von Monolatrie spreche ich daher lieber von einem Monotheismus der Treue. Neben diesen Monotheismus der Treue, der das Spezifische und Neue der israelitisch-jüdischen Religion darstellt, tritt dann im babylonischen Exil, vermutlich unter babylonischen und persischem Einfluss, eine ganz andere Form von Monotheismus, für den es die anderen Götter nicht mehr gibt. Diese Form möchte ich als Monotheismus der Wahrheit bezeichnen. Hier ist die Einzigkeit Gottes eine Sache der Einsicht und nicht der Treue. Die anderen Götter sind Fiktionen, Fetische, Menschenwerk und Einbildung, eben ‚Götzen‘. Hier kommt also erst die Unterscheidung von ‚wahr‘ und ‚unwahr‘ ins Spiel und spaltet den Raum der Religion in wahre und falsche Religionen, den wahren Gott und die falschen Götter. Dieser Monotheismus der Wahrheit gilt nun nicht mehr dem Einen, der uns aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit hat, sondern dem Schöpfer von Himmel und Erde. „So spricht der HERR, der König Israels, und sein Erlöser, der HERR Zebaoth: Ich bin der Erste, und ich bin der Letzte, und außer mir ist kein Gott“ (Jes 44,6), spricht Gott bei Deuterojesaja. Die anderen Religionen sind nichts als eitler Götzendienst. Die Götzendiener sind nicht treulos, sondern umnachtete Toren.

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Sie wissen nichts und verstehen nichts; denn sie sind verblendet, dass ihre Augen nicht sehen und ihre Herzen nicht merken können, und gehen nicht in ihr Herz; keine Vernunft noch Witz ist da, dass sie doch dächten. (Jes 44,18f.)

Zu dieser Art eines die Existenz anderer Götter grundsätzlich bestreitenden Monotheismus gehören etwa der von Echnaton in Ägypten eingeführte exklusivistische Sonnenkult und der philosophische Monotheismus des Xenophanes von Kolophon, eines Zeitgenossen von Deuterojesaja und Ezechiel.13 In der Bibel begegnen wir dieser Form des absoluten Monotheismus erst bei den exilischen und nachexilischen Propheten, also Deuterojesaja, Jeremia, Ezechiel, Sacharja, Daniel und anderen. Das hat dann aber mit Mose nichts mehr zu tun. Daher ist der Begriff einer mosaischen Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion eine Fehlkonstruktion. Wenn überhaupt, dann müsste man sie die deuterojesajanische oder jeremianische Unterscheidung nennen. Da fehlt dann aber auch jene charakteristische Form von eliminatorischer Gewalt, die sich mit dem Exodus-Mythos verbindet. Deuterojesaja und Jeremia haben für die anderen Religionen nur Hohn und Spott, aber keine Verfolgung und Gewalt übrig. Es sieht nun so aus, als habe sich der Monotheismus der Treue, dem man mit seiner Unterscheidung von Freund und Feind und seiner aggressiven Semantik des heiligen Krieges eine gewisse Gewaltaffinität nicht absprechen möchte, in der Zeit des babylonischen Exils und des II. Tempels in Richtung eines Monotheismus der Wahrheit entwickelt, im Zuge einer allgemeinen Entwicklung von Partikularismus zu Universalismus, die man auch an anderen Orten der alten Welt, z.B. in Persien und Griechenland beobachten kann, mit denen Judaea als Provinz des persischen Großreichs in enge Verbindung tritt. Davon kann aber keine Rede sein. Der universalistische Monotheismus der Wahrheit tritt nicht ersetzend an die Stelle, sondern ergänzend neben den partikularistischen Monotheismus der Treue, der nicht das Geringste von seiner Strahlkraft verliert, sondern nach wie vor das Proprium des biblischen Monotheismus ausmacht. Der eine Gott, an den Juden, Christen und Muslime glauben, gilt sowohl als der einzige Gott, neben dem es keine anderen Götter gibt, als auch als der eine liebende und daher eifersüchtige Gott, dem unbedingte Treue zu halten ist. Die wahre Religion ist definiert als die einzige Religion, die frei bzw. – in christlicher Umdeutung – selig macht. Freiheit und Wahrheit fallen zusammen. Die Exodus-Motive von Befreiung, Bindung und Treue treten nirgends deutlicher hervor als in der ergreifenden Szene, die Nehemia im 9. und 10. Kapitel beschreibt. Nehemia schildert, wie die aus dem Exil zurückkehrenden Juden einen neuen Bund schließen. Zunächst liest Esra am Wassertor in Jerusalem der versammelten Volksmenge aus der Tora vor, dann feiert „die Gemeinde derer, die aus dem Exil zurückkamen“ sieben Tage lang das Laubhüttenfest und liest alle   13 Jens Halfwassen: „Der Gott des Xenophanes. Überlegungen zu Ursprung und Struktur eines philosophischen Monotheismus“, in: Archiv für Religionsgeschichte 10 (2008), S. 275–294.

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Tage weiter aus der Tora. Zuletzt aber ist von einem feierlichen Bund der Abgesonderten die Rede: Und am 24. Tag dieses Monats versammelten sich die Söhne Israel unter Fasten und in Sacktuch, und mit Erde auf ihrem Haupt. Und [alle], die israelitischer Abstammung waren, sonderten sich ab von allen Söhnen der Fremde. Und sie traten hin und bekannten ihre Sünden und die Verfehlungen ihrer Väter. Und sie standen auf an ihrer Stelle, und man las aus dem Buch des Gesetzes des HERRN, ihres Gottes, vor, ein Viertel des Tages. Und ein [anderes] Viertel [des Tages] bekannten sie [ihre Verfehlungen] und warfen sich nieder vor dem HERRN, ihrem Gott. (Neh 9,1–3; Übersetzung: Elberfelder Bibel)

Dann folgt in einem Gebet zunächst eine lange und detaillierte Rekapitulation der Heilstaten Gottes, d.h. des Exodus, und ein Bekenntnis der Sünden des Volkes, das die Verheißung verspielt hatte und aus dem Land vertrieben wurde. Zuletzt heißt es: Und wegen all dessen schließen wir [nun] eine [feste] Vereinbarung und schreiben [sie] auf. Und auf der gesiegelten [Schrift] [stehen die Namen] unserer Obersten, unserer Leviten [und] unserer Priester. […] Und das übrige Volk, die Priester, die Leviten, die Torhüter, die Sänger, die Tempeldiener und alle, die sich aus den Völkern der Länder zum Gesetz Gottes hin abgesondert haben, [sowie] ihre Frauen, ihre Söhne und ihre Töchter, alle, die Erkenntnis [und] Einsicht haben, schließen sich ihren Brüdern, den Mächtigen unter ihnen, an und treten in Eid und Schwur, im Gesetz Gottes zu leben, das durch Moses, den Knecht Gottes, gegeben worden ist, und alle Gebote des HERRN, unseres Herrn, und seine Rechtsbestimmungen und seine Ordnungen zu bewahren und zu tun. Wir wollen unsere Töchter nicht den Völkern des Landes geben, und ihre Töchter nicht für unsere Söhne nehmen. […] So wollen wir das Haus unseres Gottes nicht [im Stich] lassen (Neh 10,1; 10,29–31; 10,40).

Hier wird in einer feierlichen Zeremonie der Bund der Treue erneut beschworen und eine im eigentlichen Sinne mosaische Unterscheidung vollzogen durch die Scheidung der Mischehen zwischen jüdischen Männern und kanaanäischen Frauen und durch die Verstoßung der aus dieser Verbindung hervorgegangenen Kinder, und zwar im Sinne der Absonderung und Heiligung, wie sie in der Tora vorgeschrieben wird. Das neue in dieser Phase des II. Tempels ist die Schrift, die nun in den Rang einer Kodifizierung des göttlichen Willens von höchster, absoluter Autorität aufgerückt ist. Diese Schrift ist unter Verwendung älterer Dokumente im Exil entstanden. Sie hat die exilierten Juden zum Volk des Buches gemacht und als solches am Leben erhalten.14 So hat es auch ohne Staat, Territorium, Tempel und alle anderen Außenhalte seine Identität bewahren und nach zwei, drei Generationen nach Jerusalem zurückkehren. Dort wurden die Heimkehrer dann mit den Dagebliebenen Landsleuten konfrontiert, die in Unkenntnis dieser Schrift sich den Landessitten assimiliert und mit den Landestöchtern vermählt hatten. Nun erst kam die mosaische Unterscheidung zum Tragen, nicht im Zeichen der Wahrheit, sondern der Treue, Reinheit und Heiligkeit.     14 Vgl. Moshe Halbertal: People of the Book. Canon, Meaning, and Authority. Cambridge 1997.

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Die religiöse Gewalt, d.h. Gewalt im Namen Gottes, die hier im Sinne einer heiligen Verpflichtung und unter großem Weinen und Wehklagen vollzogen wird, ist schriftgestützte Gewalt. Sie wird legitimiert durch Berufung auf einen heiligen, kanonischen Text, der sie hochverbindlich vorschreibt: Du sollst keinen Vertrag mit ihnen schließen, sie nicht verschonen und dich nicht mit ihnen verschwägern. Deine Tochter gib nicht seinem Sohn, und nimm seine Tochter nicht für deinen Sohn! (Dtn 7,2f., vgl. Ex 20,23f.; 31–33)

Eine solche Schrift hat es vor dem Exil nicht gegeben. Wohl gab es religiöse, historische und literarische Texte, aber sie waren kaum mit dieser absoluten Autorität ausgestattet. Dafür gab es die Propheten, die Israel sagten „was gut ist und was der Herr von dir fordert“ (Micha 6,8). Die Propheten, die das Volk immer wieder zu unbedingter Treue auffordern, wirken – und das ist ganz entscheidend – in Zeiten höchster Bedrängnis und eingetretener Katastrophe. In dieser traumatischen und posttraumatischen Situation erinnern sie an den Auszug aus Ägypten und begründen ihre Forderung nach Treue mit Gottes Rettung, Erwählung und Verheißung. Gott ist der Einzige, der einst gerettet hat und der jetzt retten kann. Jetzt, in der Phase des II. Tempels, sind die Schrift und ihre Ausleger an die Stelle der Propheten getreten. Während die Gewalttaten, von denen die Schrift erzählt, als rein literarische Fiktionen einzustufen sind, werden jetzt unter Berufung auf solche Stellen reale Gewalttaten vollzogen. Die Scheidung der Mischehen und die Verstoßung der Kinder hat man durchaus als eine solche einzustufen. Sie war gewiss umstritten, und der Vorschlag hat viel für sich, das Buch Ruth in diese Zeit zu datieren und als einen Gegenentwurf anzusehen. Höchst wahrscheinlich ist der Erzväter-Mythos auch erst in nachexilischer Zeit als Gegenentwurf zum Exodus-Mythos entstanden. „Die Erzvätergeschichten“, schreibt Bernhard Lang, sind ein Zeugnis des hebräischen Humanismus, einer pazifistischen und fremdenfreundlichen, aller Gewaltanwendung abholden Bewegung aus der Zeit um 500 v.Chr., die mit den Büchern Genesis, Hiob und Ruth zur Weltliteratur zählende, idyllischer Dichtung verwandte Werke hervorgebracht hat.15

In der Perserzeit und im Frühhellenismus bilden sich auf der Grundlage des entstehenden Schriftenkanons Haltungen heraus, die man in heutiger Terminologie als ‚fundamentalistisch‘ bezeichnen könnte. Mit der im Kanon festgeschriebenen Semantik der Treue und Eifersucht kommt die polarisierende Kraft der monotheistischen Religion in ihren politischen und sozialen Folgen zum Tragen. Jetzt entstehen im Judentum auf der Grundlage der Schriften Gemeinschaften und Richtungen, die sich von der Gesellschaft absondern, um in besonderer Strenge und Reinheit nach den Geboten der Schrift zu leben. Dazu gehören neben den Sadduzäern und Pharisäern, den Essenern und der Qumran-Sekte auch Johannes der   15 Bernhard Lang: Buch der Kriege – Buch des Himmels. Kleine Schriften zur Exegese und Theologie. Leuven 2012, S. 12.

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Täufer und die frühe Jesus-Bewegung.16 Als ein Grundmotiv dieser Bewegungen kann man das Bedürfnis nach Absonderung und Heiligung feststellen, also das Grundmotiv des Exodus-Mythos oder des mosaischen Narrativs. Das Prinzip dieser Selbstausgrenzung ist die Schrift: das theologisierte Gesetz als kodifizierter Wille Gottes. „Der Gesetzgeber“, so liest man im Brief des Aristeas, einer Selbstbeschreibung des Judentums aus hellenistischer Zeit, von Gott zu umfassender Erkenntnis ausgerüstet, umschloss uns mit nicht zu durchbrechenden Palisaden und ehernen Mauern, damit wir mit keinem der anderen Völker in irgendeiner Hinsicht in Verkehr seien, rein an Leib und Seele, frei von trügerischen Vorstellungen, den Gott, der allein Gott, allein mächtig ist, im Unterschied zur Schöpfung verehrten […]. Damit wir nun mit nichts uns befleckten und nicht im Verkehr mit Schlechtem verdorben würden, umschloss er uns von allen Seiten mit Reinheitsvorschriften, Geboten über Speisen und Getränke und Hören und Sehen […].17

Die Makkabäerkriege sind wegen dieser Frage der Absonderung ausgebrochen. Sie richteten sich gegen eine Strömung, die die Meinung vertrat: „Laßt uns ein Bündnis mit den Heiden ringsum schließen; denn wir haben viel leiden müssen seit der Zeit, da wir uns von den Heiden abgesondert haben.“ (1 Makk 1,12) In diesem Konflikt haben die Makkabäer gesiegt. Ihr Kampf galt nicht nur dem Widerstand gegen die griechische Besatzung unter Antiochus IV. Epiphanes, sondern auch der Verfolgung ihrer abtrünnigen Landsleute, die sie im Sinne des heiligen Krieges mit äußerster Brutalität ausübten.18 Schon der Ausbruch des Makkabäer-Aufstands um 165 v.Chr. geschah mit einem Schrift-Zitat. Als der Hohepriester Mattathias sich standhaft weigert, das geforderte heidnische Opfer darzubringen, dann aber sehen muss, wie ein Jude vorspringt, um es zu vollziehen, packte ihn leidenschaftlicher Eifer; er bebte vor Erregung und ließ seinem gerechten Zorn freien Lauf: Er sprang vor und erstach den Abtrünnigen über dem Altar. Zusammen mit ihm erschlug er auch den königlichen Beamten, der sie zum Opfer zwingen wollte, und riss den Altar nieder; der leidenschaftliche Eifer für das Gesetz hatte ihn gepackt, und er tat, was einst Pinhas mit Simri, dem Sohn des Salu, gemacht hatte. Dann ging Mattathias durch die Stadt und rief laut: Wer sich für das Gesetz ereifert und zum Bund steht, der soll mir folgen. Und er floh mit seinen Söhnen in die Berge; ihren ganzen Besitz ließen sie in der Stadt zurück. (1 Makk 2,24–28)

Auch Judas Makkabäus beruft sich bei seinem Vorgehen gegen die hellenisierten Juden auf das Deuteronomium, wo es im 13. Kapitel heißt, das auch gegen vom   16 Vgl. Albert I. Baumgarten: The Flourishing of Jewish Sects in the Maccabean Era. An Interpretation. Leiden 1997 17 Brief des Aristeas, 139 und 142, zitiert nach Gerhard Delling: Die Bewältigung der Diasporasituation durch das hellenistische Judentum. Berlin 1987, S. 9. 18 Vgl. Gabriela Signori (Hg.): Dying for the Faith, Killing for the Faith. Old-Testament FaithWarriors (1 and 2 Maccabees) in Historical Perspective. Leiden u.a. 2012.

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Gesetz abgefallene jüdische Städte das Recht des heiligen Vernichtungskriegs anzuwenden ist: Wenn du aus einer deiner Städte, die der Herr, dein Gott, dir als Wohnort gibt, erfährst: Niederträchtige Menschen sind aus deiner Mitte herausgetreten und haben ihre Mitbürger vom Herrn abgebracht, indem sie sagten: Gehen wir, und dienen wir anderen Göttern, die ihr bisher nicht kanntet!, wenn du dann durch Augenschein und Vernehmung genaue Ermittlungen angestellt hast und sich gezeigt hat: Ja, es ist wahr, der Tatbestand steht fest, dieser Gräuel ist in deiner Mitte geschehen, dann sollst du die Bürger dieser Stadt mit scharfem Schwert erschlagen, du sollst an der Stadt und an allem, was darin lebt, auch am Vieh, mit scharfem Schwert den Bann vollstrecken. Alles, was du in der Stadt erbeutet hast, sollst du auf dem Marktplatz aufhäufen, dann sollst du die Stadt und die gesamte Beute als Ganzopfer für den Herrn, deinen Gott, im Feuer verbrennen. Für immer soll sie ein Schutthügel bleiben und nie wieder aufgebaut werden. (Dtn 13,13–19)

Die Schrift als geoffenbarte Kodifizierung des göttlichen Willens ist etwas absolut Neues. Keine andere Religion der damaligen Zeit kennt einen Kanon heiliger Schriften, die unbedingte Befolgung, d.h. Umsetzung in Lebenspraxis verlangen. Das Problem der Gewalt hängt aufs Engste mit der kanonisierten Verschriftung des Rechts als geoffenbarten göttlichen Willens zusammen, denn dadurch ist auch die archaische Semantik des heiligen Krieges und des assyrischen Loyalismus kanonisiert worden. Erst die Schrift macht es möglich, Gewalt durch Berufung auf göttliches Gesetz zu legitimieren. Die Frage lautet ja nicht „Hat der Monotheismus die Welt grausamer gemacht?“, sondern: „Hat der Monotheismus bzw. ‚das mosaische Narrativ‘ neue Argumente geliefert, Gewalt und Grausamkeit zu legitimieren?“ Das lässt sich wohl in der Tat schwer bestreiten. Man muss nur einmal einen Blick in das neue Buch des Münsteraner Mittelalterhistoriker Gerd Althoff, Selig sind, die Verfolgung ausüben. Päpste und Gewalt im Hochmittelalter19 werfen, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, welche Fülle gewaltlegitimierender Argumente die Päpste des 11. und 12. Jahrhunderts aus der Bibel und gerade aus Texten des Alten Testaments bezogen haben, um sich größere politische Macht zu verschaffen. Der provozierende Titel Selig sind, die Verfolgung ausüben ist keine polemische Verdrehung der Bergpredigt, sondern ein Zitat aus dem Liber ad amicum des Bischofs Bonizo von Sutri. Aus Stellen wie 1 Samuel 15 (die Verwerfung Sauls, weil er den Amalekiterkönig Agag verschont hatte, und dessen grausame Lebendzerstückelung durch den Propheten Samuel), Exodus 32 (die Leviten, die ihre eigenen Verwandten und Freunde nach deren Tanz ums Goldene Kalb erschlagen), Numeri 25 (Pinhas, der seinen Landsmann Salu beim Liebesakt mit einer Midianiterin durchbohrt) und anderen Stellen der Bibel und der Kirchenväter destillierten die Päpste und Theologen des Hochmittelalters eine neue Gewalttheorie. „Folgen der Gewalttheorie waren die Kreuzzüge, Ketzerkriege und Inquisition“ (Althoff). So ist das Blutbad bei der Eroberung Jerusalems im Jahre 1099, das 70 000 Todesopfer forderte, von Papst Urban II. mit Verweis auf 1 Sa  19 Vgl. Gerd Althoff: „Selig sind, die Verfolgung ausüben“. Päpste und Gewalt im Hochmittelalter. Stuttgart u.a. 2013.

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muel 15 legitimiert worden. Wolfgang Reinhard hat gezeigt, dass im 16. Jh. die spanischen Conquistadoren „zur Beruhigung des königlichen Gewissens“ das 20. Kapitel des Deuteronomiums verlasen, wo bestimmt wurde, wie mit kanaanäischen Städten zu verfahren war (nichts am Leben lassen, alles verbrennen).20 Vor solcher schriftbezogener Gewaltlegitimierung sind wir bis heute nicht gefeit, zumal sich der Umfang des gewaltlegitimierenden religiösen Schrifttums mit der Entstehung des Islams enorm erweitert hat. So wie das Prinzip der Kanonbildung ist auch die Strategie, aus der „Schrift“ nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht zu Verfolgung und Gewalt abzuleiten, den aus der Bibel hervorgegangenen Religionen des Christentums und Islams eigentümlich. Nur das rabbinische Judentum macht hier eine Ausnahme. Die Rabbinen haben es verstanden, diese Texte mit Hilfe ihrer verfeinerten Auslegungstechniken zu humanisieren und zu marginalisieren. Das ist nicht nur eine Frage der Machtlosigkeit, unter den Bedingungen der Diaspora Gewalt auszuüben, denn diese Strategie der Entschärfung und Humanisierung erstreckt sich auch auf das Martyrium, das ja ebenfalls eine Errungenschaft der Makkabäerzeit und gewissermaßen das Gegenstück zur religiösen Gewalt darstellt. Töten und Sterben für Gott und Gesetz gehören zusammen, und beides wird durch die rabbinische Halacha praktisch verunmöglicht.21 Auch der Tendenz zu Spaltung und Absonderung mit ihren schweren sozialen Folgen gebieten die Rabbinen Einhalt. Das rabbinische Judentum hat also die religiöse Gewalt als Problem empfunden und nach Kräften ausgeschaltet. Umso intensiver blieb sie im Christentum und im Islam lebendig, auch wenn man diesen Religionen nicht absprechen kann, sich immer wieder auch um Eindämmung und sogar Abschaffung religiöser Gewalt bemüht zu haben. Zusammenfassend lassen sich aus den verschiedenen Unterscheidungen, die wir betrachtet haben, drei Quellen möglicher Intoleranz und Gewalt ermitteln. Die erste und wichtigste Quelle ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen Freund und Feind, die im Monotheismus der Treue mit seiner exklusivistischen, partikularistischen und separatistischen Tendenz verwurzelt ist. Hierhin gehört auch die tiefe Angst vor Ansteckung, Verführung, Assimilation, die nicht nur das Verhältnis zu anderen Religionen, sondern sogar zum anderen, d.h. weiblichen Geschlecht fundiert. Gegen diese Phobien hat sich schon im frühen Judentum ein Gegenprinzip herausgebildet, das in den Pirqê Avot, einer im Judentum sehr wichtigen und verbindlichen Spruchsammlung der Mischna auf die Formel gebracht wird: „torah îm derekh eretz“ – „Torah zusammen mit dem Weg (d.h. der Bildung) des Landes (d.h. des Gastlandes).“22 Torah – heißt das z.B. – und griechische Philosophie und Naturwissenschaft schließen sich nicht aus. Der Rabbiner   20 Vgl. Wolfgang Reinhard: Globalisierung des Christentums? Heidelberg 2007. 21 Verena Lenzen: Jüdisches Leben und Sterben im Namen Gottes: Studien über die Heiligung des göttlichen Namens (Kiddusch HaSchem). München 1995, S. 102. 22 Paul Rießler: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel. Augsburg 1928, S. 1061 (mit allzu freier Übersetzung). Der Ausspruch wird dem berühmten Rabbi Gamaliel zugeschrieben, zu dessen Füßen auch der Apostel Paulus gesessen hat (Apg 22,3).

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Samson Rafael Hirsch hat das im 19. Jh. zur Grundlage einer Reformbewegung gemacht, die jüdische Frömmigkeit und deutsche Bildung miteinander verband. Die zweite Quelle ergibt sich aus dem Prinzip der kanonisierten Rechtsverschriftung, die dazu einlädt, Gewalt durch Berufung auf die Schrift zu legitimieren. Das Gegenmittel hierfür besteht in einer humanisierenden, zivilisierenden und historisierenden Auslegung, die imstande ist, das semantische Dynamit dieser Stellen zu entschärfen. Die dritte Quelle wenn nicht der Gewalt, so doch der Intoleranz, besteht im christlichen Begriff der Offenbarung mit seiner paradoxalen Verknüpfung von Exklusivität und Universalität. Es gibt viele Religionen, aber mehr als eine absolute, universale Wahrheit kann es nicht geben. Das Gegenmittel für diesen Widerspruch ist die Ringparabel. Um eine behutsame Zurücknahme ihres Wahrheitsanspruchs werden die Offenbarungsreligionen nicht herumkommen. Eine feinere Analyse der mit dem Exodus-Mythos und dem Monotheismus der Treue verbundenen Unterscheidungen führte zu dem Ergebnis, dass die Gewalt nicht aus der Unterscheidung von wahr und falsch, sondern von Freund und Feind stammt. Es ist diese Unterscheidung, die im Raum des Religiösen problematisch ist, zumal wenn sie sich mit der apokalyptischen Vorstellung eines Weltgerichts verbindet, in dem Gott mit seinen Feinden abrechnet. Es hat sich gezeigt, dass sie von außen in die neue, auf Bindung und Treue beruhenden Religion übernommen wurde: aus der assyrischen Staatsideologie und aus der Semantik des heiligen Krieges. Beides hat in der heutigen Welt, weder in der Religion noch in der Politik, einen Ort. Meine Kritik ist nicht antisemitisch, aber antifundamentalistisch motiviert. Eine Lektüre der heiligen Schriften, die unter Berufung auf archaische Texte diejenigen selig spricht, die Verfolgung ausüben, kann sich die globalisierte Menschheit nicht mehr leisten. Das heißt nicht, die heiligen Schriften abzuschaffen, sondern unsere Lektüre zu humanisieren, wofür gerade der jüdische Umgang mit den Gewalttexten ein Vorbild sein kann. In unserer Zeit hat der Exodus-Mythos eine neue Bedeutung gewonnen. Auch heute geht es um Befreiung aus alten Zwängen in eine neue Bindung und ein neues Gesetz. Dieses Gesetz heißt Menschenrechte, und das Ägypten, aus dem es befreit, umfasst alle Formen der Entwürdigung und Entrechtung, wie sie im 20. Jahrhundert kulminierten und unter denen der Holocaust als einzigartiges Menschheitsverbrechen herausragt. Genau wie im Fall des Auszugs aus Ägypten ist es die Erinnerung an diese Leidensgeschichte, auf der die Sehnsucht nach und die Bereitschaft zu neuer, befreiender Bindung gründet.

RELIGIÖSE TOLERANZ AM MAß POLITISCHER KLUGHEIT. JOHANN GERHARD UND THEOPHIL LESSING ZUR STAATLICHEN RELIGIONSPOLITIK Walter Sparn 1. POLITISCHER UND THEOLOGISCHER KONTEXT 1. Die Frage der Begründung religiöser Toleranz, so könnte man meinen, war eine Frage, die der reformatorischen Bewegung inhärent sein musste, denn sie stellte sich unweigerlich schon seit 1520 als konfliktuöse Abweichung vom status quo, von den gegebenen, Kirche und Staat aufs engste verflechtenden Machtverhältnisse dar. Diese Frage wurde seit 1530 durch die nun ‚evangelischen Stände‘ insofern durchaus beantwortet, als eine Reihe von Territorien und Reichsstädten sich auf den staatlichen Schutz der Abweichler verpflichteten; was zwar durch die Niederlage des Schmalkaldischen Bundes 1546/1547 infrage gestellt wurde, aber mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 erneut realisiert und auf Dauer gestellt wurde. Da dieser Friede jedoch mit dem religionspolitischen Grundsatz cujus regio ejus religio stand und fiel, sanktionierte er religiöse Toleranz nur darin, dass die in einem Territorium geltende Konfession vor Eingriffen von außen geschützt wurde; und das implizierte gegenüber der draußen geltenden Konfession durchaus Intoleranz. Diese Asymmetrie wurde allenfalls durch das jus emigrationis für innerstaatlich abweichende Religionspraxis begrenzt (was, zugegeben, seinerseits eine epochal neue Rechtsfigur darstellte).1 Von wenigen paritätischen Reichsstädten und Simultaneen (Benutzung von Kirchen durch beide ‚Religionsparteien‘) abgesehen, blieb diese für das Deutsche Reich charakteristische Lösung der Toleranzfrage geltendes Recht und war in lutherischen Staaten bis ins ausgehende 17. Jahrhundert auch die religionspolitische Praxis.2   1 2

Zum Augsburger Religionsfrieden vgl. Thomas Kaufmann: Geschichte der Reformation. Frankfurt/Main, Leipzig ²2010, Teil III, bes. S. 699–709. Robert von Friedeburg: Europa in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 2012, S. 90–97. Zur Abweichung von dieser Praxis durch den reformierten Kurfürsten von Brandenburg seit 1613 und zu ihrer Beendigung durch den lutherischen Markgrafen von BrandenburgBayreuth vgl. Walter Sparn: „,Christliche Politik‘ und fürstliches Kirchenregiment. Die Hofgeistlichen von Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth“, in: Rainald Becker, Iris von Dorn (Hg.): Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth (1644–1712). Politik, Repräsentation, Kultur. Bayreuth 2014, S. 51–66.

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Diese Konstellation wurde durch zahlreiche Diskurse protestantischer Juristen und Politiker, die auf den Erhalt des Reichsfriedens und die Selbstständigkeit der Territorien gegenüber dem Kaiser zielten, begründet, aber auch durch theologische Diskurse, deren normative Substanz in dogmatischen Traktaten De magisterio politico erklärt wurde. Dieser in der ganzen Frühen Neuzeit sich durchhaltende Traktat basierte einerseits auf der Zwei-Regimente-Lehre, die von der Reformation neu und pointiert zur Geltung gebracht wurde,3 vor allem auf der Unterscheidung weltlicher, sanktionsbewehrter Herrschaft, des ‚weltlichen Amts‘, von religiöser Autorität, vom ‚geistlichen Amt‘, dessen Aufgaben in einem Traktat De ministerio ecclesiastico entfaltet wurden. Andererseits aber beruhte der Friede auf der Annahme, dass die theologisch autoritative, d.h. biblische Begründung des ordo politicus deren naturrechtlicher Begründung nicht etwa widerspreche, sondern sie definitiv bekräftige; das gilt auch und folgenreich von der (ebenfalls langüberlieferten) ‚Drei-Stände-Lehre‘. Dieser zufolge weist jede Gesellschaft zu jeder Zeit eine soziale Struktur auf, die drei sozial irreduzible Praktiken gewährleistet und die dafür nötige Handlungsfähigkeit in hierarchisch angeordneten Herrschaftsformen sichert: status oeconomicus (Haus), status politicus, status ecclesiasticus. Modifiziert durch die Nobilitierung des Hausstandes bzw. der väterlichen Herrschaft, wurde diese Lehre schon von Martin Luther auch schöpfungstheologisch begründet und derart mit stärkster Verbindlichkeit ausgestattet.4 Für die theologischen Diskurse, die im religionspolitischen Rahmen des Augsburger Friedens die Frage aufgriffen, ob, in welchem Umfang und in welcher Form die (lutherische) Obrigkeit religiöse Alterität, d.h. nun ‚häretische‘ Individuen oder gar Gruppen im Staat dulden dürfe, hatte die Zwei-Regimente-Lehre keine Funktion; sie war natürlich noch nützlich zur Polemik gegen weltliche Herrschaftsansprüche (und konfessionelle Intoleranz!) des Papsttums, und dafür rekurrierte man immer auch auf Luthers politikethische Schriften, z.B. Von weltlicher Obrigkeit (1523) sowie auf den Artikel 16 des Augsburger Bekenntnisses von 1530, wo der Adressat die römische Kirche gewesen war bzw. das Täufertum, das politischer Herrschaft jegliche religiöse Legitimität absprach.5 Für die religions(innen)politische Frage der Toleranz war nunmehr der Adressat das ‚Landesherrliche Kirchenregiment‘, das sich im Zuge der konfessionellen Verselbständigung der reformatorischen Bewegung seit den 1530er Jahren herausgebildet und zur Etablierung von Staatskirchen geführt hatte, in deren konsistorialer Leitung Kirche und Staat kooperierten. Und für die Korrelation von Staat und Kirche im   3 4 5

Vgl. Walter Sparn: „Zwei-Regimente-Lehre“, in: Enzyklopädie der Neuzeit 15 (2012), S. 636–642. Vgl. Oswald Bayer: Martin Luthers Theologie. Tübingen ³2007, S. 110–139. Eilert Herms: „Leben in der Welt“, in: Albrecht Beutel (Hg.): Luther Handbuch. Tübingen 2005, S. 423– 435. Vgl. Augsburgische Konfession, Art. XVI: „Von der Polizei und weltlichem Regiment / De rebus civilibus“, in: Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche (BSLK). Göttingen 111992, S. 70f.

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Blick auf die cura religionis6 schrieb man Philipp Melanchthons Ethik fort, die methodisch klar die naturrechtliche und offenbarungstheologische Doppelbegründung der politischen Ethik entwickelt und den Konsens von politischer Ordnung und evangelischem Kirchentum plausibilisiert hatte. 2. Besonders wichtig wurde, dass Melanchthon die offenbarungstheologische Begründung der Legitimität staatlicher Herrschaft und ihre Grenzen in Sachen Religion (Röm 13 bzw. Apg 5, 29; Offb 13 bleibt unberücksichtigt) mit der moralund politiktheoretischen Begründung aus dem Naturrecht verknüpfte. Es waren dies vor allem drei Annahmen: Der ordo politicus ist zwar aktuell auch, strukturell aber nicht nur von den Folgen des Sündenfalls geprägt, sondern ist ein Aspekt der mit der Schöpfung gesetzten und von der positiven Legislatur am Sinai bekräftigten lex naturae. Das Naturrecht ist in seinen basalen theoretischen und praktischen Gehalten der menschlichen Vernunft eingeschaffen; die handlungsleitende Wirkung dieser notitiae innatae kann durch böse Affekte zwar beeinträchtigt, aber nicht gänzlich aufgehoben werden. Das Naturrecht ist der Ausgangspunkt jeder ethischen und politischen Theorie und der normative Horizont jeglicher Praxis; es begründete auch das Recht der Obrigkeit, zugunsten der abweichenden, aber ‚orthodoxen‘ Protestanten nun die papistischen cultus impii abzuschaffen.7 Die Melanchthonsche Konstellation der praktischen Philosophie und der theologischen Ethik blieben für die seit der Konkordienformel von 1577 sich entwickelnde lutherische Orthodoxie leitend; das lässt sich in den drei Traktaten über die drei Stände belegen, die Johann Gerhard, der führende lutherische Theologe der frühen Orthodoxie, in seinen Loci Theologici (seit 1610) vorlegte.8 Allerdings hatte sich im neuen Jahrhundert der praktische Kontext erheblich verändert, und die sich verschärfenden konfessionellen Spannungen und religionspolitischen Konflikte erforderten, sich mit dem Thema der religiösen Toleranz eigens zu befassen. Auf theologischer Seite sind zu nennen v.a. die jesuitische Polemik gegen die andauernde Geltung des Augsburger Religionsfriedens (er sei durch das Trienter Konzil 1563 aufgehoben), aber auch die Versuche der Pfälzer Reformierten,   6 7

8

Vgl. Heinrich de Wall: Art. „Kirchenregiment“, in: RGG4 4 (2001), Sp. 1292–1294. Irene Dingel: Art. „Kirchenverfassung III.“, in: RGG4 4 (2001), Sp. 1320–1327. Robert von Friedeburg: Art. „Kirchenzucht“, in: RGG4 4 (2001), S. 1367–1369. Vgl. Philipp Melanchthon: Philosophiae moralis epitomes libri duo (1546), in: Melanchthons Werke. StA Bd. III. Gütersloh 1961, S. 222–243, hier bes. S. 224ff., 228ff. Diese Annahmen werden besonders klar markiert bei Robert von Friedeburg: „The Holy Roman Empire of the German Nation“, in: Howell A. Lloyd, Glen Burgess u.a. (Hg.): European Political Thought 1450–1700. Religion, Law and Philosophy. New Haven u.a. 2008, S. 117–126. Vgl. Johann Gerhard: Loci Theologici. 9 Bde. Jena 1610–1622. Weitere Editionen (der 1625 in den ersten Loci ergänzten Fassung) 1657, 1776, 1863–1885 (ed. Preuss; hier verwendete Ausgabe), hier: t. VI, Loc. XXIII–XXIV: De Ministerio Ecclesiastico, De Magistratu Politico, und t. VII, Loc. XXVIII: De Conjugio. Vgl. Johannes A. Steiger: Johann Gerhard (1582– 1637). Studien zu Theologie und Frömmigkeit des Kirchenvaters der lutherischen Orthodoxie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1997, S. 229ff.

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ihre von den Lutheranern angefochtene Stellung als ‚Augsburger Religionsverwandte‘ durch konfessionelle Irenik zu sichern. Auf politischer Seite waren neu die Diskussion über Naturrecht und Staatsräson, die auf die Zentralisierung politischer Herrschaft und die Intensivierung staatlicher Konkurrenz reagieren musste; die auch für Lutheraner wichtigsten Autoren waren Jean Bodin (Les six livres de la république, 1576, dt. 1592) sowie, noch stärker als Melanchthons Ethik stoisch inspiriert, Justus Lipsius (Politicorum sive civilis docrinae libri sex, 1589, dt. 1599). Eine erste Reflexion der kritisch gewordenen Lage stellen auf lutherischer Seite die Disputationsthesen Johann Gerhards von 1604 dar; zu dieser Zeit war Gerhard als philosophischer Adjunkt in Jena tätig (wohin er 1617 als bereits berühmter Professor der Theologie zurückkehrte).9 Deutlicher als die etwas späteren politischen Disputationen des Helmstedters Henning Arnisaeus (1605) und dessen Doctrina politica (1610)10 lassen Gerhards Überlegungen auch die Probleme seiner Lösung erkennen. 2. RELIGIÖSE TOLERANZ IN JOHANN GERHARDS POLITISCHER THEORIE (1604, 1618) Im April 1604 publizierte Gerhard zehn Disputationen über jeweils zehn politische Fragen unter dem Titel Centuria quaestionum politicarum cum adjuncta coronide quae continet explicationem ήan diversae religiones in bene constituta Republ. tolerandae? Diese in Quart 144 Seiten umfassende Schrift, die in Oktav noch mehrmals erschien11, stellt einen neuen Ansatz in der politischen Theoriebildung des Luthertums dar, wie das Vorwort auch andeutet. Neu ist die ‚methodische‘ Konstitution einer Disziplin namens Politica gleich in der ersten Dekade und deren erster Quaestio: „Poßitne Politica disciplina certis praeceptis tradi?“12 Dadurch erweist sich Gerhard, wie so gut wie alle Lutheraner seiner Generation, als Anhänger der Innovationen des Paduaner Aristotelismus, vor allem   9

Vgl. Steiger: Johann Gerhard. Zum philosophischen Profil Jenas vgl. Walter Sparn: „Die Schulphilosophie in den lutherischen Territorien“, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Bd. 4. Helmut Holzhey, Wilhelm SchmidtBiggemann (Hg.): Das Heilige Römische Reich deutscher Nation. Nord- und Ostmitteleuropa. 2 Teilbände. Basel 2001, hier: Tb. 1, S. 522–531. 10 Vgl. Horst Dreitzel: „Politische Philosophie des Aristotelismus“, in: Grundriss 4/1, S. 639– 659. Walter Sparn: „Schulphilosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 562–563. 11 Vgl. Johann Gerhard: Centuria quaestionum politicarum cum adjuncta coronide quae continet explicationem ήan diversae religiones in bene constituta Republ. tolerandae? Jena 1604. Mir liegt ein Exemplar der Forschungsbibliothek Gotha vor, das auf dem Titel die Jahreszahl 1604 trägt, sich aber bereits als secunda editio bezeichnet, in der Druckfehler verbessert und ein Inhaltsverzeichnis angefügt seien; eine erste Ausgabe ist bislang nicht gefunden. Horst Dreitzel gibt die Auflage von 1608 als erste an und nennt noch Auflagen von 1663 und 1673, in: Grundriss 4/1, S. 640 (Nr. 148). Die UB Erfurt weist noch eine Auflage von 1620 nach. 12 Gerhard: Centuria Quaestionum Politicarum, dec. I, q. 1, S. A2r.

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Jacopo Zabarellas. Nicht zuletzt methodologische Gründe waren es, die ihn, wie zeitgleich den Henning Arnisaeus 1603/1604 veranlassten, die Disziplin der Metaphysik, nach dem Vorgang von Cornelius Martini als systematische Ontologie aufgefasst, in den akademischen Unterricht wieder einzuführen.13 1. Gerhards Analyse des Toleranzproblems besteht aus 50 Thesen. Thesen 1 bis 3 bekräftigen den seit Aristoteles oder Cicero unbezweifelten Grundsatz, dass Religion, d.h. Gottesfurcht und Gottesdienst, die sicherste und wirksamste Grundlage jedes Staatswesens und seiner sittlichen Disziplin sei (religio vinculum societatis); an neueren Autoren werden (auch später oft) die Politik Jean Bodins und die des ebenfalls französischen katholischen Juristen Pierre Grégoire angeführt.14 Wie eine einheitliche Religion das Band des Friedens und der Eintracht darstellt, so schwächen und verderben religiöse Unterschiede den glücklichen Zustand des Staates; daher ist die Frage unabweislich, ob der Staat diskrepante Religionen und unähnliche Meinungen über den Kultus dulden soll (Th. 4). Gerhard erinnert an die schrecklichen Religionszwiste des 16. Jahrhunderts im größten Teil Europas, sieht aber auch Deutschland von katholischen Scharfmachern bedroht, die die gestellte Frage verneinen und die Todesstrafe für Häretiker fordern (Th. 5–9). Er nennt viele geschichtliche Beispiele religiös verursachten Aufruhrs und schließt aus, dass ein Magistrat das Problem mit speziellen Maßnahmen lösen könne. Denn religiöse Diversität öffne das Fenster zur völligen Verachtung der Gottheit, zur epikureischen Gleich-Gültigkeit von ‚jede Religion‘ und ‚keine Religion‘: Man kann aber nicht Gott von ganzem Herzen lieben und doch zugleich mehrere Religionen, also konträre(!) Gesetze ertragen und fördern (Th. 10–12). Gerhard hält nichts von dem Vorschlag von Politikern wie Jean Bodin und Justus Lipsius, den Streit um Religion überhaupt zu verbieten; es wäre nicht gerecht, die Verletzung menschlicher Gesetze zu bestrafen, die Verletzung göttlicher Gesetze aber zu loben – utriusque tabulae custos est Magistratus, wie er mit Ph. Melanchthon feststellt (Th. 13–18). Die folgenden Thesen präsentieren die Gegner der Toleranz, beginnend mit den Katholiken, die den Mord eines häretischen Königs und den Vertragsbruch, z.B. des Luther versprochenen Geleitschutzes, billigen. Hier nennt er aber auch die biblischen Verbote fremder Religionen und die Alternative, für oder gegen Christus zu sein, und führt auch das Kanonische Recht an (Th. 19–25). Die Befürworter kommen mit dem Argument zu Wort, dass nicht schon religiöse Abweichung zu Aufruhr führe, sondern deren ohne weiteres und gewaltsam durchgeführte Unterdrückung; so mit J. Bodin und dem Altdorfer Juristen Philipp   13 Vgl. Walter Sparn: „Schulphilosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 557–563. Martinis Text von 1597–1599 lag Gerhard handschriftlich vor; er wurde erst 1605 gedruckt; Gerhards eigenes, nie gedrucktes Manuskript von 1603/04 ist vor kurzem in der Forschungsbibliothek Gotha aufgefunden worden. 14 Vgl. Jean Bodin: Six livres de la république. Paris 1576. Lateinische Übersetzung: De republica libri sex. Paris 1586. Petrus Gregorius Tolosanus: De Republica libri sex et viginti, in duos tomos distincti. Lyon 1586.

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Camerarius. Gerhard fügt dem die Beispiele des Türkischen Imperiums, der reichsrechtlichen Toleranz von Synagogen und der seit 1552, 1555 und 1566 geltenden pax religiosa hinzu (Th. 26–31). Viele Autoren, nicht zuletzt Martin Luther, stehen für die Einsicht, dass keine Obrigkeit jemals zum Glauben des Herzens zwingen könne (Th. 32–36); mit Autoren von Augustin bis Johann Calvin und Martin Chemnitz betont Gerhard, dass die Kirche die Religion mit Geduld und Leidensbereitschaft, nicht mit Vertreibungen und Blutvergießen zu verteidigen habe (Th. 37–40). Allerdings setzt sich Gerhard mit diesen durchaus heterogenen Argumenten nicht eigens und direkt auseinander, sondern stellt einige „Hypothesen“ auf, die wahr seien oder wenigstens „der Wahrheit möglichst nahe kämen“. Zuerst stellt er als unbezweifelt fest, dass jedermann seinem Amt entsprechend alles dafür tun müsse, dass die eine und die wahre Religion, d.h. das Band der Eintracht und der Einheit, stets überall das dominium innehabe; die hochweisen Leiter des Gemeinwesens müssen dafür den Weg zwischen Skylla und Charybdis steuern (Th. 42f). Gerhard schließt aus, auch Heiden das Heil zuzuschreiben und leichthin verschiedene Religionen und Sekten zu dulden – es sei denn auf Zeit, wenn die Gemeinwesen sich in derart gestörtem Zustand befindet, dass sonst der Staat unterginge; analog zur ärztlichen Kunst im Notfall. Und selbstverständlich seien vertragliche Vereinbarung auch mit Häretikern auf jeden Fall einzuhalten (Th. 45–47). Gerhard greift nun die Unterscheidung auf zwischen den stillen, d.h. am öffentlichen Kult teilnehmenden Anhängern von Häresien und den unruhestiftenden Verbreitern: Erstere sind in der Hoffnung auf Bekehrung und um der pax publica willen zu dulden, wogegen die turbones dann, wenn auch mehrfache brüderliche Ermahnungen, nichts fruchten, ausgewiesen werden sollten (wiederum in Analogie zur ärztlichen Kunst). Es geht Gerhard aber zu weit, diese „Krankheit“, wie sogar Justus Lipsius fordere, mit Feuer und Schwert zu bekämpfen. Denn die Schärfe des mosaischen Gesetzes wird durch Christus gemildert (Th. 48–50).15 Man ist fast überrascht, wie zurückhaltend sich Gerhard positioniert; nicht wenige Fragen überlässt er ausdrücklich der weiteren Untersuchung. Dezidiert lehnt er freilich, der Zwei-Regimente-Lehre folgend, die römische Verknüpfung von kirchlicher und staatlicher Sanktion ab; dem entsprechend enthält er sich als Philosoph der Definition oder auch nur der Nennung der falschen Religionen und häretischen Sekten völlig, denn das ist die Sache des geistlichen Amtes. Deutlich ist ferner, dass Gerhard die Frage der staatlichen Toleranz fremder und schon die öffentliche Stellung der eigenen Religion als religio dominans nicht mit der Frage der Verfassung eines Staates verbindet; er tut es weder bei der Diskussion der drei Staatsformen, noch beim Votum für die Monarchie als vorzüglicher Form16, noch   15 Vgl. Johann Gerhard: Centuria Quaestionum Politicarum, coronis, th. L, S. R4v, zitiert (ohne Angabe) Lk 9,54f, wo Jesus seine Jünger, die das ihn ablehnende Samariterdorf zerstören lassen wollen, zurechtweist: „Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid?“ 16 Vgl. Gerhard: Centuria Quaestionum Politicarum, dec. I, q. 6–7, S. A4r–B1r; entsprechend wird die Sukzession im Falle der Reichsgründung einer Wahl vorgezogen; aber sonst gilt:  

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auch in den Fragen der Ursachen staatlicher Umwälzungen und des Tyrannenmords. Die Frage, ob man dem Inhaber der Majestätsrechte aus religiösen Gründen widerstehen dürfe, wird verneint, wenn dieser die Religion frei lässt – wo nicht, ist für Privatpersonen Flucht oder Leiden angezeigt.17 Die Praxis der Toleranz abweichender Religion wird also ganz und der Regierungsklugheit der amtierenden Regierung, wie auch immer diese verfasst ist, in den jeweils obwaltenden Umständen zugewiesen; das gilt auch für die Toleranz des Judentums, die ja reichsrechtlich möglich war – Gerhard votiert hier mit dem Reichsrecht sogar gegen den in seiner Intoleranz vor allem apokalyptisch gesinnten Luther.18 Gerhards eigene Option für die Monarchie richtet das Interesse auf den princeps, dessen wünschbare Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und Milde er dem machiavellistischen Profil kontrastiert. Entsprechend wird die Frage, ob der Fürst über den Gesetzen stehe (legibus absolutus), im Blick auf das göttliche und natürliche Gesetz verneint, im Blick auf die bürgerlichen Gesetze bejaht, die er nämlich je nach Lage anpasst oder neu gibt, analog einem Arzt. Dem obrigkeitlichen Hüter der lex divina, wie Gerhard mit Melanchthon sagt, muss der cultus divinus in jedem Fall besonders am Herzen liegen.19 2. Gerhards zugegebenermaßen unfertige Thesenreihe dient nicht zuletzt der Aneignung der aktuellen theologischen, philosophischen und juristischen Diskurse aller drei Konfessionen über die Gestalt der politischen Ordnung. Verglichen mit Ethiken der vorigen Generation erreicht sie damit einen neuen, explizit politiktheoretischen Diskussionsstand. Dagegen hatten etwa die Regulae vitae des Melanchthon-Schülers David Chytraeus (1530–1600), eine mit dem Dekalog verknüpfte Pflichten- und Tugendlehre, die politische Ordnung im Rahmen der zweiten Tafel und hier des vierten Gebotes behandelt und lediglich als Pflichten der Magistrate und der Untertanen behandelt. Wie die iusticia universalis überhaupt begründete Chytraeus das Verteidigungsrecht der Untertanen gegen obrigkeitliche Verstöße gegen die beiden Tafeln des göttlichen Gesetzes naturrechtlich, ohne dass er Überlegungen zur politischen Ordnung angestellt oder das Problem religiöser Toleranz auch nur berührt hätte.20 Gerhards These thematisiert dieses Problem nun  

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„Constitutae leges cujusque provinciae, ac subditorum mores, itemque regiminis status respiciendus“; dec. II, qu. 2, S. B4r. Vgl. Gerhard: Centuria Quaestionum Politicarum, dec. X, q. 6–7, S. P3v–Q1r. Vgl. Gerhard: Centuria Quaestionum Politicarum, dec. IX, q. 1, S. M4r. Vgl. Gerhard: Centuria Quaestionum Politicarum, dec. III, q. 4, S. D2r. Gerhard charakterisiert hier die (materiell mit dem göttlichen Gesetz identische) naturae lex, „quam non accepimus; sed ex ipsa Natura arripuimus, hausimus, expreßimus; ad quam non docti, sed facti, non instituti, sed imbuti sumus.“ Vgl. David Chytraeus: Regulae Vitae. Virtutum descriptiones methodicae, in Academia Rostochiana propositae. (Wittenberg 11555) Leipzig 1566, insbes. S. G5 und K5: „Politia, est [ῆόά], hoc est, legitima ordinatio coetus hominum, honestis legibus cum norma legis naturae congruentibus, consociati, in quo per certos Magistratus legibus ordinatos, iuxta certas leges retinetur disciplina, et pax, propter hunc finem principalem, ut ciues sint quam

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immerhin als Anhang und versucht, die religionspolitisch mögliche, teils auch unvermeidliche Praxis lutherischer Ständestaaten im Gegenüber zum Calvinismus und zum Katholizismus zu legitimieren. Dasselbe Ziel verfolgten bald auch sein Jenaer Kollege Thomas Sagittarius und eine ganze Reihe von Philosophen, Juristen und Theologen in Wittenberg (Jakob Martini, Balthasar Meisner)21, Helmstedt (Henning Arnisaeus, Hermann Conring)22 und Altdorf (Philipp Scherb, Michael Piccart).23 Die Entwicklung der lutherischen Politiktheorie ging dann in Johann Gerhards Loci theologici (1610–1622) ein. Der Locus De magisterio politico (1618) setzt sich auseinander mit den jetzt vorliegenden Politiken der Reformierten Bartholomäus Keckermanns und Johannes Althusius, auch mit der religionspolitischen Position der niederländischen Remonstranten. Da der 1613 reformiert werdende Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg sein ‚Reformationsrecht’ nicht wahrnahm (genauer: rechtlich gar nicht konnte), durfte Gerhard auch weiterhin auf die Korrelation von konfessioneller und politischer Ordnung setzen, bis dahin, dass im Falle der Korruption der wahren Religion (d.h. der lutherischen Kirche oder Geistlichen) die Obrigkeit, die er als theologisch hinreichend gebildete Bibelleser unterstellt, kraft ihres jus reformandi die wahre Religion wiederherzustellen habe.24 Einer gegenseitigen Tolerierung, gar einem „Synkretismus“ von Lutheranern und Calvinisten widersetzt sich Gerhard heftig, wie außer Georg Calixt in Helmstedt und seine Schule, alle lutherischen Theologen der Zeit.25  

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beatissimi et quam maxime inter se amici, hoc est doceri homines der DEO, et educari ac instituti soboles, et colligi Deo aeterna Ecclesia possit.“ Vgl. Thomas Sagittarius: Disputationes politicae extraordinariae. Jena 1605. Vgl. Walter Sparn: „Schulphilosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 528f. Balthasar Meisner: Dissertatio de legibus. Wittenberg 1616. Ders.: Tertia pars Philosophiae sobriae, in qua problemata Ethica et Politica, in controversiis Papisticis subinde occurentia, studiose discutiuntur. Wittenberg 1623. Jakob Martini: Politica in genuinam Aristotelis methodum redacta. Wittenberg 1630. Vgl. Walter Sparn: „Schulphilosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 504–509. Horst Dreitzel: „Naturrecht als politische Philosophie“, in: Grundriss 4/2, S. 841–845. Vgl. Henning Arnisaeus: Disputationes politicae. Helmstedt 1605. Ders.: De jure majestatis libri tres, Frankfurt/Oder 1610. Hermann Conring: Exercitatio politica de de majestatis civilis autoritatis et officio circa sacra. Helmstedt 1645. Vgl. Horst Dreitzel: „Politische Philosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 639–672. Walter Sparn: „Schulphilosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 562–564. Vgl. Philipp Scherb: Theses politicae. Nürnberg 1602. Ders.: Discursus politici in Aristotelis de Republica libros. Frankfurt 1610. Michael Piccart: Excerpta politica. Nürnberg 1607. Ders.: Obervationum historico-politicarum, decades sex priores et posteriores. Amberg 1613 und 1616. Vgl. Wolfgang Mährle: Academia Norica. Wissenschaft und Bildung an der Nürnberger Hohen Schule in Altdorf (1575–1623). Stuttgart 2000, S. 316ff., 443ff. Walter Sparn: „Schulphilosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 556, 562f., 566, 569–571. Walter Sparn: „Aristotelismus in Altdorf“, in: Hanns Christof Brenneke, Dirk Niefanger u.a. (Hg.): Akademie und Universität Altdorf. Studien zur Hochschulgeschichte Nürnbergs. Köln u.a. 2011, S. 121–150. Vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, § 180, S. 353b, und §§ 195–197, S. 358a–b). Vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, § 200, S. 363a–365a. Vgl. Christian V. Witt: Protestanten. Das Werden eines Integrationsbegriffes in der Frühen Neuzeit. Tübingen 2011,

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Den politischen Umgang mit religiöser Abweichung im eigenen Land weist Gerhard nach wie vor der situationsangepassten Regierungsklugheit zu, unabhängig von der Staatsverfassung, der forma regiminis politici, die dem Völkerrecht zugehört. Das regimen politicum als solches ist eine göttliche Stiftung, deren praktische Normen dem universalen Naturrecht entsprechen; denn die potestas politica, mit der ein Magistrat als solcher von Gott ausgerüstet wird, ist nicht absolut, sondern an Normen einer übergeordneten potestas gebunden.26 Der politische Umgang mit fremdkonfessionellen Staaten unterliegt also dem Naturrecht, das zum Beispiel nur Verteidigungskriege zulässt, kriegerische Interventionen aus religiösen Gründen dagegen nicht, oder das Bündnistreue auch gegenüber Häretikern fordert. Gerhard argumentiert also mit einer grundsätzlichen Unterscheidung von geistlicher Gemeinschaft und conversatio politica.27 Der Umgang mit innerstaatlicher religiöser Abweichung ist etwas ganz anderes: Sie tangiert die Pflicht zur cura religionis im Blick auch auf die erste Tafel des Dekalogs, d.h. die durch das geistliche Amt beratene staatliche Sorge für die externa ecclesiae politia. Gerhard geht hier nicht so weit wie niederländische Remonstranten, sondern behält die spezifischen Aufgaben des geistlichen Amtes für den cultus internus (autoritative Predigt, Spendung der Sakramente, Seelsorge mit Schlüsselgewalt) ausschließlich diesem Amt vor. Der römische Einwand, es würden kirchliche und politische Aufgaben vermischt, ist also gegenstandslos, aber doch votiert Gerhard trotz calvinistischen Protests für einen Religionseid der politischen Amtsträger.28 In diesem normativen Rahmen ist Regierungsklugheit nötig und möglich: Nicht nur darf die Obrigkeit keinen Glaubenszwang ausüben (gegen die römische Praxis), sie muss auch Disputationen über Religionsfragen zulassen (gegen Bodin), sie darf auch häretische Schriften nicht ohne weiteres verbieten; ja sie darf und muss unter Umständen und auf Zeit mehrere Religionen als kleineres Übel tolerieren. Die Gründe für diese Toleranz sind teils politische und kontingente, wie eine durch leges fundamentales oder Teilhaber an der Macht beschränkte potestas politica oder ein status reipublicae turbatus, in dem Aufstände drohen. Es handelt sich aber auch um strukturelle, theologisch verifizierbare Unterscheidungen wie der zwischen privater Einstellung und öffentlicher Religionsausübung oder Blasphemie, oder der zwischen Duldung und Billigung. Gerhard führt auch   S. 39ff. Gegen die These, das Trienter Konzil habe den Augsburger Religionsfrieden aufgehoben, vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, §§ 174, S. 350a. 26 Vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, §§ 201–209, S. 365a–372a; §§ 117–139 (gegen Bodin §§120ff.), S. 318a–329b. 27 Vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, §§ 153–159, S. 336a–340b; § 157, S. 339b: „Conversatio politica et civilis a spirituali communione distinguenda“; auch § 199, S. 362a–363a, und §§ 209–212, S. 370a–373b. 28 Vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, § 173, S. 348a–350a; § 175, S. 350a–352a; § 178, S. 352b–353a. Das obrigkeitliche Vermögen des judicium de religione et fidei articulis omnibus verteidigt Gerhard zumal gegen Robert Bellarmin, § 175, § 182, S. 353b–354a. Zur reichsverfassungsrechtlichen Begründung vgl. Christoph Link: „Episkopalismus/Episkopalsystem“, in: RRG4 2 (1999), S. 1375f.

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zwei theologische Gründe für die Einschränkung der an sich wünschbaren religionspolitischen Intoleranz an: ein gänzlich christliches Gemeinwesen sei im irdischen Leben nicht zu erhoffen, und die gewaltbewehrte Härte im Alten Testament sei durch das Neue Testament ermäßigt worden.29 Gerhards Votum zielt daher auf einen dem öffentlichen Frieden dienenden Mittelweg zwischen falschen Extremen: zwischen gewaltsamer Unterdrückung abweichenden Glaubens und politischer Gewährung individueller Religionsfreiheit, quarumvis religionum libertas, als allgemeines Recht.30 3. THEOPHIL LESSINGS TRAKTAT ÜBER DIE STAATLICHE TOLERANZ DER RELIGIONEN (1669) 1. Wie hat sich die lutherische Position in Sachen Toleranz nach dem Dreißigjährigen Krieg und den damit verbundenen religionspolitischen Veränderungen weiterentwickelt? Wir sind in der glücklichen Lage, dass ein besonders instruktives Beispiel dafür überliefert ist. Im Jahr 1669 verteidigte der Leipziger Jurastudent Theophil Lessing – der Großvater von Gotthold Ephraim Lessing – als akademischen Befähigungsnachweis in der Philosophischen Fakultät eine Disputatio politica de religionum tolerantia.31 Diese laut Vorwort von Lessing selbst verantwortete Thesenreihe umfasst vier Kapitel: Kap. I erläutert die Begriffe magistratus, tolerantia, religio; Kap. II ermittelt den status controversiae; Kap. III beweist die affirmative Antwort des Autors; Kap. IV widerlegt die gegenteilige Meinung. Diese 71 Thesen entsprechen mit klarem Aufbau, stringenter Argumentation und rhetorischer Präzision schulphilosophischen Standards. Es ist offensichtlich, dass sich Lessing in einer gegenüber Gerhard veränderten Situation befindet. Deren praktischer Aspekt fließt auch in seine Feststellung der Streitsache ein: Darum geht es: Soll die Obrigkeit die Untertanen, die einer anderen Religion angehören als sie selbst, durch Drangsalierung, Vertreibung, Krieg, Schwert und Hinrichtung entweder ausrotten, vernichten oder zur eigenen Religion nötigen? Oder soll sie aus Gründen des öffentlichen Friedens sie vielmehr dulden, zumal wenn das die öffentlichen Grundgesetze so wollen oder wenn Gefahren und Übel anstehen? [Letzteres] bejahe ich.32

  29 Vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, § 198f., S. 358b–363a; die Einschränkungsgründe § 200, S. 363a–365a. Die Ablehnung der Todesstrafe für Häretiker als solche (§ 196, S. 358b) wird in dem die Zweite Tafel betreffenden Teil gegen die Päpstlichen und gegen einige Calvinisten ausführlich begründet, auch im Falle Servets, §§ 314–367, S. 444a–478a. 30 Vgl. Gerhard: Loci theologici, loc. XXIV, §165, S. 342b–344a; § 199f., S. 362a–365a; das Zitat § 200, S. 363b); § 199, S. 363a: „quidvis credendi libertas“. 31 Vgl. Theophil Lessing: Disputationem politicam de religionum tolerantia, indulgente amplissimo Philosophorum ordine. Leipzig 1669. Neu hrsg. u. eingel. v. Günter Gawlick und Wolfgang Milde. Göttingen 1991. 32 Lessing: De religionum tolerantia, cap. II, th. 12, S. A4v: „Sed hoc quaeritur (7.) an Magistratus dissentientes a se in religione subditos suppliciis, exilio, bellis, ferro, et caedibus vel ex 

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Aus der bösen Erfahrung der Religionskriege und des 30jährigen Krieges entnimmt Lessing ausdrücklich ein allgemein gültiges Argument für seine eigene These.33 Der bei Gerhard noch wichtige außenpolitische Aspekt wird von Lessing gar nicht mehr aufgegriffen – das ist verständlich angesichts der inzwischen vollständigen Ablösung der Außenpolitik von konfessionellen und sogar christlichreligiösen Rücksichten; Toleranz ist nun nur ein Thema der innerstaatlichen Religionspolitik. Den theoretischen Aspekt der veränderten Situation deuten im Vorwort zwei Namen an, die nun auch ein Student ungetadelt für sich anführen konnte, Hugo Grotius (De jure belli ac pacis libri tres, 1625) und Christoph Besold (Collegium politicum, 1614). Lessing lässt sich von Besold allerdings nur ältere Autoren zum Thema nennen: Johann Gerhard, Philipp Camerarius oder Bartholomäus Keckermann; Besolds exorbitante These von 1625, wonach das Naturrecht begründe, ein freies Gewissen zu haben und zu glauben, was man wolle, wird nicht berührt.34 Anders verhält es sich bei Grotius, den schon der philosophische Lehrer Theodor Lessings (wie auch Samuel von Pufendorfs und Gottfried Wilhelm Leibniz’) Jacob Thomasius trotz Einwände seitens der Theologen gelobt hat.35 Ihn führt Lessing bei seinem ersten, naturrechtlichen Argument an: „Alles, was zum Völkerrecht gehört, muss geduldet werden. Nun gehören die Religionen zum Völkerrecht. Also sind die Religionen zu dulden.“36 2. Diese naturrechtliche Begründung der Religionstoleranz ist innerhalb des staatskirchlichen Luthertums etwas Neues. Allerdings kann sich Lessing nicht auf Grotius selbst, sondern nur auf dessen Quellen berufen: Pomponius in den Digesten, Sokrates bei Xenophon. Grotius selber hatte gerade nicht für Toleranz argu 

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scindere, delere, vel ad suam religionem redigere debeat? An vero pacis publicae causâ eos tolerare, volentibus praesertim publicis Regni Constituionibus, aut impendentibus periculis ac malis? Aff.“ Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. III, th. 8–9, S. B1r–v. Vgl. Christoph Besold: Dissertatio politico-juridica, de majestate in genere: ejusque iurisbus specialibus, in tres sectiones distributa. Tübingen 1625, sectio II. De ecclesiastico majestatis iure, c. VI, § 35, S. 132: „Juris naturalis est, conscientiam liberam habere, & credere quicquid velis.“ Vgl. Dreitzel. „Politische Philosophie“, in: Grundriss 4/1, S 659–663. Robert v. Friedeburg: „Lutherische Unverfügbarkeit des Glaubens und Juridifizierung des Naturrechts“, in: Rechtsgeschichte 19 (2009), S. 33–61. Die renaissanceplatonisch und hermetisch inspirierte Politik der Tübinger Gruppe um Besold und Johann Valentin Andreae spielte seinerzeit eine randständige Rolle, vgl. Gerhard Michel: „Die Utopie einer christlichen Gesellschaft“, in: Grundriss 4/1, S. 157–165. Dreitzel: „Das christliche Gemeinwesen“, in: Grundriss 4/1, S. 688f. Vgl. Jacob Thomasius: Philosophia practica continuis tabellis comprehensa. Leipzig 1661, ²1667. Reprint der 4. Aufl. 1682 in: Ders.: Gesammelte Schriften. Bd. I. Mit einer Einleitung von Martin Gierl. Hrsg. von Walter Sparn. Hildesheim u.a. 2005, Tab. XLIV [recte: XLIX], lin. 47–56. Lessing: De religionum tolerantia, cap. III, th. 2, S. B1r: „Quaecunque sunt juris gentium, illa sunt toleranda. Atqui Religiones sunt juris gentium. Ergo Religiones sunt tolerandae.“ Vgl. Hugo Grotius: De Jure Belli ab Pacis, lib. II, cap. XX, § LXVI, 3.

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mentiert, sondern für die Bestrafung von Atheisten, die sich der ‚natürlichen‘ Religion und damit einer unabweislichen Verpflichtung entziehen. Lessings Pointe, und hier rückt er doch Besold nahe, ist das Verständnis religiöser Praxis nicht nur als soziale Pflicht, sondern auch als politisches Recht; aus der Allgemeinheit des Natur- oder Völkerrechts leitet sich ein konkreter politischer Rechtstitel ab. Allerdings ist Lessings Innovation nur begrenzt neu; nicht zufällig schweigt er sich über sein Verständnis des Naturrechts aus. Wie Besold oder Gerhard sympathisiert er mit der verinnerlichten Frömmigkeit eines Johann Arndt, aber Besold und Grotius steht er darin fern, dass er die staatliche cura religionis keineswegs in Frage stellt, sie vielmehr in konfessioneller, d.h. lutherischer Definition gerade befürwortet. Wie konservativ Lessing bleibt, zeigt auch seine Begrenzung der Fragestellung. Von vornherein hält er die Obrigkeit für nicht berechtigt, 1. „Synkretismus“, abscheuliche Religionsmengerei, einzuführen (d.h. die konfessionelle Union, wie sie von Helmstedter Lutheranern und brandenburgischen Reformierten betrieben wurde); 2. der Religion gegenüber sich bloß gleichgültig zu verhalten, denn die Obrigkeit ist princeps utriusque tabulae des göttlichen Gesetzes; 3. die Untertanen religiös zu leiten, was Aufgabe der berufenen Pfarrer ist; 4. über den Glauben zu verfügen, die Religion zu wechseln oder gar eine neue einzuführen, was nicht einmal die Kirche darf; 5. mehrere voneinander abweichende Religionen anzunehmen, da nicht mehrere Religionen zugleich wahr sein können; 6. jedem, woher er auch kommt, die libertas religionis zu gewähren.37 Das alles hatte Gerhard auch gesagt: Lessing vertritt den lutherischen status quo, wie ihn auch seine Leipziger Lehrer Friedrich Wilhelm Leyser und Jacob Thomasius vertraten.38 In diesem Konservatismus ist das politische jus reformandi auf den Erhalt des lutherischen Status quo reduziert: Die kooperative Konstellation von Staat und Kirche ist fest etabliert. Dem entsprechend charakterisiert Lessing die Streitfrage traditionell als quaestio mixta, d.h. als zugleich der Philosophie und der Theologie zugehörig. Er muss allerdings, wenn er sich keiner Metabasis schuldig machen will, offenbarungstheologischen Vorgaben im Wesentlichen als gültige unterstellen und kann sie nur durch tendenziöse Auswahl und im Fall alttestamentlicher Stellen historisch (nicht theologisch wie Gerhard) relativieren.39 Tatsächlich geht Lessing aber doch weiter. Und das muss er tun, weil die Bibelstellen, die er gegen die miscella religionis tolerantia anführt (1. Kön 18, 21; Lk 11, 23), auch gegen seine eigene Toleranzthese aufgeboten werden könnten; das Naturrecht kann er ja nicht als dem Willen Gottes widersprechend hinstellen. Dass Gott falsche Religionen nicht geduldet und ihre Duldung verboten und geahndet hat, interpretiert Lessing daher zu seinen Gunsten, indem er unterscheidet zwischen turbones und errones in der Religion: Die bloß Irrenden, die keine Sek  37 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. II, th. 4–9, S. A4r–v. 38 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. I, th. 27, S. A3v; cap. I, th. 10, S. A2v, mit Verweis auf Jacob Thomasius: Philosophia practica, tab. XL. 39 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. I, th. 4–6, S. A2v; cap. IV, th.10, S. B2v.

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ten bilden und die Gesetze achten, müssen geduldet werden: cum fides sit suadenda non imperanda. Die Unruhestifter mögen vertrieben werden, die offensichtlichen Gotteslästerer auch mit Gewalt, wie er mit Dietrich Reinkingk sagt – um hinzuzufügen, dass man, wenn das nicht möglich sei, den Zeitläuften etwas nachgeben müsse.40 Als neu in Lessings Argument erscheint hier wieder nur die Möglichkeit, die gegebenenfalls unvermeidliche innerstaatliche Pluralität von Konfessionen nicht bloß der Regierungsklugheit der Obrigkeit zuzuordnen; es relativiert das Landesherrliche Kirchenregiment völkerrechtlich. Zwar realisiert Lessing im Kontext der Religionspolitik der lutherischen Territorialstaaten diese Möglichkeit materiell konservativ; aber die offenbarungstheologisch, man könnte auch sagen: heilsgeschichtlich begründete Exklusivität des konfessionellen Wahrheitsanspruchs tritt zurück. Das lässt der eher unspektakuläre Satz: „Deus diversas religiones in utroque Test[amento] prohibuit quoad approbationem concedo; quoad tolerantiam nego“41 daran erkennen, dass er den Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament neutralisiert. Freilich hat auch diese Möglichkeit einen traditionalen Aspekt: den schon bei Gerhard festgestellten Verzicht darauf, die Frage der cura religionis und damit der Toleranz abweichender Religiosität auf der Ebene der Verfassung politischer Herrschaft zu stellen – jedenfalls solange die Obrigkeit nicht den Eindruck macht, sie dulde religiöse Alterität nicht nur klugerweise, sondern anerkenne und billige sie.42 3. Gleichwohl verschiebt sich der Akzent gegenüber Gerhard, wenn Lessing das Recht zur Toleranzgewährung in geringerem Maß auch untergeordneten Obrigkeiten, in vollem Maße aber nur der obersten Gewalt, der majestas zubilligt.43 Der zweite, politische Beweis für Lessings Toleranzthese lässt das noch deutlicher erkennen: Die Duldung von Religionen bringe weitaus größeren Nutzen als ihre Unterdrückung. Lessings Vernunftargument dafür behauptet, dass religiös Dissentierende dennoch durch ein Band der Eintracht im Blick auf die communis Reipublicae salus verbunden seien; das Erfahrungsargument erinnert daran, dass Duldung Frieden brachte, Verfolgungen dagegen grausamste Kriege. Lessing klassifiziert dies als allgemeine Erfahrung, nennt tatsächlich aber „unser teuerstes Vaterland“ im Unterschied zu den Niederlanden und Frankreich44; seine Perspek  40 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. IV, th 2–13, S. B1v–B2v; th. 6, S. B2r„ […] tempori non nihil cedendum“. Hier auch der Verweis auf Dietrich Theodor von Reinkingk: Tractatus de Regimine Seculari et Ecclesiastico. (Gießen 11619) Frankfurt 61659. Lessing erwähnt freilich nicht Veit Ludwig von Seckendorff: Teutscher Fürsten Stat. Frankfurt/Main 1656. Zu Reinkingks u.a. „christlicher Policey” vgl. Horst Dreitzel: „Das christliche Gemeinwesen“, in: Grundriss 4/1. S. 684–687. 41 Lessing: De religionum tolerantia, cap. IV, th. 11, S. B2v. 42 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. IV, th. 6 und th. 7, S. B 2r: „Interim providendum, ne non solum tolerari, verum probari etiam videantur.“ Vgl. ferner th. 14–16. 43 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. I, th. 15f., S. A3r. 44 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. III, th. 4–12, S. B1r–v, hier mit Jean Bodin: De republica libri sex, lib. IV, cap. VII (ebenso im Vorwort).

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tive ist also die des Reiches und dessen im Westfälischen Frieden von 1648 erneuerte (und jetzt auch den Reformierten zugebilligte) Religionstoleranz. Auch wenn er dieses Ereignis nicht eigens erwähnt und den Beweis aus den Folgen der politischen Toleranz bzw. Intoleranz religiöser Diversität als hypothetischen führt, wertet er das Gut politischen Friedens höher als konfessionellen Homogenität: „[…] quia major utilitas praeferenda est minori, si qua[!] ex sublatione religionum speranda.“45 Den Einwand, dass Religionsduldung enorme Übel zur Folge habe, pariert Lessing nicht nur mit dem Argument, dass dies Intoleranz nur dann begründe, wenn jene Übel per se folgten – und selbst dann seien sie doch nicht so groß wie die, welche aus non-tolerantia oft genug entstanden seien.46 Trotz dieses sehr klaren Votums für die politische Pazifizierung religiöser Diskrepanz bleibt Lessing wiederum dem konfessionellen Paradigma der Verflechtung von Politik und Religion verbunden. Sein naturrechtliches Argument für Toleranz ist nicht wirklich das grotianische, das ja der summa potestas circa sacra deutlich mehr Befugnisse zuerkennt als die lutherisch verstandene cura religionis. Aber auch abgesehen davon wird Lessings Argument dadurch paralysiert, dass sein Begriff von ‚Religion‘ sich sowohl als allgemein präsentiert als auch ein partikularer Begriff ist, nämlich ‚eigentlich‘ nur die lutherische Religion meint, d.h. zugleich als beschreibender und als normativer Begriff auftritt. Der Religionsbegriff ist der theologisch und philosophisch blinde Fleck des Lessingschen Toleranzkonzepts. Nicht anders wie im Terminus ‚Konfession‘ überlagern sich im (äquivalent gebrauchten) Terminus ‚Religion‘ deskriptive Momente mit partikularem Gehalt und normative, mit universalem Anspruch verknüpfte Momente; sie verschleiern ihren Status gegenseitig. Natürlich kennt auch Lessing den wirklich allgemeinen, ciceronianischen Begriff von Religion; dieser bleibt als ‚profaner‘ jedoch außerhalb der Argumentation. Das entspricht der orthodox-lutherischen theologischen Religionshermeneutik, die Religion und Kultus ebenfalls als ein universales, „natürliches“ Datum unterstellte, diese natürliche Gotteserkenntnis aber der allein normativen offenbarten Gotteserkenntnis als deren unvollkommene und fehlerhafte Vorstufe zu- und unterordnete.47 Lessing akzeptiert (noch) das Monopol der vera ratio colendi Deum, d.h. seines Luthertums auf die Bestimmung dessen, was als „falsche“ oder „abergläubische“ und was als „wahre“, „eigentliche“ Religion zu gelten hat.48 Der als völkerrechtlich universal eingeführte Religionsbegriff der Disputation Lessings hat darum keinen Einfluss auf den konfessionellen Exklusivismus, der in   45 Lessing: De religionum tolerantia, cap. IV, th. 6, S. B1r. 46 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. II, th. 11, S. A4v; cap. IV, th. 14–15, S. B2v. 47 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia, cap. I, th. 24, S. A3v. Zur damaligen, in allen drei Konfessionen im Wesentlichen gleiche Religionshermeneutik (erst im 20. Jahrhundert wurde die natürliche Theologie in der protestantischen Theologie perhorresziert) vgl. Walter Sparn: Art. „Natürliche Theologie“, in: TRE 24 (1994), S. 85–98. 48 Lessing: De religionum tolerantia cap. I, th. 23–31, S. A3v–A4r, mit Wilhelm Leyser: Trifolium verae religionis. Wittenberg 1664.

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ihrer unzweideutigen Ablehnung jeglichen Synkretismus und in der Entgegensetzung der wahren Religion gegen alle anderen Religionen außerhalb und innerhalb der Kirche zutage tritt. Lessing nennt diese anderen, über Gerhard noch hinausgehend, sogar beim Namen: Heiden, Mohammedaner, Juden, Katholiken, Calvinisten, Sozinianer, Arminianer, Anabaptisten, Weigelianer usw.49 Trotz ihres religionstheoretischen Defizits für die Begründung von religiöser Toleranz lässt Lessings These aber erkennen, dass sich eine neue Konstellation anbahnt – eine Konstellation, die sich bald als Epochenschwelle erweisen sollte. Schon zwei Jahre vor der Disputation in Leipzig war der Jenenser Johann Musaeus gegen den (später so genannten) Deismus aufgetreten und hatte Herbert von Cherbury’s strikt rational konzipierte natürliche Religion kritisiert: Eine solche Vernunftreligion neutralisiere die Konkurrenz der Konfessionen um den Preis, dass sie jeglichen Wahrheitsanspruch unterlaufe, der auf Offenbarung rekurriert.50 Diese (sachlich richtige) Kritik war allerdings noch dem alten Konzept der natürlichen Theologie verpflichtet und führte aus dem Dilemma nicht heraus. Doch überwand Musaeus zehn Jahre nach Lessings Disputation deren Defizit, indem er den Religionsbegriff aus der offenbarungstheologischen Vereinnahmung löste und in echt universaler Fassung (bezogen auf das Glücksstreben aller Menschen) in die Prinzipien der lutherischen Theologie einführte.51 Seine theoretisch anspruchsvolle, aber pointiert praktisch orientierte Dogmatik von 1679 war es nicht zuletzt, die der nächsten Generation ermöglichte, sich dem (konfessionskritischen) Pietismus und zugleich dem (säkularen) Naturrecht der frühen Aufklärung zu öffnen; führend wirkte dabei der neben Christian Thomasius und August H. Francke seit 1693 in Halle lehrende Johann Franz Budde mit. IV. NATURRECHT UND RELIGIONSPOLITIK IM ÜBERGANG ZUR AUFKLÄRUNG 1. Der Weg aus der bloß regierungsklug ermäßigten Intoleranz des konfessionellen Zeitalters blieb solchen Zeitgenossen verschlossen, die sich einem universalen, religionstheoretisch deskriptiven Religionsbegriff verweigerten, um sich weiterhin der darauf beruhenden naturrechtlich-normativen Toleranzforderung zu widersetzen. Lessings Versuch, politische Toleranz abweichender Religion völ  49 Vgl. Lessing: De religionum tolerantia cap. I, th. 26, S. A3v. 50 Vgl. Johann Musäus: Dissertatio theologica de quaestione, an ductu luminis naturae sive principiorum rationis, homo ad salutem aeternam pertingere possit? Jena 1667; unter dem Titel: Examen Cherburianismi. Wittenberg 1708, ³1730. Musäus war auch der erste lutherische Theologe, der sich mit den Thesen R. Descartes und B. Spinozas auseinandersetzte, vgl. Walter Sparn: „Formalis atheus? Die Krise der protestantischen Orthodoxie, gespiegelt in ihrer Auseinandersetzung mit Spinoza (1984)“, in: Ders.: Frömmigkeit, Bildung, Kultur. Theologische Aufsätze I. Leipzig 2012, S. 253–291. 51 Vgl. Musäus: Introductio in Theologiam. Jena 1679. Vgl. Theodor Mahlmann: Art. „Musäus, Johannes (1613–1681)“, in: RGG4 5 (2002), Sp. 1592.

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kerrechtlich zu fordern und zugleich im Rahmen einer lutherischen Politica Christiana zu begrenzen, blieb inkonsistent, obwohl er direkt (Besold) oder indirekt (Keckermann, Conring) an Initiativen anknüpfte, die Asymmetrie zwischen Naturrecht und Konfession zu mildern und das staatliche Religionsrecht nicht auf die spezifisch christliche, sondern auf die „natürliche“ Religionspraxis zu beziehen, d.h. dass das Naturrecht nicht mehr aus dem offenbarten Dekalog zu legitimieren.52 Aber wie Lessing selbst verblieben jene Initiativen innerhalb des heilsgeschichtlichen Interpretationsrahmens des Naturrechts. Das gilt auch für Veit Ludwig von Seckendorffs Naturrechtsentwurf (Teutscher Fürsten-Stat, 1656), den Lessing, obwohl er ihn so gut wie sicher kannte, nicht erwähnt.53 Die nicht nur von positiver Religion, sondern auch von historischer Hermeneutik unabhängige rationale Begründung des Naturrechts durch Samuel Pufendorf (De iure naturae et gentium, 1672) war unter theologischem Blickwinkel insofern auch kein Ausweg, als die Annahme eines anomischen Naturzustandes sich nicht mit der christlichen Annahme einer ursprünglich wohlgeordneten Schöpfung vereinbaren ließ, wie etwa Jakob Thomasius gegen Thomas Hobbes argumentierte.54 Daher wurden auch in Leipzig weiterhin Versuche unternommen, die Politica Christiana in der schöpfungstheologischen Platzierung des Naturrechts zu plausibilisieren und zum Beispiel Grotius’ zweigliedrigen Naturrechtsbegriff auf den status integritatis bzw. den status post lapsum zu beziehen. Es war Lessings philosophischer Lehrer Valentin Alberti, der nach seinem Übergang in die Theologische Fakultät das Naturrecht solcherart in die christliche Heilsgeschichte einzuschreiben versuchte – allerdings um den Preis einer fast theokratischen Staatsauffassung.55 Diese auch sonst, etwa bei Hector Gottfried Masius, sich dem fürstlichen Absolutismus andienende politische Nützlichkeit des konfessionellen Luthertums (nach seiner Entprivilegierung 1648)56 überspielte fast frivol, dass die   52 Vgl. Horst Dreitzel: „Politische Philosophie“, in: Grundriss 4/1, S. 659–672. 53 „[...] ein gescheiterter Versuch“, meint Frank Grunert: Normbegründung und politische Legitimität. Zur Rechts- und Staatphilosophie der deutschen Frühaufklärung. Tübingen 2000, S. 10–35, hier: S. 29. 54 Vgl. Jacob Thomasius: De statu naturali adversus Hobbesium (1661), in: Ders.: Dissertationes LXIII: varii argumenti magnam partem ad historiam philosophicam & ecclesiasticam pertinentes. Hrsg. v. Christian Thomasius. Halle 1693. Neu abgedruckt in: Gesammelte Schriften Bd. VI. Hildesheim u.a. 2004, S. 184–194. Vgl. auch Thomasius: De Machiavellistis et Monarchomachis (1662), in: Dissertationes LXIII, S. 300–311. 55 Vgl. Valentin Alberti: Compendium juris naturae, orthodoxae theologiae conformatum. Leipzig 1676. Ähnlich der Jenenser Moralphilosoph und spätere Nachfolger von Johann Musäus, Valentin Veltheim: Introductio ad Hugonis Grotii illustre et commendatissimum opus der Jure Belli ac Pacis. Jena 1676. Vgl. Frank Grunert: Normbegründung, S. 36–62. HansPeter Schneider: „Christliches Naturrecht als göttliche Ordnung in der lutherischen Orthodoxie“, in: Grundriss 4/2, S. 824–830. 56 Vgl. Hector Gottfried Masius: Interesse principum circa religionem evangelicam. Kopenhagen 1687. Vgl. Frank Grunert: „Zur aufgeklärten Kritik am theokratischen Absolutismus. Der Streit zwischen Hector Gottfried Masius und Christian Thomasius über Ursprung und Be 

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episkopalistische Begründung der staatlichen cura religionis (aus der Mitgliedschaft der Obrigkeit zur Kirche) in dieser Zeit durch die territorialistische Begründung etwa im Sinne Pufendorfs (De habitu Christianae religionis ad vitam civilem, 1687) abgelöst wurde. Diese schrieb das Kirchenregiment des Fürsten nicht seiner Kirchenzugehörigkeit, sondern seiner politischen Souveränität und deren Nützlichkeitserwägungen zu; so rechtfertigte sich die erwähnte Aufnahme von calvinistischen Hugenotten in die lutherischen Markgrafschaften Bayreuth und Ansbach seit 1685.57 2. Unnötig zu sagen, dass auch ein Versuch wie der Albertis bald gegenstandslos wurde in einer Zeit, in der die christlich perspektivierte Metaphysik und Geschichtstheologie an ihr Ende kamen; das hat im Blick auf die Rechtsphilosophie vor allem Christian Thomasius außer Zweifel gesetzt. Der mit diesem in methodischer Hinsicht eng verbundene, aber auch in der theologischen Kritik der orthodox-theologischen Scholastik einige, dem Pietismus nahe stehende Johann Franz Budde war es, dem es gelang, die konfessionelle Monopolisierung des Religionsbegriffs noch klarer zu destruieren, als das Johann Musäus möglich war. Wie Thomasius widersprach auch Budde nicht nur dem Opportunismus eines Hector Masius, sondern erarbeitete auch methodische Grundlagen für die Entkonfessionalisierung des lutherischen Religionsbegriff, um an seine Stelle einen nicht-normativen, d.h. (freilich in den Grenzen der Monotheismen) funktionalen Religionsbegriff zu setzen. Als Philosoph in Halle publizierte Budde 1697 Elementa philosophiae practicae, die er 1703 als Band III seiner Institutiones philosophae eclecticae neu herausgab. „Eklektik“ markiert Buddes, mit Thomasius geteilte Rolle für die Umstellung der schularistotelischen Methodologie auf eine praktisch abzielende, überlieferte Autoritäten vorurteilskritisch prüfendende und ein eigenes Urteil argumentativ begründende „Instrumentalphilosophie“.58 Buddes praktische Philosophie59, die im ersten Teil eine medicina mentis, d.h. eine den menschlichen Weg zur Glückseligkeit weisende ‚Ethik‘ enthält, begründet die staatliche cura religionis im zweiten Teil, der ‚Jurisprudenz‘, einer Pflichtenlehre, die das Handeln gemäß dem Natur- und dem Völkerrecht auf das honestum ausrichtet. Auf der Basis von Grotius und von Pufendorfs Naturrechtslehre fällt es Budde leicht, die Universalität von Religion in der Verknüpfung von Glückseligkeit und Gottesliebe für konsensuell anzunehmen: Religion gehört zu   gründung der summa potestas“, in: Friedrich Vollhardt (Hg.): Christian Thomasius (1655– 1728). Neue Forschungen im Kontext der Frühaufklärung. Tübingen 1997, S. 51–77. 57 Vgl. Christoph Link: Art. „Territorialismus / Territorialsystem“, in: RGG4 8 (2005), S. 165f. Walter Sparn: „,Christliche Politik‘ und fürstliches Kirchenregiment“, S. 64. 58 Vgl. Hinrich Rüping: „Budde und die Naturrechtslehre der Thomasius-Schule“, in: Grundriss 4/2, S. 1203–1215, hier: S. 1204–1209. Walter Sparn: „Einleitung“ in Budde: Gesammelte Schriften. Bd. I. Elementa philosophiae instrumentalis. Hildesheim 2006, S. V–LIX, hier: S. XIII ff. 59 Vgl. Johann Franz Budde: Elementa philosophiae practicae. Halle 1697, ²1703 (nachgedruckt bis 1777). Reprint der 4. Auflage von 1707 in: Ders.: Gesammelte Schriften. Bd. III. Hildesheim 2004. Vgl. Sparn: „Einleitung“, S. XXVI ff.

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den Pflichten der Bürger, deren Erfüllung das menschliche Handeln vervollkommnet; die Träger der politischen Herrschaft haben die Pflicht, die äußeren Bedingungen von Religion zu fördern.60 Als Moralphilosoph votierte Budde einerseits nach wie vor für den Erhalt des Status quo der religio dominans, zugleich aber für die Toleranz anderer verfasster Religionen aus politischen und ökonomischen Motiven und, beides verknüpfend, für positiv-rechtlich gesicherte, aber naturrechtlich begründete bürgerliche Gedeihlichkeit. Als Theologe, seit 1705 in Jena, gehörte er der „wahren“ lutherischen Staatskirche an, hatte somit als theologisches Erkenntnisprinzip das Naturrecht erst in abgeleiteter Weise, in begründender Weise aber die Hl. Schrift in Geltung zu halten. Umso interessanter ist es, wie Budde den Zusammenhang von Naturrecht und politischer Toleranz anderer Religionen im konfessionell geprägten Staat in seinen Institutiones theologiae moralis von 171161 und seinen Institutiones theologiae dogmaticae von 1723 entwickelte. Dazu gibt es noch keine Untersuchung; aber die bisherige Forschung lässt vermuten, dass es Budde gelang, seinen universalen, aus dem hermeneutischen Monopol der „wahren Religion“ befreiten Religionsbegriff als (nicht univokes, sondern analoges) Universale in die Offenbarungstheologie zu integrieren. In diesem Sinne beginnt seine Dogmatik mit einem prinzipiellen Kapitel De religione et theologia.62 Budde hat mit seiner (vom Pietismus inspirierten) anthropologischen Wende und mit seiner (der frühen Aufklärung verdankten) naturrechtlichen Emanzipation des Religionsbegriffes einen Weg zu echter, d.h. allgemeiner religiöser Toleranz eröffnet (übrigens zur gleichen Zeit wie die Quäker in Nordamerika begannen, die Forderung allgemeiner religiöser Toleranz religiös zu begründen). Und so wie es vor 1700 der konfessionell präjudizierte Religionsbegriff war, der die Korrelation von Naturrecht und staatlicher Religionspolitik unwirksam machte, so war es die neue Religionstheorie, die diese Korrelation sowohl religiös als auch politisch in das Jahrhundert aufklärerischer Toleranzpolitik öffnete. Freilich dauerte es noch viele Jahre, bis die protestantische Theologie das Menschenrecht religiöser Toleranz als nicht nur im Interesse friedliebender Politik, sondern auch im Interesse einer partikularen Religion wie dem Christentum liegend verstehen konnte, als   60 Vgl. Budde: Elementa philosophiae practicae, p. II, cap. IV, sec. XIII, S. 344ff. 61 Vgl. Johann Franz Budde: Institutiones theologiae moralis, variis observationibus illustratae. Jena 1711. Reprint der dritten Auflahe 1727 in: Ders.: Gesammelte Schriften. Bd. VI. Hildesheim 2007. Mit einer Einleitung von Friederike Nüssel, S. V–XI. Die Ausführungen zur cura religionis finden sich zweiten Teil, der iurisprudentia divina, cap. III, sec. II: De cultu Dei externo, S. 464–482, und sec. VII, §§ XVII-XXXIII, S. 586–596. Der dritte Teil, prudentia divina, behandelt ganz im Sinne der Unterscheidung von weltlichem und geistlichem Amt nur die prudentia ecclesiastica et pastoralis. 62 Vgl. Johann Franz Budde: Institutiones theologiae dogmaticae. Jena 1723 (³1741). Reprint in: Ders.: Gesammelte Schriften. Bd. VI.1 und VII.2. Hildesheim 1999. Mit einer Einleitung von Friederike Nüssel, S. V–XIX. Hier wird die cura religionis im Rahmen des 5. Buches im cap. IV, S. 1703–1815, De ministerio ecclesiastico, magistratu civili, et statu coniugali behandelt.

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Toleranz fremder Religion nicht trotz oder unter Hintanstellung des eigenen Glaubens, sondern als Toleranz aus Glauben.

OHNE SCHEITERHAUFEN, ABER MIT HENKERN. DIE JESUITEN UND DIE DISSIDENTENFRAGE IN DER ADELSREPUBLIK IM 16. UND 17. JAHRHUNDERT Łukasz Bieniasz Nach dem Tod des polnischen Königs Sigismund II. August im Juli 1572 herrscht bis August 1573 das Interregnum in der Adelsrepublik Polen-Litauen. Die Spezifik der Regierungszeit seines Nachfolgers, d.i. Heinrich Valois, die nicht nur kurz, sondern auch mit kleinem Interesse an dem Staatsgeschehen verlief, führt zu einem der größten Paradoxa in der polnischen politischen Geschichte. Der polnische Sejm, verunsichert nach der Flucht Valois, schickte mehrere Boten nach Frankreich mit der Korrespondenz und Forderung zu seiner Rückkehr, die aber nicht zustande kam. Heinrich Valois entschied sich nach dem Tod seines Bruders und französischen Königs Karl IX. den französischen Thron zu besteigen. So verlängert sich die Interregnumsphase (in der Praxis) um ein weiteres Jahr, bis Dezember 1575, als Anna Jagiellonica zur polnischen Königin gekrönt wurde. Die grobe Skizzierung dieses historischen Hintergrundes ist in diesem Kontext deswegen wichtig, weil, wie später am Beispiel der predigtähnlichen Traktate der Jesuiten Skargas oder Bembus gezeigt wird, ausgerechnet dieser Umstand, d.h. das Interregnum, der Hauptgrund für die Infragestellung der Warschauer Konföderation war. Die Warschauer Konföderation war ein Ergebnis des Konvokationssejms in Warschau und wurde am 28. Januar unterzeichnet durch: Wir Senatores, des Reichs/ oder Kron/ Geistliche und Weldliche/ vom Ritterstande/ Und Wir andere Stände dieses geeinigten/ und ungetrenten KönigReichs/ aus Gros und Klein Polen/ aus dem Gros Herzogthumb Lithaw/ aus Kiovia, Volinia, Podlasia, so wol aus den Landen Reussen, Preussen/ Pomern/ Samogitien, Liefland/ und von des Reichs Städten […].1

Die Unterzeichnung der Konföderation findet in der „gefehrlichen zeit/ welche Uns unseres Haupts des Königes beraubet/ und die Regierungsorge auff uns alle Stände gebracht“2 statt und deswegen   1

2

Zitiert nach einer deutschen Übersetzung der Warschauer Konföderation (kein genaues Datum bekannt, Anfang des 17. Jahrhunderts): „Confoederations Articul Der Gesambten polnischen Reichs=Staende/ Welche Anno 1573. Bey wehrendem Interregno Auff allgemeinem Landtage zu Warsaw geschlossen/ Und zu unverbruechlicher Festhaltung offentlich und gantz Eyferig/ beschworen worden“, in: Konfederacja Warszawska 1573 roku wielka karta polskiej tolernacji. Hrsg. v. Miroslaw Korolko und Janusz Tabir. Warschau 1980 (ohne Paginierung). Zitiert nach Korolko/Tazbir: Konfederacja (ohne Paginierung).

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Łukasz Bieniasz versprechen [wir] einander/ vor Uns/ und Unsere nachkommene/ zu Ewigen zeitten/ Krafft geläisten Aydschwur/ bey Unserem gutten Glauben Ehren und Gewissen/ das Wir Uns obschon ungleich in Geistlichen gewissens sachen gesint/ des lieben Friedens untereinander befleissen/ und wegen ubung dieser oder jener Religion/ oder enderung des Gottes dienstes kein Mensch Blutt zu irgend einerzeit vergissen wollen.3

Falsch ist jedoch die Behauptung, dass diesem politischen Akt von 1573 ausschließlich die Vakanz des polnischen Throns zugrunde lag. Die Warschauer Konföderation war nämlich Bestätigung dessen, was schon seit den 1550er Jahren politische Wirklichkeit in Polen war, wo die säkulare Gewalt aufhörte, die Exekution der Entscheidungen und Urteile der Kirchengerichte auszuführen.4 Der Sejm von 1562 bestätigte endgültig dieses Verbot. Die Toleranzartikel aus dem Jahr 1573 sind Ergebnisse einer seit mehreren Jahren betriebenen Religionspolitik, welche ein größeres Ziel am Horizont hatte: die Realunion mit Litauen, welche im Jahr 1569 verwirklicht wurde. Diese politischen Schritte sollten den Boden dafür vorbereiten und selbstverständlich eine Grundlage für das friedliche Zusammenkommen unterschiedlicher Konfessionen bilden. Der erfolgreich ins Leben geführten Toleranzidee in der Adelsrepublik lag in diesem Zusammenhang sowohl der Idealismus zugrunde, der sich durch die Sorge um das Wohl und den Frieden im multikonfessionellen und -kulturellen Staat ausdrückte, als auch politischer und finanzieller Eigennutz, weil die Konföderation ein wichtiges Instrument zur Kontrolle des Herrschers in den Händen des polnischen Großadels war. Zwischen den zwei Zäsuren, 1562 und 1658 (anti-arianische Verfassung), liegen 96 Jahre, weshalb wir von einem Jahrhundert der Toleranz in der polnischen Geschichte sprechen können. Diese konfessionspolitische Situation im 16. und 17. Jahrhundert führte zur Entwicklung zweier gegensätzlicher Bilder Polens.5 Das erste Bild, das seine Wurzeln in den polemischen Schriften des 17. Jahrhunderts hat und in den ausländischen (nichtpolnischen) Publikationen präsent ist, verbreitet ein Stereotyp über Polen als ein erzkatholisches, fanatisches Land mit harter Gegenreformation und Intoleranz. Das andere zeigt Polen als das Land ohne Scheiterhaufen und Asyl für Häretiker und dominierte die polnische Forschung der Nachkriegszeit. Der Titel dieses kurzen Beitrages nähert sich nur scheinbar der ersten Forschungslinie. Solche moralische Schwarz-Weiß-Dichotomie, in der die Protestanten die Opfer- und die Katholiken die Täter-Rolle bekleiden, stünde im Widerspruch zur jetzigen Forschungslinie in Polen. Diese wertende Aufteilung, die besonders in der Sozinianismus-Forschung stark präsent ist, sei schließlich eines der größten

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Zitiert nach Korolko/Tazbir: Konfederacja (ohne Paginierung). Vgl. Janusz Tazbir: Piotr Skarga. Szermierz kontrreformacji. Warschau 1983, S. 158. Diese Unterteilung nach: Wojciech Kriegseisen: Stosunki wyznaniowe w relacjach państwo kościól między reformacją a oświeceniem. Rzesza Niemiecka – Niderlandy Północne – Rzeczpospolita polsko-litewska. Warschau 2010, S. 11.

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Missverständnisse in der polnischen Geschichtsschreibung.6 Den Orientierungspunkt sollen jetzt nicht mehr die Zäsuren bilden, wie die Warschauer Konföderation oder die Zeit der Verbannung der Polnischen Brüder aus Polen (1658–1662), welche makrohistorisch die bereits erwähnten Bilder Polens entstehen lassen, sondern es wird mikrohistorisch in das Leben der Gemeinden hineingeschaut und die zwischenkonfessionellen Verhältnisse erforscht.7 Der vorliegende Beitrag versucht in diesem Geiste, den Einfluss der jesuitischen Schriften auf die Stimmungen des einfachen Volkes zu zeigen. Die polemischen Schriften, und als solche lassen sich auch die in polnischer Sprache publizierten Propagandatexte von Skarga, Bembus und Cikowski, welche gleich näher gebracht werden, lesen, gelten nämlich als die Quellen, welche am deutlichsten das Verständnis der Toleranzidee der jeweiligen konfessionellen Parteien zeigen. Der Beitrag möchte kompakt bleiben und nur auf die spezifischen Schriften hinweisen, deren sich die Jesuiten zwecks Bekämpfung der Häresie bedienten, jedoch vom Standpunkt aus, dass das 17. Jahrhundert auch das Zeitalter der Polemik ist, in der alle Parteien bemüht waren, die Position der anderen entweder in Frage zu stellen, zu schwächen oder endgültig zu zerstören. Die Teilnehmer der Dispute, Gespräche und Polemiken sind als hochausgebildete Intellektuelle zu verstehen, die auf der Suche nach der eigenen Identität sind und die Wichtigkeit der eigenen Konfession, ihren Exklusivismus kompromisslos betonen und verteidigen.8 Die polnische Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts öffnet so durch ihre konfessionelle Vielfalt und Pluralität einen idealen Raum zur Beantwortung weiterer Fragen: Kann eine Gesellschaft beliebig viele Religionen bzw. Konfessionen aufnehmen und ‚ertragen‘? Ob es also eine Grenze der Multikonfessionalität gibt? Wurde die rituelle, d.h. praktische, Glaubensausübung weniger geduldet, da sie den direkten Angriffen des Pöbels ausgesetzt und in Konsequenz zum Rückzug in den Untergrund verdammt war, und boten die hermeneutischen, d.h. theoretischen Praktiken den Autoren mehr Freiraum, in dem sie keine politische Konsequenzen fürchten mussten? Die Tumulte der Katholiken gegen die Protestanten in Krakau, Posen, Warschau und Vilnius z.B. in den 1590er Jahren zeigen, wie durchlässig die Grenze zwischen Duldung und Gewalt ist. Hier genügte meistens nur ein einziger Funke (z.B. eine flammende Predigt während der Messe oder ein Vortrag für Studenten), damit die Stadtbewohner gegen Andersgläubige zu ‚Felde‘ zogen.9 Der Grund, warum solche Bekämpfungsmethoden (Provokation und Manipulation) der Gegenreformation gegen die Reformatorischen beliebt war, liegt in der offensichtlichen Schwä  6 7

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Vgl. Piotr Wilczek: Polonice et latine. Studia o literaturze staropolskiej. Kattowitz 2007, S. 76. Vgl. z.B. Kriegseisen: Stosunki Wyznaniow, S. 11. Ders.: Die Protestanten in Polen-Litauen (1696–1763). Rechtliche Lage, Organisation und Beziehungen zwischen den Evangelischen Glaubensgemeinschaften. Aus dem Polnischen von Peter Oliver Loew unter Mitarbeit von Rafael Sendek. Hrsg. von Joachim Bahlcke und Klaus Ziemer. Wiesbaden 2011, S. 3. Vgl. Wilczek: Polonice et latine, S. 78. Vgl. Janusz Tazbir: Święci, grzesznicy i kacerze. Z dziejów polskiej kontrreformacji. Warschau 1959, S. 92–96.

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che der Warschauer Konföderation, welche vor allem die Gleichberechtigung des Adels untereinander bestätigte und keine allgemein geltende Toleranz garantierte.10 Sie diktierte nur den Adligen, der polnischen szlachta, und den Geistlichen, nicht aber dem Pöbel, dem einfachen Volk, den Nicht-Adligen die Grenzen ihres Handelns. Für diese Versäumung mussten letztendlich die Dissidenten bezahlen.11 Zwar findet, wie die Geschichte zeigt, der theologische Streit der gegenreformatorischen mit den protestantischen Gelehrten im 16. und 17. Jahrhunderț̦̦ ununterbrochen statt, wobei die Auseinandersetzungen der Jesuiten mit den Antitrinitariern besonders berühmt sind. Und doch kann man über spezifische Duelle sprechen (Piotr Skarga mit Hieronim Moskorzowski, Marcin Smiglecki und Valentin Schmalz, Jakub Wujek und Fausto Sozzini)12, wobei, wie bereits gesagt, in diesem Artikel nur auf die Schriften und das Wirken dreier Jesuiten kurz hingewiesen wird. Die Wahl fiel auf Piotr Skarga, Mateusz Bembus und Mikolaj Cichowski. Erstens, weil alle drei wichtige Stellen im Umkreis des polnischen Hofes bekleideten, wodurch ihre Urteile über die Religionspolitik damals als die Stimme des Königs, bzw. Staates verstanden wurden (Skarga und Bembus) oder einen großen Einfluss auf die Öffentlichkeit hatten (Cikowski). Das betrifft im Besonderen die Regierungszeit Sigismunds III. Wasa13, in dessen Nähe die Jesuiten bedeutenden Einfluss auf das politische Leben in der Adelsrepublik gewannen. Und zweitens, da die drei Jesuiten nicht gleichzeitig gewirkt haben, sondern zusammen eine Periode einer unleugbaren ‚Dependenz‘ des polnischen Hofes von jesuitischkatholischen Milieus bildeten. Ihr Schaffen zeigt auch, mit welchen Mitteln die Gegenreformation ihre Opponenten bekämpfte. Zuerst sprechen wir über die Zeit Skargas am polnischen Hof um 1600, anschließend, bis zu den 30ern des 17. Jahrhunderts, über die Zeit Bembusʼ, der Nachfolger Skargas am königlichen Hof in Krakau war, und zuletzt über Cichowski, der sich zwar dem direkten Kreis des Königs nicht näherte, aber ein äußerst bissiger Gegner der Dissidenten, besonders der Polnischen Brüder, war und um 1658 besonders stark darauf beharrte, die sich gegen die Antitrinitarier richtenden Verfassungen möglichst schnell ins Leben zu rufen. Ein weiteres Kriterium für die Auswahl der Quellentexte war darüber hinaus noch der Umstand, dass sich die drei Jesuiten ausnahmslos der Wichtigkeit einer Tatsache bewusst waren: der Wirkungslosigkeit des Gesetzes gegenüber den Ausschreitungen der Massen. Bereits durch den Titel dieses Beitrags wird behauptet, dass die katholischen ‚Henker‘ durch die Förderung der Tumulte andere ‚Schei  10 Vgl. Michael G. Müller: „‚Nicht für die Religion selbst ist die Conföderation inter dissidentes eingerichtet.‘ Bekenntnispolitik und Respublica-Verständnis in Polen Litauen“, in: Luise Schorn-Schütte (Hg.): Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. München 2004, S. 311–328. Stanisław Salmonowicz: Konfederacja Warszawska 1573. Warschau 1985. 11 Vgl. Tazbir: Święci, grzesznicy i kacerze, S. 94. 12 Vgl. Wilczek: Polonice et latine, S. 73. 13 Sigismund III Wasa, König von Polen und Großfürst von Litauen 1587–1632.

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terhaufen‘ gefunden haben, welche sogar wirksamer waren als die üblichen, da die Tumulte sehr oft mehrere Menschenleben zum Opfer hatten und nicht nur das eines einzelnen Häretikers. Der Text, gedruckte Predigt, oder das Wort, d.i. die Predigt, wurden im übertragenen Sinne zum Scheiterhaufen, da sie die Masse zur intoleranten Haltung, zum Mord an Fremden antrieben.14 Bembus, Cikowski und Skarga verfassten abgesehen von gelehrten Streitschriften auch diese predigtähnlichen und in polnischer Sprache verfassten Schriften auf intellektuell niedrigem Niveau, um angeblich die wenig begabte Leserschaft mit den wahren religiösen Zuständen im Staate vertraut zu machen. Obwohl es schwer ist, Beweise zu finden, dass die Veröffentlichungen der indoktrinierenden Broschüren mit den Tumulten in Polen im direkten Zusammenhang standen, spricht für die Richtigkeit dieser These der Umstand, dass es am häufigsten nach der Messe zu Gewaltakten kam, während derer die Meinungen der Autoritäten zu den Staatsfragen verbreitet wurden. Trotzdem sind diese Schriften als Instrumente in den Händen der Gegenreformation zu verstehen, die dadurch die eine Schicht zum Handeln bewegen konnte, welche für ihre Gewalt gegen Protestanten aus religiösen Gründen im Geiste der Konföderation nicht bestraft werden konnte. D.h. die Zerstörung einer Kirche, der Angriff auf einen Andersgläubigen durch einen Nicht-Adligen wurde nicht als Verbrechen gegen die konfessionelle Freiheit, sondern als ein normaler Akt des Vandalismus verstanden.15 Die Manipulation mit Schreckensbildern, Vorurteilen, stets präsentem Aberglauben verursachte, dass diese Art der ‚Rekatholisierung‘ sehr erfolgreich war.16 Die Tumulte gab es bereits in den ersten Jahren nach der Warschauer Konföderation. Man kann eine Korrelation zwischen der Intensität der Gewaltakte und dem Thronwechsel herstellen. Deswegen kommt es in den 1570er Jahren zu Tumulten, so nach dem Tod von Sigismund II. August und später am Anfang der 1590er Jahre nach dem Tod des Königs Stephan Báthory, der als Katholik sowohl den Jesuitenorden in Polen förderte als auch die Rechte der Protestanten schützte und respektierte. An Stärke haben die Aggressionsakte gegen Protestanten nach 1605 zugenommen und im Jahr 1611 ihr Extrem erreicht. Nicht ohne Bedeutung ist der Tod des Magnaten Jan Zamoyski im Jahr 1605, der neben Janusz Radziwiłł der größte protestantische Magnat in Polen und ein enger Vertrauter Stephan Bathorys, aber auch unermüdlicher Gegner Sigismunds III. Wasa war, der unter starkem Einfluss der am Hof wirkenden Jesuiten (besonders Skargas) stand.17   14 Der vorliegende Beitrag zeigt nur die Tätigkeit der Jesuiten und ihre Versuche durch Schriften und Predigten das einfache Volk gegen die Nichtkatholiken zu wenden. Man soll jedoch nicht vergessen, dass es auch Angriffe gegen Katholiken gab: Vgl. z.B. Paweł Skwarczyński: Tolerancja religijna w Rzeczpospolitej 1572–1632. London 1961. Jan Rzońca: Rzeczpospolita w latach 1596–99. Wybrane zagadnienia polityki wewnętrznej i zagranicznej. Oppeln 1990, S. 46. 15 Vgl. Tazbir: Święci, grzesznicy i kacerze, S. 81. 16 Vgl. Tazbir: Święci, grzesznicy i kacerze, S. 94–95. 17 Vgl. Henryk Samsonowicz: Historia Polski do roku 1795. Warschau 1976, S. 211.

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1. PIOTR SKARGA Nicht ohne Bedeutung für Skargas Schrift Upominanie do ewangelików i wszystkich nie-katolików, że o skażenie zborów krakowskich gniewać sie i nic nowego i burzliwego zaczynać nie maja (dt. ‚Warnungen an die Protestanten und sämtliche Nichtkatholiken, dass sie wegen der Verseuchung der Krakauer Gemeinden nicht zornig sein und nichts Neues und Gewaltverursachendes anfangen sollen‘) ist die ein Jahr zuvor erschienene Rede von Jan Niemojewski mit dem Titel Mowa o zburzeniu zboru krakowskiego 1591 (dt. ‚Rede über die Zerstörung der Krakauer Gemeinde‘)18, obwohl der Jesuit in seinem Buch auf sie nicht eingeht. Bevor die Schrift Skargas ein Jahr später nach der Zerstörung der kalvinischen Gemeinde in Krakau 1591 anonym erscheint, führen die beiden Opponenten auch persönliche Dispute.19 Skargas Ziel ist es, durch die Herausgabe seines Buches nicht nur, wie es im Titel heißt, die Protestanten zu belehren, sondern auch, in der Öffentlichkeit die andere, ‚wahre‘ Version des Geschehens zu verbreiten. Der Jesuit belehrt das katholische Volk selbstverständlich durch Veranschaulichung des wahren, teuflischen Gesichtes des Protestantismus und schickt eine deutliche Botschaft an die Protestanten über ihre Rolle und ihren Platz in der Gesellschaft. Wie gesagt bilden den Hintergrund und den Entstehungsgrund der Upominanie der Angriff auf die kalvinische Gemeinde und deren Zerstörung in Krakau im Mai 1591. Die Aggression des Pöbels ist damals jedoch dermaßen eskaliert, dass auch die arianische Gemeinde zerstört sowie die Waren und die Lager der nichtkatholischen (französischen und schottischen) Kaufleute ausgeraubt wurden.20 Skargas Schrift setzt weitere Dispute zwischen ihm und den Protestanten über die Freiheit der Dissidenten und die Warschauer Konföderation in Gang und ist ein Beweis, welche Bedeutung die Geschehnisse in Krakau hatten.21 Der Jesuit Skarga begann ziemlich spät, sich in seinen Werken mit der Warschauer Konföderation zu befassen.22 Upominanie stammt aus der Anfangsphase seiner Kritik an diesem Akt, der gegen jegliche Gesetze Gottes und der Menschen, gegen jegliche Gerechtigkeit, gegen die guten Sitten und den Verstand ist.23 Einen   18 19 20 21

Vgl. Encyklpedyja powszechna. Bd. 19, Warschau 1865. S. 417. Vgl. Encyklopedyja powszechna, S. 417. Vgl. Tazbir: Piotr Skarga, S. 165. Die Antwort auf die ‚Warnungen‘ Skargas wurde unter dem Titel Respons w porywczą dany na upominanie do ewangelików veröffentlicht. Auf diese Schrift reagierte Skarga mit dem Werk Proces konfederacyi (1595), welches durch einen anonymen Verfasser mit der Schrift Obrona przeciw procesowi konfederacyi (Datum unbekannt, wahrscheinlich im selben Jahr) beantwortet wurde. Skarga reagierte prompt mit der Schrift Proces na konfederacyją z poprawą im Jahre 1596. Noch im selben Jahr erschien die Gegenschrift Obrona powtórna konfederacyi i procesu. 22 Vgl. Janusz Tazbir: Państwo bez stosów i inne szkice. Krakau 2000, S. 123. 23 Vgl. Piotr Skarga: Upominanie do ewangelików i wszystkich nie-katolików, że o skażenie zborów krakowskich gniewać sie i nic nowego i burzliwego zaczynać nie maja. Krakau 1592, S. 7.

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unangenehmen Nachgeschmack nach der Lektüre dieses Textes hinterlässt nicht nur sein dissidentenfeindlicher Ton, der zur Konvention der jesuitischen Schriften gehörte, sondern auch seine Härte und der Umstand, dass Skarga den Angriff und die Zerstörung der protestantischen Gemeinde in Krakau am 23. Mai 1591 bejubelt. In dieser Schrift, was auch typisch für Propagandaschriften ist, ist der Verweis auf die Mai-Geschehnisse 1591 in Krakau, die einseitig dargestellt und dadurch in ihrer Faktenlage frei manipulierbar werden. Schließlich, wie Stanisław Grzeszczuk schreibt, ist es den Jesuiten gelungen, mithilfe der so formulierten Predigten und kurzen Broschüren das gemeine Volk und auch Studenten gegen die Protestanten erfolgreich zu mobilisieren.24 Besonders harte Urteile über dieses Handeln Skargas stammen aus dem 19. Jahrhundert, als Ignacy Łukasiewicz oder Zygmunt Krasiński in diesem Werk den Gipfel der katholischen antiprotestantischen Indoktrination sehen, da der Mord an den Protestanten durch ihn nicht nur gerechtfertigt, sondern die Eskalation der Situation auch befördert wird.25 Laut Skarga war der Grund für den Angriff in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai ein harmloses Spiel der katholischen Kinder mit einem alten Kleidungsstück, womit sie vor der kalvinischen Gemeinde gespielt haben und, währenddessen sie das Gebäude unabsichtlich in Brand gesetzt haben.26 Wenn wir dem polnischen Historiker Janusz Tazbir Glauben schenken, dann war es keine Kleidung, sondern eine Puppe, welche Satan, den Vater der Häresie, darstellte. Diese Symbolik nutzten die Katholiken oft als Provokation.27 Die sich damals im Gebäude befindlichen Protestanten, lesen wir weiter bei Skarga, empört durch die Provokation, warfen sich „wie Wölfe“28 mit Waffen, „mit scharfen Schwärten“29, auf die Kinder und auf die sie beschützenden Erwachsenen, „auf die unschuldigen Schaffe“30, die gerade die katholische Kirche verlassen haben. Obwohl es Opfer auf beiden Seiten gab, schreibt Skarga nur über die gefallenen und verletzen Katholiken, um die aktive Angreifer-Rolle der Protestanten in diesem Geschehen zu verdeutlichen.31 Skarga deutet den wahren Verlauf des Konfliktes um und gibt nicht den Katholiken und ihren deutlichen Provokationen die Schuld für den Ausbruch dieses Konfliktes, sondern den Protestanten und ihrem angeblichen Blutdurst. Die Andersgläubigen sind in seinen Augen intolerant, weil sie sich im Gegensatz zu den Katholiken in Krakau gegen Menschen gewendet haben. Den Katholiken ist   24 Vgl. Stanisław Grzeszczuk: Pisarze staropolscy. Bd. 2. Warschau 1997, S. 260. 25 Vgl. z. B. Walerian Karsiński: Zarys dziejów reformacji w Polsce. London 1838–1840. Józef Łukasiewicz: Wiadomość historyczna w mieście Poznaniu w XVI i XVII wieku. Posen 1832. 26 Vgl. Skarga: Upominanie, S. 4. 27 Vgl. Tazbir: Piotr Skarga, S. 165. 28 Skarga: Upominanie, S. 4. 29 Skarga: Upominanie, S. 4. 30 Skarga: Upominanie, S. 4. 31 Genaue Zahlen der Opfer liefert Tazbir und entblößt das von Skarga dargestellte falsche Bild des Kampfes der Katholiken und Protestanten in Krakau. Skarga spricht von über 200 Verletzten und mehreren Toten. Tazbir schreibt von über 70 Verletzten und 6 Toten auf der Seite der Katholiken. Vgl. Tazbir: Piotr Skarga, S. 165.

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hingegen nicht vorzuwerfen, sie hätten rachsüchtig Menschenopfer gefordert, da sie aus Respekt vor den Gesetzen Gottes und Jesu Christi nachahmend den Schmerz durch den Verlust der Nächsten in sich unterdrückt und nur das Gebäude, den Tempel, zerstört haben.32 Ein ausgerechnet so formuliertes Argument hat die Aufgabe, die Katholiken nicht als Täter, sondern vielmehr als die Gerechten darzustellen. Der Tempel war nämlich für Skarga häretisch, da er nur dank der Warschauer Konföderation erbaut werden konnte, die nicht „fromm und gerecht“33 war. Die Zerstörung der Tempel betrachtet er als Kampf gegen Anarchie und Tyrannei der Häresie, als Kampf gegen die Sünde, weshalb die Taten in Krakau keine Sünde sein könnten. Hier kommt die papalistische Stellung Skargas zum Ausdruck, da er stets betont, dass die Konföderation im Jahr 1593 keine Gültigkeit haben kann, weil sie in der Zeit des Interregnum und daher ohne Zustimmung des Papstes formuliert und unterschrieben wurde.34 Die Gesellschaft der Adelsrepublik wird von Skarga nicht nur in gute Katholiken und böse Protestanten geteilt. Eine Gut-Böse-Dichotomie verwendet er auch noch in Bezug auf die Darstellung der Protestanten, wobei er zwei Gruppen unterscheidet: die jungen und die alten Häretiker. Die alten sollen laut dem Jesuiten verschont bleiben, weil sie schon in ihrem Glauben aufgewachsen sind und in Polen geduldet werden dürfen. Die neuen hingegen solle man besonders stark verfolgen und im Idealfall aus dem Land verbannen.35 Skarga ist hier nicht präzise und gibt kein Kriterium an, nach dem man bestimmen könne, wer die alten und wer die jungen Häretiker sind. Er spart in seinen Reichstagspredigten (erschienen 1597) nicht mit Kritik an allen Protestanten und gibt darin zu verstehen, dass sie nicht nur die Väter der Gotteslästerei, sondern auch des neu aufkommenden Arianismus seien.36 Diese Sensibilisierung für den Sozinianismus, der für ihn die gefährlichste Ketzerei zu sein scheint, kommt auch in seinen anderen Werken einschließlich Upominanie vor. Dass kaum eine andere Sekte so oft Adressat bzw. Inhalt seiner Werke war wie die „neuen Arianer“37, ist auch in dieser Schrift zu bemerken, denn obwohl er über Häretiker, die Protestanten im Allgemeinen, schreiben will, erzählt er über die zu erwartende Bedrohung am Beispiel der Lehrgrundsätze der Sozinianer:   32 33 34 35 36

Vgl. Skarga: Upominanie, S. 5. Skarga: Upominanie, S. 7. Vgl. Skarga: Upominanie, S. 13. Vgl. Skarga: Upominanie, S. 30. Das Zitat lautet: „Inne też sekty: luterskie, kalwińskie i drugie im równe, nie są lepsze. Bo do bluźnienie Trójce Przenajwyższej i Bóstwa Pana naszego fundamenty w pismach swych złożyli. I przyczynę im do takiej śmiałości i zły przykład i wzgorszenie dali tak, iż ojcami aryanów słusznie zwać mogą.” Józef Kazimierz Turkowski: Kazania sejmowe także wzywanie do pokuty obywatelów Korony Polskiej przez Piotra Skargę. Krakau 1857, S. 119. 37 Im Jahr 1608 erscheint in Krakau Zawstydzenie nowych Arianów. Weitere Werke sind: Zawstydzenie Arianów (1604), Wtóre zawstydzenie Arianów (1608), Mesiasz nowych Arianów (1612).

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Es sind unter den Meistern der Häresie, solche die glauben und lehren, dass kein König und keine Ämter nötig sind […] und was macht diese Lehre? Ungehorsam und Verachtung Gottes unter den Menschen verbreiten.38

Trotz dieser in der Schrift dominierenden Polarisierung zwischen guten Katholiken und bösen Häretikern, d.h. allen Nichtkatholiken, schreibt Skarga, dass die für die Inbrandsetzung des Tempels verantwortlichen Menschen sich dennoch nicht einwandfrei den katholischen Glaubenssätzen gemäß verhalten haben. So nennt er sie „dumm“, „ungeduldig“ und „fremd“.39 Besonders das Adjektiv „fremd“ soll dem Leser deutlich machen, dass die Katholiken aus Unwissenheit des örtlichen Gesetzes die Tat unternommen haben und nicht bewusst gegen das Gesetz gehandelt haben. Abgesehen davon, „fand auch kein Unrecht statt“40, weil die Kirche der Häretiker nämlich in einer Königsstadt stand und sich in der Warschauer Konföderation kein Wort darüber findet, dass die Protestanten in den Städten der Krone eigene Tempel bauen dürften.41 Und „der katholische König“42, wie er den König Sigismund III. nennt, soll Häresie in seinen Besitztümern weder dulden noch einziehen lassen: Weil sie in den Städten der anderen sich nicht hineinschleichen und bauen sollen. Auch wenn ein Adlige ein Haus in der Stadt gekauft hat, soll er es für Privat nutzen und nicht Religionszwecke, weil die Stadt Krakau genug gute katholische Kirchen hat.43

Diese Passage deutet darauf hin, wie zwanzig Jahre nach der Warschauer Konföderation Ausgrenzungsversuche ausgesehen haben, die Sozinianer, in praxi aber alle Protestanten auszuschließen. In den Augen Skargas war der konfessionelle Faktor ausreichend für den Ausschluss der Protestanten aus der Koexistenz aus dem gemeinsamen Wohnraum mit den Katholiken. Wenn es vor und direkt nach 1573 wirklich Gemeinden gab, die in den Städten ihre offiziellen Wirkungsorte hatten, so ist die Lage dermaßen eskaliert, dass sich die Situation nach den Tumulten Ende des 16. Jahrhunderts stark verändert hat. Die protestantischen Gemeinden ähnelten immer häufiger Ghettos, Dissidenten-Inseln, nur auf den Landgütern, der ihnen zugeneigten Adligen. Dieser Ausgrenzungswunsch der Gemeinden soll überraschenderweise laut Skarga aber die Juden nicht betreffen, weil sie, wie er schreibt, den christlichen Glauben nie angenommen und so auch keinen Vertrauensbruch begangen haben.44 Im Allgemeinen beschäftigt sich Skarga mit den Ereignissen in Krakau nur kurz. Er benutzt sie als Anlass zur Kritik an der Warschauer Konföderation und zählt viele Gründe auf, warum die Bestimmungen der Konföderation nicht respektiert und die Dissidenten verjagt werden sollten. Dieser Akt sei erstens ein schrei  38 39 40 41 42 43 44

Vgl. Skarga: Upominanie, S. 26. Skarga: Upominanie, S. 5f. Skarga: Upominanie, S. 27. Vgl. Skarga: Upominanie, S. 30. Skarga: Upominanie, S. 30. Skarga: Upominanie, S. 30 (übersetzt von Ł.B.). Vgl. Skarga: Upominanie, S. 31.

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ender Verstoß gegen die göttliche Ordnung, weil laut dieser alle falschen Propheten verfolgt und bestraft werden sollten und in der Adelsrepublik ihnen gegen den Willen Gottes die freie Praktizierung ihres falschen Glaubens gesichert wird.45 Die Unterzeichnung dieses Teufelspaktes vergleicht er mit einer Krankheit, welche an dem Land im Jahr 1573 gezehrt hat, als viele Woiwoden und Beamte häretisch waren, sie viel bewirken, viele Adlige erpressen und viele betrügen konnten.46 Der zweite Grund, aus welchem man diesen Akt nicht anerkennen solle, ist die Tyrannei, die die Konföderation ins Land geführt hat. Den Streitpunkt stellt der Anfang der Konföderation dar, als alle Stände, alle „Räte, der Krone, der Geistlichkeit, des Adels und der Ritterschaft“ aufgezählt wurden und sich verpflichteten, das Freiheitsstatut zu beachten. Skarga weiß jedoch, dass es viele Katholiken gab, welche gegen das Statut waren, und ihnen dieser Pakt mit einer Unterordnung gleichbedeutend erschien, d.h. dass sie zu Opfern der politischreligiösen Tyrannei wurden.47 2. MATEUSZ BEMBUS Mateusz Bembus war nicht nur der Nachfolger Skargas am Hof Sigismund III., als er in den Jahren 1612 bis 1618 als Prediger am Krakauer königlichen Hof tätig war, sondern auch in seinen Schriften, besonders in den Predigten, ist der große Einfluss Skargas spürbar.48 Bembus unterschied sich in Religionsfragen, in den Mitteln der Bekämpfung, in den Versuchen der Schwächung der Häretiker im Lande wenig von Skarga.49 Er hatte jedoch nicht so einen großen Einfluss auf den König wie sein Vorgänger, worauf die Tatsache hinweist, dass er nach dem Versuch der Beseitigung des protestantischen Hofrates Kasper Denhoff aus dem direkten Kreis des Königs seinen eigenen Posten verlor und den Krakauer Hof verlassen musste.50 Im Jahr 1619 erschien seine Schrift Kometa, to jest pogróżka z nieba na postrach, przestrogą i upomnienie ludzkie pokazana w roku 1618, w miesiącu grudniu51 in polnischer und daher auch an das Volk adressierten Sprache, um anhand des astronomischen Phänomens die Polen über die Pläne Gottes zu informieren. Skarga geht in seiner Manipulation der Wirklichkeit durch das Wort von der Zerstörung der protestantischen Gemeinde aus. Bembus hingegen nimmt die Erscheinung eines Kometen, der im Dezember 1618 am Himmel über   45 46 47 48

Vgl. Skarga: Upominanie, S. 7. Vgl. Skarga: Upominanie, S. 17. Vgl. Skarga: Upominanie, S. 14. Vgl. Dobrosława Platt: Kazania pogrzebowe z przełomu XVI i XVII wieku. Z dziejów prozy staropolskiej. Warschau u.a. 1992, S. 136. 49 Vgl. z. B. Marceli Kosman: Reformacja i kontrreformacja w Wielkim Księstwie Litewskim w świetle propagandy wyznaniowej. Warschau u.a. 1973, S. 179. 50 Vgl. Henryk Wisner: Zygmunt III Waza. Warschau u.a. 1991, S. 222. 51 Mateusz Bembus: Kometa to jest pogróżka z nieba na postrach, przestrogą i upomnienie ludzkie pokazana w roku 1618, w miesiącu grudniu. Krakau 1619.

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Krakau beobachtet werden konnte, als Anlass, eine dissidentenfeindliche Indoktrination zu führen. Die Lektüre dieser zwei Schriften macht einen deutlichen Unterschied sichtbar. Skargas Schriften sollten emotionsgeladen, mitreißend sein, und waren es auch, und mit einfachen Bildern (in Upominanie gibt es eine einfache Zusammenstellung der Opfer- (Katholiken) und Täter- (Protestanten) Konstellation) operieren.52 Bembusʼ Schrift Kometa erhebt jedoch einen gelehrten Anspruch, ist strikt wissenschaftlich untermauert und soll mithilfe von historischen Fakten und des biblischen Stoffes die Menschen überzeugen, den Weg der Sünde zu verlassen, d.h. die Protestanten im Land nicht mehr zu dulden. Trotzdem ist es nicht nur ein gelehrter Text, da das Wissen hier auch zu Propagandazwecken missbraucht wird. Bembus schreibt diesem astronomischen Phänomen keine eindeutige Bedeutung in seiner Schrift zu. Der Komet ist hier sowohl als ein Warnzeichen Gottes, als Ankündigung der Ankunft des Messias und auch als böses Omen des drohenden Unglücks zu lesen. Die zweite Variante kommt am stärksten in der Beschreibung der Verlaufsbahn des Kometen zum Ausdruck, wie Bembus schreibt: „Es erschien im Jahr Gottes 1618 ein ganz großer Kommet am Himmel, der vom Osten lief und in unsere Richtung ihren Schweif gewendet hat.“53 Das ist der stärkste Hinweis auf die möglicherweise anstehende Parusie, d.h. die Wiederkunft Jesu Christi, nach der die Welt wiederholt von der Sünde befreit und die Heilsgeschichte vollendet wird. Dafür, dass das Erscheinen des Kometen diese Bedeutung hat, sprechen (aus der Sicht Bembus’) die zwei folgenden Fakten. Erstens ist Polens moralischer Kollaps unleugbar und zweitens verführen die falschen Propheten, d.h. die protestantischen Andersgläubigen, immer größere Massen. Es passiert das, was Matthäus in seinem Evangelium beschreibt: 29: Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Zeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 30: Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. 31: Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern.54

Eindeutig ist es jedoch nicht das Ziel des Jesuiten, den Menschen durch das Wiederkommen des Sohnes Gottes Hoffnung zu geben, sondern diese in Angst zu versetzen, da er mehr Platz dem potentiellen Schreckensszenario widmet, welches der fallende Stern ankündigt. Bembus führt mehrere Daten aus der Geschichte der Menschheit an, welche folgende Gemeinsamkeit haben. Direkt nach dem Erschei  52 Vgl. Lesław Łukaszewicz: Lesław Łukaszewicz rys dziejów piśmiennictwa polskiego. Posen 1860, S. 245. 53 Zitiert nach: Bembus: Kometa, An den Leser (ohne Paginierung). 54 Zitiert nach: http://www.bibleserver.com/text/LUT/Matth%C3%A4us24 (zuletzt aufgerufen: 21.10.2015).

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nen eines Kometen kommt es in jedem beschriebenen Land zu einer Katastrophe. So erschien z.B. im Jahr 1472 ein Komet über Polen und das Land hatte drei Jahre später mit der Pest zu kämpfen55 (ähnlich war es 1492). Bembus nennt auch das Beispiel Roms56 aus dem Jahr 444, wo angeblich, laut dem Chronisten Marcellin, am Himmel direkt vor der Plünderung der Stadt von Hunnen ein fallender Stern aufleuchtete. Seine Motivation, über den Kometen zu schreiben, ist es jedoch, den Polinnen und Polen in ihrer eigenen Sprache den Ernst der Lage bewusst zu machen, weil Polen wegen der im Staat herrschenden Unordnung eine besonders starke Strafe zu befürchten habe.57 Die Broschüre ist gleichzeitig ein Ratgeber, da sie auch Lösungen nahe legt, wie das Land sich aus der Sünde befreien kann.58 Der Komet ist bei Bembus jedoch eine deutliche Botschaft über Gottes Unzufriedenheit und Missbilligung der Situation in der Adelsrepublik, denn obwohl Gott gnädig und barmherzig sei, wecke sich in ihm Zorn und Wut, wenn er das sündhafte Leben der Menschen sähe.59 Der Komet, der ‚flammende Stern‘, ist ein Zeichen, dass die Polen eine Strafe für das Vergehen gegen die göttliche Ordnung zu befürchten hätten. Bembus prophezeit, dass das ganze Volk zur kollektiven Verantwortung gezogen werde, weil alle daran beteiligt seien, dass im Land die Häresie geduldet werde.60 Schuldig seien nicht nur diejenigen, die die Konföderation unterzeichnet und eingeführt, sondern auch jene, die gegen diesen Akt nicht aufbegehrt haben. Bembus unterscheidet zwischen heimlichen (innerlichen) und öffentlichen Sünden. Letztere wiegen schwer, können aber wegen dem geltenden Gesetz nicht bestraft werden. Besonders eine öffentliche Sünde, der sogenannte ‚geistige Ehebruch‘, sei in den Kreisen der Krone alltäglich geworden, durch den Gott und dem christlich-katholischen Glauben gelästert werde. Diese Sünden nennt Bembus dem Wort der Bibel nach „geistigen Ehebruch“.61 Weil sich die christliche Seele, die während der Taufe Gott ewige Treue geschworen hat, durch häretische Fehler verführen lasse und damit den wahren Gott verlasse, sei die Seele wie eine Ehefrau, die sich in einen anderen Mann verliebe und somit Ehebruch begehe.62 Eine weitere öffentliche, d.h. schwere aber nicht strafbare, sondern allgemein geduldete Sünde sei die Zerstörung und Schändung der Heiligen Orte, wofür die Nichtkatholiken schuldig seien.63 Die Kritik an der Warschauer Konföderation ist zwischen den Zeilen zu lesen und vor allem anhand der Periodisierung, welche Bembus einführt. Er unterscheidet nur zwischen zwei Zeiten, die gute der „gottesfürchtigen Vorfahren“ und die schlechte der „Nachfolger, welche   55 56 57 58 59 60 61 62 63

Vgl. Bembus: Kometa, S. 11. Vgl. Bembus: Kometa, S. 14. Vgl. Bembus: Kometa, An den Leser (ohne Paginierung). Vgl. Bembus: Kometa. An den Leser (ohne Paginierung). Vgl. Bembus: Kometa, S. 1. Vgl. Bembus: Kometa, S. 21. Bembus: Kometa, S. 23. Vgl. Bembus: Kometa, S. 23. Vgl. Bembus: Kometa, S. 25.

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die alten Gesetze unterdrücken“.64 Die Lockerung des Gesetzes, die eines Tages in Polen stattgefunden hat, verursache, dass jetzt Meineid65 oder auch Verachtung und eine Einschränkung der Privilegien und Gesetze der katholischen Geistlichen66 das Land ins Chaos stürzten. Selbstverständlich gibt Bembus in seinem Buch drei Hinweise, wie der Sünder dem Zorn Gottes entgehen kann. Das ganze Land soll seine Sünden laut und öffentlich bekennen.67 Eine weitere Möglichkeit, sich vor der Strafe Gottes zu retten, ist das öffentliche und kollektive Gebet.68 Der radikalste Vorschlag ist jedoch der zweite: alle Götzendiener und -anbeter aus dem Land zu jagen.69 3. MIKOŁAJ CICHOWSKI Eine symbolische Rolle fällt dem letzten anti-arianischen Polemiker Mikołaj Cichowski zu. Die Zeit um 1658 ist die Zeit der sogenannten anti-arianischen Verfassungen und nicht nur jene der endgültigen Schwächung der Position der Arianer, sondern auch in der Konsequenz die Schwächung der Position der Dissidenten im Allgemeinen. Der Verdienst Cichowskis auf diesem Feld ist bedeutend, da er in seinen Schriften die Verzögerungen in der Abfassung der anti-arianischen Sejm-Beschlüsse stark kritisierte.70 In der Person Cichowskis gipfelte die gegenreformatorische, jesuitische Polemik, welche vor allem als eine Anhäufung von Invektiven zu sehen ist und welche gegen die quantitativ schwächste Gruppierung, die Polnischen Brüder, gerichtet wurde71, wodurch er als der wichtigste und eifrigste Inspirator der Verbannung der Sozinianer aus Polen gilt. Seine Schrift ist an den polnisch-litauischen, katholischen Adel adressiert – im Vergleich zu den früheren beiden, die an das einfache Volk gerichtet waren, ist diese Schrift eine Ausnahme – mit dem Appell, die Bestimmungen der anti-antitrinitarischen Verfassungen unverzüglich einzuführen. Unter den drei hier besprochenen Autoren ist Cichowski der härteste in seinen Aussagen, was seinen Grund auch in der oberflächlichen und schnell erworbenen Ausbildung haben mag.72 Dem Titel nach – Argumenty i racje za szybkim egzekwowaniem konstytucji antyariańskich von 1660 (dt.: ‚Die Argumente und Gründe für die rasche Durchsetzung der antiarianischen Verfassung‘) – werden dem Leser Argumente und Gründe für die   64 65 66 67 68 69 70

Bembus: Kometa, S. 28. Vgl. Bembus: Kometa, S. 31. Vgl. Bembus: Kometa, S. 28. Vgl. Bembus: Kometa, S. 47. Vgl. Bembus: Kometa, S. 51. Vgl. Bembus: Kometa, S. 49. Vgl. Zbigniew Ogonowski: Myśl ariańska w Polsce XVII wieku. antologia tekstów. Warschau u.a. 1991, S. 15. 71 Vgl. Ogonowski: Myśl ariańska, S. 15f. 72 Vgl. Stanisław Obirek: Jezuici w Rzeczypospolitej Obojga Narodów w latach 1564–1668. działalność religijna, społeczno- kulturalna i polityczna. Krakau 1996, S. 355.

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Verbannung der Polnischen Brüder aus Polen nähergebracht. Skarga nutzte die Zerstörung der dissidentischen Kirche, Bembus das Erscheinen eines Kometen und Cichowski entscheidet sich, in militärischem Kaffeesatz zu lesen. Die um 1660 stattfindenden Siege in den militärischen Konflikten mit Russland, der Ukraine oder Schweden versteht er als Lohn für die Verbannung der größten Häresie aus dem Land, d.s. die Polnischen Brüder.73 Cichowski verspricht mehr Siege, wenn der Adel schneller und konsequenter die Bestimmungen der anti-arianischen Verfassungen ins Leben führt. Er konzentriert sich in seinen Ausführungen nicht nur auf die direkte Vergangenheit, sondern versucht auch die Geschichte der Republik seit dem Erscheinen der Sozinianer zu analysieren. Das Ergebnis ist für die Polnischen Brüder wenig lobend. Wie Cichowski es sieht, erlitt das Land seit der Gründung der Sekte nur Niederlagen und wurde von Seuchen geplagt. Die Polnischen Brüder seien diejenigen, welche das ganze polnische Volk schwächen und seine Moral verderben. Sie seien in gesellschaftlicher, politischer und religiöser Hinsicht radikal und hätten zur Spaltung des Landes geführt, was die Feinde ausnutzen würden.74 So wie das Land spalten sie auch Gott dadurch, dass sie dem Sohn Gottes das Göttliche aberkennen. Für diese Behauptungen, dass Gott seine Gunst von der Art der Behandlung der Dissidenten abhängig macht, sprächen die Siege in den militärischen Einsätzen, welche die Adelsrepublik seit dem Krieg gegen Schweden verzeichne.75 Seit zwei Jahren bessere sich die Situation, weil sich die Polen in dem wahren Gott, in seiner Dreieinigkeit vereinigt hätten. Die Siege würden darauf hinweisen, wie gern Gott die Verbannung der Häretiker sieht und dafür das Volk belohnt.76 Um sich des Segens Gottes weiter erfreuen zu können, sollten die katholischen Adligen ihre dissidentenfeindliche Politik mit der bisherigen Entschlossenheit fortsetzen. Cichowski warnt nämlich, dass das Risiko weiter bestehe, dass sich wieder so wie im Jahr 1573 Verräter, Häretiker finden könnten, welche die Pläne der Katholiken sabotieren, welche das Gemeingut nicht interessiert und die sich gegen die so ehrenhafte Verfassung aus dem Jahr 1658 verschwören werden.77 Er betet, dass die arianische Ketzerei, die eigentlich trotz der bestehenden anti-arianischen Verfassung weiterhin überall anzutreffen sei, schnell ausgerottet, dass die Polnischen Brüder ins Ausland verbannt und diesen von Gott eindeutig verhassten Menschen keine Ämter zuteilwerden.78 Die hier kurz umrissenen Schriften sind nur die brisantesten Beispiele des spezifischen Rekatholisierungsmechanismus, der, geleitet durch die katholische Geistlichkeit (meist Jesuiten) seit den ersten Tagen nach der Warschauer Konfö  73 Vgl. Zbigniew Ogonowski: 700 lat myśli polskiej. Filozofia i myśl społeczna XVII wieku, t. I. Warschau 1979, S. 575. 74 Vgl. Ogonowski: 700 lat myśli polskiej, S. 580f. 75 Vgl. Ogonowski: 700 lat myśli polskiej, S. 577. 76 Vgl. Ogonowski: 700 lat myśli polskiej, S. 579. 77 Vgl. Ogonowski: 700 lat myśli polskiej, S. 580. 78 Vgl. Ogonowski: 700 lat myśli polskiej, S. 581.

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deration Unruhen im multikonfessionellen Zusammenleben stiftete.79 Polen war wirklich ein Land ohne Scheiterhaufen, weil nach 1573 nicht mehr die Andersgläubigen, sondern die Gebäude und die Friedhöfe dem ‚Feuertod‘ zum Opfer fielen. Die Jesuiten verstanden sich hier jedoch als die Hand Gottes, die durch die geschickte Manipulation der Bibel (Skarga), des historischen Stoffes (Bembus) oder der aktuellen Ereignisse (Cichowski) die friedliche Existenz anderer Konfessionen trotz des geltenden Gesetzes unmöglich machten. Der Weg, den sie gefunden haben, war vielleicht nicht so spektakulär wie eine Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen, aber viel erfolgreicher und effektiver, weil die Tumulte mehrere Menschenleben in kurzer Zeit auslöschen konnten und auch meistens die Basis des Wirkens und des Lebens des angeblich Bösen zerstörten. Die Schriften waren besonderer Art. Die ersten zwei Schriften waren derart an das einfache Volk adressiert, dass sie dessen Ängste und Launen manipulierten. Die an den Tumulten direkt Beteiligten waren unterschiedlicher Herkunft und ihrem Verhalten lagen unterschiedliche Motivationen zugrunde. Das waren zum Beispiel Studenten, welche, durch eine Vorlesung irritiert, ihrer Wut freien Lauf ließen, einfache Kriminelle, Randalierer, welche aus solchen Konflikten eigenen Nutzen zogen oder auch einfache Menschen, welche unter dem Einfluss einer rhetorischen Manipulation einer Predigt aus Angst gegen das Böse kämpften.80 Die hier kurz dargestellten drei Schriften sollten mit ihrem predigtähnlichen Stil für die Verbreitung bestimmter Bilder in der untersten Gesellschaftsschicht sorgen und lassen erahnen, mit welch harten Vorurteilen die Gegenreformation in der Wirklichkeit operierte, um ihr Ziel, die totale Rekatholisierung des Landes, zu erreichen. Leszek Kolakowski überlegt in seinem Aufsatz O tak zwanym kryzysie chrześcijaństwa (Über die sogenannte Krise des Christentums)81 vor allem, was solche Begriffe wie Krise oder Christentum zu bedeuten haben und ob wir diese zwei in einem Satz gebrauchen können. Über die Krise des Christentums lässt sich ihm zufolge am Beispiel des 16. und 17. Jahrhunderts sprechen, weil die Vielzahl der Sekten und konfessionellen Minderheiten, die ausnahmslos einen exklusivistischen Standpunkt vertreten, vollkommen kompromissunfähig ist. Umso trauriger ist dieses Urteil, weil wir durch das Prisma dieser These über die Krise des Christentums zu jener Zeit sprechen, als in Polen die Toleranz ihren Höhepunkt erreichte. Kann es Toleranz also nur dann geben, wenn das Christentum oder eine andere Staats-, und/oder Hauptreligion eine Krise erlebt? Wahrscheinlich ja, denn Ähnliches suggeriert auch ein anderer Philosoph, Zbigniew Ogonowski, der sagt, dass eine Häresie so lange zu dulden sei, bis die politischen Bedingungen sie zu beenden erlauben, d.h. bis die angespannte politische, soziale oder konfessionelle

  79 Vgl. Ogonowski: Myśl ariańska, S. 109. 80 Vgl. Tazbir: Święci, grzesznicy i kacerze, S. 93. 81 Vgl. Leszek Kołakowski: „O tak zwanym kryzysie chrześcijaństwa“, in: Ders: Cywilizacja na ławie oskarżonych. Warschau 1990, S. 120–134.

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Zeit oder die politische Krise vorbei, bis die geschwächte Position des Königs wieder gestärkt ist.82

  82 Vgl. Zbigniew Ogonowski: Zarys dziejów filozofii w Polsce wieki XIII–XVIII. Warschau 1989, S. 405.

TOLERANZ AUS DER PERSPEKTIVE DER REMONSTRANTEN UND IHRER REFORMIERTEN KONTRAHENTEN Kęstutis Daugirdas 1. VORBEMERKUNGEN Es gibt nicht viele Glaubensgemeinschaften, deren theologisches Selbstverständnis derart eng mit dem Toleranzgedanken verwoben ist wie dasjenige der Remonstranten.1 Am 24. April 1619 von der Dordrechter Synode wegen der Abweichung von der reformierten Orthodoxie anathematisiert und am 3. Juli 1619 von den Generalstaaten der Vereinigten Niederlande proskribiert, hatten die Remonstranten anschließend um ihre religiöse Existenz zu ringen,2 die sie im Verlauf der 1620er Jahre nicht zuletzt dadurch abzusichern suchten, dass sie die Forderung nach der prinzipiellen Duldung aller christlichen Glaubensgemeinschaften durch die weltlichen Obrigkeiten erhoben. In impliziter Fassung verankerten die Remonstranten diese Forderung in ihren repräsentativen theologischen Schriften, wie etwa in den von dem ehemaligen Leidener Theologieprofessor Simon Episcopius (1583–1643)3 erarbeiteten Confessio sive Declaratio (Erstauflagen: nl. 1621, lat. 1622) und Apologia pro Confessione (Erstauflage: 1629). Sie artikulierten sie aber auch in den Requesten, die sie nach der Rückkehr ihrer führenden Köpfe aus dem Exil in den Jahren 1626 und 1628 an die Generalstaaten in Den Haag richteten,4   1 2

3 4  

Vgl. Sibbe Jan Visser: Samuel Naeranus (1582–1641) en Johannes Naeranus (1608–1679). Twee remonstrantse theologen op de bres voor godsdienstige verdraagzaamheid. Hilversum 2011, S. 23–28. Vgl. Acta Synodi nationalis Dordrechti habitae. Leiden 1620, S. 275–277. Infolge der Umsetzung der Dordrechter Synodalbeschlüsse verloren 200 Prediger der Remonstranten ihr Amt. 80 von ihnen, die die Akte des Gehorsams bzw. Stillstands nicht unterzeichnen wollten, wurden des Landes verwiesen. Vgl. Hendrik Kaajan: De Groote Synode van Dordrecht in 1618– 1619. Amsterdam 1918, S. 182f. Am 1. Februar 1620 verschärften die Generalstaaten ihr Edikt vom 3. Juli 1619 dahingehend, dass sie auch die Besucher der heimlich abgehaltenen Konventikel der Remonstranten mit den Strafen belegten. Vgl. Herman A. Enno van Gelder: Getemperde vrijheid. Een verhandeling over de verhouding van Kerk en Staat in de Republiek der Verenigde Nederlanden en de vrijheid van meningsuiting in zake godsdienst, drukpers en onderwijs, gedurende de 17e eeuw. Groningen 1972, S. 80. Vgl. zu Simon Episcopius und seinem Wirken: Philip van Limborch: Historia vitae Simonis Episcopii. Amsterdam 1701. Anton H. Haentjens: Simon Episcopius als apologeet van het remonstrantisme in zijn leven en werken geshetst. Leiden 1899. Vgl. die Fragmente des Requests aus dem Jahr 1626 in: Henricus Arnoldi van der Linde: Vande Conscientie-dwangh. Delft 1629, S. 4f., bes. S. 5: „Ende Pag. 14. voegen sy [sc. Remonstranten] dit als een reden daer by: Die int verbieden van eenige Religie haer selven abso-

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sowie in den niederländischen Publikationen jener Zeit, von denen der 1627 unter dem Titel Vrye Godes-dienst anonym erschienene Traktat des Episcopius seit jeher die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich zog:5 Konzipiert in Form des Dialogs zwischen einem Remonstranten und einem Kontraremonstranten, beinhaltete der Traktat die explizit gefasste Idee von der weitreichenden Duldung nicht nur aller protestantischen Minderheiten, sondern auch der Römisch-Katholischen, sofern sich diese als treue Untertanen erwiesen und an Landesgesetze hielten.6 Seit der großen Toleranzdebatte der ausgehenden 1620er und beginnenden 1630er Jahre, welche die Fragen des Umgangs mit den Remonstranten als proskribierten Häretikern und ihre Publikationen in den Niederlanden ausgelöst hatten,7 gehörte das Thema der Duldung Andersdenkender bzw. Andersglaubender zu einem festen Bestandteil der Theologie der Remonstranten und ihrer Bewusstseinsschulung. Étienne de Courcelles (1586–1659), der Nachfolger des Episcopius im Amt des Theologieprofessors am 1634 in Amsterdam gegründeten Remonstrantenseminar,8 arbeitete es im Rahmen seiner theologischen Vorlesungen auf,  

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lute macht aen-nemen, ofte alles nae den cours van den Politijcken Staet bestieren, behalven dat sy een werck pleghen dat gantsch irreligieus is in hem selven, oock nergens toe dienstich, dan om in plaets van goede Christenen, de Onderdaden tot een hoop Hypocrijten ende wereltsche menschen te maecken; soo verheffen sy oock haer werelts-rijcke boven het Coninckrijcke Godts, ende hare Politijcke Maximen boven Godts H. Woordt; stellende haer selven in den Throon Godts, dient alleen toecomt over de Conscientien, bysonderlick in saecken van Religie absolutelick te heerschen.“ Eine sehr ähnliche Argumentation findet sich auch im Julirequest des Jahres 1628. Der komplette Text dieses Requests wurde abgedruckt in: [Johannes Wtenbogaert:] Oprecht Verhael vervatende Verscheyden Stucken. Fryburgh 1628, S. 1– 11, hier: S. 2. Vgl. Haentjens: Simon Episcopius, S. 140–143. Douglas Nobbs: Theocracy and Toleration. A Study of the Disputes in Dutch Calvinism from 1600 to 1650. Cambridge 1938. Reprint 2012, S. 103. Jonathan I. Israel: „The Intellectual Debate about the Toleration in the Dutch Republic“, in: The Emergence of Tolerance in the Dutch Republic. Edited by Christiane BerkvensStevelinck u.a. Leiden u.a. 1997, S. 18–20. Ders.: The Dutch Republic. Its Rise, Greatness, and Fall 1477–1806. Oxford 1998, S. 502–504. Vgl. [Simon Episcopius:] Vrye Godes-dienst. [s.l.] 1627, bes. S. 44: „Remonstrant. Ick kan geen swaricheyt hier in sien voor mijn deel/ als de Papisten verklaren/ dat sy haer als rechte en getrouwe Ondersaten nae ʼs landes Wette en Rechten willen draghen/ der Landen Privilegien Gerechitgheden en Vryheden met goedt en bloedt helpen voorstaen; den eedt van ghetrouwigheydt in handen van hare ghebeurlijcke Magistraten doen/ met expresse renunciatie van alle soodanighe maximen/ die haer van dien eedt souden moghen dispenseren/ als strijdende teghen alle Goddelijcke en Menschelijcke rechten/ en teghen de ghehoorsaemheyt van een oprecht onderdaen.“ Vgl. zu dieser Debatte, die im Wesentlichen zwischen den Remonstranten und Kontraremonstranten ausgetragen wurde, van Gelder: Getemperde vrijheid, S. 238–244. Israel: „The Intellectual Debate“, S. 17–21. Ders.: The Dutch Republic, S. 499–505. Das Wirken dieses Theologieprofessors der Remonstranten ist noch nicht abschließend erforscht. Den besten Überblick über sein Leben und intellektuelles Netzwerk bietet bisher Corinna Lucia Vermeulen: „Strategies and slander in the protestant part of the Republic of Letters: Image, friendship and patronage in Etienne de Courcellesʼ correspondence“, in: Self-

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aus denen sein 1675 posthum verlegtes systematisches Werk, die Institutio religionis christianae, hervorging. Ähnlich verfuhr Philipp van Limborch (1633–1712), der fünfte Theologieprofessor am Amsterdamer Seminar und herausragende Gelehrte,9 der den Toleranzbegriff der Remonstranten in seiner reifen Gestalt europaweit bekannt machte:10 Er ließ ihm eine systematische Entfaltung in dem höchst erfolgreichen theologischen Lehrkompendium mit der programmatischen Überschrift Theologia christiana ad praxin pietatis ac promotionem pacis christianae unice directa angedeihen, das in dem Zeitraum von 1686 bis 1736 sieben Auflagen und zwei englische Ausgaben (1702; 1713) erfuhr und bald nach dem Erscheinen auch in den deutschen Territorien zur Kenntnis genommen wurde.11 Wenn im Folgenden die Toleranz aus der Perspektive der Remonstranten und ihrer reformierten Kontrahenten beleuchtet wird, soll angesichts der bereits vorhandenen zahlreichen Literatur zum theoretischen und praktischen Umgang mit der religiösen Pluralität in den protestantischen Niederlanden weniger der Verlauf der Toleranzdebatte(n) mitsamt ihren politischen Rahmenbedingungen ins Auge gefasst werden.12 Stattdessen werden die bislang weniger berücksichtigten theologischen Eckpfeiler der Toleranzkonzeption der Remonstranten einer näheren Untersuchung unterzogen: die Vorstellung von der libertas prophetandi, die Umwertung des Häretikerbegriffs und das hermeneutische Zugeständnis, dass die relative theologische Differenz ein strukturelles Merkmal des Protestantismus bzw. des   Presentation and Social Identification. The Rhetoric and Pragmatics of Letter Writing in Early Modern Times. Edited by Toon van Houdt. Leuven 2002, S. 247–280. 9 Zu Philipp van Limborch vgl. Abraham des Amorie van der Hoeven: „De Philippo a Limborch theologo dissertatio historico-theologica“, in: De Joanne Clerico et Philippo a Limborch dissertationes duae. Adhibitis epistolis aliisque scriptis ineditis, scripsit, atque eruditorum virorum epistolis nunc primum editis. Amsterdam 1843, S. 14–128; Pieter J. Barnouw: Philippus van Limborch. Den Haag 1963. 10 Vgl. Luisa Simonutti: Arminianesimo e tolleranza nel Seicento Olandese. Il carteggio Ph. van Limborch – J. le Clerc. Firenze 1984. Dies.: „Reason and toleration: Henry More and Philip van Limborch“, in: Henry More (1614–1687). Tercentenary Studies. Edited by Sarah Hutton with a biography and bibliography by Robert Crocker. Dordrecht 1990, S. 201–218. Dies.: „Resistance, Obedience and Toleration: Przypkowski and Limborch“, in: Martin Mulsow und Jan Rohls (Hg.): Socinianism and Arminianism. Antitrinitarians, Calvinists and Cultural Exchange in Seventeenth-Century Europe. Leiden 2005, S. 187–208. 11 Vgl. Barnouw: Philippus van Limborch, S. 140f. Kęstutis Daugirdas: „The Biblical Hermeneutics of Philip van Limborch (1633–1712) and Its Intellectual Challenges“, in: God‘s Word Questioned: Scriptural Authority and Biblical Criticism in the Seventeenth Century. Edited by Dirk van Miert u.a. (im Druck). 12 Vgl. neben der bereits oben zitierten Literatur Herman A. Enno van Gelder: Vrijheid en onvrijheid in de Republiek. Geschiedenis der vrijheid van drukpers en godsdienst van 1572 tot 1798. Haarlem 1947. Marijke Gijswijt-Hofstra (Hg.): Een schijn van verdraagzaamheid. Afwijking en tolerantie in Nederland van de zestiende eeuw tot heden. Hilversum 1989. Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age. Edited by Ronnie Po-Chia Hsia and Henk van Nierop Cambridge 2002. Einen profunden Überblick über die Forschungsentwicklungen bis 2002 bietet Benjamin J. Kaplan: „ʻDutchʼ religious tolerance: celebration and division“, in: Calvinism and Religious Toleration, S. 8–26.

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Christentums bilde.13 Die Analyse jener theologischen Eckpfeiler erfolgt in drei Schritten, die die Genese und die Entwicklungen im Toleranzverständnis der Remonstranten nachzeichnen. Als erstes richtet sich der Blick auf die Begründung des Gedankens von der begrenzten Toleranz mit der libertas prophetandi durch Konrad Vorstius (1569–1622),14 den die Remonstranten in den Jahren 1610 und 1611 als Nachfolger des Jakobus Arminius (1559/60–1609) auf dem theologischen Lehrstuhl in Leiden installieren wollten. Daraufhin rücken die Beschränkung der obrigkeitlichen cura religionis auf die öffentliche Kirche, die Relativierung des Häretikerbegriffs und die damit einhergehende Forderung nach der gegenseitigen Zuerkennung der libertas prophetandi in den Fokus, wie sie von Simon Episcopius in den 1620er Jahren ausformuliert wurde. Die Analyse schließt mit der Betrachtung der Auffassung des Étienne de Courcelles von der Duldung der Häretiker als einem Gebot der christlichen Humanität und der staatsmännischen Weitsicht und von der Vorstellung Philipp van Limborchs, dass die Toleranz ein Mittel zur Herstellung der Einheit der prinzipiell pluralistisch verfassten protestantischen Kirchen darstelle. Weil die Remonstranten ihre Toleranzidee in der Auseinandersetzung mit den Einwänden der Kontraremonstranten entwickelten, werden diese Einwände mitberücksichtigt, soweit sie dem Verständnis der Position der Remonstranten dienlich sind. 2. KONRAD VORSTIUS: DIE BEGRÜNDUNG DER BEGRENZTEN TOLERANZ MIT DER LIBERTAS PROPHETANDI Seine Konzeption der Toleranz, die auf das Plädoyer für die politische Akzeptanz einer relativen Pluralität der theologischen Ansichten hinauslief, formulierte Konrad Vorstius noch zu der Zeit aus, als er die Theologieprofessur an dem reformierten Gymnasium illustre in Steinfurt versah.15 Knappe anderthalb Jahre vor der für   13 Es ist zu vermerken, dass die Remonstranten mit ihrer Konzeption von der Toleranz als einem grundlegenden Prinzip im Umgang mit den Andersdenkenden bzw. Andersglaubenden stets innerchristlichen, ja bisweilen innerprotestantischen Kontext vor Augen hatten, wobei sie die Duldung der Anhänger anderer Religionen zwar nicht ausschlossen, aber auch nicht näher thematisierten. In ihrem theologischen Umgang mit den Vertretern des Judentums waren sie jedenfalls aufgeschlossener als manch ein orthodoxer Reformierter: Für Episcopius verehrten etwa die Juden den einen, wahren Gott Israels, wohingegen nach reformierter Auffassung die letztgenannten mit der Verwerfung Christi von dem wahren, dreieinen Gott abgefallen waren und in einem christlichen Gemeinwesen eigentlich nicht geduldet werden durften. Vgl. Frans F. Blok: „Caspar Barlaeus en de Joden. De geschiedenis van een epigram“, in: Nederlands Arhief voor Kerkgeschiedenis 57 (1977), S. 197f. Israel: „The Intellectual Debate“, S. 17f. 14 Lüthy verweist zu Recht darauf, dass die Rolle, die Vorstius bei der Herausbildung dieses Begründungsmusters gespielt hatte, in der Forschung bislang unzureichend berücksichtigt worden sei. Vgl. Christoph Lüthy: David Gorlaeus (1591–1612). An Enigmatic Figure in the History of Philosophy and Science. Amsterdam 2012, S. 116. 15 Vgl. zu dem Werdegang, den Werken und den theologischen Ansichten des Vorstius: Marcus Gualther: De vita et obitu Vorstii. Friedrichstadt 1624, bes. C2v–D2v, E2v–E4r, I3r–K2r.  

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ihn wie auch für die ihn protegierenden Remonstranten folgenreichen Annahme des Rufs nach Leiden16 dedizierte Vorstius am 20. (30.) Januar 1610 seine große antirömische Polemik, den Anti-Bellarminus contractus, den niederländischen Generalstaaten. In der Widmung umriss er prägnant den Rahmen, innerhalb dessen sich die weltlichen Obrigkeiten bei der ihnen obliegenden cura religionis bewegen sollten. Hinsichtlich der Gesamtbewertung der Rolle der Machtträger bei der cura religionis bezog Vorstius eine Stellung, welche diejenige des Johannes Wtenbogaert (1557–1644), eines einflussreichen Predigers des niederländischen Statthalters Moritz von Oranien (1567–1625) und Anführers der Remonstranten, antizipierte. Ähnlich wie der erastianisch gesinnte Wtenbogaert in dem einen Monat später in den Druck gegebenen Tractaet van tʼampt ende Authoriteyt eener Christelicker Overheydt in Kerckelicke saecken,17 sprach sich der Steinfurter Theologieprofessor für die unbedingte Souveränität der weltlichen Obrigkeiten aus,   Alexander Schweizer: „Conradus Vorstius, Vermittlung der reformierten Centraldogmen mit den socinianischen Einwendungen“, in: Theologische Jahrbücher 15 (1856), S. 435–486. Ders.: „Conradus Vorstius, Vermittlung der reformierten Centraldogmen mit den socinianischen Einwendungen“, in: Theologische Jahrbücher 16 (1857), S. 153–184. Georg Heuermann: Geschichte des reformirten gräflich Bentheimischen Gymnasium Illustre Arnoldinum zu Burgsteinfurt. Burgsteinfurt 1878, S. 75–94. Carl August Mellby: Conrad Vorstius. Ein Vorkämpfer religiöser Duldung am Anfang des 17. Jahrhunderts. Leipzig 1901, bes. S. 31– 72. Willem van’t Spijker: „Conradus Vorstius als Vertreter reformierter Theologie zu Steinfurt und in den Niederlanden“, in: Heinz Holzhammer (Hg.): Symposion 400 Jahre Hohe Schule Steinfurt. Steinfurt 1991, S. 176–190. Ders.: „Heidelberger Gutachten in Sachen Vorstius“, in: Christoph Strohm, Joseph S. Freedman u.a. (Hg.): Späthumanismus und reformierte Konfession. Theologie, Jurisprudenz und Philosophie in Heidelberg an der Wende zum 17. Jahrhundert. Tübingen 2006, S. 207–225. Jan Rohls: „Calvinism, Arminianism and Socinianism in the Netherlands until the Synod of Dort“, in: Socinianism and Arminianism, besonders S. 21–27. Ders.: „Der Fall Vorstius“, in: Friedrich Vollhardt (Hg.): Religiöser Nonkonformismus und frühneuzeitliche Gelehrtenkultur. Berlin 2014, S. 179–198. 16 Vgl. zu der Leidener Berufung des Vorstius und den heftigen innerreformierten Kontroversen, die sie nach sich zog: Hendrik Cornelius Rogge: „Het beroep van Vorstius tot hoogleeraar te Leiden“, in: De Gids 37 (1873/II), S. 31–70, 499–558. Cornelis van der Woude: Sibrandus Lubbertus. Leven en werken, in het bijzonder naar zijn correspondentie. Kampen 1963, bes. S. 198–258. Paul H.A.M. Abels: „Das Arnoldinum und die Niederlande während seiner ersten Blütezeit: Das Verhältnis einer Haßliebe“, in: 400 Jahre Arnoldinum. 1588 – 1988. Greven 1988, bes. S. 80–90. Ders.: „Kweekvijver met troebel water. De betekenis van het Arnoldinum te Steinfurt voor de Nederlandse en Bentheimse gereformeerde kerken in de jaren 1588–1618“, in: Paul H.A.M. Abels (Hg.): Nederland en Bentheim. Die Niederlande und Bentheim. Vijf eeuwen kerk aan de grens. Fünf Jahrhunderte Kirche an der Grenze. Delft 2003, bes. S. 106–118. Edwin Rabbie: „Introduction“, in: Hugo Grotius: Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae pietas. Critical edition with English translation and commentary by Edwin Rabbie. Leiden 1995, S. 16–35. 17 Das Widmungsschreiben des Traktaet wurde am 15. Februar unterzeichnet. Vgl. Johannes Wtenbogaert: Tractaet van tʼampt ende Authoriteyt eener Christelicker Overheydt. Den Haag 1610, Bl. (5)r. Vgl. ausführlicher zu der erastianischen Vorordnung der weltlichen Obrigkeit über den geistlichen Stand durch Wtenbogaert: Nobbs: Theocracy and Toleration, S. 27–49.

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die, nur Gott nachgeordnet, die politische wie die kirchliche Gemeinschaft zu beaufsichtigen hatten.18 Hand in Hand mit der Hervorhebung der unbedingten Entscheidungsgewalt der politischen Machtträger in den kirchlichen Angelegenheiten ging in dem Widmungsschreiben des Anti-Bellarminus contractus das Einschärfen der begrenzten Toleranz. Nach Vorstius hatten die weltlichen Obrigkeiten nämlich nicht nur auf die rechte Lebensführung ihrer Untertanen achtzugeben,19 sondern auch für die Aufrechterhaltung der wahren Lehre zu sorgen, wobei zwei Extreme zu vermeiden waren: Auf der einen Seite galt es, keinen Zwang den Gewissen der Gläubigen anzutun, und ein solcher Zwang lag bereits dann vor, wenn die Machtträger ihren Untertanen eine Lehre verordneten, von denen diese glaubten, dass sie unbiblisch oder nicht ganz bibelkonform sei. Auf der anderen Seite hatte man aufzupassen, dass die Gewissensfreiheit nicht in eine „profane Ungebundenheit“ ausartete, die jegliches religiöses Bekenntnis in der Öffentlichkeit bzw. jegliche religiöse Neuerung für erlaubt halte.20 Das erste Extrem ließ sich dadurch vermeiden, dass die Obrigkeiten den Pfarrern, Theologieprofessoren und z.T. auch ihren Zuhörern die libertas prophetandi zugestanden – Vorstius berief sich in diesem Zusammenhang auf die einschlägigen neutestamentlichen Stellen, wie etwa 1. Kor 5,19–22, 1. Joh 4,1 und 1. Kor 14,29–32.21 Im Konkreten bedeutete dies die Zulassung einer relativen Pluralität an theologischen Lehrauffassungen, die in ihrem Dissens zu tolerieren waren, sofern sie nicht die zentralen Heilsfragen betrafen: Nachdrücklich warnte Vorstius   18 Vgl. Conrad Vorstius: Anti-Bellarminus contractus: Hoc est, compendiosum examen omnium fidei controversiarum, quae hoc tempore inter Evangelicos et Pontificios agitantur. Hanau 1610, S. b1v–b2r, insbes. S. b1v: „Vobis enim, ut Patriae Patribus, & supremis post Deum Opt. Max. in Republ. vestra capitibus, utriusque […] hominum Societatis, Ecclesiasticae & Politicae, accurata ratio habenda est. Vos siquidem praecipuos suae domus, h. e. Ecclesiae Christianae, sub Imperio vestro degentis, Speculatores (Ez. 3. & 33.) vel si mavultis, Nutritores, ac Curatores (Es. 49. & 60) ipse Deus hoc potissimum tempore constituit.“ 19 Vgl. Vorstius: Anti-Bellarminus, S. b2r–b3r. 20 Vgl. Vorstius: Anti-Bellarminus, S. b4r: „Interea Doctrinae negotium, sicut dicere coeperam, quam prudentissime tractandum est. Et duo quidem periculosißimi scopuli Vobis, vt sapientibus Naucleris, in hac navigatione maxime cavendi sunt: tum, ne conscientiis piorum (quod hactenus sancte sapienterque cavistis aliqua violenta Necessitas imponatur, ea videlicet aut credendi, aut faciendi, quae verbo Dei, quatenus ab ipsis intelligi potest, aut directe contraria, aut saltem minus consentanea videntur: tum, ne vera Conscientiarum Libertas in profanam quidvis publice profitendi, aut in Religione novandi, licentiam convertatur.“ 21 Vgl. Vorstius: Anti-Bellarminus, S. b4r–c1v, bes. S. b4r–c1r: „Sub priore autem capite, quasi eximiam speciem quandam, comprehendo Evangelicam Prophetandi libertatem, quae omnibus verbi divini administris, & nominatim publicis S. Theologiae Profeßoribus, à Christiano Magistratui, non dico indulgenda, aut permittenda; sed serio iniungenda, & diligenter commendanda est: quippe sine qua nihil vnquam recte, aut fructuose, in ista professione, inque toto S. ministerio, geri potest. Hac enim sublata, necesse est, & Doctores, & Auditores, sensim omne studium, in Scripturis diligenter scrutandis, & veriore sententia indaganda, magis magisque remittere: & δοκιμαζίαν Spirituum, tantopere nobis in Dei verbo commendatam, supina negligentia omittere […].“

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vor der Durchsetzung einer rigiden theologischen Einheitlichkeit, in der er eine Art „neue päpstliche Tyrannei“ erblickte.22 Das andere Extrem ließ sich wiederum dadurch eliminieren, dass die weltlichen Obrigkeiten nicht jeder Glaubensgemeinschaft eine öffentliche Religionsausübung gestatteten. Zu achten war in diesem Fall auf die Schriftgemäßheit und die Vernunftkonformität der jeweiligen theologischen Lehre, die eine Richtschnur für die Ausscheidung der „willkürlich ersonnenen Meinungen“ aus dem öffentlichen Leben darstellten.23 Wie dem skizzierten Gedankengang zu entnehmen ist, kam eine prinzipielle Toleranz aller Glaubensgemeinschaften für Vorstius nicht infrage, und seine in dem Widmungsschreiben zum Ausdruck gebrachte ambivalente Haltung zu den Vertretern des römischen Katholizismus zeigte sehr deutlich die Grenzen seiner Toleranzkonzeption auf, die sich letztlich nur auf die protestantisch Gesinnten bezog. Auch wenn der Steinfurter Theologe gewisse politische Vereinbarungen mit den Vertretern der päpstlichen Kirche nicht ausschloss, zeichnete sich in seinen Augen das Papsttum doch insgesamt durch die „vielfältige Idololatrie“ und „geistige Unterdrückung“ aus, was ein gedeihliches kirchliches Zusammenleben mit den Römisch-Katholischen unmöglich machte.24 Die von Vorstius beanspruchte relative theologische Denkfreiheit, die libertas prophetandi, galt somit nicht jedem und nicht unbedingt, und die Praxis bewies, dass die Konstruktion der begrenzten Toleranz bei unbegrenzter Souveränität der weltlichen Obrigkeiten in religiösen Belangen keineswegs vor Intoleranz schützte. Das beste Beispiel für das intolerante Verhalten gab der Steinfurter Theologe selbst ab, indem er in der nach seiner Berufung nach Leiden ausgebrochenen Kontroverse über seine semisozinianische Gesinnung25 Georg Solling (gest. 1617), den Prorektor des Steinfur  22 Vgl. Vorstius: Anti-Bellarminus, S. c2r: „Dissensiones autem quaedam in rebus levioribus, nec ad fundamentum salutis necessarie spectantibus, exemplo piorum Maiorum, inter doctos tolerandae sunt: nec consensio in omnibus quaestionibus nimium rigide urgenda est: quippe quae ne utilis quidem, nedum necessaria sit, ad negotium Religionis sancte tractandum. Nullo igitur modo permitte[n]dum, ut novus aliquis Papatus in Ecclesiam Orthodoxam invehatur […].“ 23 Vgl. Vorstius: Anti-Bellarminus, S. c1v–2r: „[…] non tamen quodvis, cuiusvis Religionis, aut Sectae potius, Exercitiu[m] publicum, nulla etiam necessitate cogente, continuo permittatur. Similiter ut Prophetis ita generatim dictis, sancta de rebus fidei publice loquendi, & scribendi libertas, h.e. S. Scripturas ex ipsis Scripturis analytice, iuxtaq[ue] rectam rationem, potius quam ex praeconceptis horum, vel illorum sententiis, explicandi facultas, illibata co[n]servetur: non tamen lascivis & irrequietis ingeniis illimitata quidvis audendi, sive quidlibet de Religione in publicum spargendi, potestas concedatur.“ 24 Vgl. Vorstius: Anti-Bellarminus, S. b3v–b4r: „De Romano quidem Papatu aliter existimandum est: cum quo scil. propter apertam ipsius, & multiplicem idololatriam, & manifestam, quam in animas simul & corpora exercet, tyrannidem, deniq[ue] propter absurdißimos & vere capitales errores, cum principiis Christianae fidei pugnantes (quamdiu quidem in superbia & obstinatione sua perget) fraterna in Christo concordia, sive pax Ecclesiastica (nam politicae pacis alia ratio est) nullo modo coli potest.“ 25 Vgl. ausführlicher zu den sozinianischen Kontakten des Vorstius und den entsprechenden Einflüssen in seinem Denken Daugirdas: Die Anfänge des Sozinianismus. Genese und Ein 

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ter Gymnasiums, des Amtes entheben ließ: Als der streng reformiert orientierte Solling im September 1611 vor dem Steinfurter Kirchenrat die Unterzeichnung der Rechtgläubigkeitsbestätigung für Vorstius aus theologischen Gründen verweigert hatte, erwirkte der letztgenannte bei den gräflichen Schirmherren des Gymnasiums dessen Demission.26 Ähnliche Probleme zeitigte die Konzeption der begrenzten Toleranz, welche die Remonstranten bis zu der Dordrechter Synode vertraten und die sich in struktureller Hinsicht in den von Vorstius vorgezeichneten Bahnen bewegte. So verfochten Johannes Wtenbogaert und Hugo Grotius (1583–1645) zwar die Idee von einer (Staats-)Kirche, die über kein scharfes theologisches Profil verfügte und divergierende theologische Richtungen mittels gegenseitiger Duldung zu integrieren vermochte. Ein institutionalisierter Dissens im Sinne mehrerer Kirchen kam für sie allerdings nicht in Betracht. Grotius beteiligte sich bekanntlich federführend an der Abfassung der Resolutie tot den vrede der kercken, mit der die Generalstaaten im Januar 1614 die theologischen Debatten zwischen den Remonstranten und Kontraremonstranten erheblich einschränkten und die in den von den Remonstranten regierten Städten Maßnahmen gegen die Prediger der Kontraremonstranten ermöglichte.27 Wtenbogaert sprach wiederum in der 1615 erschienenen Verteidigung der Resolution den Kontraremonstranten das Recht ab, aufgrund des Dissenses separate Strukturen bilden zu dürfen, sofern diese von den politischen Machtträgern nicht gestattet wurden. In den obrigkeitlichen Verboten solcher Separationsversuche von der öffentlichen Kirche erblickte er bezeichnen  dringen des historisch-ethischen Religionsmodells in den universitären Diskursen der Evangelischen in Europa. Göttingen 2016 (im Druck). 26 Vgl. Abels: „Kweekvijver“, S. 110–112, und den undatierten Brief Georg Sollings an seine Mutter, in: Gerhard Sardemann: „Johannes Brantius, Rector an der höhern Schule in Wesel. 1584–1620“, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 4 (1867), S. 153: „Vierzehn Tage vor Michaelis solte ich im Kirchenrath dem Zeugnus, welches Doctor Vorstio gegeben Undt darinnen vermeldet wurde, das er reine Lehr bei Uns geführet hatte, Unterschreiben, ich aber sagte, das ich mit Doctore Vorst in der Lehre nicht eins wehre, Undt derwegen nicht Unterschreiben köndte, dan wenn ich anders schreiben sollte, als ich meinete, so wehre ich kein ehrlich mann, darauf einer aus dem Kirchenrath zu mir sagte, man schlöße mich auch wol aus dem Kirchenrathe, wen ich mit Doctore Vorstio in der religion nicht übereinstimbte, darauf ich geantwortet, das muste ich Leiden, ich wehre bereidt auch etwas schweres wegen des herrn Christi willen zu Leiden. Nachdem zog Doctor Vorst nach Tecklenburch undt Bentheim zu Unserem gnedigen Herrn, Und scheinet, das er Undt andere, so ihm zugethan sindt, bei meinem gnedigen herrn mich damals angegeben haben, dan acht tage nach der Zeit, da ich nicht unterschreiben wollte, ließen mir meine herren abdanken, wurde aber ganz keine ursache solcher Absetzung, ob ich sie schon begehrte zu wissen, gedacht. Es ist Brinkhoff der kleine Magister, welcher mit Doctor Vorst in der religion eins ist angenohmen zu einem Rector, daraus kan man leichtlich abnehmen was gesucht wird, ich habe, Gott lob, ein guet gewißen […].“ 27 Vgl. hierzu ausführlicher Jan den Tex: Oldenbarnevelt. Vol. 2: 1606–1619. Cambridge 1973, S. 549f., 554. Israel: „The Intellectual Debate“, S. 12. Ders., The Dutch Republic, S. 430– 432.

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derweise keinen Gewissenszwang28 – eine Haltung, welche die Remonstranten nach der Dordrechter Synode grundlegend revidieren sollten. 3. DIE ECKPFEILER DER PRINZIPIELLEN TOLERANZ NACH SIMON EPISCOPIUS Die zügige Umsetzung der gegen die Remonstranten gerichteten Beschlüsse der Dordrechter Synode durch die Obrigkeiten der Vereinigten Provinzen ließ die führenden Köpfe der sich nunmehr im Exil konstituierenden Remonstrantischen Bruderschaft ihre Toleranzkonzeption neu justieren. Eine besondere Rolle fiel in diesem Zusammenhang Simon Episcopius zu, dem einstigen Schüler des Jakobus Arminius und Leidener Theologieprofessor von 1612 bis 1619:29 Auf der Gründungsversammlung der Remonstrantischen Bruderschaft, die vom 30. September bis zum 4. Oktober 1619 in Antwerpen tagte, zusammen mit Johannes Wtenbogaert und Nikolaus Grevinchoven (gest. 1632) zu Außendirektoren bestimmt, erarbeitete Episcopius in Konsultationen mit Wtenbogaert und Vorstius die eingangs erwähnte Confessio sive Declaratio, in der er die Anliegen der Remonstranten zu allen wichtigen theologischen Loci systematisch zusammenführte.30 In dem Caput XXIV. De disciplina Ecclesiastica beinhaltete das Glaubensbekenntnis auch ein Kapitel mit pointierten Bemerkungen zum Verhältnis von Kirchendisziplin zu   28 Vgl. Johannes Wtenbogaert: Verdedigingh vande Resolutie. Den Haag 1615, S. 179: „Machmen sich wel alsoo/ in Conscientie/ vande publijcke kercke af-sonderen/ ende particuliere Vergaderinghe oprechten/ sonder voorgaende publijck oordeel? Ick houde neen. […] Sal dan den Inghesetenen gheoorloft zijn de Publijcke Kercke te verlaten/ particuliere Vergaderinghen ende Kerckenkaden op te rechten/ ende alsoo by malcanderen te rotten op particuliere drijvinghe sonder dat d’Overheyt daer op acht neme/ ende toe-sie ten minsten/ dat de ghemeyne ruste gheen schade en lijde? ende soo dit gheschiet/ sal dit heeten Conscientie vryheydts berrovinghe?“ 29 Episcopius wurde als eine Art Vorstius-Ersatz berufen, als sich abgezeichnet hatte, dass Vorstius wegen des erbitterten Widerstands nicht nur der Kontraremonstranten, sondern auch des englischen Königs Jakobs I. die Professur nicht mehr würde antreten können. 30 Vgl. ausführlicher zu der Gründungsversammlung der Remonstrantischen Bruderschaft und der Entstehung der Confessio sive Declaratio Geeraert Brandt: Historie der Reformatie. Bd. 4. Amsterdam 1704, bes. S. 40–50. Joannes Tideman: De stichting der Remonstrantsche Broederschap, 1619–1634, uit en met de oorspronkelijke bescheiden. Bd. 1: 1619–1632. Amsterdam 1871, bes. S. 98–120 und 166–176. Mark A. Ellis: „Introduction“, in: The Arminian Confession of 1621. Translated and edited by Mark A. Ellis. Eugene (Oregon) 2005, S. V– XIII, hier: S. VIIIf. Vgl. zu den Konsultationen des Episcopius mit Wtenbogaert und Vorstius bei der Abfassung des Glaubensbekenntnisses: Wtenbogaert an Vorstius, 30. Oktober 1620, in: Praestantium ac eruditorum virorum epistolae ecclesiasticae et theologicae. Amsterdam 1684, Nr. 385, 652a–b: „Ut Confessionem concinnet Episcopius, in eo jam totus est, & fere ad umbilicum perduxit, prout dicit, & credo: tua fere sequutus vestigia. Magna autem hic sententiarum est varietas: hic nulla prorsus confessione opus jam dicentibus, aliis autem urgentibus, in quorum numero & ego sum. Quare de vitanda prolixitate […] scribis, Episcopium monui ex tui literis.“

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der weltlichen Macht, die sich in der Folgezeit als richtungweisend für die Neubestimmung des Toleranzverständnisses der Remonstranten erwiesen. Am sichtbarsten kündigte sich die Wende im Denken der Remonstranten in dem von Episcopius artikulierten Bestreben, kirchendisziplinarische Maßnahmen und weltliche Macht auseinanderzuhalten. Angesichts des für die Remonstranten verhängnisvollen Nexus von kirchlichen Synodalbeschlüssen und ihrer obrigkeitlichen Verwirklichung plädierte die Confessio sive Declaratio für eine rein innerkirchlich verantwortete Kirchendisziplin, die auf jegliche Anwendung der weltlichen Macht verzichtete.31 Besonders hart ging das Glaubensbekenntnis mit dem Grundsatz ins Gericht, der es erlaubte, bei der Durchsetzung der kirchendisziplinarischen Maßnahmen nicht nur auf Zwang (vis coactiva), sondern auch auf leibliche Bestrafung oder sogar Kapitalstrafe zurückzugreifen, sofern es nur der Bekämpfung der sog. Häresie diente: Diejenigen, die jenen Grundsatz guthießen, würden sich eine illegitime Macht anmaßen; sie würden Gewissensfreiheit sowie die libertas prophetandi zerstören und auf diese Weise die an sich heilsame Kirchendisziplin in ein todbringendes Instrumentarium verkehren. Kurzum: Häretikermord oder Verfolgung um des Gewissens willen seien dem Geist Christi absolut zuwider, und wer sich solch ungeeigneter Waffen gegen Häresie bediene, begehe eine schwere Sünde vor Gott.32 Was Episcopius in der Confessio sive Declaratio vorschwebte, war somit nichts anderes als eine Art Trennung von Kirche und Staat, der sich aus den kirchendisziplinarischen Angelegenheiten vor allem dann herauszuhalten hatte, wenn es sich um die theologische Wahrheitsfindung und Meinungsbildung – die libertas prophetandi – handelte. Die Confessio sive Declaratio zog eine offizielle Stellungnahme der Kontraremonstranten nach sich, die das Glaubensbekenntnis als Ganzes wie auch die von Episcopius geforderte Zurückhaltung der Obrigkeiten in kirchendisziplinarischen Angelegenheiten genau in den Augenschein nahmen. Sobald die Verantwortlichen der reformierten Kirche in den Vereinigten Provinzen der Tatsache gewahr wurden, dass die Confessio sive Declaratio von allen Remonstranten approbiert wor  31 Vgl. Confessio sive Declaratio, in: Simon Episcopius: Operum theologicorum pars altera. Rotterdam 1665, Pars secunda, S. 69–94, hier: S. 93a–b: „Disciplina porro haec non est ejusmodi actio, quae cum carnali potestate, seu mundana auctoritate, aut vi ulla coactiva, ab ecclesia exercetur: sed tantummodo voluntaria ipsius Ecclesiae secessio, ab eo, cum quo, tanquam cum discipulo J. Christi, amplius vivere ipsis non licet.“ 32 Vgl. Confessio sive Declaratio, 93b: „Quare ij, qui disciplinam hanc non tantum cum potestate carnali, & vi coactiva exercent: sed etiam ad corporales punitiones, & supplicia capitalia extendunt (praesertim sub praetextu haereseos, vulgo sic dictae) potestatem nimiam, imo prorsus alienam, & illegitimam, sibi arrogant, quinimo conscientiarum, ac prophetiae libertatem reipsa opprimunt: & salutare hoc remedium, à Servatore nostro ad peccatores emendandum, sapienter institutum, in mortiferum deleterium transmutant: quodque saluti illorum destinatum erat, ad evertendum ac destruendum eosdem, convertunt. Quocirca etiam, qui haereticidio, aut simili tyrannidi, aut persecutioni ob conscientiam, ullo modo patrocinatur, eos tum à mitissimo Christi spiritu prorsus alienos esse, tum ineptis ac praeposteris armis adversum haereses pugnare, adeoque gravissimo peccato se coram Deo obstringere, arbitramur.“

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den war, beantragten die Synoden Hollands und Westfrieslands ihre Überprüfung durch die Leidener Theologieprofessoren. Eine solche wurde in der ersten Hälfte des Jahres 1625 von Johannes Polyander (1568–1646), André Rivet (Rivetus, 1572–1651), Antonius Walaeus (1573–1639) und Antonius Thysius d. Ä. (1565– 1640) erstellt und 1626 unter dem Titel Censura in Confessionem herausgebracht;33 1627 erfolgte die Drucklegung der niederländischen Fassung. Bei ihrer Kritik des Caput XXIV. De disciplina Ecclesiastica unterstellten die Leidener Professoren den Remonstranten im Allgemeinen, auf das sozinianische Modell der Kirche mit seiner Entbindung der Obrigkeiten von der cura religionis eingeschwenkt zu sein.34 Im Konkreten bemängelten sie dreifaches: den Satz, dass die Obrigkeiten gegen Häresie nicht vorgehen dürften, das Argument der Unantastbarkeit der libertas prophetandi und die Auffassung, dass die strafrechtliche Verfolgung der Häretiker eine Sünde sei. Im Gegenzug hoben die Leidener Professoren die Pflicht der Obrigkeiten hervor, für Ruhe in Kirche und Gemeinwesen zu sorgen – die Pflicht, die das Vorgehen gegen Häresie zwecks der Unterbindung ihrer Ausbreitung mit einschließe, ohne sich freilich der Kapitalstrafe zu bedienen.35 Eine Gefahr für die libertas prophetandi stellte laut den Verfassern der Censura in Confessionem ein solches Vorgehen mittels Einbindung der weltlichen Macht nicht dar: Es verhindere ledig  33 Vgl. zu dem Zeitraum der Erstellung der Schrift, deren Druck sich aufgrund der in Leiden grassierenden Pest um Monate verzögerte: Censura in Confessionem sive declarationem sententiae eorum qui in foederato Belgio Remonstrantes vocantur. Leiden 1626, Epistola nuncupatoria, S. (?3)v. Dass sich die Censura in Confessionem bereits im Sommer 1625 in der Druckerei befand, belegt auch der 17. Artikel der Südholländischen Partikularsynode, die vom 21. bis 26. Juli 1625 in Woerden tagte. Vgl. Acta der particuliere synoden van Zuid-Holland 1621–1720. Uitgegeven door William P. C. Knuttel. Bd. 1: 1621–1633. Den Haag 1908, S. 138: „[Refutatie van de Confessie der Remonstranten.] – De refutatie van de Confessie der Remonstranten, belangende waervan art. 19, rapporteerde de gedeputeerde dat deselve al bij de professoren der H. theologiae tot Leyden, met goedtvinden van E.E. Gecommitteerde Raden van de Staten, volbracht ende onder druc was […].“ Als Hauptautoren der Censura in Confessionem vermutet die Forschung Rivet und Walaeus. Vgl. Antonie Jan Lamping: Johannes Polyander. Een dienaar van Kerk en Universiteit. Leiden 1980, S. 103. 34 Vgl. Censura in Confessionem, S. 316: „Adhaec, arbitrari, Magistratum coactiva sua externa vi nihil hic gerere posse aut debere; id Socinianae doctrinae consentaneum quidem est; ut quae Magistratum plane submovet a cura Ecclesiae, ejusque defensione […].“ Vgl. zu dem entsprechenden Standpunkt der Sozinianer den Beitrag von Sascha Salatowsky in diesem Band. 35 Vgl. Censura in Confessionem, S. 318: „Nihilominus tamen eo ipso non evertitur Magistratus hic potestas, qua pro suae vocationis modo, & quoad ejus commode fieri potest, haereticos & lupos graves, eorumque exitiosum impetum, contagionem & gangraenam serpentem & depascentem, sistere & coërcere, ne syncera pars in vicium trahatur, potest & debet: neque pati haereticorum & impostorum, mente corruptorum, & αὐτοκατακρίτων, suo ipsorum judicio condemnatorum, & corrumpentium alios deceptionibus, simplices irretiri, ac turbari Ecclesiae tranquillitatem & incolumitatem, ac cum Ecclesia quoque Reipublicae Christianae […]. Haereticidium autem, ob simplicem & nudam haeresim, nemo nostrum simpliciter asseruit […].“

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lich, dass Häresie als Verkehrung der Prophetie in Willkür ausarte, die selbst vor Grundwahrheiten keinen Halt mehr mache und das Unumstößliche anzweifele.36 Strafrechtliche Verfolgung der Häretiker war nach diesem Standpunkt nicht nur keine Sünde, sondern sogar theologisch geboten – die Censura in Confessionem verwies auf die klassischen alttestamentlichen Stellen Dtn 13, Lev 24,15f und Num 15,30 –, sobald sich jene als hartnäckig erwiesen oder sich der Blasphemie schuldig machten.37 Nach dem von den Leidener Theologieprofessoren propagierten Modell hatten also die weltlichen Obrigkeiten mit den kirchlichen Behörden bei der Durchsetzung einer mehr oder minder einheitlichen theologischen Denkweise zu kooperieren, wobei sie nicht gleich repressiv, sondern stets die Besserung der Häretiker im Auge behaltend handeln sollten.38 Auf die in der Censura in Confessionem vorgebrachte Kritik und das Modell einer kirchlich-obrigkeitlichen Kooperation bei der religiösen Uniformierung des Gemeinwesens reagierten die Remonstranten mit einer wohl durchdachten Gegenkonzeption, die sie in der Verteidigungsschrift, der Apologia pro Confessione, vorbrachten. Wie schon im Fall der Confessio sive Declaratio, oblag die Abfassung der Apologie dem im Sommer 1626 in die Niederlande zurückgekehrten Episcopius, der die Arbeit an dem unfangreichen Werk im Herbst 1628 vollendete.39 In der Erstauflage im Jahr 1629 erschienen und bereits 1630 wiederholt ver  36 Vgl. Censura in Confessionem, S. 320: „Quid? An Prophetia ita tollitur, dum non rectus usus prophetiae, quae tantum versatur circa insignem Verbi Dei interpretationem, sed haereseos (quae quocunq[ue] gradu accipiatur, non prophetia est, sed prophetiae eversio) audax licentia cohibetur, & dum illi qui ἀκίνητα κινοῦσι, non modo per Ecclesiam, sed & Magistratrum reprimuntur?“ 37 Vgl. Censura in Confessionem, S. 318f.: „Tantum in Republica Christiana, Christianismo publice suscepto, in Apostatas, id est, Christianismum ejerantes, & ad Ethnicismum, Iudaismum vel Mahumetanismum transeuntes, & blasphemos contumacesque eosdem insuper haereticos, ac Reipublicae turbones, severior animadversio a quibusdam magnis Theologis asserta est, idque secundum legem divinam latam in Apostatas Deut. 13. & blasphemos Lev. 24.15. & Num. 15.30 […] Quas cur hic antiquatas dicamus potius, aut minorem vim habere in Novo quam Veteri Testamento, &, magistratus authoritate & potestate ex Veteri Test. in Novo continuata, minus illum ipsum obligare in hac causa quam in aliis quibuscunque criminibus, nulla justa ratio subesse videtur.“ 38 Vgl. Censura in Confessionem, S. 321: „Certe cum haeresis mentis tantum error est, non nisi similibus armis oppugnanda & expugnanda, sed cum ad errorem mentis concurrit voluntatis actus malitiosus, pervicaciam & obstinationem animi adjunctam habens, conjuctus aut cum blasphemia aut Apostasia, comparatus ad aliorum subversionem & exitium, pacisque & Ecclesiae & Reipublicae juxta conturbationem, certe ut Ecclesia in disciplinae exercitio cessare non debet, ita neque hic deesse suo officio Magistratus, semper tamen cum certo & congruo moderamine, ad emendationem, non perditione.“ 39 Es ist bekannt, dass die anscheinend nach der Fertigstellung der ganzen Schrift abgefasste Vorrede zu der Apologia pro Confessione im September 1628 unter den Remonstranten zirkulierte. Wtenbogaert berichtete in einem Brief an Episcopius, dass er sie am 13. September zusammen mit einem Schreiben Adrian van den Borres erhalten habe, der voll des Lobes über die Vorrede sei. Vgl. Wtenbogaert an Episcopius, 14. September 1628, in: Brieven en onuitgegeven stukken van Johannes Wtenbogaert. Verzameld en met aanteekeningen uitgegeven  

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legt, enthielt die Apologia pro Confessione die ausgearbeitete Fassung des Toleranzgedankens, der das konfessionell pluriforme Gemeinwesen als eine positive Gegebenheit bejahte. In der Apologia pro Confessione präzisierte Episcopius zunächst die Zuordnung der obrigkeitlichen Macht zu dem kirchlichen Bereich, die er im Sinne der asymmetrischen konfessionellen Pluralität durchdachte. Episcopius machte einerseits unmissverständlich klar, dass die Remonstranten den Obrigkeiten durchaus das Recht einräumten, Gewalt und Zwang hinsichtlich der Personen, Örter und Ämter des öffentlichen Lebens auzuüben:40 Die Obrigkeiten könnten sich sehr wohl der vis coactiva bedienen, wenn sie meinten, dass dies der Absicherung und Förderung der von ihnen öffentlich bekannten Konfession an den öffentlichen Örtern dienlich sei.41 Andererseits wurde dieses Recht auf die öffentliche Sphäre begrenzt: Außerhalb der öffentlichen Örter dürften die Obrigkeiten weder Gewissen noch religiöse Handlungen beeinträchtigen; diese seien allein dem Gericht Gottes unterstellt, und wer gegen sie vorgehe, maße sich eine göttliche Macht auf Erden an und mache sich der göttlichen Majestätsbeleidigung schuldig.42 Mit dem strickten Heraushalten der obrigkeitlichen Macht aus der religiösen Privatsphäre meinte Episcopius allerdings weit mehr als nur ein Zugeständnis an Privatpersonen, sich hinter verschlossenen Türen eine eigene Meinung über religiöse Fragen bilden und äußern zu dürfen – das bejahten auch die Kontraremonstranten.43 Ihm  

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door Cornelius Rogge. Drede deel. Tweede afdeeling: 1628, 1629. Utrecht 1873, Nr. 660, S. 529: „Eerst gisteren op den middach heb ick de praefatie ontfangen neffens eenen brieff van de Vlaming, date 12e, daerin hij schrijft deselve te hebben gelesen met groot contentement […].“ Hans de Vlaming war das Kryptonym von Adrian van den Borre. Vgl. Apologia pro Confessione, in: Episcopius: Operum theologicorum pars altera, Pars secunda, S. 95–283, hier: S. 239b: „[…] Remonstrantes hactenus ubique & semper attribuerunt & attribuunt etiamnum Magistratui, potestatem carnalem & vim coactivam, in personas, loca, & functiones publicas, adeo ut quicunque sine Magistratus consensus jussuve, in locis publicis, functiones publicas exercere, vel quae in iis exercentur, turbare quocunque tandem praetextu audent, in eos vi coactiva animadvertere possit, ac pro officio debeat.“ Vgl. Apologia pro Confessione, S. 239b: „Quaecunque […] Magistratus facere posse judicat ad sententiae suae de Religione, quam publice profitetur, atque in locis publicis exerceri jubet, promotionem & propagationem, ea adhibere jure suo potest, etiam, si necesse sit, cum vi coactiva, cujusmodi sunt colloquia, collationes inter caetus, Synodorum convocationes, aliaque ejus generis plura.“ Vgl. Apologia pro Confessione, S. 239b: „At extra loca publica jus nullum, nullam vim coactivam competere iis statuunt in conscientias aut actiones privatorum, quae Religionis aut conscientiae solius caussa fiunt: Hae solius divini fori sunt, & ad tribunal humanum non pertinent: Qui contra faciunt, ii usurpant divinam potestatem in terris, & reos se faciunt laesae divinae Majestatis.“ Vgl. exemplarisch die Ausführungen des Delfter Predigers Henricus Arnoldi (van der Linden, 1575–1637), der in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Bestimmungen des Edikts der Generalstaaten vom 3. Juli 1619 verwies, in: Arnoldi van der Linde: Vande Conscientiedwangh, S. 3: „Dat haere [sc. der Generalstaaten] meninge, noch intentie noyt en is geweest, ofte noch niet en is, dat yemant sal mogen geinquiereert, ondersocht ofte gemolesteert over zijn particulier gevoelen ofte Conscientie, ofte over sulcke Ordre, Verclaringe ofte Oeffenin-

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schwebte vielmehr eine prinzipielle Duldung des Gottesdienstes Andersglaubender vor, sofern dieser im privaten Bereich gefeiert wurde.44 Hand in Hand mit der Forderung nach der Nicht-Einmischung der Obrigkeiten in den recht weit gefassten und korporative Gemeinschaftsbildung mit einschließenden religiösen Privatbereich ging in der Apologia pro Confessione die Ablehnung der weltlichen Zwangsmaßnahmen gegen alle von der öffentlichen Konfession abweichenden Personen, d.h. Häretiker. In den Augen des Episcopius widersprachen solche Zwangsmaßnahmen sowohl dem Naturgesetz als auch dem gesunden Menschenverstand: Der Irrtum könne nicht mittels einer äußeren Gewalt beseitigt werden, der Irrende verdiene keine Strafe und das endgültige Urteil über den Irrtum stehe keinem Sterblichen zu – außer man fälle dieses Urteil ausschließlich für sich selbst, ohne daraus irgend ein Recht in Bezug auf den Anderen abzuleiten.45 Eine derartige Forderung konnte unter den damaligen Denkvoraussetzungen nur erhoben werden, wenn man mit der traditionellen Vorstellung des Häretikers brach, die diesem einen hartnäckig-bösen, die Kirche und das Gemeinwesen zersetzenden Willen unterstellte, und tatsächlich füllte Episcopius den Häretikerbegriff im weiteren Verlauf seiner Gedankengänge mit positivem Inhalt. Mit modifizierendem Rückgriff auf die von Mino Celsi (1514–um 1575) in der Schrift De haereticis capitali supplicio non afficiendis entwickelte Argumentation46 setzte sich Episcopius dafür ein, dass Häresie nicht mit Blasphemie   ge, als hy in zijn eygen huys, ofte voor zij eygen huysgesinne in stilheyt, sonder byeencomsten van anderen van buyten, met voor-lesen, singen ofte vermanen sal willen doen: maer dien aengaende genieten sullen de Vryheydt van Conscientie tot noch toe in dese Landen gemaincteneert.“ 44 Vgl. Apologia pro Confessione, S. 239b: „Sed hoc volo, Magistratum vi coactiva nulla uti posse, qua impediat subditorum in locis privatis ac propriis religiosa exercitia, quae ad sensum & professionem illam fovendam faciunt, & ad quae subditi ex lege Dei ac Domini sui se obstrictos credunt. Haec vi publica inhibere aut turbare, est conscientiis vim facere, & pabulum necessarium subducere. Quod vita sine pabulo est, id est Religio sine exercitio. Tum exercitia quędam communia & quae non nisi in caetu fieri possunt, Religio ipsa dictat, adeo ut sine illis Religio trunca sit & mutila. Quare & ea liber atque inoffensa permitti necesse est.“ 45 Vgl. Apologia pro Confessione, S. 241a: „Nunc tantum dico, coërcitionem hanc Legi naturae & rectae rationi esse contrariam: Error coërceri non potest externa vi: Errans paenam non meretur: Judicium peremtorium de errore nulli mortalium competit, nisi quod pro se & suo animo quisque facit. Judicium suum, nulli jus in alterum dat […].“ 46 Vgl. zu dem Toleranzbegriff Mino Celsis im Allgemeinen und den von Episcopius aufgegriffenen Gedankengang im Besonderen: Ludwig Fimpel: Mino Celsis Traktat gegen die Ketzertötung. Ein Beitrag zum Toleranzproblem des 16. Jahrhunderts. Basel und Stuttgart 1967, bes. S. 40 und 49–51. Vgl. zur Benutzung der erstmals 1577 verlegten Schrift Celsisʼ De haereticis capitali supplicio non afficiendis durch Episcopius: Apologia pro Confessione, S. 247b: „[…] pastorum est Magistratum commonefacere ne officio suo abutatur in occidendis istis (sc. haereticis), quos Servator & Dominus noster Jesus e medio tolli vetat. Nec enim Pastoribus id vetatur, quia officium eorum distinctum est a Magistratus officio, sed quia id Deo ingratum, & plane voluntati ejus repugnans est, sive quia id Christianis qua talibus illicitum est: Sed videantur quae hac de re prolixe tractavit Minus Celsus Senensis in libro suo de haereticis capitali supplicio non afficiendis, sect. 2.“

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gleichgesetzt werden dürfe: Blasphemie stelle eine willentliche Verletzung der göttlichen Majestät dar, wohingegen Häresie, als Irrtum des Geistes, unwillentlich sei: Der Häretiker strebe nach der Verherrlichung der göttlichen Majestät mit der Überzeugung, dass seine Häresie dazu diene.47 Folgerichtig galt für Episcopius die Hartnäckigkeit, die bislang ein wichtiges, strafrelevantes Merkmal eines unbußfertigen Häretikers darstellte, nicht als ein böswilliger Akt der Ablehnung der offenkundigen Wahrheit. Er deutete sie vielmehr als den Ausdruck einer konsequenten Geisteshaltung: Die Häretiker beharrten auf ihrem Irrtum nicht deswegen, weil sie irren wollten, sondern weil es ihnen nicht einmal in den Sinn kam, dass sie irrten. Und weil sie davon überzeugt waren, rechtgläubig zu sein, bevorzugten sie es, lieber in den Tod zu gehen als wider ihr Gewissen zu handeln und ihre Auffassung aufzugeben.48 Da Häretiker somit auf ihre Weise fromm und rechtschaffen waren,49 ging laut Episcopius von ihnen auch keine Gefahr für das Gemeinwesen aus. Nach der Neubewertung des Häretikerbegriffs, die im Umkehrschluss eine Relativierung des Rechtgläubigkeitsverständnisses bedeutete, wandte sich Episcopius der Frage zu, wie man mit dem innerchristlichen Dissens überhaupt umgehen sollte. Die Lösung sah er in der prinzipiellen Gewährung der libertas prophetandi all denen, die bereit waren, sie auch den Andersglaubenden gegenüber walten zu lassen. Um es mit seinen eigenen Worten auszudrücken: „Die libertas prophetandi bedeutet, dass jedermann frei ist, nach dem rechten Bibelverständnis zu forschen, und zwar so, dass ihm auch erlaubt wird, Gott auf die Art und Weise zu ehren, wie er sie von Gott vorgeschrieben glaubt – ohne Hass auf Andersdenkende und ohne Verletzung der öffentlichen Gesetze, die dem zivilen Zusammenleben dienen.“50 Der entscheidende Punkt der Toleranz war somit nach Episcopius die Reziprozität: Man hatte in Bezug auf den Anderen genauso viel Recht, wie man bereit war, dem Anderen in Bezug auf sich selbst einzuräumen, und ein solches Verfahren ermöglichte in den Augen des ehemaligen Leidener Theologiepro  47 Vgl. Apologia pro Confessione, S. 244a: „Haereticus blasphemus proprie esse non potest: Blasphemia enim proprie voluntariam divinae Majestatis laesionem significat, ita ut quis ex professo Deo maledicat & excellentiae ejus detrahat. Haeresis plane est involuntaria, quia ex errore mentis est, & nihil minus quam voluntaria divinae Majestatis laesio. Haereticus enim divinae Majestatis gloriam intendit, & per haeresin suam eam promotam cupit.“ 48 Vgl. Apologia pro Confessione, S. 246a: „[…] quos supponimus probos, pios & innoxios homines esse, sed in errore aut haeresi sua pertinaciter tantum persistentes, non quia volunt errare, aut quia non volunt ab errore suo liberari, sed quia se errare in animum suum non possunt inducere, parati quamlibet potius mortem tolerare, quam a sententia sua contra conscientiam suam discedere.“ 49 Vgl. Apologia pro Confessione, S. 248a: „Saepissime enim inocentissimi & optimi homines, carnis & mundi osores ac contemptores, haeretici esse deprehenduntur, id est, errori alicui pertinaciter insistentes.“ 50 Apologia pro Confessione, S. 248b: „Libertas itaque prophetandi est liber istius interpretationis usus, ita ut quis juxta illam Deum colere permittatur, eo cultus modo, quem à Deo sibi praescriptum credit, absque ullo dissentientium odio aut insectatione, & legum publicarum ad honestam & civilem conversationem pertinentium violatione.“

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fessors eine geordnete konfessionelle Pluralität im Gemeinwesen, ohne kirchliche Disziplin noch das politische Pflichtbewusstsein in irgendeiner Weise auszuhebeln.51 4. DER VERTIEFENDE AUSBAU DES TOLERANZGEDANKENS DER REMONSTRANTEN DURCH ÉTIENNE DE COURCELLES UND PHILIPP VAN LIMBORCH Die von Simon Episcopius vertretene Toleranzkonzeption wurde von seinen intellektuell führenden Nachfolgern übernommen, die ihr in den 1650er Jahren vertiefende Nuancen verliehen und sie dann, gegen Ende des 17. Jahrhunderts, um kirchenunionistische Zielsetzung erweiterten. Als erstes erfuhr die von Episcopius eingeleitete Umdeutung des Häretikerbegriffs einen weiterführenden Ausbau, für den der philologisch und philosophisch versierte Étienne de Courcelles, ein mit Episcopius seit ihrem Treffen vor der französischen Nationalynode zu Charenton im Jahr 1623 befreundeter reformierter Theologe, verantwortlich zeichnete. Im Jahr 1634 nach Amsterdam übergesiedelt und zunächst in der Druckerei der Blaeus als Korrektor tätig, schloss sich de Courcelles zwei Jahre später den Remonstranten an, die ihn nach dem Tod des Episcopius auf die theologische Professur am Amsterdamer Seminar beriefen. Mit dem Thema der Duldung von Häretikern beschäftigte sich de Courcelles verstärkt im Rahmen seiner theologischen Vorlesungen im Jahr 1656.52 Den Hintergrund für die intensive Aufarbeitung des Themas bildete der 1655 erfolgte Versuch der Kontraremonstranten, die Schließung des Amsterdamer Seminars zu erwirken, der damit begründet wurde, dass die theologische Nachwuchsschmiede der Remonstranten häretisches Gedankengut kultivieren helfe, ja „das sozinianische Gift über das ganze Land verbreite“.53 Die Obrigkeiten der Stadt Amsterdam beschieden am 16. Juni 1655 den entsprechenden Antrag der Nordholländischen Synode der reformierten Kirche negativ.54 Die von den Kontraremonstranten nicht ganz zu Unrecht erhobenen Vorwür  51 Vgl. Apologia pro Confessione, S. 250a: „Disciplina Ecclesiastica sarta tecta manet, quæ citra noxam cujusquam est: Quælibet Secta eam exercere poterit pro dictamine conscientiæ suæ, & quod nobis in alios, idem aliis licebit in nos, salvo utrimque communi pietatis studio, &, quod Magistratibuus debetur, obsequio.“ 52 Dass de Courcelles die Frage des Umgangs mit Häretikern in den ansonsten undatierten Vorlesungsabschnitten im Jahr 1656 aufgriff, geht aus seiner Anmerkung zu der antijansenistischen Bulle Innozenz‘ X. vom 31. Mai 1653 hervor, von der de Courcelles sagt, sie sei vor drei Jahren verabschiedet worden. Vgl. Étienne de Courcelles: Institutio religionis christianae, in: Ders., Opera theologica. Amsterdam 1675, S. 581b: „[Innocentius X] autem constitutione sua ante triennium facta, tulit sententiam pro Jesuitis contra Jansenitas, quorum opiniones pronunciavit esse falsas, haereticas, blasphemas, & ut tales diro anathemate percussit.“ 53 Vgl. Abraham des Amorie van der Hoeven: Het tweede eeuwfeest van het Seminarium der Remonstranten te Amsterdam. Leeuwarden 1840, S. 85f. und bes. S. 107. 54 Vgl. van Gelder: Getemperde vrijheid, S. 90.

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fe des Sozinianismus – Episcopius hatte einige wichtige bibelhermeneutische und anthropologische Denkelemente der Sozinianer in seine Theologie integriert und de Courcelles für die Neuausgabe der Libri quinque des Sozinianers Johannes Völkel im Jahr 1642 bei den Blaeus gesorgt55 – veranlassten aber den Amsterdamer Theologieprofessor zu der tieferen Reflexion darüber, was denn Häresie sei und wie man sich ihr gegenüber zu verhalten habe. Anders als Episcopius, der die Frage der Duldung Andersglaubender im Wesentlichen im Zusammenhang mit kirchendisziplinarischen Maßnahmen durchdacht hatte, ging de Courcelles im Kontext der Darlegung der christlichen Glaubens- und Verhaltensnormen darauf ein.56 Auf eine ihm charakteristische Weise biblisches Gedankengut mit philosophisch-rechtlichen Argumenten verknüpfend, plädierte er für ein positives Häresieverständnis, wobei die Duldung der dissentierenden Gruppierungen als ein Gebot der christlichen Humanität und der staatsmännischen Weitsicht erschien. Bereits die Bestimmung des Häresiebegriffs durch de Courcelles signalisierte einen weit vorangeschrittenen normativen Wandel im Umgang mit theologischem Dissens. Laut dem Amsterdamer Theologieprofessor stand der Begriff „Häresie“ keineswegs für ein Kapitalverbrechen, das, wie etwa Blasphemie oder Mord, bei jedem ehrwürdigen Menschen sofort Abscheu hervorrufe. Ganz im Gegenteil: „Häresie“ bedeute eine ausgezeichnete Sache (res), die lobenswert sei.57 Eine solche Lesart untermauerte de Courcelles mit geschichtlich gestützten Beobachtungen zu den Ursprüngen des Begriffs, der nach seiner Auffassung zunächst ganz allgemein die an einer bestimmten Lehrmeinung festhaltenden Menschengruppe bezeichnet habe und der erst im Laufe der Zeit angesichts der Streitigkeiten der philosophischen Schulen untereinander mit negativen Konnotationen versehen worden sei.58 Das Häretische an der Häresie bestand also nicht mehr in ihrer spe  55 Vgl. hierzu ausführlicher Daugirdas: Die Anfänge des Sozinianismus (im Druck). 56 Der Umgang mit Häretikern wurde letztlich im Buch 7 der Institutio religionis christianae verortet, das sich der Erschließung der Struktur des christlichen Glaubens widmete. Die Platzierung der entsprechenden Passagen De idololatris, haereticis et blasphemis und De haereticorum poenis zwischen dem Abschnitt De oboedientia auf der einen Seite und dem Abschnitt De charitate auf der anderen zeigt die systematische Erfassung des Häretikerproblems durch de Courcelles an: Er ging an die Behandlung Andersglaubender aus der ethischen Perspektive der neutestamentlichen Gebote heran, die ihren zusammenfassenden Gipfel in der unbedingten Forderung der Nächstenliebe fanden. 57 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 580a: „[…] haereseos vocem non significare enorme aliquod facinus, quod unusquisque statim agnoscere queat esse capitale; veluti est blaspemia nominis divini, homicidium, & similia; quae nemo bonus absque animi commotione audit nominari. Sed contra, id eximiam & laude dignam rem denotat.“ 58 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 580a: „Haeresis, inquit Isidorus Hispalensis, Graece ab electione vocatur; quod scil. unusquisque id sibi eligat, quod melius sibi esse videtur, ut Philosophi Peripatetici, Academici, Epicurei, & Stoïci. Orig. lib. 8. cap. 3. Sectam Latini dicunt a sequendo, quia est societas hominum certam quandam doctrinam sequentium. Et in bonam plerumque partem accipitur apud scriptores profanos. Ita Cicero Praef. in Parad. Cato perfectus mea sententia Stoïcus, & ea sentit quae non sane probantur in vulgus, & in ea est haeresi quae nullum sequitur florem orationis. Similiter in Sacris Nov. Test. li 

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zifischen Sondererscheinung – de Courcelles setzte eine Vielfalt der Lehrmeinungen bzw. „Häresien“ als einen christlichen Normalzustand voraus, ohne es explizit auszusprechen. Ausschlaggegebend war die Streitlust, mit der einzelne Personen versuchten, Belangloses in der Kirche zu disputieren und sie hiermit zu spalten.59 Das daraufhin vorgenommene Plädoyer für die Duldung aller dissentierenden Gruppierungen gestaltete de Courcelles, seinem Vorgänger Episcopius vergleichbar, aus der Perspektive der asymmetrischen konfessionellen Pluralität, für die eine von den Obrigkeiten bevorzugte öffentliche Mehrheitskirche und etliche kleinere Glaubensgemeinschaften bestimmend war. Mit prägnanten philosophisch-rechtlichen Argumenten, die er um das Regulativ der christlichen Nächstenliebe kreisen ließ, destruierte der Amsterdamer Theologieprofessor hierbei die theoretischen Grundlagen für das obrigkeitlich verantwortete strafrechtliche Verfahren gegen Dissenters. Bei seiner Argumentation bediente sich de Courcelles zum einen des inzwischen klassisch gewordenen Gedankengangs, dass Häresie weder als Blasphemie noch als ein Akt des bösen Willens angesehen werden dürfe, was sie als einen Straftatbestand disqualifiziere.60 Zum anderen zersetzte er die Berechtigung der weltlichen Strafen für Häretiker, indem er den Sinn dieser Sanktionen hinterfragte. Mit Berufung auf entsprechende Stellen in Platos (428/27 v. Chr.–348/47 v. Chr.) Protagoras, Senecas (gest. 65) De ira sowie De Clementia und Noctes Atticae des Aulus Gellius (ca. 130–ca. 180) bestand de Courcelles darauf, dass die Strafen nur dann Nutzen hatten, wenn sie auf Besserung des Delinquenten oder seiner Umgebung abzielten.61 Beim Verhängen von Sanktionen   bris; & apud Josephum, ubi de Pharisaeis, Sadducaeis, & Essenis agitur. […] Verum postea occasione, ut existimo, contentionum quas aemulatio inter Philosophos excitabat, haereseos nomen coeptum est in malam partem usurpari.“ 59 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 581b: „Et cum [Paulus] jubet Titum, […] hominem haereticum post unam aut alteram admonitionem evitare, vel rejicere, Tit. III. v. 10. satis indicat se de eo qui in fide erret non loqui. […] Id enim non quadrat in hominem qui opiniones tuetur quas verissimas esse credit, alias libenter iis renunciaturus; (quales plerique eorum sunt, qui nunc pro haereticis habentur;) sed optime in ejusmodi qualem dixi rixosum, qui aut scit, aut facile scire potest, id de quo disputat indignum esse ut propterea fundem contentionis cum aliis trahat, & Ecclesiam in partes scindat.“ 60 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 585b–586a. 61 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 586a–b: „Omnis poena tendere debet aut ad ejus cui infligitur, aut aliorum, utilitatem. Ita Plato in Protagora; […] Qui ratione punire aggreditur, non praeteriti sceleris causâ punit, (quod enim factum est, infectum reddere nequit) sed futurum respicit, ne iterum aut ipse, aut quisquam alius exemplo poenae ejus deterritus peccet. Et ex eo Seneca: Nemo prudens punit quia peccatum est, sed ne peccetur. Revocari enim praeterita non possunt; futura prohibentur. lib. 1. de Ira. cap. ult. Item, In injuriis vindicandis haec tria lex secuta est, quae Princeps quoque sequi debet; aut ut eum quem punit, emendet; aut ut poena ejus caeteros meliores reddat; aut ut sublatis malis, securiores caeteri vivant. de Clemet. lib. 1. cap. 22. Quod A. Gellius aliquanto fusius explicat Noct. Attic. lib. 6. cap. 14. Poeniendis peccatis tres esse debere causas existimandum est. Una est quae νουθεσία, vel κόλασις, vel παραίνεσις dicitur; quum poena adhibetur castigandi atque emendandi gratia, ut is, qui fortuito deliquit attentior fiat correctiorque. Altera est quam ii, qui vocabula ista curiosius diviserunt, τιμωρίαν appellant. Ea causa animadvertendi  

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über Häretiker war jedoch weder mit der Besserung der Betroffenen noch mit einer positiven Wirkung auf die Mitmenschen zu rechnen, und all das führte die Kriminalisierung der religiösen Delikte ad absurdum. Am klarsten manifestierte sich laut de Courcelles die Sinnlosigkeit der Kapitalstrafe. Der nahende Tod würde die Häretiker, die sich als Märtyrer um der göttlichen Wahrheit willen verstanden, keineswegs zur Einsicht bringen. Für sie gälte es gerade nicht, Reue zu zeigen, sondern bei ihrer Sache bis zum Ende auszuharren.62 Sollten noch die vorzeitig ins Jenseits beförderten Häretiker auch bei Gott als solche gelten und mit dem ewigen Tod bestraft werden, so würde ihre irdische Hinrichtung erst recht einen Akt äußerster Inhumanität – de Courcelles benutzte den Begriff explizit – darstellen: Der zeitliche Tod wäre zugleich ihr ewiger Untergang, was der christlichen Nächstenliebe diametral entgegenstünde.63 Hier konnte man, so der Amsterdamer Theologe, auch nicht einwenden, dass das, was in Bezug auf den einen oder anderen Unverbesserlichen als inhuman erscheine, hinsichtlich vieler letztlich heilsam, weil abschreckend sei: Die bessernde Wirkung eines Strafexempels werde nur erreicht, wenn alle von der Häresie als einem Verbrechen überzeugt seien; sei dies aber nicht der Fall und komme der Eindruck auf, dass unter jenem Vorwand gegen Unschuldige gewütet werde, könne dies sehr schnell in Hass gegen Richter und Lenker des Gemeinwesens umschlagen.64 Auch von milderen Strafmaßnahmen für Häretiker hielt de Courcelles nichts. Sie verfehlten in seinen Augen nicht nur die geistige Natur der christlichen Religion, sondern bewirkten auch noch das genaue Gegenteil des Intendierten. Aus Angst vor Strafen würden bekanntlich gerade die Schwächeren dazu neigen, den   est, cum dignitas auctoritasque ejus, in quem est peccatum, tuenda est, ne praetermissa animadversio contemtum ejus pariat, & honorem levet; idcircoque id ei vocabulum à conservatione honoris factum putant. Tertia ratio vindicandi est, quae παράδειγμα à Graecis nominatur, quum poenitio exemplum est necessaria; ut caeteri similibus à peccatis, quae prohiberi publicitus interest, metu cognitae poenae deterreantur.“ 62 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 586b: „Haeretici [...] vero quamvis se miseros peccatores agnoscant, haeresin tamen sibi a Deo condonari non petant; sed contra, se tum demum gratiam apud ipsum certo inventuros putent, si in ejus defensione constanter ad extremum usque vitae habitum perseverent.“ 63 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 586b: „Quod si pari modo res se habeat apud Deum, & haeresis quam sectantur eos revera coelo excludat & in tartarum praecipitet; quanta quaeso, est crudelitas miseros istos homines, quos ignis aeterni poena certo manet, festinato supplicio vita temporali & aeterna simul privare? fingi-ne quidnam potest inhumanius, aut a Christiana mansuetudine & charitate alienius?“ 64 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, S. 587a: „Exempla enim poenarum ad institutionem aliorum nihil valent, nisi prius liquido de crimine in quod decretae sunt constiterit. Quare si suspicio sit adversus innocentes saevitum fuisse, tantum abest ut id aliquam publico utilitatem afferat, ut contra nihil queat esse perniciosius. Primum enim nascitur inde commiseratio & favor erga eos qui putantur injusta passi; indignatio vero & odium adversus judices & reipublicae rectores. Deinde, ut curiosum est hominum genus, inquiritur in dogmata quae supplicium commeruisse visa fuerint; & ita in vulgus dimanant quae praestitisset ipsum ignorare.“

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Glauben zu simulieren, den sie innerlich nicht teilten. Die Strafmaßnahmen der Obrigkeiten hätten also nur die Heuchelei zur Folge, wovon die Gottlosigkeit nicht mehr weit entfernt sei. Im Endeffekt schadeten nach de Courcelles, der an dieser Stelle leicht abwandelnd an die auf Dirk Volkertszoon Coornhert (1522– 1590) zurückgehende und in den Requesten der Remonstranten des öfteren verwendete Argumentation zurückgriff,65 die Zwangsmaßnahmen sowohl dem Gemeinwesen als auch der (öffentlichen) Kirche: Das Gemeinwesen würde über den eventuell irreligiösen Bürger verfügen, dem es als einem solchen nicht trauen dürfte und die (öffentliche) Kirche hätte ein gottloses Mitglied, das gegen sein Gewissen handelte.66 Die prinzipielle Duldung aller dissentierenden Gruppierungen war dieser Logik zufolge die einzig vernünftige Option, weil sie den christlichen Grundwerten und der Staatsräson gleichermaßen entsprach. Der von Étienne de Courcelles im Sinne eines politisch-ethischen Grundprinzips vertiefend ausgebaute Toleranzgedanke des Simon Episcopius erfuhr seine abschließende Ausgestaltung im ausgehenden 17. Jahrhundert, als ihm Philipp van Limborch einen die theologische Pluralität bejahenden hermeneutischen Unterbau verlieh und eine kirchenunionistische Zielsetzung gab. Ein Schüler von de Courcelles und Großneffe des Episcopius, deren Werke er in großen OperaAusgaben der Jahre 1665 und 1675 neu bzw. erstmals veröffentlichte, führte van Limborch die Toleranzkonzeption seiner Vorgänger unter den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weiter, die eine neue Akzentuierung erforderlich machten: War die Duldung Andersglaubender insbesondere für Episcopius noch von ele  65 Vgl. zu dem entsprechenden Beweisgang Coornherts: Gerhard Güldner: Das ToleranzProblem in den Niederlanden im Ausgang des 16. Jahrhunderts. Lübeck u.a. 1968, S. 76f. (Atheismus) und S. 167 (Heuchler). Dirck Volckertszoon Coornhert: I. Deel van Wercken. Amsterdam 1630, S. 537va [korrekt: 545va]: „L. Dat het ontberen van Religions excerctie openbaarlijck streckt tot een verachtinghe Godes ende tot een Atheismum.“ Vgl. ausführlicher zur Toleranzkonzeption Coornherts: Hendrik Bonger: De motivering van de godsdienstvrijheid bij Dirck Volkertszoon Coornhert. Arnhem 1954. Vgl. zur analogen Argumentation der Remonstranten in ihren Requesten, oben Anm. 4. 66 Vgl. de Courcelles: Institutio religionis christianae, 589a–b: „Qui naturam religionis, praecipue Christianae, quae tota spiritualis est, bene perspectam habuerit, facile animadvertet vim aut coactionem non esse idoneum ad eam propagandam medium. […] Videant ergo Principes & Magistratus, qui zelum gloriae Dei à se postulare existimant, ut coactionem in causa fidei usurpent, quid tali via sint profecturi. Nimirum multos hypocritas efficient, qui metu poenae religionem, à qua corde abhorrent, simulabunt. Facilis autem est ab hypocrisi in Epicureismum, seu omnis religionis & cultus divini contemtum, lapsus. Qui enim religionem quam probat non audet profiteri, & ad alius quam improbat professionem adigitur, fastidio religionis solet capi, & sic omnem ejus curam paulatim ex animo suo abjicere. Ejusmodi autem hominibus nihil est in Republica & Ecclesia perniciosius. In Republica quidem, quia qui semel religionis fraenum ex animo excussit, nihil amplius habet quo in officio contineatur, aut ne turbas cieat, occasione data, impediatur. In Eccelsia vero, quia veneni sui contagione eorum cum quibus versantur mores inficiunt; adeo ut longe satius sit ipsos inde eliminare, quam vi aut minis ad intrandum compellere. […] Pios enim aut probos non redderent illos quos metu ad eam simulandum inducerent; sed potius impios & improbos, compellendo contra conscientiae dictamen agere.“

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mentarer existentieller Bedeutung und wurde die Forderung nach der Toleranz primär unter diesem Aspekt formuliert, so gehörte die Gefahr der Verfolgung zu Zeiten van Limborchs, als die Obrigkeiten die Gemeinden der Remonstranten im ganzen Land weitgehend unbehelligt ließen, endgültig der Vergangenheit an.67 Bereits die erste öffentliche Stellungnahme van Limborchs, die er während seiner Wirkensperiode als Goudaer Pfarrer zu Beginn der 1660er Jahre zur Toleranz bezog, zeigte, dass es den Remonstranten seiner Generation angesichts des für sie günstigen politisch-religiösen Klimas in den Niederlanden nicht mehr um die existenzsichernde Wirkung der Duldung ging. In der Toleranz erblickten sie nunmehr ein Mittel, das einen vom gegenseitigen Respekt geprägten Umgang mit den Vertretern der öffentlichen Majoritätskirche ermöglichen sollte. Als Jacobus Sceperus (gest. 1677), ein reformierter Pfarrer von Gouda, in der 1661 gedruckten Schrift Chrysopolerotus, dat is Goutsche vraeger over de vijff articulen der remonstranten die Remonstranten aufforderte, sich bedingungslos der öffentliche Kirche anzuschließen, reagierte van Limborch noch im selben Jahr mit der Gegenschrift Korte Wederlegginge van’t boexken onlangs uytgegeven by Iacobus Sceperus. In dem Werk lehnte er eine Reintegration der Remonstranten zu den von den Kontraremonstranten diktierten Konditionen – die Remonstranten müssten still halten und auf ihre eigenen Prediger verzichten – ab. Möglich war nach van Limborch der kirchliche Zusammenschluss nur, wenn man sich gegenseitig tolerierte, ohne die vorhandenen Differenzen stillschweigend zu überspielen oder die eigenen Spezialanliegen einseitig aufgeben zu müssen.68 Die in der Auseinandersetzung mit dem Goudaer Kontrahenten sich ankündigende kirchenunionistische Akzentuierung des Toleranzgedankens verfolgte van Limborch gut zwei Jahrzehnte später auch in dem theologischen Lehrkompendium, der Theologia christiana, worin er der Toleranzkonzeption der Remonstranten zu ihrer klassischen Gestalt verhalf. Ähnlich wie einst Episcopius, verankerte van Limborch die Frage der Toleranz im ekklesiologischen Kontext: Er beendete sein Lehrkompendium mit der Abhandlung De ecclesia Jesu Christi, deren letzte vier Kapitel der programmatischen Entfaltung der Idee von der durch die Toleranz ermöglichten kirchlichen Einheit bei bestehender theologischer Vielfalt gewidmet waren. Als erstes behandelte van Limborch pflicht- und traditionsgemäß die uneingeschränkte Duldung der Häretiker, die er weitgehend mit den aus den Werken des Episcopius und de Courcelles‘ geschöpften Argumenten begründete.69 Im positiven Sinn wurde der Begriff „Toleranz“ allerdings erst in den drei Schlusskapiteln entfaltet, in denen van Limborch sein eigentliches Anliegen, die mutua dissidentium tolerantia, vortrug. Da nach van Limborch bereits ein Minimalkonsens in glaubensnotwendigen Artikeln für die volle kirchliche Gemeinschaft ausreichte – keiner, der sich zu   67 Vgl. hierzu van Gelder: Getemperde vrijheid, S. 89–92. 68 Vgl. Barnouw: Philippus van Limborch, S. 16–19. 69 Vgl. Philipp van Limborch: Theologia christiana ad praxin pietatis ac promotionem pacis Christianae unice directa. Amsterdam (11685) 1735, S. 840a–849b, bes. 840a–844a.

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Jesus als Christus und seinen ethischen Weisungen bekannte, konnte mit guten Gründen aus der Kirche ausgeschlossen werden70 –, stellte sich die Frage nach dem adäquaten kirchlichen Umgang mit der faktischen Vielfalt der theologischen Anschauungen. Die prinzipielle Lösung des Problems erblickte van Limborch in der gegenseitigen Toleranz, welche die Meinungsdifferenzen in non necessariis auf dem Weg der ethischen Haltung auszuhalten und zu integrieren vermochte. Die mutua tolerantia dissidentium bedeutete somit weder eine diskursive Ausklammerung der theologischen Differenz noch ihre Überspielung auf dem Weg einer lehrmäßigen Uneindeutigkeit. Die Toleranz als reziproke Haltung sollte vielmehr gerade dadurch gemeinschaftsstiftend und unionsvorbereitend wirken, dass sie die relative Differenz als ein strukturelles Merkmal des Protestantismus bzw. des Christentums bejahte und einen geschwisterlichen Dialog ermöglichte.71 In hermeneutischer Hinsicht war eine derartige Haltung in den Augen van Limborchs ohnehin mehr als geboten. Das christliche Religionssystem mit Jesus Christus im Zentrum und den um ihn kreisenden verschiedenartigen erlösungsbedürftigen Menschen erlaubte nämlich laut den Ausführungen der Theologia christiana eine ganze Bandbreite an Lehrmeinungen, die das Heilswerk Christi unterschiedlich artikulierten und doch von ihm her ihre Einheit erhielten.72 5. ERGEBNIS Die Vorstellung von der libertas prophetandi spielte bei der Genese des Toleranzgedankens der Remonstranten eine wichtige Rolle. Von Konrad Vorstius im beginnenden Jahr 1610 in der an die niederländischen Generalstaaten gerichteten Widmung des Anti-Bellarminus contractus eingesetzt, diente sie zur Begründung der Konstruktion einer begrenzten Toleranz bei unbegrenzter Souveränität der weltlichen Obrigkeiten, die eine relative theologische Differenz in der einen, ihrer Befehlsgewalt untergeordneten Kirche zuzulassen und zu dulden hatten. Eine Duldung aller Glaubensgemeinschaften war mit der Vorstellung von der libertas   70 Vgl. van Limborch: Theologia christiana, S. 852a: „[…] duo ad salutem Scriptura requirat necessaria, fidem in Deum ac Jesum Christum, & obedientiam seu sanctimoniam spe promissorum divinorum subnixam […].“ 71 Vgl. van Limborch: Theologia christiana, S. 865a: „Non quod doctrinarum confusionem, aut generales confessiones verbis ambiguis, quae utraque pars in sensum suum trahere dogmatisbusque suis incrustandis aptare potest, conceptas probem: ambigua enim contentionem pariunt, ac postea de genuino ejusmodi phrasium sensu, dum pars utraque eas pro se stare urget, majore studio contenditur: sed quod non obstanten dissensu sententiarum, quem pars utraque fatetur, consensus in fundamentalibus ad unionem illam fraternam sufficere debeat.“ 72 Vgl. van Limborch: Theologia christiana, S. 852a: „Licet enim reverâ unicum sit fundamentum salutis, nimirum Jesus Christus, 1. Cor. III. 10. potest tamen illud pro multiplici respectu ad opus salutis nostrae, variis modis efferri, & in plura membra dispesci, quae tamen omnia in hac unâ veritate veluti in centro ad unitatem redeunt.“

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prophetandi ursprünglich nicht verbunden, und von einer solchen Forderung sahen die Remonstranten bis zu der Dordrechter Synode ab. Nach der Dordrechter Synode erfuhr die Toleranzkonzeption der Remonstranten eine umfassende Umgestaltung, die, von Simon Episcopius durchdacht, in der Confessio sive Declaratio (1621/1622) und in der Apologia pro Confessione (1629) repräsentativ artikuliert wurde. Mit Verweis auf die Wahrung der libertas prophetandi sprachen sich nunmehr die Remonstranten für die Trennung der kirchendisziplinarischen Angelegenheiten und des weltlichen Machtbereichs aus, wobei sie die obrigkeitlich verantwortete cura religionis auf die öffentliche Kirche einschränkten. Aus dem religiösen Privatbereich, der nach der Auffassung der Remonstranten eine korporative Gemeinschaftsbildung mit einschloss, hatten sich die Obrigkeiten herauszuhalten, was eine Duldung aller von der öffentlichen Konfession abweichenden – und nach bisherigem Verständnis: häretischen – Glaubensgemeinschaften bedeutete. Ermöglicht wurde der Gedanke von der umfassenden Toleranz dank der Relativierung des Häretikerbegriffs, die von der Einschärfung der reziproken Zuerkennung der libertas prophetandi durch alle christlichen Glaubensgemeinschaften begleitet wurde. In den 1650er Jahren erfuhr die Toleranzkonzeption der Remonstranten einen vertiefenden Ausbau, für den Étienne de Courcelles verantwortlich zeichnete. In seinen theologischen Vorlesungen am Amsterdamer Remonstrantenseminar für die Duldung der Dissenters im Sinne eines Gebots der christlichen Humanität und der staatsmännischen Weitsicht plädierend, verlieh de Courcelles dem Toleranzgedanken die allgemeine Geltung eines politisch-ethischen Grundprinzips. In dieser Fassung auch von Philipp van Limborch vorausgesetzt, erhielt die Toleranzkonzeption der Remonstranten in dessen Theologia christiana (1686) ihre abschließende Ausgestaltung: Hermeneutisch von dem prinzipiell pluralistischen Verständnis des Christentums ausgehend, erblickte van Limborch in der gegenseitigen Toleranz das kirchenunionistische Mittel, das konfessionsverschiedenen Kirchen eine Gemeinschaft ermöglichen sollte, ohne die vorhandenen Lehrdifferenzen zu ignorieren.

DIE DROHENDE GEFAHR DES ATHEISMUS. DIE SOZINIANER PRZYPKOWSKI UND CRELL ÜBER DIE MÖGLICHEN FOLGEN VON INTOLERANZ Sascha Salatowsky Mit der Frage, ob Antitrinitarier bzw. Sozinianer in einem Gemeinwesen geduldet werden dürfen, quälte sich Europa das gesamte 16. und 17. Jahrhundert hindurch, galten sie doch als die schlimmsten aller christlichen Häretiker, auf einer Stufe mit den Muslimen und Juden stehend. Wie sollte man mit ihnen verfahren? Eine Duldung kam lange Zeit – mit der einzigen Ausnahme Polens, wie gleich gezeigt wird – nicht in Frage. Verschiedene Versuche, wie jener in Mannheim,1 scheiterten meist nach kurzer Zeit wegen der anhaltenden Widerstände der etablierten Konfessionen. Erst 1683 sprach sich Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandeburg in einem Erlass offiziell für die Duldung der Sozinianer in seinem Territorium aus.2 Zuvor entschied man sich hier wie anderswo zumeist für die Verbannung oder gar als ultima ratio für die Hinrichtung dieser ,Ketzer‘. So musste der ehemalige lutherische Pfarrer Joachim Stegmann (1595–1633) Brandenburg verlassen, nachdem man 1625 seine antitrinitarischen Neigungen entdeckt hatte.3 Schlimmer endete es bekanntlich für die beiden Antitrinitarier Michel Servet (1511–1553) und Giovanni Valentino Gentile (ca. 1520–1566), die in Genf bzw. Bern hingerichtet worden sind. Allein in Polen gab es mit der Warschauer Konföderation von 1573 eine umfassende Duldung aller Dissidentes de Religione. In dieser Übereinkunft hatten alle Abgeordneten geschworen, dass wegen der Verschiedenheit des Glaubens und der Unterschiede in den Kirchen kein Blut vergossen und keine Strafen, wie die Beschlagnahme von Gütern, Gefängnis oder Verbannung, verhängt werden dürfen.4 Stets blieb jedoch umstritten, ob die Antitrinitarier bzw. Sozinianer zu   1 2

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Vgl. hierzu den Beitrag von Harald Stockert in diesem Sammelband. Vgl. Sascha Salatowsky: „Dürfen Sozinianer geduldet werden? Obrigkeitliche und theologische Debatten in Brandenburg und Preußen im 17. und 18. Jahrhundert“, in: Friedrich Vollhardt (Hg.): Religiöser Nonkonformismus und frühneuzeitliche Gelehrtenkultur. Berlin 2013, S. 223–250, hier: S. 237. Vgl. Salatowsky: „Dürfen Sozinianer geduldet werden?“, S. 223–232. Zur Biographie von Joachim Stegmann vgl. ders.: Die Philosophie der Sozinianer. Transformationen zwischen Renaissance-Aristotelismus und Frühaufklärung. Stuttgart-Bad Cannstatt 2015, S. 37–41. Die ursprünglich polnische Fassung ist abgedruckt in: Volumina Legum. Bd. 2. Petersburg 1859, S. 124. Eine lateinische Übersetzung findet sich in der anonymen, von Stanislaus Lubieniecki stammenden Schrift Vindiciae pro Unitariorum in Polonia religionis libertate ab

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diesen religiösen Dissidenten zu rechnen seien. Aufgrund der Unterstützung durch einige Adlige, die ihnen Orte und Infrastrukturen für ihre Gemeinden und Treffen zur Verfügung stellten, konnten sie viele Jahre lang ein relativ unbehelligtes Leben in Polen führen. Doch 1638 änderte sich die Situation schlagartig. Ein Vorfall, bei dem zwei Schüler aus Raków ein Kruzifix zerstört hatten, wurde vonseiten des katholisch geprägten Senats zum Anlass genommen, die Zerstörung dieses geistigen und materiellen Zentrums der Sozinianer mit Kirche, Schule und Druckerei anzuordnen.5 Die Einwohner wurden gezwungen, innerhalb von vier Wochen Raków zu verlassen. Die Kleinstadt wurde wieder katholisch, und auf den Trümmern der sozinianischen Kirche errichtete man eine neue, der Hl. Trinität gewidmete Kirche. Doch damit nicht genug. Nachdem die Sozinianer auch auf dem Colloquium charitativum von 1645 in Thorn6 keine Anerkennung als religiöse Dissidenten gefunden hatten, war es nur eine Frage der Zeit, bis von katholischer Seite die letzte Maßnahme ergriffen wurde: Die Vertreibung aus dem ganzen Königreich Polen. Das Ende der schwedischen Besatzung im Jahre 1657, unter deren Schutz sich die Sozinianer begeben hatten, bot den Anlass, sie 1658 als Vaterlandsverräter des Landes zu verweisen. Bleiben durften nur jene, die sich zum Katholizismus bekehrten. Viele Sozinianer wählten den Weg der Verbannung. Sie zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen – auf der steten Suche nach einem Ort, wo sie toleriert wurden. Es ist kaum eine Überraschung, dass die Sozinianer vor dem Hintergrund ihrer selbst gemachten Erfahrungen permanenter Anfeindungen, Nachstellungen, Unterdrückungen und Verbannungen eine besondere Haltung zur Frage nach der  

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equite Polono conscriptae. Sie ist abgedruckt in: Christoph Sand: Bibliotheca Antitrinitariorum. Freistadt [i.e. Amsterdam] 1684. Nachdruck Warschau 1967, S. 267–296, hier: S. 269f.: „Cum autem in Republica nostra sit non exiguum in causa Religionis Christianae dissidium, occurrendo huic rei, ne ex ista causa inter homines oriatur aliqua noxia seditio, quam in aliis Regnis clare videmus: spondemus hoc nobis invicem pro nobis & successoribus nostris, in perpetuum, sub vinculo juramenti, fide, honore, & conscientiis nostris, quod nos qui sumus dissidentes de religione, pacem inter nos conservabimus & propter diversam fidem & differentiam in Ecclesiis, sanguinem non profundemus, neque nos poenis afficiemus, veluti confiscatione bonorum, infamia, carceribus, & exilio, neque magistratum ullum vel officium ad tale facinus ullo modo juvabimus: Imo vero si quis sanguinem ex ista causa effundere velit, huic nos omnes vires nostras opponere tenebimur, etiamsi praetextu decreti vel processus alicujus juridici hoc facere velit.“ Eine englische Übersetzung findet sich in Earl Morse Wilbur: A History of Unitarianism, Socinianism and its Antecedents. Cambridge 1946, S. 363f. Zu den Umständen der Warschauer Konförderation vgl. Alfons Brüning: Unio non est unitas. Polen-Litauens Weg im konfessionellen Zeitalter (1569–1648). Wiesbaden 2008, S. 117ff. Der Vorfall ist ausführlich beschrieben in Wilbur: History, S. 451–455. Was damals geschah, ist auf einem Deckengemälde, genannt Sąd nad arianami, im ehemaligen Bischofspalast in Kielce dargestellt, das der italienische Maler Tommaso Dolabelli (1570–1650) angefertigt hat. Eine knappe Beschreibung findet sich in Salatowsky: Die Philosophie der Sozinianer, S. 2f. Vgl. hierzu Hans-Joachim Müller: Irenik als Kommunikationsform. Das Colloquium Charitativum von Thorn 1645. Göttingen 2001, insbes. S. 232–236.

Die drohende Gefahr des Atheismus

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Duldung Andersgläubiger entwickelt haben. Einen ersten, ganz unmittelbaren Eindruck bietet uns die knappe Vorrede in der vorletzten Überarbeitung der Catechesis Ecclesiarum Polonicarum, die vermutlich 1665 von den beiden Sozinianern Joachim Stegmann d.J. (1618–1678) und Andreas Wissowatius (1608–1678) verfasst worden ist.7 Dort betonten sie, dass sie mit ihrem Katechismus niemanden etwas vorschreiben und mit ihren Ansichten niemanden bedrücken wollten. Jedem stehe es frei, sein Urteil über die Religion zu bekennen, solange auch ihnen es erlaubt sei, ihre Meinung über die göttlichen Dinge ohne Beleidigung oder Schmähung zu erkennen zu geben. Dies ist nämlich jene schöne Freiheit der Verkündigung [libertas prophetandi], die uns die Heiligen Schriften des Neuen Testaments so nachdrücklich empfehlen und von der uns die Urkirche der Apostel ein so leuchtendes Beispiel gibt.8

Beide Sozinianer, die sich zur Abfassungszeit vermutlich in Mannheim aufhielten, wo sie nach einer kurzen Zeit der Duldung 1666 erneut mit ihrer kleinen Gemeinde weichen mussten, warfen ihren Peinigern und Verfolgern die durch nichts zu rechtfertigende Anmaßung vor, sich im Besitz des Schlüssels zur Wahrheit zu wähnen, der doch allein dem Herrn Jesus Christus zukomme. Stegmann und Wissowatius forderten daher die vollkommene Gewissensfreiheit für alle Christen, egal welcher Konfession: „Warum erinnert ihr euch nicht, […] dass wir alle Brüder sind, denen keine Macht, keine Herrschaft über die Gewissen anderer zuer  7

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Vgl. Catechesis Ecclesiarum Polonicarum, Unum Deum Patrem, illiusque Filium Unigenitum, unà cum Spiritu Sancto; ex S. Scriptura confitentium. Primum anno MDCIX. in lucem emissa; & post earundem Ecclesiarum jussu correcta ac dimidia amplius parte aucta; atque per viros in his cœtibus inclytos, Johannem Crellium Francum, hinc Jonam Schlichtingium à Bucowiec, ut & Martinum Ruarum; ac tandem Andream Wissowatium, recognita atque emendata: Notisque cùm horum, tum aliorum illustrata. Nunquam ante hac hoc modo edita. Stauropoli [i.e. Amsterdam] 1680. Diese Ausgabe ist mit der Edition von 1659 [1665?] identisch. Die verschiedenen Editionen des Katechismus sind beschrieben in Martin Schmeisser: „Einleitung“, in: Sozinianische Bekenntnisschriften. Der Rakówer Katechismus und der sogenannte Soner-Katechismus. Hrsg. von Martin Schmeisser. Berlin 2012, S. 9–78, hier: S. 27–55. Dort ist auch die erste deutsche Ausgabe des Katechismus von 1608 abgedruckt: S. 105–212. Catechesis: Praef., S. 2v: „Haec enim est aurea illa prophetandi libertas, quam Sacrae Literae Novi Instrumenti nobis impense commendant, & in qua Apostolorum primitiva Ecclesia nobis exemplo suo facem praetulit.“ Bei Athanasius findet sich die Beschreibung einer unangemessenen libertas prophetandi, die gerade nicht darin besteht, alles zu bejahen oder zu verneinen, was einem so einfällt: „Licere sibi velle aliquid dicere contra id, quod credideris, aut quod vere, qui profecit, credidit, non libertas prophetandi est, sed petulantia Deum arguentis mendacii. Libertas prophetandi non est licentia omnia negandi aut affirmandi cum velo verborum scripturae.“ (Zitiert nach Kay Zenker: Denkfreiheit: Libertas philosophandi in der Aufklärung. Hamburg 2012, S. 223f.) Hier wird also die Rede- und Meinungsfreiheit aufgrund theologischer Vorgaben eingeschränkt, etwas, worauf die Sozinianer gerade nicht abzielten. Die liberats prophetandi ist bereits von Conrad Vorstius (1569–1622) gefordert worden. Vgl. hierzu Christoph Lüthy: David Gorlaeus (1591–1612). An Enigmatic Figure in the History of Philosophy and Science, Amsterdam 2012, S. 116.

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kannt worden ist?“9 Die Gewissensfreiheit ist sozusagen der Mindeststandard eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens aller Menschen, die sich selbst als Christen bezeichnen. Nun findet sich die Forderung nach einer Gewissensfreiheit natürlich auch bei den anderen Konfessionen.10 Die Sozinianer blieben hierbei jedoch nicht stehen, sondern forderten eine umfassende Religionsfreiheit.11 Dass diese Forderung einer inneren Haltung entspricht, ergibt sich aus Fausto Sozzinis (1539–1604) posthum 1611 veröffentlichten Tractatus de Ecclesia, in dem die Grundlage für eine umfassende „dogmatische Toleranz“12, so Joseph Lecler, gelegt wurde. Sozzini vertrat darin die beiden für seine Zeit ungeheuren Ansichten, dass erstens die Kirche nicht nur irren könne, sondern schon immer – selbst bei den heilsnotwendigen Dingen – geirrt gabe13 und dass man zweitens auch außerhalb der Kirche selig   9 10

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Catechesis: Praef., S. 3r: „Cur non meministis, unicum duntaxat esse Magistrum nostrum, cui ista competunt, Christum: nos vero omnes fratres esse, quorum nulli potestas ac dominium in Conscientiam alterius concessum est?“ Vgl. hierzu die umfassende Studie von Joseph Lecler S.J.: Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation. Übersetzung aus dem Französischen von Elisabeth Schneider. 2 Bände. Stuttgart 1965. In meinem Aufsatz Zwischen Duldung und Hinrichtung. Toleranzdebatten im konfessionellen Zeitalter, 1580–1650 (in: DZPhil 63,1 (2015), S. 22–57) habe ich versucht, die konfessionellen Differenzen in der Toleranzfrage bei den Katholiken, Reformierten, Lutheranern und Sozinianern herauszuarbeiten. Der dortige Abschnitt zu Johann Crell wird hier in einer ausführlicheren Fassung gegeben. Die Sozinianer äußerten sich in ihren Toleranz-Traktaten nicht zu der Frage, wie mit den nicht-christlichen Religionen des Judentums und Islams zu verfahren sei. Es erscheint zweifelhaft, ob die Sozinianer sich auf einen so weit gehenden Toleranzbegriff hätten verständigen können. Lecler: Geschichte der Religionsfreiheit, Bd. 1, S. 556. Lecler bewerte diese dogmatische Toleranz negativ, da sie den Weg zu Deismus und Naturreligion gebahnt habe. Vgl. Fausto Sozzini: Tractatus de ecclesia. Raków 1611. Erneut abgedruckt in: Ders.: Opera omnia in duos tomos distincta. Irenopoli [i.e. Amsterdam] 1656 [1668], t. I, S. 323–353, hier: 345a: „Ad id vero attinet, non esse nempe hoc tempore Ecclesiam illam Apostolicam & primaevam instaurandam sine speciali aliquo mandato, propterea quia defectio post ipsos Apostolos plena subsecuta est, adeo ut ipsum quoque fundamentum sublatum fuerit: Non satis intelligo, quid vos Apostolicae illius primaevae Ecclesiae nomine intelligatis. Etenim si eam Ecclesiam intelligitis, quae nullo modo errare possit, idque ipsamet jure sibi persuadere queat; nulla unquam fuit talis Ecclesia, etiamsi de erroribus loquamur […] Caeterum ecclesiam illam universam, cujus ipsi Apostoli fundatores fuerant, id est, coetus hominum Jesum Christum profitentium, quotquot ab ipsis Apostolis fuerant instituti, errare potuisse atque seduci, dum adhuc ipsi Apostoli viverent, illorumque curam gererent […].“ Zu Sozzinis Kirchenbegriff und seinen Nachwirkungen sowie zur Frage nach der Kirchendisziplin vgl. Otto Fock: Der Socinianismus nach seiner Stellung in der Gesamtentwicklung des christlichen Geistes, nach seinem historischen Verlauf und nach seinem Lehrbegriff. Kiel 1847. Neudruck Aalen 1970, S. 690–704. Von Sozzini gibt es keine Toleranzschrift im eigentlichen Sinne. Gleichwohl dürfte er mit den Debatten seiner Zeit vertraut gewesen sein. So verwies Delio Cantimori: Italienische Häretiker der Spätrenaissance. Basel 1949, S. 341, auf Mino Celsi, den Sozzini 1574 in Basel kennengelernt haben könnte. Celsi arbeitete zu dieser Zeit erneut an seinem bedeutenden Toleranz-Traktat, der dann 1577 unter dem Titel In haereticis coercendis

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werden könne.14 Die Kirche sei nur eine (freiwillige) Versammlung (congregatio) der Gläubigen – eine Bestimmung, die John Locke gute siebzig Jahre später aufnehmen sollte.15 Deshalb, so Sozzini, müsse die Kirche in religiöser und gesellschaftlicher Hinsicht tolerant sein. Er verwarf jede Einmischung der Obrigkeit in die Angelegenheiten der Kirche, plädierte stattdessen für eine strikte Trennung des himmlischen vom irdischen Reich.16 Ganz ähnlich äußerte sich Jonas   quatenus progredi liceat: Mini Celsi Senesis disputatio ohne Angabe des Druckorts erscheinen sollte. Die zweite Auflage aus dem Jahre 1584 wird fälscherlicherweise mit Lelio Sozzini (1525–1562), dem Onkel von Fausto, in Verbindung gebracht, der zu dieser Zeit aber schon viele Jahre tot war. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sozzini ferner die verschiedenen Toleranz-Traktate von Sebastian Castellio (1515–1563) gekannt hat, insbesondere dessen Hauptwerk De haereticis, an sint persequendi, et omnino quomodo sit cum eis agendum, Luteri et Brentii, aliorumque multorum tum veterum tum recentiorum sententiae. Liber hoc tam turbulento tempore pernecessarius, et cum omnibus, tum potissimum principibus et magistratibus utilissimus, ad discendum, quodnam sit eorum in re tam controversa, tamque periculosa, officium (Magdeburg [i.e. Basel] 1554). Dieses Werk war bekanntlich als Antwort auf die Hinrichtung Servets gegen Calvin verfasst worden. Auf die Traktate von Celsi und Castellio komme ich im Verlauf des Beitrags zurück. 14 Vgl. Sozzini: Tractatus de ecclesia, S. 349a: „Nihil autem vetabat tunc, quemadmodum nec hodie vetat, quominus posset quis veram Christi disciplinam amplecti & retinere, nec tamen ulli externae Ecclesiae se adjungere, quod fortasse omnes alicujus erroris ad salutem ipsam pertinentis, sive jure sive injuria suspectus haberet.“ Sozzini hielt daher eine Restauration der äußeren Kirche weder für möglich noch für notwendig. Es sei unmöglich, inter tot Christiani orbis dissensiones (ebd., S. 348b) die eine Wahrheit zu erkennen, die der wahren Kirche eigne. 15 Vgl. Sozzini: Tractatus de ecclesia, 352a. John Locke: Ein Brief über Toleranz. Übersetzt, eingeleitet und in Anmerkungen erläutert von Julius Ebbinghaus. Englisch – Deutsch. Hamburg 1996, S. 18: „A church then I take to be a voluntary socienty of men, joining themselves together of their own accord, in order to the public worshipping of God, in such a manner as they judge acceptable to him, and effectual to the salvation of their souls.“ 16 Grundlegend ist hier Sozzinis Schrift Ad Jac. Palaeologi librum, cui titulus est, defensio verae sententiae de magistratu politico, Raków 1581. Erneut veröffentlicht in Sozzini: Opera omnia, t. II, S. 1–114. Dort behandelte Sozzini ausführlich die Fragen, ob man an einem Krieg teilnehmen dürfe, ob man Steuern zahlen müsse und ob man dem Magistrat gehorchen müsse bzw. ob es ein Widerstandsrecht gebe. Die Herrschaft des himmlischen Reichs gebühre Christus als rex ecclesiae. Daher könne es keinen irdischen König der christlichen Kirche und damit auch keinerlei Befugnis der Obrigkeit in Glaubensfragen geben. Es heißt in: ebd., p. II, 73a: „Nam, si Ecclesiae Christianae nullus terrenus Rex datur, sed tantummodo caelestis Christus, primum id necessario sequitur, Ecclesiam Christianam, in terris licet degentem, terrenum tamen regnum non habere, & proinde Christianorum possessionem, & bona, non terrena, sed caelestia esse.“ Keine Macht könne daher einen Christen zwingen, etwas zuzugeben, was Christus selbst verneine. Diese Ansicht führte zu einer spannungsreichen Haltung gegenüber der Frage, ob ein Christ herrschen dürfe. Er darf es nicht, sofern diese Herrschaft nur Christus zukommt; er darf es wegen der malitia mundi, die einer Herrschaft bedarf. Wichtig bleibt aber die Trennung beider Reiche (vgl. ebd., 74a–b). Ferner betonte Sozzini, dass als härteste Maßnahme der Kirche nur die Exkommunikation in Frage komme. Vgl. zu dieser Schrift ausführlich Stanisław Kot: Socinianism in Poland. The Social and Political Ideas of the Polish Antitrinitarians in the Sixteenth and Seventeenth Centuries. Boston 1957, S. 82–96.  

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Schlichting (1592–1661) in seinem Kommentar zum Römerbrief: Der Magistrat müsse sich innerhalb der Grenzen der zivilen (d.h. nicht religiös motivierten) Sittlichkeit halten, während das Urteil über die Gewissen und ihre mögliche Bestrafung allein Gott vorbehalten bleibe.17 Auf dieser ekklesiologischen Grundlage verfassten die Sozinianer Samuel Przypkowski und Johann Crell ihre beiden bedeutenden Schriften zur Toleranzfrage, die hier Gegenstand der Untersuchung sein sollen. Przypkowski zielte in seiner Dissertatio de pace et concordia ecclesiae von 1628 auf eine umfassende Tolerierung auch vermeintlich häretischer Ansichten ab, um die Eintracht der Kirche trotz disparater Ansichten über die Dogmen zu bewahren. Crell entwickelte in seiner Schrift Vindiciae pro religionis libertate von 1637 ein sehr feines Gespür für die Konsequenzen von Verfolgung und beschrieb in aller Eindringlichkeit die juristischen, politischen und psychologischen Folgen von Intoleranz. Beide Schriften, die hier zum ersten Mal soweit wie möglich kontextualisiert werden sollen, um ihren historischen Hintergrund stärker als bisher aufzuhellen, waren ein Stachel im Fleisch der etablierten Konfessionen, die sich im 17. Jahrhundert zu einer solch umfassenden Duldung Andersgläubiger nicht durchringen konnten.18 Es soll gezeigt werden, dass sich die Heterodoxie hier einmal mehr als Motor gesellschaftlicher Entwicklungen erweist. Diese Einschätzung soll sich mit einem abschließenden kurzen Blick auf die Rezeption dieser Werke in der Frühaufklärung erhärtet werden. 1. SAMUEL PRZYPKOWSKI: TOLERANZ AUS MANGEL AN WISSEN Samuel Przypkowski19, der erste Biograph Sozzinis, wurde um 1592 in der Nähe von Tarnów (Polen) geboren und starb 1670 in Königsberg. Er studierte von 1614 bis 1616 an der lutherischen Universität in Altdorf, die seit den Zeiten Ernst So  Sarah Mortimer: „Human Liberty and Human Nature in the Works of Faustus Socinus and His Readers“, in: JHI 70,2 (2009), S. 191–211. 17 Vgl. Jonas Schlichting: Commentarius in Epistolam Apostoli Pauli ad Romanos, in: Ders.: Commentaria posthuma, in plerosque Novi Testamenti libros. Irenopoli [i.e. Amsterdam] 1656 [1668], S. 155–325, hier: S. 301a: „Magistratus igitur intra civilis honestatis metas manere debet, ubi nullus errori locus est. Conscientiarum judicium ac poenam Deo, qui errare non potest, relinquat. Quod sit observatum fuisset a potestatibus civilibus, tot sanctissimi viri, tot innocentissimi Martyres occisi non fuissent.“ 18 Vgl. hierzu Sascha Salatowsky: „Zwischen Duldung und Hinrichtung. Toleranzdebatten im konfessionellen Zeitalter, 1580–1650“, in: DZPhil 63,1 (2015), S. 22–57. Dort werden neben den Sozinianern die Positionen der Katholiken, Reformierten und Lutheraner umfangreich verhandelt. Der dortige Abschnitt zu Johann Crell wird hier in ausführlicherer Fassung gegeben. 19 Zu Leben und Werk vgl. Friedrich Samuel Bock: Historia Antitrinitariorum, maxime Socianismi et Socinianorum. Tomus primus et secundus. Leipzig 1774–1784. ND Leipzig 1978, hier: t. I 2, S. 667–700.

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ners (1572–1612) als Hochburg des Krypto-Sozinianismus galt.20 Anschließend ging er nach Leiden, wo er die zunehmenden Zerwürfnisse innerhalb der Reformierten erlebte, die schließlich 1619 auf der Dordrechter Synode zum Verbot der Remonstranten und zu ihrer anschließenden Verfolgung führten. Diese aufgeheizte politische und religiöse Stimmung, die seit dem Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 auf ganz Europa übergriff und im 30jährigen Krieg mündete, war der Anlass für die Abfassung der Dissertatio de pace et concordia Ecclesiae durch den damals 26jährigen Przypkowski, die er allerdings erst 1628, „only significantly shortly after the revocation of the sanctions imposed on the Remonstrants and their readmission to Holland“21, in Amsterdam unter dem bezeichnenden Pseudonym Irénée Philalethes veröffentlichen ließ.22 Diesen Zusammenhang mit den politischen Wirrnissen belegen auch die ersten Worte der Schrift: „Dieses sehr unruhige Zeitalter, verehrter Leser, schwillt an vor politischen wie kirchlichen Zwistigkeiten und Kriegen. Der goldene Frieden wird von den meisten durch Gebete und mit Seufzern erhofft.“23 In seiner Erörterung versuchte Przypkowski den Ursachen für diese Zwietracht auf den Grund zu gehen und Lösungen für die grassierende Intoleranz anzubieten.   20 Vgl. hierzu Gustav Georg Zeltner: Historia Crypto-Socinismi Altorfinae quondam Academiae infesti arcana. Ex documentis maximam partem Manuscriptis ita adornata ut cum historiae illorum hominum illustrandae tum dogmatibus in universum refellendis inservire possit. Accesserunt praeter alia Valentini Smalcii Diarium vitae ex autographo et Martini Ruari epistolarum centuriae duae. Leipzig 1729. Karl Braun: „Der Socinianismus in Altdorf 1616“, in: Zeitschrift für bayrische Kirchengeschichte 8 (1933), 2. Heft, S. 65–81; 3. Heft, S. 129–150. 21 Luisa Simonutti: „Resistance, Obedience and Toleration: Przypkowski and Limborch“, in: Socinianism and Arminianism. Antitrinitarians, Calvinists and Cultural Exchange in Seventeenth-Century Europe. Edited by Martin Mulsow and Jan Rohls. Leiden 2005, S. 187–205, hier: S. 195. 22 Vgl. Anonymus [i.e. Samuel Przypkowski]: Dissertatio de pace et concordia Ecclesiae. Edita per Irenaeum Philalethen. Eleutheropolis [i.e. Amsterdam] 1628. Eine zweite überarbeitet Auflage erschien 1630, ebenfalls in Amsterdam. Der Text wurde schließlich in den vom Remonstranten Philipp van Limborch (1633–1712) protegierten und von Benedikt Wissowatius herausgegebenen gesammelten Werken von Przypkowski aufgenommen: Cogitationes sacrae ad initium evangelii Matthaei et omnes epistolas apostolicas. Nec non tractatus varii argumenti, praecipue de jure christiani magistratus. Eleutheropolis [i.e. Amsterdam] 1692, S. 371– 386. Nach dieser Ausgabe wird zitiert. Bock: Historia I 2, S. 675, verwies auf eine zeitgenössische deutsche Übersetzung mit dem Titel Vom dem Friede und Einträchtigkeit der Kirchen, die nicht mehr auffindbar ist. Eine englische, von John Bidle (1616–1662) angefertigte Übersetzung erschien 1653, 1688 und erneut 1708 in London unter dem Titel Dissertatio de Pace, or A Discourse Touching the Peace and Concord of the Church. Diese Übersetzung wurde lange John Hales (1584–1656) zugeschrieben. Zur Rezeption dieser Schrift in England vgl. Herbert John McLachlan: Socinianism in Seventeenth-Century England. Oxford 1951, S. 74– 76, 203–205, sowie den Aufsatz von Justin Champion in diesem Sammelband. Vgl. ferner die knappen Angaben Lecler: Geschichte I, S. 559–561. Paul C. H. Lim: Mystery Unveiled. The Crisis of the Trinity in Early Modern England. Oxford 2012, S. 61f. 23 Przypkowski: De pace, Ad lectorem, S. 371: „Tumultuosum hoc saeculum, Lector candide, dissidiis bellisque, tam politicis quam ecclesiasticis, turget. Aurea pax plurimorum votis ac suspiriis expetitur.“

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Da Przypkowski in seiner Schrift auf keine Autoren namentlich Bezug nahm, bleibt der direkte Hintergrund seines geistigen Horizonts dunkel.24 In Anbetracht seines Studiums in Altdorf und Leiden kann man davon auszugehen, dass Przypkowski die aktuellen Toleranzdebatten nicht nur in Polen, sondern auch in Deutschland und Holland kannte. Vor allem in Holland waren am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts zahlreiche Toleranztraktate erschienen, die prägend auf den Sozinianer gewirkt haben könnten. Ich erwähne hier nur stellvertretend den reformiert-orthodoxen Ireniker Franziskus Junius (1545–1602),25 den Politiker und Humanisten Dirck Coornhert (1522–1590), der die Gedanken von Castellio und Celsi weitervemittelte,26 den bekannten Gelehrten, Staatsrechtler und Arminianer Hugo Grotius (1583–1645)27 und vor allem den Remonstranten Simon Episcopius (1583–1643).28 Da Przypkowski in seiner Schrift die Position eines gemäßigten reformierten Gelehrten einnahm, der mancher Lehre Sozzinis durchaus kritisch gegenüberstand,29 dachten manche, Episcopius sei ihr Autor gewesen. Philipp van Limborch verneinte diese Autorschaft freilich.30 Man kann vermuten, dass Przypkowski auf   24 Dies ändert sich auch nicht durch die Berücksichtigung der wohl von van Limborch verfassten Praefatio ad lectorem, die den Cogitationes sacrae des Przypkowski vorangestellt worden ist, vgl. ebd., S. *2r–**3v. Vgl. ferner Bock: Historia I 2, S. 667–670. 25 Vgl. Lecler: Geschichte II, S. 332–335. 26 Vgl. Lecler: Geschichte II, S. 335–352. Fimpel: Celsis Traktat, S. 82–90. Gerhard Güldner: Das Toleranz-Problem in den Niederlanden im Ausgang des 16. Jahrhunderts. Lübeck und Hamburg 1968, S. 65–91, 99–107. Coornheert führte oft die goldene Regel an, die er direkt aus Mt 7,12 entnahm: „Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ 27 Vgl. Lecler: Geschichte II, S. 376f., 384f., 391–397. Florian Mühlegger: Hugo Grotius. Ein christlicher Humanist in politischer Verantwortung. Berlin 2007, S. 138–162, 225–247 und passim. 28 Episcopius verfasste selbst bedeutende Toleranz-Schriften und griff 1630 anonym mit der Apologia de confessione in den weiterhin schwelenden Konflikt zwischen den Remonstranten und Contra-Remonstranten ein. Vgl. hierzu im Einzelnen Lecler: Geschichte II, S. 388–391; Salatowsky, „Zwischen Hinrichtung und Duldung“, S. 34–36, sowie vor allem den Aufsatz von Kȩstutis Daugirdas in diesem Sammelband. Der enge Gedankenaustausch zwischen den Sozinianern und Remonstranten wird auch daran deutlich, dass van Limborch einen entscheidenden Anteil an der Edition der eben genannten Cogitationes sacrae von Przypkowski hatte. Vgl. hierzu Simonutti, „Resistance, Obedience and Toleration“, S. 191–193. 29 So missbilligte Przypkowski Sozzinis Ansicht von der Person Christi, wonach dieser weder von Ewigkeit her existiere noch in sich die göttliche und menschliche Natur vereine. Dagegen billigt er dessen Ablehnung der Trinitätslehre, da er überzeugend gegen die Ansicht von der Wesenseinheit dreier Personen und gegen die spitzfindigen Annahmen über das ewige Entstehen des Sohnes Jesu Christi aus dem Wesen des Gottvaters disputiere und von seinen Gegnern nicht ohne eine petitio principii widerlegt werden könne (vgl. Przypkowski: De pace, Ad lectorem, S. 28). 30 Vgl. Philipp van Limborch: Historia vitae Simonis Episcopii. Amsterdam 1701, S. 309: „Anno millesimo sexcentesimo vigesimo ocatvo, libellus sine nomine Scriptoris erat editus, De Pace ac Concordia Ecclesiae, quem scriptum aiebant in defensionem Socinianorum,  

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diese Weise bei den Remonstranten31 und anderen liberalen Reformierten um Verständnis für die sozinianische Position werben und in der zentralen Toleranzfrage eine gemeinsame Haltung herbeiführen wollte. Auffällig ist hierbei, dass er die Frage in einem rein innerkirchlichen Rahmen diskutierte, ohne Bezugnahme auf die weltliche Obrigkeit.32 Er gab damit deutlich zu erkennen, dass die Glau  eorumque doctrinae. Auctorem hujus libelli Episcopium esse contendebant, licet illo minime conscio scriptus esset, nec nosset Scriptorem.“ 31 Dafür spricht auch, dass Przypkowski am Ende seiner Vorrede ein längeres Zitat aus dem Kommentar des reformierten Theologen Konrad Graser (1557–1613) zum Buch Daniel präsentierte, der dort eine einfachere Theologie forderte, die den ganzen scholastischen und nicht-biblischen Begriffsapparat abwerfe und ganz im Sinne der alten israelitischen Kirche nicht neugierig alle Mysterien zu erkennen versuche: „Ego existimo, Ecclesiam Israeliticam melioribus sui temporibus mysterium Trinitatis rectius intellexisse: sanius aestimasse, & sanctius tractasse, quam Ecclesiam Gentium ullo tempore. […] Deinde ut indicarent ea, per quae Deus se […] revelasset, religiose potius custodienda & observanda esse, quam ut profano vulgi usui aut humanae disceptationi permitterentur. Quae sancta & castissima consuetudo si in Ecclesia Catholica olim observata fuisset, aut adhuc observaretur, Theologiam hodie multo simpliciorem haberemus, ambitiosaeque contentionis, & scandalosissimorum certaminum minus esset.“ Diese Äußerung liegt ganz auf der Linie der Sozinianer, dass das Christentum sich zu sehr in spekulativen Spitzfindigkeiten verloren habe, die nicht heilsrelevant seien. 32 Przypkowski hat in mehreren Schriften noch einmal in aller Ausführlichkeit das Verhältnis von Obrigkeit und Kirche beleuchtet und dabei wie Sozzini die Differenzen beider betont. Vgl. im Einzelnen: 1. Animadversiones in libellum cui titulus, de qualitate regni Domini nostris Jesu Christo, ubi inquiritur, an Christiano, sive regni ejus subdito, terrenae dominationes conveniunt (um 1650 verfasst), abgedruckt in: Przypkowski: Cogitationes sacrae, S. 621–681. Dort heißt es, S. 629a: „Ex quo ipso apparet […] in eodem populo Christi duplicem eumque diversum & quasi contrarium statum non modo esse posse, sed reipsa reperiri. Alterum in quo personarum delectus locum non habet; alterum in quo habet: alterum in quo omnes Coactivae potestati subjacere non possunt; alterum in quo possint. Breviter: alterum in Ecclesia; alterum in Republica. Ecclesia enim Rempublicam non sustulit sed confirmavit: proinde nec Ecclesiastici institutio; politici regiminis institutionem in populo Christi abrogavit sed intra suas singula regimina metas, ita contineri voluit, ut alteram in alterius messem falcem non immitteret. Iniquissimum est si Coactivam potestantem Respublicae regimini Ecclesiastico immisceat. Sed nec magis aequum, si Ecclesia gladium, quem Deus ipse potestatibus politicis dedis, e manibus extorqueat.“ 2. De jure Christiani Magistratus & privatorum in Belli pacisque negotiis, abgedruckt in: Cogitationes sacrae, S. 685–736. Przypkowski betonte dort, dass der christlichen Religion nichts ferner liege als Krieg und Zwang, mag auch die katholische Kirche anders handeln. Dies gelte sogar für das hebräische Volk, dem Krieg und Gewalt nicht nach dem moralischen Gesetz des Moses, sondern nach dem politisch-juristischem Gesetz vorgeschrieben worden seien. Der friedfertige Charakter der christlichen Religion werde auch dadurch deutlich, dass sie weder die (im übrigen ja von Gott so gewollten) politisch-juristischen Gesetze in irgendeiner Weise verändert noch ihnen irgendeine Norm vorgeschrieben hat. Bezüglich der Frage, ob in der wahren Kirche Christi dem Magistrat das jus vitae necisque und außerhalb der Kirche das jus belli pacisque zukomme, nahm Przypkowski die mittlere Position zwischen den beiden möglichen Extremen ein: „Sunt enim qui [wie die radikalen Pazifisten unter den Sozinianern Daniel Zwicker und Joachim Stegmann jn.] non modo necis aut supplicii potestatem, sed omnem omnino Magistratus supereminentiam, atque omne jus Coactivae potestatis, ex Ecclesia eliminata volunt. Alii [wie die römische Kirche]  

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bensfrage nicht mithilfe von staatlichen Institutionen und ihren verschiedenen mehr oder weniger subtilen Formen der Bestrafung zu klären sei.33 Das entscheidende theologische Argument für die Gewährung einer umfassenden Toleranz entnahm Przypkowski einer Tatsache, die alle Konfessionen betonten: Die Unwissenheit aller Christen bezüglich der göttlichen Natur.34 Ein Christ kann wissen, was Gott nicht ist, nicht aber, was er ist. Im Unterschied zu den etablierten Konfessionen zog Przypkowski hieraus eine wichtige Konsequenz: Wenn wir Gott nicht sicher erkennen können, dann können die Fragen nach seinem Wesen und nach dem Unterschied der drei Personen nicht heilsrelevant sein. Jemand kann also auch dann das Heil erreichen, wenn er – und mit dieser Ansicht grenzte sich Przypkowski scharf von Theodor Beza (1519–1605) ab35 – anders als unwissend über diese Dinge ist oder sich sogar irrt.36 Er begründete diese Ansicht damit, dass der Glaube an die Verheißungen Christi und der Gehorsam bezüglich seiner Lehren weder durch Irrtum noch durch Unwissenheit aufgehoben werden können. Der Glaube orientiere sich am apostolischen Glaubensbekenntnis, das den ursprünglichen Glauben der ersten Christen unverfälscht formuliere. Dort  

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Magistratus quidem aut summos potestates & ipsum jus Coactiva potestatis, palam ex Ecclesia exterminare non audent, verum ipsis id adimunt, sine quo non possunt esse magistratus aut summae potestates: hoc est, belli pacisque gladium.“ (Ebd., S. 690b) 3. Apologia prolixion tractatus de jure Christiani magistratus, abgedruckt in: Cogitationes sacrae, S. 739–851. 4. Vindiciae tractatus de magistratu contra objectiones Danielis Zwickeri, abgedruckt in: Cogitationes sacrae, S. 855–880. Zu diesen Schriften vgl. Kot: Socinianism in Poland, S. 183–207. Bock: Historia I 2, S. 684f. Es soll nicht verschwiegen werden, dass auch die Antitrinitarier vor der Gefahr standen, sich intolerant gegenüber Abweichlern zu verhalten. So hat Giorgio Biandrata (um 1515–um 1590) den Non-Adoranten Ferencz Dávid (1510–1590) ins Gefängnis werfen lassen, wo er verstarb. Vgl. Przypkowski: De pace, cap. II, 374a: „Naturam profecto Dei nemo mortalium comprehendere potest […].“ Theodor Beza hatte die Ansicht vertreten, dass die Häretiker „sciens et prudens“ (De Haereticis a civili Magistratu puniendis libellus, adversus Martini Bellii farraginem, et novorum Academicorum sectam. [Genf] 1554, S. 213), d.h. wissentlich und willentlich und damit auf böswillige Weise ihre verderblichen Ansichten verbreiten. Er brachte diese Haltung auch auf die kurze Formel: „volens ignorat veritatem“ (ebd., S. 151). Mit diese Beschreibung, so Ludwig Fimpel, erklärte Beza „den Ketzer zum Verbrecher“ (Mino Celsis Traktat gegen die Ketzertötung. Ein Beitrag zum Toleranzproblem des 16. Jahrhunderts. Basel u.a. 1967, S. 22). Beza war einer jener Scharfmacher, der die Todesstrafe für Ketzer forderte. Sie verdienen als „animicidae“ eine weit schwere Bestrafung als die Mörder, die ,nur‘ den Leib töten (Beza: De Haereticis, 96). Gegen Beza schrieb nicht nur Castellio an, sondern auch der oben erwähnte Mino Celsi, der sich vehement gegen die Gleichsetzung von Häresie und Verbrechen wandte und in Glaubensdingen eine Unterscheidung zwischen Unwissensheit und Bosheit verlangte (vgl. Celsi: In Haereticis, S. 167b). Ein Ketzer könne durchaus im guten Glauben handeln, wie es gleich eingangs heißt, S. 8b: „constanter adfirmamus, haereticum, si pietatem, ac religionem extrinsecus prae se ferat, non id ut hypocritam simulate facere, sed quia recte se opinari firmiter credit.“ Vgl. Przypkowski: De pace, cap. II, S. 374a: „Error in his [sc. explicatio essentiae Dei et distinctionis personarum] si non tollit salutem; multo minus ignorantia.“

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werde die Trinitätslehre jedoch nicht beschrieben. Gleichzeitig, so Przypkowski, glaubt ein jeder Christ fest an die Verheißung Gottes, ihn durch seinen Sohn das Heil, nämlich die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben, zu schenken. Hier zweifelt der Christ nicht am Willen Gottes, mag er sich auch bezüglich seines Wesens irren. In letzter Konsequenz bedeutet diese Position, dass sich der Mensch mit seinem Willen an jene Verheißungen hält, die als heilsrelevant klar in der Schrift formuliert sind, während er dort, wo seine Erkenntnis nichts vermag, also bei der schwierigen Frage nach der Trinität bzw. den zwei Naturen Christi, nichts wollen kann.37 Przypkowski schloss dabei nicht aus, dass es Lehren gibt, an die notwendigerweise geglaubt werden müsse. Als Beispiele nannte er die Allmacht Gottes, den Schöpfungsakt und die Vorsehung, auch wenn sie keine Verheißungen seien. Ein Irrtum in diesen Fällen sei nicht nur gefährlich, sondern vollkommen schädlich. Aber: Errores circa dogmata, Irrtümer bezüglich der Dogmen (wie der Trinitätslehre) zerstören nicht den Glauben.38 Damit ist der entscheidende Grund benannt, auf dem der Toleranzgedanke des Sozinianers ruhte: Wenn die spekulativen Dogmen keine Heilsrelevanz besitzen, dann muss in diesen Fragen eine Toleranz walten, selbst wenn jemand vermeintlich ,häretische‘ Ansichten vertritt. Przypkowski hielt es für evident, dass ein Irrtum kein Akt des Ungehorsams sei. Denn der Irrtum beruhe auf einem Missverständnis, während der Ungehorsam in einer Verdrehtheit des Willens bestehe.39 Entscheidend sei ferner nicht die Wirkung, d.h. die Handlung, sondern die Absicht, die Gott allein betrachte. Przypkowski verwies in diesem Zusammenhang auf Abraham, der letztlich Gottes Befehl nicht gehorchte, Isaak zu opfern, obwohl er mit ganzer Kraft gehorchen wollte.40 Und dennoch heißt es in Hebr 11,8, dass Abraham durch den Glauben gehorsam wurde. Mit diesem etwas schiefen Beispiel wollte Przypkowski offensichtlich verdeutlichen, dass man die Christen an ihrer Gesinnung messen soll und nicht an ihren Taten. Worauf er hiermit abzielte, ist klar: Mögen sich die Sozinianer auch irren, wenn sie von der ,wahren‘ Erklärung der Trinitätslehre abweichen, so gehorchen sie dennoch den christlichen Geboten mit vollem Herzen, weil sie glauben wollen. Und sie glauben das, wovon sie meinen, dass es wahr ist, und   37 Für Przypkowski ist also nicht die Absurdität einer Lehre der ausschlaggebende Grund für ihre Ablehnung, sondern ihre praktische Relevanz. So lehnte er die Lehre von der resurrectio mortuorum nicht ab, obwohl sie ja nicht weniger irrational ist als die Trinitätslehre. 38 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. II, S. 375a: „Verum enimvero errores circa dogmata, de quibus tota ista instituta est oratio; patuit neutrum fidei membrum, saltem natura sua & necessario subvertere.“ 39 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. II, S. 374b: „Proinde quantumlibet cognitio nostra in difficilioribus caecutiat, potest tamen voluntas ad divinae legis (qua nihil est manifestius atque apertius) obsequium conformari.“ 40 Der Gehorsam ist bei den Sozinianern eine entscheidende Komponente des Glaubens. Vgl. hierzu mit Nachweisen Fock: Socinianismus, S. 673–676. Es wäre interessant zu prüfen, ob Spinoza seine Gleichsetzung von Glauben und Gehorsam nicht von den Sozinianern her entwickelt hat.

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entsprechend handeln sie. Alles Übrige verhindert ihre Unwissenheit41, die für Przypkowski in der Nachfolge von Castellio42 und Celsi43 kein Grund für eine Bestrafung sein kann. Kann aber Unwissenheit wirklich eine Entschuldigung sein? Was, wenn sie bloß vorgespielt wird, um die absurdesten Ansichten zu vertreten?44 Przypkowski verteidigte eine solche affectata ignorantia nicht, die bei jenen vorgelegen habe, die von den Aposteln abgewichen seien. Aber im Blick auf jene Christen, die nach so langer Dunkelheit in der Kirche das aufgehende Licht noch nicht vom trügerischen Schein unterscheiden könnten, könne niemand sagen, dass sie aus Boshaftigkeit oder Schuld sündigten. Przypkowski berücksichtigte hier die spezifische Situation seiner Zeit, wonach erst die Reformation die Kirche aus der Nacht in den beginnenden Morgen geführt habe. Da die Reformation jedoch noch nicht an

  41 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. V, S. 377b: „Fac praeceptum esse, credere veram SS. Trinitatis explicationem. Non parent [sc. Sociniani] huic praecepto reipsa simpliciter errantes; dissentiunt enim a vere sentientibus, parent tamen mente & animo, quia volunt credere, & credunt id omne quod putant verum; licet ipsius veri genuinum sensum in omnibus non assequantur. Et ita quae possunt faciunt. Caetera facere ab ignorantia prohibentur.“ 42 Vgl. Castellio: De Haereticis, S. 24f.: „Nam de baptismo, de coena domini, de invocatione sanctorum, de iustificatione, de libero arbitrio, caeterisque multis obscuris quaestionibus, acres sunt controversiae, ut Catholici, & Lutherani, & Zwingliani, & Anabaptistae, & Monarchi, caeterique alii alios longe etiam magis damnent ac persequantur, quam Turcae Christianos, quae profecto dissidia non aliunde proficiscuntur quam ex ignorantia veritatis.“ Zum Toleranzentwurf von Castellio vgl. Hans R. Guggisberg: Sebastian Castellio (1515-1563). Humanist und Verteidiger der religiösen Toleranz im konfessionellen Zeitalter. Göttingen 1997. Barbara Mahlmann-Bauer: „Häresie aus juristischer Sicht. De haereticis an sint persequendi im Kontext“, in: Friedrich Vollhardt (Hg.): Toleranzdiskurse in der Frühen Neuzeit. Berlin, Boston 2015, S. 43–86. 43 Celsi nannte es gleichsam ein Naturgesetz, dass der Mensch sich irre. Dem könnten sich auch die Kirchenlehrer nicht entziehen. Umso merkwürdiger, wenn einige sich dennoch eine Allwissenheit über die Hl. Dinge anmaßten: „Meminerint igitur homini natura proprium esse decipi, & errare […] Quod si ijdem ipsi profani Philosophi hanc naturae infirmitatem in homine cognoverunt, neque semet ipsos ab huiusmodi communi naturae lege subtraxerunt: cur ij, qui coelesti lumine divinitus sunt perfusi, sese homines esse, adeoque & humanis conditionibus obnoxios, non agnoverint? Atque utinam, iterum autem utinam, Christiani omnes a Christi interea imitatione ne latum quidem unguem aberrantes […].“ (Celsi: In Haereticis, Prooem., S. Aiiijv) Angesichts der verwirrenden Zeiten, wo keiner mehr wisse, wo der rechte Glaube zu finden sei, bleibe nur Bescheidenheit statt eines neuen Zelotentums: „Quid hic dicent nostri divinae gloriae novi Zelatores, et vindices, qui nihil se ignorare arbitrantur, et novos academicos vocant eos, qui adhuc de multis dubitant, seu potius alios dubitare debere contendunt, eatenus saltem, ut ab ipsis dissentientibus ferro et flammis non persequantur.“ (ebd., s. II, S. 103b) Celsi kam damit der bahnbrechenden Erkenntnis von Bayle nahe, dass der Absolutheitsanspruch jeder Religion fallengelassen werden müsse. 44 Auch dieses Argument lässt sich auf Beza zurückführen, der betonte, dass der Ketzer seinen guten Glauben nur heuchele, weshalb dolus & improbitas seine Markenzeichen seien (vgl. Beza: De Haereticis, S. 246).

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ihr Ende angekommen sei, seien Fehler verzeihlich.45 Und warum sollte man denjenigen sogleich als Ungläubigen bezeichnen, der nicht vollkommen erkennt, was nicht zur Natur des Glaubens gehört und was ohnehin niemand vollständig erkennen kann, nämlich die Mysterien? Ein bloßer Irrtum im Geiste werde von Gott im neuen Bund nicht mit ewigen Höllenstrafen bestraft.46 Przypkowski betonte also auch hier die Differenz von Wille und Erkenntnis. Seiner Ansicht nach ist es allein der verdrehte Wille, der die Schändlichkeit der Sünde annimmt, die im ganzen Universum keinen Platz hätte, wenn nicht Gott dem Menschen den freien und unversehrten Willen überlassen hätte.47 Dies gelte sogar dann, wenn der Mensch sie als Erlaubnis zum Sündigen (licentia peccandi) missbrauche. Die Schwäche des Intellekts verdiene folglich Mitleid und Nachsicht, die Verdrehtheit des Willens dagegen Abneigung und Bestrafung. Für diese Ansicht, die auch die schwersten geistigen Irrtümer entschuldigt, die Sünde im Willen dagegen mit einer entsprechenden Strafe belegt, verwies Przypkowski auf Lk 23,34, wo Jesus angesichts seiner anstehenden Kreuzigung sagt: ,Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!‘ Wenn nun selbst in der Unwissenheit eines so ungeheuren Mordes (imprudentia tanti parricidii) Raum bleibe für die Vergebung durch den Erlöser, sollten dann die Christen bloße Hirngespinste und eine harmlose Unwissenheit mit der Konsequenz einer ewigen Bestrafung der Häretiker verdammen? Dass die Antwort hierauf für Przypkowski nur ein deutliches Nein sein konnte, liegt auf der Hand. Klar ist auch, was dies für die Frage hinsichtlich der Tolerierung häretischer Ansichten bedeutet: In der Kirche sind auch jene Häretiker zu tolerieren, deren   45 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. I, S. 375a; cap. IV, S. 376b. Diese Einschätzung entspricht dem Selbstverständnis der Sozinianer, wonach erst sie die Reformation zu ihrem Ende geführt hätten. Przypkowski setzte seiner Abhandlung das Epigramm De ruina Babylonis voran, das einen pessimistischen Blick auf jenes bekannte, bei den Sozinianern umlaufende Distichon „Alta ruit Babylon; destruxit tecta Lutherus, / Muros Calvinus, sed fundamenta Socinus“ warf: „Quid per Lutherum, Calvinum, perque Socinum / Funditus eversam jam Babylona putas? / Perstat adhuc Babylon, & tota regnat in orbe, / Sub vario primum nomine robur habens. / Offentat muros, jactat sublimia tecta: / De fundamento quis metus esse potest? Ni Deus hanc igitur molem disjecerit ipse, / Humano nunquam Marte vel arte ruet.“ 46 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. V, S. 377b. Die Sozinianer lehnten die Lehre von den ewigen Höllenstrafen als unchristlich und ungerecht ab. Vgl. hierzu den berühmten Traktat von Ernst Soner Demonstratio theologica & philosophica, quod aeterna impiorum supplicia non arguant Dei justitiam, sed injustitiam, der erst posthum 1654 erschien und noch Leibniz und Lessing beschäftigten. Vgl. hierzu Eric Achermann: „Ratio und oratio mentalis. Zum Verhältnis von Aristotelismus und Sozinianismus am Beispiel von Ernst Soner“, in: Hanspeter Marti und Karin Marti-Weissenbach (Hg.): Nürnbergs Hochschule in Altdorf. Beiträge zur frühneuzeitlichen Wissenschafts- und Bildungsgeschichte. Köln u.a. 2014, S. 120–131. 47 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. V, S. 377b: „Haec [sc. voluntas] enim sola foeditatem peccati recipere potest: cui in tota rerum universitate locus non fuisset, nisi Deus voluntatem liberam & integram intelligentibus creaturis reliquisset.“ Damit schloss sich Przypkowski der bei den Sozinianern gängigen Ansicht von der durch den Sündenfall nicht verderbten Willensfreiheit an. Überhaupt lehnten die Sozinianer das Dogma von der Erbsünde ab. Vgl. hierzu mit Nachweisen Fock: Socinianismus, S. 653–662.

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Dogmen kaum tolerabel erscheinen.48 Sie sind zu tolerieren, weil sie Gott nichts Frevelhaftes zuschreiben und ihre Liebe zu Jesus durch das Befolgen seiner Regeln bezeugen. Przypkowski unterschied hier deutlich zwischen der Lehre und dem Leben der Häretiker, wobei das Leben in Fragen der Religion für ihn nie zur Disposition stand, während die irrtümliche Lehre durchaus mit geistigen Mitteln bekämpft werden könne. Przypkowski plädierte in diesem Zusammenhang für eine maßvolle Freiheit des Widerstreits (modesta libertas dissentiendi), und hoffte, dass Gott in die Kirche erneut jene beata tolerantia einführt, die einst in ihr gewirkt habe. Er war jedoch Realist genug, um im Blick auf die Geschichte zu erkennen, dass die Toleranz schnell in eine Intoleranz umschlägt, sobald man die Mehrheit bildet.49 Als Beispiel verwies er auf Luther und seine Anhänger, die einst gehofft hatten, von der katholischen Kirche toleriert zu werden. Nachdem sie aber die Macht in bestimmten Gebieten erreicht hätten, sei es zu Zerwürfnissen innerhalb dieser Bewegung und zur Aufsplitterung in Lutheraner und Reformierte gekommen.50 Das Ergebnis sei eine Verhärtung dogmatischer Positionen mit einhergehender massiver Intoleranz selbst innerhalb des Luthertums gewesen: Wer sich zum Beispiel geweigert habe, die Konkordienformel zu unterschreiben, hätte große Probleme bekommen. Später sei es zu weiteren Zerwürfnissen und Teilungen innerhalb der Reformierten mit den entsprechenden Verfolgungen, Verbannungen und Hinrichtungen gekommen. Przypkowski legte hier den Finger in die offene Wunde des Protestantismus, der sich vorhalten lassen musste, nach außen und sogar nach innen ähnlich intolerant zu agieren wie der Katholizismus. Przypkowski wusste, dass man gegen seine Haltung den folgenden gewichtigen Einwand vorbringen würde: Ist denn die Toleranz ein Wert an sich? Anders gefragt: Gibt es nicht eine berechtigte Sorge um die Reinheit der Religion, die von allen unzulässigen Hinzufügungen und häretischen Lehren frei zu halten ist? Kurz: Wie verhält es sich mit der cura religionis? Wer fordert eigentlich, dass die Christen einen Häretiker als ihren Bruder anerkennen sollen? Heißt es nicht bei Paulus in Titus 3,10f., dass man einen Häretiker nach mehreren Ermahnungen meiden solle? Wie oft sind die Abweichler ermahnt worden, die trotzdem bei ihren Irrtümern bleiben? Sind sie nicht irgendwann zu exkommunizieren? Für Przypkowski war bei all diesen Fragen mit größter Vorsicht vorzugehen: Gewiss habe Paulus befohlen, die Kirche rein zu halten und den gesunden Teil des Kirchenkörpers vom kranken abzuschneiden. Aber für den Menschen in Unwissen  48 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XI, S. 382b: „Nempe ut ostendam causae nihil esse, cur non eos [sc. haereticos] tolerandos in Ecclesia censeamus, quorum dogmata aut ipsa per se aut ob absurda consequentia, vix tolerabilia videntur […].“ 49 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XI, S. 383a. 50 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XI, S. 383a: „Olim in redeunte lucis Evangelicae crepusculo, Lutherus cum sequacibus optasset, se in Romanae Ecclesiae communione tolerari. Sed Pontificis intererat tenebris suis ab illuscente aurora providere. Iterum in exorto inter Lutheranos & Reformatos dissidio, quis oblatam concordiae formulam aspernatus est, nisi qui de causa dubitavit. Nunc etiam in ipsa reformata Ecclesia in dissensione de Fato nullis magis tolerantia displicet, quam quibus suae doctrinae fides suspecta est.“

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heit stellt sich hier das folgende Problem: Wer ist der richtige Chirurg? Und selbst wenn man dies wüsste, könne nicht immer der gesunde Teil vom kranken abgetrennt werden, ohne den ganzen Organismus zu schädigen.51 Auch habe Paulus betont, dass ein Häretiker sich selbst das Urteil spreche. Damit habe er deutlich gemacht, dass der Häretiker ein klares Wissen von seiner Sünde habe. Dies sei aber bei den Sozinianern nicht der Fall. Sie wüssten gar nicht, dass sie in dogmatischen Fragen sündigten. Przypkowski sah daher allein in der gegenseitigen Liebe die angemessene Haltung gegenüber derartigen Sündern. Niemand könne sicher sein, ob er nicht selbst in der Lehre sündige. Wer, so fragte der Sozinianer, kann in diesen elenden Zeiten, bei dieser Verwüstung der Kirche ohne Fehl und Tadel urteilen? Wo ist der Königsweg, den man sicher und ungehindert zum Heil beschreiten kann? Dieser Skeptizismus, der sich hier bei Przypkowski Bahn bricht, ist aus seiner Sicht das Ergebnis der vergeblichen Bemühungen der Katholiken und Protestanten, ,uns‘ von der Richtigkeit ihrer Hermeneutik zu überzeugen. Denn schon lange sei die Autorität der Kirche untergraben, da sie vom Antichristen beherrscht wird. Doch sei auch die Autorität der Hl. Schrift erschüttert, da sie vom Dornengestrüpp des Antichristen überwuchert sei und nur wenige in der Lage seien, den Weg zu ihr zu finden.52 Desto größer müsse daher die Nachsicht mit jenen sein, die von diesem Weg abirren. Da wir also, so Przypkowski, nicht sicher sein können, dass jene sündigen, von denen wir es annehmen, und deren Irrtümer nicht das ewige Heil umstürzen, gibt es keinen Grund, sie aus der Gemeinschaft der Kirche auszustoßen, sofern sie ihre Liebe zu Jesus Christus und ihren Gehorsam bezeugen.53 Letztlich konnte es für Przypkowski nur zwei Gründe für eine innerkirchliche Exkommunikation, die nur bei schweren Sünden zu verhängen sei,54 geben: Eine Gewaltanwendung, die andere zu einem bestimmten Glauben zwingen will, und eine gewisse moralische Verderbtheit bei vor Lust und Begierde blinden Menschen, die sich in ihrem Schlechtsein gefallen. Beides sei aus der wahren Kirche Christi zu verbannen.55 Doch selbst hier setzte Przypkowski auf ein freies Ge  51 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XI, S. 383a: „Nemo sibi tantum placeat, ut cum Apostolica mansuetudine certare velit. Deploratae profecto sanitatis membrum est, quod Apostolus a reliquo Ecclesiae corpore amputari imperat. Verum enimvero multus his error aliis medentibus oboriri, multa caligo offundi potest. Neque enim semper sana pars a morbida discerni potest […].“ 52 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. IX, S. 381a–b. 53 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XI, S. 383b: „Itaque cum non tantum nobis non constet illos esse perversos, & ὐί, sed etiam certo constet non esse tales, vel ex morte, quam errorum suorum causa libenter suscipiunt; & errores eiusmodi […] non subvertant aeternam salutem: non videntur illi a communione Ecclesiae segregandi, si quidem amorem suum erga Dominum Iesum oboedientia praceptorum eius testari velint.“ 54 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XI, S. 383a: „Magnum hoc enim est supplicium, nec nisi evidenter peccantibus irrogandum.“ 55 Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XII, S. 384a: „His equidem ego citra vulnera & cautera occurri cuperem: praesertim cum veritas nisi vi oppressa, aut spreta ab hominibus vitiorum  

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spräch in fortwährender Liebe, das die Wahrheit und nicht die Falschheit unter Zwang befördert. Als Gegenbeispiel galten ihm die „grausamen Mediziner“56 all jener verhärteten Konfessionen, die darin geübt seien, ganze Glieder der Kirche abzuschneiden, um die Lehre angeblich rein zu halten. Auf diese Weise werde jedoch die Kirche zerstört. So heißt es: Welche Heilmittel auch immer erfunden worden sind für das Heil und die Bewahrung der Kirche, wie die Bestrafung der Häretiker, sollten, wenn die Klugheit es befiehlt, aufgegeben werden, wenn sie mehr Verletzung und Gefahr bringen als Nutzen. Denn warum streben wir danach, Gottes Volk länger wie eine körnige Masse bis ins unendlich kleinste Teil zu zerreiben?57

Eine weitgehende Toleranz, so lautet Przypkowskis Resümee, ist also der beste Weg für eine friedfertige Kirche des Dialogs.58 Einer der besten Kenner des Sozinianismus, der polnische Forscher Zbigniew Ogonowski, nannte Przypkowskis Toleranzschrift „die beste dieser Sorte, die je im Wirkungskreis der Sozinianer entstanden“59 sei. Gewiss überzeugt diese Schrift mit ihren Argumenten. Ich meine jedoch, dass sie von Johann Crells Werk Vindiciae pro religionis libertate hinsichtlich der Vielfältigkeit der Aspekte bei weitem übertroffen wird. Crell weitete die Debatte um die Religionsfreiheit auf juristische, psychologische und politische Argumente aus und führt uns auf diese  

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libidine caecis, non soleat unquam a perniciosis istis erroribus supplantari […] quorum utrumque sane a vera Christi Ecclesia exsulare par est.“ Przypkowski: De pace, cap. XII, S. 384b: „Non iisdem remediis nunc afflicta Ecclesiae valetudo restitui potest, quibus olim poterat aegritudo submoveri. Multa morbum in incunabulis opprimunt, quae dant adulto incrementum. Cum sana esset ac robusta Ecclesia, in primo illo aetatis flore, & Apostolorum Choro superstite, etiam violentis uti remediis ob vigorem suum par erat. Nunc morbis ac senio consecta & debilis, superanti jam aegritudini pene succumbit: nec magis unquam periclitatur, quam cum in crudeles medicos incidit.“ Vgl. auch ebd., cap. XI, S. 383a. Vgl. Przypkowski: De pace, cap. XII, S. 384b: „Quaecunque ad salutem & conservationem Ecclesiae inventa sunt remedia, quale hoc est de poenis haereticorum, tunc omitti prudentia imperat, cum damni plus & periculi, quam utilitatis afferunt. Cur enim popolum Dei amplius veluti friabilem massam in infinitas micas conteri cupimus?“ In dem Nachwort, das Przypkowski einem fingierten Herausgeber verfassen ließ, nannte er das Werk keine „häretische“, sondern eine „irenische“ Schrift. Interessant ist ferner, dass er in diesem Zusammenhang unterstrich, dass heutzutage – anders als bei der frühen Kirche der Apostel – niemand mehr mit unfehlbarer Gewissheit sagen könne, wo die wahre Kirche sei: „Cum vero ex omnibus illis Ecclesiis, quae Christianae hodie audire volunt (Romanae Ecclesiae vanam arrogantiam hic merito excipio) nulla Apostolicae illius veritatis infallibilem certitudinem in omnibus Confessionis suae capitibus indubitato sibi arrogare ausit, satis hinc etiam liquere potest, nulli earum haereticae prvavitatis censuram tam evidenter competere, ut judicio ipsius merito quoque sit acquiescendum.“ (Przypkowski: De pace, Lectori salutem, S. 385) Przypkowski appellierte daher an die Leser, die Interpretation der Hl. Schrift allen Christen so freizugeben, wie er es selbst getan habe. Auf diese Weise wird die libertas prophetandi am Ende der Schrift noch einmal bestätigt. Zbigniew Ogonowski: „Der Sozinianismus und das Problem der Toleranz“, in: Lech Szczucki (Hg.): Faustus Socinus and his Heritage. Kraków 2005, S. 129–145, hier: S. 139.

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Weise bis weit in die Moderne hinein mit ihrer schwer erkämpften Trennung von Politik und Religion. Crells Schrift ist ein überragendes Beispiel kluger Argumentation im Zusammenhang mit der Toleranzfrage. 2. JOHANN CRELL: TOLERANZ OHNE WENN UND ABER Johann Crell60 wurde 1590 in Franken als Sohn eines lutherischen Pfarrers geboren. Er studierte von 1606 bis 1612 in Altdorf, wo er durch Ernst Soner für den Sozinianismus gewonnen wurde. Nach dem Tod Soners ging er Ende 1612 nach Raków. Dort war er am Gymnasium zunächst als Griechischlehrer, anschließend von 1616 bis 1621 als Rektor tätig. Crell ist insbesondere durch seine beiden Hauptwerke De Deo et eius attributis und De Uno Deo Patre bekannt geworden. Er verstarb bereits 1633 in Raków. Kurz vor seinem Tod verfasste er die Schrift Vindiciae pro religionis libertate, die erst 1637 in Amsterdam unter dem Pseudonym Junius Brutus Polonus erschien.61 Ihr Erfolg war durchschlagend, wie die weiteren Auflagen 1650 und 1681 belegen. Daneben gab es Übersetzungen ins Englische (1646), Holländische (1649) und Französische (1687 und nochmals 1769).62 Mit dem Pseudonym und dem Titel verwies Crell zum einen auf den gleichnamigen Tyrannenmörder Cäsars, zum andern auf die Schrift Vindiciae contra tyrannos, die 1579 unter demselben Pseudonym vermutlich vom protestantischen Publizisten Philippe du Ples  60 Zu Leben und Werk vgl. Bock: Historia I 1, S. 116–158. 61 Vgl. Iunus Brutus Polonus [i.e. Johann Crell]: Vindiciae pro religionis libertate. Eleutheropoli [i.e. Amsterdam] 1637. Der Text wurde erneut abgedruckt in Crell: Operum tomus quartus scripta ejusdem didactica & polemica complectens. Irenopoli [i.e. Amsterdam] 1656 [1668], S. 521–531. Nach dieser Ausgabe wird zitiert. Vgl. ferner die neue lateinisch-polnische Ausgabe Jan Crell: O Wolność Sumienia. Wstępem i przypisami opatrzyl Zbigniew Ogonowski. Warschau 1957. 62 Vgl. Anonymus [i.e. Johann Crell]: A Learned and exceeding wellcompiled Vindication of Liberty of Religion. Written by Junius Brutus in Latine, and Translated into English by N.Y. Printed in the Year 1646. Es erscheint kaum glaublich, dass man dieser Schrift in England insgesamt „little attention“ schenkte, wie Sarah Mortimer: Reason and Religion in the English Revolution. The Challenge of Socinianism. Cambridge 2010, S. 186, behauptet. Vgl. dagegen den Beitrag von Justin Champion in diesem Band. Die erste französische Übersetzung erschien im Anhang der anonym veröffentlichten Schrift Conversations sur diverses matieres de religion […] avec un traité de la liberte de conscience (Philadelphia [i.e. Amsterdam] 1687, S. 220–287), die vom französischen Hugenotten Charles Le Cène (1647–1703) stammt. Zu ihm und dem sozinianischen Hintergrund der französischen Debatten vgl. Erich Haase: Einführung in die Literatur des Refuge. Der Beitrag der französischen Protestanten zur Entwicklung analytischer Denkformen am Ende des 17. Jahrhunderts. Berlin 1959, S. 208–211 und passim. John Marshall: John Locke, Toleration and Early Enlightenment Culture. Religious Intolerance and Arguments for Religious Toleration in Early Modern and Early Enlightenment Europe. Cambridge 2006, S. 483f. und passim. Martin Mulsow: „The ,New Sociniansʻ: Intertextuality and Cultural Exchange in Late Socinianism“, in: Socinianism and Arminianism, S. 49–78, hier: S. 54 und 64–67.

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sis-Mornay (1549–1623) veröffentlicht worden war.63 In diesem, aus dem reformierten Milieu stammenden und an den französischen Verhältnissen orientierten politischen Traktat, der „zentralen Schrift der Monarchomachen“64, wurde ganz klar der demokratische Anspruch auf ein Widerstandsrecht gegen Tyrannen formuliert, die gegen Gottes Gebote verstoßen oder das Gemeinwesen unterdrücken. Crell als der ,polnische‘ Junius Brutus fügte diesem Anspruch in seiner Schrift den zweiten fundamentalen demokratischen Rechtsanspruch hinzu, nämlich die Gewissens- und Religionsfreiheit, die nicht nur von Staats wegen, sondern auch aus ureigenstem Interesse von der katholischen Kirche zugestanden und verteidigt werden müsse. Beide sind daher im gleichen Maße Adressaten der Schrift: die Kirche, weil einige ihrer Theologen wie der polnische Jesuit Martin Smiglecius (1564–1618)65 eine Bekämpfung der Sozinianer mit fast allen Mitteln forderten, sowie die Obrigkeit, die doch allein die Toleranz zwischen den Konfessionen verbürgen kann und muss.66 Crell ließ hierbei keinen Zweifel, welche Forderung er gegenüber der katholischen Kirche erhob: Sie müsse den Häretikern das bereits versprochene Recht auf Religionsfreiheit (libertas religionis) auch dann einräumen, wenn sie diese ohne eigenen Schaden unterdrücken könnte.67 Crell spielte hier explizit auf die Warschauer Konföderation von 1573 an, die diese Religionsfreiheit allen Dissidenten zugestanden hatte, und diese Vereinbarung sei gemäß der juristischen Maxime pacta sunt servanda zu halten. Was wäre nämlich die Folge, wenn jeder nach Belieben Verträge schließen und brechen könnte? Wie würden sich die Katholiken fühlen, wenn im umgekehrten Fall die ,Häretiker‘ sie unterdrücken würden, weil   63 Vgl. Stephanus Junius Brutus Celtus: Vindiciae contra tyrannos, sive de principis de populum populique in principem, legitima potestate. [s.l.] 1579. Deutsche Teilausgabe unter dem Titel: Carl Bernhard Hundshagen: Calvinismus und staatsbürgerliche Pflicht. H. Languet: Wider die Tyrannen. Hrsg. Von Laure Wyss. Zürich 1946. Als Verfasser wird auch Hubert Langue (1518–1581) genannt. Vgl. hierzu ausführlich George Garnett: „Editor’s Introduction“, in: Stephanus Junius Brutus, the Celt: Vindiciae, contra Tyrannos: or: concerning the legitimate power of a prince over the people, and of the people over a prince. Edited and translated by George Garnett. Cambridge 1994, S. lv–lxxvi. Zum historischen Zusammenhang vgl. Christoph Strohm: Ethik im frühen Calvinismus: Humanistische Einflüsse, philosophische, juristische und theologische Argumentationen sowie mentalitätsgeschichtliche Aspekte am Beispiel des Calvin-Schülers Lambertus Danaeus. Berlin 1996, S. 347ff. 64 Rainer Forst: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. Frankfurt/Main 2003, S. 216. 65 Zur Position der polnischen Katholiken vgl. den Beitrag von Łukasz Bieniasz in diesem Sammelband. 66 Ähnlich wie bei Przypkowski bleibt der direkte Hintergrund der Toleranzdebatten bei Crell dunkel, da er in seiner Schrift Vindiciae pro religionis libertate keine Autoren benannte oder zitierte. Nur an einer Stelle erfolgt ein Hinweis auf ein Kommentar des bekannten Jesuiten Cornelius a Lapide (1567–1637), was aber zur Sache nichts beiträgt. Auch hier sind wir also bis auf weiteres auf Vermutungen angewiesen. 67 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. I, S. 521a: „Debere Catholicos iis, quos pro haereticis habent, promissam religionis libertatem etiam tum concedere, cum eos sine suo detrimento possent opprimere.“

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sie die Macht dazu hätten, obwohl sie anderes vertraglich zugesichert hätten? Würden sie dieses Verhalten nicht mit Recht perfide nennen? Und wäre es nicht recht bedacht ein Vertragsbruch? Genau dies bezweifelte der Jesuit Peter Skarga (1536–1612), da die Konföderation aus seiner Sicht de facto nicht einstimmig angenommen worden sei, zumindest nicht von Seiten der ,aufrechten‘ und ,frommen‘ Katholiken. Als Konsequenz ergab sich für Skarga: Man könne die Übereinkunft bekämpfen, ohne gegen den Grundsatz fides haereticis servanda zu verstoßen.68 Crell referierte nachfolgend die Position einiger Katholiken, die sogar noch einen Schritt weitergingen. Sie behaupteten, dass man mit Häretikern überhaupt keine Verträge abschließen und keinen Eid schwören könne, dass sogar ein Meineid erlaubt sei, da sie wie die Räuber und Verbrecher der gemeinsame Feind aller seien.69 Ja, sie seien viel schlimmer, da Mörder nur den Körper töten würden, sie aber die Seelen. Mit ihnen könne es keine Gemeinschaft, kein Vertrauen und Ehrenwort geben. Für Crell war eine solche Ansicht eines Christen unwürdig. Denn was würde noch heilig, was unverletzlich, was ehrlich sein, wenn in der Religion mit dem Eid gespielt würde?70 Als Gegenbeispiel verwies Crell auf das Verhalten von Josua, der selbst dann noch den Vertrag mit den Gibeonitern gehalten habe, als klar gewesen sei, dass er durch Täuschung zustande gekommen sei (vgl. Jos 9,1ff.). Dass es bei der Auseinandersetzung mit den Katholiken nicht nur um kirchenrechtliche Fragen ging, sondern dass hier auch das Zivilrecht zur Disposition stand, betonte Crell nachfolgend. Während die Verbrecher wüssten, dass sie gegen das Gesetz verstoßen, den Frieden der Gesellschaft zerstören und daher zu Recht von der Obrigkeit mit weltlichen Strafen belegt werden, gelte dies nicht für die Häretiker: Sie wollen in Frieden mit den anderen leben und wissen gar nicht, dass sie gegen das Zivilgesetz verstoßen. Daher gilt: „Wer nur immer die Zivilgesellschaft mit anderen pflegt und nicht deren Frieden und Ruhe stört, den kann man weder von der Zivilgesellschaft ausschließen noch kann man ihm den Frie-

  68 Vgl. hierzu Lecler: Geschichte I, S. 549–552. 69 Zu diesen Vertretern gehörten weder Skarga noch sein Glaubensbruder Martin Becanus (1563–1624). Letzterer gab zwar den Rat, nicht leichtfertig mit Häretikern Übereinkünfte, Bündnisse und Verträge, sei es öffentlich, sei es privat, einzugehen, und zwar aus drei Gründen: „1. Propter periculum subversionis. 2. Propter scandalum. 3. Propter ipsorum improbitatem & perfidiam.“ (Manuale controversiarum in V. Libros distributum. (Würzburg 11623) Köln 1696, l. V, cap. XIV, S. 698) Gleichwohl seien einmal eingegangene Verträge mit ihnen nicht weniger einzuhalten als mit Katholiken. Zur Begründung heißt es: „Ratio est, quia obligatio pacti seu mutuae promissionis oritur ex triplici virtute, nempe veritatis, fidelitatis & justitiae.“ (Ebd., cap. XV, S. 701) All diese Tugenden würden den Katholiken an sein Wort binden, da es sich nicht zieme, zu lügen, hinterhältig zu sein oder ungerecht zu handeln. Für Becanus wäre also ein Meineid nicht in Frage gekommen. 70 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. I, S. 522b: „Quid jam sanctum, quid inviolabile, quid sincerum erit, si etiam juramenti religione licebit ludere?“

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den auf irgendeine Weise verweigern.“71 Das Zivilrecht wird hier von Crell ganz deutlich über das Kirchenrecht gesetzt. Nach dieser Ansicht ist der Friede das höchste Gut in der Gesellschaft, der durch religiöse Abweichler nicht gefährdet wird. Ähnlich wie Przypkowski, setzte sich auch Crell mit dem Standardeinwand der Gegner im Blick auf die cura religionis auseinander. Bedeutet eine Tolerierung der Häretiker nicht, dass man deren Häresien billigt und ihnen das Recht gibt, ihre Ansichten zu verbreiten? Crell verneinte diese Einschätzung. Eine Sache sei es, etwas zu billigen, eine andere, etwas nicht mit Gewalt zu verhindern. Es handele sich hier gar nicht um eine religiöse, sondern allein um eine juristische Frage, nämlich um die nach der zivilen Straflosigkeit häretischer Ansichten. Und diese Straflosigkeit könne jemand auch dann gewähren, wenn er die Häresie nicht nur nicht billige, sondern sie vollkommen verwerfe.72 Crell bereitete mit diesen Äußerungen die moderne, im Münsteraner Religionsfrieden von 1648 dann auch schriftlich fixierte Trennung von Politik und Religion vor. Ein wesentlicher Aspekt dieser juristisch sanktionierten Religionsfreiheit war das Verbot jeglicher körperlicher Gewaltanwendung und die Entscheidung, die Bestrafung der Häresien Gott zu überlassen.73 Crell verwies in diesem Zusammenhang auf die klassische Textstelle bei Laktanz, der das Glaubensbekenntnis zu einem freiwilligen Akt erklärt hatte: Die Religion ist nicht durch Töten zu verteidigen, sondern durch Ermahnen, nicht durch Wut, sondern durch Geduld, nicht durch Verbrechen, sondern durch Glauben. […] Denn nichts ist so freiwillig wie die Religion, die, wenn die Seele des Opfernden dagegen ist, bereits aufgehoben, ja nichtig ist.74

  71 Crell: Vindiciae, cap. I, S. 523a: „Quicunque societatem civilem pro virili cum aliis colunt, nec pacem, ac tranquillitatem aliorum turbant, illi a societate civili excludi nullo jure possunt, nec pax illis ullo modo deneganda est.“ 72 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 523a: „De jure autem quod dicunt, quod haereticis detur, libertate illis concessa, si intelligunt jus ejusmodi, quo approbetur haeresis & honesta censeatur; tale jus nec dare haereticis possunt Catholici, nec ab iis haeretici petunt; sed jus tantum idemnitatis et impunitatis civilis, quod dare etiam is potest, qui haeresin non tantum non approbat, sed valde etiam improbat & aversatur.“ 73 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 523a: „Nil autem religionis libertas haereticis concessa requirit aliud, quam ne vi ulla eos prohibeas, quo minus religioni suae vacent, eam exerceant, profiteantur, defendant, & sine violentia propagare studeant; neve damno eos ullo propterea afficias: sed Deo rem totam committas, ut ipse eos, cum visum fuerit, puniat […].“ 74 Laktanz: Divinarum institutionum libri VII, l. V, cap. 20, in: PL 6, S. 616: „Defendenda religio est non occidendo, sed monendo [bei Crell: moriendo], non saevitia, sed patientia, non scelere, sed fide. […] Nam si sanguine, si tormentis, si malo religionem defendere velis, jam non defendetur illa, sed polluetur atque violabitur. Nihil est enim tam voluntarium quam religio, in qua si animus sacrificantis adversus est, jam sublata, jam nulla est.“ Zitiert von Crell: Vindiciae, cap. II, S. 525b, und cap. III, S. 527b. Auch Castellio nahm diese Textstelle in seine Sammlung De haereticis (vgl. ebd., S. 105f.) auf. Crell zitierte in diesem Zusammenhang auch Tertullian, bei dem es ganz ähnlich heißt: „Non est religionis cogere religionem, quae sponte suscipi debet, non vi.“ (Ad Scapulam, cap. 2, in: PL 2, S. 777)

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Crell hielt daher daran fest, dass die innerkirchliche Auseinandersetzung allein mit geistigen Waffen und mit starken Gründen und Argumenten zu führen sei. Seiner Meinung nach belegen gerade die Textstellen 2. Kor 6,14–16, Mt 18,17 und 2. Joh 1,11, auf die sich die Gegner in diesem Zusammenhang oft beriefen, um eine kirchliche Verfolgung zu legitimieren, dass im Neuen Testament überall der Unterschied von Politik und Religion, von weltlichem und kirchlichem Frieden, von weltlicher und kirchlicher Herrschaft vorausgesetzt wird.75 Auch stehe es nicht an, wie Calvin es getan habe, die Häretiker mit den falschen Propheten des Alten Testaments gleichzusetzen. Denn eines sei es, als falscher Prophet zu einem Kult falscher Götter zu verführen, ein anderes, den wahren Gott als den Schöpfer von Himmel und Erde und Jesus Christus als den Erlöser der Menschheit zu verehren. Ähnlich wie Przypkowski, verwies auch Crell auf die Unwissenheit der Häretiker, die anders als die alten Propheten gar nicht wüssten, dass sie gegen Gottes Gesetz und die Mysterien handeln und glauben. Wenn sie es wüssten, dann würden sie ihre Ansichten aufgeben.76 Crell warf den Verfolgern vor – und hier ist nicht nur an die katholische Kirche mit ihrer Inquisition, sondern auch an Protestanten wie Calvin und Luther zu denken –, den Wandel der Zeiten nicht zu beachten. Sie würden nicht registrieren, dass die heutige Situation der Christen gegenüber den Zeiten des Alten Testaments eine vollkommen andere sei: Gott selbst ist nicht mehr auf der Erde, sondern im Himmel. Er führt die Christen nicht mehr in andere Länder und zum Sieg über ihre Feinde. Auch hat er die sichtbaren Zeichen seiner Gegenwart unter den Menschen entfernt; er bewahrt nicht die von ihm eingerichtete Religion; er entsendet keine Propheten und verkündet keine Wunder mehr, sondern er verhandelt alles mehr im Verborgenen, um den Glauben des Menschen desto stärker zu üben.77 Ferner, so Crell, kann ein Gläubiger bei Christus und seinen Aposteln lesen, dass sie selbst wie Schafe unter Wölfen sind und dass ihm ähnliches vorhergesagt wird (vgl. Mt 10,16 und Rom 8,36). Das Schicksal der Christen besteht darin, verfolgt zu werden, nicht darin, andere zu verfolgen. Auch aus diesem religiösen Grund seien die Häretiker in einer christlichen Gesellschaft zu tolerieren. Doch damit nicht genug. Die schärfste Waffe von Crell scheint mir in der Nachfolge Castellios ein psychologisches Argument zu sein, das schlagartig verdeutlicht, welche Konsequenzen die Verfolgung Andersgläubiger haben kann, nämlich den Abfall vom Christentum. Denn entgegen der Ansicht einiger Katho  75 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 523b–524a. Wie gesehen, war dies auch eine Grundüberzeugung von Przypkowski. 76 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 524b: „At qui hodie sunt haeretici, ii nesciunt se adversus Dei legem caeteraque oracula quicquam agere aut credere; & si scirent, sententias de religione suas abjicerent.“ 77 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. III, S. 528b: „At longe alia est religionis ratio, postquam Deus sese non in terris, sed in coelis quaeri voluit, & tam aperta suae inter homines praesentiae signa sustulit; nec religionem a se constitutam tam conspicua ratione fovet ac conservat, Prophetas non excitat, oracula non edit amplius; sed omnia occultius, ad fidem hominum tanto magis exercendam, agit ac moderatur.“

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liken, so Crell, nehmen durch die Verfolgung der Häretiker die Häresien nicht ab, sondern zu, wenn man sie durch Gewalt ausrotten will. Crell verwies in diesem Zusammenhang auf Frankreich, Holland und England, wo die evangelische Religion sich durchgesetzt habe, obwohl sie starken Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei. Als Grund lesen wir: „Diejenigen, die eine andere Religion zu unterdrücken sich bemühen, machen eo ipso ihren Grund oder ihre Religion verdächtig und vermindern deren Kredit.“78 Wer zur Gewalt greift, der zeigt damit an, dass er der Überzeugungskraft seiner Argumente misstraut, und das zieht die Missachtung der eigenen Religion nach sich. Crell bewies hier ein feines psychologisches Gespür für gesamtgesellschaftlich relevante Prozesse. Er legte damit der katholischen Kirche den Gedanken nahe, dass es in ihrem ureigensten Interesse sein müsse, Häretiker zu tolerieren, da jede Intoleranz ihr zum eigenen Nachteil gereichen würde. Ja, die Verfolgung führt zu einem gesteigerten Fanatismus bei den Verfolgten, da sie den Eindruck vermittelt bekommen, dass sie durch die Kraft ihrer Argumente von den Gegnern nicht besiegt werden können.79 Ein weiterer psychologischer Effekt der Gewaltanwendung lag für Crell in der Vortäuschung und Heuchelei, die sich notwendigerweise bei den Verfolgten einstellen. Denn das Ergebnis einer Zwangsbekehrung besteht darin, dass sie den angenommenen Kult der Religion bloß vortäuschen, dass sie etwas anderes sagen, als sie denken, bloß um der Verfolgung zu entgehen.80 Die Zwangsbekehrer könnten dabei gewiss sein, dass Gott ein solches Verhalten der Vortäuschung (simulatio) und Heuchelei (hypocrisis) zuwider sei. Und auch der Kirche gereiche es zum Nachteil, da sie auf diese Weise heimliche Feinde (clandestini hostes)81 bekomme, die sie wie Schlangen in ihrem Schoß pflege. Denn diese Feinde können sie nur hassen und ihren Untergang wünschen, den sie herbeiführen, sobald sie es vermögen. Ja, die Kirche fördert, und dies ist gewiss der schärfste Vorwurf, den Crell in diesem Zusammenhang gegen den Glaubenszwang der Katholiken vorbrachte, die Kirche fördert auf diese Weise den Atheismus, der schlimmer sei als jede Häresie.82 Das geschieht, wenn schwache Gemüter unterdrückt werden, wenn   78 Crell: Vindiciae, cap. II, S. 525a: : „Etenim qui vi religionem alienam opprimere conantur, eo ipso caussam suam, suamve religionem suspectam reddunt; ac porro fidem religioni suae derogant […].“ 79 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 525a–b: „Ut taceam, eos ipsos, qui religionis caussa premuntur, quanto probiores sunt, tanto magis in sententia sua confirmari, & in religionis suae amorem tanto vehementius exardescere, quod eam argumentorum robore invictam ab ipsis adversariis judicari putent.“ 80 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. III, S. 527b–528a: „Deinde quia hac ratione multi adiguntur, ut religionem simulent. Nam vis illa efficere non potest, ut quis aliter sentiat quam sentit. Sententia animo externa vi nec imprimi potest, nec extorqueri. Id tantum vis potest efficere, ut aliter quispiam loquatur quam sentit, & religionem, quam animo improbat, verbis probet.“ 81 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. III, S. 528a. 82 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. III, S. 529a: „Addimus nunc illud, in plurimis Atheismum nasci, omni haeresi deteriorem.“ Es handelt sich hierbei um einen Topos, der in den Toleranzdebatten des 16. Jahrhunderts wiederholt – so auch von Coornhert (vgl. Güldner: ToleranzProblem, S. 76) – formuliert worden ist. Vgl. hierzu mit Nachweisen Lecler: Geschichte II,  

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der Kampf für die eigene Religion umschlägt in einen Hass auf die ganze Religion. Es heißt: In jenen Menschen nämlich, in denen keine so große Redlichkeit und Gewissensstärke ist, wie sie sein sollte, wenn sie wegen der Religion gequält werden, wird das Gewissen unterdrückt und so entsteht Heuchelei und Vortäuschung einer Religion, zu der sie gedrängt werden, ja, es wird sogar die Gewissensstärke vollkommen ausgelöscht und so entsteht Gottlosigkeit und Unheil, denen nichts mehr heilig ist.83

Auch wenn Crell den Atheismus hier noch als eine Gewissensschwäche auslegte, war er hier sichtlich auf der Suche, eine nachvollziehbare Erklärung für diese radikalste Form der Abwendung von der Religion zu finden. Der Atheismus erscheint auf diese Weise nicht mehr als das schlechthin Undenkbare, sondern als die nachvollziehbare Konsequenz der Verfolgung Andersgläubiger. Crell verwies in diesem Zusammenhang auf die spanische Inquisition, die doch nur dazu geführt habe, dass der Atheismus an die Stelle der Häresie getreten sei.84 Um all das zu vermeiden, bleibt nach Ansicht von Crell nur das Ausüben von Toleranz und das Gewähren der vollkommenen Religions- und Gewissensfreiheit.85 Das sei die vorrangigste Aufgabe des Staates. Es dürfe keine Herrschaft des Klerus in der Politik geben, denn ein freies Wort könne in einem Kirchenstaat nicht bestehen, insbesondere dort, wo Ankläger und Richter in ein und derselben Person vereinigt seien.86 Crell äußerte hier ganz moderne Ansichten hinsichtlich der Trennung von Religion und Politik sowie der Gewaltenteilung. Den naheliegenden Einwand, dass die Religionsfreiheit für Häretiker notwendigerweise Zerwürfnisse und Aufspaltungen im Magistrat nach sich ziehe, da allein die Übereinstimmung in der Religion zu Eintracht und Frieden führe, die Dissonanz dagegen zu Zwietracht und Unfrieden, ließ Crell nicht gelten. Aufgabe des Magistrats sei es allein, den öffentlichen Frieden zu bewahren, Unruhen zu widerstehen und je 

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66, 69, 108, 245 und öfter. Dies mindert aber keinesfalls Crells Leistung, diesen Aspekt hier als Endziel aller Zwangsmaßnahmen deutlich hervorgehoben zu haben. Crell: Vindiciae, cap. III, S. 529a: „In iis enim, in quibus tanta probitas, tantaque conscientiae vis non est, quanta esse deberet, cum religionis caussa vexantur, conscientia opprimitur, & sic hypocrisis ac simulatio religionis, ad quam adiguntur, oritur, vel etiam penitus extinguitur vis conscientiae, & sic atheismus ac profanitas, nihil revera sacrum habens, nascitur.“ Vgl. Crell: Vindiciae, cap. III, S. 529a: „Quod si dicas vigere alicubi Hispanicam inquisitionem nec tamen haereses ibi latius serpere, illud te cogitare etiam velim, an non atheismus haeresis loco serpat?“ Unter Hinweis auf die vielbändige Historiae sui temporis des Katholiken Jacques-Auguste de Thou (1553–1617). Für Crell schädigt der Glaubenszwang die Gewissen der Verfolgten, und sofern derjenige am schwersten sündigt, der sein Gewissen verletzt, ist die Gewissensfreiheit ein wesentlicher Teil der Religionsfreiheit (vgl. Crell: Vindiciae, cap. III, S. 528a). Crell: Vindiciae, cap. III, S. 529a: „Quid vero de dominatu Cleri in ordinem politicum dicam? Res facile potest ex eorum temporum historia aestimari, quae haeresium ortum antecesserunt. Quam facile vox aliqua liberior in ordinem Ecclesiasticum jacta, in haereseos crimen trahi posset; & quod in religiosorum mores aut facta dictum fuerat, in ipsius religionis contumeliam trahi? praesertim cum ex eodem ordine habituros esses & accusatores & judices?“

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den Anlass dafür zu unterbinden.87 Er verwies auch hier auf die politisch-religiöse Situation in Frankreich, Holland und Deutschland, wo sich wegen der religiösen Verfolgungen der vermeintlichen Häretiker schlimmste Kriege ereignet hätten. Gewiss wäre es wünschenswert, dass es in einem Staat nur eine wahre Religion gäbe. Aber aus der Verschiedenheit der Religionen dürfe nicht gefolgert werden, dass dadurch die Seelen der Bevölkerung so sehr zerrüttet würden, dass keine zivile Eintracht mehr möglich sei.88 Es sei allein jener Eifer der katholischen Religion, der das Volk so sehr aufstachele, dass es die Kirchen, die Gebetsstätten und die Häuser überfalle, beraube und zerstöre, und dies alles ohne Geheiß des Magistrats und ohne vorheriges Gerichtsurteil.89 Mit dieser Beschreibung nahm Crell vorweg, was dann 1638 in Raków tatsächlich geschehen sollte. 3. NACHWIRKUNGEN Die Neuauflagen und zeitgenössischen Übersetzungen in mehrere Sprachen lassen vermuten, dass die beiden Werke von Przypkowski und Crell das ganze 17. Jahrhundert hindurch zahlreiche Leser gefunden haben. Gleichwohl ist es schwierig, etwas Konkretes über die Rezeption dieser Schriften auszusagen, da detaillierte Studien hierzu fast vollständig fehlen. Naheliegend ist eine Rezeption dieser Schriften im Umfeld der Remonstranten. Dafür sorgte, wie gesehen, allein die Vermutung, dass ein Remonstrant die Dissertatio de pace verfasst habe. In Holland sorgte diese Annahme für beträchtliche Verwirrungen, in die die bedeutendsten Reformierten der Zeit, namentlich Johannes Wtenbogaert (1557–1644), Antonius Walaeus (1573–1639), der bereits erwähnte Hugo Grotius und Caspar van Baerle (1584–1648) involviert waren, wie Peter T. van Rooden nachgewiesen hat.90 Dabei ging es vor allem um die Gefahr für die Remonstranten, von den Ge  87 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 526a: „Interim tamen magistratui incumbere, ut pacem publicam sartam tectam conservet, ut tumultibus occurrat, ut iis ansam omnem praecidat.“ 88 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 526b: „Optandum quidem foret, unam tantum in una regione religionem, eamque veram esse. […] Sed illud tamen negamus, religionum diversitate ita omnino distrahi populi animos, ut civilis concordia, & mutua civium benevolentia constare in illo dissensu non possit.“ 89 Vgl. Crell: Vindiciae, cap. II, S. 527a: „Quod vero dictitant nonnulli, zelum illum religionis Catholicae, qui populum nonnunquam ita accendit, ut haereticorum templa, oratoria, aedes invadat, diripiat, demoliatur, extinguendum non videri, sed etiam fovendum: nae illi & rerum ignaros, & non modo Christi, verum etiam civilium legum parum sese memores ostendunt. Hiccine enim est fervor Christianis hominibus dignus, aliena per vim invadere, vastare templa aliena per tumultum, per seditionem, sine magistratus jussu, nullo praecedente legitimo judicio, & suo arbitrio alios caedere, aut etiam occidere?“ 90 Vgl. Peter T. van Rooden: Theology, Biblical Scholarship, and Rabbinical Studies in the Seventeenth Century. Constantijn L’Empereur (1591–1648) Professor of Hebrew and Theology in Leiden. Leiden 1989, S. 103f.: „In 1630 an Amsterdam printer who also printed works for the remonstrants, published an anonymous socinian work, the Dissertatio de pace et concordia Ecclesiae. Shortly afterwards, it was rumoured by Rivet at Court and by Walaeus in  

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gen-Remonstranten mit den Sozinianern gleichgesetzt zu werden. Hieraus wird ersichtlich, dass die Toleranzdebatten dieser Zeit überhaupt nicht von den historischen Umständen, unter denen die Traktate verfasst worden sind, getrennt werden können. Die Frage nach dem Umfang der religiösen Toleranz wurde dabei immer nur in dem Maße zum Thema, wie sie bedroht war. Dass die Argumente der Sozinianer in Kraft blieben, belegt ihre Wirkmächtigkeit bis ans Ende des 17. und sogar bis ins frühe 18. Jahrhundert hinein. Jüngst hat Luisa Simonutti nachweisen können, dass Philipp van Limborch, der, wie bereits erwähnt, an der Publikation der gesammelten Schriften Przypkowskis beteiligt war, sich in seinem Hauptwerk Theologia christiana von 168691 auf ähnliche Weise für eine „coexistence between religious dissidents“92 eingesetzt habe wie Przypkowski in seiner Dissertatio de pace. In der Tat sprach sich Limborch für eine gegenseitige Tolerierung der Dissidenten bei den nicht notwendigen Glaubensartikeln aus. Auch vertrat er die Ansicht, dass ein Irrtum den Glauben nicht zerstöre, folglich eine Bestrafung des Gläubigen unangemessen sei. Ferner war er der festen Überzeugung, dass eine gegenseitig gewährte Toleranz und libertas prophetandi – die, es sei daran erinnert, auch die Stegmann jn. und Wissowatius in ihrer Vorrede zum Rakower Katechismus betont hatten – weder die Einheit der Kirche gefährde noch die Wahrheit der Lehre zerstöre, sofern nur die brüderliche Liebe das einende Band der Christen bleibe.93 Es kann kein Zweifel bestehen, dass Limborch die Sozinianer von diesem umfassenden Toleranzangebot nicht ausgeschlossen wissen wollte. Eine eindrucksvolle Äußerung über die wahren Vertreter einer umfassenden Toleranz findet sich im Supplementband des Commentaire philosophique sur ces paroles de Jésus-Christ Contrain-les d’entrer von Pierre Bayle, der 1688 anonym veröffentlicht worden war. Dort heißt es, dass die Sozinianer und Arminianer seit Jahrhunderten die einzigen Sekten gewesen wären, die offen gelehrt hätten, dass   Zeeland that this was a work of a remonstrant, probably Episcopius himself, and that the Socinian tendencies of the remonstrants had finally come out into the open. Wtenbogaert, according to a letter to Grotius, was particulary alarmed at this accusation. In view of the situation, so tense for the remonstrants, that need cause no surprise. The source of this rumour, so a particularly indignant Barlaeus wrote to Episcopius on 1 July 1630, was L’Empereur. He has disseminated the treatise among influential circles at The Hague.“ Zu den historischen Umständen in Holland vgl. auch Wilhelmus Johannes Kühler: Het Socinianisme in Nederland. Leiden 1912 (Reprint Leeuwarden 1980), 199f. Lecler: Geschichte II, S. 367-397. 91 Vgl. Philipp van Limborch: Theologia christiana. Ad praxin pietatis ac promotionem pacis Christianae unice directa. Amsterdam 41715, hier: l. VII, cap. XX-XXIII, S. 840–866. Limborchs Toleranzidee wird ausführlicher von Kȩstutis Daugirdas in diesem Sammelband beschrieben. 92 Simonutti: „Resistance“, S. 203. 93 Vgl. Limborch: Theologia christiana, cap. XXIII, S. 863a: „Restat tandem, ut ostendamus, quomodo tolerantia haec, salva unicuique prophetandi libertate, coli, omnisque nihilominus in Ecclesia confusio vitari, veritasque concervari possit.“ Das Ergebnis kann daher nur lauten: „Haecque est mutua illa tolerantia, quam nos Remonstrantes omnibus Christianorum Ecclesiis, in fundamentis fidei consentientibus, offerimus […].“

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es keinen anderen Weg für eine Konversion der Häretiker oder Ungläubigen geben könne als die Unterrichtung.94 Diese Äußerung ist umso bemerkenswerter, da Bayle der sozinianischen Theologie aufgrund ihrer Rationalisierung der Religion ablehnend gegenüber stand. So nannte er Sozzini den „Hauptbegründer einer sehr üblen Sekte“95 und warf den Sozinianern vor, die Göttlichkeit der Schrift zu zerstören. Gleichwohl erkannte er, dass die dogmatische Lehre strikt von der Frage nach der Toleranz getrennt werden müsse, und damit nahm er einen Grundgedanken der Sozinianer auf. Vor diesem Hintergrund folgte er in seinem Commentaire philosophique zu einem beträchtlichen Teil der sozinianischen Position einer allgemeinen Gewissens- und Religionsfreiheit. Als oberstes Prinzip aller irdischen und himmlischen Sachen benannte Bayle ausgerechnet den von den Sozinianern für die gesamte Theologie und Philosophie in Anspruch genommenen Satz vom Widerspruch, der von jeder natürlichen Vernunft erkannt und akzeptiert werde: Etwas kann nicht zugleich sein und nicht sein.96 Und auch noch in einer anderen Hinsicht argumentierte Bayle gut sozinianisch: Der höchste Richter, der das endliche Urteil in den theologischen Kontroversen fällt, ist die durch die Prinzipien des Lichts der Natur oder der Metaphysik geschulte Vernunft.97 Damit wird die Vernunft zu jener universellen Instanz, die auch die Frage nach der Toleranz zu beantworten hat. Diese Frage ist damit nicht mehr ins Belieben der Herrschenden oder der Kirche gestellt, sondern gehört gemäß den objektiven Kriterien der allen Menschen gemeinsamen Vernunft beantwortet. Vor diesem sozinianisch geprägten Hintergrund drang Bayle zu einer (fast) universalen Toleranz durch, indem er   94 Vgl. Pierre Bayle: Supplément du Commentaire philosophique sur ces paroles de Jésus-Christ Contrain-les d’entrer. Hamburg 1688, hier: ch. XXIX, S. 348f.: „Il y a bien plus dequoi s’étonner, qu’un tel dogme ait tellement envahi le Christianisme, qu’il n’y a pas une Secte considérable qui ne le soûtienne vigoureusement ou en tout ou en partie. Il y a quelque particulier dans toutes les Communions Chrétiennes qui blâme ou en son cœur, ou même publiquement les violences emploiées à faire changer de Réligion; mais je ne sache que la Secte des Sociniens, & celle des Arminiens qui fassent profession d’enseigner, que toute autre voie que celle de l’instruction est illégitime, pour convertir les Hérétiques ou les infidéles.“ 95 Bayle: Nouveau Dictionaire historique et critique. 4 Bände. Amsterdam u.a. 51740, hier: t. IV, 228: „Socin (Fauste) […] le principal Fondateur d’une très-mauvaise Secte […].“ 96 Zur Verwendung des Satzes vom Widerspruch als absolutes Prinzip bei den Sozinianern vgl. Andreas Wissowatius: Religio rationalis seu de rationis judicio, in controversiis etiam theologicis, ac religiosis, adhibendo, tractatus (Amsterdam 1685). Editio trilinguis. Hrsg. v. Zbigniew Ogonowski. Wolfenbüttel 1982, 37. Zum Verhältnis von Vernunft und Glauben bei den Sozinianern und ihren Kritikern vgl. Sascha Salatowsky: „Fides cum ratione? Lutheraner, Calvinisten und Sozinianer im Streit um das Prinzip der Theologie“, in: Hubertus Busche (Hg.): Departure for Modern Europe. A Handbook of Early Modern Philosophy (1400–1700). Hamburg 2011, S. 577–596. Ders.: Die Philosophie der Sozinianer, S. 130–186, 211–231. 97 Vgl. Bayle: Commentaire philosophique sur ces paroles de Jésus-Christ „Contrain-les dʼentrer“, in: Oeuvres diverses de Mr. Pierre Bayle. Tome second. A La Haye 1727 (Reprint Hildesheim 1965), hier: p. I, ch. I, S. 85. Deutsche Fassung: Tractat von der allgemeinen Toleranz oder Philosophischer Commentar über die Worte Christi Nöthige sie herein zu kommen. Aus dem Französischen übersetzt mit Anmerkungen [von Daniel Semerau]. Vier Theile. Wittenberg 1771 (ND Hildesheim 2010–2013), hier: Theil I, cap. I, S. 203.

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zum ersten Mal die Forderung nach einer „epistemischen und moralischen Relativierung absoluter Wahrheitsansprüche der Religion“98 erhob. Das Ergebnis war eine Tolerierung nicht nur der Sozinianer, sondern auch der Juden, Heiden und Türken gemäß dem Prinzip der Reziprozität.99 Bayle konnte auf diese Weise die unhaltbare Verbindung von orthodoxer Lehre, gottgefälligem Leben und Anspruch auf Tolerierung auflösen und damit selbst einem Atheisten ein moralisch einwandfreies Leben attestieren. Trotz der theologischen Differenzen100 stimmte Bayle also mit den Sozinianern darin überein, dass die Vernunft in religiösen Dingen eine allgemeine Toleranz gebiete, da niemand aus dem Glauben heraus einen absoluten Wahrheitsanspruch beweisen könne. Wie groß hier die Affinitäten zwischen Bayle und den Sozinianern sind, wird auch daran ersichtlich, dass Jean Le Clerc (1657–1736) in seiner Bibliothèque universelle von 1687 die Vermutung äußerte, „that in the treatment of the conduct of ‘primitive Christians’ Bayle’s Philosophical Commentary was an ‘embellishing and amplifying’ of Crell’s work“101, nämlich der Vindiciae pro religionis libertate. Dass Bayle auch die Dissertatio de pace kannte, ergibt sich aus seinem Eintrag im Dictionaire zu John Hales. Aufgrund seiner Kenntnis der Bibliotheca Anti-Trinitariorum von Christoph Sand d.J. (1644–1680)102 wusste er, dass ihr „veritabler Verfasser“103 der Sozinianer Przypkowski gewesen ist.   98 Forst: Toleranz im Konflikt, S. 315. 99 Vgl. Bayle: Tractat II, cap. 7, S. 150–160. Von dieser allgemeinen Toleranz blieben freilich die Katholiken und die Atheisten ausgeschlossen. Bayle argumentierte hier jedoch politisch: Wenn eine Religion die Gesetze der Gesellschaft oder die öffentliche Sicherheit untergräbt, dann kann sie nicht geduldet werden. Gemäß dieser Regel können die Katholiken in einem protestantischen Land nur dann toleriert werden, wenn sie sich der politischen Agitation enthalten und die Trennung von Politik und Religion akzeptieren. Die Atheisten wiederum stehen mit ihrer Ablehnung eines Gottesglaubens in gewisser Weise außerhalb der politischen Ordnung, da sie jegliche Vorsehung und alle Furcht vor der göttlichen Gerechtigkeit (die das politische System stabilisiert) aufheben würden. Selbst bei Bayle ist die Idee einer allgemeinen Toleranz also noch eingeschgränkt. Er zeigt damit umso deutlicher an, dass eine Toleranz immer nur aus der jeweiligen historischen Situation heraus entwickelt werden kann. 100 Bayle warf den Sozinianern, namentlich Andreas Wissowatius, vor, ihren eigenen philosophischen Prinzipien nicht gerecht zu werden, indem sie diese auf die christlichen Mysterien anwenden und damit zerstören würden. Vgl. hierzu Antony McKenna: „La norme et la transgression: Pierre Bayle et le socinianisme“, in: Normes et trangression au XVIII siècle. Paris 2002, S. 117–136. 101 John Marshall: John Locke, Toleration, S. 643. Vgl. Jean Le Clerc: Bibliothèque universelle et historique. Tome V. Amsterdam 1687, S. 212–227, hier: S. 214: „Ce n’est qu’une Traduction d’un petit Livre Latin imprimé en Hollande il y a plus de quarante ans sous le titre de Vindiciae Junii Bruti pro libertate Religionis. Il meritoit d’être traduit, & si l’on compare ce que l’Auteur dit […] touchant la conduite des premiers Chrétiens, avec ce qu’en a dit l’Auteur du Commentaire Philosophique […] on trouvera que ce dernier n’a fait en cela qu’embellir & amplifier ce que l’autre dit dans ce Traité.“ 102 Vgl. Christoph Sand: Bibliotheca Anti-Trinitariorum, sive Catalogus Scriptorum, & succincta narratio de vita eorum Auctorum, qui praeterito & hoc seculo, vulgo receptum dogma de tribus in unico Deo per omnia aequalibus personis vel impugnarunt, vel docuerunt solum  

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Sascha Salatowsky

Über den Einfluss der Sozinianer auf das Denken John Lockes (1632–1704) gibt es einen umfangreichen Streit in der Forschung, der hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet zu werden braucht.104 Es ist bekannt, dass seine Privatbibliothek gut mit sozinianischer Literatur gefüllt war. Zu diesem Bestand gehörten auch die beiden hier verhandelten Schriften von Przypkowski und Crell, auch wenn Locke dabei wohl an der Ansicht festhielt, dass die Dissertatio de pace von Hales stammte.105 Wann Locke diese Schrift käuflich erwarb, lässt sich nicht mehr feststellen. John C. Higgins-Biddle äußerte die Vermutung, dass dies wahrscheinlich „after 1695“106 geschah. Crells Opera omnia erwarb Locke 1697 zusammen mit der Bibliotheca Fratrum Polonorum.107 Auch wenn diese Erwerbungen zeitlich nach der Niederschrift von Lockes Epistola de tolerantia im Winter 1685/6108 in Holland liegen, bedeutet dies natürlich nicht, dass er sie nicht zuvor gekannt hat. Sein langer Aufenthalt in Holland von 1683 bis 1688 bot ihm alle Möglichkeiten der Kenntnisnahme. Auch wenn der Einzelnachweis schwer fällt, kann man insgesamt der Ansicht von John Marshall zustimmen: „Many of the Anabaptist and anti-Trinitarian works written in defence of toleration in the sixteenth century and early seventeenth century were republished in the mid- and late seventeenth century and read by authors of defences of toleration, including Locke, who purchased many anti-Trinitarian works in the 1680s and 1690s as individual works and as part of the eight-volume Bibliotheca Fratrum Polonorum.“109 Marshall vermutet einen Einfluss der Sozinianer auf Locke insbesondere bei den politischen, historischen und epistemologischen Argumenten für eine umfassende Toleranz. Wichtig ist hierbei vor allem, dass Locke eine Pflicht zur Toleranz sowohl  

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Patrem D.N.J. Christi esse illum verum seu altissimum Deum. Opus posthumum […]. Freistadii [i.e. Amsterdam] 1684 (ND Warschau 1967), S. 123. Vgl. Bayle: Dictionaire, t. II, S. 14: „Mais si Mr. Wood avoit consulté la Bibliothéque de Sandius […] il y auroit trouvé que le véritable Auteur de cette Piéce [sc. Dissertatio de pace] est Samuel Przipcovius, Gentilhomme Polonois, & grand Unitaire.“ Bayle äußerte sich in diesem Zusammenhang nicht über den Inhalt der Schrift. Vgl. hierzu Marshall: „Locke, Socinianism, ,Socinianism‘, and Unitarianism“, in: Michael Alexander Stewart (Hg.): English Philosophy in the Age of Locke. Oxford 2000, S. 111–182. John C. Higgins-Biddle: „Introduction“, in: John Locke: The Reasonableness of Christianity as delivered in the Scriptures. Edited with an Introduction, Notes, Critical Apparatus and Transcription of Related Manuscripts by John C. Higgins-Biddle. Oxford 1999, S. lviii–lxxiv. Salatowsky: Die Philosophie der Sozinianer, S. 186–194, 327–339, 446–453. Vgl. John Harrison und Peter Laslett (Ed.): The Library of John Locke. Oxford 1965, S. 150, Nr. 1378: Anonymi dissertatio de pace et concordia ecclesiae [sc. Przypkowski]; S. 118, Nr. 882: Opera Crellii, t. 1–4 [darin: Vindiciae pro religionis libertate]. Higgins-Biddle: „Introduction“, S. lxi, no. 3. Vgl. McLachlan: Socinianism, S. 326, no. 5. Vgl. John Locke: A Letter Concerning Toleration, being a Translation of the Epistola de Tolerantia (1689). In: The Works of John Locke in Ten Volumes. Vol. 6. London 1823 (Reprint Aalen 1963). Zitiert wird nach der englisch-deutschen Parallelausgabe: Ein Brief über Toleranz. Übersetzt, eingeleitet und in Anmerkungen erläutert von Julius Ebbinghaus. Hamburg 1996. Vgl. Marshall: John Locke, Toleration, S. 319.

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auf der horizontalen Ebene zwischen den Kirchen und allen kirchlichen Würdenträgern als auch auf der vertikalen Ebene zwischen der Obrigkeit und dem einzelnen Individuum forderte. Tragend ist dabei der Gedanke, dass sich auf der epistemologischen Ebene die „Endlichkeit des menschlichen Geistes in Bezug auf die religiöse Wahrheitsfrage“110 zeigt. Locke ging dabei von der gut sozianischen Ansicht aus, dass es keinen Richter auf der Erde gebe, der diese Frage einvernehmlich für alle entscheiden könne.111 Es bleibt allein jener mühsame Weg der (Selbst-)Aufklärung der Vernunft, die sich damals wie heute immer wieder neu mit der Frage auseinandersetzen muss: Wie hälst Duʼs mit der Toleranz?

  110 Forst: Toleranz, S. 292. 111 Vgl. Locke: Brief über Toleranz, S. 32: „So that the controversy between these churches about the truth of their doctrines, and the purity of their worship, is on both sides equal; nor is there any judge, either at Constantinople, or elsewhere upon earth, by whose sentence it can be determined.“

‘PRIVATE MEN NO PULPIT MEN’. ENGLISH SOCINIANS, ANTICLERICALISM, AND ARGUMENTS FOR TOLERATION, 1641–1665 Justin Champion As Samuel Przypkowski succinctly commented, his mentor Faustus Socinus defended the “harmless freedom”1 of individual religious belief against all civil and clerical claims to discipline or punishment. Diversity of religious belief and opinion, was “harmless”, because it caused no suffering, or hurt, to any other individual in body, conscience or soul, neither to political and ecclesial institutions, nor to God. The pursuit of personal religious commitment ought to be based on “Freedom”, because God’s relationship with, and expectations of, human reason demanded a diligent understanding of what one believed, as the necessary groundwork for eternal salvation. Of course, most devout contemporaries, especially those of legally established Protestant confessions, disputed this “harmless freedom”: Socinians either believed God “and the word of God no farther than they can see reason”, or conceived of God as “a good easy and indulgent God, content with anything”.2 Certainly, in the second half of the seventeenth century, “Socinianism” became a pejorative label stigmatising the combination of antitrinitarian and rationalist dispositions into an ungodly heresy.3 This contribution will focus on a case-study of English “Socinians” living, writing and preaching in England in the three decades, or so, after the outbreak of Civil War in the British Isles in 1642. The lives of Paul Best, John Biddle, John   1

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Samuel Przypkowski: Dissertatio de pace, &c. Or, A discourse touching the peace & concord of the Church. Wherein is elegantly and acutely argued, that not so much a bad opinion, as a bad life, excludes a Christian out of the kingdom of heaven; and that the things necessary to be known for the attainment of salvation, are very few and easie: and finally, that those, who pass amongst us under the name of hereticks, are notwithstanding to be tolerated. Translated by John Biddle. London 1653, p. 5. Herbert John McLachlan: Socinianism in Seventeenth Century England, Oxford 1951, p. 251, citing Matthew Poole. Blair Worden: “Toleration and the Cromwellian Protectorate”, in: William J. Sheils (ed.), Persecution and Toleration, Oxford 1984, pp. 229–233, reprinted in idem: God’s Instruments: Political Conduct in the England of Oliver Cromwell. Oxford 2012, pp. 63–90, here p. 67, citing Samuel Gott MP. See John Marshall: John Locke, Toleration and Early Enlightenment Culture, Cambridge 2006, which outlines the general cultural and specific hostilities. More recently, Paul ChangHa Lim: Mystery unveiled. The crisis of the Trinity in early modern England, Oxford 2012, has examined the English anti-trinitarian dimension.

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Fry and John Knowles – all inter-connected through commitment to an antitrinitarian scriptural belief and printing networks – are ideal for exposing a number of issues under discussion in this volume.4 For example, scrutiny of the works and intellectual exchanges and transaction of their circle will allow an exploration of the influence, adaptation and reception of classic “Socinian” texts – in particular (here) those by Samuel Przypkowski, and Johann Crell, which were “translated” into English (and as Martin Mulsow has elegantly pointed out “adapted” to the local intellectual ecology).5 This corpus also provides opportunity to expose the intellectual connections between antitrinitarianism and arguments for the defence and assertion of rights of conscience. Lastly, and perhaps an approach which has not received as much attention as it might have in the historiography, the community of early Socinian’s were engaged not simply in a hermeneutic war, or a profound theological disputation about correct doctrine, but in defending and promoting the more practical ecclesiological consequences of the adoption of Socinian theological dispositions; men like Biddle, Knowles and their friends, fundamentally recast the role of the public Church and the sacerdos of churchmen, striking down all claims to “speak for God”. This diminution of the divine ambassadorial function of the Church might be regarded as a challenge to what Michel Foucault described as the dominant understanding of “pastoral power” in the seventeenth century. The intuition, outlined by Hugh Trevor-Roper, that Socinian commitments were foundational to Enlightenment discourses, receives support from the evidence of this circle.6 Put very straightforwardly, this contribution will outline an argument which, in emphasising the anticlerical dimensions of Socinian thought (which were admittedly developed much more profoundly in the context of the opportunities offered by the turbulence of civil conflict in the 1640s and 1650s, and the Restoration of civil and religious institutions after 1660), suggests that the most profound   4

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On Best’s complex encounters with Parliament and the sources of his ideas see, Nigel Smith: “ʻAnd if God was one of us’. Paul Best, John Biddle and antitrinitarian heresy in seventeenthcentury England”, in: David Loewenstein, John Marshall (eds.), Heresy, Literature and Politics in Early Modern English Culture, Cambridge 2006, pp. 160–84. J. F. McGregor: “Paul Best and the limits of toleration in Civil War England”, in: Parergon 21, 2004, pp. 93–106. See Martin Mulsow: “The ‘New Socinians’: Intertextuality and Cultural Exchange in Late Socinianism”, in: idem, Jan Rohls (eds.): Socinianism and Arminianism. Antitrinitarians, Calvinists and Cultural Exchange in Seventeenth-Century Europe, Leiden 2005, pp. 49–78. See the outlines of an argument about the transformation of the political status for pastoral power in Michel Foucault: Security, Territory, Population. Lectures at the Collège de France, 1977–1978, New York 2007. Giorgio Agamben: The kingdom and the glory, Stanford 2011, also explores an interesting argument about the relationship between Trinitarian culture and political authority. See also, Hugh Trevor-Roper: “The Religious origins of the Enlightenment”, in: idem, The Crisis of the Seventeenth Century. Religion, the Reformation and Social Change, London 1967, pp. 179–218. Sarah Mortimer: Reason and Religion in the English Revolution. The Challenge of Socinianism, Cambridge 2010. For a good overview of current thought see, Jeffrey R. Collins: “Redeeming the Enlightenment. New Histories of Religious Toleration”, in: Journal of Modern History 81, 2009, pp. 607–636.

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contribution such thinking made to the history of religious freedom, was not in advancing sophisticated arguments defending the rights of individual conscience, but in challenging the illegitimate agency of clerics by exposing their false claims to theological expertise.7 The political challenge of anticlericalism might then be regarded as being a more significant contribution to the longer processes of political and religious change than the conceptual acuity of their theological insight over the nature of Christ and the Godhead. That the intellectual impetus for the development of these arguments was not simply indigenous, but drew from Polish sources is a theme which has not received significant attention in Anglophone historical accounts.8 However, certainly in the first decade of the Restoration after 1660, there is evidence that there was a public understanding, at least as displayed in the records of Parliamentary debates, of the Polish arguments.9 So for example, in a passionate and lengthy discussion, about the implications of Charles II’s address to Parliament in regard of establishing a measure of tolerance or comprehension to the dissident Protestant confessions subject to tough ecclesiastical discipline after 1660, the influence of Socinian arguments can be perceived.10 The op  7

For an early engagement with the nature of anticlericalism in the period see, James Fulton Maclear: “Popular anticlericalism in the Puritan Revolution”, in: Journal of the History of Ideas 17, 1956, pp. 443–470. 8 See Marian Hillar: “Poland’s contribution to the Reformation Socinians and their ideas on religious freedom”, in: The Polish Review 38, 1993, pp. 447–468. K. Gorski: “Some aspects of the Polish Reformation: Unitarian thought in 16th and 17th Poland”, in: The Slavonic and East European Review 9, 1931, pp. 598–611. George H. Williams: “Protestants in the Ukraine during the period of the Polish-Lithuanian Commonwealth”, in: Havard Ukrainian Studies 2, 1978, pp. 184–210. James Miller: “The origins of Polish Arianism”, in: The Sixteenth Century Journal 16, 1985, pp. 226–256. Nicholas Hans: “Polish Protestants and their connections with England and Holland in the 17th and 18th centuries”, in: The Slavonic and East European Review 37, 1958, pp. 196–220. Wiktor Weintraub: “Tolerance and Intolerance in Old Poland”, in: Canadian Slavonic Papers 13, 1971, pp. 21–44. 9 On the broader context of the arguments for tender conscience, persecution and comprehension see, Geoffrey F. Nuttall, Owen Chadwick (eds.): From Uniformity to Unity, 1662–1962, London 1961. Tim Harris, Paul Seaward et al. (eds.): The Politics of Religion in Restoration England, Oxford 1990. Gary S. De Krey: “The First Restoration Crisis: Conscience and Coercion in London, 1667–73”, in: Albion: A Quarterly Journal Concerned with British Studies, 4, 1993, pp. 565–580. Idem: “Rethinking the Restoration: Dissenting Cases for Conscience, 1667–1672”, in: The Historical Journal, 38, 1995, pp. 53–83. Gordon J. Schochet: “From persecution to ‘toleration’”, in: James R. Jones (ed.), Liberty secured? Britain before and after 1688, Stanford 1992, pp. 142–144. Mark Goldie: “The Theory of Religious Intolerance in Restoration England”, in: Ole Peter Grell, Jonathan I. Israel et al. (eds.), From Persecution to Toleration: the Glorious Revolution and Religion in England, Oxford 1991, pp. 331–368. 10 See “Debates in 1668: Wednesday, March 11”, in: Grey’s Debates of the House of Commons. Volume 1. Originally published by Thomas Becket and P. A. De Hondt, London 1769, pp. 101–122. URL: http://www.british-history.ac.uk/greys-debates/vol1/pp101-122#h3-0006. “The House resumed the Consideration of the latter part of the King’s Speech, about uniting his Majesty’s Protestant subjects.” For an account of the decade see Paul Seaward: The Cavalier Parliament and the Reconstruction of the Old Regime, 1661–1667, Cambridge 1988. For an excellent account of the culture and commitments of the Restored Church see, John Spurr:  

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posing views either reinforced the claims of the Church of England to receive the full disciplinary and legal backing of the sovereign, or suggested that a measure of indulgence, comprehension or tolerance was the best policy. As Sir Humphry Winch MP, noted, “we need not give an indulgence, nor make the Laws severe”. Underpinning much of the discussion was a dispute about the nature of heresy, and the social and political consequences of harbouring religious diversity within a civil community. As Winch continued to claim, “Heresies commonly take root from the innocency of their authors, which has made them increase here.” Other voices complained of the corruption and self-interest of the churchmen as the cause of civil discontent. As Sir John Earnly put it, it would be best to “have the Ecclesiastical Courts reformed, which are so obnoxious”. Another, Sir William Hickman, pointed out that, “The Ecclesiastical Courts are complained of by the Bishops as mysterious and troublesome to the people”. While more moderate voices called for a means to, “unite his Majesty’s Protestant Subjects” by indulging dissent, but to take care, “that, after indulgence, they get not a footing to destroy the whole”.11 The parliamentary debate reflected what has been termed a “crisis of conscience” in the early Restoration which saw a complex confrontation between an essentially disciplinarian Church of England determined to enforce the so called Clarendon code which outlawed and punished Protestant dissent, and Presbyterian, Independent and other sectarians such as Quakers who in different ways argued for either comprehension within a broad Protestant public Church, or for a more extensive liberty to “tender conscience”. MPs displayed a sophisticated understanding of the range of ecclesiological positions, and indeed the historical traditions which legitimated the diverse accounts of conscience and freedom. Some like, Sir Charles Wheeler, recognising the diverse and sometime competing interests amongst the dissident positions called for a committee to investigate what might be achieved, but was under no illusions that there would be difficulties in incorporating “the Independents, which are Anabaptists, &c. many of them are not Christians, some Arians, and some Socinians”. One move might be to model the ecclesiastical settlement to the traditions of the primitive Church, which would mean that the Presbyterians could be considered as being, right as to matters of the first Four Councils, which are indisputable – But when they scruple that of the Chancellors in the Church, and other novelties, not above five hundred years standing, and if no other thing than reducing things to the first four General Councils.12

  The Restoration Church of England, 1646–1689, New Haven, Conn. 1991. See also Douglas R. Lacey: Dissent and Parliamentary Politics in England, 1661–1689, New Brunswick 1969, and Anthony Fletcher: “The Enforcement of the Conventicle Acts 1664–1679”, in: Persecution and Toleration, pp. 235–246. 11 “Debates in 1668: Wednesday, March 11”, in: Grey’s Debates of the House of Commons, Vol. 1, pp. 101–122. 12  “Debates in 1668: Wednesday, March 11”, in: Grey’s Debates of the House of Commons: Vol. 1, pp. 101–122.  

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Interestingly, Sir Thomas Littleton attempted to place the debate in a broader European context, by invoking, The kingdom of Poland [which] has the greatest toleration in the world, and no standing Army, […] and they have never had any wars upon religious accounts; and in their civil wars upon temporal affairs, persons of all opinions have mixed.

On the contrary, the English example exposed the dangers of imposing overly strict doctrinal demands. He was confident that, So long as the Church was true to itself, the Nonconformist never hurt the Church; but as soon as innovation and alteration came in by the Churchmen, and they favourites with the crown, the Church declined.

Anglican voices contested this benign account of nonconformity. Sir John Cotton simply asserted that, The Presbyterian tenets are most destructive to our government – ‘That the King is but Minister Bonorum’, ‘He is greater than any one man, but less than the People’, ‘Salus populi suprema lex’, and many more such.

Sir John Birkenhead, invoked the example of “Theodosius, the Emperor, so enjoined the sanctions of the councils, that no man, unconformable to them, could administer the sacraments”, to defend the imposition of uniformity. As he continued the “Sects of Poland” had been corrupted by Socinus. Birkenhead’s more general point was that, In Judaism, Paganism, Mahometanism, and Christianity, in none of them a toleration is suffered – The Pope may suffer Milan to have St Ambrose’s Litany, and Bohemia to administer the sacrament in both kinds; this he may do in one Church, but not several customs in one Church.

The advice was clear, “Let there be no Conventicles, and the Church will be fuller”. Mr Coventry summarised the nub of the issue succinctly, “Here is one side against Bishops, and another against the silenced Ministers; between them both, I fear, we shall have no religion”.13 The more radical perspectives attempted to argue that the turbulent consequences of religious persecution meant a measure of liberty was a prudential option. Mr Seymour insisted that, “Mischiefs having outgrown politic remedies, they must have gentle remedies […] to give them some liberty that might not endanger the public peace”. The language of gentle remedies matched that of Przypkowski’s “harmless freedom”. Exploring the transmission, reception and circulation of such perspectives will be the purpose of this essay.

  13 “Debates in 1668: Wednesday, March 11”, in Grey’s Debates of the House of Commons: Vol. 1, pp. 101–122.

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1. ENGLISH SOCINIANISM: THE FIRST PHASE English Socinian thinking challenged the dominant and traditional asymmetry between Church and lay-person in favour of the later: the insistence on free rational engagement with revelation, not only disabled the jurisdictional claims of the civil magistrate, but also (and arguably more importantly) the sacerdos of any churchman’s assertion of divine competence of interpretation. In this light, English Socinianism, at least in its early Interregnum mode, erected a practical critique of pastoral power upon the foundations of an hermeneutic principle: this is to suggest that (qua Hugh Trevor-Roper) that the powerful element of Socinianism was not its antitrinitarianism (because in one sense the scriptures might have led to any given doctrinal position) but its empowerment of human reason and intellectual autonomy. As will be discussed, the doctrine of the Trinity underpinned the practice of pastoral power in laying the foundations for how God was incarnated in sacred institutions and history: the refutation of the scriptural account of the Trinity undercut not simply doctrine but more powerfully ecclesiastical practice and authority. The Book of Common Prayer was structured around liturgy and prayer for the Trinity. When English Socinians complained of the imposition of incomprehensible and non-scriptural articles of faith, their objection was duplex – against the propositional error and the act of imposition. At root this objection was an act of political resistance, because it aimed to alter the distribution of pastoral power within communities – it had ambitions of halting the exercise of (what it regarded as illegitimate) human authority over the minds and belief of the populace. Although there has been a proleptic historiographical perspective which argues such liberty of thought prefigured “enlightenment”, arguably this was a circumstantial battle of specific opportunity in the 1640s and 1650s.14 In order to introduce the context it is necessary briefly to rehearse the current state of scholarship on the Anglophone dimension of the “Socinian moment”. The foundational work is that of Herbert John McLachlan, composed in 1951, and based upon considerable archival investigation in national, provincial and personal papers.15 Although primarily driven by denominational imperative, McLachlan’s monograph was innovative in appreciating the reception of Socinus’ ideas   14 For an outline of this argument see Justin Champion: “ʻTo govern is to make subjects believe: anticlericalism, politics and power’, 1680–1717”, in: Nigel Aston (ed.): Anticlericalism in Early Modern Britain, Gloucestershire 2000, p. 42–66. Idem: “‘My kingdom is not of this world.’ The politics of religion after the Restoration’”, in: Nicolas Tyacke (ed.): The English Revolution, 1590–1720. Politics, religion and communities, Manchester 2007, pp. 185–202. 15 There were also a number of more focussed contributions, Herbert John McLachlan: “New light on an old Unitarian circle”, in: Transactions of the Unitarian Historical Society 7, 1942, pp. 255–68. Idem: “The arrest and imprisonment of John Knowles”, in: Transactions of the Unitarian Historical Society 10, 1952, pp. 102–104. Idem: “Links between Transylvania and British Unitarians from the 17th century onwards”, in: Transactions of the Unitarian Historical Society 17, 1980, pp. 73–79.

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from the continent, in exploring the movement of books as well as people, and in outlining a narrative of antitrinitarian writers from the early seventeenth century until the times of Locke and Newton in the later period. Built around a reconstruction of the lives and circles of John Biddle and John Knowles (both in London and Gloucester), McLachlan established the series of publications, translations and interventions which saw first Biddle, and then Knowles, come directly into conflict with the civil and ecclesiastical institutions of their day. When Biddle translated Socinian works for publication he ended up in gaol; when Knowles harboured Polish refugees and collected charitable funds, he was imprisoned under charges of sedition. The public dissemination of continental Socinian tracts involved learning and bravery: publication of works like the Dissertatio de Pace, or later Crell’s De Uno Deo were the outcomes of collective efforts by author and printer, who, especially after the 1648 Ordinance against blasphemy, put their lives at risk. Since McLachlan, while there has been considerable erudition devoted to exploring the antitrinitarian dimensions of religious commitments of men like Locke and Newton, the earlier tradition of the 1640s and 1650s has received less attention until the recent work of Sarah Mortimer, and the most recently Paul Lim. Both of these works have aimed to recover the broader historical context, and to rescue the tradition from its ‘modernising’ trajectory.16 In order to explore the very precise connections between Socinian theology and toleration, it will be useful to use three case-studies of the trials and tribulations of John Biddle, who is reasonably well known to historians, and subsequently the experience of John Fry MP, and then Gloucestershire man John Knowles. Each of these men advanced heterodox accounts of the Trinity, defended free and lay scriptural inquiry, and refuted the hegemony of the ordained clergy. For their pains each man was subjected to imprisonment and trial by Parliament, the highest Court in the land. Biddle and Fry did not survive the interregnum; Knowles lived to adapt his project to the less comfortable conditions of the Restoration when the Church of England had been re-established with the full panoply of persecutory legal instruments. In each case the victims used the printing press to dispute and challenge the legitimacy of their punishment, and the justice of their opinions, in public. Unpacking the conceptual arguments from the practical ambitions, and identifying the sources and nature of the primary intellectual commitments, will be the focus of this brief paper. First, one important note on context: after the outbreak of civil conflict in 1642, and with increased urgency in the later 1640s, the question of the theological identity of public religion, and the legal regulation of doctrine and practice, was the cause of fundamental political dispute. Whereas liberty of conscience was   16 For recent important discussions see, John Marshall: John Locke, Toleration and Early Enlightenment Culture. Religious Intolerance and Arguments for Religious Toleration in Early Modern and ‘Early Enlightenment’ Europe, Cambridge 2006. Mortimer: Reason and Religion. Eadem: “Human Liberty and Human Nature in the Works of Faustus Socinus and His Readers”, in: Journal of the History of Ideas 70, 2009, pp. 191–211. Lim: Mystery Unveiled.

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a watchword for radical elements of the New Model Army and the Levellers, the injunction for order and proscription of blasphemy and irreligion was a priority for Presbyterian interests. Between the Ordinance of 1648, “for the punishing of Blasphemies and Heresies”, which imposed capital penalties for persistent heterodoxy, to the Instrument of Government which allowed a measure of liberty and toleration in the name of Protestant union, the debate about the extent and limitations of the duties of the civil magistrate in matters of public religion, rumbled alongside attempts to identify a set of Christian “fundamentals”, and to distinguish mere error from wilful heresy.17 The claims, and counter-claims, of orthodoxy and freedom were profoundly contingent liable to fracture under pressure from parliamentary lobbying or the threat of military intervention. When the men, I will discuss, made proposals they were playing for high stakes on both sides: imprisonment and death, or freedom and salvation, were potential outcomes. Circumstances led to opportunity: Cromwell’s Protectorate, although a fundamentally Christian project, in its circumspection and caution about punishing the truth, offered possibilities of freedom for “erring yet wayfaring brethren”.18 2. THE LIFE, TIMES AND TRIALS OF JOHN BIDDLE John Biddle, despite spending much of his adult life in prison for his efforts, was sure he might persuade a public audience of believers and magistrates of the legitimacy of his antitrinitarian doctrine, but also of his liberty to articulate and defend them. The most fertile moment which for our purposes combines all the elements under discussion here (continental Socinian texts, persecution, the civil magistrate) happened between mid to late December, 1654. On the 7th December, the Parliamentary committee concerning religion had resolved, that the true Reformed Protestant Christian religion, as it is contained in the Holy Scriptures of the Old and New Testament, and no other, shall be asserted and maintained, as the public profession of these nations.19

  17 See Worden: Toleration, pp. 72–76. Mortimer: Reason and Religion, pp. 191–192. John Coffey: “Ticklish Business: Defining heresy and Orthodoxy in the Puritan Revolution”, in: Heresy, Literature, and Politics, p. 117. The historiography is substantial but the significant accounts are John Coffey: “Puritanism and Liberty Revisited. The case for toleration in the English Revolution”, in: The Historical Journal 41, 1998, pp. 961–985. Carolyn Polizzotto: “Liberty of Conscience and the Whitehall debates”, in: Journal of Ecclesiastical History 26, 1975, pp. 69–82. Eadem: “The Campaign against The Humble Proposals of 1652”, in: Journal of Ecclesiastical History 38, 1987, pp. 569–581. Avihu Zakai: “Religious Toleration and its Enemies. The Independent Divines and the Issue of Toleration during the English Civil War”, in: Albion 21, 1989, pp. 1–33. 18 Lim: Mystery Unveiled, p. 66. 19 “Guibon Goddard’s Journal: December 1654”, in: Diary of Thomas Burton, Esq. Originally published by H Colburn (London 1828), Vol. 1: July 1653–April 1657, pp. CII–CXXVII.

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To this end the committee membership had sought out blasphemous and heretical books, identifying Biddle’s recent catechetical works as suitable for investigation and destruction, and detaining their author as a delinquent. The books were to be scrutinised for report to the House, and the Sheriffs of London and Middlesex, to “be required to search for, and seize, all the printed copies of the said book; and to cause them to be burnt, accordingly, at the Old Exchange, and in the New Palace at Westminster”. Biddle and his printers (Richard Moone, and John Cottrell) offered “rude and obstinate behaviours and misdemeanours” in that they “refused to tell their names, or to give answer to any questions demanded of them by the said Committee”. Brought before the House, Biddle displayed a stubbornness in ignoring questions and a persistence in re-iterating his own theological opinions. His performance embodied one of the core Socinian positions: that religious conviction could only be determined by understanding scripture. Repeatedly his response to parliamentary query about Christological doctrine, insisted that “he hath examined the Scriptures, and doth nowhere find, in the Old or New Testament, that the Holy Spirit is God”, again, he “saith, he doth not find, in Scripture, where Jesus Christ is called the Most High God, or God from everlasting to everlasting”. By December 21st Biddle, and his publishers Moone and Coterell, were back before the House for questioning: as the MPs gathered, copies of Biddle’s translation of Przypkowski’s Dissertatio de Pace were distributed. As subsequent interrogation established the work was handed out by workers associated with Richard Moone’s printing house. Orders were issued for the hunt and seizure of copies. The presentation of Przypkowski’s Dissertatio at the very moment and venue wherein Biddle was defending himself, and his work from destruction, was deliberate. Although Biddle was set free in May 1655, despite his books being burnt by the Common hangman, by late June 1655 he was again in conflict with individual clergymen and the law having debated with Baptist John Griffiths in front of 500 people about “Whether Jesus Christ be the most High or Almighty God?”. This form of public disputation, challenging the authority of ministers and churchmen was a fundamental practical outcome of the Socinian commitment to the role of reason as an interpreter of scripture. The imprisonment of Biddle, at the instigation of a cadre of intolerant Presbyterians, prompted the swift production of two pamphlets from Richard Moone’s press.20 The first pamphlet outlined the evidence for Biddle’s encounter with John Griffin in the Bone-Chapple of St Paul’s, and how malicious forces had caused his detainment by the Marshall of the City. Biddle was innocent of the charge, and in any case his supporters were persuaded that he “would not hold, or publish any opinion or Doctrine which to his understanding he did not judge to have clear grounds in holy Scripture”.21 Biddle’s public dissent – “to differ in his judgement from the multitude” – was the product of   20 George Thomason’s notes indicate he purchased copies on 14th and 21st July, 1655. 21 Anonymous: A True State of the Case of Liberty of Conscience in the Common-wealth of England. Together with a true narrative of the cause, and manner of Mr. John Biddle’s sufferings, London 1655 (Richard Moone), p. 6.

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both a diligent examination of scripture and seeking the “further information” from men of knowledge and learning. His beliefs were “necessarily from the intanglement of his understanding, and not in the least of wilfulness”. His error was of “zeal and love”. The pamphlet made a powerful supplementary point in insisting that historically the Church and the State had erred too: it was Cromwell’s wisdom to enable “conscientious, peaceable and well-minded people” to pursue knowledge as a “National Right”. The reminder was, contrary to Presbyterian values, that “its better that a thousand Erronious persons be tolerated, than one good man be persecuted”.22 The principle that Biddle was only guided by the “evidence of the holy scripture” was also central to the argument of the second work, The Spirit of Persecution Again broken loose, which was also robust in its complaint about the failure of legal procedure exploited by the Presbyterian booksellers who initiated the persecution. The informers had selectively reported the words of the dispute, but most importantly the Instrument of Government was regarded as voiding the terms of the 1648 Ordinance. Both of these works were minor, produced for immediate impact on the sufferings of Biddle, with the intention of extracting from illegal detention, yet they both drew from the more conceptual defence of liberty of conscience outlined in the work distributed to MPs in December 1654: Przypkowski’s Dissertatio de pace. Translated by Biddle (and there is no comparison made here with the original Latin text, but it seems likely that the words were adapted to local circumstance) the work laid the grounds for tolerance of the sincere but erring conscience.23 Premised on the reverence for scripture, the work called for the liberation of “divine things” from the “gross darkness”. Doctrinal complexity was not necessary to salvation, but the sacred oracles had become “shadowed with obscure lineaments”. God had promised salvation “promiscuously to all who desire to attain it”: he also ensure that the “gifts” of understanding were promised to all, although human reason might err in that process. The failure of understanding, what he called “bare errors of mind”, did not “damn a man”: perfect knowledge was not a requirement, only “faith, hope and charity”. Excluding the incomprehensible Trinity, the beliefs necessary for salvation were, “few and very simple […] and easy to be understood by the simplest”.24   22 Anonymous: A True State, pp. 7, 9, 10–11. 23 George H. Williams: The Polish Brethren. Documentation of the History and Thought of Unitarianism in the Polish Lithuanian Commonwealth and in the Diaspora, 1601–1685, Missoula 1980, is the starting point for exploring the bibliography and translations of this and other Polish texts. On Przypkowski’s work see especially pp. 287–311, and the biographical commentary. I explore the precise reception and publication history of the work, in my contribution to the Dr. Williams Library Annual Lecture, 2013, “Harmless Freedom. John Biddle, John Knowles and the Reception of Polish Socinian Defences of Toleration, c. 1650– 1665. Dr Williams’ Trust, London: Lecture 67, 2015. 24 Anonymous [i.e. Samuel Przypkowski]: Dissertatio de pace &c. or, A discourse touching the peace & concord of the Church, London 1653, pp. 2, 5, 6–7, 18–21, 23–27, 32–33, 36.

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It is evident why Biddle appreciated Przypkowski’s work enough to translate and distribute it. In the context of his own experience, the principles that each individual had a “sollicitous care of their salvation”, and that a “trip in the understanding of Divine matters” was not “a capital offense”, were very pertinent. The careful distinction between the appreciation of the plain words of scripture and their embellishment with “forrain and philosophical senses” was one Biddle applauded. History established that since the Nicean councils priestly human “interpretation” had bickered and cozened the laity. The Church had used “carnal zeal” rather than “indifferent judgement” in its monopoly of scriptural interpretation regardless of the bequest of the gift of rational understanding on all believers. In particular, the imposition of vocabulary of person, essence and substance in doctrinal definitions was objectionable; claiming that such interpretations were a requirement for eternal salvation was corrupt. No modern church or churchman – Catholic, Protestant or evangelical could claim infallibility: the “gift” of understanding was derived to every peaceable mind. The “Citadel of Truth” was scripture: heresy was not error or ignorance, but wilful subversion of salvation.25 Biddle’s willingness to challenge clergy in their own churches, and to publicly rebuke MPs in parliament for claiming jurisdiction, drew from this conviction. The point to underscore here is that this early iteration of English Socinianism, while profoundly anxious to refute the incorrect account of the Trinity, was as focussed on identifying the right way for any individual to get a proper system of belief, and that led them almost inevitably to expose the wrongful consequences of the traditional priestly institutions. That the cluster of English interregnum Socinians drew from their continental brethren is further evidenced in the successive translations of Johann Crell’s Vindiciae pro religionis libertate first published in Amsterdam, 1637 and circulated in a French manuscript by Samuel Sorbière some two years later, and translated into English in 1646.26 Crell’s work, acknowledging that arguments for toleration were usually negotiated between Roman Catholic and Protestant communities, pointed out that Protestant states also had duties of granting “freedom of religion” in the name of harmony and “civill friendship”. Recognising that at long as heretics “observe the rules of civil society”, and lived “peaceably”, they ought not to be denied “security”.27 While there was a distinction to be drawn between approval and “not to oppress by force”, there was no civil responsibility to punish heresy, indeed God “himself may punish them when he pleaseth”. Importantly “meer error of judgement” was no ground for discipline: only reason and argument might be legitimately employed by churchmen. Repeatedly citing Lactantius, Crell insisted that “religion cannot be compelled” because “violence cannot cause a man   25 Przypkowski: Dissertatio de pace, pp. 40, 42, 45–46, 47, 56, 59–60, 67–68. 26 See Mulsow: “The ‘New Socinians’”, pp. 53–78. 27 [John Crell:] A learned and exceeding well-compiled vindication of liberty of religion: written by Junius Brutus in Latine, and translated into English by N.Y. who desires, as much as in him is, to do good unto all men, s.l. [London] 1646, pp. 1–13.

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to think otherwise than he doth”. Exhortation, meekness and persuasion were the proper tools, for “an opinion can neither be thrust into the minds by violence, nor extorted and wrested from it”.28 Religious diversity, in itself, was no necessary threat to civil peace, indeed gentle accommodation would avoid the tumults and wars that had devastated France and Holland. 3. THE HERESY TRIAL OF JOHN FRY My second subject has not troubled the historiography of Socinianism and toleration much: his example however, in a theme I wish to develop here, is a valuable one to expose the historical intimacy between ‘Socinian’ belief, and the development of arguments and practical policies in defence of religious freedom. John Fry (1609–1657), a soldier in the Parliamentary forces, was a Member of Parliament and initially a Commissioner for the Trial of Charles I. He was also a lay “Socinian”, intimate with John Biddle. It was his attempt to intervene on Biddle’s behalf in January 1649 which led to conflict with fellow MP (and himself a regicide) Colonel John Downes who had demanded Biddle be hanged. The consequences of this dispute with Downes, initially in the private space of the Painted Chamber at Westminster, led to his examination by Parliament, and some powerful pamphlets which based on his right to the freedom of religious opinion saw a defence of antitrinitarian accounts of Christ, and challenge the persecuting “craft” of established churchmen. The first short pamphlet, The Accuser sham’d or A pair of Bellows (1649) dealt specifically with Downes’ charge and his confederacy with priests and “Rigid Presbyterians”. Priests and so-called Gospel preachers were oftentimes more interested in tithes and a “good fat parsonage” than truth, “their preaching and practice considered, I profess, I think a man of ordinary capacity can see without a pair of spectacles”.29 Lawyers and self-seekers were only bettered by “Rigid Sir John Presbyter” who used blind zeal to scrutinize matters of divine belief despite having no jurisdiction to do so. Magistrates only had the right to call men to account for things which were “really prejudical to his Neighbour, in his person, estate or good name”. Since there were no scriptural texts to justify such a claim, such authority was usurped by will: as he concluded “I would almost as soon put a sword into the hands of a mad-man, as into the hands of a high-flying Presbyter”.30 He recommended that the best use for the Westminster Assembly would be to “make them Masters over all the Bedlams in England”. Using the “Civil Sword” to drive men to Heaven “whither they would or no” was   28 Crell: Vindication of liberty of religion, pp. 16, 27, 29–30, 32, 46. 29 [John Fry:] The accuser sham’d or a pair of bellows to blow off that dust cast upon John Fry, a Member of Parliament, by Col: John Downs, likewise a Member of Parliament, who by the confederacy and instigation of some, charged the said John Fry of blasphemy & error to the Honorable House of Commons, London 1649, pp. 6–7. 30 Fry: The accuser sham’d, pp. 9–10, 12.

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a Roman Catholic practise unsuitable for England. Fry’s narration of how his passionate disagreement (a “private broken discourse”) with Downes had been transformed into a charge of blasphemy before the highest court in the land gives us insight into the visceral nature of the exercise of religious persecution, which was “so far beyond the Rules of Civility, Christianity and Prudence”. Fry’s Socinian commitments suggested to him there were proper civil ways of managing differences of opinion without recourse to “authority”.31 If Fry’s first pamphlet had be modest if robust in defending his conduct and opinion, his second more lengthy work, The Clergy in their Colour; or a brief Character of Them (1650) did not restrain itself in connecting the absurdity and non-scriptural doctrine of the Trinity with the false and corrupt deception of “such as call themselves the Ministers of the Gospel, but are not”. Fry was sure that clerical learning was unnecessary for being able ‘to know the mind of God in the scriptures”. Connecting the practices of “gross Popery” with that of “our profound Parsons” who both claimed that only clergymen in orders were qualified to preach or write. Such priests “confidently obtrude themselves upon the people, to tel them the mysteries of salvation, held forth in the Scriptures”. Clerical pretensions to scriptural erudition were pretentious and empty tending “to strife and debate, or at least to popularity and ostentation”. This was to be contrasted with the serious Christian enquirer, who taking the example of the Bereans (Acts 17:11) “searched the scriptures daily, whether those things were so, and many of them believed”, in contrast to those who adopted an “implicit faith” in the instruction of others. Following most teachers was like the blind following the blind.32 Most Protestants, following the contradictions of their teachers were no “wiser than Parrots, only speaking after other men: because they say it, and not from any force of reason, grounded upon the Scripture, convincing our judgements”. Christians must be reasonable and submit their beliefs to “a due search”: as Fry noted in selfjustification, “therefore men cannot be justly taxed with immodesty, or turbulency of Spirit, for not closing with all their Teachers would obtrude upon them, if after a careful and conscionable search, they find no footing for such things in the Scriptures”.33 The literal meaning of Scripture was always to be preferred to the figurative. Fry’s point was that a simple careful reading of scripture unhindered by learned interpretation was enough. However, this was not an uncomplicated hermeneutic claim but intimately connected to a critique of clerical power: “our Mufty” asserted “that they are the Ambassadours of Jesus Christ” pretending to have “a commission from the great God of Heaven and Earth”. Such men impudently continued to deceive “the simple and ignorant people, for their private worldy   31 Fry: The accuser sham’d, pp. 13, 17–18. 32 John Fry: The clergy in their colours, or a brief character of them, London 1650, pp. 6, 7, 11– 12, 14. 33 Fry: The clergy in their colours, pp. 17, 18.

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gain”.34 Fry’s hostile rebukes to the “seeming zeal” of the clergy included a precise commentary on their performances in the pulpit noting the “strange posture” (wry mouths, squint-eyes, and scru’d faces do they make) they adopted “when they begin their prayers before their sermons. Whether the fools and knaves in Stage Plaies, took their pattern from these men, or these from them, I cannot determine.” Like conjurors and jugglers they made a show to gain authority which they used for self-advancement even at the expense of civil peace stiring up the people to rebellion against the state.35 Fry enumerated the “tricks they have to keep up themselves in the esteem of the people”, which included the insistence that skill in the ancient languages was necessary to understand the bible, as was that being in orders, “by which imposition of hand, the holy Ghost is conveyed unto them as it was brought out of Scotland in a Cloak-Bagg some few years since”. The most reprehensible clerical trick was to claim that there were religious truths “above reason” which denied the very nature of humanity. The modern clergy were tradesmen making merchandise of the word.36 Fry was well aware that the “blackcoats” would condemn him for exposing their dark arts. He was “past the fears of those Bugbears” and connected their policy with their false doctrines. Fry’s plea was “that men may reflect upon those things that are taught, not believing anything, because their teachers say so; but because what is taught, is rational, and grounded upon the Scriptures”. Freedom from a state of slavery and ignorance would result from challenging the “fancy of holiness” and the “dissembled holiness, with which they deceive the hearts of the simple and honest meaning people”.37 Unsurprisingly, in January 1651, Fry’s original antagonist Downes, informed against both books as “obnoxious publications” in the Commons. With his books condemned as scandalous, Fry was called to the House to defend himself against their exceptions, in particular for the denial of the Trinity and the “overthrow of the Preachers and the Preaching of the Gospel”. With the printers of the works being subjected to scrutiny, and the committee convinced of Fry’s authorship, the conclusion was inevitable in the circumstances. The Sherrifs of London and Middlesex were required to hunt down and burn all copies of both titles; Fry was disabled from sitting in the Commons.38 Fry’s treatment, in effect a state heresy trial, established the power of the agents of intolerance, but also the anticlerical dimensions of the peculiar brand of English Socinianism. Fry was a brave, perhaps reckless, polemicist, concerned to expose the false claims of all churchmen.

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Fry: The clergy in their colours, pp. 32, 36–38. Fry: The clergy in their colours, pp. 41–42, 44. Fry: The clergy in their colours, pp. 48–50, 52. Fry: The clergy in their colours, pp. 62, 64–66, 67. Journal of the House of Commons 6 (1648–51), pp. 123, 125, 131, 529, 536f, 539f.

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4. JOHN KNOWLES: A GLOUCESTERSHIRE SOCINIAN John Knowles (1625–1677), the youngest of the men studied here, had connections with the Biddle circle probably through his service in the parliamentary army serving under Thomas Fairfax and his own Gloucestershire roots. Knowles is interesting for two main reasons: first, the archive of his correspondence establishes that he had a central role, especially in the later 1650s and the Restoration years, in co-ordinating like-minded thinkers both in England and on continental Europe. Second, he allows the historian to explore the connection between antitrinitarianism and the demand for an unhindered encounter between individual reason and scripture. If we were seeking evidence of the inter-traffic between European wide ideas and England, Knowles seems to have acted as a broker both of men and books: the evidence of his intimacy and concern for Christopher Crell whom he enabled to travel to England, and his more widespread attempt to raise charitable funds for the relief of Polish Brethren fleeing persecution, certainly brought him to the attention of anxious Restoration authorities who feared republican plotting was afoot. Knowles, as the evidence of his library suggests, was familiar with many of the significant continental Socinian works. He may well have been responsible for the circulation of a scribal English translation of Crell’s De Uno Deo Patre, and its eventual publication in 1665, which provoked Edward Stillingfleet to a lengthy response. As his correspondence establishes, Knowles identified his own masterproject with that of the Polish Socinians: as one of his friends noted, the Polish exiles were, “bone of our bone & and flesh of our flesh; or rather (hoc ordine inconverso) they are our precedants in some great points of religion”.39 Crell referred to his English friends as being of the same “Archi Catholick Faith”.40 The second dimension of Knowles’ activity has been rather marginalised in McLachlan’s excellent account of his life and works in favour of an emphasis upon his criticism of the Trinity. While there is absolutely no doubt that Knowles, drawing from Crell and indeed Biddle, subscribed to the typical ‘Socinian’ criticism of the doctrine, his theology was as the papers extant in the PRO suggest cast far more light than upon this singular issue. One of the interesting manuscripts (that McLachlan makes little or no reference to) is The Articles of Faith are principally to bee inquired into In reference to these times.41 From the bare outline of the “Articles of Belief”, it is evident that although antitrinitarianism held a significant place in his theology, it was a place alongside other components. Out of the

  39 The National Archives (hereafter TNA), State Papers Domestic 29/90/91. The Polish Dutch connection seems important for the circle that considered Knowles as a “masterbuilder” of the true faith. See TNA SP 29/119 vii. 40 TNA SP 29/56/22. 41 TNA PRO SP 29/119/25 ii.

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21 headings for discussion only three directly deal with the Trinity.42 The other doctrines focus upon issues common too much of the theology of the 1650s: in particular Calvinist ideas of original sin, predestination, redemption to the elect alone, “sainthood”, Sabbatarianism, and free will, were all opposed. Some articles promoted very unorthodox beliefs: article seventeen proposed discussion about “what is beleeved concerning heaven and hell and judgements to come, whether there be any such places to which some are to goe after this life, or any such judiciall proceedings at ye end of ye world, or whether these things are only within us”. Attitudes to Scripture, and who was authorized to interpret them, were also a central part of the discussion: articles nine, ten, eleven, thirteen and nineteen all dealt at length with the status of sacred text and interpreter. Article nine Proposed discussion around the question “What is beleeved concerninge the Scriptures, whether they were inspired by God, and remaine a rule and guide to men”, article ten, “what is beleeved of ye spirit, and the teaching thereof whether there be any revelations thereof but what are consonant to ye written word of God, and whether all ought not to be tryed by ye Scriptures”, and article nineteen was yet more blunt in posing the query, “What is beleeved concerninge Churches, ministry, and ordinances, whether these continue and are to be on foot in theise dayes”. This manuscript, is a useful commentary upon the central theological conflicts of the late 1640s and 1650s, clearly illustrates that Knowles had interests and opinions beyond antitrinitarianism. Nevertheless McLachlan’s account of his thought concentrated on this dimension: interestingly the Knowles’ archive also contains a scribal work, A Confutation of Certaine Reasons which were framed against Laymen’s Preaching of the Word which was in circulation from as early as 1641, and eventually formed the major part of a printed work.43 McLachlan dismissed the work: “Into his arguments in defence of lay preaching contained in ‘The First Part’ of the tract (pp. 1–13) there is no need to enter”.44 However an examination of this scribal work, and the consequent debate between his clerical antagonist Giles Workman and Knowles, does throw further light upon the practical dimension of “Socinianism” in the 1650s and 1660s. Knowles, as well as distributing the printed word, made claim to be able to preach to the people without any form of civil or ecclesiastical permission or ordination. Like Biddle and Fry, this assertion of a gift to understand and communicate was regarded as a seditious affront to the Puritan status quo. Giles Workman and Knowles, having exchanged manuscripts, resorted to print to continue their differences. Workman’s manuscript answer Towards a Vindication of a Minister, from a false accusation eventually was printed under the title of Private-men no   42 TNA PRO SP 29/119/25 ii: “What is beleeved concerninge ye doctrine of ye Trinity, 2. What is beleeved concerninge ye deitie of ye son & ye spirit [...] 8. What is beleeved concerninge personification, whether there was any need of personification in gods part”. 43 See TNA PRO SP 29/119/25 iii: “A Confutation of Certaine Reasons which were framed against Laymen’s Preaching of the Word”. 44 McLachlan: Socinianism, pp. 266–267.

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Pulpit-men: or, a Modest Examination of Lay-mens Preaching (1648).45 The debate focused upon Knowles’ claims to preach in public: as Workman demanded of him, “how he durst preach without publique authoritie”? Knowles’ oral reply, as reported by his antagonist, was “that he knew noe neede he had of any authoritie for soe doing”. Both the manuscripts and the consequent printed debate dealt with the practical and theological dimensions of attempting to define who was authorized to preach or prophesy, focusing in particular upon the distinctions between “gifts”, “abilities” and “offices”.46 In his first scribal work, Knowles had posed the core question, “Whether it be permitted for a layman, a company being met together to preach ye word?”47 His answer was a resounding affirmative: it was a “popish doctrine” to insist that all should “believe as the Church [the Clergie] believes”. Drawing from commonplace Socinian arguments, Knowles insisted that all doctrine and belief must be examined by the touch-stone of reason, for nothing could be a matter of conviction “till I enjoy a satisfactory reason, why I should so”.48 Challenging the dominant clerical assumption that ordinary men needed special spiritual gifts and offices to preach, Knowles argued that preaching was “nothing else, but to publish, make known, or declare the truths and mysteries” contained in Scripture. It was a question of understanding the significations of the words: it was then, “nothing else but a promulgation or speaking of our apprehension unto others”.49 Many clergymen were instruments of mischief, “shutting up and making narrow the way to hear the Gospel”, especially by reserving preaching to themselves, rather than encouraging those with abilities to do so. Garments and garb did not endow either power or ability, although many assumed that a “blacke and canonicall coate” as a mark of ministerial authority. Knowles’ simple, but controversial, point was that “Abilities and holy Orders are not always joyn’d and link’d together”, often men might have sacraedoles without being sacerdotes.50 The spirit of God ought to be allowed to “breathe where it will”. Workman’s response was driven by a sense of anger and horror at Knowles’ disrespect for the clerical order: he had himself suffered public challenge to justify his views in front of Major-General Massey, Governor of Gloucester, in 1644. Knowles’ physical defiance of Workman, was to be repeated some years later in his throwing down an antitrinitarian gauntlet to Samuel Eaton, in Chester. The process of public disputation to contest the authority of established clergy was an outcome of the defence of the rights of reason to bring all to examination. Work  45 TNA PRO SP 29/119/25 iii: “A confutation”. TNA PRO SP 29/119/25 iv: “Towards a Vindication of a Minister, from a false accusation”. 46 Giles Workman: Private-men no pulpit-men: or, A modest examination of lay-mens preaching, London 1648, pp. 2–3. TNA PRO SP 29/119/25 iv, f. 57. 47 Knowles: “A Confutation”; TNA PRO SP 29/119/25 iii. 48 Knowles: A modest plea for private mens preaching; or an answer to a booke intituled, Private men no Pulpit men, by Giles Workman, London 1648, p. A2r. 49 Knowles: A modest plea, pp. 1–3. 50 Knowles: A modest plea, pp. 11–12.

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man invoked the scriptural injunction of the punishment meted out by God for Uzzah’s sin of an unwarranted touching the Ark. As Chronicles [1 Chron. 13:10] insisted “the anger of the Lord was kindled against Uzza, and he smote him, because he put his hand to the Ark; and there he died before God”. As Workman expanded, (citing Numbers 4–5) none but the High priest and his sons might touch the Ark: to contravene such injunction was the highest blasphemy.51 The fundamental premise of Workman’s reply to Knowles’ claims lay in the assertion that those who held the gift of interpretation only held the foundation of legitimate calling if they could identify first, the ability to prophesy, and, second most important, the authority to exercise those gifts. This “Authority, power of Key”, was given by Christ to an order of “preaching elders” who in their ministry were distinct from the “people”, not in the “popish” sense of the “Clergy and laity” but in their holding of a separate “office”.52 To deny such a distinction was to herald “bloody confusions”, usurpation and sedition. Knowles’ case countered all Workman’s assertions. While he agreed that the evidence of Uzzah’s sin insisted that good intentions could not justify bad actions, he denied Workman’s premise in arguing that lay preaching was no breach of “office” as Uzzah’s had been.53 Knowles applied all his efforts and learning to arguing that there was no narrow definition of who might interpret Scripture. The language of Scripture itself argued that “Gospell preaching” was a means of publishing the “divine doctrine” of the Gospel abroad: the Septuagint and “Greek original” used the language of “proclamare, praedicare, and signifies as much as aperte seu publice dicere vel docere, to divulge, report, publish or noise abroad”. His argument was woven around three central Scriptural passages: Romans 12:6, “Having therefore gifts, &c, whether Prophesie, let us prophesie according to the proportion of Faith”, Acts 8, about the scattering of the prophets in the time of persecution, and 1 Corinthians 14, on the use prophesy for the edification of the Church.54 As Workman succinctly put it, Knowles argued that “God hath commanded all that have the gift of prophesie to use it”.55 For many orthodox contemporaries such a claim to the libertas prophandi was outrageous. Exhorting all to prophecy was tantamount to anarchy, Samuel Eaton (1596?–1665), who argued with Knowles in the early 1650s, pointed out the danger of “setting up a multiplicity of teachers”. Not that he was opposed to prophesy for it was an ordinance of

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Workman: Private Men, p. 2. TNA SP 29/119/25 iv, f. 59, 60. Workman: Private Men, pp. 3, 5, 27. TNA SP 29/119/25 iii, f. 46–47. Knowles: A modest plea, p. 3. TNA SP 29/119/25 iii, f. 45. Workman: Private men, p. 2. See also J. Knowles’ exposition of Romans 12, as “I charge every one that is amongst you having the gift of prophesie (whereby he able to speake to others edification, exhortation and comfort) to behave himself humbly and contentedly in the exercise of that gift, in the discovery of that measure of knowledge enjoin’d by him” (A Modest plea, p. 25).

ʻPrivate Men no Pulpit menʼ

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Christ, but like sainthood it had to be “rightly regulated” by the authority of the ministry.56 In his arguments Knowles went beyond the bibliocentrism of orthodox Protestantism which insisted that, although all believers must be given access to Scripture, to a position that argued that all who had the ability and inclination could elucidate the meaning of Scripture to others. The dominant Protestant culture made the firm distinction between the duty of reading applicable to all, and the power of interpretation, restricted to authorised clergymen. On the contrary for Knowles, the injunction of 1 Corinthians 14, suggested all had a duty to do so. The “gift” of prophesy that clerics like Workman and Eaton insisted was associated with ordained “office” was a power of ministry, but of “abilitie”. For Knowles the attempt to restrict the exercise of prophesy had “an inseparable retinue of ill and bad consequences waiting upon it”. Put simply it hindered the preaching of the word: this was the work of men of “an evill spirit”. Although some Godly men, through ignorance, opposed lay prophesy, there was a wider group that looked to their own self-interest “because it crosseth (as they apprehend) each of their darlings”.57 By examining the nature of the debate between Knowles and Workman we can learn something not only in regard of what they disagreed about, but also how they disputed, and the practical implications of the way that discussion was conducted. 5. FROM SOCINIANISM TO ENLIGTENMENT For many contemporaries of men like Knowles, Biddle and the later Unitarians there were very clearly delimited boundaries to those minds and believers whom might be embraced within the sanctuary of toleration: such minds had an imperative to derive their beliefs in industrious ways from a serious and intent encounter and reflection upon the prophecy and meaning of revealed Scripture. Legitimate toleration, at its most Lockean, was fundamentally a Christian project designed primarily to defend tender conscience, not encourage the diversity of erroneous heretics, although they might if sincere receive a bone of comfort from the removal of penalties within circumscribed contexts.58 One of the powerful constraining   56 Samuel Eaton: A vindication, or, Further confirmation of some other Scriptures, produced to prove the divinity of Jesus Christ, distorted and miserably wrested and abused by Mr. John Knowles together with a probation or demonstration of the destructiveness and damnableness of the contrary doctrine maintained by the aforesaid Mr. Knowles, London 1651, pp. 405– 409, 409–432. 57 Knowles: A modest plea, pp. 7, 11–12. 58 For an account of the limits of Lockean arguments see Justin Champion: “‘A Law of continuity in the progress of theology’: Assessing the Legacy of John Locke's Reasonableness of Christianity, 1695–2004”, in: Eighteenth Century Thought 3, 2007, pp. 111–142. Idem: “Some Forms of Religious Liberty. Political Thinking, Ecclesiology and Religious Freedom in Early Modern England”, in: Eliane Glaser (ed.): Religious Tolerance in the Atlantic World.  

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Justin Champion

elements of this form of toleration was the persisting interpretative authority of the institution of the established Church. Clerical erudition, voiced from the pulpit, embedded in annotations to printed scripture, or published in the apparatus of Biblical scholarship (commentaries, advice books, and sermons) by necessity constrained the range of interpretations a private mind might pursue. Clerical erudition was, of course, rendered even more authoritative by the claims for speaking for God. The arguments constructed by men like Knowles and Biddle, drawing from Socinus, Crell and Przypkowski, challenged this clerical authority; with a simple query – “why priests” – they unhinged the disciplinary practices which enabled an established religion to construct public doctrinal orthodoxy through the agency of Church synods. Socinians did not challenge the authenticy of revelation (although their opponents disputed this claiming the elevation of human reason as an engine of interpretation necessarily demoted the prophetic status of revelation). The anti-blasphemy legislation between 1648 and 1699, explicitly defended the primary authority of revealed Scripture, but aimed to control the potential anarchy of every lay Christian gaining meaning from the scriptural encounter, by securing the interpretative role of the Church, as a legal establishment. From the late 1640s through to the decades after the Restoration, English Socinians challenged the status quo. It is possible to underscore a number of points about the practical ambitions and consequences of these efforts. Men like Best, Biddle, Knowles and Fry, disputed the scriptural integrity of the Trinity; they also confronted the expertise of the clergy. Importantly they contested, not just priestly sacramental ordo of Roman Catholic and Anglican ministers, but also Protestants – Presbyterian, and even Independent – churchmen. All of our subjects sought out public venues, some national, to project their “harmless freedom”. They were also very effective at using both scribal transmission and print culture to disseminate their ideas, and those of serious continental authors, to broader audiences and communities. Nigel Smith has suggested that John Biddle failed, because he did not establish a Church, but perhaps, for men like Biddle and Knowles, that was precisely the point.

  Early Modern and Contemporary Perspectives, Basingstoke 2014, pp. 41–72. Idem: “ʻDirections for the profitable Reading of the Holy Scriptures’. Biblical Criticism, Clerical Learning and Lay Readers, c. 1650–1720”, in: Ariel Hessayon and Nicholas Keene (eds.): Scripture and Scholaship in Early Modern Europe, Aldershot 2006, pp. 208–230. Idem: “ʻLe culte prive quand il est rendu dans le secret’. Hobbes, Locke et les limites de la tolerence, l’atheisme et l’heterodoxie”, in: Yves Charles Zarka, Franck Lessay et al. (eds.): Les fondements philosophiques de la tolerance, Paris 2002, Vol. 1, pp. 221–253.

THE PARABLE OF THE THREE RINGS IN GOTTHOLD EPHRAIM LESSING’S DRAMA NATHAN THE WISE Friedrich Vollhardt Gotthold Ephraim Lessing counts as a representative of the ‘Enlightenment’ in Germany. This term is controversial and can be defined in various ways – as a programme, a way of thinking or an epoch, but there is no doubt that Lessing can be considered to be a ‘pre-classical writer’. He does not, however, conform to the ideal image of the author of the Enlightenment which the historian Robert Darnton has created for Lessing’s contemporaries in France. In his works they appear as radical critics of religion, style-conscious men of letters and sophisticated ‘philosophes’, well connected to the centre of power. Such a collective identity cannot be applied to the German authors of the Enlightenment, and the scholarly Protestant theologians, among them Lessing’s father, were different opponents than the Catholic church in France. We must also remember that there were hardly any similarities between the intellectual climate of Paris and that of a Protestant commercial city or university city in the north of the Holy Roman Empire which would permit the historical phenomenon to be defined in terms of a concrete location or a literary centre. In German countries different traditions and contexts have proved defining for the development of the literature of the Enlightenment, not the least of these being the theological debates. And a product of these debates is the most important German drama of the eighteenth century: Lessing’s Nathan the Wise. It is a play that is still read today and has been translated into numerous languages; in short it is a work that is part of world literature. But even that is too little. Together with John Locke’s Letter concerning Toleration and Voltaire’s Essai sur la tolérance, it forms the German contribution to the discussion concerning tolerance in Europe – though I do not wish to stress the national aspect too strongly. If we compare these three works with regard to the central idea of religious tolerance, we can immediately see significant differences. Whereas John Locke’s Letter is characterised by pragmatism (the Catholics are excluded because the Pope had absolved them from obedience to the King of England) and Voltaire’s Essai argues the case for religious indifferentism in a specifically secular way, Lessing couches his contribution in the form of a Dramatic Poem, in order to address tolerance in the form of the acceptance of other religions by means of the action on stage and the discussions between the literary characters. The poetic form has in no way harmed the enduring effect of the text, which has lasted up to the present day; quite the contrary: Nathan the Wise finds attention not only in the day-to-day business of politics, but also in academic research, as can be seen in Rainer Forst’s standard work Toleration in Conflict: Past

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and Present, which has now been published in English.1 Beyond that, Lessing’s characters and the dramatic work play an important role in the complex history of the discrimination, legal equality, social emancipation and cultural assimilation of the Jews since the eigtheenth century. Today we know many details of this history of German-Jewish relations, for which the friendship between Lessing and Moses Mendelssohn has become a tragic symbol. Lessing’s appeal for tolerance is not due primarily to this real-life experience (although it remains one factor). If the theme of Nathan is reduced to the coexistence of people of differing religions and cultures, it is based on a questionable interpretation of the play. Lessing’s preoccupation with the three religions that have Abraham as their ancestor, which lasted for decades, was an intellectual one, focusing on the question of truth (or rather its uncertainty). We must not lose sight of this frame of reference or overlook the poetic coherence of the text and the particular achievement of literature, which of course includes the problems connected with the term ‘fiction’. I will return to this point later. It is not only readers in the twenty-first century who find it difficult to keep an overview of the somewhat complicated plot of the didactic drama Nathan the Wise. So let me start by giving a brief summary. It was written by Johann Gottfried Herder and shows how Lessing’s contemporaries understood the play and what they focused on. A Tempelherr [i.e. Knight Templar] finds himself in Palestine, he himself hardly knows how, is captured and alone pardoned, he himself does not know why. It turns out that this happened because of a resemblance to the Sultan’s brother; both he and the Sultan forget the affair. He rescues a Jewish girl from a fire, but does not know why; in this way he gets to know Nathan, whom he never wanted to meet, and the girl he rescued, whose mental and physical qualities to his surprise make him fall in love with her. The Jew hesitates; the Patriarch, a monk, and the Sultan become involved; in the end it turns out that Recha is the Templar’s sister, that they are both children of the Sultan’s brother, that the two religions are closely related, and that the Jew was benefactor to them all.2

A story like a fairy-tale, but by no means timeless and placeless. Lessing sets it during the time of the Crusades. The Sultan is the famous Saladin, who after winning the battle of Hattin in 1187 – which was to lead to the capture of Jerusalem – had two hundred Knights Templar and Knights of St John beheaded.3 The brutality of the battle is briefly touched on at the start of Herder’s summary (“captured and alone pardoned”) in order specifically to emphasise the reconciliation at the end of the play, which derives from the realisation that all the religions based on revelation are “closely related”. Only after that is the parable mentioned, though

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See Rainer Forst: Toleration in Conflict: Past and Present, Cambridge 2013, p. 301–307. Johann Gottfried Herder: “Adrastea II 10”, in: Heinrich Düntzer (ed.): Herder’s Werke. Vierzehnter Theil, Berlin [1879], p. 313f. English Translation by F.V. See Hannes Möhring: Saladin. Der Sultan und seine Zeit 1138−1193, München 2005, p. 77.

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without any specific interpretation: “the dramatic fairy-tale winds itself round a tale about three rings: a rich garland of the most beautiful kind of teaching”.4 Lessing took the references to the Sultan’s rule, which was considered exemplary, and to his knightly character from historical portrayals, in particular from Louis Claude Marin’s Geschichte Saladins (2 volumes, 1761).5 But the plot of the drama is also based on literary patterns as well as on these historical sources. The most important of these are the biblical story of Job and references to classical drama, although the tragic conflicts in these plays (the murder of relatives and incest) are kept in the background. And of course the Ring Parable, which forms the centre of the play. Although every interpretation of Nathan is faced with the task of comprehending the inner coherence resulting from the combination of these myths at the border between poetry and religion,6 the following will concentrate exclusively on the tale of the ‘Three Rings’. It will, however, be prefaced – as a complement to Herder’s summary – by the question of how Lessing’s parable is understood today. In what way could it be considered topical? In 2007 the publishers Suhrkamp brought out an essay entitled Vom Kampf der drei Monotheismen (The Battle of the Three Monotheisms) by the philosopher and cultural critic Peter Sloterdijk; the following year he received the Lessing Prize for Criticism in Wolfenbüttel. In this essay the story Nathan tells is linked to our present-day discourses in an unexpectedly direct way. I quote: From our present-day perspective his perfect post-modernism can be seen in this parable. It unites in itself pluralism, the suspension of the question of truth, and civilising scepticism. The reader cannot avoid being impressed by the wisdom of Lessing’s solution. By postponing the final judgement to the end of the world it admonishes the rival religions not to be too sure that they are the chosen one.7

But since today it is almost only effects that count, the principles of the traditional monotheistic religions were copied and taken over in the following age of ideologies by new projects of salvation, “from the rule of the Jacobins to the madness of Maoism”.8 For Sloterdijk these “transitions” are already contained in the deep structure of the tale of the indistinguishable rings; Lessing in this way becomes a witness for a dialectic of the Enlightenment.9 In the end there is at least hope for a post-modern culture of “wisdom”, as Nietzsche foresaw it, a “civilising path” for   4 5 6

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Herder: “Adrastea II 10”, p. 314. See Gotthold Ephraim Lessing: Werke und Briefe. Vol. 9: Werke 1778–1780. Edited by Arno Schilson, Frankfurt/Main 1993, p. 1160ff. Gisbert Ter-Nedden: „Lessings dramatisierte Religionsphilosophie. Ein philologischer Kommentar zu ‚Emilia Galotti‘ und ‚Nathan der Weise‘“, in: Christoph Bultmann, Friedrich Vollhardt (eds.): Gotthold Ephraim Lessings Religionsphilosophie im Kontext. Hamburger Fragmente und Wolfenbütteler Axiomata, Berlin 2011, pp. 283–335, esp. p. 329. Peter Sloterdijk: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen, Frankfurt/Main 2007, p. 170f. Sloterdijk: Gottes Eifer, p. 188. See Sloterdijk: Gottes Eifer, pp. 188ff.

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all humanity, which has freed itself from all military campaigns10 and above all – from religion. In order to be able to draw such far-reaching conclusions it is necessary to ignore the question of truth which is to be found at the start of the parable, the question which forces Nathan to search for an allegory. Lessing’s design is removed from its contexts, which rules out a historically suitable interpretation. Because my contention is that for Lessing “truth” was the decisive term in the theologians’ controversy, which was triggered by his publication of the so-called Wolfenbütteler Fragmente.11 What was this dispute, which precedes Nathan, about? The schoolmaster Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) had acquired a reputation as a progressive scholar with his Abhandlungen von den vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion (Treatises on the Principal Truths of Natural Religion, 1754), in which he called the biblical doctrine of the Revelation into question. Equally, his goal was to establish and justify in purely rational terms a theological system totally without the concepts of the Revelation. In this way Reimarus was following in the tradition of Deism, in other words a rationalist concept of religion that originated in England and spread throughout Europe during the Age of Enlightenment. It is characterised primarily by two ideas: first of all, it replaced the Christian dogma of the Holy Trinity by the concept of a single God (Unitarianism). Secondly, God is seen purely as the creator of nature; He does not play any further role in its development and man is himself responsible for his actions. Lessing was given a copy of an unpublished manuscript found in Reimarus’s estate entitled Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes (Apology or Defence for the Rational Reverers of God). Between 1774 and 1778 he had several extracts printed as Fragmente eines Unbekannten (Fragments by an Anonymous Writer) so as not to betray the author’s identity. Lessing’s intention was to make the prohibited deistic ideas the subject of public discussion – and he certainly succeeded. The philosopher Hans Blumenberg saw the debate about the Wolfenbütteler Fragmente as the climax of the Enlightenment in Germany. In the course of the public debate concerning the Fragments more than fifty rebuttals were published, and the indignation was also directed at Lessing as the publisher. His opponents found an influential spokesman in the senior pastor Johan Melchior Goeze in Hamburg, who wanted to prohibit the publication of further extracts and called on Lessing’s employer to forbid the librarian in Wolfenbüttel to publish them. In this situation Lessing writes to his brother Karl in August 1778: As yet I do not know what the outcome of my quarrel [the quarrel with the senior pastor Goeze in Hamburg] will be. But I would like to be prepared for any outcome. [...] Last night I had a crazy idea. Many years ago I outlined a drama on a subject that has a certain analogy to

  10 See Sloterdijk: Gottes Eifer, p. 212, 217–218. 11 See William Boehart: Politik und Religion. Studien zum Fragmentenstreit (Reimarus, Goeze, Lessing), Schwarzenbek 1988, p. 412.

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these present controversies, little dreamt of then. […] I do not wish to allow the real content of my announced piece to become known too early; but if you or Moses [Mendelssohn] want to know it, turn to Boccaccio’s Decameron, Giornata 1, Novella 3: Melchizedek the Jew. I believe I have invented a very interesting episode for it, so the entire story should be a good read. And I certainly intend herewith to play a more wicked prank on theologians than if I were to write ten other fragments. If possible, answer me promptly. Gotthold

The letter is dated August 11th; one week later Lessing receives the expected “Resolutio” from the Duke of Brunswick, which forbad him “to have anything more concerning religion printed, either here or elsewhere, without prior permission from the Duke’s Privy Ministers”.12 Work on the didactic poem therefore begins in a specific situation, it serves a currently relevant justificational interest, even though he had already had the idea of a Boccaccio adaptation. An old design and a new conflict. The question is how Lessing adapts the “episode” that he has taken from the Decameron to avoid the censorship he is threatened with. Lessing’s tale can be divided into four sections, introduced by a monologue by the leading character. This prologue is evidently of great importance for the author, because he hardly makes any attempt to integrate it logically into the context. Precisely in the middle of the play there is a caesura that announces the parable, which points beyond the dramatic plot and is to be interpreted reciprocally with the “didactic poem”. Act III, Scene 6, Nathan alone: The merchant shows that he is in the picture, he knows about the Sultan’s problems. “I came prepared with cash – he asks truth. Truth?”13 Even before he sees through Saladin’s strategy in the discussion (“I must be cautious”), he reflects on the concept of “truth” in a metaphorical terms prompted by the word, which leads him to a first comparison of the religions: “As if truth too were cash – a coin disused / That goes by weight – indeed ’tis some such thing – / But a new coin, known by the stamp at once, / To be flung down and told upon the counter, / It is not that.” (V. 353−357) By the old coin he means the authentic religious experience, the religion’s inner truth, whereas the later mintings, which have lost this value, symbolise the rigid dogmas   12 Gotthold Ephraim Lessing: Werke und Briefe. Vol. 12: Briefe von und an Lessing 1776−1781. Edited by Helmuth Kiesel, Frankfurt/Main 1994, p. 186f. 13 The text was edited by William Taylor: Nathan the Wise. A dramatic Poem, originally written in German by G. E. Lessing. Norwich 1805. In his preface the translator explains: “At Berlin appeared, in 1779, the first edition of Nathan the Wise, an argumentative drama, written to inculcate mutual indulgence between religious sects. It passes for the best work of Lessing; was well received by the critic, the statesman and the philosopher; and has stood the test a quarter of a century with growing reputation. By Schiller it has lately been curtailed and in that form is become a favourite acting play throughout Germany. This translation is from the entire work: it was undertaken in March, 1790, when questions of toleration were much afloat; and was printed the following year for distribution among the translator’s acquaintance. Now that the topic is acquiring a fresh interest it has been thought fit that the remaining copies of that edition shoud be exposed to sale.” − Quotations are from this edition.

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and doctrines of the positive religions that compete with other.14 The original coin is old, even “ancient”, which reminds us of mythical origins or a prisca theologia. But in Nathan’s comparison it is the critical elements that are clearly dominant, which foreshadows the subject of the Ring Parable, that the religions based on revelation are all equal and should accept each other.15 In the first section of the Ring Parable, Lessing sticks closely to the original; but significant deviations from Boccaccio’s novella foreshadow his own lines of argumentation. Thus, for example, in the Italian novella the Jew Melchisedech tells of a great and wealthy man who had among the jewels in his treasure a particularly beautiful and valuable ring (“intra l’altra gioie piú care che nel suo tesoro avesse, era uno anella bellissimo e prezioso”16); but there is no mention of it being ornamented by a precious stone. In Nathan’s version this becomes “a ring / Of endless worth: the stone of it an opal, / That shot an ever-changing tint: moreover, / It had the hidden virtue him to render / Of God and man beloved, who in this view, / And this persuasion, wore it.” (V. 396–401)

Why an opal? In alchemy this semi-precious stone traditionally symbolised divine mercy. There are other interpretations of the motif which lead into fields of speculation;17 but I do not intend to go into them here, because what is important is above all the new element that Lessing introduces into the tale.18 It is the secret energy that the ring infuses in the person who “confidently” believes in it. We are

  14 See Karl Eibl: “Gotthold Ephraim Lessing. Nathan der Weise”, in: Harro Müller-Michaels (ed.): Deutsche Dramen. Interpretationen zu Werken von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Vol. 1: Von Lessing bis Grillparzer, Königstein/Taunus 1981, pp. 3–30, esp. p. 15. Hugh Barr Nisbet: Lessing. Eine Biographie. Aus dem Englischen übersetzt von Karl S. Guthke, München 2008, p. 791. 15 On the “Münzmetaphorik” in general see Helmut Göbel: Bild und Sprache bei Lessing, München 1971. Jörg Schönert: “Der Kaufmann von Jerusalem. Zum Handel mit Kapitalien und Ideen in Lessings Nathan der Weise”, in: Scientia Poetica 12, 2008, pp. 89–113, esp. p. 91. Jules Augustines Bizet: “La sagesse de Nathan”, in: Études Germaniques 10, 1955, pp. 269– 275. 16 Giovanni Boccaccio: Decameron. Volume primo. Editey by Vittore Branca. Torino 1980, p. 81. 17 See Rüdiger Zymner: “ʻDer Stein war ein Opal …ʼ Eine versteckte Kunst-Apotheose in Lessings morgenländischer ʻRingparabelʼ?”, in: Lessing Yearbook 24 (1992), pp. 77–96, esp. p. 89: “Der Künstler (wohlgemerkt nicht einfach: Goldschmied, Juwelier o.ä.!) ist eine Figur, die in der Stofftradition der Ringparabel vor der Erzählung Lessings nicht auftaucht.” For a “deconstructive” reading see Christine Weder: Erschriebene Dinge. Fetisch, Amulett, Talisman um 1800, Freiburg 2007, p. 103f. 18 For the history of the tale in the Gesta Romanorum, see Erich Schmidt: Lessing. Geschichte seines Lebens und seiner Schriften. Zweiter Band. Berlin 31909, p. 344. Lea Ritter Santini: “Die Erfahrung der Toleranz. Melchisedech in Livorno”, in: Lea Ritter Santini (ed.): Eine Reise der Aufklärung. Lessing in Italien 1775. Band I. Berlin 1993, pp. 433–466, esp. p. 456.

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not dealing with a magical prop which – like in the older Christian tradition19 – can work external miracles (raising the dead, healing the sick, etc.,) or – like in Boccaccio – confers riches and rank on its owner and legitimises authority; rather it gives the moral convictions of its wearer a real-life effectiveness. “I understand thee,” Saladin here interjects, “On.” (V. 413) In the second section the conversation turns to the father who cannot decide which of his sons to leave the ring to, since all three are “alike obedient to him”, as Lessing phrases it in his laconic Protestant way. Boccaccio characterises the sons rather more enthusiastically: “tre figliuoli belli e virtuosi e molto al padre loro obedienti, per la qual cosa tutti e tre parimente gli amava.”20 Whereupon, in the novella, the father had two more rings made, which resembled the first one so closely that even the craftsman entrusted with the task could hardly detect any difference (“[…] appena conosceva qual si fosse il vero”). The genuine ring can still be identified, even if only with difficulty. Not so with Lessing. He has the father “send / In secret to a jeweller, of whom, / Upon the model of the real ring, / He might bespeak two others”. The artist proves to be a master of his craft and when “The rings were brought, […] e’en the father’s eye / Could not distinguish which had been the model”. Saladin is “dismayed” by this turn in the story and demands to hear what happens after the father’s death, whereupon Nathan presents him with Boccaccio’s solution: “Comes question, strife, complaint – all to no end; / For the true ring could no more be distinguished – / [after a pause in which he awaits the Sultan’s response]”, which he then himself provides: “Than now can – the true faith.” (V. 429–447) This answer is not the final one, because Saladin’s exclamation: “Don’t trifle with me; I must think / That the religions […] can be / Distinguished” introduces the third section of the parable. It is actually just an intermezzo, in which – in a rhetorical traductio21 – Nathan transforms the concrete original question, which Saladin insists upon, into abstract terms and in this way takes up the arguments Lessing had developed in the fragments controversy. To return to the characters of the play: while at the beginning of the conversation in Act III Scene 5 the Sultan three times asks Nathan for the “reasons” for “the choice of the better one” (from “insight”!), the latter changes the term conceptually: Are not all built alike on history? / […] History / Must be received on trust – is it not so? / In whom now are we likeliest to put trust? / In our own people surely […] / How can I less believe in my forefathers / Than thou in thine? (V. 459–470)

  19 See Peter Demetz: “Lessings ʻNathan der Weiseʼ. Wirklichkeiten und Wirklichkeit”, in: Peter Demetz: Gotthold Ephraim Lessing. Nathan der Weise. Vollständiger Text. Dokumentation. Frankfurt/Main 1970, pp. 121–158, esp. p. 148. 20 Giovanni Boccaccio: Decameron, p. 81. 21 See Demetz: Lessings ‘Nathan der Weiseʼ, p. 149.

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I will leave this comment for a moment; its place is the context of the fragments controversy and contains one of Lessingʼs major arguments. The Sultan – I am back in the play again – is so delighted with it that he must “fall silent” (V. 476). We now come to the fourth and last section of the parable. Nathan once again starts to speak. “Now let us to our rings return once more.” What follows is the part of the tale that needs interpreting because it has no origins in tradition. Has the genuine ring been lost? The three quarrelling brothers who present their case to a neutral judge are “deceived deceivers” (V. 508), because the supposed power of the forged rings has no external effect, but merely increases their wearersʼ selfishness: “None of your rings is true. The real ring / Perhaps is gone.” Later on he even speculates “To tolerate the one ring’s tyranny / the father chose no longer” (V. 520f.). The heart of the parable has thus been reached; what follows now is unexpected: not a judgement, but a recommendation: This is my counsel to you, to take up / The matter where it stands. If each of you / Has had a ring presented by his father, / Let each believe his own the real ring. / […] Let each feel honoured by this free affection. / Unwarped of prejudice; let each endeavour / To vie with both his brothers in displaying / The virtue of his ring; assist its might / With gentleness, benevolence, forbearance, / With inward resignation to the godhead […]. (V. 515–532)

This introduces the fiction that I mentioned initially. It really is a fiction since the judge rules out the possibility that one of the sons could be the owner of the genuine legacy (“None of your rings is true”, V. 508f.). The case is to be dealt with on the basis of a deliberately false assumption in order to achieve a practical effect.22 This “as if” forms a promise for the future in which can be seen, not only externally, the welcome consequences of an ethical way of behaviour, which is governed by simple rules, which can be called officia humanitatis and which furthermore agree with the principles of a natural religion, one which is – as Moses Mendelssohn phrased it – a “general religion for humanity”.23 But if we examine it more closely, we see that this advice is unreasonable, a paradoxical recommendation. How can several validity claims be accepted without the certainty of being the only one suffering as a result?24 Then the suspicion of being cheated could result in something quite different to “Ergebenheit” (combining elements of acceptance, trust, and devotion) in God, at best an agnostic indifference with morally disastrous consequences. However, there are a number of other assumptions that contrast with this. First of all, the sons share one certainty, namely that – as the judge points out – their father “loved you all alike, it could not please him/ By favouring one to be of two the oppressor” (V. 522–524). The three religions share this common origin, which is at the same time a moral legacy. Although the positive religions are not genuine and may even be wrong in   22 See Hans Leisegang: Lessings Weltanschauung, Leipzig 1931, p. 156. 23 See Jan Assmann: Religio duplex. Ägyptische Mysterien und europäische Aufklärung. Berlin 2010, pp. 173–183. 24 See Hermann Timm: “Der dreieinige Ring. Lessings parabolischer Gottesbeweis mit der Ringparabel des Nathan”, in: Euphorion 77, 1983, pp. 113–126, here p. 120.

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their doctrines, they are nevertheless capable of providing their respective believers with something useful in their daily lives. That is the reason why Nathan respects the faith of his fathers and recommends that the Muslims and Christians do the same. Love again becomes an essential term: “In whom now are we likeliest to put trust? / […] in those men / […] who from our childhood / Have given us proofs of love” (V. 463–467). It is a way of thinking that does not lead – like with Reimarus – to a deistic religion based on reason, but accepts the eventualities of real life.25 Here we must recall the argument with which Nathan persuades his partner no longer to ask for the “reasons” why one religion is to be preferred (from “insight”!): “Are not all built alike on history, / […] History / Must be received on trust – is it not so?” (V. 459–470) Lessing first propounded this argument in a response to one if his opponents in the fragments controversy: “If no historical truth can be demonstrated, then nothing can be demonstrated by means of historical truths. That is: accidental truths of history can never become the proof of necessary truths of reason.”26 We must distinguish carefully between these two classes of truth. Lessing takes up Leibniz’s distinction between vérités de raisonnement and vérités de fait, but shifts the doctrine of epistemology and principles, developed in the context of monadology,27 into the field of secular evolution. Lessing’s contemporaries immediately realised what potential for theory was contained in the formulation he had put forward. “The historical only serves as an illustration, not as a demonstration,” is how Immanuel Kant reacted to the drawing of the borderline.28 The bottom line is not the message of indifference to all religions – as the ending of Boccaccio’s novella might be interpreted – but a call for a competition which will lead to the resolution of the unanswered question of truth, not on an argumentative level, but on an ethical one. The judge’s verdict requires the sons to effect a change in several steps, which can briefly be defined as: from object to   25 See Karl Eibl: “Lauter Bilder und Gleichnisse. Lessings religionsphilosophische Begründung der Poesie”, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte (DVjs) 59, 1985, pp. 224–252, esp. p. 244, fn. 101. 26 Gotthold Ephraim Lessing: Werke und Briefe. Vol. 8: Werke 1774–1778. Edited by Arno Schilson. Frankfurt/Main 1989, p. 383. For a summary of the earlier discussions, see Friedrich Vollhardt: “Kritik der Apologetik. Ein vergessener Zugang zum Werk G. E. Lessings”, in: Peter-André Alt, Alexander Kosenina et al. (eds.): Prägnanter Moment. Studien zur deutschen Literatur der Aufklärung und Klassik, Würzburg 2002, pp. 29–48. 27 See Gottfried Wilhelm Leibniz: Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie. Band II. Editey by Ernst Cassirer. Hamburg 31966, p. 443: “Die Vernunft-Wahrheiten sind notwendig und ihr Gegenteil ist unmöglich, die Tatsachen-Wahrheiten dagegen sind zufällig und ihr Gegenteil ist möglich. Ist eine Wahrheit notwendig, so läßt sich ihr Grund vermittels der Analyse aufzeigen, indem man sie in einfachere Ideen und Wahrheiten auflöst, bis man zu den ursprünglichen gelangt […].” 28 See Ernst Troeltsch: “Das Historische in Kants Religionsphilosophie. Zugleich ein Beitrag zu den Untersuchungen über Kants Philosophie der Geschichte”, in: Kant-Studien 9, 1904, pp. 21–154, here p. 152.

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subject, from the content to the form of learning, from theory to practice, from possessing to striving for, from quarrel to competition between the religions, and from the principle of exclusiveness to tolerance.29 The essential prerequisite is always – and here I would like to recall the “as if” of fiction – that the wish for theoretical insight is replaced by belief. The sought-after wisdom can only be achieved eschatologically, not historically.30 When the judge speaks of the “weisre[n] Mann” who will hand down the final verdict in “tausend tausend Jahre[n]”, then the parable opens up to the third age, which is described in the Erziehung des Menschengeschlechts (the Education of the Human Race) as that of rationality.31 One distinction must, however, be made. We can only try and discover the meaning of history if we try and understand its goal even when it is not revealed to us. It is the uncertainties of an intermediate state that makes Lessing think of “certain enthusiasts of the thirteenth and fourteenth centuries” (Erziehung des Menschengeschlechts, § 87). Here can be found a reason why he mentions Joachim von Fiore – not because of the contents of his theology of salvation, but because of the errors resulting from impatience and the precipitousness with which a new age is announced. Lessing recalls a heretical movement in the late Middle Ages in order to call himself to order: “The enthusiast often casts very accurate glances into the future, but he cannot wait for this future to come.” (§ 90)32 This can also apply to the Ring Parable, since radical impatience would contradict the necessary trust in God. Nathan and the Judge already know what is new, but they do not act against destiny and allow the forms of traditional religion to continue to exist.33 Trust in God – that is the key phrase of the Ring Parable.34 The relevant scene is Act IV, Scene 7, the dialogue between Nathan and the Monk, in which the merchant tells of the pogrom, God’s trial, which almost drives him to insanity:   29 See Helmut Fuhrmann: “Lessings Nathan der Weise und das Wahrheitsproblem”, in: Lessing Yearbook 15, 1983, pp. 63–94, here p. 69–70. Volker C. Dörr: “Offenbarung, Vernunft und ‘fähigere Individuenʼ. Die positiven Religionen in Lessings Erziehung des Menschengeschlechts”, in: Lessing Yearbook 26 (1994), pp. 29–54, esp. p. 45. David Hill: “Lessing. Die Sprache der Toleranz”, in: DVjs 64, 1990, pp. 218–246, esp. p. 241: “Probleme der theoretischen Vernunft finden eine Lösung in dem Bereich der praktischen Vernunft.” 30 See Ernst Feil: Religio. Vierter Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Göttingen 2007, p. 547. 31 See Panajotis Kondylis: Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus, Stuttgart 1981, p. 610. Thomas Berger: Der Humanitätsgedanke in der Literatur der deutschen Spätaufklärung, Heidelberg 2008, p. 118–119, fn. 63. 32 See Friedrich Vollhardt: “‘Enthusiasmus der Spekulationʼ. Zur fehlenden Vorgeschichte von G. E. Lessings Erziehungslehre”, in: Christoph Bultmann, Friedrich Vollhardt (eds.): Lessings Religionsphilosophie im Kontext. Hamburger Fragmente und Wolfenbütteler Axiomata. Berlin, New York 2011, pp. 104–125, esp. p. 124–125. 33 Demetz: Lessings ‘Nathan der Weiseʼ, p. 153. 34 Gerhard Kaiser: “Lessings ‘Nathan der Weiseʼ. Glaube, Liebe, Hoffnung: der Grund des Toleranzdramas”, in: Pastoraltheologie 80, 1991, p. 568–584, esp. p. 577. Arno Schilson:  

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And when you came, / Three nights had I in dust and ashes lain / Before my God and wept— aye, and at times / Arraigned my maker, raged, and cursed myself / And the whole world, and to Christianity / Swore unrelenting hate. […] / But by degrees returning reason came, / She spake with gentle voice – And yet God is, / And this was his decree – now exercise / What thou hast long imagined […] / I rose and called out – God, I will – I will, / So thou but aid my purpose. (V. 668–681)

That is comprehension of destiny, which is mentioned in the same context; it describes Nathan’s attitude, which is probably very close to the author’s own attitude, which derives from a shift from the God of the religions based on revelation to a concept of God which, although founded on rationality, can only be comprehended temporarily and approximately on this basis. It is a concept of God which even in a philosophical context still permits the possibility of an act of belief. At the same time, the word ‘trust’ marks the transition from a rational effort to a humble attitude, experience that has become a habit. It would be possible here to widen the scope and point out a whole series of individual mentions of theodicy in Lessing’s works, in particular to the 79th section of the Hamburgische Dramaturgie (Hamburg Dramaturgy).35 The Job interpretation in Act IV, Scene 7 of Nathan the Wise summarises the religious, philosophical considerations in an extremely memorable image. In his essay Ueber das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee (On the Miscarriage of all Philosophical Trials in Theodicy), published in 1791, not long afterwards, Immanuel Kant used the Book of Job to explain his differentiation between a “doctrinal theodicy”, in other words one condemned to failure, and an “authentic” one, whose elements are presented allegorically in the text of the Old Testament. It is tempting to relate Kant’s defence of this moral and practical rational36 belief to Lessing’s adaptation of the story of Job and his ‘authentic’, in other words poetic attempts in theodicy – but that would go beyond the scope of the interpretation of the Ring Parable. As I reach a conclusion, I again ask the question in what way the ring parable is modern. Well, far into the eigtheenth century tolerance was considered to be above all a problem of the state, rooted in legal thinking. Tolerance was seen as a duty of the sovereign demanded by reasons of state. Such basic questions arising out of the plurality of confessions were discussed among others by Theophil Lessing (1647–1735), the grandfather of the author of Nathan the Wise. In 1669, as a student of jurisprudence, he had had a disputation printed in Leipzig in which he investigated the question to what extent the authorities could tolerate several reli  “Dichtung und religiöse Wahrheit. Überlegungen zu Art und Aussage von Lessings Drama Nathan der Weise”, in: Lessing Yearbook 27, 1995, pp. 1–18, esp. p. 11. 35 For more details, see Friedrich Vollhardt: “Laokoon, Aias, Philoktet. Lessings SophoklesStudien und seine Kritik an Winckelmann”, in: Jörg Robert, Friedrich Vollhardt (eds.): Unordentliche Collectanea. Gotthold Ephraim Lessings Laokoon zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und ästhetischer Theoriebildung. Berlin 2013, pp. 175–200, esp. pp. 193– 196. 36 See Volker Dieringer: Kants Lösung des Theodizeeproblems. Eine Rekonstruktion. StuttgartBad Cannstatt 2009, pp. 121–123.

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gions: De Religionum Tolerantia. For his grandson Gotthold Ephraim, one hundred years later, the problem was less one of the state than one of society. For him – and this is expressed succinctly for the first time in Nathan the Wise – it was something that seemed to be relevant to the monarch’s power interests – and nevertheless could not be grasped by them. In Lessing’s works the question of the forms of and the competition between religious identities is dealt with in a way which points beyond the eigtheenth century. If in our day the transition to a ‘post-secular’ society has already taken place, then we must adjust to the demands of religious groups with sensitivity for the force of expression of traditional religious discourse – just as Lessing demanded it in the figure of Nathan. This can only happen in a mode of transformation, of a permanently necessary new adapting of tradition. And these are the two most important keywords that come up fairly regularly in the current discussions concerning a humane ethic of tolerance: adapting tradition and transformation. How is post-secular society to react to the pluralisation of religious beliefs and the resulting potential for conflict? Presumably still with the principles of neutrality and mutual tolerance, which sprang up in the context of the splitting up of religions in Europe in the early modern age and which were depicted in all their complexity by Lessing. These attitudes and normative concepts have proved effective in dealing with plurality in western society; they cannot, however, rid the individual of uncertainty and unforeseen fate in questions concerning his view of the world. Lessing saw that, too, and advised trusting in God.

CONCORDIA DURCH TOLERANZ? KONTROVERSEN UM GEWISSENSFREIHEIT, RELIGIÖSE KOEXISTENZ UND GLAUBENSEINHEIT IM UMFELD DER KONVERSION DES FRANZÖSISCHEN KÖNIGS HEINRICH IV. Mona Garloff Mit der Ermordung Heinrichs III. durch den Dominikanermönch Jacques Clément am 1. August 1589 in Saint-Cloud wurde eine Eventualität Wirklichkeit, die seit dem Todesjahr 1584 des letzten legitimen Thronfolgers der Valois-Dynastie, François d’Alençon, Kontroversen ausgelöst hatte: der mögliche Herrschaftsantritt des protestantischen Heinrichs von Navarra. In seiner Erklärung vom 4. August 1589 garantierte der Thronfolger, „de maintenir et conserver en nostre royaume la religion catholique, apostolique et romaine dans son entier, sans y innover ni changer aucune chose“.1 Was seine eigene Konfession betraf, formulierte Heinrich die Notwendigkeit, „d’etre instruit par un bon, légitime et libre concile général ou national, pour en suivre ou observer ce qui y sera conclu et arreté“.2 Damit eröffnete er die Möglichkeit eines Glaubenswechsels, eine Entscheidung, die jedoch nicht alleine gefällt werden sollte, sondern im Rahmen eines von Theologen und weltlichen Repräsentanten getragenen Nationalkonzils, das unter Vorsitz des Königs einberufen werden sollte. Damit griff Heinrich von Navarra auf Forderungen zurück, die seit 1585 in Auseinandersetzung mit der katholischen Liga in verschiedenen Schriften formuliert worden waren, etwa in der von Philippe Duplessis-Mornay verfassten Remonstrance oder in der Déclaration von Bergerac (10. Juni 1585).3 Seit Mitte der 1580er Jahre verschärfte sich die politische Situation in Paris und den Provinzstädten wie etwa Rouen, Toulouse oder Dijon durch den wachsenden Einfluss der von Spanien und den Guise-Brüdern gestützten Liga. Die sozialpolitischen Spannungen entluden sich in Paris am Tag der Barrikaden des 12. Mai 1588, der die   1

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Die Erklärung ist enthalten in Philippe Duplessis-Mornay: Mémoires et correspondance de Duplessis-Mornay, pour servir à l’histoire de la réformation et des guerres civiles et religieuses en France, sous les règnes de Charles IX, de Henri III, de Henri IV et de Louis XIII, depuis l’an 1571 jusqu’en 1623. Hrsg. v. Pierre René Auguis. 12 Bde. Paris 1824–1825, hier: Bd. 4, S. 381–383. Duplessis-Mornay: Mémoires, Bd. 4, S. 382. Duplessis-Mornay: „Remonstrance“, in: Ders.: Mémoires. Bd. 3, S. 49–51, 55–57. DuplessisMornay: „Declaration du roy de Navarre contre calomnies publiees contre lui es protestations de ceulx de la Ligue“, in: Ders.: Mémoires. Bd. 3, S. 92f., 122.

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Flucht Heinrichs III. aus der Hauptstadt bewirkte. Nach der Ermordung des Königs setzte Heinrich von Navarra die Belagerung der von den Ligisten besetzten Stadt in einer Großoffensive 1590 fort. Erst nach seiner Konversion, die am 25. Juli 1593 in der Kathedrale von Saint-Denis feierlich begangen wurde, konnte die konfliktreiche Phase der Ligakämpfe in den folgenden Jahren beendet werden.4 Zahlreiche kleinere Schriften und Pamphlete von protestantischer und moderat-katholischer Seite suchten die Konversion des Thronfolgers vehement zu verhindern. Von reformierter Seite wurde mit diesem drohenden Schritt die Befürchtung verbunden, unter der Regierung ihres langjährigen Schutzherren Heinrich jegliche politische und religiöse Protektion im Königreich selbst als auch die verbündeter Nachbarländer zu verlieren.5 Das Kontroversschrifttum, das in Reaktion auf die politisch und religiös verschärfte Situation der frühen 1590er Jahre in Frankreich entstanden war, eignet sich besonders gut, das diskursive Feld frühneuzeitlicher Toleranzdebatten zu untersuchen. Häufig wurden Forderungen nach zeitlich begrenzter Koexistenz in langfristiger Perspektive mit einem Plädoyer für die religiöse Einigung des Königreichs unter dem Dach einer gallikanischen Nationalkirche verbunden, mit der in Orientierung am anglikanischen Modell eine mögliche Abspaltung von Rom in Kauf genommen wurde. Allein durch eine Wiedervereinigung der Konfessionen schien ein dauerhafter Friedenszustand realisierbar. Diese argumentative Verknüpfung zwischen den Ordnungsmodellen von Toleranz und Glaubenseinheit soll im Zentrum des Beitrags anhand von vier französischen Schriften der frühen 1590er Jahre untersucht werden. Zunächst erscheint es sinnvoll, zur näheren Verortung solcher Ansätze das Begriffsfeld religiösen Friedensdenkens um 1600 näher zu beleuchten.

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Vgl. zu den religionspolitischen Hintergründen Mack Holt: The French Wars of Religion. 1562–1598. Cambridge 22005. Mark Greengrass: France in the Age of Henri IV. The Struggle for Stability. London 21994. Nicole Mary Sutherland: Henry IV of France and the Politics of Religion, 1572–1596. 2 vols. Bristol 2002. Robert Descimon: Qui étaient les Seize? Mythes et réalités de la Ligue parisienne (1585–1594). Paris 1983. Vgl. Michael Wolfe: The Conversion of Henri IV. Politics, Power, and Religious Belief in Early Modern France. Cambridge, Mass. 1993. Michael Wolfe: „Protestant Reactions to the Conversion of Henri IV“, in: Michael Wolfe (Hg.): Changing Identities in Early Modern France. Durham 1997, S. 371–392. Mark Greengrass: „The Public Context of the Abjuration of Henri IV“, in: Keith Cameron (Hg.): From Valois to Bourbon. Dynasty, State and Society in Early Modern France. Exeter 1989, S. 107–126. Vgl. allgemein zu den frühneuzeitlichen Rahmenbedingungen: Ute Lotz-Heumann, Jan Friedrich Mißfelder u.a. (Hg.): Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit. Gütersloh 2007.

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1. CONCORDIA UND TOLERANZ ALS MODELLE RELIGIONSPOLITISCHEN FRIEDENS IM 16. JAHRHUNDERT Die Bewahrung der religiösen, politischen und nationalen Einheit war im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Verständnis in Frankreich gemäß der traditionellen Devise un roi, une loi, une foi zentrale Aufgabe des Königs.6 Die Glaubensspaltung und die religiösen Bürgerkriege stellten dieses Einheitsideal infrage. In Orientierung an den spätantiken und mittelalterlichen Konzilien und Synoden sollte ein Religionsgespräch unter Leitung des Herrschers einberufen werden. Im Rahmen einer solchen Versammlung waren die konfessionellen Differenzen von führenden Theologen und Laien durch gegenseitige Zugeständnisse beizulegen. Zeitgenössische Ausdrücke dieser Bemühungen waren concordia/concorde, réunion, paix/pax und consensus. Insbesondere die interkonfessionellen, freilich ergebnislos verlaufenen Religionsgespräche im Reich (u.a. Leipzig 1534 und 1539, Hagenau 1540, Regensburg 1541 und 1546, Worms 1541 und 1557) hatten für die Einberufung eines Religionskolloquiums in Frankreich Vorbildcharakter.7 Den wichtigsten Versuch, eine konfessionelle Einigung zwischen der reformierten und der römischkatholischen Kirche zu erzielen, stellte 1561 das Kolloquium von Poissy dar. Da Poissy für die französischen Friedensinitiativen des späten 16. Jahrhunderts ein fester Bezugspunkt blieb, kann das Kolloquium als gutes Beispiel dienen, die unterschiedlichen Dimensionen der concordia-Pläne herauszuarbeiten. Denn während alle beteiligten Parteien das Ziel einer religiösen Einheit verfolgten, wurden mit ihr divergierende Implikationen verbunden: Der humanistische Gelehrte François Bauduin und ihm nahestehende Theologen wie Georg Cassander, Claude d’Espence und Jean de Montluc dachten an eine Wiedervereinigung der Konfessionen, die sich in Orientierung an der antiken Kirche der ersten vier bis fünf Jahrhunderte und in einer Rückbesinnung auf die gemeinsamen Glaubensgrundlagen als innere Reform der katholischen Kirche vollziehen sollte. Dies entsprach im Grundsatz auch dem politischen Kurs der Königinmutter Katharina von Medici, ihres engen Beraters Michel de L’Hospital und des Kardinals Charles de Lorraine, die unter der Zusage gegenseitiger dogmatischer Konzessionen an einer langfristigen Wiedervereinigung innerhalb der katholischen Kirche festhielten. Auf der anderen Seite forderte die Mehrheit der in Poissy anwesenden Bischöfe und Prälaten eine Rückkehr der abtrünnigen Gläubigen ohne Konzessionen in den Schoß   6

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Vgl. Mario Turchetti: „Religious Concord and Political Tolerance in Sixteenth- and Seventeenth-Century France“, in: Sixteenth Century Journal 21 (1991), S. 15–25, hier S. 15f. Vgl. zu der engen Verschränkung der politischen und religiösen Dimensionen von Concordia im Reich Winfried Schulze: „Concordia, Discordia, Tolerantia. Deutsche Politik im konfessionellen Zeitalter“, in: Johannes Kunisch (Hg.): Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte. Berlin 1987, S. 43–80. Vgl. zu den genannten interkonfessionellen Religionsgesprächen u.a. Marion Hollerbach: Das Religionsgespräch als Mittel der konfessionellen und politischen Auseinandersetzung im Deutschland des 16. Jahrhunderts. Frankfurt/Main 1982.

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der römisch-katholischen Kirche. Vertreter der reformierten Orthodoxie wie Theodor Beza versuchten hingegen, die katholische Seite von der Wahrheit ihrer Glaubensansichten zu überzeugen. Sie erwarteten zu diesem Zeitpunkt die volle Anerkennung ihrer Bekenntnisschrift, nicht die bloße Tolerierung ihres Glaubens. Auf der Suche nach der religiösen concordia strebte jede Partei das Ziel einer Konsensstiftung an, das jedoch in Abhängigkeit von konfessionellen Bedeutungsinhalten unterschiedlich ausgerichtet sein konnte. Entgegen zahlreicher Darstellungen läutete das Scheitern des Kolloquiums von Poissy keinen direkten Kurswechsel der französischen Krone von einer Unions- in Richtung einer Toleranzpolitik ein,8 vielmehr wurde in den folgenden Jahrzehnten (auch in den Bestimmungen des Edikts von Nantes) weiterhin an der Wiedervereinigung der Kirchen festgehalten. Tolerantia, verstanden als geduldetes Nebeneinander verschiedener Konfessionen oder Religionen, kann in direkter Beziehung zu concordia stehen, muss jedoch als Denkmodell deutlich von ihr differenziert werden. Denn Toleranz setzte schon für die Zeitgenossen kein Streben nach inhaltlicher Annäherung der Konfliktparteien voraus. Die Vorstellungen einer religiösen Wiedervereinigung sind im 16. Jahrhundert mindestens gegen zwei Argumentationsmodelle, die auf Toleranz zielen, abzugrenzen.9 Einer zeitlich befristeten Form von Toleranz standen seltener anzutreffende Ansätze gegenüber, die von einer dauerhaften Duldung bzw. Anerkennung mehrerer Konfessionen oder Religionen ausgingen. Die Pluralität von Bekenntnissen erscheint hier als dauerhaft vorstellbarer Zustand: Das Spektrum reicht von Gewissensfreiheit, Ablehnung von Glaubenszwang über synkretistische Überzeugungen (Colloquium Heptaplomeres) bis hin zu absoluten Freiheitsvorstellungen, wie sie beispielsweise von Dirck V. Coornhert formuliert wurden, die teilweise auch die Akzeptanz atheistischer Positionen implizierten.10 In seinem Conseil à la France désolée (1562) plädierte Sebastian Castellio dafür, verschiedene Konfessionen in Frankreich zuzulassen. Aus seiner Feder stammt vermutlich auch der Traktat De Haereticis, an sint persequendi, der 1554 in Reaktion auf die von Calvin veranlasste Hinrichtung des Antitrinitariers Michael Servetus verfasst wurde.

  Vgl. dazu Joseph Lecler: Histoire de la tolérance au siècle de la Réforme. Paris (11955) 1994, S. 808. 9 Der Begriff der Toleranz hat vielfache Neudefinitionen für die Neuzeit erfahren. Rainer Forst: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. Frankfurt/Main 2004, S. 42–48, unterscheidet vier Konzeptionen von Toleranz: Die Erlaubnis-, Koexistenz-, Respekt- und Wertschätzungs-Konzeption, wobei lediglich die ersten beiden Dimensionen den Toleranzvorstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts entsprechen können. Plausibel erscheint die von Eckehart Stöve: Art. „Toleranz I.“, in: TRE 33 (2002), S. 646–663, vorgenommene Differenzierung für die Frühe Neuzeit zwischen pragmatischer Toleranz, Konsensus-Toleranz, Toleranz versus Glaubenszwang und Respektierung des Gewissens, von der hier Anleihen genommen werden. 10 Vgl. Stöve: Art. „Toleranz I.“, S. 654f.

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In dieser Textsammlung wurden Autoren von Augustinus bis Luther mit Argumenten gegen den Glaubenszwang und die Ketzerverfolgung angeführt.11 Von solchen weitreichenden Vorstellungen sind Ziviltoleranz-Ansätze abzugrenzen, bei denen es sich um eine pragmatische, rechtliche Dimension politischer Duldung handelt, mit der die Wahrung des öffentlichen Friedens garantiert werden sollte.12 Sie kam in Frankreich nach dem Scheitern der Verhandlungen von Poissy zum Tragen, mit dem sich abzeichnete, dass eine Wiedervereinigung der Konfessionen in näherer Zukunft nicht zu realisieren war. Durch die (temporäre) rechtliche Duldung der Reformierten sollten die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Königreich beendet und die Reformierten als Untertanen des Königs in das politische Gemeinwesen integriert werden. Diese Garantien, die den Reformierten mit dem Édit de janvier (17. Januar 1562) und folgenden Edikten in begrenztem Umfang die Ausübung ihres Glaubens zugestanden, zielten auf die Zusicherung von Ziviltoleranz, nicht jedoch von religiöser Toleranz ab: Wie Michel de L’Hospital betonte, wurde mit dem Edikt keine Aussage über Religion, sondern über die Befriedung des öffentlichen Gemeinwesens beabsichtigt („non de constituenda religione, sed de constituenda republica“). Der Chancellier differenzierte zwischen einer religiösen und einer politischen Duldung: Die Reformierten könnten Untertanen, aber keine Christen sein („cives, qui non erunt Christiani“), selbst ein Exkommunizierter sei immer noch ein „cives“.13 Auch Karl IX. unterstrich in seiner Déclaration interprétative vom 14. Februar 1562, dass es auf Dauer nur eine Kirche in Frankreich geben könne, „qui est celle de nostre saincte Église, en laquelle nos predecesseurs Rois ont toujours vescu“.14 Die Zugeständnisse an die Reformierten seien nur temporär und implizierten nicht die Duldung zweier Konfessionen. Das Ziel einer kirchlichen Wiedervereinigung, dem die provisorisch gewährte Toleranz unterzuordnen war, wurde in verschiedenen weiteren Edikten (Amboise 1563, Longjumeau 1568, Beaulieu 1576 und Poitiers 1577) formuliert und ist in der Präambel des Edikts von Nantes (1598) festgehalten. Zwar wurde die Gültigkeit des Regelwerks als „perpétuel et irrévocable“ bestimmt, eine Formulierung, die sich schon in einigen früheren Edikten (u.a. Saint-Germain 1570, Poitiers   11 Zu Castellio vgl. u.a. Hans Rudolf Guggisberg: Sebastian Castellio 1515–1563. Humanist und Verteidiger der religiösen Toleranz im konfessionellen Zeitalter. Göttingen 1997. 12 Vgl. zu den verschiedenen Konzeptionen von Toleranz im Frankreich des 16. Jahrhunderts Mario Turchetti: „Concorde ou tolérance? Les Moyenneurs à la veille des guerres de religion en France“, in: Revue de Théologie et Philosophie 36 (1986), S. 255–267, hier S. 258f. Der Begriff der Ziviltoleranz wurde durch Joseph Lecler geprägt; vgl. Lecler: Histoire, S. 430– 456. 13 Michel de L’Hospital: Œuvres complètes. Hrsg. v. Pierre J. S. Duféy. 4 Bde. Paris 1824– 1826, hier: Bd. 1, S. 452f. 14 „Declaration et interpretation du Roy sur aucuns mots et articles contenus en l’Edict du dixseptiesme de Ianvier“, in: Les Édicts et Ordonnances des Rois de France, depuis Louis VI, dit le Gros, jusques à présent, avec les vérifications, modifications et déclarations sur iceux. Hrsg. v. Antoine Fontanon. 4 Bde. Paris 1611, hier: Bd. 4, S. 269f.

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1577) finden lässt. Dieser Status wurde jedoch durch die langfristig anzustrebende kirchliche Concordia eingeschränkt.15 Wie deutlich wird, kann hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmungen der Friedensedikte nur in dem Sinne von Toleranz gesprochen werden, als es sich um eine – provisorisch zugestandene – Form ziviler Toleranz handelt, auf deren Basis das langfristige, übergeordnete Ziel der konfessionellen concorde weiterverfolgt werden sollte. Ihr temporärer Status hing auch mit der ambivalenten Bedeutung religiöser Duldung zusammen. Begriffe wie tolérance oder tolérer wurden im zeitgenössischen Verständnis fast immer pejorativ verwendet: Mit Synonymen des Verbs wie souffrir oder endurer war das „zu Tolerierende“ meist negativ besetzt. Aus diesem Grund ist in den Friedensedikten, die konfessionelle Duldung ermöglichten, nicht von „tolérance“, sondern von „permission“ bzw. „permettre“ die Rede.16 Toleranzgarantien wurden entsprechend dieser Vorstellungen im 16. Jahrhundert sowohl auf katholischer als auch auf reformierter Seite mehrheitlich nur als vorläufige Lösung betrachtet, auf deren Basis das Ziel einer religiösen Wiedervereinigung, die als Bekenntnis der jeweiligen gegnerischen Seite zum eigenen Glauben interpretiert wurde, weiter zu verfolgen war. Im Folgenden sollen vier Schriften betrachtet werden, anhand derer das diskursive Spektrum zwischen den Polen von Toleranz und Glaubensunion im zeitlichen Umfeld der Konversion Heinrichs von Navarra genauer ausgelotet werden kann. Zunächst werden zwei Repliken näher analysiert, die in Reaktion auf forcierte Konversionsversuche des Bischofs von Évreux, Jacques Davy Du Perron, von dem reformierten Gelehrten Jean Hotman und dem katholischen Rechtsgelehrten Estienne Pasquier um das Jahr 1591 verfasst wurden. Im näheren Umfeld dieser Kontroverse sind ebenfalls verschiedene Stellungnahmen des hugenottischen Militär und Gelehrten François de La Noue sowie die 1591 anonym erschienene Abhandlung De la vraye et légitime constitution de l’Estat, die sich für Gewissensfreiheit aussprach, zu verorten. Ein Kernpunkt, der diese Schriften eint, ist die bewusste Trennung von religiösen und politischen Legitimationsmustern, mit der gegen die Konversion des Thronfolgers argumentiert wurde. 2. JEAN HOTMAN: RESPONCE A LA SUPPLICATION FAICTE AU ROY DE SE FAIRE CATHOLIQUE Aufgrund der im März 1591 von Gregor XIV. ausgesprochenen Exkommunikation war der Druck auf Heinrich von Navarra, zum katholischen Glauben überzutre  15 Vgl. Préambule, Édit de Nantes, Éditions en ligne de l’École des chartes (ELEC). L’édit de Nantes et ses antécédents (1562–1598). Sous la direction de Bernard Barbiche, avec la collaboration d’Isabelle Chiavassa, URL: http://elec.enc.sorbonne.fr/editsdepacification/ (letzter Zugriff: 18.11.2015). 16 Vgl. Arlette Jouanna: Art. „Tolérance“, in: Arlette Jouanna (Hg.): Histoire et dictionnaire des guerres de religion. Paris 1998, S. 1332f.

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ten, erheblich gewachsen. Als maßgeblicher Fürsprecher des Glaubenswechsels trat der Bischof und spätere Kardinal Jacques Davy Du Perron auf.17 Ab August 1589 versuchte der Geistliche vehement, Heinrich von Navarra von der Notwendigkeit der Konversion zu überzeugen. In seinen Augen reichte dessen prokatholisches Engagement nicht aus, seine Versprechen wertete er nur als Hinhaltetaktik. Ein Nationalkonzil sei kein geeignetes Forum, um über den Glaubenswechsel des Königs zu entscheiden, da die katholische Kirche keine Kompromisslösungen in Glaubensfragen eingehen könne. Vor allem dürfe die Einberufung eines neuen Konzils nicht die Autorität früherer Konzilien entkräften, was insbesondere für die Trienter Dekrete gelte, für deren Annahme in Frankreich sich Du Perron mit Nachdruck einsetzte. Auch was institutionelle Fragen betraf, zeigte der Geistliche eine ultramontane Orientierung: So sei es für den Thronfolger vor seiner Konversion gar nicht möglich, ein Nationalkonzil einzuberufen, da dazu „tous les Ecclesiastiques sous son obeïssance“ stehen müssten. Ferner sei eine solche Versammlung nicht fähig, „de iuger souverainement des matieres de la foy“. Du Perron zufolge sähen es die Franzosen als eine Beschmutzung ihres Glaubens an, von einem König regiert zu werden, „qu’ils estiment estre hors de la foy de l’Eglise“.18 Gehorsam und politische Treue der Untertanen wurden von der Konfession des Souveräns abhängig gemacht. Aus Du Perrons Schriften der frühen 1590er Jahre wird eine enge Verbindung der politischen und religiösen Sphäre deutlich, wobei Glaubensfragen der politischen Notwendigkeit der Konversion deutlich untergeordnet wurden.19 Diese Haltung hatte der Autor auch in seiner Supplication et avis donné au Roy Henry IIII de se faire catholique von 1591 zum Ausdruck gebracht, mit der die Konversion des Königs forciert werden sollte.20 Für Du Perron gab es keine   17 Jacques Davy Du Perron wurde 1556 in Saint-Lô (Normandie) in einer reformierten Familie geboren. 1576 kam er als Lecteur de sa chambre an den Hof Heinrichs III. Er fing in diesen Jahren an, sich intensiv mit der katholischen Theologie zu beschäftigen, insbesondere mit Augustinus und Thomas von Aquin. Du Perron vollzog nach seiner Konversion einen schnellen Aufstieg innerhalb der katholischen Kirche: 1585 predigte er zum ersten Mal in Gegenwart des Königs, 1591 erfolgte seine Ernennung zum Bischof von Évreux, zwei Jahre später wurden ihm nachträglich die Priesterweihe sowie die Kardinalswürde verliehen. Er starb 1618 in Paris. 18 Jacques Davy Du Perron: „Lettre escrite au sieur de Morlas à l’advenement du feu Roy à la Couronne [1593]“, in: Ders.: Les Diverses Œuvres de l’illustrissime cardinal du Perron. Paris 1622, S. 754–758, hier S. 756f. 19 Vgl. Thierry Wanegffelen: Ni Rome, ni Genève. Des fidèles entre deux chaires en France au XVIe siècle. Paris 1997, S. 407–409. 20 Du Perron: Supplication et avis donné au Roy Henry IIII de se faire catholique. Angers 1591. Von diesem Druck konnte ich kein überliefertes Exemplar ausfindig machen. Vgl. die Abschrift in Bibliothèque nationale de France, Paris, Fr. 3997, Bl. 151r–157v, und Bibliothèque de la Société de l’Histoire du Protestantisme Français [= BSHPF], Paris, Ms. 10, I, Bl. 181r–187v (im Folgenden wird nach dieser Ausgabe zitiert). Der Vermerk Jean Hotmans auf dem Deckblatt der Abschrift „Du feu cardinal du Perron, 1591“ belegt die Autorschaft Du Perrons.

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Alternative zu einem Glaubensübertritt: „Il est sainct, il est honorable, il est necessaire que vous soyez catholique.“21 Diese Schrift betonte in erster Linie die politische Notwendigkeit des Glaubenswechsels, religiöse Aspekte wurden dagegen weitgehend vernachlässigt. Tragendes Argument blieb das traditionelle Verständnis des französischen Königtums, dessen Vertreter als katholischer Herrscher und „premier fils de l’Eglise“ allen übrigen christlichen Regenten vorstehen sollte.22 Mit dem Titel der Konversionsaufforderung nahm Du Perron auf verschiedene Genres Bezug. Auf der einen Seite trat er mit der Einordnung als supplication gegenüber dem zukünftigen Herrscher als Bittsteller auf. Titel wie supplication et remonstrance bzw. requête sind uns häufig im Fall von Konversionsgesuchen bekannt.23 Der katholische Geistliche Du Perron trat jedoch aus seiner unterwerfenden Stellung heraus, indem er sich auf der anderen Seite mit der Erweiterung zu avis als politischer Ratgeber des Königs stilisierte. Um das Jahr 1591 entstanden zahlreiche Kontroversschriften, die für und wider Du Perron Position bezogen.24 Seine Schreiben löste sowohl auf protestantischer als auch auf moderat-katholischer Seite mehrheitlich große Empörung aus: Der Versuch des Bischofs, die Konversion jenseits ihrer religiösen Dimension zu behandeln bzw. diesen religiösen Akt mit politischen Argumenten zu forcieren, wurde als Provokation empfunden. Für viele Reformierte wurde ein Nationalkonzil als einzig angemessenes Forum zur Diskussion gerade der religiösen Implikationen des Glaubenswechsels angesehen. Nur auf diesem Weg, so dachten sie, könne über den schwierigen Schritt Einverständnis erzielt werden.25 Einen Versuch, Du Perron mit vorrangig theologischen Argumenten zu widerlegen, unternahm der reformierte, irenisch gesinnte Gelehrte Jean Hotman in seiner 1591 verfassten Responce à la supplication faicte au Roy de se faire Catholi  21 Du Perron: Supplication et avis, Bl. 182r. 22 Vgl. Du Perron: Supplication et avis, Bl. 184r. 23 Vgl. dazu ein entsprechendes Gesuch an Catherine de Bourbon, Pierre Victor Palma-Cayet: Remonstrance et supplication très-humble à madame Madame, soeur unique du roy […]. Pour vouloir recognoistre nostre mère Saincte Eglise catholique. Paris 1601. 24 Vgl. neben den im Folgenden untersuchten Kontroversschriften exemplarisch: Advertissement aux serviteurs du Roy sur la supplication adressée à Sa Majesté, pour se faire catholique. [s.l.] 1591. Remonstrance et supplication faicte au Roy, pour la religion Catholique, Apostolique, et Romaine. Bordeaux 1591. Ob die Abhandlung „Discours sur une question d’Estat de ce temps. Question: Que le Roy ne se faict il Catholique? S’il se faisoit Catholique son Royaume seroit incontinent en paix“ ([s.l.] 1591) ebenfalls Du Perron zugeschrieben werden kann, bleibt strittig. 25 Vgl. zum Nationalkonzilsgedanken um 1600 Mario Turchetti: „Henri IV entre la concorde et la tolerance“, in: Henri IV, le roi et la reconstruction du royaume. Actes du Colloque, PauNérac, 14–17 septembre 1989, organisé par l’Association Henri IV. Pau 1990, S. 277–300. William B. Patterson: „Henry IV and the Huguenot Appeal for a Return to Poissy“, in: Derek Baker (Hg.): Schism, Heresy and Religious Protest. Cambridge 1972, S. 247–257. Alain Tallon: „La fin d’un instrument de paix. Le concile général“, in: Paul Mironneau und Isabelle Pébay-Clottes (Hg.): Paix des armes, paix des âmes. Paris 2000, S. 19–28.

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que.26 Diese kleine Schrift von 56 Oktavseiten wurde anonym im anti-ligistischen Tours gedruckt. Sie befindet sich als handschriftlicher Entwurf in Hotmans Nachlass, die Autorschaft war bislang ungeklärt.27 Aufgrund ihrer besonderen Nähe zu Abhandlungen, wie etwa dem 1592/3 entstandenen Avis et dessein nouveau sur le fait de la Religion en l’Eglise Gallicane, erscheint es plausibel, die Responce Jean Hotman zuzuschreiben.28 Wie in dem Text argumentiert wurde, dürfe eine Konversion nicht aus reinem Nützlichkeitskalkül erfolgen. Hotman suchte, die Konversionsproblematik durch den für sein eigenes Reunionsprogramm zentralen Begriff der „katholischen Kirche“ zu entschärfen. Die Forderungen von römischkatholischer Seite wurden mit einer semantischen Überlegung entkräftet, die enorme Sprengkraft beinhaltete. Hotman setzte gegen Du Perrons KatholizismusBegriff eine eigene Bestimmung: So könne der König sehr wohl katholisch sein, ohne zu Rom konvertieren zu müssen. Bei dem geforderten Übertritt Heinrichs von Navarra zum katholischen Glauben bedeute das Wort „katholisch“ nämlich nichts anderes, als dass der Thronfolger Christ werde, also gar keine Konversion notwendig sei. Du Perron meine mit dem Begriff ‚katholisch‘ dagegen in erster Linie, der zukünftige König solle ein „Sklave Roms“ werden.29   26 [Hotman:] „Responce a la supplication faicte au Roy de se faire Catholique“. [s.l.] 1591. Jean Hotman de Villiers (1552–1636) war als Sohn des berühmten Rechtsgelehrten François Hotman im reformierten Milieu Straßburgs und Basels aufgewachsen. Ab 1579 nahm er verschiedene diplomatische Tätigkeiten wahr, die ihn als Sekretär des Earl of Leicester nach England und in die Niederlande führten, später folgten in den Diensten der französischen Krone Aufenthalte in Solothurn und während des Jülich-Klevischen Erbkonflikts als Agent du Roy in Düsseldorf. Jean Hotman war durch die konfessionelle Spaltung seiner Familie tief geprägt, sein Vater war als einziger Sohn zum Calvinismus konvertiert, während seine Brüder zu den führenden Mitgliedern der Liga gehörten. Seit den 1590er Jahren hatte Hotman begonnen, Texte aus ganz Europa zu einem konfessionellen Ausgleich zu sammeln, für die Versorgung mit Textmaterial konnte er von seinen diplomatischen und gelehrten Netzwerken im In- und Ausland enorm profitieren. Vgl. zu Jean Hotman: Fernand Schickler: „Hotman de Villiers et son temps“, in: Bulletin de la Société de l’Histoire du Protestantisme français 17 (1868), S. 97–111, 145–161, 401–413, 464–476, 513–533. David Baird Smith: „Jean Villiers Hotman“, in: Scottish Historical Review 14 (1917), S. 147–166. Guillaume Henri Marie Posthumus Meyjes: Jean Hotman’s English Connection. Amsterdam 1990. Mona Garloff: Irenik, Gelehrsamkeit und Politik. Jean Hotman und der europäische Religionskonflikt um 1600. Göttingen 2014. 27 Vgl. die handschriftliche Fassung in BSHPF, Ms. 10, I, Bl. 188r–211r. Schickler: Hotman de Villiers, S. 468–473; Corrado Vivanti: Lotta politica e pace religiosa in Francia fra Cinque e Seicento. Turin 1963, S. 210–213, schreibt den Text hingegen dem reformierten Theologen Nicolas Séguier zu. Vgl. Garloff: Irenik, S. 71f. 28 BSHPF, Ms. 10, II, Bl. 75r–115r: Avis et dessein nouveau sur le fait de la Religion en l’Eglise Gallicane. Pour estre proposé au prochain Concile National ou autre assemblée des Prelats, Pasteurs et Docteurs de la dicte Eglise Gallicane [1592/3]. 29 [Hotman:] Responce, Bl. 195v: „Car quand vous dittes qu’il fault que le Roy se face ,catholique‘, c’est autant que si vous vouliez qu’il se feist chrestien, selon la signification du mot ,catholique‘, qui en l’Eglise primitive a esté attribué à l’Eglise universelle espandue par le monde universel et composee de tous ceux qui sont baptisez au nom de la Sainte Trinité, comme est le Roy qui à bon droict doict estre dit catholique, puisqu’il ne tient et ne veult tenir  

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Auf diese Weise erreichte Hotman zwei Ziele: Er konnte das strategisch so wichtige semantische Etikett des ‚Katholischen‘ für sich und den Thronfolger in Anschlag bringen, zugleich aber die damit scheinbar verbundene Konversionsnotwendigkeit aushebeln. Das Argument des gemeinsamen katholischen Glaubens konnte Ausgangsbasis für Toleranzforderungen sein, indem Reformierte somit nicht als Häretiker stigmatisiert werden durften. Ebenso war es mit der Idee eines minimalen Glaubenskonsenses in Verbindung zu bringen und konnte von Irenikern wie Jean Hotman für eine Reunion der Kirchen eingesetzt werden. Der Rückgriff auf den Katholizismusbegriff ermöglichte also beides: die Existenzbegründung bzw. Forderung nach Anerkennung der eigenen Konfession und die Betonung überkonfessioneller Gemeinsamkeiten. In der Responce wurden religiöse Konflikte vornehmlich aus einer historischen Perspektive analysiert, mit der Hotman eine pluralistische Grundorientierung des Christentums herauszuarbeiten suchte. Die normative Phase der Kirchengeschichte der ersten Jahrhunderte galt ihm als Orientierung für die Überwindung von Glaubenskonflikten.30 Ein zentrales Argument des Textes war die nationale bzw. regionale Eigenständigkeit der christlichen Teilkirchen: Seit ihren Anfängen habe eine katholische, apostolische Kirche existiert, die jedoch gleichwohl unterschiedliche „parties et assemblées particuliaires“31 umfasse. Diese Freiheiten seien von den Aposteln explizit so vorgesehen worden. Entsprechend hätten sich die Patriarchate von Rom, Konstantinopel, Jerusalem, Antiochia und Alexandria herausgebildet. Nach ihrem Vorbild bestünden gegenwärtig beispielsweise die gallikanische, anglikanische, armenische und die griechisch-orthodoxe Kirche. Die jeweiligen Partikularkirchen seien durch nationale, regionale und lokale Besonderheiten geprägt. Eine jede habe ihre eigenen Traditionen und ernenne selbst ihre Geistlichen. Von Land zu Land unterschiedlich seien verschiedene Zeremonien und Bestimmungen des Kirchenregiments eingeführt worden. Diese Akkommodationsthese, auf die Hotman auch in späteren Schriften immer wieder rekurrierte, konnte eine Grundlage für Toleranzforderungen sein als auch als Ausgangsbasis für eine konfessionelle Wiedervereinigung verstanden werden. Um diese Argumentation nun auf die Situation in Frankreich zu übertragen, betonte Hotman die Autorität des Königs und der Magistrate, ein nationales Konzil einzuberufen.32 Der Thronfolger wurde in der Responce als Friedensbringer stilisiert,   autre foy que celle qu’a te[nue] l’ancienne Eglise catholique, apostolique et romaine.“ Vgl. auch ebd., Bl. 198v. 30 Vgl. [Hotman:] Responce, Bl. 189v. 31 [Hotman:] Responce, Bl. 192r. 32 Vgl. [Hotman:] Responce, Bl. 210v.: „Reprenez la voye des conciles nationaux puisque l’esperance d’un oecumenique nous est entierement ostée. Autresfois et mille fois a on assemblé des conciles nationaux et provinciaux en l’Eglise gallicane et ailleurs pour beaucoup moins de sujet. Et vous ne abusez point car nous avons assez d’exemples en l’Eglise catholique de concilles particulliers, qu’on a convocquez pour vuides les differents de la religion et pour le faict de la foy.“

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der nicht nur die religionspolitischen Konflikte in Frankreich, sondern ganz Europas befrieden werde. Im Vergleich erscheint es interessant, Hotmans Positionen einer Replik des katholischen Autors Estienne Pasquier gegenüberzustellen, die etwa zeitgleich gegen Du Perron verfasst wurde. Trotz der deutlichen Nähe der Titelwahl und der behandelten Themen fielen die Argumentationsweisen der beiden Verfasser gegen den Glaubensübertritt des Thronfolgers sehr unterschiedlich aus. Dies zeigt sich insbesondere in der Auslegung des Katholizismus-Begriffs, der in beiden Fällen die zentrale Rechtfertigungsbasis der Schriften bildete. 3. ESTIENNE PASQUIER: RESPONCE A LA SUPPLICATION Der Pariser Generaladvokat und Gelehrte Estienne Pasquier (1529–1615) findet vor allem als Autor des beeindruckenden historiographischen Werks Recherches de la France und als wichtiger Toleranzdenker des 16. Jahrhunderts Beachtung.33 Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht seit jeher die Exhortation aux Princes et seigneurs du Conseil privé du Roy von 1561, in der sich der anonyme Verfasser für die Anerkennung von Gewissensfreiheit und die Duldung zweier Konfessionen in Frankreich ausgesprochen hatte, sofern auf diesem Weg der öffentliche Friede wiederhergestellt werden könne.34 Unter der Annahme, dass Pasquier tatsächlich als Autor der Exhortation gelten kann,35 ist seit den 1560er Jahren bis zu seinem Tod 1615 ein deutlicher Wandel seiner Toleranzvorstellungen nachzuvollziehen, insofern seine eigene Verbundenheit zum römischkatholischen Glauben immer stärker die Argumentation im Umgang mit Multikonfessionalität lenkte. Wenn sich Pasquier in seinen religionspolitischen Stellungnahmen (Remonstrance aux Parlemens de France 1581, Discours fait à la Royne-Mere du Roy 1586) der folgenden Jahrzehnte für das langfristige Ziel eines geeinten Frankreichs im römisch-katholischen Glauben aussprach, begriff er diese   33 Vgl. zu Pasquier Dorothy Thickett: Estienne Pasquier (1529–1615). The Versatile Barrister of Sixteenth-Century France. London/New York 1979. Paul Bouteiller: Étienne Pasquier 1529– 1615. Sa Vie et sa carrière. (11943) Lille 2001. 34 Exhortation aux princes, et seigneurs du Conseil privé du Roy, pour obvier aux seditions qui semblent nous menacer pour le faict de la Religion. Ceste exhortation tirée de la vraye minute de l’autheur, laquelle a esté falsifiée et corrompue par toutes les autres impressions. [s.l.] 1561. 35 Mehrheitlich tendiert die Forschung dazu, die Autorschaft Pasquier zuzuschreiben. Vgl. Catherine Magnien-Simonin: „Étienne Pasquier (1529–1615) ou la dissidence discrète“, in: Les Dossiers du Grihl 1 (2013), http://dossiersgrihl.revues.org/5748 (letzter Zugriff: 18.11.2015). John Parkin: „Étienne Pasquier, tolérant ou indécis?“, in: Studi francesi XXIV (1980), S. 205–223. Dorothy Thickett: „Estienne Pasquier and his Part in the Struggle for Tolerance“, in: Gérald Berthoud u.a. (Hg.): Aspects de la propagande religieuse. Travaux d’humanisme et de renaissance. Genf 1957. Vgl. aber u.a. Lecler: Histoire de la tolérance, S. 437–443.

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Einigung als Prozess einer natürlichen Übereinkunft.36 In der gegenwärtigen Ausgangssituation sollten zur Sicherung des öffentlichen Friedens vorerst mehrere Konfessionen geduldet und jeglicher Glaubenszwang vermieden werden. Am Toleranzdenken Pasquiers zeigt sich deutlich, wie vielschichtig und kontextgebunden solche Ansätze waren und nicht an einem einzelnen Werk wie der Exhortation festgemacht werden können. Mit seiner Responce à la supplication, contre celuy lequel faisant semblant de donner advis au Roy de se faire Catholic, veult exciter ses bons subiects à rebellion nahm Pasquier auf 84 Oktavseiten eine umfangreiche Widerlegung der Positionen Du Perrons vor.37 Im Unterschied zu Hotman brachte er vornehmlich Argumente ein, die unter politischen Gesichtspunkten gegen den Glaubenswechsel des Thronfolgers sprachen. Die Responce lotete vorsichtig das Verhältnis zwischen den weltlichen und kirchlichen Hoheitsbereichen aus, wobei ihr Autor für eine klare Trennung der beiden Sphären eintrat. Weitgehend losgelöst davon wurden die jeweiligen individuellen Glaubensüberzeugungen betrachtet, die keinem Zwang ausgesetzt werden dürften. Pasquier verbarg nicht, dass der römischkatholische Glaube für ihn als einzig wahres Bekenntnis galt und er langfristig für ein geeintes Frankreich unter dem Dach dieser Kirche eintrat: „Premierement ie suis d’advis que tout bon Citoyen doibt souhaiter qu’il n’y ait qu’une religion en toute Republique bien ordonnée. Et tout bon Chrestien qu’il n’y ait exercice d’autre religion que de la Catholique, Apostolique, Romaine.“38 Seiner tiefen Verbundenheit zu dieser Kirche verlieh der Autor gerade gegenüber katholischen Adressaten immer wieder Ausdruck, auch um den Verdacht seiner Nähe zum reformierten Glauben zu entkräften.39 Es ist auffällig, dass Pasquier, der in anderen Schriften wie etwa den Recherches de la France für eine Stärkung der gallikanischen Sonderrechte des Königreichs eingetreten war, gegenüber Du Perron ganz auf dessen ultramontanen Linie argumentierte. Mit seinen Forderungen nach einer Unterordnung des Religiösen unter das Politische, nach Ziviltoleranz, uneingeschränkter Loyalität gegenüber dem Souverän und der Betonung der politischen Notwendigkeit des Friedens erscheinen   36 Remonstrance aux Parlemens de France, touchant l’observation de la paix. [s.l.] 1581. Discours fait a la Royne-Mere du Roy, par un sien fidelle subjet pour le bien de la paix de ce royaume avant qu'elle partist pour aller la traicter avec le Roy de Navarre. [s.l.] 1586. 37 Responce à la supplication, contre celuy lequel faisant semblant de donner advis au Roy de se faire Catholic, veult exciter ses bons subjects à rebellion. s.l. 1591. Vgl. zur Autorschaft dieses Textes Thickett: Pasquier and his Part, S. 399f., die zahlreiche Parallelen mit anderen Werken Pasquiers anführt, die Supplication jedoch falsch zuordnet. 38 Response à la supplication, S. 11. 39 So schrieb Pasquier beispielsweise an den Generalsuperior des Jesuitenordens Claudius Aquaviva: „Je vous prie de croire que je ne fus jamais Huguenot […]. Il y a soixante ans et plus de passez, que la porte m’y estoit impunément ouverte: toutesfois j’ay, depuis ma jeunesse jusques à huy, conduit d’une mesme teneur ma religion en l’Eglise Catholique, Apostolique, Romaine, et non seulement conduit, ains en ay fait profession publique par mes Livres.“ (Lettres d’Etienne Pasquier, XX, 3) Vgl. Thickett: Pasquier and his Part, S. 382f.

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Pasquiers Ansätze generell solchen Vorstellungen zuordenbar, die als Leitideen der sogenannten Politiques beschrieben worden sind. Ihren Vertretern wurde in der älteren Forschung eine mehr oder minder konstante Gruppenidentität zugeschrieben.40 Eine solche „politische“ Mentalität ließ sich entsprechend von den Vermittlungsbemühungen der 1560er Jahre in Person Michel de L’Hospitals bis in die späten 1590er Jahre bei Akteuren wie Jacques-Auguste de Thou, Pierre de Belloy oder Estienne Pasquier beobachten. Diese Lesart ist in den letzten Jahrzehnten in die Kritik geraten, als mit einer präzisen Untersuchung der Quellensprache das Kontinuitätsnarrativ infrage gestellt wurde und gezeigt werden konnte, dass es sich bei der pejorativen Fremdbezeichnung der Politiques stets um situative Zuschreibungen handelt, die an die jeweiligen zeitgenössischen Aussagekontexte rückgebunden werden müssen.41 Gerade die Ausrichtung von Pasquiers Argumentation auf den Einheitsgedanken der Kirche zeigt, dass das Eintreten für Ziviltoleranz an die Vorstellung eines langfristig im Glauben geeinten Frankreichs gekoppelt ist.42 Diese Verknüpfung zwischen Toleranz- und Unionsdenken sollte stärker, als bislang erfolgt, in die Analyse entsprechender Schriften miteinfließen.43 In der Responce hatte Pasquier seinem eigenen Bekenntnis zum römischkatholischen Glauben und dem Wunsch nach einem unter dieser Kirche geeinten Frankreich unmissverständlich Ausdruck verliehen. Unabhängig von seiner religiösen Überzeugung sprach sich der Autor jedoch dezidiert dagegen aus, in Glaubensfragen von kirchlicher oder staatlicher Seite Druck auszuüben: Le comble de tous mes souhaits est de le voir uny de mesme religion avec nous, mais pour vous dire le vray, ie souhaitterois que ny vous ny moy, n’eussions entrepris à desmeller ce fu-

  40 Exemplarisch Charles Labitte: De la démocratie chez les prédicateurs de la Ligue. Paris 1841, S. 105f. Lecler: Histoire de la tolérance, S. 439, 452 et passim. Von einer Gruppenidentität geht auch Julien Broch: L’école des „Politiques“ (1559–1598). La contribution des juristes et publicistes français à la construction de l’État royal. Aix-en-Provence 2013, aus. 41 Vgl. für eine differenzierte Bewertung der Politiques u.a. Christopher Bettinson: „The Politiques and the Politique Party. A Reappraisal“, in: From Valois to Bourbon, S. 35–49. Edmond M. Beame: „The Politiques and the Historians“, in: Journal of the History of Ideas 54 (1993), S. 355–379. Dieser Ansatz liegt auch bei Mario Turchetti: „Une question mal posée. L’origine et l’identité des Politiques au temps des guerres de Religion“, in: Thierry Wanegffelen (Hg.): De Michel de L’Hospital a l’Edit de Nantes. Politique et religion face aux Églises. Clermont-Ferrand 2002, S. 357–390, zugrunde. Vgl. auch Denis Crouzet: La sagesse et le malheur. Michel de l’Hospital, chancelier de France. Seyssel 1998. 42 Vgl. entsprechend zu den religionspolitischen Vorstellungen Pasquiers bzw. Jacques-Auguste de Thous Myriam Yardeni: „La pensée politique des ,Politiques‘: Étienne Pasquier et Jacques-Auguste de Thou“, in: De Michel de L’Hospital, S. 495–510. Robert Descimon: „Penser librement son intolérance. Le président Jacques Auguste de Thou (1553–1617) et l’Épître dédicatoire des Historiae sui temporis (1604)“, in: François Lecercle (Hg.): La liberté de pensée. Poitiers 2002, S. 73–86. 43 Vgl. jedoch die maßgeblichen genannten Beiträge von Mario Turchetti. Mack P. Holt: „L’évolution des ,Politiques‘ face aux Églises (1560–1598)“, in: De Michel de L’Hospital, S. 591–607.

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Mona Garloff seau: c’est une chose fort dangereuse de se vouloir rendre arbitre des opinions d’un grand Roy, mesmes sur un subiect de telle consequence que cettuy, en la bigarrure des humeurs qui est auiourd’huy entre nous.44

Im Falle des Souveräns erschien Pasquier dieses Vorgehen umso problematischer, als er hier eine Einflussnahme auf den weltlichen Herrschaftsbereich durch kirchliche Interessen gegeben sah. Er zeigte dem Thronfolger seine uneingeschränkte Loyalität, die nicht zuletzt durch die moralische Integrität Heinrichs von Navarra gestärkt wurde: „Dieu nous a donné un roy d’autre religion que la nostre, mais Prince preud’homme, vaillant, genereux, sage, iuste, qui accompagne ses actions de la crainte de Dieu.“45 Pasquier machte zwei Gruppen von Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche aus: Auf der einen Seite die „Catholicz d’Estat“, auf der anderen die „Catholicz de Religion“, die er als wahre Gläubige betrachtete. Die erste Gruppe folge, wie es den Lehren Machiavellis entspreche, pragmatisch ihren politischen Interessen.46 Religiöse Überzeugungen dürften sich jedoch nicht nach Motiven politischer Klugheit richten. Du Perron habe von solchen Argumenten Gebrauch gemacht, indem er als entscheidenden Grund für die Konversion die Beruhigung der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Land hervorgehoben habe.47 Zwar hielt es Pasquier unter Umständen für möglich, das Königreich auf diesem Weg zu befrieden, doch werde die Seele des zukünftigen Königs selbst keine Ruhe finden.48 Heinrich von Navarra sei bereits vor seinem Glaubensübertritt durch seine Integrität und Barmherzigkeit als wahrer „Catholic de Religion“ viel katholischer als Du Perron selbst. Der „advis“, den der Geistliche geben wolle, sei letztendlich der eines „meschant Ligueur“, mit dem die französischen Untertanen zur Rebellion gegen den Thronfolger angestiftet werden sollten und die ultra-katholische Liga weiter gestärkt werde.49 Als gläubiger Katholik müsse Du Perron seinen religiösen Wunsch an Gott richten und Heinrich mit vernünftigen Argumenten überzeugen, nicht aber die Untertanen zu weiteren Unruhen aufwiegeln.50 Das protestantische und moderat-katholische Schrifttum dieser Jahre arbeitete sich mehrheitlich an der Liga als Feindbild und Ursache des Scheiterns der friedlichen Koexistenz verschiedener Konfessionen in Frankreich ab. In dieser Linie stand auch François de La Noue, der als einflussreicher hugenottischer Militär Heinrich von Navarra bei der Belagerung des ligistisch besetzten Paris 1590 unterstützt und selbst fünf Jahre in spanischer Gefangenschaft verbracht hatte.   44 45 46 47 48 49 50

Responce à la supplication, S. 16. Responce à la supplication, S. 11. Vgl. Responce à la supplication, S. 25. Vgl. Responce à la supplication, S. 30, 41. Vgl. Responce à la supplication, S. 43. Responce à la supplication, S. 42, 73f. Vgl. Responce à la supplication, S. 4: „Mais s’il estoit franc Catholic, il devoit adresser sa requeste à Dieu, non au Roy; si bon subiect et desireux du repos public, il luy devoit faire entendre particulierement ses raisons et non les divulguer parmy le peuple.“

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4. FRANÇOIS DE LA NOUE: LETTRE SUR LE CHANGEMENT DE RELIGION In verschiedenen Punkten kommen die Repliken von Hotman und Pasquier Positionen nahe, mit denen sich François de La Noue (1531–1591) gegen die Konversion des französischen Königs gewandt hatte.51 Er empörte sich über einen Glaubenswechsel, der durch Angst oder politische Motive forciert werde, und lehnte jegliche Zwangsausübung im Fall von Gewissensfragen ab.52 Insbesondere könne der König als Souverän nicht von seinen Untertanen zur Konversion gezwungen werden. La Noue interpretierte den Druck, der auf Heinrich von Navarra ausgeübt wurde, als unrechtmäßiges Auflehnen gegen den Thronfolger.53 Dieser habe sein ganzes Leben für Gewissensfreiheit gekämpft, daher sei kaum zu befürchten, dass er entgegen seiner Erklärung vom 4. August 1589 die römisch-katholische Kirche in Frankreich nicht schützen werde. Den wahren „katholischen Glauben“ sah der Autor ohnehin in großer Gefahr, da aktuell die „neue Theologie“ der Ligisten regiere, die dem Einfluss Spaniens unterliege.54 Zugeständnisse von Toleranz, wie sie in den Edikten der vorangegangenen Jahrzehnte formuliert worden waren, konnten in La Noues Augen keinen dauerhaften Frieden herbeiführen. Wenn Frankreich, das „quasi morte“ sei, wieder Frieden finden wolle, müssten die für die Reformierten erniedrigenden Edikte aufgehoben und das Königreich von dem „joug estranger“ der Spanier befreit werden. Ligisten, gemäßigte Katholiken und Reformierte sollten wieder miteinander leben können wie „Bürger ein und derselben Stadt“.55   51 Prägnant finden La Noues Positionen Ausdruck in einen Brief an einen unbekannten Adressaten der ersten Jahreshälfte 1591 (La Noue fiel bei der Belagerung von Lamballe im Juli des Jahres). Die einzige erhaltene Version des Briefes ist eine Abschrift in Jean Hotmans Nachlass, der den Text, wie verschiedene Bearbeitungsspuren zeigen, ausgiebig studiert hatte: BSHPF, Ms. 10, II, Bl. 18r–22r. Der Titel „Lettre sur le changement de religion“ wurde von Hotman hinzugefügt, vgl. Hotman: Lettre sur le changement de religion, Bl. 18r. Der Brief wurde von Henri Hauser ediert in: „François de La Noue et la conversion du roi“, in: Revue historique 35,12 (1887), S. 311–323 (im Folgenden: Lettre sur le changement de religion). Vgl. zu La Noue Henri Hauser: François de La Noue (1531–1591). Paris 1892. William H. Huseman: La personalité littéraire de François de La Noue, 1531–1591. Paris 1986. 52 Vgl. La Noue: Lettre sur le changement de religion, S. 317. 53 Vgl. La Noue: Lettre sur le changement de religion, S. 315, 317. 54 La Noue: Lettre sur le changement de religion, S. 313–315. 55 La Noue: Lettre sur le changement de religion, S. 320f.: „Pour parvenir à ceste saincte fin, il semble qu’il soit du tout besoing de commencer par la paix, laquelle est desirée de ceux qui sont lassés de tant de maux et de confusions, qui prevoyent la cheute de l’Estat et veulent rejetter le joug estanger pour vivre en repos et laisser leur posterité libre. […] Ne devons nous pas, nous et les ligueurs, nous entrehaïr mortellement pour ce qui est survenu entre nous, veu que nous sommes citoyens d’une mesme cité qui avons à vivre ensemble, et qu’enfin reviendrons à reconciliation. Travaillons donc plus tost que plus tard, et les gens de bien des deux costés, à avancer la paix, pour donner la vie en la France quasi morte, puis que c’est l’entrée de nostre felicité, voire nostre felicité mesme.“

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Im Grunde genommen kam damit bei La Noue in der politischen Situation von 1591 ein Argument zum Tragen, das er bereits 1587 in seinen Discours politiques et militaires angeführt hatte, die während seiner spanischen Gefangenschaft in Limbourg entstanden waren. Im ersten Diskurs über die „remèdes pour restaurer le royaume de France“ beschwor La Noue die religiöse Einheit innerhalb des Königreichs. Er hielt es für wenig aussichtsreich, dass zwei Konfessionen auf lange Sicht in einem politischen Gemeinwesen ohne Bürgerkriege und andere Streitigkeiten friedlich nebeneinander existieren könnten.56 La Noue forderte als ersten, wichtigen Schritt zunächst die Unterwerfung der Liga, religiöse Toleranz und die politische Gleichstellung seiner Glaubensgenossen. Erst dann sollte über die Problematik der Konfessionszugehörigkeit des französischen Souveräns nachgedacht werden.57 Zu diesem Zweck sei eine Kommission aus Bischöfen und Theologen „des deux costés“ einzuberufen, die den Weg für eine „plus generale conference“ vorbereite.58 Der Autor hielt eine Wiedervereinigung der Kirchen für möglich, sofern man zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit sei.59 La Noue trat also in einer ersten pragmatischen Zielsetzung für die gleichrangige Anerkennung der Konfessionen in Frankreich ein, langfristig erschien ihm jedoch eine Wiedervereinigung der Kirchen für notwendig, um einen dauerhaften Friedenszustand in Frankreich garantieren zu können. 5. DE LA VRAYE ET LEGITIME CONSTITUTION DE L’ESTAT Hotman, Pasquier und La Noue hatten der Erörterung des Verhältnisses von Religion und Politik breiten Raum eingeräumt und die Autorität des Herrschers deutlich über die kirchlichen Interessen gestellt. Selten wurde die Beziehung zwischen den beiden Herrschaftsbereichen so radikal beantwortet wie in dem Traktat De la vraye et légitime constitution de l’Estat, der 1591 in Tours gedruckt wurde.60 Das   56 57 58 59

Vgl. Lecler: Histoire de la tolérance, S. 508f. Vgl. La Noue: Lettre sur le changement de religion, S. 321. Vivanti: Lotta politica, S. 209. La Noue: Lettre sur le changement de religion, S. 319. Vgl. La Noue: Lettre sur le changement de religion, S. 319: „Je ne suis pas de ceux qui se representans les disputes, animosités et injures, tant passées que presentes, survenues entre nous pour le fait de la religion et la difference des doctrines, estiment qu’il est impossible de pouvoir jamais trouver aucun reglement ecclesiastique qui puisse contenter et reünir nos esprits et, desesperans de ce bien, cessent d’y penser et en faire recherche. Il est, à mon avis, beaucoup meilleur de tousjours bien espérer, en quoi faisant on s’aproche de corps et d’amitié de ceux desquels on demeuroit auparavant separé de l’un et de l’autre.“ 60 De la vraye et légitime constitution de l’Estat. Tours 1591. Vgl. zum Text Philippe Papin: „État et religion à la fin du XVIe siècle: ,De la vraye et légitime constitution de l’État‘“, in: Nouvelle Revue du Seizième Siècle 8 (1990), S. 83–94. Cornel Zwierlein: „Das Heptaplomeres und die unions- und toleranztheologische Diskussion um 1600 in Frankreich (mit Abdruck der Irenik-Bibliographie des Jean Hotman von 1628/29)“, in: Karl Friedrich Faltenbacher (Hg.): Der kritische Dialog des Colloquium heptaplomeres. Wissenschaft, Philosophie und  

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Religiöse wurde hier – in einer Entgegensetzung zu den theokratischen ligistischen Leitbildern – der Autorität „de l’Estat“ dezidiert untergeordnet („la Religion soit maintenue par l’autorité de l’Estat, et non l’Estat par la Religion“).61 Der anonyme Verfasser betonte die strikte Trennung zwischen den beiden Bereichen und gab sich als Verteidiger der königlichen Souveränität zu erkennen.62 Die Vorrangigkeit des Politischen vor dem Religiösen begründete die Constitution universal- bzw. schöpfungsgeschichtlich: So habe es seit dem Anbeginn der Welt bis zu Enosch, einer Zeitspanne von etwa 230 Jahren, gedauert, bis religiöse Erscheinungsformen wie das Anrufen des Herrn aufgetreten seien (Gen 4,26),63 ein politisches Gemeinschaftsleben habe hingegen schon viel früher existiert. Auch der Bund, den Gott mit Noah und seinen Söhnen geschlossen habe (Gen 9,1–17), sei in seinem Grundkern ein Regelwerk politischer Ordnung gewesen.64 Auch am Umgang mit Regelverstößen ließen sich dem Autor zufolge Unterschiede, ja sogar Gegensätze von Religion und Politik erkennen: Während im Christentum auf Verstöße mit „Milde“ und „Barmherzigkeit“ reagiert werde, könne ein politisches Gemeinwesen nur Bestand haben, wenn gegen Verbrechen mit „Gewalt“ und „Zwang“ vorgegangen werde.65 Die Einheit der Kirchen sei wünschenswert, dürfe jedoch nicht mit Zwang herbeigeführt werden; bis zu einer Lösung der Konflikte müsse die religiöse Pluralität, die beispielsweise auch das Römische Reich nicht geschwächt habe, toleriert werden.66 Vorrang vor der religiösen Einheit gelte dem öffentlichen Frieden („la paix de l’Estat“). Die Constitution  

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Religion zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Darmstadt 2009, S. 135–184, hier S. 155f. Vivanti: Lotta politica, S. 56–58. Lecler: Histoire de la tolérance, S. 504f. De la vraye et légitime constitution, S. 23. Vgl. De la vraye et légitime constitution, S. 25f.: „De tout cela il est aisé à recognoistre qu’en matiere d’affaires d’Estat il ne faut aucunement mesler la Religion, dautant que le profane et le sainct ne se doivent assembler, que l’un ne corrompe l’autre.“ Vgl. De la vraye et légitime constitution, S. 6: „I’entens qu’il est aisé à recognoistre que l’institution en a esté depuis en ce qu’elle est practiquee en forme ceremoniale ou ordre: ce qui est evident, car le monde a esté plus de deux cens trente ans qu’il n’y avoit point encores vray establissement de religion et n’invoquoit on point le nom de Dieu avec appareil de devotion iusques à la nativité de Enos, bien que desia il y eut figure d’estat entre les hommes qui puis apres selon leur consentement et accord és choses temporelles ordonnnerent de la disposition des devotions exterieures.“ Vgl. Zwierlein: „Heptaplomeres“, S. 155f. Vgl. De la vraye et légitime constitution, S. 7f. De la vraye et légitime constitution, S. 16.: „En la Religion il se recognoist par là un effaict de merveilleuse clemence à persuader et attirer, ce qui advient autrement en l’Estat: car les executions qui se font ne sont point seulement pour donner exemple et deterrer les voyans par l’horreur du mal: mais pour demonstrer le pouvoir de la Loy civile, la force du Magistrat et authorité de la police. Ainsi la douceur et clemence est en la Religion, et la contraincte et force en l’Estat.“ Vgl. De la vraye et légitime constitution, S. 23, 25.: „Mais dautant que cela n’est point et ne peut encor estre, pource que par nos rebellions et fureurs nous nous en rendons indignes: il faut, en ceste diversité aviser à se maintenir afin que puis apres nous puissions trouuer le moyen de nous unir à la pitié. […] L’empire Romain à eu si grande estendüe: ce n’a point esté la similitude de Religion qui la ainsi estably, ny tant d’autres qui sont cognus de tous.“

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betonte die Freiwilligkeit des Glaubens, mit der ein stark psychologisierter Zugang zum Religiösen verbunden wurde: Der Seele müsse Freiheit gewährt werden („il est necessaire de laisser à l’ame sa liberté principalement en matiere de Religion“), denn unter Zwang werde sie „zerstört“.67 Die maximale Freiheit von Religion fand dort ihre Grenzen, wo sie gegen die Gesetze des politischen Gemeinwesens und die Ehrfurcht vor Gott verstieß: La liberté donc est le plus grand bien que lon puisse souhaiter: or quiconque iuge des autres et les veut regler à son iugement, oste toute liberté et sappe pernicieusement toute la beauté de l’Estat: Il est vray que la liberté a ses regles, sans lesquelles elle seroit servitude, et ainsi elle doit estre l’effait du desir de servir à Dieu et obeir aux loix, et suivant cela ne faut pas iuger de la conscience des autres, ny en estimer a cause du different de religion, et principalement dautant que la Religion est une pure liberté de l’ame qui ne peut estre gesnee, et que celuy qui iuge s’aprestre à recevoir sa condemnation.68

In der Herauslösung des Religiösen aus dem institutionellen Rahmen der Kirchen und der Ablehnung jeglicher konfessionellen und politischen Zwangsausübung lagen für den Autor die Voraussetzungen für einen dauerhaften gesellschaftlichen Frieden begründet. In einem natürlichen Prozess der Übereinkunft könne auch religiöser Friede garantiert werden: Nur diejenigen, die dem Herrscher Gehorsam leisteten und Nächstenliebe gegenüber ihren Mitmenschen praktizierten, würden auch dem „Herrscher aller Herrscher“ mit Ehrfurcht begegnen.69 In ihrer abstrakten Herangehensweise enthob sich die Constitution der aktuellen Konfliktsituation in Frankreich, vermied polemische Auseinandersetzungen mit der Liga und thematisierte drängende Fragestellungen wie den Konfessionswechsel des Thronfolgers nur auf einer allgemeinen Ebene. In dieser Weise beanspruchte die Schrift, ein System universeller, zeitlos gültiger Werte zu etablieren.70 Der Text machte deutlich, dass der Gehorsam gegenüber dem Herrscher strikt von seiner Konfession zu trennen sei, eine implizite Bezugnahme auf Heinrich von Navarra. Die Legitimität seiner Thronfolge wurde argumentativ von einer notwendigen Konversion gelöst („le prince ne doit estre considéré pour sa religion, mais pour ce qu’il est chef du peuple“).71 Entsprechend seiner eigenen Freiheit müsse der König seinen Untertanen Gewissensfreiheit gewähren: Comme il ne faut usant de liberté, se formaliser opiniastrement de la religion du Prince, ce n’est point aussi à luy de contraindre aucun en religion, bien que ce soit à luy d’y mettre toute peine et d’y apporter de son autorité pour la franchise des consciences pacifiques.72

Die Constitution betonte die zentrale Rolle der weltlichen Obrigkeit für die Aufrechterhaltung des politischen und kirchlichen Friedens. Dieser konnte dem Autor zufolge umso eher erreicht werden, wenn eine geeinte Religion innerhalb eines   67 68 69 70 71 72

De la vraye et légitime constitution, S. 38. Vgl. Vivanti: Lotta politica, S. 57. De la vraye et légitime constitution, S. 36 [meine Hervorhebungen, M.G.]. Vgl. De la vraye et légitime constitution, S. 46. Vgl. Papin: „État et religion“, S. 88. De la vraye et légitime constitution, S. 26, 30. De la vraye et légitime constitution, S. 38.

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politischen Gemeinwesens bestehe. Dennoch hielt er an dem möglichen Modell dauerhafter religiöser Pluralität fest. Diese habe keine Auswirkung auf die innere Ordnung eines politischen Gemeinwesens: „L’Estat, sans changer, peut changer de Religion, et en un mesme Estat y peut y en avoir de diverses: car la difference de Religion n’empesche point la paix de l’Estat.“73 Während die Stellungnahmen Hotmans, Pasquiers und La Noues gegen die Konversion Heinrichs von Navarra eng an den zeithistorischen Kontext der Ligakämpfe und der religiösen Bürgerkriege der letzten Jahrzehnte gebunden waren, behandelte der Verfasser der Constitution die Frage des Glaubenswechsels auf einer weitgehend abstrakten, philosophischen Ebene. Die Notwendigkeit eines solchen Aktes wurde durch die strikte Überordnung der politischen über die religiöse Sphäre und einen weitgehend indifferenten, individualisierten Zugang zu Glaubensfragen aufgehoben. 6. SCHLUSSBETRACHTUNG Am Beispiel der vier untersuchten religionspolitischen Schriften des späten 16. Jahrhunderts konnten unterschiedliche Positionen im Spektrum der frühneuzeitlichen Toleranz- und Unionsdiskurse herausgearbeitet werden. Jean Hotman hielt am überzeugtesten an einer langfristigen Glaubenseinheit fest, verstand diese jedoch nicht als uniformes Modell, sondern trat für liturgische und zeremonielle Freiheiten auf der Ebene der jeweiligen Partikularkirchen ein. Seine Festlegung auf einen minimalen dogmatischen Glaubenskonsens ermöglichte ihm flexible Ausgestaltungsmöglichkeiten der Kircheneinheit. Diese konnte auf der Ebene einer gallikanischen Nationalkirche oder im Rahmen einer umfassenden christlichen Union verwirklicht werden. Hotmans spätere Stellungnahmen bis in die 1620er Jahre lassen jedoch erkennen, dass auch er hinsichtlich der Realisierungschancen einer Union, die nicht als erzwungenes Bekenntnis der Reformierten zur römisch-katholischen Kirche vollzogen werden sollte, zunehmend desillusioniert war und nun stärker für Regelungen friedlicher konfessioneller Koexistenz innerhalb Frankreichs eintrat. Während Hotman auf einer vornehmlich theologischen Ebene gegen das Katholizitätsverständnis Du Perrons argumentiert und einen ekklesiologisch orientierten Zugang zur Konversionsfrage gewählt hatte, diskutierten Autoren wie Pasquier und der anonyme Verfasser der Constitution die Problematik mit Blick auf das individuelle Gewissen des Gläubigen. Aus der strikten Trennung zwischen weltlichen und geistlichen Aufgabenbereichen konnte mitunter das Plädoyer für Gewissensfreiheit und die Ablehnung jeglichen Glaubenszwangs begründet werden.   73 De la vraye et légitime constitution, S. 23. Vgl. Lecler: Histoire de la tolérance, S. 505.

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Hotman, Pasquier und La Noue gingen davon aus, dass das langfristige Ziel der Glaubenseinheit in einem Prozess der natürlichen Übereinkunft und Rückbesinnung auf die gemeinsamen Grundlagen des Glaubens zu erreichen war. Dezidierter als Hotman hatten sich die beiden anderen Autoren für vorläufige Toleranzregelungen zur Sicherung des öffentlichen Friedens ausgesprochen. Die kirchliche Wiedervereinigung, die alle drei Verfasser anstrebten, war auf ihre jeweiligen konfessionellen Glaubensüberzeugungen ausgerichtet. So schwebte La Noue und Pasquier eine kirchliche Einigung unter dem Dach der reformierten bzw. römisch-katholischen Kirche vor. Hotman hingegen trat für die Konstituierung einer gallikanischen Nationalkirche ein, hinter der seine Vorstellung einer von allen Missständen bereinigten katholischen Kirche in Orientierung an den Idealformen der antiken Kirche stand. Aktuelle Differenzen, die gerade in der Konversionsproblematik offen aufbrachen, sollten durch die Einberufung eines Nationalkonzils beigelegt werden. Die meisten irenisch orientierten Autoren der frühen 1590er Jahre sahen in einer solchen Versammlung in der Tradition von Poissy 1561 einen ersten wichtigen Schritt zur Sicherung des Friedens. Ein Nationalkonzil bot in ihren Augen die Möglichkeit, irrationale durch rationale Verfahrensweisen zu ersetzen und ein eigens auf den französischen Fall zugeschnittenes Lösungsmodell der religiösen Konflikte zu finden. Im Rahmen einer solchen Versammlung sollte in Orientierung an den antiken christlichen Konzilien eine repräsentative Gruppe von Theologen und weltlichen Gelehrten unter Vorsitz des Souveräns zusammentreten. Die Figur des zukünftigen Königs Heinrich IV. wurde im protestantischen und moderat-katholischen Schrifttum dieser Jahre häufig zur Projektionsfläche des Strebens nach nationaler Einheit und religionspolitischem Frieden. Das Beispiel der Konversionsproblematik Heinrichs IV. und der aus ihr entstandenen Kontroversen der frühen 1590er Jahre eignet sich besonders gut, die unterschiedlichen Nuancen der frühneuzeitlichen Toleranzvorstellungen herauszuarbeiten. Während der politischen und religiösen Duldung in frühneuzeitlichen Territorien, die nach dem Prinzip der „Außenpluralität“ von einer an den Glauben des Herrschers gebundenen konfessionellen Homogenität ausgingen, enge Grenzen gesetzt war, bestanden in „binnenpluralen“ Gebieten wie Frankreich größere Spielräume, als hier zumindest die Möglichkeit einer zeitweiligen konfessionellen Koexistenz gegeben war.74 Mit der Konversion des Herrschers zur Mehrheitskonfession verband sich jedoch für die religiösen Minderheiten im Land die Befürchtung, ihres politischen Schutzes beraubt zu werden. Mit dem Plädoyer für Gewissensfreiheit suchten Autoren wie La Noue oder die anonyme Constitution die Konversion des Thronfolgers zu verhindern und entsprechende Duldungsgarantien der konfessionellen Minderheit auszuhandeln.   74 Vgl. zu dieser Unterscheidung Cornel Zwierlein: „Europäische Referenznetzwerke. Religionsfriedenskommunikation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“, in: Bent Jörgensen u.a. (Hg.): Friedensschlüsse. Medien und Konfliktbewältigung vom 12. bis zum 19. Jahrhundert. Augsburg 2008, S. 83–120, hier S. 95f.

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Am Beispiel der untersuchten Schriften wurde die argumentative Verknüpfung des Toleranz- und Unionsdenkens im Frankreich des späten 16. Jahrhunderts deutlich, insofern als konfessionelle Koexistenz hier mehrheitlich als Übergangslösung begriffen wurde, hinter der das Ziel der religiösen Wiedervereinigung weiterzuverfolgen war. Einzig der Traktat De la vraye et légitime Constitution ging von der Möglichkeit eines dauerhaften multikonfessionellen Zustandes aus, nahm dennoch durchgängig auf die Frage der Glaubenseinheit Bezug. In der älteren Forschung wurde die Verzahnung solcher Argumentationsmuster häufig unter dem Fokus auf die Ursprünge frühneuzeitlicher Toleranzdebatten und entsprechende Leitideen der Politiques vernachlässigt. Am Beispiel der Schriften Hotmans, La Noues und Pasquiers konnte jedoch gezeigt werden, in welch engem Zusammenhang religiöse Koexistenz und das Streben nach einer langfristigen Glaubenseinheit um 1600 zu sehen sind.

KOMMERZ VERSUS THEOLOGIE IM DÄNISCHEN GESAMTSTAAT Jens Glebe-Møller Der Pfarrer an der Christ-und Garnisonskirche in Rendsburg, Wolf Christian Matthiae (1734–1787), gab 1780 eine kleine Schrift Ueber die Toleranz in den dänischen Staaten in Flensburg heraus, die er an den Generalsuperintendenten für Schleswig-Holstein, Adam Struensee (1708–1791) dedizierte, Vater des 8 Jahre früher hingerichteten ‚Geheimekabinetsministers‘ Johann Friedrich Struensee.1 In dieser Schrift heißt es u. a.: „[…] die Toleranz fremder Religionsverwandten gehet in Dänemark weiter, als in den meisten andern, selbst protestantischen Ländern“.2 In der Tat: im ‚dänischen Gesamtstaat‘ – um diese etwas anachronistische Bezeichnung zu benutzen3 – also in Dänemark, Norwegen, in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, sowie in den norddeutschen Besitzungen – gab es seit mehr als hundert Jahren viele Beispiele von ‚Toleranz fremder Religionsverwandten‘, die der vielschreibende Matthiae übrigens in einer früheren Schrift ausführlich dokumentiert hatte.4 Um nun einige Beispiele von dieser Toleranz im dänischen Bereich im weitesten Sinne zu präsentieren – ich sehe hier, wie anscheinend schon Matthiae, von den sehr komplizierten dynastischen und politischen Relationen zwischen den Herzögen in Schleswig-Holstein, dem dänischen König und dem deutschen Kaiser ab – fange ich mit Glückstadt an. Glückstadt (,Stadt des Glücks‘) wurde 1616 von König Christian IV. gegründet als Konkurrent zu Hamburg. Es ging also um Handel und im eins damit um die Kontrolle über die Elbe. Um die Stadt zu bevölkern und den Handel zu fördern, bekamen sephardische, d.h. spanische oder portugiesische, Juden schon 1619 die Erlaubnis, ihre Religion in der neuen Stadt frei auszuüben. Und in den Privilegien der Stadt drei Jahre später heißt es:   1

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Nach Adam Struensees Tod erschien von Wolf Christian Matthiä: Kurzer Lebenslauf des Königlich Dänischen Oberconsistorialraths und Generalsuperintendenten D. Adam Struensee nebst sämmtlichen bey dessen Amtsjubiläo herausgekommenen Schriften. Flensburg und Leipzig 1791. Matthiä: Kurzer Lebenslauf des D. Adam Struensee, S. 11. Das Wort Gesamtstaat, auf Dänisch: helstat, wurde erst später in den dänischen, politischen Diskussionen, um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, für das Verhältnis zwischen Dänemark und den Herzogtümern benutzt. Vgl. Wolf Christian Matthiä: Beschreibung der Kirchenverfassung in den Herzogthümern Schleswig und Holstein. Flensburg 1778. Eine Neuauflage erschien 1786.

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Jens Glebe-Møller Anfänglich und fürs erste, wird allen Kauf-Handels-und Handwerksleuten, von was Nationen die auch seynd, hiermit frey-und zugelassen, dass sie sich in Unser Stadt u. Veste Glückstadt ohne einige Hindernis häuslich niederlassen, und zu wohnen besetzen, und das Exercitium ihrer Religion, wie vorher geschehen, allda üben und gebrauchen.5

Das heißt, dass auch Remonstranten, d.h. Anhänger des niederländischen Theologen Jacobus Arminius (1560–1609), der die calvinistische Lehre von der doppelten Prädestination bestritten hatte, willkommen waren. Und ebenso die Mennoniten (so genannt nach dem im Reformationsjahrhundert verstorbenen Priester, Menno Simons), in dessen Gemeinden nur die auf das Bekenntnis des Glaubens getauften Erwachsenen Aufnahme fanden. Katholiken durften sich aber nicht in Glückstadt niederlassen und ihre Religion „üben und gebrauchen“. Bald nach der Gründung von Glückstadt gründete der Herzog von Gottorp, Friedrich III., im Jahre 1621 Friedrichsstadt aus ähnlichen Motiven wie Christian IV. Die ersten Einwanderer waren auch hier niederländische Remonstranten und bald danach Mennoniten. Denen folgten 1625 die hier erlaubten Katholiken und später auch Quäker und sogar einige Sozinianer, Anhänger der von Fausto Sozzini (1539– 1604) begründeten antitrinitarischen Ecclesia minor, die besonders in Polen verbreitet war. Die, in diesem Falle deutschen, Juden kamen erst 1675 dazu. Altona bekam 1664 seine Privilegien, worin es fast wörtlich mit den Privilegien von Glückstadt heißt: Allen Kauff Handel-und Handtwercksleuten von was Nation die sein, wirdt hiermit zugegeben sich in Unser (jetzt des Königs Friedrich III.) Stadt Altonah ohne hindernüs hinfüro niederzulassen […] und das Exercitium Ihrer Religion wie vorhin gebrauchen.6

Schließlich erwähne ich Fredericia nördlich der heutigen Grenze – ursprünglich ‚Frederiksodde‘ genannt – das in dem Krieg mit Schweden 1657–60 zerstört wurde, aber wieder aufgebaut und 1674 seine Privilegien bekam. Hier heißt es unter § 24: Libertas conscientiae muss einem jedem gläubigen Christ zugebilligt werden, obwohl er nicht der Augsburgischen Konfession zugehöre […] Desgleichen muss auch eine Synagoge bewilligt werden für Juden, falls einige sich hier niedersetzen möchten.7

Übrigens waren die ersten nicht- lutherischen Einwohner in Fredericia die katholischen Söldner in der neugebauten Festung.8   5 6 7

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Zitiert nach Lorentz Hein in: Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Bd. 3: Reformation. Hrsg. vom Verein für Schleswig-Holstein. Neumünster 1982, S. 366. Zitiert nach Martin Ewald: 300 Jahre Altona. Beiträge zu seiner Geschichte. Hamburg 1964, S. 8. Zitiert nach Jørgen Peder Clausager, Søren Kyed Jakobsen, Bodil Schelde-Jensen (Hg.): Fredericia 1650–1970 – drøm dårskab og duelighed. Odense 2000, S. 36: „[…] libertas conscientiae må for det første tillades enhver, som er af christen tro, omend skønt han ej er så lige af den augsburgske konfession […]. Deslige må også en synagoge bevilges for jøder, såfremt nogen […] sig der ville nedsætte.“ Vgl. Fredericia 1650–1970, S. 37.

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Im Süden des gesamten dänischen Bereiches gab es also im 17. Jahrhundert in mehreren Fällen Beispiele von religiöser Toleranz, allerdings aus lauter handelspolitischen Gründen. Es muss hinzugefügt werden, dass einige religiöse Strömungen und Bewegungen von dieser Toleranz von vornherein ausgeschlossen waren. Das galt z.B. für die Davidjoristen, Anhänger des niederländischen Täufers und Spiritualisten David Joris, die lange nach dessen Tode 1556 in Basel anscheinend zahlreich waren, insbesondere in der Provinz Eiderstedt, und von den örtlichen, weltlichen und geistlichen Behörden bekämpft wurden. Vielleicht war auch der bekannte Religionskritiker Matthias Knutzen, um 1646 in Oldenswort in Eiderstedt geboren, von den Lehren David Joris’ beeinflusst.9 Auf jeden Fall opponierte er gegen sowohl die Theologie als gegen die politische Herrschaft seiner Zeit. „Wir verneinen Gott und verachten die Obrigkeit”, wie er in einem seiner Traktate schrieb.10 In den Hauptländern der dänischen Monarchie, in Dänemark und Norwegen, herrschte jedenfalls mindestens seit dem Reformationsjubiläum im Jahre 1617 die strenge lutherische Orthodoxie. Allerdings nicht ohne Opposition, davon nur zwei Beispiele: Das erste betrifft den dänischen Edelmann, Holger Rosenkrantz, „der Gelehrte” genannt. Geboren 1574 in Jütland wurde er im Jahre 1590 auf die Universität, zuerst in Rostock und danach in Wittenberg, gesandt, um die Rechte zu studieren. Aber die Rechte interessierten ihn wenig. Was Holger schon als jungen Mann vor allem interessierte, war die Theologie. Während seiner Studienzeit, insgesamt 5 Jahre, trat er hervor als ein überzeugter Anhänger der damaligen lutherischen Theologie, basiert auf der Konkordienformel von 1578. Um die Jahrhundertwende geriet er aber in eine Art von Krise, wo er an der Haltbarkeit der lutherischen Theologie seiner Zeit zu zweifeln begann. Diese Theologie, so dachte er nun, sei nicht auf den Worten Jesu aufgebaut und könne nicht zu einem frommen Leben leiten. Von da an widmete er den größten Teil seines Lebens der Ausarbeitung einer Doctrina secundum pietatem, wie er sie selber nannte: Eine Lehre, oder Theologie, die zu Frömmigkeit leitet und in sich selber Ausdruck von Frömmigkeit ist. Die Vorarbeiten zu seinem, nie vollendeten, Hauptwerk, in 22 Büchern geplant, zirkulierten unter Theologen und Gelehrten überall in Europa und befinden sich heute in Abschriften in mehreren alten europäischen Bibliotheken.11 Viele dänische Theologen, mit denen er in dem ersten Drittel des Jahrhunderts im Briefwechsel stand, waren von seiner frommen, biblisch basierten Theologie tief beeinflusst und lobten sie in ihren Briefen. Holger Rosenkrantz, im Jahre 1616 zum Reichsrat und also zum Mitglied des obersten politischen Gremiums in Dänemark ernannt, zog sich 11 Jahre später von diesem Amt zurück – zur großen   9

Vgl. Jens Glebe-Møller: „Matthias Knutzen – den første sønderjydske atheist“, in: Kirkehistoriske Samlinger. Kopenhagen 2001, S. 126f. 10 Über ihn und seine Verfasserschaft vgl. auch Jens Glebe-Møller: Vi fornægter Gud og foragter øvrigheden. Kopenhagen 2004. 11 Vgl. das Verzeichnis in Jens Glebe-Møller: Doctrina secundum pietatem. Holger Rosenkrantz den Lærdes teologi. Kopenhagen 1966, S. 160–175.

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Verbitterung seines Königs Christian IV. – um seine theologische Arbeit fortzusetzen. Als er aber im Jahre 1636 ein erbauliches, deutsches Buch, Fürstenspiegel betitelt, veröffentlichen ließ, brach ein Sturm los. In seinem Vorwort zu diesem Buch behauptete er nämlich eine doppelte Rechtfertigungslehre: Der Mensch wird nicht nur durch seinen Glauben (das lutherische sola fide), sondern auch durch seine Werke, sein frommes Leben, gerechtfertigt. Obwohl das eine logische Konsequenz seiner Doctrina secundum pietatem war, wandten sich seine früheren Anhänger und Bewunderer gegen ihn, und die theologische Fakultät an der Universität Kopenhagen verdammte seine Lehre. Aus heutiger Sicht ist aber klar: Hätte Rosenkrantz’ bibeltreue und überkonfessionelle Theologie den Sieg gewonnen, wären Toleranz und Religionsfreiheit auch mit theologischen Gründen auf die Tagesordnung in Dänemark-Norwegen gekommen. Zu ungefähr derselben Zeit treffen wir den Arzt Hartvig Lohmann (etwa 1590–1642) in Itzehoe in Holstein geboren. Nach einem Streit mit den Pfarrern in Flensburg wegen seiner spiritualistischen Anschauungen wurde er aus den Herzogtümern verwiesen. Anfang der dreißiger Jahre kam er nach Odense auf Fünen, wo er als Arzt praktizierte. Auf Befehl des Königs sollte aber das Konsistorium, d.h. der Bischof über Fünen, die Pfarrer in Odense und die Professoren des Gymnasiums, seinen Glauben untersuchen, mit dem Ergebnis, dass Lohmann zum zweiten Mal des Landes verwiesen wurde. Inzwischen hatte er sich aber direkt an den König, Christian IV. gewandt und ihn gebeten, dass unter anderen eben Holger Rosenkrantz zum Commisarius in seiner Sache ernannt werden sollte. Seine Bitte wurde aber nicht erfüllt. Auf dem Befehl des Königs vom 9. Januar 1635 wurde sein Glaube aufs Neue geprüft, diesmal von den theologischen Professoren an der Universität in Kopenhagen mit Hilfe von den Bischöfen in Odense und Lund. Dieses Gremium fand in Lohmanns Schriften neun gravierende und ketzerische Abweichungen von der orthodox-lutherischen Lehre. Unter anderem hatte er behauptet, „dass Christus wesentlich in den gleubigen wohn; wie der Vater wohnet in dem Sohne leibhafftig, so wohnet der Sohn Christus in den gleubigen leibhafftig mit seinem Fleisch undt Blute“. Weiter „dass ein jeglicher Christ möge, wiewol unberufen von Menschen, ein Lehrer seyn“. Von der weltlichen Obrigkeit hat er gesagt: „Einem jeden gleubigen Menschen gebühret im Reiche Christi nach Gottes Wort zu leben, undt nicht nach deme, was etwa die weltliche Obrigkeit von Zinsen, Rechten, Fechten und derogleichen, der Menschen Härtigkeit wegen, zugelassen“. Während eines viertägigen Verhörs nahm Lohmann seine früheren Äußerungen zurück, und der Notar der Universität konnte am 27. April 1637 an den König schreiben, dass Lohmann, weil er seine früheren errores stückweise revoziert habe, „mit gutem Gewissen hier im Reiche toleriert werde(n)“ könne. Zwei Tage später schrieb Christian IV. zurück: da Hartvig Lohmann „zu der Lehre unserer Kirche sich bekennt habe, haben wir ihm gnädig-

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lich bewilligt in unserem Reiche zu verbleiben.“12 ‚Toleranz‘ also, aber in Anführungsstrichen! Um die Mitte des 17. Jahrhunderts herrschte also in Dänemark theologisch die lutherische Orthodoxie und politisch wurde in den Jahren 1660–1661 der Absolutismus eingeführt, unter Mitwirkung von mehreren hohen Geistlichen, und fünf Jahre später im Kongeloven, auch Lex regia genannt, kodifiziert. Nach diesem Gesetz hatte der König, jetzt Friedrich III., die oberste Macht auch über die Geistlichen, „von den obersten bis zu den niedrigsten“ sowie über alle kirchlichen Angelegenheiten. Nur war er „unter Gott“ auf die unveränderte Confessio Augustana verpflichtet. Für die orthodoxen Theologen war das ja im Anfang ein Gewinn. Mit dem König im Rücken brauchten sie sich nicht mehr um Außenseiter wie früher Holger Rosenkrantz oder Hartvig Lohmann oder um Toleranz den Anhängern anderer Konfessionen gegenüber zu kümmern. Anstatt Polemik gegen Andersgläubige zu führen konnten sie sich jetzt der Verteidigung des Absolutismus widmen. Das tat vor allem der theologus primus oder summus theologus Professor Hans Wandal (1624–1675) mit seinem großen Werk De jure regio, in 6 Bücher eingeteilt, das 1663–1672 in Kopenhagen publiziert wurde, und über das er gleichzeitig ,im oberen Auditorium‘ der Universität Vorlesungen hielt. Obwohl Wandal mit der damaligen staatsrechtlichen Literatur bekannt war und sie auch benutzte, argumentierte er als Theologe, d.h. auf Grundlage der Bibel. Er fing mit diesem Syllogismus an: „Das Recht, das Gott im Alten Testament den Königen zugebilligt hat, darf auch für die Könige unter das Neue Testament gelten. Die Könige im alten Testament hatten aber uneingeschränkte Macht. Ergo […].“ Er behauptet im 2. Buch seines Werkes u.a., dass der König bei der Salbung einen „character Dei“ bekommt, ja, Wandal kann sogar den König „Gottes Stellvertreter“ und „selbst Gott“ nennen! Die eigentliche zeitgenössische Aktualität haben aber seine Ausführungen im 4. Buch, das von den Majestätsrechten handelt. Als das erste nennt Wandal des Königs jus circa sacra (Recht, was das Heilige betrifft). Dieses Recht bedeutet z.B., dass der König das Recht hat, Bischöfe und andere Geistliche zu ernennen, obwohl die geistige Macht allein bei den Geistlichen bleibt. Nichtsdestoweniger hat der König auch das Recht, in religiösen Sachen zu entscheiden. Nur soll er zuerst die Theologen zu Rate ziehen. Findet der König aber, dass die Pfarrer nicht nach den Vorschriften Christi leben, darf er sie strafen, entlassen oder sogar hinrichten! Und immer wieder werden die Pflicht und das Recht des Königs unterstrichen, „die wahre orthodoxe Religion“ zu hüten. „Aber andere Sekten und die sogenannte gemischte Religion soll er ächten und aus seinem Imperium ausjagen und solchen weder Kultus- noch Lehrfreiheit oder Immunität in seinem Land einräumen“ – wobei Wandal mit „der gemischten Religion“ an den von Georg Calixt (1586–1656), Professor in Helmstedt, befür  12 Zitiert nach Kirkehistoriske Samlinger. 3. Reihe, Bd. V. Hrsg. v. H. F. Rørdam. Kopenhagen 1884–1886, S. 1–53. Vgl. dazu Jens Glebe-Møller: „Det teologiske Fakultet 1597–1732“, in: Svend Ellehøj und Leif Grane (Hg.): Københavns Universitets Historie 1479–1979. Bd. V. Kopenhagen 1980, S. 83–211, hier: S. 146ff.

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worteten sogenannten „Synkretismus“ denkt: an dessen Versuch, die konfessionellen Spaltungen durch Rückkehr zu dem consensus quinquesaecularis, dem christlichen Glauben der ersten fünf Jahrhunderte, zu überwinden. Wandal fährt fort mit Polemik gegen Katholiken, Kalvinisten usw. Und gegen die kommerziellen Argumente für Religionsfreiheit oder religiöse Toleranz heißt es: „In der Tat (profecto) kein Nutzen, zeitlich oder weltlich, darf man dem geistlichen und himmlischen Guten, welche eine reine und ächte Religion ist, bevorziehen.“13 Obwohl Hans Wandal also im ersten Buch von seinem großen Werk vom König als „Gottes Stellvertreter“, ja, sogar als „Gott“ schreiben kann, muss er doch als orthodox-lutherischer Theologe dem königlichen jus circa sacra Grenzen ziehen. In der lutherischen Tradition hatte man ja immer zwischen dem ‚weltlichen‘ und dem ‚geistlichen‘ Regiment unterschieden. Für die Männer der neuen Administration, die kurz nach 1660 aufgebaut wurde, sahen die Dinge anders aus. Weg waren natürlich der adelige Reichsrat, und bald danach auch die hiesigen ‚dänischen‘ und ‚deutschen‘ Kanzleien, auch meistens mit Adeligen besetzt. An ihre Stellen traten als oberste das ‚Staatskollegium‘ und darunter das ‚Commercekollegium‘, ein ‚Kriegskollegium‘ und mehrere andere Kollegien. Sowohl im Staatskollegium wie im Commercekollegium wird mehrmals in den siebziger Jahren über Religionsfreiheit (libertas religionis) bzw. freie Ausübung von Religion (liberum exercitium religionis) gehandelt. Hier nur ein paar Beispiele: Das Staatskollegium erklärte in einem Gutachten vom 13. April 1671, dass das vornehmste Mittel, ein Reich zum Blühen zu bringen, die Menge von Menschen sei, und dass Religionsfreiheit das stärkste Mittel sei, solches zu erreichen. Darum wird empfohlen, in alle Reiche und Länder der königlichen Majestät die Religionsfreiheit einzuführen. Jedoch sollen nur Anhänger der lutherischen Staatsreligion zu öffentlichen Ämtern ernannt werden können.14 Einige Monate später, im Juni, wird im Staatskollegium diskutiert, wie man niederländische Kaufleute und Handwerker nach Dänemark locken könnte. In dieser Diskussion wird zwischen libertas conscientiae und liberum exercitium religionis unterschieden. Das Ergebnis der Diskussion war, dass fünf von den Mitgliedern des Kollegiums für freie Religionsausübung für Reformierte, Mennoniten und Juden votierten, während sieben auch Katholiken die freie Religionsausübung gestatten wollten – allerdings mit gewissen Restriktionen, die nicht spezifiziert wurden.15 Schließlich wurde es im folgenden Jahre dem König empfohlen, Reformierte, Mennoniten und Juden (aber nicht Katholiken) freie Religionsausübung in Kopenhagen, sowie in den Provinzstädten Korsør, Nyborg, Fredericia, Nakskov und   13 Zu Wandals De jure regio vgl. Jens Glebe-Møller: „Det teologiske Fakultet 1597–1732“, S. 165ff., und Jakob Balling: „Den danske Eusebius“, in: Kirkehistoriske Samlinger. Kopenhagen 1980, S. 137–148. 14 Vgl. Johannes Peter Lindbæk: Aktstykker og Oplysninger til Statskollegiets Historie. Bd. 2. Kopenhagen 1910, S. 124ff. 15 Vgl. Lindbæk: Aktstykker Historie, S. 224.

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Aalborg, zu gestatten.16 Jedenfalls in Fredericia wurde, wie oben angeführt, die freie Religionsausübung und zwar auch für Katholiken, zwei Jahre später gestattet. Nun zog Hans Wandal, inzwischen zum Bischof über Seeland ernannt, wieder ins Feld. Er verfasste eine Remonstration, die er am 16. August 1672 an den König, jetzt Christian V., den „Grossmächtigste(n) Erbkönig, Allergnädigste(n) Herr(n)“, adressierte.17 In seiner Remonstration warnte Wandal aufs dringendste vor den Vorschlägen des Staatskollegiums und des Kommerzkollegiums. Mit vielen Bibelstellen und neueren kirchengeschichtlichen Beispielen argumentiert er dafür, dass es nur in den Reichen, wo „eine Religion gehandhabt und erlauben ist“, Frieden und Ruhe gebe. So ein Reich sei Dänemark seit mehr als 130 Jahren. Und wie Paulus sagt im Titus-Brief 3,10, soll jeder Christ „einen ketzerischen Menschen meide(n), wenn er einmal und abermals ermahnt ist“. Argumentiert man, wie in den Kollegien, mit der Menge von Einwohnern und dem Blühen von Kommerzen, so gilt: „[K]ein Christ darf zeitliche Nützen dem himmlischen und geistlichen Gute hervorziehen“ – ein Echo seiner früheren Argumentation in De jure regio. Seine halb theologische, d.h. konfessionelle, halb politische Argumentation beendete er mit der Bitte an Gott, dass er solches „Böse in seinem Leben nicht sehen möchte“ und unterschrieb mit „Euer königlichen Majestäts alleruntertänigster treuer Diener und fleissiger Vorbitter bei Gott“. Sehen wir von den Privilegien in Glückstadt, in den Herzogtümern und in Fredericia ab, wurde Wandals Bitte jedenfalls halbwegs erfüllt. Erst nach seinem Tode 1675 bekamen die Reformierten 1682 die Erlaubnis, ihre Religion in Kopenhagen öffentlich auszuüben. Diesmal aber nicht aus kommerziellen oder merkantilistischen, sondern aus dynastischen Gründen. Die Vorgeschichte war die folgende: Die hessische Prinzessin, Charlotte Amalie, heiratete 1667 den dänischen Kronprinzen, den späteren soeben genannten König Christian V. Vor der Trauung kam ein hessischer Gesandter nach Kopenhagen, um über den Ehevertrag zu verhandeln. Die Schwierigkeit war, dass man von hessischer Seite verlangte, dass der Prinzessin, die reformiert aufgezogen war, freie Religionsausübung zugestanden werden sollte, und zwar nicht nur für sie allein, sondern auch für ihren Hof, während man von dänischer Seite vergebens versuchte, sie zur lutherischen Konfession zu konvertieren. Nach langen und schwierigen Verhandlungen wurde der Prinzessin und ihrem Hof freie Religionsausübung zugestanden. Nur durften ihre reformierten Hofprediger weder taufen noch trauen. Schließlich wurde auf Anlass der Charlotte Amalie, jetzt Königin, die erste reformierte Kirche im Jahre 1688/89 errichtet und von ihr mit reichen Gaben unterstützt.18 Wie war es nun mit den Katholiken, den Erzfeinden in Wandals Remonstration, die nach ihm immer zu Aufruhr und Rebellion Anlass gegeben und mehrmals   16 Vgl. Lindbæk: Aktstykker Historie, S. 227f. 17 Der Text ist abgedruckt in Thorkild Lyby Christensen: „Hans Wandals remonstration“, in: Kirkehistoriske Samlinger. Kopenhagen 1980, S. 119–132. 18 Vgl. Louis Bobé: Charlotte Amalie. Königin zu Dänemark. Kopenhagen 1940.

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Könige und Königinnen ermordet hätten? Ihnen gegenüber gab es wohl keine Toleranz (wenn wir von den sieben Stimmen im Staatskollegium vom Juni 1672 absehen)? Im Prinzip nicht. Schon nach Kongeloven (lex regia) von 1665 war der König ja, wie oben erwähnt, auf die unveränderte augsburgische Konfession verpflichtet. Und zwanzig Jahre später heißt es im von Christian V. erlassenen Danske Lov im ersten Kapitel des 2. Buchs Uber die Religion und die Geistlichkeit, dass nur die Religion in den Königs Reichen und Ländern gestattet werden soll, die mit der Bibel, der apostolischen, nicänischen und athanasianischen Symbolen, der unveränderten Augsburgischen Konfession und Luthers kleinem Katechismus übereinstimmt.19

In der, sagen wir, diplomatischen Praxis sah es aber anders aus. Es war nämlich so, dass die Diplomaten der katholischen Mächte in Kopenhagen, also die kaiserlichen, die französischen und die spanischen Gesandten, für sich und ihr Personal offiziell das Privilegium der freien Ausübung ihrer Religion genossen. Hier siegte also Politik über Konfession. Damit aber nicht genug: Die katholischen Gesandten hielten auch nach Möglichkeit ihre schützende Hand über ihre Glaubensbrüder in Kopenhagen (die es trotz allem lutherischen Staatskirchentum immerhin gab) und gewährten ihnen bereitwillig Zugang zu ihren Gesandtschaftskapellen. Nur zwei von diesen Diplomaten sollen hier erwähnt werden. Als erster der spanische Gesandt Bernadino de Rebolledo (1597–1676), der mehr als zehn Jahre, ab 1647, in Kopenhagen tätig war und als Gründer der hiesigen katholischen Gemeinde bezeichnet werden muss. Nichtsdestoweniger kam es während seiner Gesandtschaft zu einer der seltenen Konversionen zum Luthertum: Sein Sekretär, Don Antonio de Sandoval, konvertierte heimlich um 1657. Er versteckte sich zwei Jahre lang im Hause einer der Professoren an der Universität, wurde aber 1659, auf Befehl des Königs Frederiks III, in die dänische lutherische Kirche aufgenommen und von dem König mit einer Pension unterstützt. Am Ende scheint es aber für ihn schief gegangen zu sein, obwohl wir die Ursachen dazu nicht mehr kennen. Der dänische Bischof und Historiker Erik Pontoppidan (1698–1764) berichtete fast ein Jahrhundert später im vierten Band seiner großen Annales ecclesiae Danicae diplomaticae, von 1741 bis 1752 erschienen: Um aber auf die gegenwärtige Haupt-Person, nemlich den Ritter Antonium de Sandoval, wieder zu kommen, finde von dessen folgenden fatis zwar so viel, dasz er hier zu Lande und ein Glied unserer Kirche beständig geblieben, aber ein solches, dessen wir uns nicht viel rühmen können. Dann wegen der ihm angeklebenden Unarth solcher heimlichen Gräuel, die in Spanien mehr als hier bekannt, so auch aus anderen Ursachen mehr, ward er auf seinen Alter, nemlich 1680, nach der Insel Bornholm relegiret und starb daselbst als ein StaatsGefangener.20

  19 Kong Christian den Femfes Danske Lov. Hrsg. von Stig Juul. Kopenhagen 1949, S. 68. 20 Zitiert nach Bjørn Kornerup: „Ortodoksiens Storhedstid (1615–60)“, in: Hal Koch und Bjørn Kornerup (Hg.): Den danske Kirkes Historie. Bd. IV. Kopenhagen 1959, S. 221–342, hier: S. 340, mit weiteren Hinweisen, insbesondere zu der Abhandlung von Emil Gigas, „Don An 

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Als zweiten nenne ich den französischen Gesandten Hugo de Terlon, der 20 Jahre lang, von 1656 bis 1676, in den nordischen Ländern, vor allem in Kopenhagen tätig war. De Terlon ersuchte 1671 das Staatskollegium um die Erlaubnis, eine katholische Kapelle zu bauen. Obwohl einige Mitglieder sich dagegen äußerten, bekam de Terlon am 26. September seine Erlaubnis – allerdings wurde der Bau der Kapelle wegen Geldmangels nicht aufgeführt. In der Periode, wo de Terlon tätig war, treffen wir den berühmten dänischen Naturwissenschaftler und Anatom, Niels Stensen (1638–1686), der sich von 1672 bis 1674 in Kopenhagen, seiner Vaterstadt, auf Einladung des (ab 1674) Reichskanzlers und Grafen Peder Griffenfeld (geboren Schumacher) aufhielt. Stensen war 1667 zum Katholizismus konvertiert und konnte darum keine Stelle an der Universität Kopenhagen bekommen – hier waren die Professoren ja auf die unveränderte Augsburgische Konfession verpflichtet. Er hielt aber Sektionen und anatomische Vorlesungen im anatomischen Theater der Universität. Stensen nahm inzwischen selber seinen Abschied und wurde im folgenden Jahr zum Priester geweiht. Nach mehreren Reisen in ganz Europa starb er, jetzt als Bischof, in Schwerin. Sein Sarg wurde später nach Florenz überführt und dort in der San Lorenzo-Kirche aufgestellt. Von den fast immer jesuitischen Priestern der katholischen Gemeinde in Kopenhagen soll hier nur Heinrich Kircher erwähnt werden. Kircher (1608–1676) übernahm, obwohl er Deutscher war, 1667 die Seelsorge an de Terlons Gesandtschaft. Einige Jahre später gab er, ohne Namensnennung, ein Buch heraus, zuerst auf Französisch, dann auf lateinisch und schließlich auf Deutsch. Der deutsche Titel lautet Nordstern - Führer zur Seeligkeit und darunter Lehr-Buch zum Nutzen der Teutschen Nation/ und insonderheit der Nord-Ländern. Durch einen Liebhaber ihrer Seeligkeit. In diesem Buch, das großes Aufsehen erregte und offenbar als Lehrbuch für künftige Konvertiten bestimmt war, stritt Kircher den lutherischen Geistlichen die priesterliche Vollmacht und damit auch die Gültigkeit ihrer Verwaltung der Sakramente ab. Kircher wurde 1673 gezwungen, Kopenhagen zu verlassen, aber noch zwei Jahre später polemisierte Bischof Vandal, anlässlich einer Doktorpromotion, gegen sein Buch: das Amt der Kirche ist dem Neuen Testament zufolge das Amt der Pfarrer, und dieses Amt ist „in unserer Kirche“ intakt geblieben.21 Wie groß war nun die katholische Kirche in der Hauptstadt Kopenhagen, die zu der Zeit, mit der wir uns hier beschäftigen, etwa 41000 Einwohner hatte? Wir wissen nur, dass z. B. im Jahre 1672 340 Gläubige die Osterkommunion empfingen. Zwei Jahre später waren es 436. Also eine ganz kleine Minderheit. Und woher kamen sie? Aus Polen, Frankreich, Spanien usw., zu denen noch eine kleine Anzahl einheimische Konvertiten gerechnet werden muss. Die meisten von den ausländischen Katholiken waren anscheinend am Hofe angestellt. Zum Beispiel   tonio de Sandoval“, in: Kirkehistoriske Samlinger III, Bd. 3, Kopenhagen 1881–82, S. 645– 678. Das oben angeführte Zitat S. 674f. 21 Vgl. Urban Schrøder: „Enevældens første aar 1670–1700“, in: Den Danske Kirkes Historie. Bd. IV, S. 398f.

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als Musiker in der Hofkapelle oder als Bäcker oder Tanzmeister usw. Nicht wenige waren aber als Offiziere in der Armee angestellt. Als ein Beispiel inter omnes können wir den katholischen Schotten, den Oberstleutnant Thomas Hamilton, nennen. Er war bereits 1658 Rittmeister in Norwegen geworden, hatte dort ein Marineregiment errichtet und wurde sogar auch zum Amtmann von Lister ernannt. Nach längerer Krankheit starb er am 16. Februar 1677. Seine Leiche wurde von Norwegen nach Kopenhagen überführt und unter großer Feierlichkeit auf Kosten des Königs, Christian des V., am 7. Mai in der Holmenkirche beigesetzt.22 In der frühen Neuzeit gab es also in den höheren Schichten und am dänischen Hofe tatsächlich Toleranz in Sachen der Religion. Nur warnten die orthodoxen, lutherischen Theologen, wie Bischof Hans Vandal und einige Jahre später sein Nachfolger Hans Bagger (schon als 29-jähriger zum Bischof über Seeland ernannt), immer wieder davor. Zu einer prinzipiellen Diskussion, geschweige denn Befürwortung von Toleranz, kam es anscheinend in Dänemark und in den dänischen Bereichen im 17. Jahrhundert nicht. Immer wieder beharrte man von Seiten der Theologen auf Luthers kleinem Katechismus und auf der unveränderten Augsburgischen Konfession. Ein Einfluss von den Argumentationen bei Locke, Bayle oder später Voltaire ist nur im folgenden Jahrhundert bei Einzelpersonen spürbar. So schrieb der anfangs erwähnte Johann Friedrich Struensee, als ‚Geheimekabinetsminister‘, im Jahre 1771 an das Konsistorium der Universität Kopenhagen, dass künftig der Doktorgrad „ohne Rücksicht auf Religion“ verliehen werden sollte.23 Der Anlass war, dass ein jüdischer Arzt, Simon Salomon Polac hieß er, das Konsistorium ersucht hatte, für den Grad als doctor medicinae disputieren zu dürfen, was das Konsistorium vorher abgelehnt hatte. Das Konsistorium, also die gesamte Professorenschaft, war ja, wie schon erwähnt, auf die unveränderte Augsburgische Konfession verpflichtet, und konnte selbstverständlich nicht einem Juden den Doktorgrad verleihen. Obwohl Polac anscheinend sein Gesuch nicht aufrechterhalten hat, zeigt sein Fall, dass man im späten achtzehnten Jahrhundert weder in dem Königreich Dänemark-Norwegen noch in den Herzogtümern sich prinzipiell für Toleranz einsetzen konnte oder wollte. Es ging immer wieder nur um merkantilistische oder, in einzelnen Fällen, dynastische Argumente für und konfessionelle Argumente gegen Religionsfreiheit, bzw. liberum exercitium religionis. Wie wir gesehen haben, siegten die ökonomischen Argumente in den Herzogtümern oder in den Verhandlungen im Staatskollegium bzw. im Commercekollegium. Ab und zu stand die politische Obrigkeit aber anscheinend den orthodoxen Theologen zur Seite. So wenn z.B. ein königliches Edikt von 1672 die Einführung von deutschen Büchern verbot, „die von fremden Religionen handeln und Streit und Skrupel um den rechten Augsburgischen Konfessions Glauben und Religion verursachen kön  22 Über ihn sowie über die damalige katholische Gemeinde in Kopenhagen überhaupt vgl. Helmut Holzapfel: „Niels Stensen und die katholische Gemeinde in Kopenhagen“, in: Kirkehistoriske Samlinger. Kopenhagen 1981, S. 29–61. 23 Jens Glebe-Møller: Struensees vej til skafottet. Kopenhagen 2007, S. 42f.

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nen“.24 Man darf aber hier den Nachdruck auf die Verhinderung von ‚Streit und Skrupel‘ legen. Im absolutistischen Königtum ging es in allen Sachen um Uniformität. Es ist übrigens beachtenswert, dass in den Quellen zur dänischen Frühaufklärung, das Wort Toleranz bzw. tolerantia (oder tolerance auf Dänisch), soviel ich sehen kann, überhaupt nicht vorkommt, jedenfalls nicht mit positiven Konnotationen. So empfahl König Christian V. in seinem Testament von 1698 seinem Sohn, dem späteren Friedrich IV., nur Katholiken und Reformierte Gewissensfreiheit behalten zu lassen, allerdings nicht öffentlich, während er „socinianer, fothianer, queguere, entusiasten“ überhaupt nicht „tolerieren“ dürfe.25 Erst mit dem Grundgesetz (Grundloven) von 1849 wurde allen Einwohnern Dänemarks sowohl Religionsfreiheit als auch liberum exercitium religionis gestattet. Die Frage von Toleranz bzw. Intoleranz hatte aber in unserer Periode, in der frühen Neuzeit, auch eine andere Seite. Das dänische Königreich war ja im 17. Jahrhundert eine Kolonialmacht geworden und hatte Kolonien in Afrika (Ghana), in Westindien und im südöstlichen Indien, in Tranquebar, gegründet. Wie sollte sich der dänische König, der ja auf die unveränderte Augsburgische Konfession usw. verpflichtet war, zu den ‚schwarzen‘ (wie sie damals hießen) und heidnischen Einwohnern in seinen Kolonien verhalten? Er musste selbstverständlich dafür sorgen, dass sie zu der wahren lutherischen Religion bekehrt wurden. Und so fängt in Dänemark, wie zur selben Zeit in allen anderen europäischen Ländern, die Heidenmission an. Anfangs lehnten die führenden orthodox-lutherischen Theologen eine Mission unter den Heiden einfach ab. Ihr Argument war, dass das Evangelium schon von der Zeit der Apostel ab überall gepredigt worden sei, und sie zitierten den Brief an die Römer 10, 18: „Ich sage aber: Haben sie es nicht gehört? Wohl, es ist ja in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an der Welt Ende.“ Folglich sei nur die Hartnäckigkeit der Menschen schuld daran, dass einige sich nicht zum christlichen Glauben bekehrt hätten. Die Pietisten im späten 17. Jahrhundert sahen es bekanntlich anders, und in Dänemark wurde sogar im Jahre 1714 ein neues Collegium de cursu evangelii etabliert, mit einer Direktion, die direkten Zutritt zum König hatte. Schon vorher, im Jahre 1705, wurden zwei deutsche Pietisten, Bartholomäus Ziegenbalg (1683–1719) und Heinrich Plütschau (1676–1747), als königliche Missionare nach Tranquebar gesandt. Hier hatte früher der dänische Pfarrer Jakob Worm einige Jahre gelebt. Wegen seiner Absolutismus-kritischen Satire Idola Jeroboami in Dan et Bethel war er nämlich im Jahre 1681 nach Tranquebar deportiert worden, wo er wahrscheinlich als Lehrer in der dortigen dänischen Schule gewirkt hat. Obwohl Erik Pontoppidan in seinen oben erwähnten Annales eine Grabschrift zitierte, in der er „der dänische   24 Zitiert nach Holger Frederik Rørdam: Danske Kirkelove. Bd. 3. Kopenhagen 1889, S. 494. 25 Ole Bernt Henriksen: Af Guds Naade. Christian den femte og hans regering. Odense 1996, S. 217. Mit „gueguere“ sind natürlich die Kväker gemeint. Was sich hinter „fothianer“ und „enthusiasten“ verbirgt, lässt sich schwerlich herausfinden. „Photianer“ wurde in dieser Zeit bisweilen für die russisch-orthodoxen Christen gebraucht, und mit „enthusiasten“ könnte auf die anfangs genannten „Davidjoriten“ hingewiesen werden.

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Apostel Indiens” genannt wird, ist es zweifelhaft, ob Worm tatsächlich als Missionar unter ‚den Schwarzen‘ tätig war. Die Grabschrift scheint ein literarisches Falsum zu sein. Mehr glaubwürdig ist ein anderer Bericht, nach dem der hochbegabte und sprachkundige Worm das Neue Testament ins Tamilische übersetzt haben sollte. Wie dem auch sei, er starb in Tranquebar etwa um 1693.26 – Mission oder nicht: hier in Tranquebar spielte die Kommerz wiederum die größere Rolle. Tranquebar war ja auch Handelsstation der Ostindischen Kompagnie, 1616 von Christian IV. gegründet, auf deren Schiffen vor allem der nachgefragte Pfeffer in den Norden exportiert wurde!

  26 Über die Mission in Tranquebar vgl. Georg Oomen und Hans Raun Iversen (Hg.): It began in Copenhagen. Junctions of 300 years of Indian-Danish relations in Christian misson. Delhi 2005. Über Jakob Worm vgl. Jens Glebe-Møller: „Jakob Worm: Indiens danske Apostel?“, in: Kirkehistoriske Samlinger. Kopenhagen 2004, S. 23–32.

GUAMAN POMA AND THE ARGUMENTS FOR TOLERATION FROM SOLIDARITY WITH THE POWERFUL AND FROM THE BENEFITS OF SEGREGATION John Christian Laursen Felipe Guaman Poma de Ayala (1534?–1615?) composed The First New Chronicle and Good Government in the years 1600–1615 in the Spanish colony of Peru.1 The 1.189-page manuscript contains arguments for better treatment of some of the native Andeans which can be understood as arguments for toleration. It makes a somewhat unusual and paradoxical case for toleration based on the similarity and solidarity of one group of indigenous people with the powerful Spanish conquerors. And it makes the somewhat unusual call for apartheid or segregation as a demand from below, not from above. Each of these points calls for some preliminary elaboration. There are narrower and wider meanings of the term toleration.2 One example of the narrower and almost technical sense is the English Toleration Act of 1689, which provided for a limited exemption from prosecution for Protestant dissenters (but not Catholics, Unitarians, or atheists) while excluding them from the holding of public offices. I am using the term here in a wider sense which includes a variety of modes of understanding and getting along with and putting up with differing religions, ethnic groups, and language groups. One basic insight here is that theories of or arguments for toleration are often defensive maneuvers, designed to prevent persecution of oneself or one’s own group. They may not be general appeals to universal toleration, but rather appeals to toleration of one’s own group at the expense of other groups. One way to protect one’s own group is to deflect persecution onto others. If the playground bully is approaching you, you can tell him that you think you should work together in   1

2

See Felipe Guaman Poma de Ayala: The First New Chronicle and Good Government. Edited and translated by David Frye, Indianapolis 2006. Hereafter cited by page number in parentheses in the text. The manuscript can be consulted online at the Royal Library in Copenhagen: http://www.kb.dk/permalink/2006/poma/info/en/frontpage.htm. There have been several modern editions since the first one in Paris in 1936. A good one is Felipe Guaman Poma de Ayala: El Primer nueva corónica y buen gobierno. Edited by John Murra and Rolena Adorno, México D.F. 1980. For a survey, see John Christian Laursen: “Orientation. Clarifying the Conceptual Issues”, in: John Christian Laursen (ed.), Religious Toleration: ‘The Variety of Rites’ from Cyrus to Defoe, New York 1999, pp. 1–12.

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persecuting other children on the playground. The analogy will not be complete, but Guaman Poma (the name means “Falcon Puma” in Quechua) appealed to Spanish officials to work together with certain indigenous elites to keep control over European, native, and mixed-race non-elites. We are accustomed to think of apartheid on the model of the tactic imposed from above by the dominant group of South Africans who coined the term for separation of groups and close control of those below. We are less accustomed to think of apartheid as a tool proposed from below by an oppressed group in order to isolate and protect themselves from contamination and abuse by the dominant group. And yet that, as we shall see, is one of the tactics adopted by Guaman Poma. Discussion of unusual, unexpected, and even dubiously attractive arguments for toleration is part of a movement away from the standard narrative that we owe modern ideas about toleration to a line of classic thinkers from Spinoza through Bayle and Locke to Voltaire and John Stuart Mill. It is a contribution to recent study of paradoxes in the development of toleration theory, and to exploration of the blind spots in classic theories, which surely may be found in most or all ideas about toleration.3 The background to Guaman Poma’s text is the Spanish conquest of Peru, which had taken place in the 1530’s, followed by civil wars among the Spaniards. By the beginning of the seventeenth century, when Guaman Poma was writing, consolidation of Spanish rule of the country had been accomplished, but of course there was still a great deal of adjusting going on. It was already obvious that the native Andeans were suffering a great deal of exploitation. Many had been moved from their traditional villages to Spanish-supervised towns where they could not make a living. Many were required to pay a kind of labor tax known as the mitayo, which included poorly paid personal service for Spanish political and economic elites and even for priests. Many were sent to the mines, and this usually meant death from mercury poisoning for those who were sent to the mercury mines. The justice system, in the hands of the Spaniards and priests, naturally favored the Spaniards at the expense of the natives. Guaman Poma saw all of this, and despaired. There were two bodies of literature that Guaman Poma read and to which, in his way, he contributed. The first of these were the chronicles, the most important being Augustín de Zarate’s Historia del descubrimiento y conquista del Perú (1555) and Diego Fernández’s Historia del Perú (1571). As Rolena Adorno reports, Guaman Poma drew on these chronicles but added his own twists and turns

  3

See John Christian Laursen, María José Villaverde (eds.), Paradoxes of Religious Toleration in Early Modern Political Thought, Lanham 2012. John Christian Laursen: “Blind Spots in the Toleration Literature”, in: Critical Review of International Social and Political Philosophy 14, 2011, pp. 307–322.

Guaman Poma and the Arguments for Toleration

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to the history.4 The most important were that the indigenous people were never conquered but submitted peacefully to the sovereignty of the Spanish crown, and that Guaman Poma’s father was one of the major players in the process of bringing the indigenous peoples under the crown. Guaman Poma’s rewriting of the chronicles was designed to justify a degree of equality of dignity between the conquerors and the Andeans. The second important literature was the conversion literature, some of it consisting of bilingual manuals designed for use by the priests who were sent out into the towns and villages to convert the people and maintain them in the Catholic faith. Guaman Poma wrote much of his work using the rhetoric of preaching, drawing especially heavily on the work of Luis de Granada (Adorno 57ff). In the absence of more powerful means, he can at least warn the Spaniards that by their own professed standards they will go to hell for their behavior. 1. SOLIDARITY WITH THE SPANIARDS The key to understanding Guaman Poma’s position is that he traced his lineage to the Yarovilcas, an Andean people distinct from the Inca. They had been conquered by the Inca and then employed by the Inca as viceroys over other conquered peoples (Adorno 54). Like many of the peoples subjugated by the Inca, they had joined the Spanish in order to overthrow the Inca. This means that Guaman Poma does not have any loyalty to the Inca and thus can distance himself from them and claim loyalty to the Spanish. One of the arguments that Guaman Poma used to distinguish his people from the Incas and show their solidarity with the Spaniards included the argument that the “Andeans should be exempt from paying tribute to the Spaniards” because “the ancient Andeans were ‘white’, that is, descendants of the sons of Adam, and that they followed in pre-Christian times the ‘ley de cristiano’” (Adorno 21). The Inca forced them to become idolators, but in their origins they were closer to the Spanish. This line of argument is bolstered by the claim that St. Bartholomew visited Peru in apostolic times (Poma 38, 101). Later, St. Mary and St. James the Greater worked miracles during and after the conquest (Poma 128, 130, 133; Adorno 27–29). A second set of arguments for solidarity concerns the conquest itself. Or rather, as Guaman Poma puts it several times, there was no conquest because many Indians voluntarily joined the Spaniards (Poma 45, 107, 124, 331). The keys to the kingdom were peacefully handed over to Francisco Pizarro by Guaman Poma’s father, “and since that time my family has never rebelled against the service of His Majesty” (Poma 106, 331, Adorno 29).   4

See Rolena Adorno: Guaman Poma. Writing and Resistance in Colonial Peru, Austin 2000, esp. pp. 14–18. Hereafter cited as Adorno and page number in parentheses in the text.

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This solidarity had several more layers. After the conquest, there were civil wars between factions of conquerors, one of the most famous being Hernández Girón. Where other historians indicated that native troops attacked both the rebel Hernández Girón and the crown forces, Guaman Poma suppressed the attacks on the latter, thus turning “these acts of indigenous reprisal against all foreigners into an act of loyalty and service to the Spanish king”, as Adorno puts it (Adorno 17). The upshot of this revision of the conquest was that some of the Andean people turn out to be comrades in arms and willing collaborators with the Spaniards, thus deserving their respect and support. Another kind of solidarity that Guaman Poma appeals to may be called either religious or nationalist, blended with social class. Addressing the Spanish, he insists that we Andeans, like you Spaniards, are not Jews, Moors, Turks, English, or French. Emphasizing the class position of the Spanish elites he is addressing and his own Andean elites, he complains that “Jews and Moors now use the title of ‘Don’: the world is upside down” (Poma 135; see also 173, 190–91, 313). “If you are taxpaying commoners – shoemakers, tailors, Jews, or Moors – then do not rise up and disturb the land” (144). “If you are a commoner, a Jew, a Moor mestizo, or mulatto […] do not pretend to be a gentleman” (360). It is wrong that respectable Spaniards sit down to table with “liars, louts, drunks, Jews, and Moors, and with low-class people-mitayo Indians”, he observes (173). He flatters the Spanish king, saying he towers above “the infidel Moors, Turks, Englishmen, and every other nation” (359). It is well known that in Spain a major distinction was made between Old Christians and New Christians; the latter were descendants of converted Jews and Moors. Guaman Poma tries to identify his people as Old Christians, and reinforce the privileges that Old Christians deserve. No one should be a local official or corregidor unless he is “an old Christian […] not a Jew or a Moor” (206). His own people should be recognized as old Christians: since they have been Christians now for fifty or a hundred years, they deserve that category (216). In fact, the Spanish cannot be too proud: “consider that the Spanish nation [evidently referring to all of Europe] was Jewish [before it was Christian]”, while “the Indians had none of this” in their heritage (317). “Many Spaniards wander along the royal highways” causing trouble, he writes (191). “These vagabonds are Jews and Moors” (191). They demand mitayo [labor tax] from Indians, with no right to it (191; cf. 109, 299n.). Guaman Poma is willing to use any available diminution of others in order to distinguish and increase respect for his own people. He helps himself to the argument that blacks have “received God’s curse” (159). Too many of them are “disobedient, lying thieves, assailants, drunks, and gamblers” (304, 305). He is offended that mine owners “beat other Indians as if they were animals, horses, as if they were their black slaves” (181). His chapter on the blacks has been called a “contradictory mix of heartfelt sympathy for the plight of enslaved Africans and rank

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prejudice against those same people”.5 It reflects on the one hand his genuine sympathy and on the other his desperate desire to place his own people above others in the minds of his intended Spanish readers. The point of all of this is to distance Guaman Poma’s class and tribe of Indians from all of the groups that the Spaniards looked down upon, and to associate his own type with the Spaniards. This is what I call the argument for toleration from solidarity with the oppressor. 2. SEGREGATION The second argument for better treatment of some of the Andeans consists of a case for segregation. This case is based on an anthropology of mestizaje, or the mixing of “races”. Following closely on Spanish concern with purity of blood and the terminology developed in Peru of his day, Guaman Poma distinguishes mestizos (mixed Spanish and Indian), mulattos (mixed black and Spanish), cholos (Indians living in Spanish towns, losing their Indian culture and identity), and zambaigos (mixed Indian and black). All of them, “mestizo, cholo, mulatto, and zambaigo”, are “a curse of God” (185). “To be a good child of God”, one must be “pure Spanish, pure Indian, pure black” (185). There were further complications because Indians who moved to towns and cities and worked as servants of the Spanish were also called yanaconas and chinaconas and looked down upon by Guaman Poma. Guaman Poma’s solution to this problem of the mixing of races is segregation. The Indians should be segregated into pueblos, so “that the Indians should multiply, and that the mestizos, cholos, mulattos, and zambaigos should cease multiplying, for they are of no benefit to the royal crown” (76). It has been observed that if the differences between peoples are not only religious and linguistic but also ethnic, “it is more practical to consider relative degrees of toleration rather than tolerance in absolute terms”.6 In Guaman Poma’s case, this meant that he proposed to tolerate the different groups living in Peru as long as they kept to themselves. Segregation was designed to promote peaceful coexistence. The alternative he feared was the decline and corruption of his own group of Indians. Segregation was the solution because integration spawned so many problems. The Indians began innocent, but “the mestizos and Spaniards have taught them to lie and steal”; they “have already taken up the Spaniards’ habit of gambling and borrowing” (294). The Spaniards teach them idleness, prostitution, and bad marriages (306). Racial purity and sexual jealousy are no small concerns for Guaman Poma. Nowadays, he laments, “the best women and maidens are taken by the doctrina padres, encomenderos, corregidores, Spaniards, stewards, deputies, and of  5 6

David Frye: “Notes to text”, in: Guaman Poma: The First New Chronicle, p. 231. Kevin Terraciano: “The Spanish Struggle for Justification in the Conquest of America”, in: Religious Toleration, p. 121.

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ficers, and their servants” (335). That means that “married women do not have children by their husbands; instead, they give birth to little mestizo children” (339). The result is that “twenty years from now, there will be no Indians in this kingdom” (338), unless this is stopped. And it can be stopped by segregation. The segregation argument means that Guaman Poma rejects one of the solutions to the problem of Spanish oppression of the natives of Bartolomé de Las Casas, which was to turn over rule of the natives to the church. “Guaman Poma decries the direct ecclesiastical rule over the natives that Las Casas so warmly advocates” (Adorno 24). As he repeats over and over, his experience is that the ecclesiastics often virtually enslave the young women of their parishes, and produce lots of illegitimate mestizos (Poma 80, 82, 120, 149, 302, 309, 335, 344). These mestizos become idlers, thieves, and swindlers if they are male, and prostitutes if they are female (150). Although Guaman Poma criticized the Viceroy Don Francisco de Toledo (1515–1582) on numerous counts, he praised him greatly for one initiative. He “issued one decree that would be one of the holiest things that could be done in the service of God and His Majesty and for the welfare of the poor Indians” (150). That was that he “decreed that no Spanish citizens […] should enter the Indians’ pueblos, nor should any other Spaniards, mestizos, mulattos, or blacks” (150). It was in fact Spanish practice, even into the eighteenth century, to organize things and speak in terms of separate “republics” of the Europeans and the “República o pueblo de Indias”.7 Guaman Poma’s segregated society would work best, he thought, if there were an indigenous ruling elite of caciques, or local lords (264ff). He uses natural law arguments at three places in the book to argue for exclusive local rule by natives, who are the only ones who can function as “natural lords” under God, the king, and the laws (157–60). “By law no Spaniards –who are foreigners in this kingdom- should be resident in the cacique’s jurisdictions” (159). This segregation should be enforced by residency requirements. The native caciques should be good Christians, Guaman Poma writes, and they should dress like Spaniards (264). They should avoid looking “like mestizos, cholos, people of bad stock, mulattos, zambaigos” (264). Only the caciques and their second-in-commands should be allowed to bear arms (286). This ruling elite should have the same privileges as Spanish elites (323). The segregation should be reinforced by appearance. “No Indian should wear whiskers”, but “a Spaniard without whiskers looks like an old whore, his face a mask. The Spaniard is honored by his beard. If he had long hair like the Indian he would appear savage, a wild animal” (266). Appearances make segregation easier by making it possible to classify people at first glance. Cross-breeding may happen, but it should not be allowed to spread and change the population. “Any [non-Indian] man who marries an Indian woman –   7

See Carmen McEvoy: “República – Peru”, in: Diccionario politico y social del mundo iberoamericano. Editey by Javier Fernández Sebastián, Madrid 2009, p. 1345.

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even if he is a black, a Jew, or a Moor – will have to take her to the [Spanish] cities and live there” (159). Mixed blood people “should never be allowed to stay in the Indian pueblos” (187). Spanish officials of church and state, “priests and encomenderos, should not enter among the Indians or have dealings with them, and they should employ no Indian man or woman” (160, 343, 346). “Only Spaniards, Spanish ladies, and blacks should live in the cities and towns, and no Indian woman or girl should enter them” (184), presumably except for the ones who are married to Spaniards, as above. Rootless Indians and yanaconas should live in separate enclaves half a league away from the Spanish cities and towns (184). In keeping with his prejudice against blacks, he asserts that they often “force their way on Indian women” (236), and thus “should not be brought to Indian pueblos” (238). Guaman Poma’s argument for segregation led to some contradictions in his text. His own half-brother, Padre Martín de Ayala, was a mestizo, but family loyalty requires Guaman Poma to insist that “he was a very saintly man” (257). And after praising the Indians for their merits, he also admits that they have “the vices of getting drunk on chicha and wine, chewing coca, and being lazy” (326f). But none of this would undermine the argument that the upshot of segregation would be the maintenance of purity of culture and blood at a time when Guaman Poma was convinced that continued integration would mean the end of Indian culture and the Indian ‘race’. 3. PREDECESSORS AND CONTEMPORARIES We do not have a large literature from Guaman Poma’s predecessors and contemporaries among the Andeans. I am aware of only three relevant writings. I shall indicate a few parallels to Guaman Poma among these texts. The earliest is Titu Cusi Yupanqui (1529–1571), also known as Diego de Castro, whose Relación de la conquista del Perú (Story of the Conquest of Peru) is dated to 1570.8 There are no obvious analogies to either of Guaman Poma’s arguments for toleration discussed above in this book. Then there is Garcilaso de la Vega, El Inca (1539–1616), the first Part of whose book, Los commentaries reales de los Incas (Royal Commentaries of the Incas) was published in Lisbon in 1609.9 There is some possibility that it was brought to Peru and available to Guaman Poma before he finished his manuscript, but there is no evidence that he read it, and if he did he probably would not have   8 9

See Titu Cusi Yupanqui, Diego de Castro: Relación de la conquista del Perú. Lima 1973. Titu Cusi Yupanqui: History of How the Spaniards Arrived in Peru. Edited and translated by Catherine Julien. Indianapolis 2006. See Garcilaso de la Vega, El Inca: “Los commentaries reales de los Incas, Primera parte”, in: Obras completas del Inca Garcilaso de la Vega. Edited by Carmelo Sáenz de Santa María. Madrid 1963. Royal Commentaries of the Incas and General History of Peru. Translated with an introduction by Harold V. Livermore, 2 vols., Austin 1966.

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liked it. It is written by an Inca and in defense of the Inca, where Guaman Poma did not like the Inca. And, perhaps because he is a mestizo, Garcilaso does not have the animus against the mestizos that Guaman Poma had (e.g. 126). Garcilaso was a partisan of Huascar Inca in the Incan civil war, while Guaman Poma was very critical of him (114). And we have seen that Guaman Poma insisted that an apostle had come to Peru and that the Indians had many almost-Christian customs and beliefs: but Garcilaso makes the point that analogies to Christianity such as the trinity and confession before the arrival of the Spaniards were “invented by the Indians with the object of gaining some benefit from the resemblance” (80). He unmasks it as a “false account which the Indians have given to flatter the Spaniards and ingratiate themselves with them” (97), which could stand as a description of Guaman Poma’s strategy of solidarity. Pachacuti Tamqui Salcamayhua, baptized as Juan de Santacruz, wrote a Relación de antigüedades deste Reyno del Pirú (Story of the Antiquities of this Kingdom of Peru) dated to 1613.10 He did not display the full panoply of arguments for solidarity with the Spaniards that Guaman Poma did, but he did insist that his ancestors were some of the first to convert to Christianity at Cajamarca (128) and that St. Thomas had arrived in Peru in apostolic times (132). He shared the Spanish disgust at the idols, devils, and human sacrifices of the Incas (195, 204); adopted the Spanish custom of primogeniture as an explanation of who inherited a throne, although that was not the Inca custom (169, 173); and mentioned with favor the sovereignty of the crown of Castille (199). Whether Guaman Poma knew his work is unknown, but they both used elements of the argument for toleration from solidarity with the ruling powers. Other people have used one or the other of Guaman Poma’s strategies throughout the years. Naturally, I cannot supply a full inventory, but I have a found a few. In seventeenth-century England, the Baptists attacked the Ranters and the Quakers in order defend their own legitimacy.11 Nineteenth century British colonialists believed that India had a racial caste system as a result of an Aryan invasion, and some of them also believed there was a connection between the Aryans and northern Europeans. The Nazis used these theories of Aryan superiority for their own purposes. But some Indian nationalists accepted it too: “The Aryan theory […] provided the colonised with status and self-esteem, arguing that they were linguistically and racially of the same stock as the colonisers.”12 There are analogies here to recent work on racial relations in the United States. Whiter blacks have long tried to distance themselves from blacker blacks,   10 See Juan de Santacruz Pachacuti Yamqui: “Relación de Antigüedades deste Reyno del Pirú”, in: Historia de los Incas y Relación de su Gobierno. Edited by Horacio Urtega, Lima 1927, pp. 125–235. Hereafter cited by page number in parentheses in the text. Also later edited by Francisco Esteve Barba, Madrid 1968. 11 See John Marshall: John Locke. Toleration and Early Enlightenment Culture, Cambridge 2006, p. 306. 12 Romila Thapar: “The Theory of Aryan Race and India”, in: Social Scientist 24, 1996, p. 7.

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and some blacks who consider themselves more respectable have tried to distance themselves from blacks with AIDS by blaming them for moral deficiencies in order to avoid losing prestige as a racial group as a whole.13 These are forms of emphasizing their solidarity with ruling groups while also stressing their differences from elements of their own oppressed group. And separate AfricanAmerican graduations ceremonies at American universities look like segregation demanded by the underclass. Yet another analogous reaction is what is known as the Stockholm Syndrome, also known as trauma bonding, after a famous hostage incident in 1973. Out of fear of the danger to themselves of a violent attack on the hostage site by the authorities, the hostages began to identify with the hostage-taker and fear the authorities. Their hopes for survival were placed in solidarity with him, and some of them even defended him after the incident was over. Guaman Poma can be understood as living a decades-long experience of being a hostage to the Spaniards. What all of these case have in common is recourse to claims to solidarity with oppressors in the hopes that they will turn their attentions elsewhere. There have also been some cases of calls from below for segregation in order to protect an oppressed community. Two examples from literature are Ernest Callenbach’s Ecotopia, which provided for separate cities for blacks and Chinese in a utopian ‘green’ Northern California, and Katherine V. Forrest’s Daughters of a Coral Dawn, in which women set up a lesbians-only utopia on another planet.14 4. CONCLUSION This chapter has isolated a pair of somewhat perverse arguments for a sort of toleration. The arguments, as we have seen, are that the group represented by the author is close or equal in dignity and merit to the persecutor, and that the persecutor should privilege the author’s group as they jointly police other persecuted people; and that the author’s group ought to be kept separate and isolated from other groups. Both of these are counsels of desperation. Perhaps neither of them is admirable or something we would want to generalize to other cases. Nevertheless, we can learn something from them. One thing we can learn is that your theory of toleration surely depends a lot on where you stand. Guaman Poma was not an armchair philosopher or theologian, writing safely from a desk, nor was he addressing other philosophers and theologians. Rather, he was, as he described himself several times, a lone poor man, wandering around Peru looking for solutions to the desperate straits of his people (346, 359). He wrote the book for the greatest power he knew, the king of Spain, with no apparent knowledge of the value of influencing public opinion.   13 See Cathy Cohen: The Boundaries of Blackness. Chicago 1999. 14 See Ernest Callenbach: Ecotopia, Berkeley 1975. Katherine V. Forrest: Daughters of a Coral Dawn, Kansas City 1984.

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And another thing we can learn is to expect almost anything from desperation. Guaman Poma is famous for having inserted the phrase “there is no remedy!” in his manuscript more than 90 times. He is searching, stretching, grasping at straws for a remedy, for anything that might save his people from what he sees as likely disappearance as a people. If a new mixed race of many peoples was the future for Peru, he did not see that as a positive thing. Desperate people can be expected to justify the oppression of others in order to save what is valuable to them. When an inventory is taken of the theories of toleration that have emerged in the last half a millennium, it is understandable that we will want to focus much of our attention on what we regard as good theories that might have some application today. But it is also important to keep an eye on the wider range of sometimes perverse and paradoxical proposals such as the ones we have surveyed here. They might well come back in other forms as other people, sometimes desperate, seek solutions to what they recognize as persecution and oppression.

TOLERATING TURKS? THE PRESENCE AND PERCEPTION OF ISLAM IN THE DUTCH REPUBLIC Wiep van Bunge 1. INTRODUCTION: DUTCH DIVERSITY The Dutch Republic has always been known for the relatively tolerant way in which it settled the co-existence of Protestants and Catholics, Calvinists and Arminians (or Remonstrants), as well as a bewildering variety of Lutheran and Mennonite communities. Freedom was part of its political language from the very start, for according to the Union of Utrecht of 1579 – article 13 – “every individual may stay in his religion and because of his religion nobody will be submitted to investigation and inquiry”.1 From the early 1600s the emerging Republic even boasted several thriving Jewish congregations, most prominently in Amsterdam. In addition, inhabitants of the Dutch Republic, some of whom I should add only stayed in the Netherlands for a couple of years, produced an impressive list of crucial pleas in favour of intellectual or religious liberty, including most famously Spinoza’s Tractatus theologico-politicus (Amsterdam, 1670), Bayle’s Commentaire philosophique (Rotterdam, 1687), and Locke’s Epistola de Tolerantia (Gouda, 1689). These treatises had been preceded by sixteenth and early seventeenthcentury efforts by Coornhert and Grotius, and were to be continued by eighteenthcentury authors such as Gerard Noodt and Johannes Stinstra.2 The list of early modern Dutch authors committed to the cause of toleration is, of course, much longer, which only demonstrates the enduring contemporary relevance of the subject.   1

2

Henri Krop: “‘The General Freedom, which All Men Enjoy’, in a Confessional State. The Paradoxical Language of Politics in the Dutch Republic (1700–1750)”, in: John Christian Laursen, Maria José Villaverde (eds.): Paradoxes of Religious Toleration in Early Modern Political Thought, Lanham Md. 2012, pp. 67–90, here p. 68. The literature is immense. See on the Dutch context most notably Wiebe Bergsma: “Church, State and People”, in: Karel Davids, Jan Lucassen (eds.): A Miracle Mirrored. The Dutch Republic in European Perspective, Cambridge 1995, p. 196–228. Christiane BerkvensStevelinck, Jonathan Israel et al. (eds.): The Emergence of Tolerance in the Dutch Republic, Leiden 1997. Govaert C.J.J. van den Bergh: The Life and Work of Gerard Noodt (1647– 1725). Dutch Legal Scholarship between Humanism and Enlightenment, Oxford 1988. Joris van Eijnatten: Liberty and Concord in the United Provinces. Religious Toleration and the Public in the Eighteenth-Century Netherlands, Leiden 2003. Maarten Prak: The Dutch Republic in the Seventeenth Century, Cambridge 2005.

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Today, most experts appear to agree on two basic facts relating to the practice of toleration in the Dutch Republic. First, they jointly point to the practical necessities of what Willem Frijhoff has famously dubbed “confessional conviviality”.3 In many cities in particular religious diversity just happened to be a fact of life. Benjamin Kaplan takes a similar point of departure in his Divided by Faith, analysing the various ways in which across Europe out of the practical demands of living alongside members of competing confessions a situation emerged in which this diversity was accommodated one way or another.4 Second, as far as the Dutch Republic is concerned, most historians agree on the political inevitability of at least some degree of practical, religious toleration, owing to the absence of any strong, central power and the lack of a State Church. As a rule, Dutch ministers were dependent on the favours of municipal magistrates, and while the Dutch Reformed Church was awarded the status of a privileged Church, it never succeeded in definitely outlawing any of the competing confessions, with the notable exception of course of the Socinian fraternity. Although in the course of the seventeenth century several “Polish Brethren” emigrated to the Dutch Republic, they were never able to establish a separate community in the way the Remonstrants had done, even after the Synod of Dordrecht.5 From the start, that is well before the outcome of the Revolt, both the lack of a political infrastructure equipped to manage domestic issues at a national level and the reality of serious theological and political disagreements among the populace became an intimate part of the Dutch debate on toleration itself: as early as the 1580s Justus Lipsius, still at Leiden, argued that the United Provinces simply could not afford the kind of ideological pluralism advocated by Coornhert.6 To this day, the motto of the States General reads “Concordia res parvae crescent”. Nearly a century after Lipsius, however, Spinoza would argue that, on the contrary, the freedom to worship actually strengthened the bonds of loyalty of individual citizens to the state.7 Precisely because early modern Dutch debates concerning religious toleration almost exclusively concerned the status of competing Christian denominations, the question how non-European religions were conceived of,   3 4 5 6

7

See Willem Frijhoff: Embodied Belief. Ten Essays on Religious Culture in Dutch History, Hilversum 2002, esp. Chapter 2. See also Willem Frijhoff, Marijke Spies: Dutch Culture in European Perspective. Vol. 1. 1650: Hard-Won Unity, Assen-Basingstoke 2004, Chapter 6. See Benjamin J. Kaplan: Divided by Faith. Religious Conflict and the Practice of Toleration in Early Modern Europe, Cambridge Mass. 2007, esp. pp. 173–183, 237–243 and 276–289. See most recently the special issue of Doopsgezinde Bijdragen 30 (2004) and Sibbe Jan Visser: Samuel Naeranus (1582–1641) en Johannes Naeranus (1608–1678). Twee remonstrantse theologen op de bres voor godsdienstige verdraagzaamheid, Hilversum 2011. See Wiep van Bunge: From Stevin to Spinoza. An Essay on Philosophy in the SeventeenthCentury Dutch Republic, Leiden 2001, pp. 9–14. See most recently Erik de Bom: Geleerden en politiek. De politieke ideeën van Justus Lipsius in de vroegmoderne Nederlanden, Hilversum 2011. See Baruch Spinoza: Tractatus theologico-politicus. Trans. Samuel Shirley, Leiden 1989, Chapter 20.

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takes on a special interest. While from the early 1600s several Jewish communities started blossoming on Dutch soil, it would appear that with one possible exception, to be addressed later, the Republic never saw the establishment of any Muslim – or as contemporaries would have put it: “Turkish” - community.8 (In the Netherlands, Muslims as a rule were indiscriminately referred to as “Turks”.) 2. PRESENCE AND PERCEPTION: PIRATES AND PILGRIMS As Benjamin Kaplan and Boudewijn Bakker have observed, the occasional reference to Muslims living in the Netherlands, both in print, and arguably more convincingly in paint, would seem to indicate the desire to depict the Republic and Amsterdam in particular as emporium mundi: the pictures of bearded men wearing turbans strolling over the Dam served to highlight the cosmopolitan status of the Dutch capital rather than to record any demographic state of affairs. Jean-Baptiste Stouppe, in his La religion des Hollandais of 1673, was already sceptical about reports of Muslim communities in the Netherlands.9 As far as we now know, there was only one Muslim actually buried in the Republic: Abd al-Hamid, head of a delegation from Atjeh, who in 1602 suddenly died in Zeeland. He was put to rest in Middelburg in the cemetery of the Oude Kerk, his body facing Mecca. We know of only a single Muslim student: in 1633 one Muhammed ben Ali, a native from Morocco, matriculated at Leiden University.10 Whereas Judaism was generally recognised as a forerunner of Christianity, the Dutch assessment of Islam seems a particularly fascinating topic for discussion, all the more interesting since unlike Jews there were hardly any Muslims around: the everyday pragmatics of accommodating this particular “other” was never an issue. Neither did the Ottoman Empire present any major threat to Dutch interests – it was just too far away from the shores of the North Sea, although especially during the Revolt, good relations with the Ottoman Empire mattered greatly, since Western just as Central European Calvinists were only too happy to see the Spanish Habsburgs assailed from the South. At an early stage in the Revolt, Dutch Protestants famously adopted the battle-cry “Liever Turks dan Paaps”, for unlike Catholic emperors the Ottomans allowed both Jews and Christians in their Empire

  8

See, on the Jewish community: Miriam Bodian: Hebrews of the Portuguese Nation. Conversos and Community in Early Modern Amsterdam, Bloomington 1997, and Yosef Kaplan: An Alternative Path to Modernity. The Sephardi Diaspora in Western Europe, Leiden 2000. 9 See Benjamin J. Kaplan: Muslims in the Dutch Golden Age. Representations and Realities of Religious Toleration, Amsterdam 2006, pp. 8–9. 10 See Gerard Albert Wiegers: “De Nederlanden en de Islam in de zeventiende eeuw: wisselwerking tussen cultuurcontact en beeldvorming?”, in: Wasif A. Shadid and Pieter S. van Koningsveld (eds.): Religie, cultuur en minderheden. Historische en maatschappelijke aspecten van beeldvorming, Tilburg 1999, pp. 141–153, here p. 143.

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to practice their faiths.11 Occasionally, the absolutism supposed to reign in the Ottoman Empire was compared to the threat posed by “la France toute catholique”,12 but trade relations and diplomatic contacts with the Ottoman Empire as well as its North African satellite states remained important. The Dutch craze for coffee, spices, and of course tulips was known throughout Europe.13 It has been suggested that to Calvinists the religion of the Turks may have acquired a particular significance also once Lutherans and Arminians started to associate the Calvinists’ harsh theory of predestination with Islamic “fatalism”.14 Grotius, however, the most prominent Arminian author of his age, devoted the sixth part of his De veritate religionis to Islam, but did not follow this road.15 To his mind the rise of Islam should be considered first and foremost as God’s punishment for the depravity of His Church. It has also been put forward that a tolerant attitude towards competing Christian confessions often went hand in hand with a polemical stance towards Islam, as tolerant Christians were especially interested in the unity of Christendom.16 Yet very similar feelings to Grotius’ assessment of Islam can be found in Gisbertus Voetius’ disputation De Muhammedismo of 1648, in which Islam is presented as a clear example of apostasia. Voetius, however, also praises Islam for its prohibition of making images of the divine and for its rejection of Transubstantiation. The Utrecht professor even endorsed Luther’s claim that he would rather have the German emperor fight the pope than the Turks.   11 See Marianne E.H.N. Mout: “Calvinoturcisme in de zeventiende eeuw. Comenius, Leidse oriëntalisten en de Turkse Bijbel”, in: Tijdschrift voor Geschiedenis 91, 1978, pp. 576–607, and “Turken in het nieuws. Beeldvorming en publieke opinie in de zestiende-eeuwse Nederlanden”, in: Tijdschrift voor Geschiedenis 97, 1984, pp. 362–381, here p. 379. 12 Mout: “Turken in het nieuws”, p. 377. 13 See Alexander H. de Groot: The Ottoman Empire and the Dutch Republic. A History of the Earliest Diplomatic Relations, 1610–1630, Leiden u.a. 1978. Hans Theunissen, Annelies Abelmann et al. (eds.): Topkapi en Turkomanie. Turks-Nederlandse ontmoetingen sinds 1600, Amsterdam 1989. Mehmet Bulut: Ottoman-Dutch Economic Relations in the Early Modern Period, 1571–1699, PhD Utrecht 2000. Alastair Hamilton, Alexander H. de Groot et al. (eds.): Friends and Rivals in the East. Studies in Anglo-Dutch Relations in the Levant from the Seventeenth to the Early Nineteenth Century, Leiden 2000. For a recent biography of the first Dutch ambassador to the Porte: Ingrid van der Vlis, Hans van der Sloot: Cornelis Haga (1578–1654). Diplomaat en pionier in Istanbul, Amsterdam 2012. On the Dutch obsession for tulips, see Anne Goldgar: Tulipmania. Money, Honor, and Knowledge in the Dutch Golden Age, Chicago 2008. 14 Mout: “Turken in het nieuws” p. 381. 15 De veritate religionis Christianae was first, in 1620, conceived as a poem in Dutch. It gradually grew into a highly popular academic work, reaching its definitive Latin edition in 1640. In 1660 Edward Pococke produced a translation into Arabic. Dietrich Klein: “Hugo Grotius’ Position on Islam as Described in De Veritate Religionis Christianae, Liber VI”, in: Martin Mulsow, Jan Rohls (eds.): Socinianism and Arminianism. Antitrinitarians, Calvinists and Cultural Exchange in Seventeenth-Century Europe, Leiden 2005, pp. 149–174. 16 See Peter T. van Rooden: Constantijn l’Empereur (1591–1648). Professor Hebreeuws en Theologie te Leiden, Leiden 1985, p. 70.

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Voetius’ Leiden rival Johannes Coccejus had already held an Oratio de religione Turcarum in 1625 at Bremen, as a student, which may account for its lack of originality. According to the 22-year old theologian, Muslims are heretics who could have known better and who have wilfully exchanged the Word of God for a chaotic and fraudulent compilation of corrupt texts put together by a “prophet” who failed to deliver any serious prophecy himself. The mature Coccejus would be considerably more sympathetic towards Muslims, whom he came to assign a crucial role in his millenarian schemes: they would become instrumental in bringing down the Catholic Church, after which together with the Jews they would be converted.17 Dutch theologians only very rarely identified Mohammed as the antiChrist.18 Meanwhile, it remains to be seen what these academic, theological refutations of Islam actually tell us about the contemporary perception of this religion and its believers. Fortunately, several highly interesting reports of personal encounters have been recorded that offer a more straightforward insight. Dutch sailors travelling through the Mediterranean ran the serious risk of facing hostile Muslims: pirates or corsairs based on the North African coast of Barbary captured countless European vessels, their cargo as well as their crews, which they sold into slavery, and from the Middle Ages onwards gruesome stories about the fate of Muslim slavery circulated all over Europe.19 By the early 1600s the States General embarked upon a charm offensive, aimed at persuading the Moroccan and the Algerian authorities as well as the Ottoman Emperor to release Dutch prisoners, and with good effect. After about a hundred Muslim slaves captured from Spanish ships had been allowed to return to Morocco, Dutch prisoners were set free and serious diplomatic relations were established: the Republic was allowed to send its ambassadors to Morocco in 1610 and to the Ottoman Empire in 1612.20 Although Muslim nations never established permanent embassies in the Dutch Republic, several high ranking diplomats made official visits and, embarrassingly, during the early 1620s several Barbary corsairs took refuge in Dutch ports, seek  17 See Gisbertus Voetius: “Disputationes de Muhammedismo”, in: idem: Selectarum disputationum theologicarum pars secunda, Utrecht 1655, pp. 659–683. Johannes Coccejus: “Oratio de religione Turcarum”, in: Opera  theologica et philologica. Tomus alter, Amsterdam 1706, pp. 519–530. See Willem J. van Asselt: De islam in de beoordeling van Johannes Coccejus en Gisbertus Voetius, in: Kerk en Theologie 46, 1995, pp. 229–251. Jacobus van Amersfoort, Willem J. van Asselt: Liever Turks dan Paaps. De visies van Johannes Coccejus, Gisbertus Voetius en Adrianus Relandus op de islam, Zoetermeer 1997. 18 See Wiegers: “De Nederlanden en de Islam”, p. 146. Referring to Cnaeus Cornelius Uythage: Anti-Christus Mahomates, Amsterdam 1666, which was rejected roundly by his fellow Calvinists. Even Simon Oomius: Het Geopende en Wederleyde Muhammedisdom of Turckdom. Amsterdam 1663, preferred to identify the pope as anti-Christ. 19 For detailed account, see Joos Vermeulen: Sultans, slaven en renegaten. De verborgen geschiedenis van het Ottomaanse Rijk, Leuven 2001, Chapter 2. 20 See Kaplan: Muslims in the Dutch Golden Age, pp. 15–17. C. J. den Ridder: “Gedenk de gevangenen alsof gij medegevangenen waart. De loskoop van Hollandse zeelieden uit Barbarijse gevangenschap”, in: Tijdschrift voor Zeegeschiedenis 5, 1986, pp. 3–22.

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ing shelter or selling booty. The most embarrassing aspect of the presence of these Muslim pirates was the notorious fact that a considerable percentage of the sailors involved were native Dutchmen who in North Africa had converted to Islam, either in order to escape slavery or with the purpose of starting a career as captains of the corsair fleet.21 In 1623 the States General decided that renegades returning to the Netherlands had either to reconvert or to be executed. This decree was in clear violation of treatises signed with the North African and Ottoman allies of the Republic, and was never put into effect, but clearly conversions to Islam were considered an insult. The more general sensitivity in the early modern age over conversions is well known: they were widely considered to be the ultimate religious scandal, in particular since they invoked the crucial difference between natives and foreigners: foreigners were allowed to remain foreign, while natives who denied their indigenous loyalties were considered a far more intimate threat. Maartje van Gelder, however, has recently identified a number of seventeenth-century Dutch renegades who upon their return to the Netherlands were left alone by the authorities. There’s actually some striking evidence for the reputation of Dutch and British renegades among the corsairs who were only too happy to profit from their military and maritime expertise.22 Some of the exploits of Dutchmen at the North African coast sound too good to be true: at the end of his remarkable life, in 1732, the boisterous Groningen baron Johan Willem Ripperda settled in Sultan Moulay Abdallah’s Morocco. Soon after his death five years later it was (probably falsely) rumoured he had converted to Islam.23 His memoirs were published in French, English and Dutch and were widely read.24 A self-obsessed career politician, he had been ambassador of the Republic to Madrid during the 1710s, and for a short time he had even risen to the rank of duke, grandee and prime-minister of Spain, after which he had fallen from grace and had to escape from a Spanish prison, fleeing to London. The story of his rise and fall was bound to draw attention across Europe, but other stories concerning real encounters with the Muslims of North Africa involved more common people. Jan Jansz. from Haarlem was a sailor, born in 1575, who had gone missing sometime in the 1610s, and who in 1623 showed up in Veere as   21 See Kaplan: Muslims in the Dutch Golden Age, pp. 22–25. Maartje van Gelder, “Tussen Noord-Afrika en de Republiek. Nederlandse bekeerlingen tot de islam in de zeventiende eeuw”, in: Tijdschrift voor Geschiedenis 126, 2013, pp. 16–33, here p. 23. For an elaborate analysis of the different motives for conversion to Islam, see Vermeulen: Sultans, slaven en renegaten, Chapter 3. 22 See Kaplan: Muslims in the Dutch Golden Age, p. 26. Van Gelder: “Tussen Noord-Afrika en de Republiek”, p. 23. 23 See Sytze van der Veen: Een Spaanse Groninger in Marokko. De levens van Jan Willem Ripperda (1682–1737), Amsterdam 2007. 24 See P. M. B. [Pierre Massuet]: La Vie du Duc de Ripperda, seigneur de Poelgeest, Grand d’Espagne (2 vols.), Amsterdam 1739. English, Dutch, and Spanish versions followed in 1740, 1741, and 1796 respectively.

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captain Moerad Raïs, commanding a ship of the fleet of the Republic of Salé at the West Coast of Morocco. His wife and children immediately travelled from Haarlem to Zeeland, imploring Jan to come home, but as it turned out he was a Muslim now, and married to a North African wife. Three years later he returned to the Dutch Republic as commander of three ships, seeking help after a battle with Dunkirk pirates. Wounded members of his crew were actually treated in an Amsterdam hospital, and indications are that he resumed contact with his Dutch family. During the 1620s and 1630s, as admiral of the fleet of Salé and governor of the port of El Oualida, he would become an important ally of the States’ General, instrumental in the release of several dozens of Dutch prisoners. He also ensured that the corsair fleet of Salé left Dutch ships alone.25 Salé owed its existence to the arrival on the coasts of Morocco of several thousands of Moriscos, following their expulsion from Spain.26 These “cryptoMuslims”, very similar in many ways to the Jewish “marranos” who had also been forced to abandon the Iberic peninsula, have recently been the subject of much research, and it now seems clear that a number of Moriscos also settled for a brief period during the 1610s in Amsterdam, where they appear to have established a temporary mosque.27 They did not settle permanently in the Dutch Republic as their Jewish counterparts would, and moved on to Istanbul, but to early modern European scholars they remained crucial as a source of information. Gerard Albert Wiegers has pointed to Ahmad ben Kasim al-Andalusi, a very well-connected Morisco who emigrated from Spain to Morocco at the end of the sixteenth century. Ahmad ben Kasim travelled widely, also to the Dutch Republic where he first arrived in 1613. In The Hague he discussed international affairs with Prince Maurice, and in Leiden he stayed with Erpenius, the first Leiden professor of Arabic who profited considerably from his lexicographical expertise.28 By the late seventeenth and early eighteenth century, the stature of Islam would grow considerably in Western Europe. This may well have been the paradoxical outcome of the battle of the Kahlenberg on 13 September 1683. Once Polish-Austrian forces had destroyed the Ottoman forces besieging Vienna, the threat posed by Islam to Central and Western Europe diminished considerably, especially after the subsequent liberation of Hungary and significant parts of the Balkan.29 Dutch newspapers of the time, such as De Oprechte Haerlemsche   25 26 27 28

See van Gelder: “Tussen Noord-Afrika en de Republiek”, pp. 24–31. See Leonard P. Harvey: Muslims in Spain, 1500 to 1614, Chicago 2005. See Wiegers: “De Nederlanden en de Islam”, p. 144. See Gerard Albert Wiegers: A Learned Muslim Acquaintance of Erpenius and Golius. Ahmad b. Kasim al-Andalusi and Arabic Studies in the Netherlands, Leiden 1988. See also by the same author: “Learned Moriscos and Arabic Studies in the Netherlands, 1609–1624”, in: Jens Lüdtke (ed.): Romania Arabica, Tübingen 1996, pp. 405–417, and “Moriscos and Arabic Studies in Europe”, in: Al-Quantara 31, 2010, pp. 587–610. 29 See Alastair Hamilton: “A Lutheran Translator for the Quran. A Late Seventeenth-Century Quest”, in: Alastair Hamilton, Maurits H. van den Boogert et al. (eds.): The Republic of Letters and the Levan. Leiden 2005, pp. 197–221.

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Courant, which first reported on the epic victory over the Turks on 25 September, wrote in considerable detail on this massive battle and its military and diplomatic aftermath but in all fairness it was dealt with more or less as any other major military event. While the journalists involved were under no illusion as to the imperialistic ambitions of the Ottomans, the religious aspects of the Sultan’s defeat were hardly mentioned.30 Once the Turks were no longer ante portas, it is as if room opened up to take a second look at Islam. Before the turn of the century, in 1694 and 1698, Abraham Hinckelmann and Ludovico Marracci both produced European editions of the Koran in the Original Arab. It should be added, though, that while the Ottoman Empire presented less of a threat to central Europe, the seafaring nations of Northern and Western Europe continued to suffer considerably from Barbary pirates. Relations with Salé remained relatively profitable to the Dutch, but Algerian pirates remained a source of acute concern: between 1686 and 1726 the Republic was more or less continuously at war with Algiers. During the early decades of the eighteenth century Dutch sailors no longer appear to have profited from any ‘Dutch’ presence among the corsairs, and the Dutch authorities even had to pay ransom for slaves held in Morocco, until the 1750s.31 A pamphlet printed in Zeeland in 1720 estimated that during the past seven years more than 900 Dutch sailors had been captured and sold into slavery.32 According to Robert Davis, between 1530 and 1780 at least one million Europeans were abducted and enslaved by the Muslim pirates of Algiers, Tunis and Tripoli alone.33 There are several early modern accounts written by Dutch slaves about their treatment by their Muslim masters, some of which were published after their release. On the one hand they give us a glimpse of the early modern Western European perception of Islamic nations, on the other they no doubt added to the way in which Muslims were perceived in the Dutch Republic. The fact is, however, that as a rule the authors of many captivity tales – Cornelis Stout, Maria ter Meelen, Thomas Hees, Gerrit Metzon34 – hardly ever mention Islam. Their tales reflect the hopes and fears of people who have to come to terms with the fact that all of a   30 See URL: http://www.delpher.nl/nl/kranten: the papers are full of praise for the King of Poland and in Catholic countries, and in nearby Ghent, the ‘Te Deum Laudamus’ was sung at mass. 31 See Lara van den Broek, Maaike Jacobs: Christenslaven. De slavernij-ervaringen van Cornelis Stout in Algiers (1678–1680) en Maria ter Meetelen in Marokko (1731–1743). Zutphen 2006, pp. 29–39. 32 See [Cornelis Schrijver]: Project tot het ruïneeren der Turkze rovers van Algiers, Tunis, Tripoly, en Zalée, s.l., s.a [1720]. Willem Pieter Knuttel: Catalogus van den pamflettenverzameling berustende in de Koninklijke bibliotheek: deel. 1714–1775, Algemeene landsdrukkerij 1902, no. 16469. See Jacobs van den Broek: Christenslaven, pp. 9–11. 33 See Robert C. Davis: Christian Slaves, Muslim Masters. White Slavery in the Mediterranean, the Barbary Coast, and Italy, New York 2003, Chapter 1. 34 See note 18 and H. Hardenberg: Tussen zeerovers en christenslaven. Noordafrikaanse reisjournalen ingeleid en toegelicht, Leiden 1950.

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sudden they had become objects of merchandise. Having returned safely they were perfectly willing to admit that some of their Muslim owners were otherwise decent people and in some cases the indigenous population appears to have been appalled by the cruelty inflicted on Christian slaves. A special case is Emanuel d’Aranda’s De Turckse slavernie, of 1657.35 It relates the adventures of a rich Flemish merchant, held hostage in Algiers from 1640 to 1642, and it extols the virtue of several Muslims, supplying a remarkably positive account of Islamic practices and customs. A recent commentator of seventeenth-century British captivity tales has argued that from the 1640s onwards British captives reveal a very similar, more objective approach to Islam, grounded in an appeal to a universal moral code, enabling both the author and his audience to transcend confessional boundaries.36 Unfortunately, the number of seventeenth-century Dutch travel accounts to Islamic countries is fairly limited, and the fictional character of some of them renders the genre a problematic source. Cornelis de Bruijn, for instance, a painter from The Hague, spent some 26 years on the road, travelling through the Middle East, but as he paraphrases a host of older, foreign descriptions, the stories he tells us are difficult to assess.37 In 1668, the rich Amsterdam merchant Carel Quina set off for a three-year pilgrimage to Jerusalem, which led him straight through the Ottoman Empire. The diary he kept and which was only published a few years ago reveals the extent to which this devout Protestant was impressed, not only by the sheer exoticism of “Turkish” dress, the odd food he was served, the magnificence of Constantinople, the strange music he heard, but also for instance by the genuine sobriety of many of the “Turks” he encountered and by the hospitality he met on the way.38 More in general, his descriptions reveal a genuine curiosity: in Damascus Quina stumbles upon a caravan of pilgrims returning from Mecca, and although he is abhorred by the self-inflicted mutilation of some Muslims (who, as he tells us, for instance remove a finger as a token of their devotion), he is genuinely impressed by their religious fervour.39 Another instance of a recently published travel diary, Gerard Hinlopen’s account of his journey to Istanbul, shows   35 See Emanuel d’Aranda: Historie van de Turckse slavernie, The Hague 1657. Several reeditions would follow. The first edition was in French: Relation de la Captivité et Liberté du Sieur Emanuel d’Aranda, Jadis Esclave à Algers. Paris 1657. See Lisa Kattenberg: “Moslims, ‘morale deuchden’ en commercieel succes. Het slavernijverslag van Emanuel d’Aranda, 1640-1682”, in: De Zeventiende Eeuw 28, 2012, pp. 21–39. 36 See Nabil Matar’s introduction to Daniel J. Vitkus (ed.): Piracy, Slavery, and Redemption. Barbary Captivity Narratives from Early Modern England, New York 2001. 37 Jan Willem Drijvers, Jan de Hond et al. (eds.): “Ik hadde de nieusgierigheid”. De reizen door het nabije Oosten van Cornelis de Bruijn (ca. 1652–1727), Leiden 1997. For an inventory, see Ruud Lindeman, Yvonne Scherf et. al.: Reisverslagen van Noord-Nederlanders van de zestiende tot begin negentiende eeuw: een chronologische lijst, Haarlem 1994. 38 See Carel Quina: Door het land van de sultan. Carel Quina’s pelgrimage naar Jeruzalem, 1668–1671. Edited by Ingrid van der Vlis, Zutphen 2005. 39 See Quina: Door het land van de sultan, pp. 226–227.

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no particular interest either in any polemical confrontation with Islam. The critical assessment of Ottoman political “despotism” by this young scion of a Hoorn family of liberal regenten may well have been a reflection of the author’s personal allegiance to the States Party of Johan de Witt, which in 1671 was about to be squashed by William III.40 Kees Boterbloem, the author of an in-depth analysis of the Travels by Jan Janszoon Struys, a semi-literate sail maker whose stories were written down and published with considerable success by a professional ghost writer, concludes that “Struys underscore[s] how the Christian and Islamic worlds in the seventeenth century still met on equal terms”.41 On one of his travels Struys had been captured by Muslim bandits from Dagestan, after which in the summer of 1670 he had been sold to an Iranian master, called Haji Biram Ali. Once Struys saved his master from drowning – I must admit the story sounds a bit fishy – he was released and master and servant became dear friends.42 The man who probably acted as Struys’ ghost writer was Olfert Dapper, the author of a large number of highly successful travel books, whose sympathetic accounts of African and Asian civilisations in particular earned him the reputation of being a libertine and an atheist. Unlike Struys, however, Dapper was very much an armchair ethnographer. In 1658 he took his medical doctorate in Utrecht, and he appears to have spent the rest of his life at the Kalverstraat in Amsterdam, where he developed a great proficiency in compiling reports drawn up by others. In 1680 he published a detailed and remarkably positive assessment of Islam as part of his description of Arabia.43 Although Dapper duly called Mohammed an impostor, at the end of his account he

  40 See Joris Oddens: Een vorstelijk voorland: Gerard Hinlopen op reis naar Istanbul (1670– 1671), Zutphen 2009, pp. 44–52. Asli Çirakman: From the “Terror of the World” to the “Sick Man of Europe”. European Images of Ottoman Empire and Society from the Sixteenth Century to the Nineteenth, New York 2002, Chapter 3. 41 Kees Boterbloem: The Fiction and Reality of Jan Struys. A Seventeenth-Century Dutch Globetrotter, London 2008, p. 175. 42 See Jan Janszoon Struys: Drie aanmerkelijke en seer rampspoedige Reysen, door Italien, Griekenlandt, Lijflandt, Moscovien, Tartarijen, Meden, Persien, Oost-Indien, Japan, en verscheyde andere Gewesten, Amsterdam 1676, pp. 243–244. 43 See Olfert Dapper: Naukeurige Beschryving van Asië. Behelsende de Gewesten van Mesopotamië, Babylonië, Assyrië, Anatolië, of Klein Asië, Amsterdam 1680. This book contains two parts in one. A History of Islam is to be found at the end of the second part, on Arabia. See on its medical sources Elfriede Faust: Arabien 1680. Olfert Dappers Arabienbuch und seine Quellen, Geprüft an Nachrichten über Kaffee, Sesam, und Träumen, Cologne 1977. And, more in general: John E. Wills jr.: “Author, Publisher, Patron, World. A Case Study of Old Books and Global Consciousness”, in: Journal of Early Modern History 13, 2009, pp. 375– 433. Wills points to Dapper’s libertine connections with e.g. Isaac Vossius, who supplied him with many of his sources, and he even detects a “Spinozist” ring to Dapper’s analysis of Islamic theology. Dapper, it should be added, makes a brief appearance in Koenrad O. Meinsma: Spinoza et son cercle, Paris 2006, p. 215.

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also noted the considerable philosophical acumen of many Arabic authors and the sophisticated variety of sects accommodated by Islam.44 3. PLAYWRIGHTS AND PROFESSORS Besides the captivity tales and the travel literature of the times, yet another source of contemporary perceptions of Islam is supplied by the theatre. From 1620 to 1750 some 25 plays were produced in the Dutch Republic, figuring characters from the Middle East and North Africa. So far, this genre has been poorly researched, but as Irena Ajdinovic has recently demonstrated, as early as 1623 the Gorcum playwright Abraham Kemp’s Droeff-eyndich spel van de moordt van Sultan Osman, on the assassination of Osman II in 1622, provides us with a pretty objective account of some of the main teachings of Islam and the worst character in the play is a Catholic. At the end of the play the new Sultan, Mustafa, reminds the audience of the dear friendship between the Ottomans and the Dutch, locked in battle as they both are with a common Catholic foe.45 Remarkably, Kemp was a Catholic himself, but apparently a proper Dutchman in the first place, who presented the demise of Osman II as a political event, serving as “a universal example of a government gone wrong”.46 In fact, the rebels are made to closely resemble the leaders of the Dutch Revolt. In a comedy, entitled ’t Verwarde Huwelijk, published in Amsterdam in 1667 by the otherwise perfectly obscure Pieter Nederhoven, the endless rants against the barbarous “Turks” are apparently meant to be funny – not because it’s fun to ridicule Turks, but because the characters displaying their attitude of superiority over the Ottoman Empire are themselves eminently ridiculous.47 Again, the genre is in urgent need of research, but just to take an example: Jan Serwouters’ Tamerlan (1657), on the death of Sultan Bayaset I in the early fifteenth century, within a few years enjoyed 27 performances in Amsterdam, and in particular the female characters are still very impressive by their unconditional dedication to love and by the power of their eloquence.48 Coenraed Droste’s tragedy Ahmet (1708), on an impossible love-triangle between a Sultan’s daughter who does not know who her   44 See Dapper, Naukeurige Beschryving van Asië, part II, p. 20. 45 See Irena Ajdinovic: “Stage Representations of the Ottoman World in the Low Countries”, in: De Zeventiende Eeuw 29, 2013, pp. 32–48. See Cornelis G. Brouwer (ed.): “Sultan Osman” (1623) en “Bedroge Bedriegers” (1646). Turkse tragedies van Kemp en Kroes, Amsterdam 1994. 46 Ajdinovic: “Stage Representations of the Ottoman World”, p. 47. 47 See Frans R.E. Blom: “Het venster op het Ottomaanse Rijk. De import van theater en nieuws over de Turk in de Republiek”, in: De Zeventiende Eeuw 29, 2013, pp. 20–31. Nederhoven’s play was a translation of Jean Rutrou’s La Soeur, which was in turn derived from Giambattista Della Porta’s La Sorella (1548). 48 See Cornelis G. Brouwer (ed.): Den grooten Tamerlan (1657) en Mahomet en Irena (1657). Timoerdische en Turkse tragedies van Serwouters en Lubaeus, Amsterdam 1992.

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real parents are, the man she takes to be her brother, and her real brother, the new Sultan, tells a tale of noble love, self-sacrifice and, in the end, gratitude. The “Turks” Droste put on stage were anything but cruel barbarians.49 By this time, however, the Oriental tale had just made a truly spectacular entrance, first in French, but soon also in English and Dutch literature, for in 1704 Antoine Galland had produced the first volume of the supposedly Persian Les mille et une nuits, which five years later was available in Dutch.50 Soon many dozens of other Oriental tales appeared in Dutch – in fact, Christien Dohmen has identified some three hundred “Oriental” titles in eighteenth-century Dutch fictional prose; some of them had indeed Oriental origins, others were strictly Dutch or were borrowed from other, European sources and just made to look Oriental. The large majority of these titles concern the Islamic world. Eighteenth-century literary authors, from Justus van Effen to Rijklof Michael van Goens appear to have agreed that Oriental literature was such a welcome addition to the European tradition on account of its imaginative force, its allegorical power and, most of all, its moral potential.51 Hazardous as it is to reduce the wealth of material offered by these literary sources, it would seem that throughout the eighteenth century one literary image of the Muslim came to dominate, for Muslims, or so Dutch eighteenth-century readers were told, tend to be either very noble and upright indeed or particularly gruesome and “wild”. They presented a picture of human beings living in a different climate: Muslims were portrayed as people much more guided by their fiery emotions than by cold reason, for instance, which is precisely why they were so eminently suited to serve as moral exemplars for a European audience, which apparently revelled in the erotic exoticism of the Orient.52 All this does not seem to fit in well with Edward Saïd’s characterisation of nineteenth- and twentieth-century European “Orientalism”, apart from Saïd’s pretty trivial claim that European Orientalism remained essentially European.53 If anything, Peter Burke’s comments on the perception of Turks in early modern popular culture look even more questionable. According to Burke, Turks, together with Jews and witches, throughout Europe were regarded as the quintessential outsiders, who denied God, were “bloodthirsty, cruel and treacherous”, and were   49 See Cornelis G. Brouwer (ed.): Ahmet (1708) en Thamas Koelikan (1745): Turkse en Perzische tragedies van Droste en Van Steenwyk, Amsterdam 1993. 50 See Christien Dohmen: In de schaduw van Scheherazade. Oosterse vertellingen in achttiendeeeuws Nederland, Nijmegen 2000, pp. 82–84, 284–285. Of the first edition only the title page survived. Many subsequent editions were to follow, however. 51 See Dohmen: In de schaduw van Scheherazade, Chapter 3. 52 See Dohmen: In de schaduw van Scheherazade, Chapter 4. 53 The literature on Saïd’s classic, which first appeared in 1979, has now become massive. See, in this particular context, Çirakman: From the “Terror of the World”, which, however, is almost exclusively based on early modern sources in English. For the difference between English and French “Orientalism” Lisa Lowe: Critical Terrains. French and British Orientalisms, Ithaca NY 1992.

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not even considered human beings.54 Of course, especially after 1453 when the Ottomans took Constantinople, many Europeans were scared. As late as 1791, the medical doctor and literary freethinker Pieter van Woensel, after having lived in the Ottoman Empire and Russia from 1784 to 1788, still felt it necessary to correct the many “prejudices” which to his mind were still current regarding Turkish “barbarism”. Consequently, Van Woensel set out to stress the essential similarities between Islam and Christendom.55 Yet once, as I hope to have shown, in the course of the sixteenth and early seventeenth centuries Europeans started to visit the Ottoman Empire, dissident voices were recorded as well. Gradually, the rather abstract notion of “the cruel Turk” started to soften.56 In fact, Benjamin Kaplan’s comments seem to fit the Dutch picture much better than Burke’s: “Long before the splintering of Western Christendom, the idea that different nations practiced different religions had gained a degree of acceptance among some Europeans.”57 Again, the sheer distance separating the Dutch from the Ottoman Empire may have served to generate a relatively relaxed perception of Islam, as the feelings of anxiety and awe that were prevalent closer to the borders of “The Turk” were largely absent. In addition, the Protestants’ relief of having found an ally in the fight against the Catholics clearly played a part, as did some of the stories told by Dutchmen who had actually met real “Turks”. Finally the popularity in Dutch literature of a wide variety of Oriental stories also must have touched in one way or another even the otherwise prosaic attitudes of these Protestant burgers.58 At an academic level, a small but authoritative tradition of Arabic scholarship also did much to soften the perspective of Northern European Protestants on Muslims and Islam, although from the start, many Dutch professors of Arabic held missionary hopes: the first Leiden professor of Arabic, Thomas Erpenius, a pupil of Scaliger, was appointed as early as 1613, and one of his main ambition was to produce a Latin translation of the Koran, together with a refutation of its contents –   54 Peter Burke: Popular Culture in Early Modern Europe, Aldershot (11978) 1988, p. 167. 55 See Pieter van Woensel: Aanteekeningen, gehouden op eene reize door Turkijen, Natoliën, de Krim en Rusland, in de jaaren 1784–1789 (2 vols.), Constantinople 1206–1209 [Haarlem 1791–1795], esp. pp. 205–269. See René Bakker: Reizen en de kunst van het schrijven. Pieter van Woensel in het Ottomaanse Rijk, de Krim en Rusland 1784–1789, Zeist 2008. Ivo Nieuwenhuis: “The Eccentric Enlightenment of Pieter van Woensel”, in: De Achttiende Eeuw 45, 2012, pp. 177–191. 56 See Hans Theunissen: “Barbaren en ongelovigen: Turcica in de Nederlanden, 1500–1800”, in: Topkapi en turkomanie, Amsterdam 1989, pp. 37–53. 57 Kaplan: Divided by Faith, p. 243. 58 See Daniel J. Vitkus: “Early Modern Orientalism: Representations of Islam in Sixteenth- and Seventeenth-Century Europe”, in: David R. Blanks, Michael Frassetto (eds.): Western Views of Islam in Medieval and Early Modern Europe. Perceptions of Other, New York 1999, pp. 207–230. See also David A. Pailin: Attitudes to Other Religions. Comparative Religion in Seventeenth- and Eighteenth-Century Britain, Manchester 1984, Chapter 6.

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a book he never produced.59 In the 1650s, Comenius contacted the rich merchant Laurens de Geer, in his attempt to produce a translation of the Bible into Turkish, which Comenius wanted to produce in close cooperation with Jacob Golius, Erpenius’ successor at Leiden, who held the chair for Arabic since 1625. Comenius’ Turkish Bible was never completed either. But Erpenius and Golius were otherwise highly productive scholars and were widely held to be pioneers. Together, they established a scholarly tradition of European renown, the results of which in the course of time started to reach an audience well beyond the confines of the Republic of Letters. The first Dutch edition of the Koran dates from 1641, and consisted of an anonymous rendering into Dutch of Salomon Schweigger’s German translation (1616), which again was based on the Italian translation (1547) of Robert of Ketton’s Latin version, first completed in Spain in 1143 and published in 1543. In 1657 Jan Hendriksz Glazemaker, famous for his translations of Descartes’ and Spinoza’s works, produced a second Dutch translation of the Koran, based on André Du Ryer’s 1647 French edition, which was the first modern edition to appear in Europe that was based directly on the Arabic original.60 Interestingly, the majority of subsequent editions were produced by the Elseviers in Amsterdam.61 Following in the footsteps of Erpenius and Golius and an ever increasing number of European experts, including most notably Du Ryer but also Edward Pococke, who in 1636 was appointed to the first Oxford chair in Arabic, Adriaan Reland, appointed as professor of Arabic studies at Utrecht in 1701, took the next big step towards the construction of a more favourable perception of Islam with his De religione mohammedica libri duo of 1705. Fiercely critical of previous, facile polemical attitudes towards Islam, possibly inspired by a “Cartesian” willingness to discard prejudices, it sought to describe Islam “from within”. Apparently there was considerable European demand for this more impartial approach, for Reland’s classic soon was published in English, German, French and Dutch versions (1718).62

  59 Wilhelmina M.C. Juynboll: Zeventiende-eeuwsche beoefenaars van het Arabisch in Nederland, Utrecht 1931, p. 110–111. See also Jan Brugman: “Arabic Scholarship”, in: Theodor H. Lunsingh Scheurleer, Guillaume H.M. Posthumus Meyjes (eds.): Leiden University in the Seventeenth Century. An Exchange of Learning, Leiden 1975, pp. 203–215. Arnoud Vrolijk, Kasper van Ommen (eds.): “All my Books in Foreign Tongues.” Scaliger’s Oriental Legacy in Leiden, 1609–2009, Leiden 2009. 60 See Alastair Hamilton, Francis Richard: André du Ryer and Oriental Studies in SeventeenthCentury France, London 2004, esp. Chapter 4, in which it is suggested that Du Ryer was far more sympathetic towards Islam than he was able to express openly. 61 See Hamilton, Richard: André du Ryer and Oriental Studies, pp. 108–110. 62 See Alastair Hamilton: “Arabists and Cartesians at Utrecht”, in: Paul Hoftijzer, Theo Verbeek (eds.): Leven na Descartes. Zeven opstellen over ideeëngeschiednis in Nederland in de tweede helft van de zeventiende eeuw, Hilversum 2005, pp. 97–105.

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4. CONCLUSION: A RADICAL ALTERNATIVE In the first half of the eighteenth century this scholarly tradition was transformed into a radical plea in favour of Islam by such Francophone authors as the comte de Boulainvilliers, Jean-Frédéric Bernard, and the marquis d’Argens, who successively but jointly pointed to the remarkable degree of toleration allowed by Muslims rulers, the coherence of Islamic monotheism as well as its moral rectitude.63 As early as 1672, one of Spinoza’s closest friends, Johannes Bouwmeester, had produced a beautiful translation of Ibn Tufayl’s proto-Deist The Life of Hai Ibn Yaqzan – a very popular example of twelfth-century Arabic freethinking, which had been published in Latin by Edward Pococke in 1671.64 By the 1730s, in some quarters, the superiority of Christianity over Islam was no longer as evident as it had been before the time European scholars got acquainted with its literary output, its actual history and its followers. Against this background, it is easy to see why so many early Enlightenment radicals were particularly fascinated with reports concerning an early Islamic origin of the thesis of the three impostors, associated most often with Averroes.65 And why recent scholarship on the radical Enlightenment has now started to look into Arabic traditions of freethinking and their connections with Socinian and Deist critiques of Christianity well before the 1730s: Henry Stubbe and John Toland preceded Boulainvilliers and Bernard by several decades.66 For our purposes, however, the most remarkable product of this European discovery of the critical potential offered by Islam was delivered by two members of the Dutch Refuge: Bernard Picart and Jean-Frédéric Bernard’s massively successful Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde – a stunning series of nine folio volumes published in Amsterdam from 1723 to 1743, and recently dubbed The Book that Changed Europe.67 What made this particular book   63 See Rolando Minuti: Orientalismo e idee di tolleranza nella cultura francese del primo ’700, Florence 2006. Jonathan I. Israel: Enlightenment Contested. Philosophy, Modernity, and the Emancipation of Man, 1670–1752, Oxford 2006, Chapter 24. Gerard Albert Wiegers: “Islam and the Radical Enlightenment”, in: Journal of the Dutch-Flemish Levinas Society 16, 2011, pp. 41–50. See also Ann Thomson: Barbary and Enlightenment. European Attitudes towards the Maghreb in the Eighteenth Century, Leiden 1987. 64 See for example: The World of Ibn Tufayl. Interdisciplinary Perspectives on Hayyi Ibn Yaqzan, Ed. Lawrence I. Conrad, Leiden 1996. 65 See Friedrich Niewöhner: Veritas sive varietas. Lessings Toleranzparabel und das Buch von den drei Betrügern, Heidelberg 1988. 66 See Ann Thomson: “L’utilisation de l’islam dans la litérature clandestine”, in: Antony McKenna, Alain Mothu (eds.): La Philosophie clandestine à l’Âge classique, Paris 1997, pp. 247–256. Martin Mulsow: “Socinianism, Islam and the Radical Uses of Arabic Scholarship”, in: Al-Quantara 31, 2010, pp. 549–586. Justin Champion: “I remember a Mahometan Story of Ahmed b. Idris. Freethinking Uses of Islam from Stubbe to Toland”, in: Al-Qantara 21, 2010, pp. 430–480. 67 Lynn Hunt, Margaret C. Jacob et. al.: The Book that Changed Europe. Picart and Bernard’s Religious Ceremonies of the World, Cambridge Mass. 2010. See also the accompanying vol 

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special was first of all its huge commercial success. It remained in print for nearly a century, and it was translated into English, German and Dutch. All in all, several thousands of copies were distributed throughout Europe. No doubt the wonderful illustrations by Picart, one of the finest eighteenth-century engravers, did much to enhance the popularity of the entire project. So this was anything but a privately circulating clandestine manuscript, nor a scholarly volume destined for a handful of experts. Arguably more importantly, however, it was a brilliant attempt to present all “the religions of the world”, from Lapland to Mexico and from Amsterdam to Kyoto as anthropological phenomena. The volume dedicated to Islam came out in 1737.68 By this time, Picart, the engraver, had passed away, but the volume on Islam includes some of his finest work, and it shows Bernard, the author, at his very best as a compiler and editor of the most recent insights into the history of his subject.69 Pillaging both Boulainvillier’s and Gagnier’s biographies of Mohammed from the early 1730s and d’Herbelot’s Bibliothèque orientale (1697), he also copied abundantly from George Sale’s introduction to his English translation of the Koran as well as the French translation (1721) of Adriaan Reland’s De religione mohammedica.70 As a purely scholarly effort, Bernard’s compilation remains very impressive indeed, as is evident once we compare his sources to the ones Edward Gibbon was to use in his famous fiftieth chapter on Mohammed of The Decline and Fall of the Roman Empire, which was to appear half a century later, in 1788: to all intents and purposes Gibbon found his work cut out for him as he basically used the collection of sources first compiled by Bernard.71 In the wider context of Picart and Bernard’s entire project, Islam was crucial by its denial of Jesus’ divine nature, its rejection of the Trinity and its own tradition of religious tolerance – an aspect of Islam emphasised strongly by Reland. Thus, it could be presented as similar to such European schools of thought as Socinianism, Deism, and Spinozism, which just happened to be the schools Bernard  

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ume, edited by the same authors: Bernard Picart and the First Global Vision of Religion. Los Angeles 2010. The entire project can be consulted online: URL: http://www.digital2.library.ucla.edu. See Hunt, Jacob, Mijnhardt: The Book that Changed Europe, Chapter 10. See also David Brafman: “Picart, Hermes, and Muhammed (Not Necessarily in that Order)”, in: Hunt, Jacob, Mijnhardt: Bernard Picart and the First Global Vision of Religion, pp. 139–168, and in the same volume Kishwar Rizvi: “Persian Pictures. Art, Documentation, and Self-Reflection in Jean-Frédéric Bernard and Bernard Picart’s Representations of Islam”, p. 169–196. See Cérémonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde. Tôme cinquième, Amsterdam 1737, pp. 81–101, present the entire Preface to Reland’s De religione mohammedica: “Dissertation sur les fausses idées et les préjugés qu’on a pris contre le Mahometisme”, in which the vital point is made that it is hazardous to understand Islam through Christian eyes: Christian accounts of Judaism and Catholic representations of Protestantism also tend to be full of prejudices. See Edward Gibbon: The History of the Decline and Fall of the Roman Empire (3 vols.). Edited by David Womersly, London 1994, Vol. 3, pp. 151–232.

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preferred.72 Thus, Islam played a crucial part in Picart and Bernard’s Enlightenment quest for a universal, natural and reasonable religion, capable, perhaps, of uniting humanity instead of dividing it. As early as 1711, in the first edition of his Réflexions morales, Bernard had introduced a Persian philosopher commenting on the disastrous political effects Christianity had on Europe, tearing the Continent apart.73 The global, comparative perspective offered by the Cérémonies et coutumes religieuses must have made a stunning impact on its first European readers, who inhabited a landscape drawn up by the divisive logic of early modern confessionalism. So yes, it was a revolutionary effort, but perhaps, its appeal to many eighteenth-century readers should not be accounted for exclusively by its novelty. Perhaps it also confirmed what some early modern sources appear to tell us as well: that foreign countries, religions and people may instil genuine fear, but that they can also be exciting, informative and worthy of respect. Picart and Bernard’s display of the Religions of the World reveals a remarkable affinity to early modern cabinets of curiosity – aptly called Wunderkammer in German -, which invited the observer to wonder about the infinite diversity and complexity of the natural world and its inhabitants.74 The European Enlightenment was far from done with Islam in the 1730s. Besides Gibbon’s Decline and Fall, Voltaire’s biography of Mohammed, Montesquieu’s analysis of Oriental despotism, Diderot’s articles in the Encyclopédie on “Arabes” and “Sarasins”, and Raynal’s Histoire des deux Indes were all still to follow. Many captivity tales and travel accounts were still to be told, theatre plays to be staged and allegories to be composed. Yet by the 1730s, Islam to some Dutch and other European readers had apparently become one of the most arresting Wonders of the World.

  72 See Wiep van Bunge: Jean-Frédéric Bernard’s Global Perspective on Socinianism and Deism (forthcoming). 73 See Jean-Frédéric Bernard: Réflexions morales, satiriques et comiques sur les moeurs de notre siècle. Nouvelle Edition corrigée et augmentée d’un tiers, Amsterdam 1723, p. 148. In the first volume of his own Mémoires historiques et critiques (Amsterdam 1722, pp. 11–22), Bernard published a glowing review of Montesquieu’s Lettres Persanes (2 vols.), Cologne [i.e. Amsterdam] 1721, a work that was based, as Bernard points out in some detail, on Giovanni Paolo Marana’s L’espion turc: L’espion du Grand-Seigneur, et ses relations secrètes envoyées au divan de Constantinople; & découvertes à Paris, pendant le règne, de Louis le Grand, Amsterdam 1684. 74 See Paula Findlen: Possessing Nature. Museums, Collecting, and Scientific Culture in Early Modern Italy, Berkeley 1994. For the Dutch context: Ellinoor Bergvelt and Renée Kistemaker (eds.): De wereld binnen handbereik. Nederlandse kunst en rariteitenverzamelingen, 1585– 1735, Zwolle 1992. Eric Jorink: Reading the Book of Nature in the Dutch Golden Age, 1575– 1715, Leiden 2010, Chapter 5. Harold J. Cook: Matters of Exchange. Commerce, Medicine and Science in the Dutch Golden Age, New Haven 2007.

DIE ANGLIKANISCHE KIRCHE UND DIE HERAUSFORDERUNG DER TOLERANZ IM ENGLAND DER SPÄTEN STUARTZEIT Ulrich Niggemann Am 8. Juni 1688 wurden sieben Bischöfe der Church of England in den Tower of London gebracht und nur eine Woche später wegen „seditious libel“ – also aufhetzender Äußerungen über den König und die Regierung – vor Gericht gestellt.1 Hintergrund war die bereits im April 1687 von König Jakob II. erlassene Declaration of Indulgence, eine Erklärung, die allen Christen im Königreich Religionsund Gewissensfreiheit gewährte.2 Die Erklärung war im April 1688 noch einmal wiederholt worden, ergänzt um die Anordnung, sie in sämtlichen Kirchen des Landes verlesen zu lassen.3 Sieben Bischöfe, darunter der Erzbischof von Canterbury, William Sancroft, verweigerten den Gehorsam und legten ihre Gründe in einer Petition an den König dar. In der späteren Erinnerungskultur, und bis weit in   1

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Zum Ablauf der Ereignisse vgl. etwa John Spurr: The Restoration Church of England 1646– 1689. New Haven 1991, S. 93–97. Kaspar von Greyerz: England im Jahrhundert der Revolutionen 1603–1714. Stuttgart 1994, S. 230–232. Eveline Cruickshanks: The Glorious Revolution. Basingstoke 2000, S. 20f. William Gibson: The Church of England 1688–1832. Unity and Accord. London u.a. 2001, S. 30–32. Tim Harris: Revolution. The Great Crisis of the British Monarchy, 1685–1720. London 2006, S. 258–269. Steve Pincus: 1688. The First Modern Revolution. New Haven (Connecticut) 2009, S. 191–197. Mark Goldie: „The Political Thought of the Anglican Revolution“, in: Robert Beddard (Hg.): The Revolutions of 1688. The Andrew Browing Lectures 1988. Oxford 1991, S. 102–136, hier: S. 117–124. Gareth V. Bennett: „The Seven Bishops. A Reconsideration“, in: Derek Baker (Hg.): Religious Motivation. Biographical and Sociological Problems for the Church Historian. Oxford 1978, S. 267–287. William Gibson: James II and the Trial of the Seven Bishops. New York 2009. Der Text selbst lässt sich möglicherweise sogar als umfassende Erklärung der Glaubens- und Gewissensfreiheit verstehen; den Kontext bilden freilich die konfessionellen Konflikte im England der Restaurationszeit, so dass die Deklaration als Freistellung christlicher Konfessionen zu lesen ist. „Declaration of Indulgence, 4. April 1687“, in: Andrew Browning (Hg.): English Historical Documents, Bd. 8: 1660–1714. London 1953, S. 399f. Vgl. dazu Hans R. Guggisberg: Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte einer Forderung. Stuttgart-Bad Cannstatt 1984. S. 144f. John Miller: James II. New Haven u.a. 2000, S. 164–166, 171–173. Harris: Revolution, S. 211–216. Gibson: James II, S. 64–68. Vgl. Miller: James II, S. 182. Greyerz: England, S. 230. Harris: Revolution, S. 258f. Gibson: James II, S. 78–83.

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die Historiographie des 19. und sogar des 20. Jahrhunderts hinein, galt dieser Akt des Widerstands als heldenhaftes Verhalten.4 Nur ungefähr ein Jahr später, im Mai 1689, verabschiedete das englische Parlament in der Folge der Glorious Revolution eine Toleranzakte, die im Kern eine Legalisierung des protestantischen Nonkonformismus bedeutete, dessen Anhänger nun die Möglichkeit erhielten, in eigenen „Meeting Houses“ Gottesdienste abzuhalten.5 Auch dieser legislative Akt war keineswegs unumstritten, doch immerhin blieben dieses Mal nennenswerte Widerstände seitens der anglikanischen Bischöfe aus.6 Warum war die von Jakob verordnete Toleranz für die anglikanischen Eliten ein solcher Affront, dass sieben ihrer Bischöfe bereit waren, ihre Verweigerungshaltung mit einem Prozess zu bezahlen, der sie ihre Ämter und Güter kosten konnte? Und wie kam es, dass nur ein Jahr später eine begrenzte Toleranz im Parlament, wo die Bischöfe immerhin im Oberhaus prominent vertreten waren, durchsetzbar war? Sicher liegt ein Teil der Antwort auf diese Fragen im Umgang mit dem Katholizismus. So ist es sicher richtig, dass die auf protestantische und die Trinitätslehre bejahende Dissenters beschränkte Toleration Act für viele eher akzeptabel war als eine weitergehende, Katholiken und Antitrinitarier einschließende Gewissensfreiheit. Es ist aber zugleich auch zu bedenken, dass es darüber hinaus ein tiefsitzendes Misstrauen vieler Anglikaner auch gegenüber Presbyterianern und anderen protestantischen Gruppen gab.7 Diese Feststellung verweist auf die durchaus vielschichtigen Probleme, die es lohnend erscheinen lassen, noch einmal   4

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Die Verherrlichung der Sieben Bischöfe schlug sich in Flugschriften, Gedenkmedaillen, Kupferstichen und sogar Ölgemälden nieder; vgl. z.B. Kevin Sharpe: Rebranding Rule. The Restoration and Revolution Monarchy 1660–1714. New Haven 2013, S. 310f. Zur Darstellung bis ins 19. Jahrhundert Gibson: James II, S. 1–6. Zur Erinnerungskultur der Glorious Revolution vgl. jetzt Ulrich Niggemann: Revolutionserinnerung in der Frühen Neuzeit. Refigurationen der ,Glorious Revolution‘ in der politischen Kultur Großbritanniens (1688–ca. 1760). Habil. Universität Marburg 2015. Vgl. An Act for Exempting their Majestyes Protestant Subjects dissenting from the Church of England from the Penalties of certaine Lawes (1 Will. & Mar. c. 18), in: Statutes of the Realm Bd. 6: 1685–1694. London 1819, S. 74–76. Vgl. zum Inhalt und zur Verabschiedung Henry Horwitz: Parliament, Policy and Politics in the Reign of William III. Manchester 1977, S. 23–29. John Spurr: „The Church of England, Comprehension and the Toleration Act of 1689“, in: English Historical Review 104 (1989), S. 927–946. John Spurr: English Puritanism 1603–1689. Basingstoke 1998, S. 148–150. Gordon J. Schochet: „The Act of Toleration and the Failure of Comprehension. Persecution, Nonconformity, and Religious Indifference“, in: Dale Hoak und Mordechai Feingold (Hg.): The World of William and Mary. Anglo-Dutch Perspectives on the Revolution of 1688–89. Stanford 1996, S. 165–187. Zur klerikalen und laikalen Kritik an der Toleration Act vgl. Spurr: Restoration Church, S. 376–378. Vgl. Jeremy Gregory: „The Church of England“, in: Harry T. Dickinson (Hg.): A Companion to Eighteenth-Century Britain. Malden 2006, S. 225–240, hier: S. 228. Zum Misstrauen gegenüber protestantischen Dissenters auch unten Abschnitt I.

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grundsätzlich über den Stellenwert und die Bedeutung von Toleranz und Intoleranz im England der Restaurationszeit sowie der Phase nach der Glorious Revolution nachzudenken.8 In der breiteren Wahrnehmung der Geschichte der Toleranz nimmt England von jeher eine zentrale Stellung ein. So gilt insbesondere John Locke9 als der große Vordenker der Toleranz und der Frühaufklärung, und mit der Toleration Act von 1689 wurde oft ein entscheidender Durchbruch von Toleranzideen auf der staatlichen Ebene und ein legislativer Niederschlag der Philosophie identifiziert.10 Lange Zeit wurde eine in den 1680er Jahren beginnende Erfolgsund Fortschrittsgeschichte geschrieben, die engstens verbunden war mit dem Siegeszug der Aufklärung und der säkularen Moderne. Gerade die ältere philosophische und ideengeschichtliche Forschung hat in der im Umfeld der Glorious Revolution von 1688/89 beginnenden Durchsetzung von Toleranzideen den wegweisenden Schritt zur Frühaufklärung gesehen.11 In jüngerer Zeit ist diese modernisierungstheoretische Sichtweise freilich grundlegend in Frage gestellt worden. Jonathan Clark hat in seinen revisionistischen Arbeiten zum 18. Jahrhundert, namentlich in seiner 1985 publizierten Monographie English Society 1688–1832, den Durchbruch der Aufklärung in England geleugnet und das Inselkönigreich als bis weit ins 19. Jahrhundert hinein konfessionalistisch ausgerichtetes Ancien Régime charakterisiert.12 Auch weniger   8

Mark Goldie weist zurecht darauf hin, dass insbesondere die ideengeschichtlichen Aspekte der Intoleranz bislang zu wenig Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden haben; Mark Goldie: „The Theory of Religious Intolerance in Restoration England“, in: Ole P. Grell, Jonathan Israel u.a. (Hg.): From Persecution to Toleration. The Glorious Revolution and Religion in England. Oxford 1991, S. 331–368. 9 Bedeutend v.a. [John Locke:] A Letter Concerning Toleration. London 1689 [Wing/L2747]. – Zeitgenössische Drucke werden im Folgenden stets mit Fundortangabe genannt. Drucke des späten 17. Jahrhunderts werden dabei mit der Nummer aus Donald Wings Fortsetzung des Short Title Catalogue angegeben (Wing); sie sind über die Early English Books Online zugänglich. URL: http://eebo.chadwyck.com/home. Drucke des 18. Jahrhunderts erscheinen mit Angabe der Nummer des English Short Title Catalogue for the Eighteenth Century (ESTC) und sind über die Eighteenth Century Collections Online zugänglich. URL: http://find.galegroup.com/ecco/ (letzter Zugriff jeweils 02.12.2015). Ausnahmsweise sind auch Signaturen der British Library, London, angegeben (BL). 10 Vgl. etwa Henry Kamen: The Rise of Toleration. London 1967, S. 234. Guggisberg: Toleranz, S. 145f. Yves Bizeul: „Pierre Bayle–Vordenker des modernen Toleranzbegriffs“, in: Hans Jürgen Wendel, W. Bernhard u.a. (Hg.): Toleranz im Wandel. Rostock 2000, S. 67–112, hier: S. 75f., 79–82. Zur Stellung Englands in der Geschichte der Toleranz auch Guggisberg: Toleranz, S. 139–146. 11 Deutlich etwa bei Christopher Hill: Antichrist in Seventeenth-Century England. (Oxford 1 1971) London u.a. 1990, S. 160, der die Zunahme von Toleranz mit dem Verschwinden des Glaubens an den Antichristen sowie mit dem Aufkommen von Rationalismus und Wissenschaft identifiziert. Vgl. aber auch Ole P. Grell, Roy Porter: „Toleration in Enlightenment Europe“, in: Ole P. Grell und Roy Porter (Hg.): Toleration in Enlightenment Europe. Cambridge 2000, S. 1–22, hier S. 5–8. Bizeul: Pierre Bayle, S. 75f. 12 Vgl. Jonathan C. D. Clark: English Society, 1688–1832. Ideology, Social Structure and Political Practice during the Ancien Regime. Cambridge (11985) 1988. Kritisch zum Konzept der  

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radikale Historiker haben auf die geringe zeitgenössische Wirkung eines John Locke verwiesen und die Defizite der Toleration Act hervorgehoben. Letztere habe vor allem durch den Ausschluß von Katholiken und Antitrinitariern deutliche Grenzen gehabt, so dass von „echter“ Toleranz keine Rede sein könne.13 Ganz abgesehen davon, dass es naiv wäre, die Toleration Act von 1689 an modernen Maßstäben messen zu wollen, erscheint jedoch insbesondere die Verknüpfung von Toleranz und Moderne bzw. Toleranz und Säkularisierung problematisch, eine Verknüpfung, die sich in negativem Sinne auch in den revisionistischen Studien noch findet, wird das konstatierte Fehlen von Toleranz hier doch als Symptom und Ausdruck einer noch immer vorherrschenden Dominanz des Religiösen bzw. Konfessionellen im England des 18. Jahrhunderts gedeutet.14 Die diesen Ansätzen inhärente Teleologie ist offensichtlich. Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein neuer Blick auf die Debatten um den Umgang mit Anderskonfessionellen im England des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Gerade die Frage nach der Intoleranz, nach den zeitgenössischen Perzeptionen und Deutungen, die einer weitergehenden Toleranz im Wege standen, verspricht Einblicke in Denkweisen und Selbstverständnisse, die weitaus weniger teleologische Interpretationsansätze zulassen. Es wird daher im Folgenden vor allem darum gehen zu zeigen, dass Toleranz und Intoleranz keine diametralen Gegensätze darstellten und dass sie nicht unbedingt als Indikatoren für den Grad der Säkularisierung der englischen Gesellschaft heranzuziehen sind. Vielmehr soll die These entfaltet werden, dass beide Haltungen grundsätzlich einem gemeinsamen Denkrahmen entstammen konnten und dass die Toleranzfrage engstens mit religiösen Erwägungen und den inneranglikanischen Auseinandersetzungen der Restaurationsepoche und der Jahre nach der Glorious Revolution verbunden war. Es wird daher im ersten Schritt darum gehen, noch einmal die konfessio  Säkularisierung insbesondere in England nach 1660 auch Blair Worden: „The Question of Secularisation“, in: Alan Houston und Steve Pincus (Hg.): A Nation Transformed. England after the Restoration. Cambridge 2001, S. 20–40. 13 Zur geringen Bedeutung von Locke in den zeitgenössischen Debatten v.a. John P. Kenyon: Revolution Principles. The Politics of Party 1689–1720. Cambridge 1977, S. 1f., 17, 200f. Zur Bewertung der Toleranzakte Kamen: Rise, S. 211f. Guggisberg: Toleranz, S. 145. Klaus Schreiner: Art. „Toleranz XI: ‚Toleranz‘ als religionspolitischer Begriff im 17. und 18. Jahrhundert“, in: Otto Brunner, Werner Conze u.a. (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon der politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 6. Stuttgart 1990, S. 495– 605, hier: S. 499. Greyerz: England, S. 235f. Schochet: Act of Toleration, S. 166f., 177f. David L. Wykes: „‚So Bitterly Censur’d and Revil’d’. Religious Dissent and Relations with the Church of England after the Toleration Act“, in: Richard Bonney und David J. B. Trim (Hg.): Persecution and Pluralism. Calvinists and Religious Minorities in Early Modern Europe 1550–1700. Bern u.a. 2006, S. 295–313, hier: S. 296f. Colin Haydon: „Religious Minorities in England“, in: A Companion to Eighteenth-Century Britain, S. 241–259, hier: S. 241. Georg Eckert: ‚True, Noble, Christian Freethinking‘. Leben und Werk Andrew Michael Ramsays (1686–1743). Münster 2009, S. 101f. 14 Z.B. Clark: English Society, S. 136. Auf das Nebeneinander unterschiedlicher Denkweisen weist zurecht hin Worden: Question.

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nellen Frontstellungen nach der Restauration der Monarchie 1660 zu schildern und die gegenseitigen Bedrohungswahrnehmungen zu skizzieren (1.). Sodann ist die identitätsstiftende Funktion konfessioneller Homogenität zu beleuchten (2.), um schließlich auf genuin religiöse Motive für Toleranz und Intoleranz einzugehen und auf diesem Wege einer zu einfachen Gleichung von Säkularisierung und Toleranz entgegenzutreten (3.). Dabei stehen freilich nicht einzelne Sprecher im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern es wird versucht, auf der Basis der vorhandenen Literatur sowie exemplarischer Äußerungen von zeitgenössischen Akteuren Fragmente der gesellschaftlichen Diskurse zu rekonstruieren. Am Ende steht dann ein knappes Fazit (4.). 1. DIE KONFESSIONELLEN FRONTSTELLUNGEN NACH DER RESTAURATION DER MONARCHIE 1660 Unmittelbar vor seiner Rückkehr nach England im Mai 1660 hatte König Karl II. in Breda eine Erklärung abgegeben, in der er seine grundsätzliche Bereitschaft deutlich machte, eine weitgehende religiöse Toleranz, wie sie bereits im Interregnum praktiziert worden war, in seinem Königreich zu akzeptieren.15 Zumindest dieser Teil der Declaration of Breda beruhte jedoch offenkundig auf einer Fehleinschätzung der Stimmung in England. Nicht nur das Convention Parliament von 1660, sondern insbesondere das 1661 gewählte Cavalier Parliament bestand mehrheitlich aus überzeugten Royalisten und Anglikanern.16 Es ermöglichte nicht nur die zügige Wiedererrichtung der im Zuge der englischen Revolution aufgelösten Anglikanischen Kirche, sondern verabschiedete eine Reihe von äußerst restriktiven Gesetzen, den sogenannten Clarendon Code, die sich insbesondere gegen die protestantischen Nonkonformisten richteten. Sie verboten ihnen religiöse Versammlungen und reaktivierten die alten Strafgesetze.17 Die anglikanische Kirche wurde dabei 1662 ganz dezidiert als Staatskirche, als „Church of England by Law established“, wiedererrichtet. Sie erhielt ihre episkopale Struktur zurück und beharrte zumindest theoretisch auf ihrer Monopolstellung.18   15 Vgl. z.B. Kamen: Rise, S. 202. Schochet: Act of Toleration, S. 173f. Greyerz: England, S. 204. Tim Harris: Restoration. Charles II and his Kingdoms. London 2005, S. 52. Neil H. Keeble: The Restoration. England in the 1660s. Malden 2002, S. 68–70. 16 Ausführlich Paul Seaward: The Cavalier Parliament and the Reconstruction of the Old Regime 1661–1667. Cambridge 1989. 17 Vgl. dazu Ian M. Green: The Re-establishment of the Church of England 1660–1663. Oxford 1978. Seaward: Cavalier Parliament, S. 162–195. Harris: Restoration, S. 52–56. Keeble: Restoration, S. 109–131. Speziell zum Klerus Kenneth Fincham und Stephen Taylor: „The Restoration of the Church of England. 1660–1662. Ordination, Re-ordination and Conformity“, in: Stephen Taylor und Grant Tapsell (Hg.): The Nature of the English Revolution. Essays in Honour of John Morill. Woodbridge 2013, S. 197–232. 18 Vgl. Green: Re-establishment, S. 81–98. Greyerz: England, S. 206f.

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Im Hintergrund standen ganz zweifellos die Erfahrungen des Bürgerkriegs und des Interregnums. Die Enteignung der Bischöfe und das Auftreten radikalprotestantischer Strömungen, die in immer kleinere Splittergruppen zerfielen, waren ein Trauma, das erklärt, warum sich die legislativen Maßnahmen des Clarendon Code gerade gegen die protestantischen Dissenters richteten.19 Die Aussetzung der anglikanischen Liturgie wurde etwa in der Act of Unifomity als wesentliche Ursache der „late and unhappy troubles“ angegeben, deren Wiederholung durch strikte Beachtung des anglikanischen Book of Common Prayer vorgebaut werden sollte.20 Angst vor einem Wiedererstarken der Nonkonformisten und vor einer erneuten Gefährdung der Anglikanischen Kirche diktierte also ganz wesentlich die restriktive Gesetzgebung. Noch im Zuge der Hugenotteneinwanderung der 1680er Jahre konnte Bischof Morley von Winchester vor einer Verstärkung des Nonkonformismus durch die französischen Calvinisten warnen und die Presbyterianer als „the most inveterate, and most irreconciliable of our enimies“ bezeichnen. Mit Bitterkeit verwies er auf die Erfahrung der Vergangenheit: „They have once allready shut us out of our own Churches, and will doe soe againe.“21 Obwohl der Antikatholizismus im anglikanischen Selbstverständnis stets eine wichtige Rolle einnahm, waren aus Sicht vieler hochkirchlicher Anglikaner die protestantischen Dissenters ebenso gefährlich. Zuweilen erscheinen Dissenters und Katholiken gar als „brethren in iniquity.“22 Ein Vorteil erwuchs den protestantischen Dissenters aus dem Antikatholizismus der Anglikaner daher zunächst höchstens phasenweise. 1673, in Reaktion auf den Versuch Karls II., über die königlichen Prärogative eine Toleranzgesetzgebung durchzusetzen, verabschiedete das Parlament die Test Act, ein Gesetz, dass jedem die Ausübung eines öffentlichen Amtes untersagte, der nicht regelmäßig am Abendmahl in einer anglikanischen Kirche teilnahm.23   19 Harris: Restoration, S. 55. Spurr: Restoration Church, S. 81–85. Greyerz: England, S. 206– 209. 20 An Act For the Uniformity of Publick Prayers and Administracion of Sacraments & other Rites & Ceremonies and for establishing the Form of making ordaining and consecrating Bishops Preists and Deacons in the Church of England 1662 (14 Carol. c. 2)“, in: Statutes of the Realm Bd. 5. London 1819, S. 364–370. 21 Bischof George Morley von Winchester and Bischof Compton von London, Farnham Castle, 14. Nov. 1683, Bodl. Liberary Rawlinson MSS C 984, Bl. 50. Vgl. dazu Ulrich Niggemann: Immigrationspolitik zwischen Konflikt und Konsens. Die Hugenotteneinwanderung in Deutschland und England 1681–1697. Köln u.a. 2008, S. 514–520. Malcolm R. Thorp: The English Government and the Huguenot Settlement, 1680–1702. Diss. phil. University of Wisconsin 1972, S. 46f. Daniel Statt: Foreigners and Englishmen. The Controversy over Immigration and Population, 1660-1760. Newark 1995, S. 169f. 22 So der Titel von Flugschriften aus dem Jahren 1679 und 1690: Simeon and Levi, Brethren in Iniquity. A Comparison between a Papist and A Scotch Presbyter. London 1679 [Wing/S3788]. Brethren in Iniquity: Or, The Confederacy of Papists with Sectaries, For the Destroying of the True Religion, as by Law Establish’d, plainly Detected. London 1690 [Wing/B4382]. Vgl. auch Spurr: Restoration Church, S. 81f. 23 Vgl. Spurr: Church of England, S. 935f. John Miller: Popery and Politics in England, 1660– 1688. Cambridge 1973, S. 55f. Schochet: Act of Toleration, S. 174–176.

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Nichtanglikaner, Protestanten wie Katholiken gleichermaßen, wurden damit marginalisiert und von jeglicher Partizipation am Gemeinwesen ausgeschlossen, die Monopolstellung der Church of England hingegen wurde noch einmal gefestigt. Eine Comprehension Bill, der Versuch, auf gesetzlichem Weg die Inklusion moderater Dissenters in die Anglikanische Kirche zu erreichen, scheiterte 1680 im Parlament.24 Ein zentrales Movens anglikanischer Intoleranz resultierte also aus einer Bedrohungswahrnehmung, einer vermeintlichen Gefährdung des anglikanischen Establishments durch protestantische Dissenters und Katholiken. Die Reaktion darauf bestand in einem verstärkten Streben nach Sicherheit. Nicht der wahre Glaube stand demnach im Mittelpunkt aller Erwägungen, sondern ein ganz wichtiger Aspekt war die Absicherung der Position der Church of England. Während die Anglikaner dazu neigten, ihre Lage als von zwei Seiten bedroht wahrzunehmen und darzustellen, betonten die Dissenters die gemeinsame Gefährdung aller Protestanten durch den Katholizismus.25 Gerade im Laufe der 1670er und 1680er Jahre stellte sich dieses Problem in neuer Form. Zwar blieb auf anglikanischer Seite, wie das Beispiel Morleys zeigt, die Bedrohungswahrnehmung durch den Dissent bestehen, doch rückte nun insgesamt wieder verstärkt der Katholizismus ins Zentrum verbreiteter Ängste. Insbesondere das Bekanntwerden der Konversion des designierten Thronfolgers, Jakob Herzog von York, im Jahre 1673, die kollektive Hysterie um den Popish Plot von 1678 sowie schließlich die Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 und die damit verbundene Massenflucht von Hugenotten aus Frankreich führten wellenartig zu einem Wiederaufleben der Katholikenfurcht.26 In der Exclusion Crisis war es die sich herausbildende Partei der Whigs, die sich mit dem Argument der Sicherheit für den Protestantismus als besonders intolerant gegenüber dem Katholizismus positionierte, jedoch für Erleichterungen für protestantische Dissenters eintrat.27 Es setzten sich jedoch die royalistischen Kräfte durch, so dass in der Schlußphase der Regierungszeit Karls II. – insbesondere nach der Aufdeckung des Rye House Plot, einer Verschwörung radikaler Whigs gegen die Krone – die Restriktionen, ja teilweise Ver-

  24 Spurr: Church of England, S. 936f. Zu den verschiedenen Versuchen seit 1663 Spurr: Puritanism, S. 138. Robert D. Cornwall: Visible and Apostolic. The Constitution of the Church in High Church Anglican and Non-Juror Thought. Newark 1993, S. 33. 25 Vgl. etwa Spurr: Puritanism, S. 146. Mark Knights: Politics and Opinion in Crisis 1678–81. Cambridge 1994, S. 199–206. 26 Vgl. Arthur F. Marotti: Religious Ideology and Cultural Fantasy. Catholic and Anti-Catholic Discourses in Early Modern England. Notre Dame 2005, S. 158–201. Michael Watts: The Dissenters. From the Reformation to the French Revolution. Oxford 1978, S. 249–258. Bernard Cottret: The Huguenots in England. Immigration and Settlement c. 1550–1700. Cambridge 1991, S. 188–190. Greyerz: England, S. 213–216, 232. 27 Zu den frühen Whigs vgl. James R. Jones: The First Whigs. The Politics of the Exclusion Crisis 1678–1683. London 1961. Miller: Popery, S. 154–188. Melinda Zook: Radical Whigs and Conspiratorial Politics in Late Stuart England. University Park 1999.

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folgungen gegenüber den Whigs und den religiösen Nonkonformisten wieder zunahmen.28 Die Niederlage der Whigs in der Thronfolgefrage ermöglichte 1685 die Thronbesteigung Jakobs. Dieser versprach in seiner Antrittsrede, die Verfassung in Staat und Kirche schützen zu wollen und sicherte sich damit zunächst die Unterstützung der anglikanischen Geistlichkeit und der Royalisten.29 Solange der katholische Herrscher die Privilegien und die Monopolstellung der Anglikanischen Kirche nicht antastete, war ein Arrangement offenbar denkbar. Der Hauptgegner blieb in den Jahren nach dem Rye House Plot der protestantische Nonkonformismus. Es sollte sich dann freilich schnell zeigen, dass Jakob sich mit dem religiösen Status Quo nicht zufrieden gab. Mit der Einrichtung eines von vielen als illegal empfundenen kirchlichen Gerichtshofs unter der Leitung eines Jesuiten, mit der Einführung der katholischen Messe, der Suspendierung des Bischofs von London und der Enteignung einiger Fellows am berühmten Magdalen College in Oxford sind Stationen einer zunehmenden Eskalation markiert und zugleich Stationen der Gehorsamsverweigerung führender Geistlicher, die nicht zuletzt auch mit dem Sicherheitsargument begründet wurde.30 Jakobs Toleranzpolitik, die ihren Ausdruck in den beiden Indulgenzerklärungen von 1687 und 1688 fand und letztlich Ergebnis einer strategischen Neuausrichtung war, erwies sich aus anglikanischer Sicht als Unsicherheitsfaktor und als Angriff auf die privilegierte Stellung der Church of England.31 Der von oben diktierten Toleranz, deren Ziel recht offensichtlich die Besserstellung der katholischen Minderheit war, setzten die anglikanischen Eliten eine Intoleranz entgegen, die auf die Sicherung der Stellung der Staatskirche zielte. Dieses Misstrauen gegenüber einer katholischen Toleranz wurde später, in der Rückschau so formuliert: „Liberty! a thing as unnatural with Rome, as for the Fox to preach Honesty.“32 Dabei zeigte sich ein Großteil des Anglikanischen Klerus freilich in einer Situation akuter Gefährdung bereit, den Dissenters entgegenzukommen und mit ihnen ein Bündnis zu schließen. Dass dies gelang, lässt sich nur mit dem   28 Vgl. Miller: Popery, S. 189–195. Spurr: Restoration Church, S. 87f. Spurr: Puritanism, S. 140–146. 29 Zur Thronbesteigung Jakobs vgl. Miller: James II, S. 120–131. Harris: Revolution, S. 39–65; sowie speziell zur Antrittsrede Sharpe: Rebranding Rule, S. 241–243. 30 Vgl. zur Entwicklung der Regierung Jakobs II. Spurr: Puritanism, S. 146f. Greyerz: England, S. 219–229. Harris: Revolution, S. 182–236. Pincus: 1688, S. 187–198. Zum anglikanischen Widerstand auch Goldie: Political Thought. Gibson: Church of England, S. 31–35. 31 Gareth V. Bennett: The Tory Crisis in Church and State, 1688–1730. The Career of Francis Atterbury Bishop of Rochester. Oxford 1975, S. 9f. Goldie: Political Thought, S. 111, 117– 120. Ulrich Niggemann: „Toleranzedikt“, in: Enzyklopädie der Neuzeit 13 (2011), Sp. 629– 632, hier: Sp. 632. 32 A Sermon Preach’d in a Country Church February 14. 1688 [i.e. 1689]. Upon that eminent Occasion of Thanksgiving for the Great Deliverance of this Kingdom from Popery and Arbitrary Power. London 1689, S. 9f. [Wing/S2639].

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Misstrauen auch der Dissenters gegenüber Jakob und seinen katholischen Beratern erklären. Die rechtliche Stellung der Kirche und ihre Bewahrung als etablierte Staatskirche standen auch im Zentrum der Declaration of Reasons, die als Legitimierung der Intervention Wilhelms III. von Oranien in England verbreitet wurde.33 Die Problematik des Verhältnisses zwischen der Anglikanischen Kirche und anderen religiösen Gruppen wird darin primär unter rechtlichem Gesichtspunkt behandelt, indem die Privilegien der etablierten Kirche gesichert werden sollen. Der Regierung Jakobs wurde dabei vorgeworfen, sie habe versucht, eine Religion „contrary to law“ einzuführen.34 Ähnlich hatte im Vorfeld auch ein im Druck publizierter Brief eines engen Vertrauten Wilhelms, Gaspar Fagel, argumentiert. Der Brief war eine Antwort auf den Versuch der Regierung in Whitehall, in Den Haag um Unterstützung für eine Aufhebung der Test Act zu werben. Anders als von Jakob und seinen Beratern erhofft, äußerte sich Fagel im Namen Wilhelms III. und seiner Frau jedoch nicht im Sinne einer Aufhebung, betonte aber gleichwohl die Notwendigkeit, unter Beibehaltung der Privilegien der Staatskirche eine größere Toleranz für all diejenigen zu ermöglichen, die sich dem Gemeinwesen gegenüber friedlich und loyal verhielten.35 Er hatte damit bereits die Grundtendenz der Toleration Act vorweggenommen: Bewahrung der Staatskirche bei gleichzeitiger Lockerung der Strafgesetze gegenüber Abweichlern. 2. DIE IDENTITÄTSSTIFTENDE FUNKTION KONFESSIONELLER HOMOGENITÄT Es wäre zu einfach, wollte man die Problematik von Toleranz und Intoleranz nur auf den Sicherheitsaspekt reduzieren. Sicher, Nonkonformisten waren auch politisch suspekt. Schon seit der Loslösung der englischen Kirche von Rom standen insbesondere die englischen Katholiken unter dem Verdacht mangelnder nationa  33 Zu diesem Dokument vgl. insbesondere Lois G. Schwoerer: „Propaganda in the Revolution of 1688–89“ in: American Historical Review 82 (1977), S. 843–874, hier: S. 851–855. Jonathan I. Israel: „The Dutch Role in the Glorious Revolution“, in: Jonathan Israel (Hg.): The AngloDutch Moment. Essays on the Glorious Revolution and its World Impact. Cambridge 1991, S. 105–162, hier: 121–124. Tony Claydon: „William III’s Declaration of Reasons and the Glorious Revolution“, in: The Historical Journal 39 (1996), S. 87–108. Christoph Kampmann: „Das ‚Westfälische System‘, die Glorreiche Revolution und die Interventionsproblematik“, in: Historisches Jahrbuch 131 (2011), S. 65–92, hier: S. 75–81. 34 The Declaration of His Highness William Henry, By the Grace of God Prince of Orange, &c. Of the Reasons inducing him to appear in Arms in the Kingdome of England, for Preserving of the Protestant Religion, and for Restoring the Lawes and Liberties of England, Scotland and Ireland. Den Haag 1688, S. 1 [Wing/(2nd ed., 1994)/W2328C]. 35 Gaspar Fagel: A Letter Writ by Mijn Heer Fagel, Pensioner of Holland, To Mr. James Stewart, Advocate, Giving an Account of the Prince and Princess of Orange’s Thoughts concerning the Repeal of the Test, and the Penal Laws. Amsterdam 1688 [Wing/F88]. Vgl. Schochet: Act of Toleration, S. 182. Harris: Revolution, 256f. Pincus: 1688, S. 195.

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ler Loyalität, und sie wurden verdächtigt, offen für Einflussnahmen von außen zu sein. Diese ja durchaus mit dem Sicherheitsthema verknüpfte Problematik hatte aber eben auch eine nationale Dimension. Gerade weil sich England schon seit dem 16. Jahrhundert als Protestant nation definierte und somit nationale und konfessionelle Identität engstens miteinander verknüpfte, stand mit der konfessionellen Einheit immer auch die nationale Einheit zur Debatte.36 Intoleranz, gerade gegenüber Katholiken, hatte somit stets auch eine Komponente, die mit der Zugehörigkeit zur englischen Nation zu tun hatte. Zudem war der Katholizismus aufgeladen mit dem Vorwurf der Tyrannei, wie man sie zunächst mit Spanien und seit den 1670er Jahren zunehmend mit Frankreich identifizierte. „Popery and tyranny“ wurde daher zu einer fest etablierten Formel, mit der – nicht zuletzt im Kontext des Popish Plot und der Exclusion Crisis – das nationale Feindbild auf den Punkt gebracht werden konnte.37 Prinzipiell galten solche Zuschreibungen nationaler Fremdheit auch für die protestantischen Dissenters. Sich von der Anglikanischen Kirche zu trennen, hieß aus Sicht ihrer Gegner, sich von der nationalen Gemeinschaft loszusagen. Für die Vertreter jener am Arminianismus der Regierungszeit Karls I. orientierten hochkirchlichen Strömung im Anglikanismus spielte die enge Verbindung von Thron und Altar eine entscheidende Rolle für ihre Konzeption der Staatskirche.38 Dahinter stand das Ideal einer gottgewollten hierarchischen Ordnung von Krone und Bischöfen, wie sie bei Robert Filmer als patriarchalische Grundordnung ihren programmatischen Niederschlag fand. Die Ordnung des Staates spiegelte die natürliche Ordnung, wie sie in jeder Gemeinschaft seit Adam und Eva existierte.39 Davon abzuweichen, bedeutete, die göttliche Ordnung des Universums in Frage zu stellen. Auch deshalb musste der Dissent als so gefährlich wahrgenommen   36 Goldie: Theory, S. 332. Linda Colley: Britons. Forging the Nation, 1707–1837. New Haven u.a. 1992, S. 11–54. Colin Haydon: „,I love my King and my Country, but a Roman catholic I hate‘. Anti-catholicism, Xenophobia and National Identity in Eighteenth-Century England“, in: Tony Claydon und Ian Mc Bride (Hg.): Protestantism and National Identity. Britain and Ireland, c. 1650–c. 1850. Cambridge 1998, S. 33–52. Pasi Ihalainen: Protestant Nations Redefined. Changing Perceptions of National Identity in the Rhetoric of the English, Dutch and Swedish Public Churches, 1685–1772. Leiden 2005, S. 298–324. 37 Miller: Popery, S. 108–120. Ihalainen: Protestant Nations, S. 301–305. Colin Haydon: AntiCatholicism in eighteenth-century England, c. 1714–80. A Political and Social Study. Manchester u.a. 1993, S. 3f. 38 Vgl. Bennett: Tory Crisis, S. 5–7. Kenyon: Revolution Principles, S. 65f. Craig Rose: England in the 1690s. Revolution, Religion and War. Oxford 1999, S. 175. John Walsh und Stephen Taylor: „Introduction. The Church and Anglicanism in the ,long῾ eighteenth Century“, in: John Walsh, Colin Hayden u.a. (Hg.): The Church of England. C. 1689–c. 1833. From Toleration to Tractarianism. Cambridge 1995, S. 1–64, hier: S. 17, 33f. 39 Robert Filmer: Patriarcha and other Writings. Hrsg. v. Johann P. Sommerville. Cambridge 2000. Vgl. auch Gordon J. Schochet: Patriachalism in Political Thought. The Authoritarian Family and Political Speculation and Attitudes, especially in Seventeenth-Century England. New York 1975. Geoffrey Holmes: The Trial of Doctor Sacheverell. London 1973, S. 21f. Kenyon: Revolution Principles, S. 62–64.

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werden. Insbesondere aufgrund der Erfahrungen von Bürgerkrieg und Regizid wurden Dissenters verdächtigt, nicht nur Gegner der Staatskirche, sondern auch der Krone zu sein. Religiöser Nonkonformismus wurde schnell mit politischem Republikanismus assoziiert.40 Freilich zeichnete sich schon bald nach 1662 ab, dass die Kirche keineswegs homogen in ihrer Haltung zum Dissent und in ihrer Konzeptualisierung ihres Verhältnisses zur Krone war. Einer sich strikt am Arminianismus eines William Laud (Erzbischof von Canterbury 1633 bis 1645) anlehnenden Richtung, stand eine zahlenmäßig kleinere Gruppe von Geistlichen gegenüber, die sich für eine breite Kirche stark machte, die sich den moderaten Dissenters öffnen konnte und zur Aussöhnung bereit war. Sie waren gewillt, Abstriche im Bereich der Liturgie zu machen, um möglichst vielen Menschen die Identifikation mit der Staatskirche zu ermöglichen, und sie tendierten dazu, die Unterschiede innerhalb des Protestantismus nicht zu stark zu betonen, und stattdessen die Nähe auch zum kontinentaleuropäischen Protestantismus zu suchen sowie die Gemeinsamkeiten gegenüber dem Katholizismus hervorzuheben. Sie befürworteten zwar die episkopale Struktur der Anglikanischen Kirche, negierten aber den sakralen Charakter der kirchlichen Hierarchie.41 Der Antikatholizismus stellte für sie gewissermaßen eine gemeinsame Leitideologie für alle Protestanten dar. Diese Latitudinaristen erhielten indes erst nach der Glorious Revolution größeren Einfluss sowie die Möglichkeit, Schlüsselpositionen in der Kirche zu besetzen.42 Während die politischen Kräfte, die religiös dem Dissent und dem Latitudinarismus nahestanden, sich als Bewahrer des Protestantismus gegenüber einem aggressiven Katholizismus profilieren konnten, zeigte sich in der Exclusion Crisis der Jahre 1678 bis 1681 das Dilemma hochkirchlich-anglikanischer Positionen. Letztere blieben zum einen in ihrem Zweifrontenkampf gegen Katholizismus und protestantischem Nonkonformismus gefangen, und zum anderen hielten sie – nicht zuletzt auch aus der Erfahrung von Revolution, Bürgerkrieg und Interregnum – an einer strikten Ablehnung von Widerstand gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit fest.43 Ironischerweise war sie mit dieser Haltung gezwungen, einen katholischen Herrscher zu akzeptieren und somit ein gewisses Maß an Toleranz zu üben.44 Es waren also – und das ist nicht ganz unwichtig angesichts der in der älteren Forschung vorherrschenden Einschätzung der Entwicklung von Toleranz  40 Vgl. Goldie: Theory, S. 332. 41 Generell zur Strömung des Latitudinarismus William M. Spellman: The Latitudinarians and the Church of England, 1660–1700. Athens 1993. John Spurr: „Latitudinarianism and the Restoration Church“, in: The Historical Journal 31 (1988), S. 61–82. Walsh/Taylor: Introduction, S. 35–45. Rebecca L. Warner: Early Eighteenth Century Low Churchmanship. The Glorious Revolution and the Bangorian Controversy. Diss. phil. University of Reading 1999. 42 Vgl. z.B. Spellman: Latitudinarians, S. 5f. 43 Spurr: Restoration Church, S. 101, 173–177. Keeble: Restoration, S. 127f. Howard Nenner: The Right to be King. The Succession to the Crown of England 1603–1714. Chapel Hill 1995, S. 109–114, 120–146. 44 Spurr: Restoration Church, S. 87f.

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ideen – eben jene Kräfte, die eigentlich aufs engste mit der Anglikanischen Kirche verbunden waren und am vehementesten die Regelungen des Clarendon Code verfochten, die zugleich die Einheit von Krone und Altar aufzubrechen halfen, indem sie einen Nicht-Anglikaner auf den Thron erhoben. Innerhalb kürzester Zeit fanden sie sich in dem Dilemma wieder, entweder die tatsächlich oder vermeintlich gegen ihre Kirche gerichteten Maßnahmen Jakobs II. klaglos hinnehmen zu müssen oder ihre strikte Ablehnung jeglichen Widerstands gegen den von Gott eingesetzten Herrscher fallenzulassen.45 Es waren wohl auch die hierin zutage tretenden inneren Widersprüche, die dazu beitrugen, der latitudinaristischen Richtung nach der Glorious Revolution zum Durchbruch zu verhelfen. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Toleranzfrage in der Folge der Revolution von 1688/89, so fällt zunächst einmal auf, dass es nun offenbar möglich war, eine Toleranzakte im Parlament durchzusetzen. Dahinter steht jedoch das Scheitern umfassenderer Reunionspläne, die in der Comprehension Bill verwirklicht werden sollten. Obwohl Wilhelm III. wohl eher eine möglichst umfassende Toleranz favorisierte,46 befürworteten die ihm nahestehenden latitudinaristischen Geistlichen vehement eine Comprehension Bill. Ziel war eine umfassende Revision der anglikanischen Liturgie sowie des Book of Common Prayer von 1662, um den Bedürfnissen moderater Dissenters, insbesondere der Presbyterianer, entgegenzukommen. Hierzu wurde im Oktober 1689 eigens eine Kommission eingesetzt, die auch tatsächlich Vorschläge ausarbeitete.47 Die Priorität dieser Geistlichen für die Comprehension ist durchaus bezeichnend, war Toleranz aus ihrer Sicht doch nur die Notlösung für diejenigen, deren „scrupulous consciences“48 trotz allen Entgegenkommens einer Vereinigung mit der Staatskirche entgegenstanden. Das eigentliche Ziel war jedoch, möglichst viele Dissenters zur Rückkehr in die nationale Kirche zu bewegen. Schon 1681 hatte Edward Stillingfleet von einer latitudinaristischen Position aus die „Unreasonableness of Separation“ hervorgehoben.49 Das vorrangige Ziel war die nationale Einheit im   45 Goldie: Political Thought, S. 102f. 46 Vgl. Schochet: Act of Toleration, S. 182. Sowie – freilich mit einer Argumentation, die Wilhelm zu sehr in Abhängigkeit seiner internationalen Bündnispartner wahrnimmt – Jonathan I. Israel: „William III and Toleration“, in: From Persecution to Toleration, S. 129–170. 47 Vgl. dazu etwa Schochet: Act of Toleration, S. 180f., 184f. Cornwall: Visible and Apostolic, S. 34f. Warner: Low Churchmanship, S. 391f. Spurr: Church of England, S. 938f. 48 An Act for Exempting their Majestyes Protestant Subjects dissenting from the Church of England from the Penalties of certaine Lawes [Chapter XVIII. Rot. Parl. pt. 5 nu. 15.], abgedruckt in: Statutes of the Realm. Bd. 6: 1685–1694, London 1819, S. 74–76, hier: S. 74. 49 So der Titel eines Traktats. Edward Stillingfleet: The Unreasonableness of Separation. Or, an Account of the History, Nature, and Pleas of the Present Separation from the Communion of the Church of England. To which, Several late Letters are Annexed of Eminent Protestant Divines Abroad, concerning the Nature of our Differences, and the Way to Compose them. London 1681 [Wing/S5675]. Ganz ähnlich auch schon ders.: The Mischief of Separation. A Sermon Preached at Guild-Hall Chappel, May 2, 1680. Being the First Sunday in EasterTerm, Before the Lord-Mayor, &c. London 1680 [Wing/S5608]. Vgl. dazu auch Kamen: Rise, S. 203f. Goldie: Theory, S. 333.

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Glauben, und nicht Toleranz von Abweichlern. Gerade weil die äußere Form des Gottesdienstes zu den Adiaphora gehörte, konnten Einheit und Ordnung zu übergeordneten Zielen werden.50 Gerade an dem Ringen um die Comprehension Bill, die letztlich in der Convocation, der gewissermaßen als kirchliches ‚Parlament‘ zu charakterisierenden synodalen Versammlung der Anglikanischen Kirche, scheiterte,51 werden die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Kirche deutlich. Hinter diesem Ringen stand keineswegs nur die Frage nach dem „wahren Glauben“, sondern insbesondere diejenige nach der Position der Kirche innerhalb des postrevolutionären Staates. Die Befürworter der Comprehension und damit einer breiten, Liturgiefragen als Adiaphora behandelnden Kirche bezogen zugleich eine erastianische Position, waren also bereit, sich und die Kirche dem postrevolutionären Staat unterzuordnen und diesem die Regelung der Adiaphora zu überlassen.52 Die überwiegende Mehrheit des Unterhauses der Convocation, also vor allem der Pfarrklerus, hingegen hielt an einer Hochkirche mit genau festgelegter und elaborierter Liturgie sowie einer vom Staat unabhängigeren episkopalen Hierarchie fest. Für sie gab es in Kirchenfragen keine Kompromisse, weil sie eben keine Adiaphora waren, sondern sakralen, gottgewollten Charakter hatten.53 Letztlich scheiterte am Widerstand der Unterhausmehrheit die Comprehension Bill, und so blieb nur der Weg der Toleranz, die im Parlament bereits verabschiedet worden war. Die Toleration Act hob die Strafgesetze des Clarendon Code nicht auf, sie suspendierte sie nur unter bestimmten Bedingungen.54 Natürlich ging es auch hier v.a. um die Stellung der protestantischen Dissenters, und nicht etwa um die der Katholiken oder Antitrinitarier, was – wie oben bereits angesprochen – in der Forschung vielfach als entscheidendes Defizit der Toleration Act angeführt wird. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Regierung Jakobs die erreichte Toleranz durchaus weitgehend war, und man sollte sich zudem hüten, die Folgen der Toleration Act zu gering zu veranschlagen. Auch wenn diese Folgen sicher nicht   50 Vgl. z.B. Mark Goldie: „John Locke, Jonas Proast and Religious Toleration, 1688–1692“, in: The Church of England, c. 1689–c. 1833, S. 143–171, hier: S. 156f. Warner: Low Churchmanship, S. 110–127, 376–390. Dass eine solche Haltung durchaus intolerante Züge annehmen konnte, indem sie einen Zwang zum Eintritt in die erweiterte Kirche ausübte, betonen Goldie: Theory, S. 332f. Schochet: Act of Toleration, S. 172. 51 Das House of Lords hatte die Bill bereits verabschiedet, bevor sie vom Unterhaus an die Convocation der Erzdiözese Canterbury verwiesen wurde; vgl. Goldie: John Locke, S. 157. Horwitz: Parliament, S. 25f. 52 Vgl. Schochet: Act of Toleration, S. 172. Warner: Low Churchmanship, S. 90–100, 159–166, 172–195. John Spurr: „Religion in Restoration England“, in: Barry Coward (Hg.): A Companion to Stuart Britain. Malden 2003, S. 416–435, hier: S. 429. 53 Vgl. Cornwall: Visible and Apostolic, S. 12, 59–70. Warner: Low Churchmanship, S. 155– 158, 401f. Spurr: Religion, S. 429. 54 Vgl. dazu Horwitz: Parliament, S. 29. Warner: Low Churchmanship, S. 392. Schochet: Act of Toleration, S. 184–186. Wykes: Bitterly Censur’d, S. 296.

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intendiert waren, so bedeutete das Gesetz im Endeffekt nicht weniger als das Ende des staatskirchlichen Monopols. Niemand konnte mehr wegen des Fernbleibens vom Gottesdienst in der anglikanischen Pfarrkirche bestraft werden. Wenn es möglich war, sich stattdessen in registrierte „Conventicles“ und „Meeting Houses“ zu begeben, so war es auch möglich, ganz fernzubleiben. In der Folge der Toleration Act trat daher auch für die Katholiken eine wesentliche Erleichterung ein.55 Trotz des Scheiterns der Comprehension und der Einigung auf eine Toleration schwelte der Konflikt in den Folgejahren weiter, was zeigt, wie umstritten die Toleranzfrage auch nach der Revolution blieb. Das wird etwa deutlich an der vehement ausgefochtenen Occasional Conformity Debatte, in der zwar nur noch selten offen die Toleration Act in Frage gestellt wurde, in der aber die Praxis vieler Dissenters, einmal im Jahr am anglikanischen Gottesdienst teilzunehmen, um die Berechtigung für ein öffentliches Amt zu erhalten, scharf attackiert wurde.56 Die Tory-Mehrheit im Parlament verabschiedete schließlich zwischen 1710 und 1713 zwei restriktive Gesetze, die Occasional Conformity Act und die Schism Act, die die Teilnahme von Dissenters am öffentlichen Leben sowie die Errichtung nonkonformer Schulen einschränkten. Beide Gesetze wurden erst 1718 von einer Whig-Mehrheit wieder aufgehoben.57 3. RELIGIÖSE MOTIVE FÜR TOLERANZ UND INTOLERANZ Sicherheit sowie die Frage nach dem Wesen der Kirche und ihrem Verhältnis zum Staat spielten wie gezeigt eine wichtige Rolle in der Toleranzdebatte der Restaurations- wie auch der Revolutionsära. Es wurde deutlich, dass gerade auch vermeintlich säkulare Argumente zur Plausibilisierung einer eher intoleranten und ausgrenzenden Haltung herangezogen werden konnten. Gleichwohl gab es zweifellos auch genuin religiöse Motive und Diskurse, die in der Frage des Umgangs   55 Vgl. John Bossy: „English Catholics after 1688“, in: From Persecution to Toleration, S. 369– 387. Warner: Low Churchmanship, S. 347f. 56 Vgl. John Flaningham: „The Occasional Conformity Controversy. Ideology and Party Politics, 1696–171“, in: Journal of British Studies 17 (1977), S. 38–62. Mark Knights: „Occasional Conformity and the Representation of Dissent. Hypocrisy, Sincerity, Moderation and Zeal“, in: Stephen Taylor und David L. Wykes (Hg.): Parliament and Dissent. Edinburgh 2005, S. 41–57. Geoffrey Holmes: „Religion and Party in Late Stuart England“, in: Geoffrey Holmes (Hg.): Politics, Religion and Society in England. 1679–1742. London 1986, S. 181– 215, hier: S. 195–203. Gibson: Church of England, S. 75–85. Cornwall: Visible and Apostolic, S. 35f. 57 Vgl. David L. Wykes: „Religious Dissent, the Church, and the Repeal of the Occasional Conformity and Schism Acts 1714–1719“, in: Robert D. Cornwall und William Gibson (Hg.): Religion, Politics and Dissent 1660–1832. Essays in Honour of James E. Bradley. Farnham 2009, S. 165–183. Gibson: Church of England, S. 85. Cornwall: Visible and Apostolic, S. 36f.

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mit Anderskonfessionellen zum Tragen kamen.58 Das gilt zunächst einmal für die Begründung von Intoleranz. Sehr offen wurde von Klerikern der Restaurationsära die strikte Anwendung der Penal Laws und die Nutzung des weltlichen Schwerts zur Ausrottung der Häresie gefordert und mit Rekurs auf die Kirchenväter, allen voran Augustinus, begründet.59 Eine solche Verfolgungsdoktrin richtete sich gleichermaßen gegen die protestantischen Dissenters wie gegen die Katholiken. Sie hing zusammen mit einer spezifischen Auffassung von Gewissen und Wahrheit. Während etwa der Hugenotte Pierre Bayle das Eigenrecht des Gewissens betonte60, beharrte die Lehrmeinung der anglikanischen Kirche auf der Auffassung, dass nur das informierte, das mit der religiösen Wahrheit vertraute Gewissen, nicht jedoch das irrende Gewissen ein Recht auf freie Äußerung habe. Verschiedene Predigten verwiesen mit Blick auf die Katholiken auch nach 1688 noch auf Römer X.2: „For I bear them record that they have a zeal of God, but not according to knowledge.“61 Intoleranz konnte sich auf eine Lehre vom Gewissen berufen, die das Gewissen eben nicht als unabänderlichen und ureigensten Aspekt individueller Persönlichkeit verstand, sondern den Einzelnen verpflichtete, sein Gewissen in Einklang mit der Wahrheit zu bringen. Deutlich wird dies etwa in der Argumentation von Edward Stillingfleet. Für ihn „a wilful Error or mistake of Conscience doth by no means excuse from sin“.62 Jeder Einzelne habe daher die Pflicht, sich redlich um Wissen um die Wahrheit zu bemühen.63 Für Jonas Proast konnte diese Verpflichtung sogar ein gewisses Maß an Zwang rechtfertigen. In seiner Antwort auf John Lockes Letter Concerning Toleration wies er darauf hin,

  58 Vgl. die apodiktische Behauptung von Harris: Restoration, S. 55. Das Argument für die Intoleranz sei „political, not religious“ gewesen, erscheint etwas einseitig. 59 Vgl. etwa Goldie: Theory, S. 331–350. 60 Zur Toleranzkonzeption Pierre Bayles vgl. Élisabeth Labrousse: Pierre Bayle. Hétérodoxie et rigorisme. Paris (11964) 1996, S. 520–591. Labrousse: „Bayle und Jurieu“, in: Thilo Schabert (Hg.): Aufbruch zur Moderne. Politisches Denken im Frankreich des 17. Jahrhunderts. München 1974, S. 114–151, hier: S. 124–134. Guggisberg: Toleranz, S. 215–218. Simone Zurbuchen: Naturrecht und natürliche Religion. Zur Geschichte des Toleranzbegriffs von Samuel Pufendorf bis Jean-Jacques Rousseau. Würzburg 1991, S. 79–83. Bizeul: Pierre Bayle. 61 Z.B. John Sharpe: A Sermon Preached before the Lords Spiritual and Temporal in Parliament Assembled, in the Abbey-Church at Westminster, on the Fifth of November. London 1691, S. 1 [Wing/S2995]. Richard Newton: A Sermon Preach’d before the Queen, in the RoyalChappel at Windsor, on Thursday November the 5th. 1713. Publish’d at Her Majesty’s Special Command. London 1713, S. 1 [ESTC T003092]. Henry Lambe: Christian Zeal Display’d. A Sermon Preach’d before the Right Honourable Sir Peter Delme, Kt. Lord-Mayor of the City of London, And the Right worshipful Court of Aldermen, &c. In the Cathedral Church of St. Paul, on Tuesday, November the 5th. 1723. London 1723, S. 1 [BL 225.g.10.(18.)]. 62 Stillingfleet: Mischief, S. 42. 63 Stillingfleet: Mischief, S. 45. Vgl. dazu auch Goldie: Theory, S. 353–358. Warner: Low Churchmanship, S. 108–110.

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dass Zwang einen Menschen dazu bringen könne, über die wahre Religion nachzudenken und sich den Argumenten der Vernunft zu öffnen.64 Doch obwohl daraus durchaus eine Argumentation abgeleitet wurde, dass Leiden für den falschen Glauben kein Martyrium sei und die Dissenters und Katholiken nicht verfolgt würden, weil nur das Vorgehen gegen den wahren Glauben Verfolgung sei,65 so lassen sich dennoch gerade in der theologischen Argumentation Ambivalenzen in Bezug auf die Toleranzfrage feststellen. Besonders im Hinblick auf den Antikatholizismus wird dies exemplarisch deutlich: Einerseits etablierte sich in zahlreichen Flugschriften, Predigten und theologisch-historischen Abhandlungen das Bild des Katholizismus als Reich des Antichristen, als das Reich des Bösen schlechthin. Ein herausragendes Beispiel für eine solche Darstellung ist sicher Gilbert Burnets History of the Reformation, deren erste zwei Bände 1678 und 1681, also genau in der Phase der Exclusion Crisis, erschienen. Burnet spricht in fast manichäischer Weise von der wahren Kirche Gottes und der falschen Kirche Satans, die sich unversöhnlich gegenüberstanden und sich zum Endkampf des heraufziehenden Milleniums rüsteten.66 Imaginationen des Katholizismus erhielten so eine geradezu apokalyptische oder chiliastische Dimension. Damit ist aber zugleich eine andere Seite dieses Diskurses angesprochen. Tony Claydon hat zurecht darauf hingewiesen, dass es für Burnet ganz wesentlich darauf ankam, dass die englische Kirche die wahre Kirche Gottes verkörpern solle. Diese unterschied sich eben gerade darin vom Reich Satans, dass sie auf das Mittel der religiösen Verfolgung verzichtete.67 Schon im 16. Jahrhundert hatten der Franzose Jean Crespin und der Engländer John Foxe in ihren Märtyrerbüchern das Martyrium als Zeichen der wahren Kirche verstanden. Die wahre Kirche war stets die kleine Schar der Verfolgten und Unterdrückten, die „poore oppressed and persecuted Church of Christ“, während die Verfolger und Unterdrücker das Reich des Antichristen repräsentierten.68 1687 predigte Burnet, dass Verfolgung eine   64 Jonas Proast: The Argument of the Letter concerning Toleration, Briefly Consider’d and Answer’d. Oxford 1690, S. 4, 10–12 [Wing/P3538]. Vgl. zur Kontroverse zwischen Locke und Proast Goldie: Theory, S. 362–368. Goldie: John Locke. 65 Goldie: Theory, S. 358f. 66 Zum Werk von Tony Claydon vgl. William III and the Godly Revolution. Cambridge 1996, S. 32–47. Zur Bedeutung für die Wahrnehmung des Katholizismus in England Claydon: „Latitudinarianism and Apocalyptic History in the Worldview of Gilbert Burnet. 1643-1715“, in: The Historical Journal 51 (2008), S. 577–597, hier: S. 577f. Zu Burnet auch Peter Burke: „The Politics of Reformation History. Burnet and Brandt“, in: Coenraad A. Tamse und Alastair C. Duke (Hg.): Clio’s Mirror. Historiography in Britain and the Netherlands. Papers Delivered to the Eighth Anglo-Dutch Historical Conference. Zutphen 1985, S. 73–85. John E. Drabble: „Gilbert Burnet and the History of the English Reformation. The Historian and His Milieu“, in: Journal of Religious History 12 (1983), S. 351–363. Martin Greig: „Burnet, Gilbert (1643–1715). Bishop of Salisbury and Historian“, in: The Oxford Dictionary of National Biography. Oxford 2004. URL: http://www.oxforddnb.com/view/article/4061?docPos=1. 67 Vgl. Claydon: Latitudinarianism, S. 590. 68 The Acts and Monuments of John Foxe: A New and Complete Edition. 8 Bde. Hrsg. v. Stephen Reed Cattley. London 1841, hier: Bd. 1, S. 515. Ähnlich Jean Crespin: Le Livre des  

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„more infallible mark of an Antichristian Church“ sei als alle anderen Zeichen.69 Folgt man Claydon, so zielten Burnets Äußerungen eben nicht nur auf eine Verurteilung der Verfolgung von Protestanten, sondern von Verfolgung überhaupt. Dementsprechend warnte Burnet auch in einer unmittelbar nach der Ankunft Wilhelms in London gehaltenen Predigt vor Übergriffen auf Katholiken: „No, we are Christians, and therefore we must not only love our Brethren, but even our Enemies and our Persecutors“, heißt es dort. Und weiter: But if Revenge and Animosity prevail over the softer and wiser Councils, that Reason and Religion may suggest, and if in all that we do, we take not care to have God ever on our side, it will be easie for him to blast all Councils, and to defeat even the greatest and best-laid Designs.70

Auch in der Predigt, die er anlässlich der Krönung Wilhelms und Marias hielt, betonte Burnet die Notwendigkeit einer unbedingten Ausrichtung der Herrschaft an den Geboten Gottes. Dazu gehörte auch die Förderung der wahren Religion, doch er warnte zugleich vor Tyrannei in der Kirche Gottes: Das Neue Jerusalem, die „City of God“, könne nur geschaffen werden, „when Impiety and Vice are punished, and Error is repressed, but without the ruine of such as are involved in it“.71 In zahlreichen Predigten des ausgehenden 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts wurde der Katholizismus als „bloody religion“ präsentiert, als Verfolgerreligion, die für zahlreiche Massaker und Grausamkeiten in Vergangenheit und Gegenwart verantwortlich sei.72 „Good God! what a strange Religion must that needs be which teacheth its Professors to Stab, Poison, Murder, and to Blow up into the Air, all such as differ from them“, schrieb der Prediger Thomas Knaggs

 

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Martyrs, qui est vn Recveil de plusieurs Martyrs qui ont enduré la mort pour le Nom de nostre Seigneur Iesus Christ, depuis Iean Hus iusques à ceste année presente M.D.LIIII. [Genf] 1554, fol. *.ii: „Entre les marques de la vraye Eglise de Dieu, ceste-cy a esté l’une de principales, à sauoir, qu’elle a de tous temps soustenu les assauts des persecutions.” Zitiert nach Claydon: Latitudinarianism, S. 590. Gilbert Burnet: A Sermon Preached In the Chappel of St. James’s, Before His Highness the Prince of Orange, 23d of December, 1688. London 1689, S. 28–31 [Wing/B5884]. Gilbert Burnet: A Sermon Preached at the Coronation of William III. and Mary II. King and Queen of England, […] France, and Ireland, Defencers of the Faith; in the Abby-Church of Westminster. April 11. 1689. London 1689, S. 19f. [Wing/B5888]. Vgl. etwa Burnet: Sermon Preached In the Chappel, S. 11f. Sermon Preach’d in a Country Church, S. 9f. John Ollyffe: England’s Call to Thankfulness, for Her Great Deliverance from Popery and Arbitrary Power, By the Glorious Conduct of the Prince of Orange (now King of England) in the Year 1688. In a Sermon preach’d in the Parish Church of Almer in Dorsetshire on February the 14th, 1688/89. London 1689, S. 4 [Wing/O288]. Thomas Watts: A Sermon Preached upon Febr. the 14th. Being the Day of Thanksgiving To Almighty God, for having made His Highness the P. of Orange, &c. The Glorious Instrument of the Great Deliverance of this Kingdom from Popery and Arbitrary Power. London 1689, S. 4 [Wing (2nd. Ed.)/W1158].

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1693.73 Schon vor 1688 war diese Position, die Verfolgung generell mit dem Antichristen identifizierte, insbesondere von Dissenters vorgebracht worden.74 Selbst Locke, dessen Letter Concerning Toleration insbesondere für eine säkulare, auf den Staat bezogene Argumentation bekannt ist, erklärte Toleranz zugleich als „chief Characteristical Mark of the True Church“.75 Nach der Revolution wiesen zahlreiche Kleriker, insbesondere der Low Church darauf hin, dass Duldsamkeit ein Zeichen der wahren, Intoleranz und Verfolgung hingegen ein untrügliches Merkmal der falschen und antichristlichen Kirche sei.76 Nahm man diese Haltung ernst, so eröffnete sich hier ein theologisch und eschatologisch begründeter Weg zur Toleranz, der nichts mit einem frühaufklärerischen Rationalismus oder gar mit Säkularisierung zu tun hatte. Toleranz war dann einfach die notwendige Selbstvergewisserung, auf der richtigen Seite, auf der Seite der wahren Kirche Gottes zu stehen. Die Anglikanische Kirche musste Toleranz üben, um nicht selbst Teil der Kirche Satans zu sein. 4. FAZIT Im vorliegenden Beitrag stand Toleranz weniger als Idee oder als philosophisches Konzept im Mittelpunkt, sondern es wurde versucht, Praktiken und Vorstellungen von Toleranz im unmittelbaren Kontext der Entwicklungen seit der Wiedererrichtung sowohl der englischen Monarchie als auch der Anglikanischen Kirche nach 1660 zu verorten. Toleranz bzw. Intoleranz standen in direkter Verbindung zu den politischen wie auch innerkirchlichen Auseinandersetzungen der Zeit. Dabei hat sich gezeigt, dass die Erwägungen, die Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts eher als „säkular“ charakterisiert würden, nicht immer die Toleranz förderten, sondern im Gegenteil Argumente für Intoleranz liefern konnten. Das gilt für Sicherheitsargumente ebenso wie für die Fragen nach nationaler Einheit oder nach dem Verhältnis von Kirche und Staat. Auf der anderen Seite konnten genuin religiöse Vorstellungen, etwa apokalyptisch-millenarische Denkweisen, so „fundamentalistisch“77 sie auf den ersten Blick erscheinen mögen, durchaus förderlich für die Entwicklung von Toleranzideen sein, indem sie Intoleranz und Verfolgung mit dem Antichristen identifizierten. So ließ sich Toleranz auf eine Weise begrün  73 Thomas Knaggs: A Sermon Preached before the Right Honourable Lord-Mayor and Court of Aldermen at Bow-Church, On Sunday, November the Fifth, 1693. London 1693, S. 7 [BL 694.f.6.(11.)]. 74 Vgl. Hill: Antichrist, S. 144. 75 Locke: Letter, S. 1. Vgl. auch John Coffey: „Scepticism, Dogmatism and Toleration in Seventeenth-Century England“, in: Persecution and Pluralism, S. 149–172, hier: S. 170. Warner: Low Churchmanship, S. 372f. Cornwall: Visible and Apostolic, S. 23. 76 Vgl. auch Warner: Low Churchmanship, S. 309–311, 370–373. 77 Den etwas anachronistischen Begriff des „Fundamentalismus“ hat Heinz Schilling in die Debatte eingeführt: Heinz Schilling (Hg.): Konfessioneller Fundamentalismus. Religion als politischer Faktor im europäischen Mächtesystem um 1600. München 2007.

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den, die denkbar weit entfernt ist von dem, was wir als frühaufklärerisch oder gar als „modern“ bezeichnen würden. Am Ende des Beitrags steht also ein paradoxer Befund, der jedoch nur solange paradox erscheint, wie wir an einer teleologischen Sicht festhalten, die Toleranz mit säkularisierungs- und modernisierungstheoretischen Ansätzen verbindet.

DIE TOLERANZGARANTIE FÜR KAUFMÄNNER UND SEELEUTE IM SPANISCH-ENGLISCHEN FRIEDENSVERTRAG VON 1604 Wolfgang Forster 1. DER FRIEDENSVERTRAG VON 1604 Der als „Treaty of London“ oder „Paz des Londres“ bekannte Friedenvertrag zwischen Philipp III. von Spanien und James I. von England von 28. August 16041 beendete einen seit 1585 bestehenden Kriegszustand zwischen der englischen Krone und der spanischen Monarchie, der die Ressourcen beider Nationen aufgezehrt hatte.2 Regelungsgegenstände des Friedensvertrages waren u.a. der Verzicht Englands auf weitere Unterstützung der Niederlande.3 Weiter wurde der englische Handel durch Engländer in Spanien gewährt, die also mit ihren Schiffen Zugang zu spanischen Häfen bekamen. Die ungehinderten Handelsbeziehungen waren dabei für beide Seiten von erheblicher Bedeutung. Ein englischer Handel setzte natürlich voraus, dass Engländer spanischen Boden betreten. Damit bestand ein grundsätzlicher Konflikt mit der Aufgabe der spanischen Inquisitionsbehörde, die Ausbreitung protestantischer Ideen zu verhindern, was insbesondere durch die Durchsuchung von Schiffen auf häretische Literatur vollzogen wurde. Englische Forderung in den Verhandlungen war daher, die Un  1

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Im damals in England noch benutzten julianischen Kalender lautet das Datum auf den 18. August 1604. Ratifiziert wurde der Vertrag durch James I. in London einen Tag später, durch Philipp III. in Valladolid am 15. Juni 1605, vgl. Carlos Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra y el comercio septentrional (1566–1609). Madrid 1988, S. 352f. Vgl. Albert J. Loomie: „Toleration and Diplomacy. The Religious Issue in Anglo-Spanish Relations, 1603–1605“, in: Transactions of the American Philosophical Society 53,6 (1963), S. 1–60, hier: S. 6b: „Spain could no longer afford the luxury of war as an instrument of diplomacy.“ Vgl., mit Betonung des militärischen Kontextes, Paul C. Allen: Philip III and the Pax Hispanica, 1598–1621. The failure of grand strategy. New Haven 2000, S. 99–114 (Vorgeschichte), S. 115–138 (zu den Verhandlungen). Vgl. ferner die Darstellung im dynastischen und internationalen Kontext in Luc Duerloo: Dynasty and Piety. Archduke Albert (1598–1621) and Habsburg Political Culture in an Age of Religious Wars. Farnham 2012, S. 162–176; im Kontext der Bekämpfung protestantischer Ideen in Spanien in Werner Thomas: La represión del protestantismo en España 1517–1648. Leuven 2001, S. 301–310; mit Schwerpunkt auf der Situation der englischen Katholiken in Loomie: Toleration and Diplomacy, S. 1–36.

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tertanen des englischen Königs, nämlich die englischen Kaufleute und Schiffsbesatzungen, während ihres Aufenthalts in Spanien vor dem Zugriff der lokalen Inquisitoren zu schützen.4 Die spanische Seite brachte umgekehrt ihre Forderung nach Glaubensfreiheit für die englischen Katholiken ein.5 In der entscheidenden Verhandlungsrunde wurde durch den englischen Verhandlungsführer jedoch klargestellt, dass eine solche Regelung unmöglich sei, da sie vom puritanisch dominierten Parlament niemals akzeptiert würde.6 2. DIE TOLERANZGARANTIE IN ART. 21 DES FRIEDENSVERTRAGES Der in Latein abgefasste Friedensvertrag wurde schon 1605, im Jahr seines InKraft-Tretens, in jeweils einer spanischen7 und einer englischen8 Übersetzung im Druck veröffentlicht. In der englischen Übersetzung lautet Art. 21: the rights of Commerce […] ought not to be made unfruitfull, as they would if the Subjects of the […] King of England, Scotland &c. whilest they have recourse to and from the Kingdomes and Dominions of the […] King of Spaine […], and do remaine there for Commerce, should be molested in the cause of Conscience: therefore to the intent their Traffique may be safe, and without danger, as well as Land as on Sea, the […] King of Spaine […] shall take care, that for the said cause of Conscience they shall not be molested, nor inquieted in using their Trade and Commerce, so as they give no scandall unto others.9

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Solche Forderungen wurden schon seit 1572 durch Elisabeth I. gestellt, vgl. Thomas: La represión, S. 272f. Dies war ein besonders von König Philipp III. betontes Anliegen, vgl. die eigenhändige Anweisung an den Gesandten Juan de Tassis in Loomie: Toleration and diplomacy, S. 21b sowie S. 24. Vgl. Allen: Philip III and the Pax Hispanica, S. 137. Duerloo: Dynasty and Piety, S. 175: „[…] a last-minute effort to secure some relief for the English Catholics, but he soon realized that Parliament would block any attempt to do so.“ Loomie: Toleration and Diplomacy, S. 31 und 34a: „He [i.e. Juan de Idiaquez] noted that Parliament had made it clear to King James that the recusancy laws were not to be relaxed.“ Vgl. Capitulaciones de la paz, hecha entre el Rey nuestro señor, los […] Archiduques Duques de Borgoña, sus hermanos y el […] Rey de la Gran Bretaña […] las quales se concluyeron por los diputados […] en Londres, a 18. de Agosto, de 1604. Traduzidas de Latin en Castellano. Valladolid 1605. Vgl. Articles of peace, entercourse, and commerce, concluded in the names of the most high and mighty kings, and princes Iames by the grace of God, King of great Britaine, France, and Ireland, defender of the faith, &c. and Philip the third, King of Spaine, &c. and Albertus and Isabella Clara Eugenia, Archdukes of Austrice, Dukes of Burgundie, &c. In a treatie at London the 18. day of August after the old stile in the yeere of our Lord God 1604. Translated out of Latine into English. London 1605. Reprint Amsterdam/New York 1971. Articles of peace, Art. XXI.

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1. Die erfassten Personen Zweck der Norm ist die Sicherung des Handels zwischen England und Spanien. Dabei werden in der Norm nicht nur englische Kaufleute als solche erfasst, sondern auch die Untertanen des Königs James, während sie nach und von den spanischen Territorien reisen („whilest they have recourse to and from the Kingdomes and Dominions of the […] King of Spaine“) und sich dort für den Handel aufhalten („remaine there for Commerce“). Die Garantie erfasst also auch die Schiffsbesatzungen. Umgekehrt ist sie aber auch enger als eine Garantie für alle englische Kaufleute, da nur diejenigen angesprochen werden, die kommen, dort zum Handel verbleiben („remaine there for Commerce“) und wieder gehen. Das scheint sich jedenfalls aus dem Satzbau zu ergeben, in dem die Satzteile „whilest they […]“ und „and do remaine there“ sich gleichermaßen und kumulativ auf „the Subjects of the […] King“ beziehen. Die Kaufleute, die sich endgültig dauerhaft in Spanien niederlassen, werden also nicht erfasst. Die Formulierung zieht hierfür aber keine Grenze: Nach dem Wortlaut könnte ein englischer Kaufmann auch nach Jahrzehnten des Aufenthalts in Spanien sich darauf berufen, sich nur wegen des Handels in Spanien aufzuhalten und deswegen von Art. 21 erfasst zu sein. Für die erfassten englischen Untertanen enthält Art. 21 nur, aber immerhin die Zusage, nicht durch Untersuchungen, nämlich der spanischen Inquisitionsbehörde, belästigt zu werden. Eine Zusage von Gewissensfreiheit oder Glaubensausübungsfreiheit enthält sie nicht.10 Die zweite Auslegungsfrage stellt der letzte Halbsatz. Denn in ihm wird die Toleranzgarantie bedingt dadurch, dass die Engländer mit ihrem Verhalten keinen Skandal verursachen: „so as they give no scandall unto others.“ Ob die Engländer also vor Untersuchung sicher sind, hängt von dem schillernden und schwer fassbaren Begriff des „scandalum“ ab. Dieser hat ein Spektrum vom „Stolperstein“ im Sinn von „zum Fall Anlass geben“ bis zur öffentlich begangenen Sünde, die als solche schwerer wiegt als andere.11 Hier ist wohl eine bewusste und schwere sowie öffentliche Normverletzung gemeint. 2. Das Zusatzprotokoll Entscheidend für die tatsächliche Behandlung englischer Kaufleute und Schiffsbesatzungen war aber eine Regelung in einem von zwei Zusatzprotokollen zum Friedensvertrag. Es wurde von der spanischen Delegation in London vorbereitet

  10 Vgl. Thomas: Represión, S. 308f. 11 Zur mittelalterlichen kirchenrechtlichen Tradition vgl. Arnaud Fossier: „,Propter vitandum scandalum‘. Histoire d’une categorie juridique (XIIe-XVe siècle)“, in: Mélanges de l’Ecole française de Rome – Moyen Âge 121 (2009), S. 317–348.

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und dann vom spanischen Gesandten, dem „Condestable de Castilla“,12 der auch inhaltlich dazu ermächtigt war, abgezeichnet.13 Daher wird es auch öfters als geheimes oder privates Zusatzprotokoll bezeichnet. In der 1605 publizierten englischen Übersetzung ist es allerdings schon enthalten,14 in der spanischen Übersetzung aus dem gleichen Jahr jedoch nicht. Nach einer diplomatischen und protokollarischen Auseinandersetzung wurde der Text des Zusatzprotokolls entgegen dem englischen Wunsch 1605 nicht zusammen mit dem Text des Friedensschlusses ratifiziert. Der spanische König verpflichtete sich vielmehr, es persönlich abzuzeichnen und den Hafenautoritäten seiner Herrschaft (einschließlich Neapels und Siziliens) zustellen zu lassen.15 Das Zusatzprotokoll enthält konkrete Bestimmungen über den Umgang der Inquisition mit den Untertanen des englischen Königs. Sein Art. 1 legt fest, dass außerhalb Spaniens begangene Taten nicht verfolgt werden können.16 Das mag als Selbstverständlichkeit erscheinen, hat jedoch einige Bedeutung, da dadurch mit einem Federstrich Aussagen geflohener englischer Katholiken oder auch diejenigen anderer Engländer über Meinungsäußerungen während der Schiffspassage usw. irrelevant wurden.17 Art. 2 statuiert, dass die Engländer nicht zum Kirchenbesuch gezwungen werden; falls sie Kirchen betreten, müssen sie sich aber gegenüber dem Allerheiligsten respektvoll verhalten, d.h. die Kopfbedeckung abnehmen und eine Kniebeuge machen. Wenn sie dem Allerheiligsten auf der Straße begegnen, etwa bei einer Prozession, gilt das gleiche, oder sie gehen in eine andere Straße oder ein Haus.18 Das bedeutet umgekehrt, dass Spanier – einschließlich der Inquisition – eben solches Verhalten protestantischer Kaufleute tolerieren   12 Juan Fernández de Velasco y Tovar, ca. 1550–1613. Der Titel des „Condestable de Castilla“ war seit 1473 in der Familie Fernández de Velasco erblich. 13 Vgl. Loomie: Toleration and Diplomacy, S. 35f. 14 Vgl. Articles of peace, Anhang: „Three Articles concerning a moderation to be had in the proceedings of the Inquisition, toward the Kings Maiesties Subiects, in Spaine.“ Abgedruckt auch in Ralph Winwood: Memorials of Affairs of State in the Reigns of Q. Elizabeth and K. James I., Bd. 2, London 1725, S. 29. 15 Vgl. Winwood: Memorials, S. 69–71. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 353. 16 Vgl. Articles of peace, Anhang: „First, if they have exceeded in any thing before their entrance into Spaine, they shall not be called into the Inquisition for the same, neither shall bee molested for any of those things so committed, out of Spaine, neither shall any Account for the same bee demanded.“ 17 Vgl. Thomas: Represión, S. 306: „De un golpe esta cláusula convirtió en papelote los expedientes agravantes contra mercaderes y viajeros protestantes compuestos paciente y meticulosamente por los jueces y fiscales inquisitoriales a base de las denuncias hechas por católicos ingleses huidos o por sus compatriotas protestantes durante su proceso inquisitorial.“ 18 Vgl. Articles of peace, Anhang: „II. Also if they will not enter into the Churches, no man shall compell them thereunto, but if they doe enter into the same, they shall performe those duties & reverence, which are used towards the holy Sacrament of the Altar being there, and if they shall see the holy Sacrament comming towards them in any streeete, they shall doe reverence by bowing their knees, or else to passe aside by some other street, or turne into some house.“

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mussten.19 In Art. 3 wird zugesichert, dass bei einem Verfahren gegen einen Schiffsoffizier nur dessen persönliche Habe beschlagnahmt wird, Schiff und Ladung also nicht; entsprechendes gilt für die mit fremder Ware handelnden Händler und Faktoren.20 Die Artikel des Zusatzprotokolles selbst enthält keinen Bezug auf eine Verweildauer oder einen bestimmten Zweck des Aufenthalts, wenn auch die entsprechende Assoziation nahe liegt (Art. 1: „before their entrance“, Art. 3: „Officers of ships“). Wenn der Friedensvertrag in Art. 21 den Anwendungsbereich festlegt, dann könnte sich auch das Zusatzprotokoll nur auf die englischen Untertanen beziehen, die sich grundsätzlich vorübergehend („whilest they have recourse to and from“) zu Handelszwecken in Spanien aufhalten („remaine there for Commerce“) und nicht auf solche, die sich dort dauerhaft niedergelassen haben. Dagegen spricht aber gerade der Charakter des Zusatzprotokolls eben als einer eigenständigen zusätzlichen Vereinbarung.21 Die in der Praxis von der Inquisition scheinbar zumindest zeitweise vorgenommene Konkretisierung auf einen Zeitraum von eineinhalb Jahren Aufenthalt22 ändert an dieser grundsätzlichen Ambiguität nichts, sondern verstärkt sie eher, denn sie macht klar, dass sich aus den Normtexten eben keine klare Begrenzung ergibt: Warum eine Zeitgrenze von eineinhalb Jahren und nicht von einem oder zwei Jahren gelten soll, lässt sich aus ihnen nicht ableiten. 3. DAS COBHAM-ALBA-ABKOMMEN VON 1575 Das Zusatzprotokoll zum Frieden von 1604 hat nun interessanterweise eine längere Vorgeschichte als der Friedensvertrag selbst. Es basiert auf einem Übereinkommen, dass 1575 zwischen Fernando Álvarez de Toledo, dem 3. Herzog von Alba, und dem englischen Diplomaten Henry Cobham zustande kam. Dieses wiederum steht im Zusammenhang mit der Annäherung zwischen Spanien und England in den Jahren 1573 und 1574. Mit dem Abkommen von Nijmwegen (1573) und dem Vertrag von Bristol (21. August 1574) wurde der Handel zwischen bei  19 Vgl. Thomas: Represión, S. 306: „[…] desde 1604 también los españoles tenían que tolerar y respetar los comportamientos desviadores de mercaderes y viajeros protestantes.“ 20 Vgl. Articles of peace, Anhang: „III. And if any of the said persons being Masters, or Masters-Mates, or any other Officers of ships, which bee not their owne, doe exceed in any matter herein, the Inquisition proceedings against them by Office, is onely to sequester their owne proper goods, and are to leave free the ships and all other goods not belonging to the Offenders; the same is to be understood for the Traders and Factors.“ 21 Unzutreffend daher Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 309, Fn. 31, mit unklarem Verweis auf Loomie, Toleration and Diplomacy, S. 35f. 22 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 309 mit Fn. 31, Zusammenfassung von Fällen zwischen 1612 und 1613 in Archivo Histórico Nacional, Sección de Inquisition, legajo 2042–54.

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den Ländern wieder ermöglicht.23 Nachdem Festnahmen von englischen Seeleuten durch die Inquisition zu diplomatischen Spannungen geführt hatten, wurde 1575 Henry Cobham durch Königin Elisabeth I. an den spanischen Hof gesandt.24 Er sollte von der spanischen Krone den Schutz der englischen Kaufleute vor der Tätigkeit der Inquisition sowie die Einrichtung von Botschaften erreichen, wobei der englische Botschafter in Madrid die Freiheit zu privater Ausübung des anglikanischen Glaubens haben sollte.25 Philipp II. empfing Cobham am 26.10.1575, hörte ihn an und verwies ihn an den Herzog von Alba.26 Dieser, so Cobham in seinem Bericht an Elisabeth I., war in Hinblick auf die internationalen Beziehung und die Freundschaft zwischen England und Spanien zu Zugeständnissen hinsichtlich der Tätigkeit der Inquisition bereit.27 In einer Sitzung des Consejo de Estado, in der Cobhams Forderungen behandelt wurden, äußerte sich der Generalinquisitor28 positiv zur Verbesserung des Verhältnisses mit England. In einer Stellungnahme nahm er Grundzüge der späteren Regelung schon vorweg, indem er ausführte, dass ausländische Kaufleute nicht belangt würden, wenn sie sich nicht nachweisbar in Spanien gegen den katholischen Glauben äußerten und noch weniger für ein Verhalten außerhalb Spaniens, dass ihre Worte und Taten innerhalb Spaniens aber bestraft würden. Dies, so der Generalinquisitor, könne man auch für die Engländer zusichern.29 Philipp II. bat den Inquisitionsrat um eine konkrete Ausformulierung der hergebrachten Grundsätze der Inquisition zum Umgang mit nichtkatholischen Ausländern in Spanien. Dies erfolgte umgehend in zwei Artikeln. Deren erster hielt fest, dass Ausländer, die sich vorübergehend in Spanien aufhielten, sich nicht schriftlich oder mündlich gegen den katholischen Glauben äußern (einschließlich der Äußerung ihrer eigenen falschen Glaubenssätze) und sie keine verbotenen oder häretische Bücher besitzen dürften, andernfalls gegen sie vorgegangen würde.30 Der zweite Artikel schreibt vor, dass diese Ausländer, wenn sie eine Kirche   23 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 71. Zur Vorgeschichte seit 1569 vgl. Werner Thomas: „Alba and Religion“, in: Maurits Ebben, Margriet LacyBruijn u.a. (Hg.): Alba: General and Servant to the Crown. Rotterdam 2013, S. 117–135, 398–402, hier: S. 127f. 24 Vgl. Thomas: Represión, S. 274. 25 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 72. Thomas: Represión, S. 274. 26 Vgl. Thomas: Represión, S. 275. 27 Vgl. Thomas: Represión, S. 275. 28 Gaspar de Quiroga y Vela, 1512–1594, Generalinquisitor ab 1573. 29 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 73, Zitat aus dem Archivo general de Simancas, Sección de Estado, legajo 829, f. 56 (23. November 1575): „que como no hagan ni digan cosa contra la Religión Católica Romana que se les pueda probar, no se pueda proceder contra ellos y mucho menos por lo que hubieren cometido fuera de España. Pero que si acá excedieren en dicho o en hecho, sean castigados […] y que así le parescía que el artículo de los mercaderes ingleses se podía muy bien pasar en la forma que está dicha.“ 30 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 74 (Archivo general de Simancas, f. 106): „1.° Que los tales extranjeros que vinieren a estos dichos Reinos, se han de  

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betreten oder auf der Straße dem Allerheiligsten begegnen, die übliche Ehrbezeugung leisten müssten.31 Dabei wurde ausdrücklich auf die einheimischen Gesetze verwiesen, die bestimmten, dass Mauren und Juden, die sich in Spanien aufhielten, zu der genannten Ehrbezeugung verpflichtet sind.32 Im Umkehrschluss ergibt sich, dass Ausländer, die sich dauerhaft in Spanien aufhielten, den gleichen Normen wie die Spanier selbst unterlagen. Der Verweis auf die hergebrachten Gesetze führt dabei in eine noch ältere Normschicht, die des mittelalterlichen Kastilien, das ja gerade auch durch das Zusammenleben Angehöriger verschiedener Religionen charakterisiert wurde. Entsprechend regeln die von König Alfons X. von Kastilien (1221–1284, König 1252–1282) stammenden Siete Partidas33 in I, 4, 119: Cómo deben facer los judíos et los moros quando se encontraren con el corpus Christi. Acaesce […] que los judíos et los moros se encuentran con el cuerpo de nuesttro señor Iesu Cristo quando lo lievan para comulgar á algunt enfermo […] decimos qualquier dellos ó otro que non fuere de nuestra ley ó non la creyere que se encontrare con el corpus Christi, que fará bien si se le quisiere humillar asi como lo facen los cristianos, […] mas si esto non quisiere facer, mandamos que se tuelga de la calle porque pueda el clérigo pasar por della desembargadamiente.34

 

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guardar, mientras estuvieren y residieren en ellos, de no hacer ni decir por escrito ni por palabra ni por señal cosa alguna que sea contra la Santa Iglesia Romana, aunque sea refiriendo las herejías y errores que creen confiesan y guardan […] ni han de tener libros prohibidos o que tengan algunas herejías o errores, con aperçebimiento que haciendo o diciendo algo de lo susodicho, se proçederá contra ellos a las penas […] establecidas.“ Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 74 (Archivo general de Simancas, f. 106): „2.° Que entrando los dichos extranjeros en alguna iglesia o encontrando por las calles el Santísimo Sacramento de la Eucaristía, han de hacer la reverenciay acatamiento que en estos reinos se acostumbra, so pena que se proçederá contra ellos a las penas estableçidos por derecho y por las leyes destos reinos, […].“ Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 74 (Archivo general de Simancas, f. 106): „[…] por las leyes destos reinos, que disponen que los moros y judíos que en ellos estuvieren sean obligados a hacer el dicho acatamiento y reverencia […].“ Zu den Siete Partidas allgemein vgl. Maria Scheppach: Las Siete Partidas. Entstehungs- und Wirkungsgeschichte. Pfaffenweiler 1991. Die im 13. Jahrhundert entstandenen Siete Partidas erscheinen zwar auf den ersten Blick ein auf römischen, kanonischen und weiteren Rechtsquellen beruhender Rechtskodex zu sein, stellen sich aber über weite Strecken eher als eine in juristische Form gebrachte Enzyklopädie des mittelalterlichen kastilischen Lebens dar, vgl. Robert I. Burns: „Stupor mundi. Alfonso X of Castile, the learned“, in: Robert I. Burns (Hg.): Emperor of Culture. Alfonso X the learned of Castile and his thirteenth-century renaissance. Philadelphia 1990, S. 1–16, hier S. 6: „a kind of encyclopedia of medieval man᾿s institutions and values as viewed by university jurists and through legal concepts.“ Rechtliche Geltung erhielten sie erst 1348. Real Academia de la Historia (Hg.): Las Siete Partidas del Rey Don Alfonso el sabio […] Madrid 1807 (Reprint Madrid 1972), Bd. 1. S. 186. Englische Übersetzung in: Las Siete Partidas. Vol. 1: The Medieval Church. Translated by Samual Parsons Scott. Edited by Robert I. Burns, S.J. Philadelphia 2001, S. 43f.: „It happens sometimes that Jews and Moors meet the Body of the Lord, while it is being carried to administer the sacrament to some sick person,

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Schon hier, im 13. Jahrhundert, wird eine Regelung getroffen, die sich dann nahezu wörtlich im Zusatzprotokoll von 1604 wiederfinden wird: Beim Zusammentreffen mit dem Allerheiligsten auf der Straße muss Reverenz erwiesen oder die Straße verlassen werden. Interessanterweise unterscheiden auch die Siete Partidas zwischen vorübergehend Anwesenden und solchen Mauren und Juden, die in Kastilien wohnen, aber in einer milderen Interpretation: Nur die letztgenannten sollen von den angedrohten Strafen erfasst werden, solche, die aus anderen Gegenden kommen und die Norm nicht kennen, grundsätzlich nicht.35 Der Herzog von Alba wurde beauftragt, dem englischen Gesandten die beiden genannten Artikel der Inquisitionsbehörde zu übermitteln, auf Rat eben Albas und weiterer Mitglieder des Staatsrats sollte er aber verheimlichen, dass die Grundsätze von der Inquisition stammten. Daher wurden sie in ein neues Schreiben übertragen und der Herzog von Alba beauftragt, dieses als von ihm stammend zu bezeichnen.36 Außerdem wurden in einem zweiten Schreiben speziell für englische Untertanen weitere Zugeständnisse in drei Artikeln formuliert, die sich teilweise auf das erste Schreiben beziehen.37 Zwischen Cobham und Alba kam es dann am 2. Dezember 1575 zu dem Abkommen.38  

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[…] we decree that any such persons, or anyone else, who does not belong to our religion, or who does not believ in it, who meets the body of Christ, will do well to humble himself, as Christians do, […] But if he should not be willing to do so, we direct that he leave the street, in order that the priest may pass freely through it […].“ Vgl. Siete Partidas, S. 186 (I, 4, 119 a.E.): „Et esta pena sobredicha no se entiende sinon de aquellos moros ó judíos que son moradores en los lugares de nuestro señorío: mas si fuesen estraños que veniesen de otra parte et non sopiesen esto, non tenemos por bien que cayan en esta pena, fueras ende si algunos dellos fuesen ende sabidores et ficiesen contra ello maliciosamente.“ Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 100f. (Archivo general de Simancas, f. 96): „pero que no se les había de decir que procedía de la Inquisición porque no lo tomasen por ley y permiso, y así se puso en papel aparte y se lo dio el duque como de suyo […].“ Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 75 (Archivo general de Simancas, f. 96): „por el particular respeto y amor que su Majestad Católica tiene a la dicha Serenísima Reina, se dice que sus vasallos puedan estar asegurados de lo que sigue […].“ Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 75. Thomas: Represión, S. 275 („concluido en diciembre de 1575“). Im Anschluss an Albert J. Loomie: „Religion and Elizabethan commerce with Spain“, in: The Catholic Historical Review 50 (1964/65), S. 27–51, hier S. 30 und 50, wird es öfters auf 1576 datiert. Der Wortlaut des Cobham-Alba-Abkommens ist nur indirekt überliefert. Neben den von Gómez-Centurión Jiménez: La empresa de Inglaterra, S. 75, veröffentlichten Texten aus dem spanischen Staatsrat liegt eine 1576 oder 1577 dort erfolgte Klarstellung vor, die wohl aufgrund der komplexen Struktur des aus zwei verschiedenen Texten bestehenden Abkommens nötig war: „Lo que se podrá responder al embajador de Inglaterra […].“ Colección de documentos inéditos para la historia de España (CODOIN). Bd. 91. Madrid 1888, S. 155–157, hier S. 156: „En lo que toca á los tres puntos que diz que el Duque de Alba prometió á Enrique Cobham se guardarian en estos Reinos á los vasallos de la dicha Serenísima Reina, se guardará la orden que se sigue.“ Diese Version auch in Thomas: Represión, S. 278; englisch in Martin Hume: Calendar of Letters and State papers […], Bd. 2. London 1894, S. 537f.

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Nach dessen Art. 1 wird die Inquisition Taten von englischen Untertanen außerhalb Spaniens nicht untersuchen oder sie deswegen belästigen oder befragen.39 Nach Art. 2 werden Engländer nicht zum Besuch der Kirchen gezwungen; wenn sie aber Kirchen betreten, sollen sie das Knie beugen und dem Allerheiligsten die in dem ersten Schreiben angeordnete Ehrfurcht entgegenbringen. Wenn das Heilige Sakrament auf der Straße getragen wird, sollen sie die gleiche Reverenz (nämlich niederzuknien) erweisen oder sich in eine andere Straße oder ein Haus begeben.40 Dass der letztgenannte Punkt – das Recht, vor dem Allerheiligsten auszuweichen, um nicht niederknien zu müssen – ausdrücklich aufgenommen wurde, geht auf persönliche Initiative König Philipps II. zurück, der darauf verwies, dass seines Wissens eine solche Möglichkeit in der entsprechenden Norm der Siete Partidas enthalten sei.41 Philipp II. greift hier den konkreten Normbezug des Inquisitionsrates auf die Siete Partidas ausdrücklich auf und spielt den Ball, wenn auch in zurückhaltenden Worten, an diese zurück, wodurch er eine damit eine günstigere Regelung für die Engländer erreicht, da deren Recht, nämlich auszuweichen, ausdrücklich beschrieben wird. Schließlich wird in Art. 3 zugesagt, dass bei einem Verfahren wegen der in dem ersten Schreiben beschriebenen Delikte gegen einen englischen Kapitän oder anderen Schiffsoffizier auf einem fremden Schiff nur dessen persönliches Eigentum beschlagnahmt wird, nicht aber das Schiff oder Vermögenswerte anderer Personen. Das gleiche soll für Händler und ihre Vertreter gelten.42 Aus dem Wortlaut der drei Artikel des zweiten Schreibens ergibt sich also keine Beschränkung auf einen vorübergehenden Aufenthalt. Allerdings verweist es ja in Art. 2 und 3 auf das erste Schreiben (Art. 2: „conforme a lo que se ordena en el dicho escrito“; Art. 3: „en algo de lo contenido en el dicho escrito“), so dass   39 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 75: „1.° Que si hubieren exçedido antes de entrar en España en alguna cosa que sea contraria a lo que está apuntado en el dicho escrito, no serán inquiridos ni molestados por los tales exçesos cometidos fuera de España ni se les pedirá cuenta ni razón alguna dellos.“ 40 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 75: „2.° Que si no quisieran entrar en las iglesias, nadie los compelerá a ello, pero si entraren dentro, han de hacer al acatamiento y reverencia que se debe al Santísimo Sacramento de la Eucaristía que allí está, conforme a lo que se ordena en el dicho escrito, y si vieren venir el Santísimo Sacramento por una calle, le han de hacer la misma reverençia hincándose de rodillas o irse por otra calle o meterse en alguna casa.“ 41 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 101 (Archivo general de Simancas, f. 96): „Y en lo de hincarse de rodillas cuando pase el Santísimo Sacramento, que si quisiesen esconderse o irse de allí, lo pudiesen hacer, […], porque (según dice S. M., si bien se acuerda), lo dice así la ley de la partida que habla de los judíos y los moros […].“ 42 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 75: „3.° Que si alguna de las tales personas fueren maestres o contramaestres o otros oficilaes de naves que no sean suyas y exçedieren en algo de lo contenido en el dicho escrito, proçediendose contra ellos por el Santo Ofiçio, se secuestrarán solamente los bienes proprios, dexando libres las dichas naves y cualquier otra hacienda que perteneçiere a otras personas, y lo mismo se entiende de los tratantes y sus agentes.“

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diese Zugeständnisse auf vorübergehenden Aufenthalt beschränkt sind – oder jedenfalls in diesem Sinn ausgelegt werden können. In der zusammenfassenden Klarstellung aus dem Jahr 1576/77 (vgl. o. Fn. 38) wird die Geltung oder Nichtgeltung dieser Beschränkung ausdrücklich angeführt. Demnach ist Art. 2 auf vorübergehenden Aufenthalt beschränkt, Art. 3 gilt sowohl bei vorübergehendem wie bei dauerndem Aufenthalt.43 Das Cobham-Alba-Abkommen wurde zwar von der Inquisition zunächst nur in einem engen Sinn ausgelegt und angewandt, so dass z. B. auf einem Schiff gefundene anglikanische Bibeln als (verbotener) Versuch der Einfuhr verbotener Bücher und nicht als Mittel zum (erlaubten) Gebet auf dem Schiff außerhalb Spaniens angesehen wurden.44 Dennoch übernahm sie in der Praxis eine tolerantere Einstellung gegenüber Engländern.45 Wie auch immer die Motivlage der spanischen Krone zu diesem Zeitpunkt war, es ist jedenfalls festzuhalten, dass mit dem Cobham-Alba-Abkommen eine Voraussetzung für die Ausweitung des englischen Seehandels im Jahrzehnt nach 1575 gegeben war. Es wurde bemerkenswerterweise auch nicht aufgekündigt, als 1585 der englisch-spanische Krieg (1585–1604) ausbrach, dessen Ende eben der Friede von London 1604 darstellt.46 Das Cobham-Alba-Abkommen, und nicht erst der Friedensvertrag von 1604, enthält also die erste Garantie religiöser Toleranz im Spanien der Habsburger.47 Außerdem stellt es den besonderen Fall einer aktenmäßig belegten textuellen Verbindung mittelalterlicher conviviencia mit Toleranzregelungen in der Frühen Neuzeit dar. Bemerkenswert ist auch, dass der Herzog von Alba hier einen, wenn auch versteckten, Platz in der Geschichte der religiösen Toleranz erhält, wofür er auf den ersten Blick ein denkbar unwahrscheinlicher Kandidat ist, da er – im Gegensatz zu seiner früheren Ansicht – während der Zeit in den Niederlanden Rebellion   43 Vgl. CODOIN 91, S. 156: „2.° […] Que los que residen de ordinario y son avecinados en ellos, habrán de observar y guardar en todo y por todo lo mismo que los demás vasallos se S. M. 3.° Que á cualesquier ingleses, así yentes y vivientes á estos Reinos, como á los que en ellos residen y son avecinados […].“ 44 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 278f. 45 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 282: „en la práctica sí adoptó una postura más tolerante para con los ingleses, sobre todo entre 1577 y 1582.“ Diese wurde auch auf Protestanten anderer Herkunft übertragen, insbesondere legte die Inquisitionsbehörde 1579 klare Regeln über die Inspektion von Handelsschiffen fest, s. ebd. 46 Vgl. Loomie: Religion and Elizabethan commerce, S. 30f. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 76. Henry Kamen: The Spanish Inquisition. A historical revision. New Haven 2014, S. 342: „Despite the outbreak of hostilities between England and Spain over the Dutch question, the agreement […] continued to hold good for at least two decades after.“ 47 Vgl. Gómez-Centurión Jiménez: Felipe II, la empresa de Inglaterra, S. 71 und 100 mit Bezug auf Antonio Domínguez Ortiz: „El primer esbozo de tolerancia religiosa en la España de los Austrias.“ in: Cuadernos de Historia Moderna y Contemporanea 2 (1981), S. 13–19. Thomas: „Alba and Religion“, S. 132: „It is hard to overestimate the importance of the agreement between Alba and Lord Cobham for the further development of religious toleration in Europe.“

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und Häresie der Niederländer (falscherweise) miteinander zu identifizieren begann.48 Dass gerade Alba beauftragt wurde, 1575 mit Cobham zu verhandeln, lässt sich mit seiner Stellung am Hof Philipps II. erklären: Dort war er nach seiner Rückkehr aus den Niederlanden 1574 zwar isoliert, aber beim König selbst nicht in Ungnade gefallen.49 Er war Mitglied des Staatsrates,50 Philipp II. zog ihn immer wieder zu speziellen Fragen heran.51 Alba hatte auch Mitte der 1560er Jahre die private Religionsausübungsfreiheit des englischen Botschafters John Mann verteidigt52 und war dessen einziger Ansprechpartner am Hof gewesen; nach Albas Abreise in die Niederlande war John Mann dann auch völlig isoliert und wurde abberufen.53 4. DIE TOLERANZGARANTIE IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN KÖNIG UND INQUISITIONSBEHÖRDE Wenn nun ein so altehrwürdiges Vorbild herangezogen hätte werden können, warum dann die fehlende Dokumentation des Abkommens? Warum überhaupt der Umweg über den Herzog von Alba? Warum 1604 die Verweigerung der öffentlichen Proklamation des Zusatzabkommens? Mit der Zusage, gewisses Verhalten von der Untersuchung auszunehmen bzw. diese zu begrenzen, verspricht der spanische König implizit eine inhaltliche Einflussnahme auf die Inquisitionsbehörde. Diese wird damit ja in Bezug auf das Verhalten der Engländer an gewisse Tatbestände gebunden. Damit würde nach außen versprochen, in die begrifflich schwer zu fassende Struktur der Inquisition einzugreifen: Eine Institution der spanischen Monarchie, die aber den römischkatholischen Glauben verteidigt und auf die der spanische König inhaltlich daher keinerlei Einfluss haben darf. Der König greift mit dem Cobham-AlbaAbkommen, später dann mit dem Zusatzprotokoll letztlich in das innere Machtgefüge der spanischen Monarchie ein, indem er sich an die Stelle des Consejo supremo de la Inquisición setzt. Das mag aus Gründen der Staatsraison notwendig sein, ist aber nichts, das über die unmittelbar damit befassten Kreise bekannt wer  48 Vgl. Kamen: The Duke of Alba. New Haven u.a. 2004, S. 165f. Thomas: „Alba and Religion“, besonders S. 124f. 49 Vgl. Kamen: Duke of Alba, S. 128: „The duke had served loyally in the Netherlands and was by no means […] returning to Spain in disgrace. […] Alba […] was still powerful, and could not neglect his duties and his responsibilities to the king […].“ 50 Vgl. Kamen: Duke of Alba, S. 133. 51 Vgl. Manuel Fernández Àlvarez: El Duque de Hierro. Fernando Álvarez de Toledo, III Duque de Alba. Madrid 2007, S. 393: „en aquellos años entre 1574 y 1578, el Duque acudiría de cuando en cuando a las sesiones del Consejo por indicación del proprio Rey, continuando así su intervención en las grandes cuestiones de Estado.“ 52 Allerdings bezogen allein auf dessen Person, also ohne seine Familie und Bedienstete. Vgl. Thomas: Represión, S. 275. 53 Vgl. Thomas: Represión, S. 274, Anm. 221.

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den sollte. So aber, ohne unmittelbar königliche Verpflichtung und ohne öffentliche Publikation, kann die spanische Krone nach 1575 und auch nach 1604 bei ihrer jeweiligen Argumentation bleiben: Gegen die Kritiker aus dem Ausland, die Inquisition würde unerlaubt vorgehen, sowie gegen die Kritiker aus dem Inland, die Engländer würden zu lax behandelt, beruft sie sich darauf, dass die Verfolgung von Religionsdelikten Sache der Inquisition sei, die nur von Rom abhänge.54 Gegenüber dem Heiligen Stuhl wird sie sich, in Fragen der Erlaubtheit von Büchern, in denen von den spanischen Königen in Anspruch genommene Rechte der spanischen Krone gegenüber der kirchlichen Jurisdiktion betont werden, darauf berufen, dass es in Spanien eine eigene, vom Heiligen Stuhl genehmigte und unabhängige Inquisition gäbe, die dafür ausschließlich zuständig sei.55 Letztlich spiegelt sich hier die Doppelnatur der Inquisition wieder, die sich selbst je nach Bedarf auf ihren kirchlichen oder weltlichen Jurisdiktionsstatus berief.56 In der Zeitebene der Verhandlungen von 1604 ermöglichte die Berufung auf das Cobham-Alba-Abkommen den Engländern, eine insgesamt relativ weitgehende Garantie zu erreichen, mit der man voll zufrieden war.57 Der spanische Verhandlungsführer konnte sich umgekehrt gegenüber den spanischen Kritikern des Friedensvertrags darauf berufen, dass ja in Religionsfragen nichts anderes vereinbart worden sei als schon unter Philipp II. durch den Herzog von Alba.58 Er schützte sich damit vor dem Vorwurf der „innovación“, Neuerung. Das Cobham  54 Vgl. Thomas: Represión, S. 274: „La respuesta del embajador español en Londres siempre era formal: la Inquisición era un tribunal eclesiástico dependiente del papa sin que el Rey Católico pudiera intervenir en sus actividades judiciales.“ 55 Vgl. Wolfgang Forster: Konkurs als Verfahren. Francisco Salgado de Somoza in der Geschichte des Insolvenzrechts. Köln 2009, S. 32. Vgl. auch Kamen: Spanish Inquisition, S. 212: „The Suprema was a government council, not a Church one. The crown had absolute powers of appointment and dismissal of inquisitors […].“ 56 Vgl. Kamen: Spanish Inquisition, S. 212f.: „The problem of jurisdiction arose out of the peculiar dual nature of inquisitorial power. To confirm its claim of exclusive authority over its own officials, the tribunal always took refuge in the papal bulls it had been granted. Neither the crown nor the Church courts, it argued, could go against these privileges. When critics pointed out that this limited the Inquisition to being a papal and ecclesiastical tribunal, inquisitors were quick to retort that, on the contrary, the Holy Office was also a secular tribunal, exercising power delegated by the crown.“ 57 Vgl. Lord Cranborne an Winwood, 4.9.1604, in: Winwood: Memorials, S. 27 f., hier: S. 28: „concerning the Trade to the Indies, and the matter of the Inquisition, in both it were but a Vanity to have expected more than we have. […] For the other concerning the Inquisition, altho’ we have even by Article of Treaty these Words, that non shall be molested ex causa Conscientiae, yet there are also these further Particulars signed by the Constable’s Hand for the further Security of the Merchants. In which one point, considering how much the King labours to endear himself (by upholding that Matter of Inquisition) to the See of Rome, I conceive sufficient Satisfaction is obtained.“ 58 Vgl. Pascual Boronat y Barachina: Los moriscos españoles y su expulsión. Bd. 2. Valencia 1901, S. 120–123, hier S. 122: „lo que se capitulo en materia de religion es lo mismo en que el rey nuestro señor, que aya gloria, vino en tiempo del Duque de Alba de que los diputados le mostraron decreto de su M.d“

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Alba-Abkommen stellt sich so sowohl in der chronologischen Reihenfolge als auch in der jeweiligen argumentativen Fundierung als ein Kernelement der Toleranzklausel von 1604 dar. 5. DIE TOLERANZGARANTIE IN DER PRAXIS Nach einigen Startschwierigkeiten59 setzte sich in Spanien nach 1604 eine moderate Haltung der Inquisition gegenüber Engländern durch. Diese wurde herbeigeführt und gesichert durch die Anweisungen des Inquisitionsrats60 an die regionalen Tribunale, gegebenenfalls griff der Inquisitionsrat auch direkt in Verfahren ein.61 Dass er insoweit den politischen Bedürfnissen Rechnung trug, lässt sich mit der Personalpolitik des höchsten Ministers, des Herzog von Lerma, Francisco Gómez de Sandoval y Rojas (1553–1625), erklären, der den Rat mit seinen Parteigängern besetzte und schließlich den eigenen Großonkel, Bernardo de Sandoval y Rojas (1546–1618), 1608 zum Generalinquisitor machte.62 Diese Zurückhaltung wurde auch bei Handlungen praktiziert, die eindeutig einen Skandal im Sinn des Art. 21 darstellen: Gordi Frey, der 1607 seinen Hut vor Allerheiligstem nicht ab nimmt, wird nur auf sein Schiff exiliert;63 Nicolás Rahen, der 1609 in Gegenwart   59 So schlug 1605 ein betrunkener englischer Seemann, der mit der englischen Delegation zur Proklamation des Frieden nach Spanien gekommen war, einen Priester, was für die Kritiker des Friedensabkommens natürlich ein gefundenes Fressen war, andererseits aber für Engländer und Spanier Gelegenheit zum Ausdruck ihres gegenseitigen Respekts bot: Der englische Admiral bot an, den Seemann aufzuhängen, der Gouverneur von Galizien ließ ihn aber frei und bot ihm ein Esssen an, vgl. Thomas: Represión, S. 313f. 60 Der Consejo de la Suprema y General Inquisición, auch kurz La Suprema genannt, war das höchste Organ der spanischen Inquisition, wobei das Verhältnis zwischen ihm und dem Generalinquisitor, der den Vorsitz hatte, nie völlig geklärt wurde, vgl. Kamen: Spanish Inquisition, S. 182 und 184. 61 Vgl. Thomas: Represión, S. 321: „La actidud moderada del Santo Oficio hacia los ingleses no fue posible sino porque el Consejo impuso, en contra de sus tribunales regionales, una política inquisitorial conforme al als exigencias de las amistosas relaciones angloíbericas recien renovadas.“ Ebd., S. 323: „los tribunales de los distritos se vieron frenados por el Consejo de Inquisición, que se entremetió en los procesos contra ingelses interviniendo en su favor para no comprometer las relaciones políticas y económicas von Inglaterra. Son numerosos los casos que ilustran perfectamente este antagonismo entre la actitud rigurosa de los inquisidores locales y la postura liberal de los consejeros de Madrid.“ Vgl. Joaquín Pérez Villanueva, Bartolomé Escandell Bonet u.a. (Hg.): Historia de la Inquisición en España y América. Bd. 1. Madrid 1984, hier: El conocimiento científico y el proceso histórica de la Institución (1478– 1834), S. 892–897 („Suavización de relaciones con el exterior“). 62 Vgl. Patrick Williams: The great favourite. The Duke of Lerma and the court and government of Philip III of Spain, 1598–1621. Manchester 2006, S. 151f., S. 185. Vgl. Villanueva/Bonet: Inquisición en España, S. 896: „Establezcamos una conclusión final: la política internacional determina, pues, las oscilaciones del comportamiento del Santo Oficio.“ 63 Vgl. Thomas: Represión, S. 317f.: „A pesar de su pertinacia y de la infracción obvia del segundo artículo secreto del Tratado, los inquisidores se limitaron a desterrarlo a su buque.“

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u.a. von zwei Priestern alle ‚Papisten‘ als ‚Teufel und Dämonen, die an Holzbilder glauben‘ bezeichnet, sich über die Hl. Maria lustig macht und in der Verhandlung davon nicht abrückt, wird an die französische Grenze gebracht; Henrique Gil, der ein häretisches Buch importiert, erhält nur eine Geldbuße.64 Für einige Jahre nach Abschluss des Friedens kann man sogar sagen, dass nur wenige Engländer es schafften, einer Strafe nicht zu entgehen.65 Es ist sogar der Fall belegt, dass der englische Botschafter selbst der Meinung war, sein Landsmann hätte eine schwere Strafe verdient, die Inquisition aber aus Furcht vor diplomatischen Konsequenzen auf eine Bestrafung verzichtet.66 Auch in der Zeit nach dem erneuten Kriegszustand zwischen Spanien und England ab 1624, als die Toleranzklausel wiederrufen wurde, kam es nicht zu einer größeren Verfolgungswelle gegen Engländer.67 Insgesamt ermöglichte die Toleranzklausel von 1604 mit dem auf dem CobhamAlba-Abkommen beruhenden Zusatzprotokoll Handelsbeziehungen zwischen Spanien und England, deren Erfolg es rechtfertigt, den Frieden von London als „triumph of diplomacy“ zu qualifizieren.68 6. DIE AUSDEHNUNG DER TOLERANZGARANTIE DES FRIEDENS VON LONDON Als Abschluss soll eine kurze und unvollständige Übersicht über die ausdrückliche oder inhaltliche Inbezugnahme des Art. 21 des Friedens von London in späteren internationalen Verträgen der spanischen Krone dienen. 1609 wurde in Art. 6 des Abkommens, mit dem der zwölfjährige Waffenstillstand zwischen Spanien und den aufständischen niederländischen Provinzen vereinbart wurde, seine Geltung auf deren Bewohner ausgedehnt.69 Mit dem Frieden von Madrid zwischen   64 Alle Beispiele bei Thomas: Represión, S. 318. 65 Vgl. Thomas: Represión, S. 318: „Uno de los pocos ingleses que no supieron librarse de un castigo inquisitorial […].“ 66 Vgl. Thomas: Represión, S. 326: „[…] decisión del Santo Oficio de no perseguir, en 1609, a un viajero inglés por miedo a la reacción inglesa, y esto a pesar de que el mismo embajador inglés opinó que la actitud de su compatriota habría justificado un castigo inquisitorial severo.“ 67 Vgl. Kamen: Spanish Inquisition, S. 344f.: „By that time Protestant merchants had little to fear from the wrath of the Inquisition, which had grown to respect the existence of bona fide trading communities where religion counted far less than the annual profit. To this extent the Holy Office was moving out of an intolerant age into a more liberal one.“ Ebenso Thomas: Represión, S. 319. 68 Pauline Croft: King James. Basingstoke, New York 2003, S. 53: „The treaty was a triumph of diplomacy. By stimulating the export of goods, it enhanced economic growth in England, Spain, and the Spanish Netherlands. Burgeoning trade also increased customs duties, benefiting each ruler and employing an expanding merchant marine. […] over the next decade, London’s trade boomed with Spain and the Mediterranean.“ 69 Vgl. Joseph Antonio Abreu y Bertonado: Coleccion de tratados de paz, alianza, neutralidad, garantia, proteccion, tregua, mediacion, accesion, reglamento de limites, comercio,  

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Spanien und England vom 7. Dezember 1630 wurde der Vertrag von London in gleichem Umfang wieder in Kraft gesetzt. De facto endete damit die Verfolgung protestantischer Engländer in Spanien.70 Der Handelsvertrag zwischen Spanien und Dänemark von 1641 enthält in Art. 4 eine Toleranzklausel mit Bezugnahme auf den Frieden von London.71 Im 1648 geschlossenen Frieden von Münster zwischen Spanien und Niederlanden wurde in Art. 17 den Niederländern die gleichen Zusagen gemacht, wie sie der Friede von London zusammen mit seinen „geheimen Artikeln“ enthielt; in Art. 16 wurden auch diesbezüglich die Hansestädte mit den Niederlanden gleichgestellt.72 Im 1667 geschlossenen Friede von Madrid zwischen Spanien und England findet sich schließlich in Art. 28 eine selbständig ausformulierte Toleranzklausel, in der gegenseitig zugesagt wird, Untertanen wegen Religionssachen nicht zu belangen.73 Auffallend ist der 1648 vorgenommene paradoxe Verweis auf die „geheimen Artikel“ („Articulos secretos“): Wenn sie wirklich geheim wären, könnte man sich ja gar nicht auf ihren Inhalt beziehen. Er spiegelt den eigenartigen Charakter der Zusage im Frieden von 1604 wider, der ja nur in einem Zusatzprotokoll das ältere Cobham-Alba-Abkommen aufgreift – das selbst zunächst eine Doppelstruktur aus zwei verschiedenen Schreiben hatte und dabei inhaltlich zurückgriff und gerechtfertigt wurde mit einer mittelalterlichen Rechtsnorm. Gerade diese Doppeldeutigkeit aus Altem und Neuem, aus Texten, die etwas zusagen, sich dabei aber auf andere Texte beziehen, scheint ermöglicht zu haben, der Inquisition einen neuen Kurs vorzugeben. Nach 1604 konnte dieses Regelungsgebilde für zwei weitere Generationen, bis zum Ende der Habsburger in Spanien, als Vorbild dienen.

 

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navegacion, &c […] Reynado del Sr. Rey D. Phelipe III., Parte I, Madrid 1740, S. 465: „tendrán […] la misma seguridad, y libertad, que se concedió a los Vassallos del Rey de Gran Bretaña por el [...] Tratado de Paz, y Articulos secretos hechos con el Condestable de Castilla.“ Vgl. Thomas: Represión, S. 320: „Significó prácticamente el fin de la persecución de protestantes ingleses en España.“ Vgl. Bertonado: Colección de los tratados de paz […], Parte IV, Madrid 1750, S. 537f. Vgl. Bertonado: Colección de los tratados de paz […], Parte IV, S. 322f.: „tendrán […] la misma seguridad, y libertad, que se concedió a los Vassallos del Rey de Gran Bretaña por el […] Tratado de Paz, y Articulos secretos hechos con el Condestable de Castilla.“ In Art. 18 sagt der spanische König auch zu, ehrbare Begräbnisplätze für in Spanien verstorbene Niederländer bereitstellen zu lassen. Vgl. Bertonado: Colección de los Tratados de Paz […] Reynado del Sr. Rey D. Carlos II., Parte I, Madrid 1751, S. 179f., hier: S. 180: „el Rey de de España cuidará, […] a que no se cause ningun molestia […] contra las Leyes del Comercio […] à los Subditos del Rey de la Gran Bretaña; ni se haga el menor gravamen à algun de ellos, […] con el […] pretexto de conciencia; con tal, que estos no den en publico algun escandalo manifiesto, […]: Y el […] Rey de la Gran Bretaña, […] cuidará […] con las misma vigilencia à que no se cause ninguna molestia, […] à los Subditos del Rey de España, con […] el pretexto de Religion.“

„EIN ÖFFENTLICHES ASYL FÜR ALLE VÖLKER UND NATIONEN“ – BEOBACHTUNGEN ZUR TOLERANZ IN MANNHEIM IN DER 2. HÄLFTE DES 17. JAHRHUNDERTS Harald Stockert Im Jahr 1669 richtete der Mannheimer Stadtrat ein Schreiben an Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, in welchem er stolz feststellte: Bisher ist in der Stadt alles in causis et rebus ecclesiasticis einmütig und friedlich vorgenommen und dies ist ein grosser Schild und Beistand des weltlichen Regiments gewesen, dass sowohl in- als ausländische, ehr- und friedliebende Gemüter sich über eine solche Harmonie unter so vielerlei Nationen verwundert.1

Auf den ersten Blick reiht sich dieser Brief ein in eine Legion vergleichbarer euphorischer Zitate über die Mannheimer Verhältnisse im 17. Jahrhundert. Grimmelshausen erzählt von der Kurpfalz als „land darinn man allerhand Religionen passiren läst“2, während der maltesische Arzt Giovan Francesco Buonamico Mannheim als „öffentliches Asyl für alle Völker und Nationen“ beschreibt.3 Und auch Liselotte von der Pfalz schwärmt 1715 als Herzogin von Orléans in einem ihrer Briefe rückblickend vom Mannheimer Vielvölkergemisch: Von Manheim erinere ich mich niemandts, alß monsieur undt madame Kliniet undt ihre kinder […]. Ich erinere mich auch noch deß blinden frantzöschen pfarers, der Anabaptisten, sowoll die potmacher alß meßer undt schmitt, die Polinisch, so die Socinianer hießen, wie auch die Juden von Avignon, da einer von so eine schönne fraw hatte, sonsten von niemandts dort.4

So hymnisch diese Lobpreisungen sind und auch in der Gegenwart immer wieder gerne zitiert werden, so wenig wissen wir bislang vom tatsächlichen Zusammen  1 2

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Zitiert nach Eberhard Gothein: „Mannheim im ersten Jahrhundert seines Bestehens. Ein Beitrag zur deutschen Städtegeschichte“, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 43 (1889), S. 129–211, hier: S. 202. Zitiert nach Paul Warmbrunn: „Von der Vorherrschaft der reformierten Konfession zum Nebeneinander dreier Bekenntnisse. Reformierte, Lutheraner und Katholiken in Kurpfalz und Pfalz-Zweibrücken zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Ende des Alten Reichs“ , in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 134 (1998), S. 95–121, hier: S. 101. Zitiert nach Eike Wolgast: „Religion und Politik in der Kurpfalz im 17. Jahrhundert“, in: Mannheimer Geschichtsblätter Neue Folge 6 (1999), S. 169–208, hier: S. 199. Schreiben vom 2. April 1715. In: Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans. 2. Bd. Aus den Jahren 1707 bis 1715. Hrsg. v. Wilhelm Ludwig Holland. Tübingen und Stuttgart 1871, S. 539.

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leben der Menschen in der Quadratestadt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nicht zuletzt quellenbedingt sind hier viele Lücken zu konstatieren. Da die städtischen Akten aus der Zeit verloren gegangen sind, muss sich die Analyse auf die umfangreichen, aber aufwändig zu analysierenden Ratsprotokolle sowie die teilweise erhaltene Überlieferung der reformierten Gemeinden stützen. Dies erklärt, warum die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts lange Zeit zu den eher stiefmütterlich behandelten Abschnitten in der Stadtgeschichte gehörte und lange auch in der Öffentlichkeit auf wenig Interesse stieß.5 Dies hat sich seit dem Erscheinen des Artikels „Das Mannheimer Experiment“ in der Wochenzeitung Die Zeit aus der Feder von Grit Arnscheidt im Jahr 2002 geändert.6 Arnscheidt ging darin der Frage nach, ob sich die Vielnationenstadt Mannheim der Jahre 1652 bis 1688 als Lehrbeispiel für ein multikulturelles und tolerantes Mannheim eignet und fand dabei durchaus Anknüpfungspunkte zur Gegenwart. Im öffentlichen Diskurs wurden der Beitrag in der Folge häufig zitiert und seine Ergebnisse teilweise verkürzt dargestellt. Insbesondere die Übertragung eines modernen Toleranzbegriffs auf das 17. Jahrhundert sorgte immer wieder für Unschärfen und rief Irritiationen wie auch Widerspruch hervor. So hob Udo Wennemuth in seinem Beitrag für die dreibändige Geschichte der Stadt Mannheim stärker auf die Integrationsprobleme und den ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolg ab, den sich die Obrigkeit durch die Zuwanderungspolitik erhofft hatte. Das Mannheimer Experiment habe demzufolge rasch „seine Ausstrahlung und Dynamik“7 verloren. Und nicht zuletzt wurde von katholischer Seite die These zurückgewiesen, in Mannheim hätte im 17. Jahrhundert eine Situation religiöser Toleranz vorgeherrscht.8 Vor diesem Hintergrund erscheint die nähere Analyse der konfessionellen Verhältnisse unter der Prämisse der Toleranz ein lohnenswertes Unterfangen. Dies zeigt bereits das eingangs zitierte Schreiben mit dem häufig und gerne zitierten Passus von der „Harmonie so vielerley Nationen“. Denn der Kern des Schreibens zielte genau auf das Gegenteil. Ausgangspunkt war ein Bittgesuch der Lutheraner in Mannheim, als religiöse Gemeinde mit freier Religionsausübung anerkannt zu werden. Ihm begegnete der Stadtrat, dem ausschließlich Angehörige der refor  5

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Zur Karl-Ludwig-Zeit vgl. Udo Wennemuth: „1649–1685. Zuwanderungserfolge und Integrationsprobleme nach der zweiten Gründung durch Karl Ludwig“, in: Ulrich Nieß und Michael Caroli (Hg.): Geschichte der Stadt Mannheim. Band 1: 1607–1801. Heidelberg 2007, S. 152– 231. Friedrich Walter: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart. Band 1: Geschichte Mannheims von den ersten Anfängen bis zum Übergang an Baden 1802. Mannheim 1907, S. 169–303. Grit Arnscheidt: „Das Mannheimer Experiment“, in: Die Zeit 31.01.2002. Abrufbar unter: http://www.zeit.de/2002/06/Das_Mannheimer_Experiment (zuletzt aufgerufen: 31.08.2015). Vgl. auch dies.: „Aus aller Herren Länder. Das Mannheimer Experiment vor 350 Jahren“, in: Badische Heimat 83 (2003), S. 398–404. Wennemuth: Zuwanderungserfolge, S. 227. Vgl. Reiner Albert, Günther Saltin: Katholisches Leben in Mannheim. Bd. 1. Von den Anfängen bis zur Säkularisation (1803). Ostfildern 2009, S. 102.

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mierten Konfession angehörten, mit entschiedener Ablehnung. Er bestritt die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme, die überdies nur von wenigen Personen gefordert würde. Ein derartiger Schritt gefährde nicht nur die bisherige Harmonie der Nationen in Mannheim, mehr noch könne er „gefährliche Consequentz[en]“9 für das gesamte Kurfürstentum haben und die bestehenden Verhältnisse erschüttern. Kurfürst Karl Ludwig ließ sich hiervon überzeugen und beschied das Gesuch der Lutheraner ablehnend. Provokativ ausgedrückt, fungierte die angeführte Harmonie hier als Argument der Intoleranz. 1. MANNHEIM – EINE ZUWANDERERSTADT IM 17. JAHRHUNDERT Die Stadt Mannheim ist ein Kind des 17. Jahrhunderts. 1606/07 wurde sie von Kurfürst Friedrich IV. an der Stelle des gleichnamigen Fischer- und Bauerndorfes an der Mündung vom Neckar in den Rhein gegründet, zusammen mit der Festung Friedrichsburg. Mit mächtigen Schanzen und Wällen ausgestattet, sollten sie ein Bollwerk des Calvinismus bilden, gelegen an strategisch günstiger Stelle an einer der zentralen Nord-Süd-Handelsrouten. Die Bevölkerung hoffte die kurpfälzische Regierung dabei aus den bisherigen Dorfbewohnern, vor allem aber aus reformierten Zuwanderern zu rekrutieren. Um sie warb man mit umfangreichen Steuererleichterungen, die 1607 in den Stadtprivilegien festgehalten wurden; diese wurden gleich in vier Sprachen veröffentlicht – in Deutsch, Latein, Französisch und Niederländisch –, um so auch in entfernteren calvinistisch bestimmten Gebieten auf positive Resonanz zu stoßen. Dem Projekt war zunächst kein nachhaltiger Erfolg beschieden. Wie die gesamte Kurpfalz geriet auch Mannheim in die Strudel des Dreißigjährigen Krieges. Die Stadt wurde mehrfach erobert und immer wieder zerstört, so dass ihre Geschichte 1648 schon am Ende schien. Dass dem nicht so war, ist letztlich Kurfürst Karl Ludwig zu verdanken. Der Sohn des unglücklichen „Winterkönigs“ Friedrich V. konnte dank der Bestimmungen des Westfälischen Friedens sein Erbe antreten als Herrscher in der Kurpfalz und Inhaber der neu geschaffenen achten Kur. Die ursprüngliche und weitaus angesehenere Kurwürde als Reichserztruchsess wie auch das Territorium der Oberpfalz verblieben hingegen als Folge der Niederlage im Krieg beim ungeliebten Verwandten, dem Kurfürsten von Bayern. Im Oktober 1649 betrat Karl Ludwig erstmals kurpfälzischen Boden und bezog Residenz auf Schloss Heidelberg. Der 1617 geborene Regent hatte bis dahin im Exil in Holland und auch England gelebt, wohin Friedrich V. mit seiner Familie geflohen war. Dort erlebte Karl Ludwig die Debatten um religiöse Toleranz und Multikonfessionalität wie auch die vergleichsweise offene Haltung gegenüber „Sekten“ oder Andersgläubigen wie Juden. Dies galt insbesondere für Holland, wo die gesellschaftliche und reli  9

Schreiben vom 30. April 1669. Landesarchiv Baden-Württemberg. GLA Karlsruhe 213/2531.

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giöse Offenheit Garanten einer außerordentlichen wirtschaftlichen Blüte des Landes waren.10 Diese Erfahrungen hatten ihn ebenso geprägt wie seine für einen Landesherrn ausgesprochen umfangreiche Ausbildung vor allem in der Jurisprudenz, der Theologie, der Geschichte wie auch in den antiken und modernen Sprachen. Im reformierten Glauben erzogen, den er persönlich auch praktizierte, gilt Karl Ludwig in der Forschung zwar als durchaus religiöser Mensch, der aber auch Bereitschaft zeigte, über konfessionelle Schranken in seiner Politik hinwegzusehen. So waren in seinem Hof- und Regierungsstab gleich mehrere Lutheraner vertreten; und seine zweite Ehefrau, Raugräfin Luise von Degenfeld, gehörte ebenfalls deren Glauben an. Auch die Verheiratung seiner Tochter Liselotte mit Herzog Philipp von Orléans, dem Bruder Ludwigs XIV., war ein von ihm gebilligter Schritt und ihre Konvertierung zum Katholizismus Mittel zum Zweck, um gute Beziehungen zum französischen Königshof zu gewährleisten – ein Kalkül, das freilich nicht aufgehen sollte. Das Hauptaugenmerk der Politik Karl Ludwigs hingegen galt dem Wiederaufbau und der Repeuplierung des Landes. Vor diesem Hintergrund muss auch seine Religionspolitik gesehen werden, wie die Entwicklung der Stadt Mannheim illustriert. In der jungen Stadt an Rhein und Neckar standen 1648 nur noch vereinzelte Hütten, die Bevölkerung beschränkte sich auf wenige Personen – und damit auf weniger als vor der Stadtgründung vierzig Jahre zuvor. Mit Henri Clignet, dem Spross einer ursprünglich aus Antwerpen stammenden Familie, der während des Krieges nach Leiden geflohen war, gewann er einen Vertrauensmann für den Wiederaufbau von Mannheim.11 Als erfahrener Kaufmann arbeitete Clignet neue Privilegien für die Stadt aus, die den Geist der erfolgreichen niederländischen Handelsstädte atmen sollten. Sie wurden 1652 in drei Sprachen veröffentlicht – auf das Lateinische verzichtete man inzwischen – und richteten sich „an alle ehrliche Leut von allen Nationen“, „à les gens de bien de toutes sortes de nations“ bzw. an „alle eerlijke luyden van alle Natien“. Sie alle wurden eingeladen, in Mannheim sesshaft zu werden und sich am Wiederaufbau der Stadt zu beteiligen. Geworben wurde mit der Befreiung von allen landesherrlichen Steuern und Zöllen, mit unentgeltlichen Bauplätzen und kostenlosem Baumaterial, mit der Aufhebung des Zunftzwangs sowie umfangreichen Handelsfreiheiten. Die Privilegien bildeten „eine der damals wohl fortschrittlichsten Stadtverfassungen Deutschlands“12 und gaben in besonderer Weise die Auslandserfahrungen Karl Ludwigs wieder. Die Sonderstellung Mannheims in der Kurpfalz zeigte sich etwa darin, dass die Stadt im Instanzenzug direkt den kurfürstlichen Zentral  10 Albrecht Ernst: Die reformierte Kirche der Kurpfalz nach dem Dreißigjährigen Krieg (1659– 1685). Stuttgart 1996, S. 28ff. Zu Karl Ludwig vgl. Peter Fuchs: Art. „Karl Ludwig“, in: NDB 11 (1977), S. 246–249. Eine moderne wissenschaftlich fundierte Biographie ist nach wie vor ein Desiderat. 11 Zu Henri Clignet vgl. Dominique Guillemenot-Ehrmantraut: L’Église réformée de langue française de Mannheim de 1652 à 1689. Paris 2003, S. 174–180. 12 Wennemuth: Zuwanderungserfolge, S. 155.

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behörden unterstellt wurde und keinem Oberamt angehörte. Beibehalten wurde der Doppelsterncharakter aus Stadt und Festung Friedrichsburg. Diese diente einerseits militärischen Zwecken, andererseits jedoch – ein Ausfluss des Liebeslebens Karl Ludwigs, der sich schon bald von seiner Gattin Charlotte von HessenKassel entfremdet hatte und die Scheidung der Ehe betrieb – als kurfürstliche Nebenresidenz und Unterkunft der Raugräfin Luise von Degenfeld. Das Mannheimer „Experiment“ mit seinem Werben um Zuwanderer – den Ausdruck prägte bereits Eberhard Gothein13 – zeitigte durchaus Erfolg. Auch wenn man letztlich immer auf Schätzungen und Hochrechnungen angewiesen ist, so kann davon ausgegangen werden, dass die Bevölkerung der Stadt bis Mitte der 1660er Jahre auf rund 4.000 und später, Ende der 1670er Jahre, auf über 8.000 Personen anstieg.14 Dabei war die Entwicklung alles andere als geradlinig. Immer wieder hatte die Stadt mit enormen Rückschlägen zu kämpfen. Insbesondere in den frühen Jahren herrschte eine enorme Bevölkerungsfluktuation. Andere Städte wie etwa Mainz waren starke wirtschaftliche Konkurrenten und behinderten mit ihrem Stapelrecht den Handel der Quadratestadt.15 Mehr noch, Clignet, der zum ersten Stadtdirektor ernannt wurde und bis 1683 im Amt bleiben sollte, beklagte 1659, dass das Bemühen um das Fortkommen der Stadt „gar große Mühseligkeit und viel Zeit kostet, in Sonderheit wegen der Mixtur so vielerlei Nationen und daß kein Geld im Land [ist]“,16 zumal weder mit Weinbau noch mit Manufakturen solches zu verdienen sei. Der stärkste Rückschlag ereilte die Stadt jedoch im Jahr 1666 mit der Pest, der ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung zum Opfer fiel. Dass dieser Aderlass vergleichsweise schnell innerhalb weniger Jahre ausgeglichen werden konnte, war dem fortwährenden Zuzug zu verdanken. Mannheim blieb ein buntes Gemisch aus vielen Völkern, mit Zuwanderern aus den spanischen Niederlanden, aus Nordfrankreich, Lothringen wie auch aus der Gegend von Lyon, aus Holland, der französischen Schweiz, aus Polen und nicht zuletzt auch aus dem deutschsprachigen Reich. Mangels Quellen fehlen detaillierte Auskünfte über die genaue Zusammensetzung der Bevölkerung. Man kann jedoch in den 1650er und 1660er Jahre von einer französischsprachig dominierten Bewohnerschaft ausgehen; erst im Laufe der 1670er Jahre sollte sich dies ändern, als erstmals bei Geburten wie Eheschließungen die Deutschen überwogen.17 Die Tatsache, dass die Zahl der ausländischen Zuwanderer zugunsten solcher aus dem Reich zurückging wie auch die zuneh  13 Vgl. Eduard Nüßle: Bilder und Beiträge aus und zur kirchlichen Geschichte der Stadt Mannheim 1652-1689. Heft 1. Heidelberg 1901, S. 10. 14 Wennmuth: Zuwanderungserfolge, S. 182, schätzt für das Jahr 1663 rund 3.000 Einwohner ohne die Friedrichsburg; Guillemenot-Ehrmantraut, L’Église, S. 107, rechnet inklusive der Festung für das Jahr 1665 auf 4.360 Einwohner hoch. 15 Vgl. Bernhard Kirchgässner: Integrationsprobleme einer bürgerlichen Gründungsstadt. Mannheim 1660–1720. Mannheim 1992, S. 22. 16 Zitiert nach Walter: Mannheim, S. 181. 17 Zahlen in Guillemenot-Ehrmantraut: L’Église, S. 97. Wennemuth: Zuwanderungserfolge, S. 179.

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mende Assimilation der nachfolgenden Generation schufen die Wende zu einer mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung. Ungeachtet dieser wechselnden Verhältnisse war und blieb die Amtssprache stets Deutsch. Mehrsprachigkeit, zumindest Zweisprachigkeit, war im Mannheim des 17. Jahrhunderts jedoch eine Schlüsselqualifikation für politischen, gesellschaftlichen und durchaus auch für wirtschaftlichen Erfolg. Das Zusammenleben einer derart heterogenen Bevölkerung war sicherlich nicht durchweg harmonisch. Im Gegenteil, im Alltag kam es immer wieder zu Konflikten, die auf die verschiedenen kulturellen wie auch religiösen Hintergründe der Bewohner bis hin zu unterschiedlichen Lebens- und Essgewohnheiten zurückgingen. Die Ratsprotokolle beschreiben unzählige derartige Fälle, da der Stadtrat auch als unteres Gericht fungierte. Streitigkeiten etwa um den Nährgehalt und das Gewicht von (französischem) Weißbrot gegenüber (deutschem) Roggenbrot oder um die Qualität von Brunnenwasser hatten dabei zumeist einen wirtschaftlichen Hintergrund.18 Bei der Analyse dieser Fälle muss freilich berücksichtigt werden, dass vor Gericht eben nur Konflikte und keineswegs die nachbarschaftliche Harmonie verhandelt wurden. Diese dürfte aber vorgeherrscht haben. Gleichwohl, das friedliche Miteinander in der Stadt war ständig bedroht und musste immer wieder erarbeitet werden. Ungeachtet aller Friktionen war dies letztlich durchaus möglich; der Stadtrat fungierte hierbei zumeist als neutrale Schiedsinstanz, deren Fokus dem Frieden in der Stadt galt. Dass dem Mannheimer Experiment dennoch keine nachhaltige Zukunft beschieden war, lag an äußeren Konfliktherden. Es war die Entscheidung der französischen Kriegspolitik unter König Ludwig XIV., die Stadt und die Festung im Pfälzisch-Orléanschen Erbfolgekrieg aus militärstrategischen Gründen völlig zu zerstören. Im März 1689 wurde Mannheim systematisch bis auf die Grundfesten eingeebnet, nachdem die Bevölkerung zuvor vertrieben worden war. Sie floh in die Städte und Dörfer der Umgebung, aber auch in entlegenere Orte wie Hanau oder Magdeburg. Mannheim blieb in den folgenden Jahren ein unbewohntes und ruiniertes Areal, auf dem die Franzosen jegliche Ansiedlungsversuche immer wieder zunichtemachten. Erst unter neuen politischen Vorzeichen nach dem Frieden von Rijswijk konnte 1698 mit dem Wiederaufbau der Stadt und damit ihrer dritten Neugründung begonnen werden.19 2. DIE KONFESSIONELLE DOMINANZ DER REFORMIERTEN Einen zentralen Aspekt im Zusammenleben der Mannheimer stellten die Religion und die Verhältnisse der Konfessionen dar. Ausschlaggebend hierfür waren zu  18 19

Vgl. Kirchgässner: Integrationsprobleme, S. 17f. Vgl. Harald Stockert: „1690–1716. Die dritte Stadtgründung und der Wiederaufbau“, in: Geschichte der Stadt Mannheim, S. 268–331.

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nächst einmal die Stadtprivilegien von 1652. Hier wird die Religionsfrage in Artikel XVII behandelt: Die Religion belangend versprechen Ihre Churfürstliche Durchlaucht […] die offentliche Ubung der Reformirten Religion, Schulen, Liturgia, Catechismus, Kirchenordnung und was dem anhängig, gleich wie dieselbe anietzo in Manheim gelehret und in unterschiedlichen Sprachen geübt wird.20

In der weiteren Ausführung sagte der Kurfürst sowohl den deutschen als auch ausländischen Reformierten zu, ihnen eine Pfarr- und Schulmeisterstelle zu finanzieren, sollten ihren jeweiligen Gemeinden über 50 Familien angehören. Keine Erwähnung fanden in den Privilegien die übrigen Konfessionen des Westfälischen Friedens, seien es die Lutheraner oder die Katholiken; gleiches gilt auch für andere Glaubensgemeinschaften. Eindeutig genossen die Reformierten damit Vorrang in Mannheim. Dies betraf im Übrigen die gesamte Kurpfalz, was angesichts ihrer Vergangenheit als Speerspitze des Calvinismus im Reich auch wenig verwundert. Allerdings lässt sich die Situation nicht mit der zu Beginn des 17. Jahrhunderts vergleichen. Der wechselhafte Kriegsverlauf und die wiederholte Besetzung der Kurpfalz hatten deren multikonfessionellen Charakter weiter verstärkt. Vor diesem Hintergrund war für Kurfürst Karl Ludwig eine Rückkehr zum Prinzip des cuius regio, eius religio nicht möglich. Hier schob schon die Normaljahrsregelung des Westfälischen Friedens einen Riegel vor. Zwar liegt für die unmittelbare Nachkriegszeit keine genaue Statistik vor; für das Jahr 1671 ermittelte Albrecht Ernst für die Bevölkerung in der rechtsrheinischen Kurpfalz einen Anteil der Reformierten von 57 Prozent, der Lutheraner von 23 Prozent und der Katholiken von 20 Prozent.21 Ähnliche Verhältnisse dürfte es auch in Mannheim gegeben haben. Die Besonderheit der Quadratestadt war, dass sich hier Reformierte aus dem Reich wie aus dem Ausland ansiedelten und jeweils für sich eigene Gemeinden bildeten. Bereits in den 1650er Jahren konstituierten sich neben der „hochteutschen“ eine „wallonische“ Gemeinde, die sich später „französisch“ nannte, sowie eine „niederteutsche“ bzw. „niederländische.“22 Sie alle erfüllten das in den Privilegien geforderte Quorum von 50 Familien, erhielten damit den Gemeindestatus mit einem und teilweise sogar zwei Pfarrern und Schulmeistern, die aus der kurfürstlichen Kasse besoldet wurden. Die drei reformierten Gemeinden stellten das Gros und zugleich die Elite der städtischen Gesellschaft; die Ratsmitglieder, Viertelmeister und sonstigen städtischen Repräsentanten entstammten durchweg ihrem Kreis. Dabei unterschieden sich die drei Gemeinden hinsichtlich ihrer Größe, ihres ökonomischen Gewichts wie auch ihrer Entwicklung. Lange Zeit dominierten   20 Eine faksimilierte Wiedergabe der Privilegien befindet sich auf der Begleit-CD zu: Das Protokollbuch der französisch-reformierten Gemeinde zu Mannheim von 1652 bis 1689. Hrsg. v. Dominique Guillemenot-Ehrmantraut und Michael Martin. Mannheim 2013. 21 Vgl. Ernst: Die reformierte Kirche, S. 73f. 22 Vgl. Udo Wennemuth: Geschichte der evangelischen Kirche in Mannheim. Sigmaringen 1996, S. 14f.

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hier die Franzosen, während der deutschsprachigen Gemeinde das Etikett anhing, vornehmlich ärmere Mitglieder zu haben. Die niederländische Gemeinschaft hingegen war zwar zahlenmäßig bei weitem die kleinste, verfügte jedoch über eine ansehnliche wirtschaftliche Potenz. Alle drei Gemeinden führten ein Eigenleben mit eigenen Konsistorien bzw. Presbyterien, eigenen Pfarrern und Schulmeistern, eigener Buchführung und natürlich eigener Sprache. Der Umgang untereinander war zumeist kollegial und geprägt von der Überzeugung, der gleichen „richtigen“ Kirche anzugehören. Dabei suchten die Gemeinden das Leben ihrer Mitglieder weitgehend zu regeln. Großen Wert wurde auf regelmäßigen Gottesdienstbesuch sowie auf einen sittlich angemessenen Lebenswandel gelegt. Wichtigstes Disziplinierungsinstrument war dabei die Zulassung zur Kommunion; diese konnte nicht nur bei religiösem, sondern auch bei persönlichem Fehlverhalten wie etwa Streitlust oder Unmäßigkeit verweigert werden. Derartige Sanktionierungen geschahen vor den Augen der gesamten Gemeinde; erst nach öffentlicher Abbitte und Reue konnte man sich von der Strafe wieder befreien.23 Die Strenge, mit der diese Kirchenzucht praktiziert wurde, war dabei immer abhängig von der Person des jeweiligen Pfarrers. Dies galt auch für das Verhältnis der reformierten „Nationen“ untereinander. Harmonischere Phasen wechselten mit konfliktreicheren. Übertritte zwischen den Gemeinden blieben lange Zeit die Ausnahme und wurden von allen Beteiligten als Bedrohung wahrgenommen. Um diese in den Griff zu bekommen, einigte man sich auf einen sogenannten „Verwilligungsschein“, den der Pfarrer der zu verlassenden Gemeinde dem „Konvertiten“ auszustellen hatte.24 Damit hofften sie ein Pendeln der Gläubigen zwischen den Gemeinden zu verhindern. Materielle Angelegenheiten boten immer wieder Anlass zu Streitigkeiten. Eine über Jahrzehnte wiederholt auftretende Frage war die nach einem adäquaten Kirchengebäude. Alle drei Gemeinden mussten sich hier in den ersten Jahrzehnten mit Provisorien abfinden. Vergleichsweise unproblematisch war es für die kleine niederländische Gemeinde. Sie war bis 1672 im Hause eines Apothekers untergebracht, wo sie sich freilich bei Katechesen und Predigten unter der Woche durch das Geräusch der Mörser des Hausherrn gestört sah. Entlastung schuf schließlich der Umzug in ein Haus in der Friedrichsburg. Problematischer war die Situation der deutschen und der französischen Gemeinde. Beide litten sie lange Zeit unter dem Fehlen eines geeigneten Gebäudes und mussten sich mehr schlecht als recht damit arrangieren, gemeinschaftlich einen Saal im Rathaus zu nutzen. Eine vorübergehende Entspannung sollte der Bau einer hölzernen Kirche im Quadrat R 2 bewirken. Diese „Provisionalkirche“ konnte seit 1666 von der französischen Gemeinde genutzt werden. Ein Rathausumbau führte jedoch wenige Jahre später dazu, dass auch die hochdeutschen Reformierten ihren Gottesdienst hier abhalten mussten, was wiederum zu Beschwerden Anlass bot. Wochenpläne sollten die Nutzung regeln, erwiesen sich jedoch immer wieder als praxisuntauglich. Denn   23 Vgl. Guillemenot-Ehrmantraut: L’Église, S. 301ff. 24 Vgl. Nüßle: Bilder und Beiträge I, S. 33.

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einmal am Predigen, verlor so mancher Pfarrer das Maß für die Zeit.25 Abhilfe in diesem Fall sollte schließlich der Bau eines gemeinsamen Gotteshauses, einer Doppelkirche im Quadrat R 2, schaffen. Der Grundstein der sogenannten „Nationalkirche“ wurde 1685 gelegt, im Herbst 1688 war sie so weit fertiggestellt, dass die hochdeutsche Gemeinde einziehen konnte. Wenige Monate später teilte sie allerdings mit der Stadt das Schicksal der Zerstörung. Mit der Verteilung der Armengelder, mit der Regelung der Mischehen oder aber mit Fragen der Kirchenzucht gab es noch weitere Konfliktfelder zwischen den Gemeinden. Dabei ging es auch immer wieder um die Frage der politischen Dominanz in der Stadt. So erinnert das hartnäckige Streiten um die Verteilung der Almosengelder zwischen den drei Gemeinden an moderne Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich. Bildreich argumentierte hierbei etwa 1662 die wallonische Gemeinde: So wie ein weiser Familienvater einem kleinen Kind nicht ebenso viel Brot geben wird wie einem großen Kind. Und im menschlichen Körper schickt der Magen den großen Körperteilen mehr Nahrung zu als den kleineren. Wir haben einen großen Körper, die deutschen und flämischen einen kleinen. Wir sollten also mehr Anteile haben als sie.26

Demgegenüber konstatierte die deutsche Gemeinde, die eine paritätische Aufteilung forderte, dass die Zahl der Wallonen zunehmend geringer würde, „weil die Kinder im Laufe der Zeit deutsch würden“.27 Dennoch bleibt festzuhalten: Auch wenn sich jede Gemeinde als autonom und eigene „Nation“ empfand, so stand das Bewusstsein im Vordergrund, Glieder einer gemeinsamen Kirche zu sein. Dies kam auch dadurch zum Ausdruck, dass sich die niederländische Gemeinde, die seit den 1680er Jahren weitgehend in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden drohte, dazu aufraffte, die beiden Schwestergemeinden als Erben einzusetzen.28 3. DAS VERHÄLTNIS ZU RELIGIÖSEN MINDERHEITEN Einigkeit bewiesen die Reformierten vor allem im Auftreten gegen Dritte – seien es die anderen Konfessionen des Westfälischen Friedens oder sonstige Religionsgemeinschaften. Letztere gab es in Mannheim gleich mehrere; nicht zufällig bzeichnete der Katholik Buonamico die Stadt als „Sammelplatz für alle Sekten der Häretiker“.29 Dabei ist die Ansiedlung von Täufern wie Sozinianern vor allem vor dem Hintergrund der kurfürstlichen Repeuplierungspolitik zu sehen. Denn die Duldung dieser Gemeinschaften war keineswegs selbstverständlich. So bezeichnete die kurpfälzische Landesordnung von 1582 etwa den Glauben der Täufer als „ärgerliche, giftige, verführerische […] schädliche Lehr“, die es zu bekämpfen   25 26 27 28 29

Vgl. Walter: Mannheim, S. 274. Guillemenot-Ehrmantraut/Martin: Protokollbuch, S. 58. Guillemenot-Ehrmantraut/Martin: Protokollbuch, S. 58. Vgl. Wennemuth: Geschichte, S. 18. Zitiert nach Wolgast: Religion und Politik, S. 199.

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gelte.30 Karl Ludwig hob 1664 diese Bestimmung auf und erließ ein landesweit geltendes Niederlassungsrecht für die als „Menisten“ (Mennoniten) bezeichneten Täufer.31 Allerdings blieb es ihnen untersagt, offen für ihren Glauben zu werben; die Abhaltung von Gottesdiensten war lediglich in Privathäusern gestattet. In einigen Orten waren sie bereits in den 1650er Jahren geduldet gewesen, unter anderem auch in Mannheim, wo sich Täufer aus Siebenbürgen und Ungarn angesiedelt hatten. In den Quellen begegnen sie als „Hutterische Brüder“. Rechtlich waren sie den anderen Bürgern nahezu gleichgestellt, sie mussten allerdings ein erhöhtes Schutzgeld von 10 fl pro Person zahlen. Auch war ihre Anzahl begrenzt – maximal 20 Familien sollten geduldet werden, eine Zahl freilich, die nie erreicht wurde. In den 1670er Jahren wohnten in Mannheim knapp ein Dutzend Familien, die im Quadrat E 6 eigene Handwerksbetriebe unterhielten. Wie Stadtdirektor Clignet berichtete, unterschieden sich die Hutterer in Mannheim von anderen radikaleren Täufergemeinschaften etwa aus der Schweiz, „welche die Gottheit Christi in Zweifel ziehen“.32 Die Hutterer lebten in Gütergemeinschaft, Heiraten waren nur untereinander zugelassen. Dennoch scheint der Zusammenhalt der kleinen Gemeinschaft, die unter der Aufsicht eines autokratischen Seniors stand, nicht allzu groß gewesen zu sein. Vieles deutet darauf hin, dass es bald Auflösungserscheinungen gab. Mehrere Mitglieder kehrten der Brüdergemeinde den Rücken und konvertierten zur hochdeutsch-reformierten Gemeinde. Symptomatisch ist hierbei der Fall des Messerschmieds Abraham Zahn, der samt seiner Familie „aus sonderlicher Schickung Gottes“ zu den Reformierten übertrat und seine Kinder taufen ließ.33 Taufzeugen waren bemerkenswerterweise prominente Vertreter der Stadt – die Bürgermeister Johann Grohe sowie Nicolaus La Rose. Der Fall zeigt deutlich einerseits die Duldung der Sekte in der Stadt, andererseits aber auch die offene Unterstützung von Konversionen seitens der konfessionell-politischen Elite. Dem Beispiel des Messerschmieds folgten noch andere Täufer, so dass davon ausgegangen werden kann, dass ihre Gemeinschaft bis Mitte der 1680er vollständig assimiliert wurde. Erst mit dem Neubeginn der Stadt nach 1698 sollten sich wieder Täufer in der Stadt ansiedeln. Im gleichen Quadrat E 6, direkt gegenüber den Hutterischen Brüdern, verzeichnet ein Hausbesitzerplan von 1663 das Anwesen von „Polnischen Brüdern“. Hierbei handelt es sich um Anhänger von Fausto Sozzini, die aus Polen vertrieben worden waren. Vermutlich hatte Stanislaus Lubinietzki, einer der Köpfe der polnischen Sozinianer, eine Aufenthaltserlaubnis für seine Glaubensgenossen er  30 Zitiert nach Friedrich Walter: „Sekten-Niederlassungen in Mannheim unter Karl Ludwig“, in: Mannheimer Geschichtsblätter 2 (1901), Sp. 56–61, 93–94, 244–245, hier: Sp. 59. 31 Vgl. Frank Konersmann: „Rechtslage, soziale Verhältnisse und Geschäftsbeziehungen von Mennoniten in Städten und auf dem Land. Mennonitische Bauernkaufleute in der Pfalz und in Rheinhessen (18.-19. Jahrhundert)“, in: Mannheimer Geschichtsblätter N.F. 10 (2003), S. 83– 115, hier: S. 87. 32 Walter: Mannheim, S. 292. 33 Walter: Sekten-Niederlassungen, Sp. 60.

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wirkt, von denen einige wenige Familien 1663 nach Mannheim zogen.34 Unter ihnen befanden sich mit Andreas Wiszowaty und Joachim Stegmann d.J. zwei herausragende sozinianische Autoren. Ähnlich wie für die Hutterischen Brüder galten auch für die Sozinianer lediglich ein Duldungsrecht sowie die Auflage, ihren Glauben nicht in der Öffentlichkeit zu praktizieren bzw. Stadtbewohner zu missionieren. Das Überschreiten dieses Verbotes sollte den Aufenthalt der Sozinianer in Mannheim schon nach wenigen Jahren beenden. Der reformierte Kirchenrat machte sich für ihre Ausweisung stark, nachdem „einige Büchlein, der Sozinianer Glauben angehend“, in der Stadt aufgetaucht waren.35 Bereits 1666 verließ die kleine Gemeinschaft Mannheim und zog nach Holland. Die Beispiele der Täufer und Sozinianer machen deutlich, dass die Ansiedlung andersgläubiger Bevölkerungsgruppen in Mannheim letztlich auf die Regierung zurückging. Die reformierten Gemeinden vor Ort standen dieser Politik eher ablehnend gegenüber und fürchteten um ihre Dominanz, sobald selbst zahlenmäßig bedeutungslose Sekten offen auftraten. Der harsche Ruf nach Ausweisung Andersgläubiger findet sich immer wieder; belegt ist der Fall eines mutmaßlichen Anhängers Kaspar von Schwenkfelds, der sich – so die Beschwerde der reformierten Konsistorien – „nun geraume Zeit in dieser Statt aufgehalten, allen Gottesdienst und Kirchendisciplin verachte und ein gottloses, ärgerliches Leben führe“.36 Vereint plädierte man für die Ausweisung des Mannes, was letztlich wohl auch geschah. Konfliktlinien gab es auch zwischen den reformierten Gemeinden und den Juden. Deren Ansiedlung war bereits in den 1650er Jahren gezielt von der kurfürstlichen Regierung unterstützt worden, 1660 gewährte ihnen der Kurfürst in eigenen Konzessionen weitgehende Rechte. Bei dieser Politik stand die Erfahrung Karl Ludwigs in den Niederlanden Pate, der die dortige wirtschaftliche Bedeutung jüdischer Händler mit eigenen Augen gesehen hatte und sich nun bemühte, aus Mannheim ein „Klein-Amsterdam“ zu machen.37 Wohl auch deswegen zeigte er sich bereit, den Juden – anders als etwa den Lutheranern oder Katholiken – die volle Religionsfreiheit zuzubilligen, ihnen Rabbiner, Vorsänger und Schulmeister zu gestatten, die überdies das ansonsten übliche Schutzgeld nicht zu entrichten

  34 Vgl. Janusz Tazbir: „Die Sozinianer in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, in: Paul Wrzecionko (Hg.): Reformation und Frühaufklärung in Polen. Studien über den Sozinianismus und seinen Einfluss auf das westeuropäische Denken im 17. Jahrhundert. Göttingen 1977, S. 9–77, hier: S. 60f. 35 Walter: Sekten, Sp. 58. 36 Vgl. StadtA Mannheim-ISG: Ratsprotokoll 1664, Zug. 1/1900 Nr. 3 (Eintrag vom 29. März 1664); Walter: Sekten, Sp. 61. 37 Vgl. Gustav Adolf Benrath: „Die konfessionellen Unionsbestrebungen des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz (†1680)“, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 116 (1968), S. 187–252, hier: S. 199.

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hatten.38 Dabei gab es für die „deutschen“ (aschkenasischen) sowie „portugiesischen“ (sephardischen) Juden unterschiedliche Konzessionen, da diese zunächst jeweils getrennte Gemeinden bildeten. Wie die Täufer waren auch die Juden vom städtischen Wach- und Schutzdienst ausgenommen, wofür freilich ebenfalls eine jährliche Ablösungszahlung fällig war. Verglichen mit den anderen religiösen Minderheiten war die zahlenmäßige wie auch ökonomische Bedeutung der Juden in Mannheim beträchtlich; um 1680 kann ihre Zahl auf 350 bis 400 Personen geschätzt werden.39 Dies spiegelt sich auch in den Ratsprotokollen wider, die zahlreiche Belege für Konflikte zwischen Christen und Juden, aber auch innerhalb der Judenschaft aufweisen. Bei Fragen wie der Sonntagsheiligung spielen dabei auch religiöse Momente eine Rolle; doch diese sind eher die Ausnahme.40 Deutlich zahlreicher sind hingegen ökonomische Konflikte etwa zwischen einzelnen Zünften und der Judenschaft, die freilich mit antisemitischen Stereotypen garniert und verkleidet wurden. Der Stadtrat lavierte hierbei zwischen den Positionen. So lehnte er einerseits das Gesuch der Mannheimer Metzger ab, den Juden den Viehhandel zu verbieten und sie damit aus dem Wettbewerb zu drängen. Andererseits machte er sich für einen Aufnahmestopp für Juden stark, „da diese durch ihr gewaltiges Multiplizieren mit der Zeit sich über die Christen erheben und also stärker und mächtiger als diese werden und mithin den Christen allen Handel und Nahrung gänzlich entziehen.“41 Die kurpfälzische Regierung, die ihre Politik gegenüber den Juden immer als eine Art Wirtschaftsförderung ansah, begegnete diesem Antrag mit Ablehnung und zeigte sich lediglich bereit, die Zuwanderungsregeln durch die Erhöhung des Vermögensnachweises auf 300 fl zu verschärfen. Letztlich war es wiederum die staatliche Obrigkeit, die die Duldung einer religiösen Minderheit förderte, forderte und zumindest teilweise gegen die Lokalgewalten durchsetzte. 4. LUTHERANER UND KATHOLIKEN Anders als zu den religiösen Minderheiten gestaltete sich das Verhältnis der Reformierten zu den beiden anderen im Westfälischen Frieden anerkannten Konfessionen weitaus konfliktreicher. Nicht nur bildeten Lutheraner und Katholiken auf Reichsebene wichtige politische Gegenspieler und stellten zuweilen eine Bedrohung für die eigene Autonomie dar, auch innerhalb der Kurpfalz sowie in der Stadt Mannheim waren sie schon zahlenmäßig ernst zu nehmende Konkurrenten.   38 Vgl. hierzu Tilde Bayer: Die Juden in Mannheim in der Regierungszeit des Kurfürsten Karl Ludwig (1661–1680). Masch. Magisterarbeit. Mannheim 1988 (Exemplar in StadtA Mannheim-ISG: Bibliothek, Sig. J 252), S. 13. 39 Vgl. Wennemuth: Zuwanderungserfolge, S. 189. 40 Bayer: Juden, S. 105. 41 Zitiert nach Karl Otto Watzinger: Geschichte der Juden in Mannheim 1650–1945. Stuttgart 1984, S. 15.

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Für Lutheraner wie auch Katholiken galten zunächst einmal ihre im Westfälischen Frieden festgehaltenen Existenzrechte mit Gewissensfreiheit und dem Recht auf Religionsausübung, allerdings beschränkt auf das „exercitium privatum religionis“ oder die „devotio domestica“.42 Das bedeutete, dass ihnen lediglich im familiären Rahmen gestattet war, Andachten und Gebete durchzuführen – und dies ausdrücklich ohne priesterlichen Beistand. Angehörige beider Konfessionen unterlagen dabei dem örtlichen Pfarrzwang. Für sämtliche kirchliche Kasualhandlungen, sprich Taufe, Eheschließung, Kommunion wie auch Begräbnis, zeichnete damit in der Kurpfalz der reformierte Pfarrer des Wohnorts verantwortlich.43 Dies galt auch für die Quadratestadt, wo die Lutheraner und Katholiken Ausgang der 1650er Jahre sicherlich mehr als ein Drittel der Bevölkerung gestellt haben. Besonders die Mannheimer Lutheraner waren mit den bestehenden Verhältnissen sehr unzufrieden. Sie hatten vor Augen, dass auf schwedischen Druck hin ihren Glaubensgenossen in Oppenheim wie auch in Heidelberg Sonderbedingungen zugestanden worden waren, die – so eine mögliche Interpretation des Friedensvertrags – für alle Lutheraner hätten Anwendung finden können.44 So konnten sie in beiden Städten eigene Gemeinden bilden. Für den Gottesdienst wurde ihnen in Heidelberg die Spitalkirche zum simultanen Gebrauch und ab 1661 mit der Providenzkirche ein eigenes Gotteshaus zugestanden. Diese Vorzugsbehandlung war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass Karl Ludwig in seinem Hofund Regierungsstab, ferner bei der Besetzung von Professorenstellen an der Universität Heidelberg durchaus auch auf Lutheraner setzte. Nicht zuletzt die lutherische Geliebte und spätere zweite Ehefrau des Kurfürsten, Luise von Degenfeld, soll den Kurfürsten dazu bewogen haben, ihren Glaubensgenossen eine eigene Kirche zu bewilligen. In Mannheim hingegen sahen sich die Lutheraner lediglich geduldet. Religiöse Andachten durften sie nur in den eigenen vier Wänden ausüben. Besonders litten sie unter den Bestimmungen des Pfarrzwangs sowie des Fehlens eines eigenen Predigers. Zahlreiche Glaubensgenossen suchten daher Gottesdienste im ritterschaftlichen Dorf Rheingönheim, einem heutigen Stadtteil von Ludwigshafen, auf – sehr zum Unwillen der reformierten Konsistorien. Als 1662 der Rheingönheimer Pfarrer bei der geheimen Verteilung des Abendmahls „in einigen particulieren Häusern“ in Mannheim erwischt wurde, veranlassten die „samtliche Consistoria“ den Stadtrat, dieses zu unterbinden, da es gegen die Stadtprivilegien verstoße.45 Auch die Bemühungen der Lutheraner, analog zur Situation in Heidelberg als eigenständige Gemeinde in Mannheim anerkannt zu werden, wurden von den Reformierten zunächst erfolgreich torpediert. 1664 hatte sich der Kurfürst zwar   42 Vgl. Christoph Flegel: Die lutherische Kirche in der Kurpfalz von 1648 bis 1716. Mainz 1999, S. 32; Ernst: Die reformierte Kirche, S. 17. 43 Vgl. Ernst: Die reformierte Kirche, S. 231. 44 Vgl. hierzu Flegel: Die lutherische Kirche, S. 34. 45 StadtA Mannheim-ISG: Ratsprotokoll 1661–1662, Zug. 1/1900 Nr. 1 (Eintrag vom 18. März 1662); Ratsprotokoll 1662, S. 447f.

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bereit erklärt, bei einem Quorum von 50 lutherischen Familien eine entsprechende Konzession zu erlassen. Die in den folgenden Jahren immer wieder eingereichten Statistiken der Lutheraner wurden jedoch von den reformierten Konsistorien angefochten und zurückgewiesen. Immer wieder stellten sie dabei die Eigenständigkeit der Lutheraner in Frage und vewiesen darauf, dass diese „nichts bößes lernen [würden], wann Sie schon in die Reformirte Kirche giengen“.46 Zudem würde ihre Anerkennung lediglich Arme und Bedürftige anziehen und außerdem gingen die Gesuche lediglich von einer Minderheit unter den Lutheranern aus, während deren Mehrheit mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden sei. Eine Anerkennung würde, so die schlussfolgende und eingangs zitierte Argumentation, die „Harmonie so vielerley Nationen“ in Mannheim nur gefährden. Trotz dieses mächtigen Widerstands vor Ort zeichnete sich in der Haltung Karl Ludwigs seit 1673 eine Wende ab. Im Oktober konzedierte er die Anstellung und Vereidigung eines lutherischen Pfarrers, der in Mannheim das Abendmahl reichen durfte – andere Kasualien blieben ihm allerdings verboten. Dieses Entgegenkommen des Kurfürsten ging den Reformierten allerdings zu weit, da sie befürchteten, dass damit die Büchse der Pandora geöffnet war. Mit Argusaugen beobachteten die reformierten Pfarrer fortan ihren neuen lutherischen Kollegen. Sie empfanden es als Provokation, dass dieser nahezu im 14-Tage-Rhythmus die Kommunion verteilte, während dies von den Reformierten gerade einmal vier Mal im Jahr praktiziert wurde. Schlimmer noch wog das damit verbundene Auftreten des Lutheraners in der Öffentlichkeit: Dieser ging vor dem Gottesdienst „mit seinem Lutherischen Kohr Rock, vber die gassen einher […], welches dan die Lutheraner gewaltig auffmutzet, vnd unsern Reformirten hefftig in die augen sticht“.47 Doch bevor dieser Kampf um die Straße weiter eskalieren sollte, schritt der Kirchenrat ein mit der Auflage an den lutherischen Pfarrer, seltener die Kommunion zu verteilen und öffentlich dezenter aufzutreten. Dennoch schienen 1675 die Lutheraner fast am Ziel, als ihnen Karl Ludwig den Bau einer Kirche konzedierte, für die in der Friedrichsburg ein geeigneter Bauplatz ausgemacht wurde. Vor diesem Hintergrund bedeutete die überraschende Entscheidung des Kurfürsten im Jahr 1677, an Stelle des projektierten lutherischen Gotteshauses eine Kirche für alle protestantischen Konfessionen zu bauen, einen herben Rückschlag. Bereits in der Vergangenheit hatte Karl Ludwig versucht, in Verhandlungen mit anderen Reichsständen eine Annäherung zwischen Reformierten und Lutheranern zustande zu bringen.48 Dadurch erhoffte er sich eine Konsolidierung und Stärkung des protestantischen Lagers. Da diese Versuche aber allesamt am Widerstand seiner Mitfürsten wie auch der Theologen scheiterten, entschloss er sich nun zum Alleingang. Anstatt eines Ausgleichs auf theologischer Ebene verfolgte er das   46 Zitiert nach Flegel: Die lutherische Kirche, S. 108. Zum Folgenden ebenda, S. 109–111. Ernst: Die reformierte Kirche, S. 289ff. 47 Flegel: Die lutherische Kirche, S. 113f. 48 Vgl. Benrath: Die konfessionellen Unionsbestrebungen. Ernst: Die reformierte Kirche, S. 34– 39. Flegel: Die lutherische Kirche, S. 120.

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Ziel einer liturgischen Union. Dies sollte letztlich auf gemeinsame Gottesdienste von Reformierten und Lutheranern hinauslaufen. Als Kirchengebäude bestimmte Karl Ludwig das eigentlich für die Lutheraner gedachte Gotteshaus in der Friedrichsburg, für das er 1677 den Grundstein legte. In einem Dekret beklagte Karl Ludwig „die vielfache Unruhe und Zerrüttungen im gemeinen und häuslichen Wesen, welche durch Spaltungen in Religionssachen entstehen“.49 Hier sollte die neue „Friedens-Christliche Eintrachtskirche“ Abhilfe schaffen. Bereits 1680 konnte die Einweihung der Kirche erfolgen, die mit großer Feierlichkeit begangen wurde. Nicht nur waren Vertreter der beiden protestantischen Konfessionen anwesend, auch einen katholischen Priester hatte man geladen. Die Feier atmete höfisches Zeremoniell und barocke Pracht, deren Höhepunkt die Taufe von „Ungläubigen“ – eines Juden, eines Muslims und eines „Heiden“ aus Indien – bildete. Trotz aller Beschwörungen um „rechte Concordie“ und „wahre Eintracht“, wie es im Stiftungsbrief der Kirche formuliert war, scheiterte das Projekt einer liturgischen Union von Reformierten und Lutheranern auf der ganzen Linie.50 Der Tod Karl Ludwigs zwei Monate nach der Feier und die Ablehnung des Projekts durch seinen Nachfolger ließ die ohnehin nur spärlich vorhandene Energie für ein engeres Zusammenwachsen völlig erlahmen. Zwar durften die Lutheraner weiterhin die neue Eintrachtskirche nutzen, von gemeinsamen Gottesdiensten sollte jedoch keine Rede mehr sein. Mehr noch, weder auf reformierter noch auf lutherischer Seite hatte es vor Ort Befürworter der Union gegeben. So war es mehr als nur Zufall gewesen, dass kein Vertreter der Mannheimer Geistlichkeit bei der Einweihungsfeier anwesend gewesen war und das Ereignis auch ohne Erwähnung in den Konsistorialprotokollen blieb. Die Vorbehalte gegeneinander dürften eine Vertrauensbildung verhindert haben, zumal die Lutheraner sicherlich nicht zu Unrecht fürchteten, in einer Union mit den Reformierten vollständig assimiliert zu werden. Unter dem sehr gläubigen Kurfürsten Karl kam es nach 1680 zu einer neuerlichen Stärkung der Reformierten. Hiervon zeugte die Gründung von Friedrichsfeld als calvinistische Exilantensiedlung in der Mannheimer Umgebung wie auch die Verweigerung einer eigenen Konzession für die Lutheraner. Mit dem konfessionellen Wechsel durch den Herrschaftsantritt des neuen Kurfürsten Philipp Wilhelm aus der bislang in Düsseldorf residierenden katholischen Linie von PfalzNeuburg sollten die Reformierten ab 1685 ihre Vorrangstellung in Kurpfalz verlieren. Die Katholiken und auch die Lutheraner erhielten das Recht zur vollen Religionsausübung zugestanden. Der Pfarrzwang, der trotz des 1673 eingesetzten lutherischen Pfarrers bis zuletzt bestanden hatte, wurde nun aufgehoben. Am 20. Oktober 1685 konnte im neu angelegten Kirchenbuch der Mannheimer Lutheraner die erste Taufe eingetragen werden.51 Der großen Freude bei den Lutheranern über diese Änderungen stand tiefe Missbilligung bei den Reformierten gegenüber,   49 Abgedruckt in Heinrich Feder: Geschichte der Stadt Mannheim nach den Quellen bearbeitet. Band 1: 17. und 18. Jh. Mannheim/Straßburg 1875, S. 49. 50 Vgl. Wennemuth: Zuwanderungserfolge, S. 193. 51 Vgl. Wennemuth: Geschichte, S. 20.

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die sich nur schwer mit der neuen Situation abfanden. Denn lange Jahre hatten die Reformierten, aber auch die kurpfälzische Regierung auf eine Zurückdrängung des lutherischen Bekenntnisses hingearbeitet und weitgehend erfolgreich versucht, Gemeindegründungen, wie sie der Westfälische Friede eigentlich erlaubt hätte, zu verhindern und stattdessen die Lutheraner zu assimilieren. Noch stärker konfliktbeladen gestaltete sich das Verhältnis der Reformierten zu den Katholiken. Bedingt durch die Eroberung der Kurpfalz und die damit verbundenen Rekatholisierungsbemühungen während des Dreißigjährigen Kriegs wie auch infolge von Zuwanderung gab es hier eine ansehnliche katholische Minderheit mit einem Anteil von schätzungsweise 20 Prozent der Bevölkerung. Auch für die Katholiken galt lediglich die im Westfälischen Frieden zugestandene „devotio domestica“, ansonsten unterlagen sie dem Pfarrzwang. Einen Ausweg aus dieser Situation schien ihnen der im Bergsträßer Rezess von 1650 erzielte Ausgleich mit dem Kurfürstentum Mainz zu bieten, durch den in einigen Dörfern im Mannheimer Umland ein Simultaneum eingerichtet wurde. Insbesondere Seckenheim, ein heutiger Stadtteil Mannheims, wurde immer wieder zum Ziel von Katholiken, die hier die Sakramente entgegenzunehmen suchten. Dies musste allerdings mehr oder weniger heimlich geschehen und war von der kurpfälzischen Obrigkeit alles andere als gerne gesehen. Im Gegenteil, man suchte dieses „Auslaufen“ der Katholiken zu erschweren und sie stattdessen zum Kirchgang bei den Reformierten zu drängen. So erging 1659 ein kurfürstliches Reskript, das den Untertanen verbot, ihre Kinder in benachbarte frembde Herrschaften zu taufen tragen oder auch sich daselbst copulieren lassen sowie papistische Meßpriester[…] zu[zu]lassen, daß sie in unser Territorium kommen, Kinder zu taufen oder den Leuthen das Nachtmahl zu reichen, weniger die Eheleuthe zu copulieren.52

Die reformierten Konsistorien achteten darauf, dass diese Regelung nicht von den Katholiken unterlaufen wurde. Wiederholt sah sich der Rat entsprechenden Beschwerden gegenüber. 1672 verurteilte er einen katholischer Bürger zu einer Strafe von 3 fl, da dieser sein Kind in der „päpstischen Kirch zu Seckenheim“ hatte taufen lassen.53 1681 wurde den Kapuzinermönchen, welche die Seckenheimer Pfarrei versahen, verboten, Krankenbesuche in Mannheim oder der Friedrichsburg zu machen. Keine Chance hatte auch ein Gesuch der Katholiken, die auf über 90 Haushalte in Mannheim verwiesen, um seelsorgerische Betreuung aus den Nachbardörfern.54 In den Ratsprotokollen wie auch in den Unterlagen der Reformierten finden sich vereinzelt Fälle, die verdeutlichen, wie sehr die reformierten Konsistorien auf ihre Dominanz und die ihres Glaubens bedacht waren. So wird in den Protokollen immer wieder stolz über Konversionen von Katholiken berichtet. Derartige Feiern   52 Zitiert nach Ernst: Die reformierte Kirche, S. 302. 53 Vgl. Walter: Mannheim, S. 291. 54 Albert/Saltin: Katholisches Leben, S. 108.

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fanden regelmäßig in der Weihnachtszeit statt. Eingebettet waren sie zumeist in einen Gottesdienst, in dessen Rahmen sich die Konvertiten öffentlich vom Katholizismus lossagten. Beispielhaft ist der Fall von Jacque Barrière, der am 11. November 1676 konvertierte. Er schwor den Irrtümern der römischen Kirche, in der er geboren war, ab […]. Er schwor den Irrlehren und dem Aberglauben der römischen Kirche ab, insbesondere der Anrufung der Heiligen, der Verehrung der Bilder, der sogenannten Werkgerechtigkeit, dem vorgeblichen Fegefeuer, der Messfeier, dem Totengebet und bat Gott um Vergebung der Sünden, die er in diesen Dingen begangen hatte.55

Nach diesem Schwur folgten eine förmliche Prüfung, die der Konvertit bestand, sowie das Gelöbnis, fortan im reformierten Glauben zu leben. Diese Schilderung macht deutlich, dass die Konversionen eben immer auch der Selbstbestätigung des eigenen reformierten Glaubens dienten. Mit dem Herrscherwechsel von 1685 sollte sich die Situation der Katholiken nachhaltig ändern. Am 30. November wurde der erste offizielle katholische Gottesdienst in Mannheim gefeiert, zusätzlich aufgewertet dadurch, dass der neue Kurfürst Philipp Wilhelm persönlich teilnahm.56 Die Eintrachtskirche in der Friedrichsburg diente fortan als Simultankirche für alle drei Konfessionen. Auch sonst machte sich der konfessionelle Wechsel in der Stadt rasch bemerkbar – etwa durch den Zuzug von Mitgliedern des Kapuzinerordens, die fortan seelsorgerische Funktionen übernahmen. Dabei blieb Philipp Wilhelm in seiner Religionspolitik sehr zurückhaltend und suchte eher Konflikte zu vermeiden. Der reformierte Kirchenrat wie auch die Mannheimer Konsistorien wurden in ihren Rechten weitgehend bestätigt; deren Mitglieder hatten sich gleichwohl damit abzufinden, dass ihre Konfession nun nicht mehr die politisch dominierende war. Entsprechend schwer tat man sich zunächst mit den geänderten Verhältnissen. Neuerungen wie etwa die Einführung des gregorianischen Kalenders 1686 begegnete man ebenso mit Ablehnung und suchte sie zu umgehen wie die verfügte Mitüberlassung der Glocken an die anderen Konfessionen.57 Darüber hinaus musste man zunehmend Konversionen ins katholische Lager hinnehmen und zudem „mit Schmerzen“ feststellen, daß viele Personen […] sich in den Kirchen der römischen Katholiken zu den Stunden ihrer Messen aufhalten und sich so der Notwendigkeit eines Ärgernisses aussetzen, ob bei den Katholiken, weil sie nicht wie sie handeln und damit nicht dem Ehre erweisen, was diese ehren, oder bei den Unsrigen, indem sie an Gottesdiensten teilnehmen, die man dort gibt.58

  55 Guillemenot-Ehrmantraut/Martin: Protokollbuch, S.165f. 56 Vgl. Leopold Börsig: Die Pfarrei und Kirche zum hl. Sebastianus in Mannheim. Ein geschichtlicher Rückblick zum zweihundersten Gedenktag der Einweihung der unteren katholischen Pfarrkirche. Mannheim 1910, S. 11. 57 Vgl. Guillemenot-Ehrmantraut/Martin: Protokollbuch, S. 275, 287. 58 Guillemenot-Ehrmantraut/Martin: Protokollbuch, S. 292.

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Rückblickend erscheinen die Jahre nach 1685 mit dem konfessionellen Wechsel nur als bloßes Präludium für die kommende Zäsur des Jahres 1689. Es blieb keine Zeit, das Mannheimer Experiment unter nunmehr geänderten Vorzeichen fortzusetzen. Denn eigentlich wäre für alle Konfessionen vor allem Zeit notwendig gewesen, um Erfahrungen im gleichberechtigten Umgang miteinander zu machen und Strategien für ein geduldetes Nebeneinander zu entwickeln.59 Die Zerstörungen des 1688 begonnenen Pfälzisch-Orléanschen Krieges überdeckten die konfessionellen Konflikte, ehe sie ab 1697 umso heftiger aufbrechen sollten. 5. ZUSAMMENFASSUNG Mannheim genoss in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts den Ruf einer ungewöhnlichen Stadt. Eine derartige Mixtur an Nationen und Konfessionen dürfte es in Deutschland in kaum einer anderen neu gegründeten Kommune gegeben haben. Dieses bunte Vielvölkergemisch war von Kurfürst Karl Ludwig durchaus gewollt. Auch wenn kein Zweifel daran bestand, dass Mannheim eine von Reformierten dominierte Stadt sein sollte, so war der Aufruf „an alle ehrlichen Leute aller Nationen“ in den erneuerten Stadtprivilegien von 1652 umfassend gemeint. Geradezu programmatisch erscheint daher die Begründung der Ansiedlung der Mennoniten in Mannheim mit den Worten, „zuvörderst, weil wir Menschen und Unterthanen, die das erödete Land wiederum bauen und in Stand bringen, höchst bedürfen“.60 Damit war die Leitlinie der Politik Karl Ludwigs skizziert: Im Vordergrund standen der Wiederaufbau und die Repeuplierung des ausgebluteten und zerstörten Landes. Vor diesem Problem standen im Übrigen auch andere Städte und Territorien im Reich, die ebenfalls mit Privilegien und Vergünstigungen um Zuzügler warben. Der Vergleich mit ihnen zeigt jedoch, dass die Besonderheit der Situation in Mannheim in dem außergewöhnlich breiten Adressatenkreis des Aufrufes und der damit verbundenen Politik lag. Denn zur Anwerbung und Duldung anderer Konfessionen wie auch der kleineren Sekten konnte sich ansonsten kaum eine Herrschaft durchringen. Vielmehr galt nach wie vor ein konfessionell homogenes Territorium als Ideal des frühneuzeitlichen Staates. Dass Karl Ludwig bereit war, sich hierüber hinwegzusetzen, war vor allem seinen Erfahrungen in Holland geschuldet, wo eine multinationale wie -religiöse Bevölkerung für wirtschaftliche Dynamik sorgte. Dies suchte er nun auf Mannheim zu übertragen, womit ein spannendes Experiment begann.   59 Vgl. hierzu Frauke Volkland: „Konfessionelle Abgrenzung zwischen Gewalt, Stereotypenbildung und Symbolik. Gemischkonfessionelle Gebiete der Ostschweiz und die Kurpfalz im Vergleich“, in: Kaspar von Greyerz und Kim Siebenhüner (Hg.): Religion und Gewalt. Konflikte, Rituale, Deutungen (1500–1800). Göttingen 2006, S. 343–365. 60 Zitat in Walter: Sekten, S. 244.

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Untrennbar verbunden mit der Zuwanderung und der Diversifizierung der Bevölkerung war die Frage des Umgangs und der Akzeptanz andersgläubiger Gruppen unter der Dominanz der Reformierten. In der Bewertung dieser historischen Situation sollten dabei nicht vorschnell Analogien zur modernen multi- bzw. interkulturellen Gesellschaft gezogen werden. Dies gilt vor allem für den Begriff der Toleranz, dessen unreflektierte Verwendung eher für Missverständnisse als für Klarheit sorgt. Hilfreich kann hierbei ein Modell sein, wie es der Frankfurter Politikwissenschaftler und Leibniz-Preisträger Rainer Forst in seiner Studie „Toleranz im Konflikt“ beschrieben hat. Darin unterscheidet er vier grundlegend unterschiedliche Formen und Konzepte von Toleranz, die im Laufe der Geschichte bis in die Gegenwart virulent waren und sind.61 Eine Form der Toleranz bezeichnet er als Erlaubnis-Konzeption, derzufolge „die Autorität (oder Mehrheit) der Minderheit die Erlaubnis gibt, ihren Überzeugungen gemäß zu leben, solange sie […] die Vorherrschaft der Autorität nicht in Frage stellt“.62 Hiervon unterscheidet er das Koexistenz-Konzept, das Toleranz etwa wie einen Waffenstillstand zur Konfliktvermeidung zwischen zwei gleich starken Parteien sieht; ähnlich auch die Respekt-Konzeption, die den Anderen zwar abgrenzt und Differenzen benennt, aber dennoch achtet und gemeinsame Normen sucht. Schließlich benennt Forst mit der Wertschätzungs-Konzeption ein Modell der Toleranz, die zumeist im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs Verwendung findet: Demzufolge wird der Andere nicht nur respektiert; vielmehr werden auch seine andersartigen Ideen, Haltungen und Praktiken ethisch als so wertvoll eingeschätzt, dass ihnen nicht mehr ablehnend, sondern allenfalls reserviert begegnet wird. Religionsfreiheit wird in diesem Konzept als selbstverständlich angesehen. Diese Differenzierung ermöglicht eine nähere Einordnung der Situation in Mannheim im 17. Jahrhundert. Diese genügte in der Tat nicht dem Maßstab von Toleranz nach der Wertschätzungs-Konzeption. Zwar durften Andersgläubige in der Stadt wohnen, ihre religiöse Andersartigkeit wurde jedoch von den politisch vorherrschenden Reformierten keineswegs als gleichberechtigt wertgeschätzt; dies zeigt das Festhalten am reformierten Pfarrzwang wie auch schon die dabei verwendeten Begrifflichkeiten wie „Häretiker“ und „Irrlehren“. Stattdessen dürfte sich die Situation in Mannheim besser mit dem Begriff Toleranz im Sinne der Erlaubnis-Konzeption beschreiben lassen. Denn bei aller Dominanz der Reformierten waren Katholiken, Lutheraner wie auch Täufer oder Sozinianer in der Stadt als Mitbewohner und Mitbürger geduldet, ohne freilich das Recht auf freie Kultusausübung zu haben. Sie lebten unter der Prämisse, die Vorherrschaft der Reformierten nicht anzutasten. Diese Erlaubnis-Konzeption folgt auch der klassischen Definition, die der Humanismus- und Religionsforscher Hans Rudolf Guggisberg vornehmlich mit Blick auf die Frühe Neuzeit formuliert hat, wonach Toleranz vorliegt, wenn die Obrigkeit „religöse Minderheiten, die sich von der offizi  61 Vgl. zum Folgenden Rainer Forst: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. Frankfurt/Main 32012, S. 42–48. 62 Forst: Toleranz im Konflikt, S. 42.

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ellen Kultausübung distanzieren, in ihrem Staatswesen leben lässt“.63 Und diese Art von Toleranz ist eben nicht gleichzusetzen mit Religionsfreiheit. Vor diesem Hintergrund erscheint es problematisch, dass im modernen Diskurs Toleranz und Religionsfreiheit nicht nur unreflektiert miteinander vermischt werden, sondern mehr noch, dass Religionsfreiheit als eine Unterkategorie von Toleranz gesehen wird. Dies lädt geradezu zu Missverständnissen ein. Dennoch kann man hinsichtlich der Karl-Ludwig-Zeit mit Fug und Recht von einer außergewöhnlichen Phase in der Stadtgeschichte sprechen, die stark von einer religiösen Offenheit und Toleranz – eben im skizzierten Sinne der Erlaubnis-Konzeption – geprägt war. Verantwortlich hierfür zeichnete der Landesherr mit seinen Behörden, aber auch der Mannheimer Stadtrat vor Ort. Auch dieser zeigte sich bei aller reformierten Dominanz immer wieder um Deeskalation und Ausgleich bemüht. Exemplarisch für die Bedeutung der Religion sei abschließend auf einen Streit zwischen zwei katholischen Bäckersknechten und zwei reformierten Mägden verwiesen, die sich 1664 auf offenem Marktplatz gegenseitig Schimpfworte und Vorurteile an den Kopf geworfen hatten.64 Während die Mägde das katholische Abendmahl mehr oder weniger mit Kannibalismus verglichen, drohten die Bäckersknechte ihrerseits, beim Backen der Hostien für die Calvinisten „viel Saltz darin werffen, daß die Calvinisten wohl darauff sauffen könten“. Dabei machten sie keinen Hehl daraus, „daß sie den Churfürsten sampt allen Calvinisten außem Land jagen würden“. Der Rat reagierte auf diesen Vorfall, indem er sämtliche Hitzköpfe ins Gefängnis werfen ließ. Er begründete dies damit, „daß [niemand] in dieser Statt, er seye wer er will, uff eines andern im Römischen Reich zugelaßener Religion, die seye, welche sie wolle, schimpflich oder lasterhaft reden solle“.65 Vierzig Jahre später hätte dieser Fall wohl einen anderen Ausgang genommen. Kurfürst Johann Wilhelm, der Sohn von Philipp Wilhelm, betrieb teils offen, teils verdeckt eine Politik der konsequenten Rekatholisierung in der gesamten Kurpfalz.66 Diese äußerte sich nicht nur in der politischen und wirtschaftlichen Bevorzugung der Katholiken im Land, sondern auch in der Verwendung der Kirchengebäude sowie bei der Vergabe von Posten. In Mannheim hatte dies eine enorme Zuspitzung der konfessionellen Spannungen zur Folge; mehrfach kam es zwischen 1698 und 1716 nicht nur zu Verbalinjurien zwischen den Priestern der einzelnen Konfessionen, sondern auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen   63 Heinrich Lutz: „Einleitung“, in: Heinrich Lutz (Hg.): Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit. Darmstadt 1977, S. VII–XXIV, hier: S. IX. 64 StadtA Mannheim-ISG: Ratsprotokoll 1664, Zug. 1/1900 Nr. 3 (Eintrag vom 26. Januar 1664). 65 StadtA Mannheim-ISG: Ratsprotokoll 1664, Zug. 1/1900 Nr. 3 (Eintrag vom 26. Januar 1664). 66 Vgl. hierzu Harald Stockert: „Konfessioneller Wechsel, konfessionelle Konflikte. Die Rekatholisierungspolitik in der Kurpfalz nach 1685“, in: Wilhelm Kreutz, Wilhelm Kühlmann u.a. (Hg.): Die Wittelsbacher und die Kurpfalz in der Neuzeit. Zwischen Reformation und Revolution. Regensburg 2013, S. 131–162.

„Ein öffentliches Asyl für alle Völker“

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zwischen den Gläubigen auf der Straße. Die beschriebene Szene zwischen den Bäckerknechten und den Mägden hätte in dieser Zeit wohl zu einem Tumult auf dem Marktplatz geführt und möglicherweise auch für Beulen und blutige Köpfe gesorgt. Vor allem die Verlegung der Residenz in die Quadratestadt wie auch moderne aufklärerische Ideen bewirkten hier ab 1720 eine Deeskalation. Gleichwohl galt Mannheim das ganze 18. Jahrhundert über als Hort eines engstirnigen Katholizismus und hatte nicht mehr den außergewöhnlichen Ruf einer offenen und toleranten Stadt, den es im 17. Jahrhundert noch genossen hatte.

SIND MIGRANTEN TOLERANTER? RELIGIÖSE FREISTELLUNG, KONFESSIONELLE MIGRATIONEN UND BEKENNTNISPLURALITÄT IM ,LANGEN‘ 17. JAHRHUNDERT Alexander Schunka 1. EINLEITUNG Die Entwicklung des europäischen Toleranzdenkens scheint bereits auf den ersten Blick eng verknüpft zu sein mit der Geschichte konfessioneller Migrationen im frühneuzeitlichen Mitteleuropa. So verbindet sich etwa das Diktum von der sogenannten preußischen Toleranz mit einer patriarchalisch verstandenen Aufnahmepolitik des Hohenzollernstaats gegenüber Gruppen von ‚Glaubensflüchtlingen‘ wie den französischen Hugenotten, den Böhmen und Salzburgern seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert – flankiert von Äußerungen eines Monarchen wie Friedrich des Großen, wonach „alle Religionen […] gleich und guht“ seien, „und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land Pöpliren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“ Entsprechend müssten „Die Religionen […] alle Tolleriret werden [...], den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden.“1 Die Verbindung zwischen Migration und dem Streben nach freier Konfessionsausübung ist freilich kein Spezifikum preußischer Geschichte oder – um einen weiteren bekannten Kontext in Erinnerung zu rufen – der Traditionsbildung rund um die europäische Auswanderung nach Nordamerika.2 Forderungen nach einer Freistellung der Glaubenspraxis waren im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation seit der Zeit der Bekenntnisspaltung im 16. Jahrhundert häufig verknüpft mit dem Kampf um ein geregeltes Abzugsrecht (ius emigrandi) für Untertanen abweichender Konfession (cuius regio, eius religio). Religiöse Homogenisierungsmaßnahmen territorialstaatlicher Obrigkeiten konnten auch jenseits der Grenzen des Alten Reichs Migrationsvorgänge wenn nicht auslösen, so doch zumindest forcieren und dynamisieren. Neben dem französischen Refuge im 16. und 17. Jahrhundert gilt dies insbesondere für den Herrschaftsbereich der katholischen

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Max Lehmann: Preussen und die katholische Kirche seit 1640. Nach den Acten des Geheimen Staatsarchives. Bd. 2. Leipzig 1881, S. 3f. Vgl. Heike Paul: The Myths that Made America. An Introduction to American Studies. Bielefeld 2014, S. 137–195.

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Habsburger – von der iberischen Halbinsel über die Niederlande bis in die erbländischen Territorien.3 Neben den politischen und rechtlichen Dimensionen im Verhältnis von Migration und Bekenntnisfreiheit ist darüber hinaus auffällig, wie viele prominente Protagonisten frühneuzeitlichen Toleranzdenkens selbst gleichsam über einen Migrationshintergrund verfügten und wie stark ihre Lebensläufe und intellektuellen Prägungen von geographischer Mobilität beeinflusst waren. Zu denken wäre etwa an Sebastian Franck, Erasmus von Rotterdam, Sebastian Castellio, Johannes a Lasco, Johann Amos Comenius, John Locke, Pierre Bayle oder zahlreiche Antitrinitarier. Auch Reiseberichte (oft protestantischer Provenienz) verwiesen darauf, dass es anderswo deutlich freier in Glaubenssachen zugehen konnte als in der unmittelbaren Heimat ihrer Autoren: dies galt selbst für das Reich des osmanischen ‚Erbfeindes‘ der Christenheit, von wo die Anekdote überliefert wurde, der Sultan habe am Beispiel einer Blume anschaulich die Schönheit religiöser Pluralität aufgezeigt, indem er nacheinander alle Blütenblätter entfernt und dann erklärt habe, wie hässlich die Blume nun geworden sei.4 Die Auffassung, dass ein gewisses Maß an Toleranz dem Erhalt und Fortbestand eines Gemeinwesens dienlich oder für das gedeihliche Zusammenleben der Bevölkerung gar unabdingbar nötig sei, zieht sich durch die europäische Geschichte seit dem Beginn der Neuzeit. Sie steht gleichzeitig wenn nicht in direktem Gegensatz, so doch in einem spannungsreichen dialektischen Verhältnis zu politisch-konfessionellen Monopolisierungsansprüchen, die in der Forschung mit modernisierenden Begriffen und Konzepten wie Staatsbildung, Konfessionalisierung oder Sozialdisziplinierung verknüpft sind. Betrachtet man die großen, konfessionell konnotierten Migrationsbewegungen eines ,langen‘ 17. Jahrhunderts gleichsam als die Kehrseite frühneuzeitlicher Homogenisierungsprozesse, nämlich als Reaktion derjenigen, die sich nicht durch ihre Obrigkeiten konfessionalisieren, disziplinieren und in einen einheitlichen Untertanenverband einfügen lassen wollten, dann könnte es naheliegen, bei den Betroffenen ein besonders geschärftes   3

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Vgl. Alexander Schunka: „Konfession und Migrationsregime in der Frühen Neuzeit“, in: Geschichte und Gesellschaft 35 (2009), S. 28–63. Ders.: „Konfession, Staat und Migration in der Frühen Neuzeit“, in: Jochen Oltmer (Hg.): Handbuch Staat und Migration in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert. Berlin 2016, S. 117–170. Für die spanischen Moriscos z. B. Manuel F. Fernández Chavez, Rafael M. Pérez García: „Mobility under suspicion. The Moriscos in early modern Spain“, in: Thomas Weller und Henning P. Jürgens (Hg.): Religion und Mobilität. Zum Verhältnis von raumbezogener Mobilität und religiöser Identitätsbildung im frühneuzeitlichen Europa. Göttingen 2010, S. 235–264. Für die Niederlande siehe Heinz Schilling: Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte. Gütersloh 1972. Zum Zwangsmittel der Deportation im habsburgisch-europäischen Kontext jetzt Stephan Steiner: Rückkehr unerwünscht. Deportationen in der Habsburgermonarchie der Frühen Neuzeit und ihr europäischer Kontext. Wien u. a. 2014. Vgl. Stephan Gerlachs deß Aeltern Tage-Buch [...]. Hrsg. v. Samuel Gerlach. Frankfurt am Main 1674, S. 62, 374; Beschreibung der Reisen des Reinhold Lubenau. Hrsg. v. Wilhelm Sahm. Teil 1. Königsberg 1914, S. 229.

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Bewusstsein für die Nöte Andersgläubiger zu erwarten. Darauf würde die Nähe einiger Vordenker frühneuzeitlicher Toleranz zu diesen Migrationsbewegungen ebenso hindeuten wie der Einsatz von Politikern und Gelehrten für Bekenntnisfreiheit im Umfeld konfessioneller Konflikte. Im Umkehrschluss lässt sich jedoch auch vermuten, dass konfessionelle Konkurrenzsituationen bis hin zu erhöhtem Auswanderungsdruck gerade eine Tendenz zur Bewahrung bestimmter Glaubenswahrheiten sichtbar machten, was einer Stärkung von Glaubensüberzeugungen, der Kohärenz innerhalb von Minderheitsgruppen und der Schärfung kollektiver Identitäten diente. Emigrationen würden dann als Form mehr oder weniger passiven Widerstands oder sogar als aktiver Glaubenskampf erscheinen – gegebenenfalls bis zu einem Martyrium einzelner Rechtgläubiger, die bereit wären, für die einmal erkannte Wahrheit Leib und Gut zu opfern. Die Quellen im Umfeld frühneuzeitlicher Migrationsprozesse bieten ausreichend Anschauungsmaterial, um beide Argumentationsstränge empirisch zu belegen. Die folgenden Ausführungen gehen diesem Phänomen genauer nach. Vertreten wird dabei die These, dass es häufig die konkreten lebensweltlichen Umstände waren, die das Verhältnis von Ortswechseln und Glaubensfreiheit bestimmten. Daraus speiste sich ein recht pragmatischer Umgang mit konfessionspolitischem Zwang und Bekenntnishomogenität. Umgekehrt musste eine praktizierte konfessionelle Pluralität im Alltag nicht unbedingt zeitgenössischen Toleranzappellen im Sinne einer akzeptierten Vielfalt von Bekenntnissen entsprechen, sondern konnte bisweilen gar in Widerspruch dazu stehen, wenn dies in funktionaler Perspektive dem Überleben und dem Fortkommen des Einzelnen und seiner Gruppe diente. Daraus erhellt sich das rhetorisch-argumentative Potential von Toleranz bei frühneuzeitlichen Migranten, aber auch ihres Gegenteils, namentlich konfessioneller Reinheitsvorstellungen und Abschottungstendenzen. Die folgenden Ausführungen verbinden Narrative, politische Diskurse, soziale Praktiken und Selbstbilder. In einem ersten Schritt geht es um die Dekonstruktion langlebiger Topoi von frühneuzeitlicher Migration und Glaubensfreiheit, bevor die Diskussionen um Freistellung und Multikonfessionalität auf Reichsebene angesprochen werden. Anschließend wird nach der Bedeutung des Bekenntnisses im Kontext frühneuzeitlicher Praktiken der Migrantenaufnahme gefragt, bevor die Selbstbilder der Migranten genauer ins Blickfeld rücken. Angesichts des Quellenreichtums und der Forschungslage stammen die meisten empirischen Beispiele aus dem Mitteleuropa eines ,langen‘ 17. Jahrhunderts, das migrationsgeschichtlich von den habsburgischen Emigrationen des ausgehenden 16. über die Wanderungen der Böhmen und Hugenotten bis zur Salzburger Emigration der 1730er Jahre reicht. Genauso wie die Geschichte frühneuzeitlicher Toleranz erscheint die Geschichte konfessioneller Migration damit weitgehend als protestantisches Phänomen. Die Gründe dafür liegen in den realhistorischen Verläufen der Glaubensspaltung, ferner in einer geschickten protestantischen Propa-

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ganda, die in einer reichen Quellenüberlieferung resultierte, und schließlich auch in bestimmten Vorlieben der Forschung, die sich diese Dokumente mitunter gern zunutze machte.5 Dies gilt es sich zu vergegenwärtigen, weil es hinsichtlich der Argumentationslogiken und der dahinter stehenden Machtverhältnisse von einiger Bedeutung ist. 2. MIGRATION UND TOLERANZ – NARRATIVE UND ALLTAGSWIRKLICHKEITEN Ein älteres, wenngleich lange Zeit wirkmächtiges Narrativ in der Geschichtsschreibung konfessioneller Migrationen ließ frühneuzeitliche Wanderungsbewegungen als Resultat konfessioneller Intoleranz und Engstirnigkeit weltlicher und kirchlicher Obrigkeiten in den Ausgangsländern erscheinen, der erst eine mildtätige Ansiedlungspolitik einzelner, wahrhaft christlicher Fürsten Einhalt gebot. Vor diesem Hintergrund zeichneten sich Migranten als standhaft und glaubenstreu aus, indem sie die Leiden des Exils auf sich nahmen und später ihren Fleiß und Gehorsam zum Nutzen der neuen Landesherrschaft einsetzten; dies machte sie gleichsam zu Untertanen besonderer Qualität und legitimierte entsprechende Ansiedlungsvergünstigungen seitens der aufnehmenden Obrigkeiten. Ein solches Narrativ protestantischer Migrationsgeschichtsschreibung verbindet sich etwa mit der Peuplierungspolitik Brandenburg-Preußens. Konkret verweist es auf die Zeit des „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm I., der mit dem sogenannten Edikt von Potsdam 1685 reformierte französische Refugiés in seine Territorien ‚eingeladen‘ und die Grundlage dafür geschaffen habe, dass die Zuwanderer aus der Fremde sich später zu den „besten Deutschen“6 entwickeln konnten. Ähnlich ist die Vertreibung und Ansiedlung der Salzburger Protestanten 1731/32 beschrieben worden, denen unter dem Enkel des „Großen Kurfürsten“, dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I., eine Aufnahme im östlichen Preußen ermöglicht wurde.7 Es dürfte aber kaum überraschen, dass die Ursprünge solcher Erfolgsgeschichten bereits in den Darstellungen der Migranten selbst bzw. ihrer   5 6

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Erst jüngst wird die katholische Dimension des Phänomens stärker beleuchtet, vgl. Geert H. Janssen: „The Exile Experience“, in: Alexandra Bamji, Geert H. Janssen u. a. (Hg.): The Ashgate Research Companion to the Counter-Reformation. Farnham 2013, S. 73–90. So Bismarck, vgl. Etienne François: „Vom preußischen Patrioten zum besten Deutschen“, in: Michelle Magdelaine und Rudolf von Thadden (Hg.): Die Hugenotten 1685–1985. München 1985, S. 198–212, hier: S. 205. Das Edikt von Potsdam (29.10.1685), in: Corpus Constitutionum Marchicarum […]. Bd. II/1. Hrsg. v. Christian Otto Mylius. Berlin 1737. Nr. LXV, S. 183–188. Zum Kontext vgl. Ulrich Niggemann: Immigrationspolitik zwischen Konflikt und Konsens. Die Hugenottenansiedlung in Deutschland und England (1681–1697). Köln u. a. 2008, S. 64–70. Gerhard Florey: Geschichte der Salzburger Protestanten und ihrer Emigration 1731/32. Wien 1977. Mack Walker: The Salzburg Transaction. Expulsion and Redemption in EighteenthCentury Germany. Ithaca 1992.

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Lobbyisten in der Verwaltung von Staat und Kirche zu suchen sind – vom administrativen Schriftverkehr im Umfeld von Aufnahmebittschriften bis hin zu längeren historisch-politischen Abhandlungen oft apologetischen Zuschnitts.8 Frühneuzeitliche Migrationsgeschichte als Geschichte von Glaubensverfolgungen mit dem Telos konfessioneller Toleranz zu erzählen, ist freilich nicht singulär für die Aufnahme von Zuwanderern in Brandenburg-Preußen: Bereits aus dem 17. Jahrhundert sind ähnliche narrative Muster im Umfeld der habsburgischen Emigrationen nach Mitteldeutschland zu finden, dann beispielsweise in panegyrischer Überhöhung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I.9 All dem ist entgegenzuhalten, dass weder die Entscheidungen zum Ortswechsel noch die jeweiligen Migrationsvorgänge oder gar die Ansiedlungsprozesse derart zielgerichtet und geräuschlos vor sich gegangen sind, wie dies ihre konfessionalistische Überhöhung durch manche Zeitgenossen suggeriert hat. Migrationsbewegungen waren selten punktuelle Phänomene, die auf einen konkreten Ausweisungsbefehl zurückgingen, sondern verliefen viel häufiger innerhalb bereits etablierter, älterer Strukturen geographischer Mobilität.10 Wenn in den Ausgangsgebieten ein intensivierter staatsbildender Zugriff herrschaftlicher Zentralbehörden auf die lokalen Peripherien eines Territoriums Emigrationen dynamisierte, dann handelte es sich bei den individuellen Auswanderungsentscheidungen häufig um einen unintendierten Nebeneffekt obrigkeitlichen Homogenisierungsstrebens, denn weder im ,absolutistischen‘ Frankreich noch in den Territorien der Habsburgermonarchie oder anderswo war der Verwaltung an einer Entvölkerung des Landes gelegen – schon allein weil dies dem frühneuzeitlichen Ideal eines aus wirtschafts- und fiskalpolitischen Gründen „volckreichen“ Staatswesens wider  8

Beispiele sind u. a.: Charles Ancillon: Histoire de l’Etablissement des François Refugiez dans les Etats de son Altesse Electorale de Brandebourg. Berlin 1690, sowie z. B. Georg Christian Bohnstedt: Eine kurtz-gefaßte Historie Aller Evangelischen Emigranten, Vom XII. Saeculo biß auf jetzige Zeit, oder Leyden und Verfolgungen Solcher Bekenner der Warheit, welche um derselben Willen bey zahl-reichen Familien ins Elend wandern müssen: Nahmentlich: der Waldenser, Hussiten, Böhmischen Brüder, Hugenotten, Cevenner, und endlich der Saltzburger […]. Halberstadt 1732. Für die Historiographie des 19. Jh. siehe z. B. Gustav Nieritz: Die protestantischen Salzburger im 18. Jahrhundert, vertrieben durch den Fürst-Erzbischof von Firmian. Ein Beitrag zur Geschichte christlicher Duldung. Leipzig 1840. 9 Z. B. Polycarp Weber: Ehren-Seule/ Darein eine Gedenck- Schrifft gegraben/ von der Neuerbauten Johann-Georgen-Stadt/ Das ist: Kurtzer Bericht und Predigt/ Wenn und welcher Gestalt/ auf gnädigste Bewilligung/ Zulassung und Befreyung/ Des Durchlauchtigsten/ Hochgebornen Fürsten und Herrn/ Herrn Johann-Georgen/ Herzogen zu Sachsen […] Die Berg-Stadt/ Johann-Georgen-Stadt/ erbauet und auffkommen/ Gott zu Ehren/ dem Churfürstlichen Hause Sachsen/ als Patronin des unverfelschten Worts Gottes/ zu unsterblichen Andencken/ und der gantzen Posterität der Innwohnenden/ zum Christlichen Gedächtniß/ gehalten und publiciret […]. Zwickau 1656. 10 Vgl. Ulrich Niggemann: Hugenotten. Köln u.a. 2011. Alexander Schunka: Gäste, die bleiben. Zuwanderer in Kursachsen und der Oberlausitz im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Hamburg u. a. 2006, S. 18–20.

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sprochen hätte.11 Frühneuzeitliche Staatsorgane haben keineswegs die Emigration großer Teile ihrer Bevölkerung billigend in Kauf genommen oder gar forciert, wohl aber die Propagatoren des ‚falschen‘ Bekenntnisses ausgewiesen: insbesondere Geistliche und Lehrer.12 Der größere Teil der andersgläubigen Bevölkerung wurde durch Maßnahmen unterschiedlicher Intensität (ggf. bis hin zu körperlichem Zwang) zu Konversionen angehalten. Die Härte der Maßnahmen zur Herbeiführung von Glaubenswechseln hing dabei sehr stark von den konkreten Zugriffsmöglichkeiten der Zentralbehörden auf die Untertanen vor Ort ab, die angesichts der komplizierten frühneuzeitlichen Herrschaftsverhältnisse häufig vielfach durch lokale Autoritäten abgefedert wurden. Unter bestimmten Umständen konnten obrigkeitliche Konversionsbemühungen allerdings tatsächlich eine Emigrationsbereitschaft von Teilen der Lokalbevölkerung weiter anheizen.13 Grundsätzlich zielte die Vorgehensweise zentraler Behörden in den hier besonders in Rede stehenden Territorialgebilden wie dem zusammengesetzten Staatswesen der Habsburger und dem Frankreich Ludwigs XIV. mindestens ebenso sehr auf die Schaffung einer konfessionseinheitlichen Untertanenschaft wie auf die territoriale Integration lokaler Herrschaftsträger und die Erosion kirchlicher Eigenstrukturen. Damit ordnet sich der Komplex von Rekatholisierung, konfessioneller Homogenisierung und ‚Glaubensflucht‘ in den Kontext absolutistischer Staatsbildungsversuche ein, freilich mit allen dazugehörigen Schwierigkeiten in der Praxis.14 Dass eine zentralstaatliche Integrationspolitik ohne die Kooperation lokaler Gewalten bis hinunter zur Dorfgesellschaft in der Regel überhaupt nicht denkbar war und dass viele dieser Bemühungen daher bei genauerem Hinsehen oft schon im Ansatz scheitern mussten, hat nicht zuletzt die jüngere Forschung zum sogenannten Geheimprotestantismus herausgearbeitet. In bestimmten Gegenden Frankreichs erhielten sich vor diesem Hintergrund protestantische Struktu  11 Beispielsweise Johann Joachim Becher: Politischer Discurs von den eigentlichen Ursachen/ deß Auf- und Abnehmens/ der Städt/ Länder/ und Republicken […]. Frankfurt am Main 1673. Zum Hintergrund siehe Justus Nipperdey: Die Erfindung der Bevölkerungspolitik. Staat, politische Theorie und Population in der Frühen Neuzeit. Göttingen 2012. 12 Zur Bedeutung von Geistlichen vgl. Alexander Schunka: „Migrationen evangelischer Geistlicher als Motor frühneuzeitlicher Wanderungsbewegungen“, in: Herman J. Selderhuis und Markus Wriedt (Hg.): Konfession, Migration und Elitenbildung. Studien zur Theologenausbildung im 16. Jahrhundert. Leiden u.a. 2007, S. 1–26. 13 Jörg Deventer: „,Zu Rom übergehen.‘ Konversion als Entscheidungshandlung und Handlungsstrategie. Ein Versuch“, in: Rudolf Leeb, Susanne Claudine Pils u. a. (Hg.): Staatsmacht und Seelenheil. Gegenreformation und Geheimprotestantismus in der Habsburgermonarchie. Wien u.a. 2007, S. 168–180. Ute Küppers-Braun: „Geheimprotestantismus und Emigration“, in: Rudolf Leeb, Martin Scheutz u. a. (Hg.): Geheimprotestantismus und evangelische Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert). Wien 2009, S. 361–393, sowie die anderen Beiträge im selben Band. 14 Vgl. z. B. André Holenstein: „Introduction: Empowering Interactions. Looking at Statebuilding from Below“, in: Wim Blockmans, André Holenstein u.a. (Hg.): Empowering Interactions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe, 1300–1900. Farnham 2009, S. 1–31.

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ren auf lokaler Ebene bis ins 19. Jahrhundert, unter anderem in der sogenannten église du désert des Languedoc; in den habsburgischen Ländern waren Protestanten zeitweise von den böhmischen Territorien über Innerösterreich bis nach Tirol hinein ansässig und ließen sich auch nicht durch die zahlreichen Rekatholisierungsinitiativen völlig eliminieren. Dies erklärt, auf welch fruchtbaren Boden eine zentrale Gesetzesinitiative zur freien Religionsausübung wie der Böhmische Majestätsbrief von 1609 fiel, welche Signifikanz die protestantischen (u. a. pietistischen und Herrnhuter) Reisen aus dem benachbarten Ausland zur geistlichen Versorgung von Geheimprotestanten besaßen, welche Signalwirkung die beschönigend als Transmigrationen bezeichneten Deportationen protestantischer Untertanen in den 1730er und 1750er Jahren erhielten und warum im Zuge der josephinischen Toleranzgesetzgebung nach 1781 die protestantischen Kirchgemeinden in vermeintlich längst katholisierten Gebieten der Habsburger Monarchie gleichsam wie Pilze aus dem Boden schossen.15 Vielerorts war für den Erhalt clandestiner Bekenntnisgruppen eine mehr oder weniger stillschweigende Duldung des Protestantismus durch die katholischen Obrigkeiten vor Ort ausschlaggebend, verbunden mit lebensweltlichen Praktiken wie der Bildung von Laienkonventikeln oder dem kurzzeitigen ‚Ausweichen‘ zu Kirchen jenseits der Grenze.16 Dass sich entgegen dem nach außen propagierten konfessionspolitischen Ziel eines rigorosen Staatskatholizismus tatsächlich in einigen Gegenden der Habsburger Monarchie protestantische Strukturen über mehr als ein Jahrhundert im Untergrund erhalten konnten, dürfte insgesamt schon aus sozioökonomischen und fiskalpolitischen Gründen und nicht zuletzt im Sinne einer Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung17 dem Staatsbildungspro  15 Zum Majestätsbrief vgl. jetzt die Beiträge in Jaroslava Hausenblasová, Jirí Mikulec u. a. (Hg.): Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609. Stuttgart 2014. Zum protestantischen Leben in habsburgischen Territorien vgl. die Beiträge in: Geheimprotestantismus (passim) sowie Rudolf Leeb: „Josephinische Toleranz, Toleranzgemeinden und Toleranzkirchen, Toleranzbethaus“, in: Joachim Bahlcke, Stefan Rohdewald u. a. (Hg.): Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Berlin 2013, S. 965–977. Zu den Transmigrationen vgl. Stephan Steiner: Reisen ohne Wiederkehr. Die Deportation von Protestanten aus Kärnten 1734–1736. Wien 2007. Zur église du désert neben den älteren Arbeiten von Charles Coquerel und Charles Bost z.B. Otto Selles: „A Case of Hidden Identity. Antoine Court, Bénédict Pictet, and Geneva’s Aid to France’s Desert Churches (1715–1724)”, in: John B. Roney und Martin I. Klauber (Hg.): The Identity of Geneva. The Christian Commonwealth 1564–1864. Westport 1998, S. 93–109. Philippe Joutard: La légende des camisards. Une sensibilité au passé. Paris 1977. Zu längeren Kontinuitäten vgl. James C. Deming: Religion and Identity in Modern France. The Modernization of the Protestant Community in Languedoc, 1815–1848. Lanham 1999. 16 Vgl. Wulf Wäntig: Grenzerfahrungen. Böhmische Exulanten im 17. Jahrhundert. Konstanz 2007. Vgl. auch die terminologischen Bemerkungen zu „Geheim-“ bzw. „Untergrundprotestantismus“ bei Steiner: Rückkehr unerwünscht, S. 20f. 17 Lebensweltliche Toleranzstrategien sind anhand anderer Regionen hervorgehoben worden durch Benjamin Kaplan: Divided by Faith. Religious Conflict and the Practice of Toleration  

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zess zuträglicher gewesen sein als etwa eine umfangreiche Ausweisung Andersgläubiger. Wo immer allerdings konfessionspolitischen Scharfmachern der Zugriff auf nichtkatholische Untertanen gelang, weil die Behörden über Bündnispartner vor Ort, infrastrukturelle Voraussetzungen oder Interessenkonvergenzen mit lokalen Bevölkerungsgruppen verfügten, und wo entsprechende Zwangsmaßnahmen folgten, dort konnte das faktische Ausmaß der daraus resultierenden Auswanderungsbewegungen die Behörden in den Ausgangs- und Zielgebieten gleichwohl überraschen.18 Allerdings sind die pauschal hohen Migrantenzahlen im Kontext konfessioneller Migrationen, wie sie von der einschlägigen Historiographie lange Zeit tradiert wurden, um die Bedeutung der eigenen Gruppe möglichst groß erscheinen zu lassen, im Lauf der Zeit immer weiter nach unten korrigiert oder durch die Kontextualisierung im Rahmen üblicher, zeittypischer frühneuzeitlicher Mobilitätsstrukturen relativiert worden.19 Geographisch, chronologisch und demographisch recht genau abgrenzbare Wanderungszüge wie die der Waldenser/Vaudois 1698, der Böhmen rund um den Prediger Jan Liberda20 oder der Salzburger 1732 sind in ihrer realhistorischen Dimension, mehr noch jedoch in ihrer publizistischen Instrumentalisierung zwar bemerkenswert, ansonsten jedoch eher Ausnahmen. Der mikrohistorische Blick der Forschung auf geheimprotestantisches Leben und auf die alltägliche Dimension von Glaubenswechseln21 hat gerade in den letzten Jahren zur Einsicht geführt, dass selbst in formal monokonfessionellen Gemeinwesen ein interessantes, lange unterschätztes Spannungsfeld zwischen konfessioneller Pluralität im Alltag und offizieller Bekenntniseinheit existierte und dass Emigration schon angesichts unterschiedlicher finanzieller, sozialer und rechtlicher Möglichkeiten der Untertanen häufig keineswegs die einzige und möglicherweise nicht einmal eine bevorzugte bzw. realisierbare Option darstellte, um konfessionspolitischen Vereinheitlichungstendenzen zu begegnen. Mit dieser  

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in Early Modern Europe. Cambridge (MA) u.a. 2007, sowie Jesse Spohnholz: The Tactics of Toleration. A Refugee Community in the Age of Religious Wars. Newark 2011. Dramatisches Beispiel ist die Rekatholisierung der königlichen Städte Böhmens und ihre Auswirkungen auf das sächsische Pirna um 1630, vgl. Exulanty z Prahy a severozápadnich Čech v Pirně v letech 1621–1639. Hrsg. v. Lenka Bobková. Prag 1999. Die Chronik des Václav Nosidlo von Geblice. Aufzeichnungen aus der böhmischen Exulantengemeinde in Pirna zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Edition und Übersetzung Martina Lisa. Stuttgart 2014. Vgl. Niggemann: Hugenotten, S. 42–47. Schunka: Gäste, S. 154–156. Zu Liberda siehe Gustav Adolf Skalský: „Der Exulantenprediger Johann Liberda. Ein Beitrag zur Geschichte der böhmischen Emigration“, in: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 3 (1910), S. 117–379. Zu den Vaudois vgl. die zahlreichen, wenngleich exulantenapologetisch gefärbten Arbeiten von Theo Kiefner. Vgl. Heike Bock: Konversionen in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft. Zürich und Luzern im konfessionellen Vergleich. Epfendorf u.a. 2009. Duane Corpis: Crossing the Boundaries of Belief. Geographies of Religious Conversion in Southern Germany, 1648–1800. Charlottesville 2014.

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pragmatisch-lebensweltlichen Perspektive standen freilich nicht nur die postulierten Interessen der jeweiligen Territorien im Widerspruch, sondern auch, wenn es sich um Vorgänge innerhalb des Alten Reiches handelte, das in den Reichsgesetzen verankerte Ideal der Glaubenseinheit. 3. BEKENNTNISFREIHEIT UND REICHSPOLITIK Obgleich die meisten habsburgischen und die französischen Emigrationsvorgänge nicht unmittelbar auf das Reichsrecht rekurrieren konnten, war der reichsrechtliche Geltungsbereich in anderen migrationsintensiven Gebieten (etwa im Fränkischen, den Pfälzer Territorien, dem Elsass und Vorderösterreich) kaum umstritten.22 Am Prinzip territorialer Monokonfessionalität wurde im Reichskontext seit dem 16. Jahrhundert zunächst nur selten (etwa im Falle bikonfessioneller Reichsstädte) gerüttelt. Reichsübergreifend drückte sich im Augsburger Religionsfrieden von 1555 der Wunsch nach baldiger Lösung der Bekenntnisspaltungen und Rückkehr zu einer einzigen, allgemeinen, d.h. ‚katholischen‘ Kirche aus.23 Vor diesem Hintergrund ist das Ius bzw. Beneficium emigrandi des Augsburger Religionsfriedens nicht als Beginn einer plurikonfessionellen Reichsgesellschaft und ebensowenig als frühneuzeitliches „Grundrecht“ auf Freizügigkeit zu werten, wie dies Martin Heckel einst etwas optimistisch formuliert hat, denn bei diesem Zugeständnis handelte es sich vor allem um eine Ausführungsbestimmung, um Andersgläubigen einen geordneten Abzug zu ermöglichen und damit die Voraussetzungen für konfessionelle Homogenität in den Einzelterritorien zu erhalten bzw.

  22 Dies schloss freilich nicht aus, dass um die konkrete Rechtsauslegung vielfach erbittert gestritten wurde, vgl. z.B. für den Kontext des Reichskammergerichts Bernhard Ruthmann: Die Religionsprozesse am Reichskammergericht (1555–1648). Eine Analyse anhand ausgewählter Prozesse. Köln u. a. 1996, insb. Teil 3 (für die mittel- und niederrheinischen Territorien). Insgesamt ist für andere Gebiete des Reiches noch weitere Forschung nötig. Ansatzpunkte für Franken bei Alexander Schunka: „Migranten als Glaubenszeugen und Vermittler. Zum Verhältnis von religiösem Exil und protestantischer Kommunikation seit der Reformationszeit“, in: Irene Dingel, Ute Lutz-Heumann (Hg.): Entfaltung und zeitgenössische Wirkung der Reformation im europäischen Kontext. Gütersloh 2015, S. 214–230. Zum spektakulären Fall der „Bärenthaler Exulanten“ siehe Frank Kleinehagenbrock: „Die Wahrnehmung und Deutung des Westfälischen Friedens durch Untertanen der Reichsstände“, in: Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal u. a. (Hg.): Pax Perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit. München 2010, S. 177–196. Für das Elsass als Beispiel zeittypischer Exulantenrhetorik vgl. Christian Kortholt: Elsassischer Exulanten Walfarth Schmerzliches Jammer-Gesicht und kurtzer Verlauffs-Bericht [...]. [o. O.] 1677. 23 Vgl. Martin Heckel: „Die Wiedervereinigung der Konfessionen als Ziel und Auftrag der Reichsverfassung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“, in: Hans Otte und Richard Schenk (Hg.): Die Reunionsgespräche im Niedersachsen des 17. Jahrhunderts. Göttingen 1999, S. 15–38.

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zu schaffen.24 Die gesetzlich festgeschriebene Auswanderungsmöglichkeit von Individuen aufgrund ihres abweichenden Bekenntnisses (sofern dieses Bekenntnis in der Reichsverfassung verankert war) bot konkrete, im Prinzip auch juristisch einforderbare Abzugsregelungen. Damit war eine Konversion zwar nicht mehr die einzige legale Möglichkeit Andersgläubiger, auf konfessionelle Homogenisierungsbestrebungen am Wohnort zu reagieren. Gleichzeitig aber darf eben nicht übersehen werden, dass dieses Emigrationsrecht primär dazu dienen sollte, einheitliche Bekenntnisse zu schaffen – jenseits aller tatsächlichen, im Alltag feststellbaren konfessionellen Überschneidungen und Schattierungen. Schon die Etymologie des Wortes „Freizügigkeit“ verweist auf das lehnsrechtliche Mittel des „freien Zuges“ von Leibeigenen und damit auf das enge Verhältnis zwischen Freiheit und Abzugsmobilität.25 Dies spiegelt sich entsprechend in den Regelungen des 16. Jahrhunderts wider – eine generelle Festschreibung von Bekenntnispluralität oder gar entsprechende konfessionelle Wahlmöglichkeiten an den Wohnorten resultierten daraus zunächst nicht. Gleichzeitig ist jedoch auch die Forderung nach einer Freistellung in Glaubensdingen ein Produkt des ausgehenden 16. Jahrhunderts, namentlich der Reichstagsverhandlungen im Gefolge des Augsburger Religionsfriedens. Hier ist etwa von Winfried Schulze der Beginn einer typisch mitteleuropäischen, langsamen Aufspaltung zwischen konfessioneller Staatlichkeit und individueller Religionsausübung gesehen worden.26 Zur Privatsache allerdings wurde die Religionsausübung damit freilich noch lange nicht: Vielmehr avancierte die Forderung nach einer allgemeinen Freistellung oder Autonomia auf protestantischer Seite zeitweise gleichsam zum Totschlagargument, weshalb katholische Autoren ein solches Zugeständnis in der Regel rundweg ablehnten.27 So äußerte sich der kaiserliche Reichshofrat Andreas Erstenberger, „also daß autonomia oder die Freystellung anders nicht ist, dann ein freye Willkür und macht anzunemen zuthun zuhalten und zu glauben, was einer selbst wil und ihme gut dünckt oder gefellig ist“.28 Für Lazarus von Schwendi, Protestant in kaiserlichen Diensten, handelte es sich dem  24 Vgl. Bernd Christian Schneider: Ius reformandi. Die Entwicklung eines Staatskirchenrechts von seinen Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches. Tübingen 2001, S. 99–104. Axel Gotthard: Der Augsburger Religionsfrieden. Münster 2004, S. 118–123, 216–218. Vgl. aber auch Winfried Schulze: „,Ex dictamine rationis sapere.‘ Zum Problem der Toleranz im Heiligen Römischen Reich nach dem Augsburger Religionsfrieden“, in: Michael Erbe u. a. (Hg.): Querdenken. Dissens und Toleranz im Wandel der Geschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Hans R. Guggisberg. Mannheim 1996, S. 223–239, hier: S. 228. 25 Vgl. Friedrich Carl von Moser: Beyträge zu dem Staats- und Völcker-Recht und der Geschichte. Bd. 3. Frankfurt am Main 1765, S. 75–77. Jan Ziekow: „Freizügigkeit“, in: HRG2 Bd. 1 (2008), Sp. 1787–1791. 26 Vgl. Schulze: „,Ex dictamine‘“, S. 228f. Ferner ders.: Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert 1500–1618. Frankfurt am Main 1998, S. 263f. 27 Vgl. Eva-Maria Schnurr: Religionskonflikt und Öffentlichkeit. Eine Mediengeschichte des Kölner Kriegs (1582–1590). Köln 2009, S. 56f., basierend auf Gudrun Westphal: Der Kampf um die Freistellung auf den Reichstagen zwischen 1566 und 1576. Marburg 1975. 28 Zitiert bei Schulze: „,Ex dictamine‘“, S. 231f.

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gegenüber immerhin um einen „Nothweg“,29 wenn man damit die Stabilität eines Gemeinwesens sichern konnte. Die meisten größeren Migrantengruppen des langen 17. Jahrhunderts waren in ihrer Auswanderungsentscheidung von diesen Debatten nicht direkt betroffen, weil in ihren Herkunftsgebieten entweder das Reichsrecht nicht galt oder weil ihre Bekenntnisse, wie im habsburgischen Bereich, nicht auf eine landesherrliche Reformation zurückgingen, sondern auf landständisch oder grundherrlich legitimierte Konfessionsveränderungen. Was aber die Migranten aus den habsburgischen Territorien sehr wohl betraf, war das vorläufige Ende der Diskussion um Freistellung anlässlich des Westfälischen Friedens: 1648 setzte Schweden weitreichende Rechte für konfessionelle Minderheiten im Reich durch – darauf beruht die Unterscheidung zwischen Exercitium religionis publicum, privatum und später devotio domestica. Die Zustimmung der habsburgischen Seite zu einer solchen Form von Autonomia wurde dadurch erkauft, so Winfried Schulze prägnant, dass dieser Lösung für das Gesamtreich ausgerechnet die Rückkehr und Restitution der Emigranten aus den Erblanden (und böhmischen Territorien) „geopfert“ wurde.30 Für die habsburgischen Migranten, insbesondere für die zahlreichen Böhmen, deren Hoffnungen sich auf protestantische Reichsstände wie Kursachsen und später vor allem auf Schweden gerichtet hatten, war die Lage bei den Osnabrücker Friedensverhandlungen aufgrund unterschiedlicher konfessionspolitischer Loyalitäten kompliziert. So versuchten einige böhmische Autoren zwar recht aktiv, die Friedensverhandlungen durch entsprechende Lobbyarbeit zugunsten einer Wiederherstellung des Protestantismus in ihren ehemaligen Heimatgebieten zu beeinflussen. Ihre Unterstützung durch das lutherische Schweden schwand aber, als sich andeutete, dass die lautesten Rufer nach Restitution des Protestantismus und Amnestie der Aufständischen nicht etwa konfessionelle Pluralität, sondern tatsächlich eine ‚Rückkehr‘ Böhmens zu einem calvinistischen Ständestaat zu fordern schienen.31 Ein Übriges tat die politische Haltung des lutherischen Kursachsen, das zwar aufgrund seiner geographischen Lage zum Haupt-Aufnahmeort für die Exulanten aus den benachbarten böhmischen Territorien avanciert war, sich aber – neben einer scharfen Ablehnung des Reformiertentums – vor allem durch seine Kaisertreue auszeichnete, die mit dem Prager Frieden von 1635 institutiona-

  29 Schulze: „,Ex dictamine‘“, S. 232. 30 Winfried Schulze: „Pluralisierung als Bedrohung, Toleranz als Lösung“, in: Heinz Duchhardt (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie, politische Zäsur, kulturelles Umfeld, Rezeptionsgeschichte. München 1998, S. 115–140, hier: S. 138. Zu den Diskussionen vgl. Bedřich Šindelář: „Die böhmischen Exulanten in Sachsen und der Westfälische Friedenskongreß“, in: Sborník Prací Filosofické Fakulty Brnĕnské University 9, Řada Historická, C 7 (1960), S. 215–251. 31 Vgl. Vladimir Urbánek: „The Idea of State and Nation in the Writings of Bohemian Exiles“, in: Linas Eriksonas und Leos Müller (Hg.): Statehood before and beyond Ethnicity. Minor States in Northern and Eastern Europe, 1600–2000. Brüssel 2005, S. 67–85, hier: S. 77–81.

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lisiert worden war.32 Sachsen setzte nun bei den Westfälischen Friedensverhandlungen das Jahr 1624 als sogenanntes Normaljahr durch, an dessen konfessionellen Verhältnissen im Reich sich der zukünftige Bekenntnisstand orientieren sollte. Im Stichjahr 1624 war Böhmen allerdings bereits offiziell frei von Anhängern nichtkatholischer Bekenntnisse gewesen. Ursprünglich war denn auch ein protestantenfreundlicheres Normaljahr 1618 diskutiert worden, wie es nur in der Kurpfalz tatsächlich durchgesetzt werden sollte. Für Kursachsen hätte das frühere Stichdatum wiederum Konsequenzen im Hinblick auf die Lausitzen gehabt, die die Wettiner – unter nominell fortdauernder Zugehörigkeit zum böhmischen Länderverbund – seit dem Traditionsrezess von 1621 verwalteten. Die Gefahren einer möglichen Rückgabe der Lausitzen und das Schreckgespenst eines calvinistischen Böhmen in der unmittelbaren Nachbarschaft erklären, warum Kursachsen für die Wiederherstellung des Konfessionsstandes von 1618 nicht zu gewinnen war und sich auf Kosten einer Restitution der Exulanten für das Normaljahr 1624 entschied.33 Auch den Verhandlungspartnern auf dem Westfälischen Friedenskongress ging es mithin keineswegs um Glaubenstoleranz und eine Relativierung konfessioneller Wahrheitsfragen bis hin zur Möglichkeit individueller Entscheidungsoptionen der Bevölkerung. Vielmehr zielten die am Ende festgeschriebenen Bestimmungen nur dort auf den Schutz von Minderheitenrechten, wo es galt, größeren Aufruhr und Unruhe zu verhüten. Zentral waren die Stabilität des territorialen Gefüges und ein sorgsam austariertes politisches Gleichgewicht im Reich und Mitteleuropa. 4. POLITISCH-SOZIALE DIMENSIONEN DER MIGRANTENAUFNAHME An der Rhetorik und am politischen Schicksal der Böhmen im Umfeld der Westfälischen Friedensverhandlungen von 1648 wird deutlich, dass sich auch die politischen Forderungen von Emigranten im 17. Jahrhundert nicht auf eine vollständige religiöse Freistellung richteten, sondern oft eher auf eine Rückkehr zu bestimmten idealisierten Zuständen. Nur von einzelnen Theoretikern sind hin und wieder die Eidgenossenschaft oder die Niederlande als vorbildhafte multikonfessionelle Staatswesen angeführt worden.34 In politischer Hinsicht interessierten   32 Axel Gotthard: „,Politice seint wir bäpstisch.‘ Kursachsen und der deutsche Protestantismus im frühen 17. Jahrhundert“, in: ZHF 20 (1993), S. 275–319. 33 Zur Normaljahrsfrage und zur Entstehung der Diskussion um das Stichjahr 1624 siehe Ralf Peter Fuchs: Ein ‘Medium zum Frieden.’ Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges. München 2010, S. 170–185; Schunka: Gäste, S. 63f. 34 So Václav Budovec z Budova, zit. bei Joachim Bahlcke: „Theatrum Bohemicum. Reformpläne, Verfassungsideen und Bedrohungsperzeptionen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges“, in: Winfried Schulze (Hg.): Friedliche Intentionen – Kriegerische Effekte. War der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges unvermeidlich? St. Katharinen 2002, S. 1–20, hier: S. 9. zum Kontext vgl. Joachim Bahlcke: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit.  

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sich Migranten selbst häufig vor allem dann und nur so lange für Toleranz und religiöse Autonomie, wie sie dies angesichts der bedrückten Lage ihrer eigenen Gruppe für nötig hielten.35 Insofern handelt es sich bei dem Wunsch nach konfessioneller Duldung und Ausübung eines Minderheitsbekenntnisses oder gar nach Bekenntnispluralität häufig um stark funktionalisierte und instrumentalisierbare Argumente. Die Rhetorik konfessioneller Duldung im Kontext von Ansiedlungsprozessen unterstreicht zudem, dass es sich bei der Aufnahme von Konfessionsmigranten primär um einen herrschaftlichen Gnadenerweis handelte, den die Regierenden aussprechen und – zumindest theoretisch – auch wieder zurücknehmen konnten. Dies wird deutlich in der Bittschrift eines schlesischen Zuwanderers an den Kurfürsten von Sachsen, die sich aus zahlreichen ähnlichen Dokumenten recht beliebig herausgreifen lässt.36 Sie stammt aus den 1620er Jahren. Der Barbier Martin Weiss (Albinus) aus dem schlesischen Sprottau bat darin um Aufnahme und Ansiedlung in Kursachsen und begründete seinen Wunsch damit, dass Kurfürst Johann Georg I. bereits zuvor schon vielen anderen Exulanten „diese große gnade und barmherzigkeit erwiesen, und dieselbe in ihren Landen willigst und gnädigst geduldet“37 habe. Bittschriften übernahmen oft eine aus obrigkeitlichen Edikten, Mandaten und – vor allem im Kontext der Hugenottenansiedlung – Privilegien bekannte Rhetorik, wonach der Monarch aus „Gnaden“ und „Christlichem Mitleiden“ die Ansiedlung der Exulanten gleichsam korporativ gestattete, die Zuwanderer aber zugleich auf ruhiges und konformes Verhalten verpflichtete.38 Insofern war der  

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Die Länder der böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft. München 1994. Ders.: „Wird ‘Behemb ein Hollendisch goubernament’? Das böhmisch- pfälzische Staatsgründungsexperiment in europäischer Perspektive“, in: Peter Wolf, Michael Henker u. a. (Hg.): Der Winterkönig: Friedrich V., der letzte Kurfürst aus der Oberen Pfalz. Katalog zur bayrischen Landesausstellung im Stadtmuseum Amberg 2003. Augsburg 2003, S. 94–100, hier: S. 97f. Helmut Gabel: „Glaube – Individuum – Reichsrecht. Toleranzdenken im Reich von Augsburg bis Münster“, in: Horst Lademacher und Simon Groenveld (Hg.): Krieg und Kultur. Die Rezeption von Krieg und Frieden in der Niederländischen Republik und im Deutschen Reich, 1568–1648. Münster 1998, S. 157–178, hier: S. 165. Ausführlicher in Alexander Schunka: „Pragmatisierung konfessioneller Autorität. Zuwanderer im Kursachsen des 17. Jahrhunderts im Spiegel des Supplikenwesens“, in: Joachim Bahlcke (Hg.): Glaubensflüchtlinge. Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlicher Konfessionsmigration in Europa. Berlin u. a. 2008, S. 235–256. Supplik Martinus Albinus [Martin Weiss], Dresden 29.11.1629. Staatsfilialarchiv Bautzen, Oberamt, 4203, Bl. 2r–v. Siehe für Sachsen u. a. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Landesregierung / Religionssachen, Loc. 30700 (unfol.): Mandat Christian II., Dresden 4. Feb. 1603. Ebd., Geheimer Rat, Böhmische Sachen/Religionssachen, 10331/13, Bl. 13r–18r: Gutachten des Oberkonsistoriums, Dresden 01.09.1627, sowie das kurfürstliche Schreiben an die sächsischen Superintendenten, ebd., Bl. 19r–22v, Dresden 17.04.1626. Siehe ferner Art. 1 des zweisprachigen sogenannten Edikts von Kassel, deutschsprachige Version als: Freyheits Concession und Begnadigung/ Welche Der Durchleuchtigste Fürst und Herr/ Herr Carl Landgraff zu Hessen […] denen jenigen/ welche sich in dero Fürstenthume […] niederlassen […] gnädigst ertheilen

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Gnadenerweis zumindest implizit an Gegenleistungen geknüpft und weist Elemente eines lehensrechtlichen Schutz- und Schirmverhältnisses auf. Dem entsprach in Bittschriften das regelmäßig ausgedrückte Versprechen des Bittstellers, im Fall einer Aufnahme für den Monarchen und seine Familie zu beten. Als Einforderung eines Freiheitsrechts lässt sich eine derartige Argumentation kaum verstehen. Die spätere Praxis der Hugenottenprivilegien vorwegnehmend, die sich ausdrücklich an protestantische bzw. reformierte Neuankömmlinge richteten, erstreckte sich auch in Kursachsen die Duldungsbereitschaft gegenüber Zuwanderern nur auf einen bestimmten Teil der Migranten, konkret auf diejenigen, die eine Bindung an das lutherische Bekenntnis glaubhaft machen konnten. Dementsprechend argumentierten die kurfürstlichen Behörden bei der Aufnahme von Leitmeritzer Bürgern in Pirna, dass sie „solch suchen nicht unzimlich befinden, mit den armen Exulanten ein gnedigst mitleiden tragen“: Wenn die Leitmeritzer denn nachweislich ihre Heimat aus Glaubensgründen verlassen hätten, dann könne man sie in Pirna dulden, vorausgesetzt, es handele sich um Lutheraner und nicht etwa um Calvinisten.39 Angesichts der Konfessionsverhältnisse in den böhmischen Ländern, deren Nichtkatholiken sich im frühen 17. Jahrhundert aus einem breiten Spektrum von Alt- und Neuutraquisten, Böhmischen Brüdern, Lutheranern und Reformierten zusammensetzten, war freilich oft keineswegs eindeutig zu klären, ob und wann jemand als Lutheraner gelten konnte. Dies zwang die kursächsische Verwaltung ebenso wie die Migranten immer wieder zu pragmatischem Handeln. Vor diesem Hintergrund entwickelten sich konfessionelle Zugehörigkeiten an den Zuwanderungsorten in gewisser Hinsicht zu flexiblen Zuschreibungen, die auch dazu dienten, konkrete Ziele zu erreichen und obrigkeitliche Erwartungen zu erfüllen. Auch wenn die konfessionspolitischen Vorgaben in der Praxis nur schwer umzusetzen und zu überwachen waren, schienen klar definierte Zuwanderergruppen in der Diaspora leichter zu beherrschen und zu verwalten, als dass man sich mit deren faktischer Heterogenität auseinandergesetzt hätte. Als Abgrenzungskriterien galten häufig eine Mischung aus Konfessionsstand und Herkunftsregion, auch wenn sich beides bei näherem Hinsehen als Fiktion erweisen konnte. So   wollen. Kassel 1685. URL: http://www.hugenottenmuseum.de/hugenotten/edikte/05-a-ediktkassel-1685.pdf (letzter Zugriff: 12.09.2015), sowie das ebenfalls zweisprachige Braunschweig-Lüneburgische Edikt für Hameln: Declaration Derer Privilegien und Freyheiten/ welcher die Frantzös. Reformirte Flüchtlinge in denen Fürstl. Oßnabr. Braunschw. Lüneburgis. Fürstenthumbern und Landen/ und insonderheit zu Hameln Für sich und ihre Nachkommen zu geniessen. [o.O.] 1690, Präambel und Art. 2. Zur Privilegienpraxis vgl. Ulrich Niggemann: „Die altständische Antwort auf die soziale Herausforderung Migration. Privilegien als Mittel staatlicher Einwanderungspolitik im Europa der Frühen Neuzeit“, in: Joachim Bahlcke, Rainer Lenk u. a. (Hg.): Migration als soziale Herausforderung. Historische Formen solidarischen Handelns von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. Stuttgart 2011, S. 183–200. 39 Kurfürst an Pirnaer Rat (Abschrift Dresden, März 1626). Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv, D XXIII 29, Bl. 2r–v sowie ebd., passim.

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wurde ausgangs des 17. Jahrhunderts in Dresden eine spezielle Kirchenkasse zur Versorgung ungarischer Exulanten eingerichtet, aus der mehrere Jahrzehnte lang Almosen ausgezahlt wurden. Erst nach vielen Jahren überprüfte die städtische Verwaltung den Empfängerkreis genauer und stellte überrascht fest, dass es unter den Bedürftigen kaum noch Ungarn gab und dass jahrelang alle möglichen fremden Armen in den Genuss des ungarischen Almosens gekommen waren.40 Ähnlich integrativ stellte sich im 18. Jahrhundert zeitweise die Zugehörigkeit zur französischen Kolonie Berlins dar, die sich keineswegs allein aus reformierten Hugenotten stricto sensu zusammensetzte, sondern deren Rechtsstatus und institutionelles Angebot auch eine hohe Attraktivität für Nichtfranzosen besaßen.41 Das lutherische Kursachsen verzeichnete zudem entgegen allen obrigkeitlichen Vorgaben im späteren 17. Jahrhundert faktisch eine nicht ganz unerhebliche Einwanderung von Katholiken aus den Habsburgerländern.42 Forschungen zu Fremdenkirchen in verschiedenen europäischen Großstädten haben ferner gezeigt, dass Exils- und Diasporagemeinden häufig Migranten ganz unterschiedlicher Herkunft anzogen.43 Die angeführten Beispiele illustrieren somit weniger die Offenheit oder gar Toleranz von Migranten gegenüber Menschen ähnlichen Schicksals, sondern eher die Tatsache, dass territoriale und kommunale Verwaltungen im frühneuzeitlichen Mitteleuropa häufig nicht ansatzweise in der Lage waren, Einwanderungsprozesse wunschgemäß zu kanalisieren und Immigranten nach konfessionellen Postulaten oder sozioökonomischen Erwägungen zu selektieren. Mitunter spielten auch politische Konstellationen eine nicht zu unterschätzende Rolle: In den 1620er Jahren zeichnete sich die sächsische Politik zunächst durch recht unentschiedenes Handeln, wenn nicht Ablehnung einer Aufnahme kaiserlicher Untertanen aus dem böhmisch-habsburgischen Bereich aus, um politischen und konfessionellen Schwierigkeiten mit dem kaiserlichen Nachbarn zu entgehen.44 Im Kontext der Hugenotteneinwanderung in Brandenburg-Preußen gegen Ende des Jahrhunderts wiederum war die Ansiedlung das Resultat eines diplomatischen Tauziehens, das   40 Vgl. Alexander Schunka: „Zeit des Exils. Zur argumentativen Funktion der Zeit bei Zuwanderern im Kursachsen des 17. Jahrhunderts“, in: Arndt Brendecke, Ralf-Peter Fuchs u. a. (Hg.): Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit. Berlin u. a. 2007, S. 149–168, hier: S. 149f. 41 Stefi Jersch-Wenzel: Juden und „Franzosen“ in der Wirtschaft des Raumes BerlinBrandenburg zur Zeit des Merkantilismus. Berlin 1978, S. 127. 42 Vgl. Alexander Schunka: „Konfessionelle Liminalität. Kryptokatholiken im lutherischen Territorialstaat des 17. Jahrhunderts“, in: Joachim Bahlcke, Rainer Bendel (Hg.): Migration und kirchliche Praxis. Das religiöse Leben frühneuzeitlicher Glaubensflüchtlinge in alltagsgeschichtlicher Perspektive. Köln u.a. 2008, S. 113–131. 43 Dies ist besonders gut erforscht für London: Andrew Pettegree: Foreign Protestant Communities in Sixteenth Century London. Oxford u. a. 1986. Ole Peter Grell: Dutch Calvinists in Early Stuart London. The Dutch Church in Austin Friars, 1603–1642. Leiden u.a. 1989. 44 Siehe Wulf Wäntig: „Kursächsische Exulantenaufnahme im 17. Jahrhundert. Zwischen zentraler Dresdner Politik und lebensweltlicher Bindung lokaler Machtträger an der sächsichböhmischen Grenze“, in: NASG 74/75 (2004), S. 133–174.

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sich mit fiskalpolitischen und wirtschaftlichen Hoffnungen („Peuplierung“) und konfessionspolitischen Erwartungen im Sinne einer Stärkung der reformierten Konfession des Herrscherhauses verband.45 Auch wenn die Hugenottenaufnahme im Alten Reich vielerorts und längerfristig eine konfessionelle und demographische Pluralität begünstigt haben mag, so war sie im Hohenzollernstaat zunächst doch in gewisser Weise als Instrument konfessioneller Homogenisierung vorgesehen – im Einklang mit der kurbrandenburgischen Konfessionspolitik, die auf eine Stärkung des reformierten Bekenntnisses auf Kosten der lutherischen Bevölkerungsmehrheit zielte.46 Die Salzburger Ansiedlung in Preußisch-Litauen in den 1730er Jahren erschließt sich darüber hinaus vor allem in ihrer reichspolitischen und propagandistischen Dimension, indem sich die preußische Politik zum Schützer protestantischer Freiheiten gegenüber der engstirnigen, grausamen und intoleranten katholischen Politik der Habsburger und ihrer nahen Verbündeten aufschwang.47 In all diesen Fällen ist hin und wieder übersehen worden, dass große Teile der Migrantenschaft weder in sozioökonomischer Hinsicht (soziale Gruppen, handwerkliche Fähigkeiten, wirtschaftliches Kapital) noch in konfessioneller Perspektive den Erwartungen und Hoffnungen der Aufnahmebehörden entsprachen. Faktisch befanden sich unter den Migranten des 17. und 18. Jahrhunderts immer auch zahlreiche Angehörige eines konfessionell ziemlich flexiblen, hochmobilen (Semi-) Proletariats, dessen Einwanderung die Behörden manchmal vielleicht lieber verhindert hätten. Tatsächlich konnte sich ein Staatswesen jedoch nicht nur die ‚nützlichen‘ Migranten aussuchen, sondern musste auch die weniger nützlichen versorgen, häufig unter finanziellen Anstrengungen der Kommunen und unter großen Mühen, schwelende soziale Konkurrenzsituationen und Ressourcenkonflikte einzuhegen.48

  45 Zu den Umständen siehe etwa Niggemann: Immigrationspolitik, S. 73–75, 92–95 und passim. 46 Vgl. Jürgen Luh: „Zur Konfessionspolitik der Kurfürsten von Brandenburg und Könige in Preußen 1640 bis 1740“, in: Horst Lademacher, Renate Loos u. a. (Hg.): Ablehnung – Duldung – Anerkennung. Toleranz in den Niederlanden und in Deutschland. Ein historischer und aktueller Vergleich. Münster 2004, S. 306–324. 47 Vgl. Walker: Transaction, inbes. S. 69–105. 48 Eine Fundgrube ist mangels neuerer Überblicksdarstellungen immer noch (sofern man bereit ist, von den hagiographischen Überzeichnungen borussischer Prägung zu abstrahieren) Max Beheim-Schwarzbach: Hohenzollernsche Colonisationen. Ein Beitrag zu der Geschichte des preußischen Staates und der Colonisation des östlichen Deutschlands. Leipzig 1874, S. 216– 218, 277–279 und passim. Vgl. ferner Ulrich Niggemann: „Konflikte zur Immigration als ‚antietatistische‘ Proteste? Eine Revision der Auseinandersetzungen bei der Hugenottenwanderung“, in: HZ 286,1 (2008), S. 37–61. Ulrich Niggemann: „Kirchliches Leben und Konflikterfahrung. Zur Konstituierung von französischen Réfugiés-Gemeinden im Herzogtum Magdeburg (1685–1700)“, in: Migration und kirchliche Praxis, S. 223–247.

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5. SELBSTBILDER UND IDENTITÄTSSTIFTUNG IM EXIL Bedenkt man die praktischen Schwierigkeiten im Umgang mit Migranten, die sich nicht nur in den Abwanderungsgebieten, sondern auch auf Seiten der Aufnahmegesellschaften und im Kontext der Ansiedlung vielfach aus dem Spannungsfeld zwischen Staatsbildungsversuchen und der Lebensbewältigung Betroffener ergaben, so stellt sich die Frage, wer sich unter diesen Umständen überhaupt Toleranz im Sinne einer Akzeptanz konfessioneller Heterogenität erlauben konnte. Tatsächlich scheint innerhalb der Migrantenschaft eine faktische Pluralität mit dem Streben nach Einigkeit und Ordnung in bisweilen massivem Widerstreit getreten zu sein: So lassen sich in den böhmischen Ansiedlungen Kursachsens in Pirna, Dresden und Zittau im 17. Jahrhundert gerade unter den Migranten Tendenzen einer Konstruktion von Gruppenidentitäten unter scharfer Ausgrenzung Anderer feststellen. Teilweise verlief eine solche Ausgrenzung entlang konfessioneller Kriterien und im Einklang mit behördlichen Vorgaben – Lutheraner und Neuutraquisten standen gegen Böhmische Brüder oder „Calvinisten“49 – teils spielten aber auch ethnische und sprachliche Unterscheidungen eine Rolle, wie bei der Durchsetzung von Gottesdiensten in tschechischer Sprache in Dresden.50 Viele derartige Konflikte um theologische, ethnische oder sprachliche Fragen, die eine kollektive Identität von Migrantengemeinden berührten, kann man ohne größere Schwierigkeiten auch auf andere Zuwanderungsprozesse übertragen, etwa im Kontext der Hugenotten.51 Die Betonung eines Sonderbewusstseins findet sich auch in den Selbstbildern der Migranten wieder. Weder in Bittschriften noch in einschlägigen Predigten und erbaulicher Literatur brachten Zuwanderer eine besondere Offenheit in Anschlag, sondern beharrten viel eher auf religiösen Reinheitsvorstellungen.52 Die Entscheidung zum Ortswechsel musste in besonderer Weise legitimiert werden, auch zum Zweck späterer Sinnstiftung in der Diaspora. Es waren daher gerade die Standhaften im Glauben, die sich für das Exil und für die Härten des Lebens in der Fremde entschieden hatten; die Wankelmütigen, die für Synkretismen oder gar einen Abfall vom wahren Bekenntnis empfänglich waren, waren wieder umgekehrt oder gleich daheimgeblieben. Ein Ortswechsel war notwendig geworden, wenn man nicht vom wahren Glauben abfallen wollte. Daraus ergab sich gleichsam ein mo-

  49 Die Konflikte in Lisa: Die Chronik, S. 360–363 (für das Jahr 1635) und passim. 50 Vgl. Frank Metasch: Exulanten in Dresden. Einwanderung und Integration von Glaubensflüchtlingen im 17. und 18. Jahrhundert. Leipzig 2011. Schunka: Gäste, S. 168–179. 51 Vgl. etwa Manuela Böhm: Sprachenwechsel. Akkulturation und Mehrsprachigkeit der Brandenburger Hugenotten vom 17. bis 19. Jahrhundert. Berlin 2010. Fiammetta Palladini: Die Berliner Hugenotten und der Fall Barbeyrac. Orthodoxe und ,Sozinianer‘ im Refuge (1685– 1720). Leiden u.a. 2011. 52 Vgl. grundsätzlich Peter Burschel: Die Erfindung der Reinheit. Eine andere Geschichte der frühen Neuzeit. Göttingen 2014.

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ralisches Anrecht auf materielle Versorgung an den Zuwanderungsorten.53 Exil, Heimatverlust, Armut und Leid unterstrichen die besondere Glaubenszeugenschaft der Migranten, die sich im Gegensatz zu den Daheimgebliebenen oder zur Mehrheitsgesellschaft an den Aufnahmeorten als aufrechtes Häuflein der wahren Bekenner inszenieren mussten.54 Damit konnte dem Paradox begegnet werden, dass ein Ortswechsel nicht etwa auf Rechtsbruch, Rebellengeist, Unzuverlässigkeit oder dem Streben nach weltlichen, materiellen Dingen beruhte, sondern vielmehr aus einer besonderen Standhaftigkeit heraus erfolgt war. Der Sonderstatus von Glaubensflüchtlingen, deren einziger Unterschied gegenüber genuinen Märtyrern die Tatsache war, dass sie ihre Überzeugung nicht mit dem Leben bezahlt hatten,55 wurde mit häufig wiederkehrenden Argumenten diskursiv untermauert. Dazu gehörte der Topos christlicher Constantia, der einen Migrationsvorgang in heilsgeschichtliche Zusammenhänge stellte. Die Beständigkeit der wahren Frommen verband sich mit der Vorstellung einer lebenslangen peregrinatio, die Ansiedlung wiederum mit einem frühneuzeitlichen FrontierIdeal: Waren Exulanten von gnädigen christlichen Herrschern einmal aufgenommen und angesiedelt worden, dann konnten sie an den Zuwanderungsorten als besonders gottesfürchtige Kulturträger wirken und als arbeitsame Neusiedler unwirtliches Land urbar machen oder dem Gemeinwesen zu Wohlstand verhelfen.56 Die Härten des Exils besaßen in ihrer rhetorischen Überhöhung immer auch eine didaktische Funktion: nicht nur für die eigene Gruppe, sondern auch für andere Gläubige, die selbst nicht durch einen Exilsaufenthalt privilegiert waren. Glaubensflucht und konfessionelle Standhaftigkeit konnten denjenigen als Vorbild dienen, die noch keinen ausreichenden Grad an Glaubensfestigkeit erreicht hatten. Exulanten erfüllten mithin eine besondere Vorbildrolle:57 Ein aufrechter Christ war derjenige, der Anfechtung und Leid erdulden durfte und standhaft seinen Weg ging. Dahinter stand nicht konfessionelle Pluralität, sondern die Reinheit der wahren Lehre.58   53 Siehe z.B. Supplik Martinus Albinus [Martin Weiss], Dresden 29.11.1629. Staatsfilialarchiv Bautzen, Oberamt, 4203, Bl. 2r–v. 54 Näherhin Alexander Schunka: „Constantia im Martyrium. Zur Exilliteratur des 17. Jahrhunderts zwischen Humanismus und Barock“, in: Thomas Kaufmann, Anselm Schubert u. a. (Hg.): Frühneuzeitliche Konfessionskulturen. Gütersloh 2008, S. 175–200. 55 Zum Verhältnis von Exil und Martyrium vgl. Andrew McKenzie-McHarg: „Martyrdom and its Discontents“, in: Jason Coy, Jared Poley u.a (Hg.): Migrations in the German Lands, 1500–2000. New York 2016 (im Druck). 56 Alexander Schunka: „,St. Johanngeorgenstadt zu kurfürstlicher Durchlaucht unsterblichem Nachruhm.‘ Stadtgründung und städtische Traditionsbildung in der Frühen Neuzeit“, in: NASG 75/76 (2004), S. 175–205. Walker: Transaction, insbes. S: 197–205. Zum frontierMythos aus der Perspektive der neueren American Studies: Paul: Myths, S. 311–352. 57 Für die Hugenotten vgl. Niggemann: Hugenotten, S. 99–108. 58 Vgl. für Johannes a Lasco und sein Umfeld Henning P. Jürgens: „Die Vertreibung der reformierten Flüchtlingsgemeinden aus London. Jan Utenhoves ,Simplex et fidelis narratioʻ“, in: Religion und Mobilität, S. 13–40, hier: S. 38f.

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Wenn in diesem Zusammenhang von einzelnen Autoren Toleranz und Mitleid eingefordert wurde oder deren Fehlen angesichts der Hartherzigkeit und Unduldsamkeit anderer gebrandmarkt wurde, dann ging es in der Regel um die materielle Versorgung der eigenen Gruppe. Spendenaufrufe zugunsten von Migranten argumentierten dementsprechend mit der Hoffnung auf christliche Nächstenliebe gegenüber Verfolgten und Minderheiten, denen angesichts ihrer prekären Lage ein besonderes Maß an Unterstützung zustehe; gleichzeitig sorgten derartige Forderungen auf mehr oder weniger subtile Weise für die Kultivierung eines exulantischen Sonderbewusstseins. Wenn man von Geldgebern ein besonderes „christliches Mitleid“ im Blick auf die eigene Versorgung forderte, dann führte dies in mehrfacher Hinsicht zu neuen Abgrenzungen – nicht nur gegenüber der Mehrheitsgesellschaft, sondern insbesondere gegenüber konfessionellen oder ethnischen Randgruppen innerhalb der Migrantenschaft oder auch zunehmend gegen Betrüger, die als „falsche Exulanten“ an Spenden frommer Christen kommen wollten. Beim vielleicht berühmtesten Exulanten, dem böhmischen Gelehrten Johann Amos Comenius, heißt es dementsprechend, „Wir mißgönnen keinem die Tür der Barmherzigkeit; jeder soll gleich uns anklopfen dürfen. Aber unsere Lage soll er nicht beeinträchtigen!“59 Das von den Migranten propagierte Bild des konfessionellen Exils und der Glaubenszeugenschaft korrespondiert eng mit Problemen materieller Versorgung, waren doch zahlreiche Zuwanderer für eine gewisse Zeit auf Spenden und Almosen angewiesen. Der ungarische Pfarrer Daniel Klesch klagte dementsprechend, wenn diese Elende so im Lande von einer Stadt zur andern ziehen/ keinen gewissen Sitz haben/ und von ihren Glaubens-Genossen/ in dieser letzten kaltsinnigen Treu- und Lieb-losen Welt/ an statt des Allmosens lose böse Worte/ an statt der Gabe/ harte Reden; und an statt des Trostes/ welchen man ihnen aus hertzlichen Mitleiden mit zutheilen schuldig were/ nichts als Beschimpffungen/ Hohn und Spott anhören müssen. Endlich wenn ihnen gleich etwas gereichet wird/ so gibt mans ihnen doch mit so grossen und mercklichen Unwillen/ und wird ihnen hernach so vielfältig aufgeruckt/ daß sie es viel lieber nicht wolten empfangen haben.60

In Leid und Not trenne sich die Spreu vom Weizen, so der böhmisch-sächsische Geistliche Sigismund Scherertz, der in der Hartherzigkeit der Welt noch einen tieferen Sinn erkannte:

  59 So Johann Amos Comenius im Jahr 1658 an einen Mitexulanten. Deutsche Übersetzung in: Johann Amos Comenius. Leben, Werk und Wirken. Autobiographische Texte und Notizen. Ausgew., übers., eingel. und hrsg. von Gerhard Michel und Jürgen Beer. St. Augustin 1992, S. 172f. 60 Daniel Klesch: Treuhertzige Wächter-Stimm/ welche in seinem Elend erhoben und an seine lieb-gewesene auch vormahls Ampts- und Kirchen-Aufsicht wegen ordentlich anvertraute Evangelische Pfarr-Gemeinen in Ober- und Nieder-Ungarn ergehen lassen: In einem beweglichen und tröstlichen Sende-Schreiben. Jena 1679, S. B2a.

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Alexander Schunka wenn die Exules so gute Tage hetten/ von jederman angenommen und begabet würden/ so würde die gantze Welt voll umbläuffer/ ein jeder der sonst nicht wolte gut thun/ würde sich auff die faule seite legen/ und ein solch Leben führen wollen.61

Blieb die Versorgung aus, so Scherertz durchaus selbstkritisch, dann sollten die Exulanten sich fragen, ob sie denn selbst immer freigebig zu Bedürftigen gewesen seien. Wenn Migranten also mit Toleranzforderungen operierten, dann häufig in funktional-pragmatischer Perspektive und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Lebensbewältigung und Versorgung der eigenen Gruppe. Gleichzeitig hielt man an einem identitätsstiftenden Sonderbewusstsein so lange wie möglich fest, um den prekären Status im Exil nicht zu gefährden. Dies bedeutete auch, dass bestimmte, eher störende Aspekte des Migrationsgeschehens aus den Eigengeschichten recht systematisch ausgeklammert wurden. Dazu gehörte die den Zeitgenossen durchaus offensichtliche Tatsache, dass die Auswanderer, bei denen es sich um viele Tausend Menschen handelte, ja immer nur einen kleinen Teil der jeweils nichtkatholischen Bevölkerung darstellten. Die meisten Betroffenen wanderten gar nicht aus, sondern blieben daheim, konvertierten und hingen gegebenenfalls im Untergrund weiterhin protestantischen Riten an. Faszinierend ist daher, dass in allen größeren Migrantengruppen des ,langen‘ 17. Jahrhunderts die Kontakte zu katholischen oder rekatholisierten Verwandten und Bekannten keineswegs abrissen, sondern oft recht stabil weiterfunktionieren konnten, dass Geschäftsbeziehungen weiter gepflegt wurden und dass die ehemaligen Heimatorte nicht etwa durch einen eisernen Vorhang der Konfessionsspaltung von den Aufnahmeorten abgeschnitten waren, sondern durchaus hin und wieder besucht wurden. Verbindungen zwischen alter und neuer Heimat erhielt man über weite geographische Distanzen aufrecht, etwa zwischen dem Fürstbistum Salzburg und Preußisch-Litauen oder zwischen Brandenburg-Preußen und Frankreich.62 Dies führte auch zu Rückwanderungen in offenbar signifikanter Zahl, über die allerdings die Quellen häufig schweigen, wenn nicht einzelne Rückwanderer sporadisch und in pauschalisierender und herabsetzender Weise als Mamelucken oder Proselyten bezeichnet wurden, die den „Fleischtöpfen Ägyptens“ nachjagten oder den „Böhmischen Knödlein“, die lieber in des „Bäckers Psalter“ singen wollten als „schmal leben.“63 Schließlich durfte kein standhafter Exulant den Anschein erwecken, er strebe nach weltlichen Dingen oder sei ein  61 Sigismund Scherertz: Patientia sanctorum, id est piae meditationes pro confessoribus ex exulibus Christi. Allerley tröstliche Andachten für die standthafften Bekenner des Herrn Christi […]. Lüneburg 1626, S. 21. 62 Vgl. Acta Historico-Ecclesiastica (1737), S. 942f. Ein Beispiel aus dem hugenottischen Refuge ist die Lebensgeschichte des Metzer Kaufmanns Jacob Etienne und seiner Verwandtschaft, vgl. Wege in eine neue Heimat. Fluchtberichte von Hugenotten aus Metz. Hrsg. v. Jochen Desel u.a. Sickte 1987, S. 87–124. 63 Christian Lehmann: Historischer Schauplatz derer natürlichen Merckwürdigkeiten in dem Meißnischen Ober- Erzgebirge […]. Leipzig, 1699, S. 10f.

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fach davongelaufen – auch wenn genau dieser Vorwurf einer typischen Unstetigkeit von Exulanten dann wieder hervorgeholt wurde, wenn sich Migranten zur Rück- oder Weiterwanderung entschlossen. Viele Migranten haben sich nicht gleich am ersten Zuwanderungsort sesshaft gemacht, sondern haben unter bestimmten Umständen (ggf. erst nach einigen Generationen) weitere Ortswechsel vorgezogen, was mit den exulantischen Narrativen von Standhaftigkeit und Pflichtbewusstsein gegenüber aufnehmenden Fürsten nur schwer in Einklang zu bringen war. Die böhmische Migration nach Kurbrandenburg im frühen 18. Jahrhundert stellte ebenso eine Sekundärmigration dar wie die sogenannte Pfälzer-Einwanderung in den Hohenzollernstaat, bei der es sich teils um Niederländer, teils um Hugenotten des ersten Refuge aus dem 16. Jahrhundert handelte.64 Insbesondere für ländliche Ansiedlungen in BrandenburgPreußen stellte Sekundärmigration dann ein Problem dar, wenn trotz aller in Aussicht gestellten obrigkeitlichen Vergünstigungen für Zuwanderer – von Steuererleichterungen über die Bereitstellung von Bauholz bis hin zur Enrollierungsfreiheit vom Militärdienst – dauerhafte Ansiedlungen scheiterten, weil die Neusiedler nach einiger Zeit weiterzogen oder vor der Rekrutierung zum Militär flohen.65 Daraus ergibt sich kaum überraschend, dass zwischen der Rhetorik von konfessioneller Duldsamkeit und exulantischem Fleiß auf der einen Seite und den praktischen Optionen der Lebensbewältigung auf der anderen Seite von größeren Diskrepanzen auszugehen ist. Dass es sich bei Rück- und Weiterwanderungen ebenso wie beim Erhalt von Kontaktnetzen in die Heimatgebiete um bedeutsame, sehr naheliegende Optionen handelte, durfte keineswegs zu offensichtlich thematisiert werden, denn es hätte die Reinheitsvorstellungen der Migranten und den auch durch Protagonisten der Aufnahmegesellschaft propagierten Idealzustand standhafter und fleißiger Glaubensflüchtlinge massiv in Frage gestellt. Aus den Exponenten christlicher Duldsamkeit wären ansonsten Menschen geworden, die ihr Exil nicht immer mit einem religiösen Erfolg hätten verbinden können. Migration wäre dann nur noch eine unter mehreren Möglichkeiten gewesen, ein Leben in (spiritueller wie sozioökonomischer) Auskömmlichkeit zu verbringen.

  64 Siehe u. a. Werner Korthaase (Hg.): Das böhmische Dorf in Berlin-Neukölln 1737–1987. Dem Kelch zuliebe Exulant. Berlin 1987. Zu den Pfälzern siehe Matthias Asche: Neusiedler im verheerten Land. Kriegsfolgenbewältigung, Migrationssteuerung und Konfessionspolitik im Zeichen des Landeswiederaufbaus. Die Mark Brandenburg nach den Kriegen des 17. Jahrhunderts. Münster 2006, S. 312, 588f. und passim, sowie (nicht unproblematisch) Beheim-Schwarzbach: Colonisationen, S. 111–131. 65 Aufschlussreich im Rahmen der älteren Forschung z.B. Gustav Schmoller: „Die ländliche Kolonisation des 17. und 18. Jahrhunderts“ [1886], in: Otto Büsch und Wolfgang Neugebauer (Hg.): Moderne Preußische Geschichte 1648–1947. Eine Anthologie. Berlin 1981, S. 911– 950.

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6. SCHLUSS In jüngerer Zeit ist darauf hingewiesen worden, dass noch bei den Kameralwissenschaftlern des 18. Jahrhunderts das Problem von Bevölkerung, Migration und Toleranz vor allem ein staatspolitisches und ökonomisches war, bei dem es um volkswirtschaftlichen Nutzen ging und nicht um die Bedeutung individueller Religionsfreiheit.66 Wie lässt sich vor diesem Hintergrund das Verhältnis zwischen konfessionell legitimierten Ortswechseln und konfessioneller Pluralität im ,langen‘ 17. Jahrhundert beschreiben, das – nach allem bisher Gesagten – möglicherweise vor allem ein funktional-pragmatisches war? Winfried Schulze hat pointiert zusammengefasst, „dass es der Akzeptierung der Zwietracht bedurfte, um zur Toleranz fähig zu sein“.67 Bis diese Zwietracht akzeptiert werden konnte, war es freilich ein langer Weg, für Migranten und Aufnehmende gleichermaßen: ein Weg, der angesichts der Fragen und Probleme der Gegenwart noch nicht zu Ende gegangen zu sein scheint. Dass aus Exilzuständen jenseits der postulierten Reinheit von Migrantengruppen faktisch so etwas wie konfessionelle Heterogenität erwachsen konnte, verweist in lebensweltlicher Hinsicht allerdings eben doch darauf, dass das Spektrum an Möglichkeiten der Überlebenssicherung auch eine Überschreitung konfessioneller Grenzen nahelegen konnten und dass Mobilität und konfessionelle Pluralität in einer engen Beziehung zueinander standen: nicht als „Notweg“, sondern als alltägliche Selbstverständlichkeit im Sinne der Lebensbewältigung in hochmobilen Gesellschaften. Aus einer Perspektive pragmatischer Lebensorganisation waren Migranten daher vielleicht doch oft toleranter, als man angesichts manch rhetorischer Überhöhungen von Standhaftigkeit und Glaubenszeugenschaft vermuten würde. Und einige frühneuzeitliche Konfliktlagen kommen dem Zeitgenossen des frühen 21. Jahrhunderts vor dem Hintergrund aktueller Migrations- und Integrationsdebatten gar nicht über die Maßen fremd vor.

  66 Vgl. Justus Nipperdey: „Bevölkerungstheorie und Konfessionsmigration in der Frühen Neuzeit“, in: Europäische Geschichte Online (EGO). Hrsg. v. Institut für Europäische Geschichte (IEG). Mainz 2010. URL: http://www.ieg-ego.eu/nipperdeyj-2010-de (letzter Zugriff: 22.10.2015). 67 Schulze: „,Ex dictamineʻ“, S. 226. Ders.: „Concordia, Discordia, Tolerantia. Deutsche Politik im konfessionellen Zeitalter“, in: Johannes Kunisch (Hg.): Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte. Berlin 1997, S. 43–79.

PERSONENREGISTER Abd al-Hamid 207 Abelmann, Annelies 208 Abels, Paul H.A.M. 79 Abreu y Bertonado, Joseph Antonio 256f. Achermann, Eric 111 Achinstein, Sharon 8, 14 Adorno, Rolena 195–198, 200 Agamben, Giorgio 130 Ahmad ben Kasim al-Andalusi 211 Ajdinovic, Irena 215 Alain Mothu 219 Albert, Reiner 260, 274 Alberti, Valentin 54 Alençon, François d’ 161 Alfons X. von Kastilien 249 Allen, Paul C. 243f. Alt, Peter-André 157 Althoff, Gerd 35 Althusius, Johannes 46 Ambrosius von Mailand 133 Amersfoort, Jacobus van 209 Ancillon, Charles 285 Ando, Clifford 19 Andreae, Johann Valentin 49 Anna Jagiellonica 59 Antiochus IV. Epiphanes 34 Aquaviva, Claudius 172 Aranda, Emanuel d’ 213 Argens, Jean-Baptiste de Boyer, marquis d’ 219 Arminius 184 Arminius, Jakobus 78 Armstrong, Arthur Hilary 20 Arndt, Johann 50 Arnisaeus, Henning 42f., 46 Arnoldi, Henricus 87 Arnscheidt, Grit 260 Asche, Matthias 301 Asselt, Willem J. van 209 Assmann, Jan 23–37, 156 Augustinus, Aurelius 15–17, 165, 167, 237 Aulus Gellius 92 Averroes 219 Bach, Oliver 9 Bagger, Hans 192

Bahlcke, Joachim 287, 292f., 294 Baker, Derek 168, 223 Bakker, Boudewijn 207 Bakker, René 217 Bamji, Alexandra 284 Barlaeus (van Baerle), Caspar 78, 122 Barnes, Timothy D. 19 Barnouw, Pieter J. 77, 95 Bathory, Stephan 63 Baumgarten, Albert I. 34 Bayaset I 215 Bayer, Oswald 40 Bayer, Tilde 270 Bayle, Pierre 8 10f., 14f., 18, 20, 110, 123–126, 205, 225, 237, 282 Beame, Edmond M. 173 Beatrice, Pier Franco 10, 14 Becanus, Martinus 117 Becher, Johann Joachim 286 Becker, Rainald 39 Becket, Thomas 131 Beddard, Robert 223 Beer, Jürgen 299 Beheim-Schwarzbach, Max 296, 301 Bellarmin, Robert 47 Belloy, Pierre de 173 Bembus, Mateusz 62, 68–71 Bendel, Rainer 295 Bennett, Gareth V. 223, 230, 232 Benrath, Gustav Adolf 269, 272 Berger, Thomas 158 Bergh, Govaert C.J.J. van den 205 Berghahn, Klaus L. 9 Bergsma, Wiebe 205 Bergvelt, Ellinoor 221 Berkvens-Stevelinck, Christiane 205 Bernard, Jean-Frédéric 219–221 Bernhard, W. 225 Berthoud, Gérald 171 Besold, Christoph 49f., 54 Best, Paul 129f. Bettinson, Christopher 173 Beutel, Albrecht 40 Beza, Theodor 108, 110, 164 Biandrata, Giorgio 108 Biddle, John 105, 129f., 135, 136–140

304 Bieniasz, Łukasz 59–74 Birkenhead, John 133 Bismarck, Otto von 284 Bizet, Jules Augustines 154 Bizeul, Yves 225, 237 Blanks, David R. 217 Blockmans, Wim 286 Blok, Frans F. 78 Blom, Frans R. E. 215 Blumenberg, Hans 152 Bobé, Louis 189 Bobková, Lenka 288 Boccaccio, Giovanni 153–155, 157 Bock, Friedrich Samuel 104, 108, 115 Bock, Heike 288 Bodian, Miriam 207 Bodin, Jean 8, 14, 42f., 47, 51, 164 Boehart, William 152 Böhm, Manuela 297 Bohnstedt, Georg Christian 285 Bom, Erik de 206 Bonger, Hendrik 94 Bonizo von Sutri 35 Bonney, Richard 226 Boogert, Maurits H. van den 211 Boronat y Barachina, Pascual 254 Borre, Adrian van den 86f. Börsig, Leopold 275 Bossy, John 236 Bost, Charles 287 Boterbloem, Kees 214 Boulainvilliers, Henri de 219f. Bouteiller, Paul 171 Bouwmeester, Johannes 219 Bracken, Harry M. 8 Brafman, David 220 Braun, Karl 105 Brendecke, Arndt 295 Brenneke, Hanns Christof 46 Broch, Julien 173 Broek, Lara van den 212 Broer, Ingo 14 Brouwer, Cornelis G. 215 Brown, Peter 15 Browning, Andrew 223 Brugman, Jan 218 Bruijn, Cornelis de 213 Brumlik, Micha 23 Brüning, Alfons 100 Bucher, Theodor G. 8 Budde, Johann Franz 53, 55f. Budovec z Budova, Václav 292

Personenregister Bultmann, Christoph 151 Bulut, Mehmet 208 Bunge, Wiep van 205–221 Buonamico, Giovan Francesco 259 Burgess, Glen 41 Burke, Peter 216f., 238 Burnet, Gilbert 238f. Burns, Robert I. 249 Burschel, Peter 297 Büsch, Otto 301 Calixt, Georg 187 Callenbach, Ernest 203 Calvin, Jean 44, 103, 111, 119, 164 Camerarius, Philipp 43f. 49 Cantimori, Delio 102 Caroli, Michael 260 Castellio, Sebastian 8f., 14, 103, 106, 108, 110, 118f., 164f., 282 Castro, Diego de (Titu Cusi Yupanqui) 201f. Celsi, Mino 88, 102f., 108, 110 Chadwick, Owen 131 Champion, Justin 129–148, 219 Charles I., König von England 140 Charles I., König von England 232 Charles II., König von England 131, 227 Chavez, Manuel F. Fernández 282 Chemnitz, Martin 44 Christensen, Thorkild Lyby 189 Christian IV., König von Dänemark 183, 186, 194 Christian V., König von Dänemark 189f. Chytraeus, David 45 Cichowski, Mikolaj 62, 71–73 Çirakman, Asli 214, 216 Clark, Jonathan C. D. 225 Clausager, Jørgen Peder 184 Claydon, Tony 231, 238f. Clément, Jacques 161 Clignet, Henri 262f. Cobham, Henry 247f., 250–254 Coccejus, Johannes 209 Coffey, John 136, 240 Cohen, Cathy 203 Colley, Linda 232 Collins, Anthony 9 Collins, Jeffrey R. 130 Comenius, Johann Amos 218, 299 Conrad, Lawrence I. 219 Conring, Hermann 46, 54 Cook, Harold J. 221

Personenregister Coornhert, Dirk Volkertszoon 94, 106, 120, 164, 205f. Coquerel, Charles 287 Cornwall, Robert D. 229, 234f., 240 Corpis, Duane 288 Costil, Pierre 17 Cotton, John 133 Cottrell, John 137 Cottret, Bernard 229 Courcelles, Étienne de 76, 78, 90–96 Coy, Jason 298 Crell, Johann 102, 104, 114, 115–122, 114, 126, 130, 139, 147, 143 Creppell, Ingrid 8f., 14 Crespin, Jean 238 Crocker, Robert 77 Croft, Pauline 256 Cromwell, Oliver 136, 138 Crouzet, Denis 173 Cruickshanks, Eveline 223 Daly, Lawrence J. 19 Daniel Semerau 124 Danneberg, Lutz 11 Dapper, Olfert 214f. Darnton, Robert 149 Daugirdas, Kęstutis 75–97 David Frye 195 David Joris 185 Dávid, Ferencz 108 Davids, Karel 205 Davis, Robert C. 212 Day, Peggy L. 25 De Hondt, P. A. 131 De Krey, Gary S. 131 Della Porta, Giambattista 215 Demetz, Peter 155 Deming, James C. 287 Den Tex, Jan 8, 82 Denhoff, Kasper 68 Denzer, Horst 8, 14 Descartes, René 53, 218 Descimon, Robert 162, 173 Desel, Jochen 300 Deventer, Jörg 286 Dickinson, Harry T. 224 Diderot, Denis 221 Dieringer, Volker 159 Dingel, Irene 41, 289 Dohmen, Christien 216 Dolabelli, Tommaso 100 Donnelly, Phillip J. 8, 14

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Dorn, Iris von 39 Dörr, Volker C. 158 Downes, John 140, 142 Drabble, John E. 238 Drake, Harold Allen 14 Dreitzel, Horst 42, 46, 49, 54 Drijvers, Jan Willem 213 Droste, Coenraed 215 Du Bois, Lucien 8, 14 Du Perron, Jacques Davy 166–169, 171f., 174, 179, Du Plessis-Mornay, Philippe 115f., 161 Du Ryer, André 218 Duchhardt, Heinz 291 Dudith, Andras 17–21 Duerloo, Luc 243 Duke, Alastair C. 238 Earnly, John 132 Eaton, Samuel 145–147 Ebbinghaus, Julius 126 Eckert , Georg 226 Effen, Justus van 216 Eibl, Karl 154, 157 Eijnatten, Joris van 205 Elisabeth Charlotte von Orléans 259 Elisabeth I., Königin von England 248 Ellehøj, Svend 187 Ellis, Mark A. 83 Episcopius, Simon 75f., 83–95, 97, 106, 123 Erasmus von Rotterdam 9 Erbe, Michael 290 Eriksonas, Linas 291 Ernst, Albrecht 262, 265, 271f. Erpenius, Thomas 217f. Erstenberger, Andreas 290 Estes, James Martin 7 Esteve Barba, Francisco 202 Ewald, Martin 184 Ezechiel 31 Ezra 23 Fagel, Gaspar 231 Fairfax, Thomas 143 Faltenbacher, Karl Friedrich 176 Faust, Elfriede 214 Feder, Heinrich 273 Feil, Ernst 158 Feingold, Mordechai 224 Fernández, Diego 196 Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von Alba 247f., 250–254

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Personenregister

Filmer, Robert 232 Fimpel, Ludwig 88 Fincham, Kenneth 227 Findlen, Paula 221 Firmicus Maternus, Julius 14 Flaningham, John 236 Flegel, Christoph 271f. Fletcher, Anthony 132 Florey, Gerhard 284 Fock, Otto 102, 111 Forrest, Katherine V. 203 Forst, Rainer 8f., 13, 116, 125, 127, 149f., 164, 277 Förster, Richard 20 Forster, Wolfgang 243–257 Fossier, Arnaud 245 Foucault, Michel 130 Foxe, John 238 Francke, August Hermann 53 François, Etienne 284 Frassetto, Michael 217 Fréchet, Philippe 8 Freedman, Joseph S. 79 Frey, Gordi 255 Friedeburg, Robert von 39, 41 Friedrich II. von Preußen 281 Friedrich III., Herzog von Gottorp 184 Friedrich III., König von Dänemark 187 Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz 262 Friedrich Wilhelm I., Kurfürst von Preußen 284 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandeburg 99 Frijhoff, Willem 206 Fritsch, Matthias J. 9 Fry, John 129f., 140–142 Frye, David 199 Fuchs, Peter 262 Fuchs, Ralf Peter 292, 295 Fuhrmann, Helmut 158 Gabel, Helmut 293 Gagnier, Jean 220 Galland, Antoine 216 Gamaliel (Rabbi Gamaliel) 36 García, Rafael M. Pérez 282 Garloff, Mona 161–181 Garnett, George 116 Gawlick, Günter 9, 48 Gelder, Herman A. Enno van 75, 77, 90, 95 Gelder, Maartje van 210f. Gentile, Giovanni Valentino 99

Gerhard, Johann 41–46, 49f. Gerlach, Samuel 282 Gerlach, Stephan 282 Gibbon, Edward 220f. Gibson, William 223f., 230, 236 Gierl, Martin 49 Gigas, Emil 190 Gijswijt-Hofstra, Marijke 77 Girón, Hernández 198 Glaser, Eliane 147 Glazemaker, Jan Hendriksz 218 Glebe-Møller, Jens 183–194 Göbel, Helmut 154 Godman Tannenbaum, Amie 8 Goens , Rijklof Michael van 216 Goeze, Johann Melchior 152 Goldgar, Anne 208 Goldie, Mark 131, 223, 225, 230, 232–237 Gómez-Centurión Jiménez, Carlos 243, 246–252 Gorlaeus, David 78 Gorski, K. 131 Gothein, Eberhard 259, 263 Gotthard, Axel 290, 292 Goulding, Richard 20 Grane, Leif 187 Green, Ian M. 227 Greengrass, Mark 162 Gregory, Jeremy 224 Greig, Martin 238 Grell, Ole Peter 7–9, 14, 131, 225, 295 Grevinchoven, Nikolaus 83 Greyerz, Kaspar von 223, 226–229, 276 Griffiths, John 137 Groenveld, Simon 293 Groffier, Ethel 8 Groot, Alexander H. de 208 Gros, Jean-Michel 15 Grotius, Hugo 49f., 54, 79, 82, 122, 205, 208 Grunert, Frank 54 Grzeszczuk, Stanisław 65 Guaman Poma de Ayala, Felipe 195–204 Guggisberg, Hans Rudolf 8f., 13f., 110, 165, 223, 225, 237 Guillemenot-Ehrmantraut, Dominique 262f., 266f., 275 Güldner, Gerhard 7, 94, 120 Guthke, Karl S. 154 Haase, Erich 115 Haentjens, Anton H. 75f.

Personenregister Haga, Cornelis 208 Halfwassen, Jens 31 Hamilton, Alastair 208, 211, 218 Hamilton, Thomas 192 Hans, Nicholas 131 Hardenberg, H. 212 Harris, Tim 131, 223, 227f., 230f., 237 Harrison, John 126 Harvey, Leonard P. 211 Hausenblasová, Jaroslava 287 Haydon, Colin 226, 232 Heckel, Johannes 10, 15 Heckel, Martin 289 Hees, Thomas 212 Hein, Lorentz 184 Henker, Michael 293 Henri III, König von Frankreich 162 Henri IV, König von Frankreich (Heinrich von Navarra) 161f., 166–169, 180 Henriksen, Ole Bernt 193 Herbelot, Barthélemy d’ 220 Herder, Johann Gottfried 150f. Herms, Eilert 40 Hessayon, Ariel 148 Heuermann, Georg 79 Hick, John 21 Hickman, William 132 Higgins-Biddle, John C. 126 Hill, Christopher 225, 240 Hill, David 158 Hillar, Marian 131 Hinckelmann, Abraham 212 Hinlopen, Gerard 213 Hinrich Rüping 55 Hirsch, Samson Rafael 37 Hoak, Dale 224 Hobbes, Thomas 54 Hoeven, Abraham des Amorie van der 77, 90 Hoftijzer, Paul 218 Hoheisel, Karl 14 Holbach, Paul-Henri Thiry d’ 13, 21 Holenstein, André 286 Hollerbach, Marion 163 Holmes, Geoffrey 232, 236 Holt, Mack 162 Holzapfel, Helmut 192 Hond, Jan de 213 Honecker, Martin 10, 15 Horton, John P. 9, 14 Horwitz, Henry 224, 235 Hotman, Jean 166–171, 172, 175, 179–181

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Houdt, Toon van 77 Houston, Alan 226 Hubertus Busche 124 Hume, Martin 250 Hundshagen, Carl Bernhard 116 Hüning, Dieter 11 Huseman, William H. 175 Hutton, Sarah 77 Ibn Tufail 219 Ihalainen, Pasi 232 Innozenz X. 90 Isidor von Sevilla 91 Israel, Jonathan 8f., 14, 76, 78, 82, 131, 205, 219, 225, 231, 234 Iversen, Hans Raun 194 Jacob, Margaret C. 219 Jacobs, Maaike 212 Jakobsen, Søren Kyed 184 James I., König von England 243 James II., König von England 223f., 234 Janssen, Geert H. 284 Jenkinson, Sally L. 8 Jeremias, Jörg 26 Jersch-Wenzel, Stefi 295 Joachim von Fiore 158 Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg 46 Johannes Polyander 85 Jones, James R. 131 Jones, James R. 229 Jörgensen, Bent 180 Jorink, Eric 221 Jouanna, Arlette 166 Joutard, Philippe 287 Judas Makkabäus 34 Jürgens, Henning P. 282, 298 Juynboll, Wilhelmina M.C. 218 Kaajan, Hendrik 75 Kaiser, Gerhard 158 Kaiser, Otto 29 Kamen, Henry 225–227, 234, 252–256 Kampmann, Christoph 231 Kang, Sa-Moon 29 Kant, Immanuel 18, 157, 159 Kaplan, Benjamin J. 77, 206f., 209f., 217, 287 Kaplan, Yosef 207 Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz 259– 263, 265, 268–273, 276f.

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Personenregister

Karsiński, Walerian 65 Katharina von Medici 163 Kattenberg, Lisa 213 Kaufmann, Thomas 39, 298 Keckermann, Bartholomäus 46, 49, 54 Keeble, Neil H. 227, 233 Keene, Nicholas 148 Kemp, Abraham 215 Kenyon, John P. 226, 232 Kiefner, Theo 288 Kircher, Heinrich 191 Kirchgässner, Bernhard 263f. Kistemaker, Renée 221 Klauber, Martin I. 287 Klein, Dietrich 208 Kleinehagenbrock, Frank 289 Klesch, Daniel 299 Knaggs, Thomas 240 Knights, Mark 236 Knowles, John 130, 135, 143–147 Knuttel, Willem Pieter 212 Knutzen, Matthias 185 Kolakowski, Leszek 73 Kondylis, Panajotis 158 Konersmann, Frank 268 Koningsveld, Pieter S. van 207 Kornerup, Bjørn 190 Korthaase, Werner 301 Kortholt, Christian 289 Kosenina, Alexander 157 Kosman, Marceli 68 Kot, Stanisław 103, 108 Krasiński, Zygmunt 65 Kreutz, Wilhelm 278 Kriegseisen, Wojciech 60f. Krop, Henri 205 Kühler, Wilhelmus Johannes 123 Kühlmann, Wilhelm 278 Kunisch, Johannes 163, 302 Küppers-Braun, Ute 286 La Noue, François de 174–176, 179–181 Labitte, Charles 173 Lacey, Douglas R. 132 Lademacher, Horst 293, 296 Lagrée, Jacqueline 8 Laktanz (Lucius Caelius Firmianus Lactantius) 26, 118, 139 Lambe, Henry 237 Lamping, Antonie Jan 85 Lang, Bernhard 29 33 Languet, Hubert 116

Lapide, Cornelius a 116 Laslett, Peter 126 Laud, William 233 Laufhütte, Hartmut 7 Laursen, John Christian 8, 195–205 Le Cène, Charles 115 Le Clerc, Jean 77, 125 Lecercle, François 173 Lecler, Joseph 8, 20, 102, 104, 106, 117, 120, 123, 164f., 171, 173, 176f., 179 Leeb, Rudolf 286f. Lehmann, Christian 300 Lehmann, Max 281 Leibniz, Gottfried Wilhelm 8, 49, 111, 157 Leisegang, Hans 156 Lenk, Rainer 294 Lennon, Thomas M. 8 Lenzen, Verena 36 Lessay, Franck 148 Lessing, Gotthold Ephraim 11, 18, 48, 111, 149–160 Lessing, Theophil 39, 48–57, 159 Levine, Alan 8 Leyser, Friedrich Wilhelm 50 L’Hospital, Michel de 163, 165, 173 Liberda, Jan 288 Lim, Paul Chang-Ha 105, 129, 133 Limborch, Philip van 75, 77f., 90–97, 105f., 123 Lindbæk, Peter 188 Linde, Henricus Arnoldi van der 75 Lindeman, Ruud 213 Link, Christoph 47, 55 Lipsius, Justus 42, 43, 206 Lisa, Martina 288, 297 Liselotte von der Pfalz 261 Littleton, Thomas 133 Livermore, Harold V. 201 Lloyd, Howell A. 41 Locke, John 8–10, 14, 71, 103, 115, 125f., 129, 135, 147–149, 188, 192, 196, 202, 205, 215, 225f., 231, 235, 237f., 240, 282 Loewenstein, David 130 Lohmann, Hartvig 186 Loomie, Albert J. 243, 247, 252 Loos, Renate 296 Lorraine, Charles de 163 Lotz-Heumann, Ute 162 Lowe, Lisa 216 Lubbertus, Sibrandus 79 Lubenau, Reinhold 282

Personenregister Lubieniecki, Stanislaus 99 Lucassen, Jan 205 Lüdtke, Jens 211 Luh, Jürgen 296 Luis de Granada 197 Łukasiewicz, Ignacy 65 Łukasiewicz, Józef 65 Łukaszewicz, Lesław 69 Luther, Martin 7, 40f., 43–45, 111f., 119, 165, 190, 192, 208 Lüthy, Christoph 78, 101 Lutz, Heinrich 7, 278 Lutz-Heumann, Ute 289 Lynn Hunt, 219 Maclear, James Fulton 131 Magdelaine, Michelle 284 Magnien-Simonin, Catherine 171 Mahlmann, Theodor 53 Mahlmann-Bauer, Barbara 110 Maisano, Roberto 19 Marana, Giovanni Paolo 221 Marin, Louis Claude 151 Marotti, Arthur F. 229 Marracci, Ludovico 212 Marshall, John 9, 14, 115, 125f., 129f., 135, 137, 202 Marti, Hanspeter 111 Martini, Cornelius 43 Martini, Jakob 46 Marti-Weissenbach, Karin 111 Masius, Hector Gottfried 54 Massuet, Pierre 210 Matthiae, Wolf Christian 183 McBride, Ian 232 McEvoy, Carmen 200 McGregor, J. F. 130 McKenna, Antony 125, 219 McKenzie-McHarg, Andrew 298 McLachlan 105, 126, 129, 134f., 143f. Meelen, Maria ter 212 Meinsma, Koenrad O. 214 Meisner, Balthasar 46 Melanchthon, Philipp 7, 41–43, 45 Mellby, Carl August 79 Mendelssohn, Moses 150, 156 Mendus, Susan 9, 14 Metasch, Frank 297 Metzon, Gerrit 212 Meyjes 218 Meyjes, Guillaume Henri Marie Posthumus 169

309

Michel, Gerhard 299 Michel, Gerhard 49 Miert, Dirk van 77 Mikulec, Jirí 287 Milde, Wolfgang 48 Miller, James 131 Miller, John 223, 228–230, 232 Milton, John 8, 14 Minuti, Rolando 219 Mironneau, Paul 168 Mißfelder, Jan Friedrich 162 Mohammed 214, 220f. Möhring, Hannes 150 Molke, Christian 29 Montluc, Jean de 163 Moone, Richard 137 More, Henry 77 Moritz von Oranien 79, 211 Morley, George 228f. Mortimer, Sarah 104, 115, 130, 135f. Moser, Friedrich Carl von 290 Moses 23–37, 107 Moskorzowski, Hieronim 62 Moulay Abdallah 210 Mout, Marianne E.H.N. 208 Muhammed ben Ali 207 Müller, Hans-Joachim 100 Müller, Leos 291 Müller, Michael G. 62 Müller-Michaels, Harro 154 Mulsow, Martin 77, 115, 130, 139, 208, 219 Murad (Moerad) Raïs 211 Murra, John 195 Musaeus, Johann 53, 55 Nabil, Matar 213 Naeranus, Johannes 206 Naeranus, Samuel 75, 206 Nederman, Cary J. 7 Nehemia 23, 31 Nenner, Howard 233 Neugebauer, Wolfgang 301 Newton, Isaac 135 Newton, Richard 237 Niefanger, Dirk 46 Niemojewski, Jan 64 Nieritz, Gustav 285 Nierop, Henk van 77 Nieß, Ulrich 260 Nietzsche, Friedrich 151 Nieuwenhuis, Ivo 217 Niewöhner, Friedrich 219

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Personenregister

Niggemann, Ulrich 223–241, 298, 284f., 288, 294, 296 Ninow, Friedbert 29 Nipperdey, Justus 286, 302 Nisbet, Hugh Barr 154 Nissinen, Martti 25 Nobbs, Douglas 76, 79 Noodt, Gerard 205 Nosidlo, Václav 288 Nüssel, Friederike 56 Nüßle, Eduard 263, 266 Nuttall, Geoffrey F. 131 Oberman, Heiko A. 7 Obirek, Stanisław 71 Oddens, Joris 214 Ogonowski, Zbigniew 71–74, 114f., 124 Oldenbarneveld, Johan van 82 Ollyffe, John 239 Ommen, Kasper van 218 Oomen, Georg 194 Oomius, Simon 209 Osman II. 215 Otte, Hans 289 Otto, Eckart 26 Paalzow, Christian Ludwig 13 Pailin, David A. 217 Palladini, Fiammetta 297 Pally, Marcia 23 Palma-Cayet, Pierre Victor 168 Papin, Philippe 176, 178 Parinetto, Luciano 8, 14 Parkin, John 171 Paschoud, François 14 Pasquier, Estienne 166, 171–176, 179–181 Patterson, William B. 168 Paul, Heike 281 Paulus 36, 189 Pébay-Clottes, Isabelle 168 Perlitt, Lothar 26 Pettegree, Andrew 295 Philipp II., König von Spanien 248, 251 Philipp III., König von Spanien 243 Philipp von Orléans 262 Picart, Bernard 219–221 Piccart, Michael 46 Pils, Susanne Claudine 286 Pinchas 23 Pincus, Steve 223, 226, 230, 231 Pizarro, Francisco 197 Platon 92

Platt, Dobrosława 68 Po-Chia Hsia, Ronnie 77 Pococke, Edward 218f. Polac, Salomon 192 Poley, Jared 298 Polizzotto, Carolyn 136 Pontoppidan, Erik 190, 193 Poole, Matthew 129 Porter, Roy 8f., 225 Pott, Sandra 11 Prak, Maarten 205 Proast, Jonas 14, 235f., 237f. Przypkowski, Samuel 104–115, 123, 125f., 129, 130, 133, 137–139, 148 Pufendorf, Samuel von 49, 54f. Quina, Carel 213 Quiroga y Vela, Gaspar de 248 Rabbie, Edwin 79 Radziwiłł, Janusz 63 Rahen, Nicolás 255 Raynal, Guillaume-Thomas François 221 Rebolledo, Bernadino de 190 Reimarus, Hermann Samuel 152 Reinhard, Wolfgang 36 Reinkingk, Dietrich Theodor 51 Reland, Adriaan 209, 218, 220 Remer, Gary 8, 14 Richard, Francis 218 Ridder, C. J. den 209 Rießler, Paul 36 Ripperda, Johan Willem 210 Ritter Santini, Lea 154 Rivet, André 85, 122 Rizvi, Kishwar 220 Roellenbeck, Georg 8, 14 Rogge, Hendrik Cornelius 79, 87 Rohdewald, Stefan 287 Rohls, Jan 77, 79, 130, 208 Roney, John B. 287 Rooden, Peter T. van 122, 208 Rørdam, Holger Frederik 193 Rose, Craig 232 Rosenkrantz, Holger 185 Ruthmann, Bernhard 289 Rutrou, Jean 215 Rzońca, Jan 63 Sagittarius, Thomas 46 Sahm, Wilhelm 282 Saïd, Edward 216

Personenregister Salatowsky, Sascha 10, 99–127 Salmonowicz, Stanisław 62 Saltin, Günther 260, 274 Samsonowicz, Henryk 63 Sand, Christoph 100, 125 Sandoval y Rojas, Bernardo de 255 Sandoval y Rojas, Francisco Gómez de 255 Sandoval, Antonio de 190 Santacruz, Juan de (Pachacuti Tamqui Salcamayhua) 202 Sardemann, Gerhard 82 Sauer, Elizabeth 8, 14 Sceperus, Jacobus 95 Schelde-Jensen, Bodil 184 Schenk, Richard 289 Scheppach, Maria 249 Scherb, Philipp 46 Scherertz, Sigismund 300 Scherf, Yvonne 213 Scheurleer, Theodor H. Lunsingh 218 Scheutz, Martin 286 Schickler, Fernand 169 Schieder, Rolf 23 Schilling, Heinz 240, 282 Schilson, Arno 158f. Schlichting, Jonas 101, 104 Schlüter, Gisela 9 Schlüter, Richard 14 Schmalz, Valentin 62 Schmid, Konrad 27 Schmidt, Erich 154 Schmidt-Leukel, Perry 21 Schmidt-Voges, Inken 289 Schmieder, Benjamin Friedrich 18 Schmoller, Gustav 301 Schneider, Bernd Christian 290 Schneider, Hans-Peter 54 Schneiders, Werner 9 Schnurr, Eva-Maria 290 Schochet, Gordon J. 131, 224, 226–228, 231f., 232, 234 Schönert, Jörg 154 Schorn-Schütte, Luise 62 Schreiner, Klaus 226 Schrijver, Cornelis 212 Schröder, Winfried 8, 10f., 13–22 Schrøder, Urban 191 Schubert, Anselm 298 Schulze, Winfried 163, 290–292, 302 Schunka, Alexander 281–302 Schwager, Raymund 21 Schweigger, Salomon 218

311

Schweizer, Alexander 79 Schwendi, Lazarus von 290 Schwoerer, Lois G. 231 Scribner, Bob 7 Seaward, Paul 131, 227 Sebastián, Javier Fernández 200 Seckendorff, Veit Ludwig von 51, 54 Selles, Otto 287 Seneca 92 Servet, Miguel 48, 99, 103, 164 Serwouters, Jan 215 Shadid, Wasif A. 207 Sharpe, John 237 Sharpe, Kevin 224, 230 Sheils, William J. 129 Siebenhüner, Kim 276 Sigismund II., König von Polen 59 Sigismund III., König von Polen 62, 68 Signori, Gabriela 34 Simons, Menno 184 Simonutti, Luisa 77, 105, 123 Šindelář, Bedřich 291 Skalský, Gustav Adolf 288 Skarga, Piotr 59–61, 63, 64–68, 72f., 117 Skwarczyński, Paweł 63 Sloot, Hans van der 208 Sloterdijk, Peter 151f. Smiglecius, Martin (Marcin Smiglecki) 62, 116 Smith, David Baird 169 Smith, Nigel 130 Sokrates 49 Sokrates Scholastikos 19f. Solling, Georg 81 Soner, Ernst 101, 104f., 111, 115 Sorbière, Samuel 139 Sozomenos 19f. Sozzini, Fausto 62, 102f., 129, 133, 147 Sozzini, Lelio 103 Sparn, Walter 39–57 Spellman, William M. 233 Speyer, Wolfgang 14 Spies, Marijke 206 Spijker, Willem van’t 79 Spinoza, Baruch 8, 10, 14, 53, 109, 196, 205f., 214, 218f. Spohnholz, Jesse 288 Spurr, John 131f., 223f., 228–230, 233–235 Stanton, Graham N. 14 Statt, Daniel 228 Steck, Odil Hannes 27 Stegmann, Joachim 99, 101, 123

312 Steiger, Johannes A. 41f. Steiner, Stephan 282, 287 Stensen, Niels 191 Stephan Báthory, König von Polen 63 Stewart, Michael Alexander 126 Steymans Hans Ulrich 26 Stillingfleet, Edward 143, 234, 236 Stinstra, Johannes 205 Stockert, Harald 259–279 Stouppe, Jean-Baptiste 207 Stout, Cornelis 212 Stöve, Eckehart 164 Strohm, Christoph 79, 116 Stroumsa, Guy G. 14 Struensee, Adam 183 Struensee, Johann Friedrich 183, 192 Struys, Jan Janszoon 214 Stubbe, Henry 219 Suggi, Adrea 8, 14 Sutherland, Nicole Mary 162 Szczucki, Lech 114 Tamse, Coenraad A. 238 Tapsell, Grant 227 Taranto, Pascal 9 Taylor, Stephen 227, 232f., 236 Taylor, William 153 Tazbir 269 Tazbir, Janusz 60–62, 64, 73 Terlon, Hugo de 191 Ter-Nedden, Gisbert 151 Terraciano, Kevin 199 Tertullian 118 Thadden, Rudolf von 284 Thapar, Romila 202 Themistios 18–21 Theodosius 133 Theunissen, Hans 208, 217 Thickett, Dorothy 171 Thickett, Dorothy 171f. Thomas, Werner 243–248, 250, 252–257 Thomasius, Christian 9, 53f. Thomasius, Jacob 49f., 54 Thomason, George 137 Thomson, Ann 219 Thorp, Malcolm R. 228 Thou, Jacques-Auguste de 121, 173 Thysius, Antonius, d. Ä. 85 Tideman, Joannes 83 Timm, Hermann 156 Titzmann, Michael 7 Toland, John 219

Personenregister Trevor-Roper, Hugh 130, 134 Trim, David J. B. 226 Troeltsch, Ernst 157 Turchetti, Mario 163, 165, 168, 173 Turkowski, Józef Kazimierz 66 Tyacke, Nicolas 134 Urbánek, Vladimir 291 Uro, Risto 25 Urtega, Horacio 202 Uythage, Cnaeus Cornelius 209 Vanderspoel, John 15, 19 Veen, Sytze van der 210 Vega, Garcilaso de la 201 Velasco y Tovar, Juan Fernández de 246 Veltheim, Valentin 54 Verbeek, Theo 218 Vermeulen, Corinna Lucia 76 Vermeulen, Joos 209, 210 Vernon, Richard 9 Villaverde, María José 196, 205 Visser, Sibbe Jan 206 Visser, Sibbe Jan 75 Vitkus, Daniel J. 213, 217 Vivanti, Corrado 169, 177f. Vlis, Ingrid van der 208, 213 Voetius, Gisbertus 208f. Völkel, Johannes 91 Volkland, Frauke 276 Vollhardt, Friedrich 9, 79, 99, 149–160 Voltaire, François Marie Arouet 9, 149, 192, 196, 221 Vorstius, Konrad 78–83, 96, 101 Vossius, Isaac 214 Vrolijk, Arnoud 218 Walaeus, Antonius 85, 122 Waldron, Jeremy 8, 14 Walker, Mack 284, 296, 298 Wall, Heinrich de 41 Walsh, John 232f. Walsham, Alexandra 9 Walter, Friedrich 260, 263, 267f., 276 Walther (Gualther), Marcus 78 Wandal, Hans 187–189 Wanegffelen, Thierry 167, 173 Wäntig, Wulf 287, 295 Warmbrunn, Paul 259 Warner, Rebecca L. 233, 235–237, 240 Watts, Michael 229 Watts, Thomas 239

Personenregister Watzinger, Karl Otto 270 Weber, Polycarp 285 Weintraub, Wiktor 131 Weller, Thomas 282 Wendel, Hans Jürgen 225 Wennemuth, Udo 260, 262f., 265, 267, 270, 273 Westermann, Claus 26 Westphal, Siegrid 289f. Wheeler, Charles 132 Wiegers, Albert 207, 209, 211 Wilbur, Earl Morse 100 Wilczek, Piotr 61f. Williams, George H. 131, 138 Williams, Melissa S. 8, 14 Williams, Patrick 255 Wills, John E. jr. 214 Winch, Humphry 132 Winwood, Ralph 246, 254 Wisner, Henryk 68 Wissowatius, Andreas 101, 123–125 Wissowatius, Benedikt 105 Witt, Christian V. 46 Witt, Johan de 214 Woensel, Pieter van 217 Wolf, Peter 293 Wolfe, Michael 162 Wolfson, Adam 9 Wolgast, Eike 259, 267 Wolin, Richard 24

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Worden, Blair 129, 136, 226 Workman, Giles 145–147 Worm, Jakob 193f. Worschech, Udo 29 Woude, Cornelis van der 79 Wrzecionko, Paul 269 Wtenbogaert, Johannes 79, 82, 83, 86, 122 Wujek,Jakub 62 Wykes, David L. 226, 235f. Xenophanes 31 Xenophon 49 Yardeni, Myriam 173 Zabarella, Jacopo 43 Zakai, Avihu 136 Zamoyski, Jan 63 Zarate, Augustín de 196 Zarka, Yves Charles 148 Zeltner, Gustav Georg 105 Zenker, Kay 101 Ziegenbalg, Bartholomäus 193 Ziekow, Jan 290 Zimmermann, Ruben 25 Zimri 23 Zook, Melinda 229 Zurbuchen, Simone 237 Zwierlein, Cornel 176f., 180 Zymner, Rüdiger 154

f r i e d e n s t e i n - f o r s c h u ng e n

Herausgegeben vom Forschungszentrum Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt. Schriftleitung: Martin Mulsow und Kathrin Paasch

Franz Steiner Verlag

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ISSN 1863–950x

Ulman Weiß Die Lebenswelten des Esajas Stiefel oder Vom Umgang mit Dissidenten 2007. 640 S. mit 9 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08856-5 Sebastian Lentz / Ferjan Ormeling (Hg.) Die Verräumlichung des Weltbildes Petermanns Geographische Mitteilung zwischen „explorativer Geographie“ und der „Vermessenheit“ europäischer Raumphantasien. Beiträge der Internationalen Konferenz auf Schloß Friedenstein in Gotha vom 9.–11. Oktober 2005 2008. 267 S. mit 23 s/w-Abb. und 27 Farbabb. auf 24 Taf., geb. ISBN 978-3-515-08830-5 Veit Rosenberger (Hg.) „Die Ideale der Alten“ Antikerezeption um 1800 2008. 199 S. mit 10 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09000-1 Christian Ahrens „Zu Gotha ist eine gute Kapelle …“ Aus dem Innenleben einer thüringischen Hofkapelle des 18. Jahrhunderts 2009. 374 S. mit 31 Abb. und 1 Farbtaf., geb. ISBN 978-3-515-09236-4 Günter Mühlpfordt / Ulman Weiß (Hg.) Kryptoradikalität in der Frühneuzeit

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2009. 386 S., geb. ISBN 978-3-515-09142-8 Veit Rosenberger (Hg.) Die Acerra Philologica Ein frühneuzeitliches Nachschlagewerk zur Antike 2011. 199 S. mit 15 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09326-2 Veronika Bunk Karlsruhe – Friedenstein Family, cosmopolitanism and political culture at the courts of Baden and Sachsen-Gotha-Altenburg (1750–1790) 2011. 259 S. mit 11 s/w-Abb. und 8 Farbabb. auf 8 Taf., geb. ISBN 978-3-515-09654-6 Reimar Lindauer-Huber / Andreas Lindner (Hg.) Joachim Justus Breithaupt (1658–1732) Aspekte von Leben, Wirken und Werk im Kontext 2011. 222 S. mit 7 s/w-Abb. und 1 Farbabb, geb. ISBN 978-3-515-09833-5 Miriam Rieger Der Teufel im Pfarrhaus Gespenster, Geisterglaube und Besessenheit im Luthertum der Frühen Neuzeit 2011. 328 S. mit 15 s/w-Abb., geb. ISBN 978-3-515-09869-4

Matthias Pohlig (Hg.)

Reformation

basistexte Frühe Neuzeit – baND 2 Der herausgeber

Matthias Pohlig studierte in Göttingen, Strasbourg und Berlin. Promotion 2005. Seit 2010 Juniorprofessor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Forschungsschwerpunkte: Reformations- und Konfessionalisierungsforschung, Geschichte der internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit, Historiographiegeschichte, Theorie der Geschichte

Die Reformation gilt als tiefgreifender Einschnitt in der Geschichte Deutschlands und Europas. Doch was ist „die Reformation“? Was machte sie theologisch und religiös aus, was für soziale und kulturelle Voraussetzungen und Folgen hatte sie, wie wurde sie durch politische Akteure aufgenommen und verändert? Dieser Band enthält klassische und einflussreiche Texte der allgemein- und kirchenhistorischen Reformationsforschung der letzten 50 Jahre und will damit erstens einen Überblick über die Forschungs- geschichte geben, die auch in einer umfassenden Einleitung dargestellt wird. Zweitens dient der Band dazu, die wichtigsten reformationshistorischen Interpretationen und Kontroversen kennenzulernen. Damit bietet er Studierenden, Lehrenden und anderen Interessierten eine substanzielle Einführung in die Reformationsforschung. mit texteN voN

Matthias Pohlig, Bernd Moeller, Robert W. Scribner, Hans-Jürgen Goertz, Horst Rabe, Claudia Ulbrich, Susan C. Karant-Nunn, Berndt Hamm, Heinz Schilling

2015 252 Seiten 978-3-515-10925-3 kart.

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Peter Burschel / Sünne Juterczenka (Hg.)

Die Europäische Expansion

Basistexte Frühe neuzeit – Band 3 die herausgeBer

Peter Burschel ist Inhaber des Lehrstuhls für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der HumboldtUniversität zu Berlin. Sünne Juterczenka ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit der Humboldt-Universität zu Berlin.

„Europäische Expansion“ – kein einfacher Begriff. Denn wer von „europäischer Expansion“ spricht, spricht von einem frühneuzeitlichen Fundamentalprozess, der die Ausweitung politischer Herrschaft, ökonomischer Aktivität und kultureller Praktiken ebenso umfasst wie den Export von Gewalt und Krankheiten oder vielfältige Formen sozialer Ausbeutung und ökologischer Zerstörung. Ein Begriff zudem, der immer wieder kritisch überprüft wird, seit die Geschichtswissenschaft ein dichtes, von wechselseitigen Einflüssen gekennzeichnetes Beziehungsnetz zwischen Europa und der Welt ausmacht, das vor allem eines zu erkennen gibt: Die europäische Expansion ist eine entangled history, die nicht nur Amerika, Asien und Afrika veränderte, sondern auch Europa selbst. Der Band bietet unter den Rubriken „Begegnen“, „Aneignen“ und „Vermessen“ Beiträge zu Themenfeldern wie Herrschaft, Handel, Sprache und Mission sowie zu Ordnungen der Geschlechter und frühen Formen von Rassismus. mit texten von

Sünne Juterczenka / Peter Burschel, Jürgen Osterhammel, Natalie Zemon Davis, Mark Häberlein, Wolfgang Reinhard, Claudia Schnurmann, Michael Zeuske, Reinhard Wendt, Walter Demel, Philippe Despoix

2016 293 Seiten mit 4 Abbildungen und 2 Karten 978-3-515-10729-7 kart.

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Die Ausdifferenzierung des Christentums in verschiedene Konfessionen und Sekten im Verlauf des 16. Jahrhunderts ließ eine Frage akut werden, die auch mit dem Westfälischen Frieden von 1648 keiner endgültigen politischen bzw. religiösen Lösung zugeführt werden konnte: Dürfen Andersgläubige und ‚Häretiker‘ in einem christlichen Gemeinwesen geduldet werden? Während die Forschung diese Frage im Blick auf das Zeitalter der Reformation sowie der Frühaufklärung wiederholt untersucht hat, liegen für den dazwischenliegenden Zeitraum von ca. 1580 bis 1670 kaum tiefergehende Stu-

dien vor. Diese als konfessionelles Zeitalter beschriebene Epoche markiert jedoch jenen Diskursrahmen, der auch noch für die Frühaufklärung relevant war. Dieser Band vereint philosophische, theologische, (kirchen-)historische, juristische, literaturwissenschaftliche und sozialgeschichtliche Zugriffe. Die Beiträge arbeiten die konfessionellen Differenzen bei der Toleranzfrage heraus und nehmen die theoretischen und praktischen Umbrüche in den Blick, die der religiöse und gesellschaftliche Wandel im Verlauf des 17. Jahrhunderts bewirkt hat.

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ISBN 978-3-515-11368-7