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German Pages 96 [105] Year 1882
Veröffentlichungen der Gesellschaft für Heilkunde in Berlin, vi.
Dritte öffentliche Versammlung der
balneologischen
Section
am 5. und 6. März 1881.
Im Auftrage der Section herausgegeben von
Dr. Brock, pract. Arzt in Berlin, Schriftführer der Gesellschaft für Heilkunde.
Berlin, 1881. Druck lind
V e r l a g v o n G.
Reimer.
Inhalts - Verzeichniss.
Seite
Versammlung am 5. März 1881. G. T h i l e n i u s : Kisch:
Eröffnungsrede (im Auszuge)
1
Demonstration eines neuen Instruments zur rationellen
Verordnung von Moorbädern
4
Thomas:
Ueber Geschichte der Climatotherapie
6
Thomas:
Mortalitätstabelle für die climatischen Curorte sowie
einige grössere Orte Italiens Ewald:
Einiges aus dem Gebiete der Verdauungslehre
G. y. L i e b i g :
15 . . . .
Ueber Molke und Nährsalze
H e l lan e r :indifferenten Die Behandlung der Tabes, speciell deren Anfangsstadien, Thermen
18 25 35
Versammlung am 6. März 1881. Sponholz: Edlefsen:
Die Bäder und der Staat Ueber die Methode der Stoffwechseluntersuchungen
mit Rücksicht auf die Wirkung der Heilquellen Thomas:
53
Ueber den Zusammenhang von Witterung und Hämoptoe
M. S c h m i d t :
Ueber die Therapie der Kehlkopfphthise
54 67 75
IV B r S g e l m a n n : Weitere Untersuchungen über die Wirkungen der Stickstoffinhalationen bei Phthise Lender:
Die physiologische Oxydation und die Mineralwässer
Seite
87
.
90
G. T h i l e n i u s : Einladung zur Anstellung von Beobachtungen behufs Aufklärung des Abhängigkeitsverhältnisses mancher Lungenblutungen von gewissen Vorgängen in der Atmosphäre . .
91
Versammlung am 5. März 1881. Vorsitzender: Herr
G. Thilenius
(Soden-Berlin).
Derselbe eröffnet die Versammlung um 1 1 U h r : Meine hochverehrten Herrn
Collegenl
Kraft des mir im vorigen Jahre übertragenen Amtes eröffne ich hiermit die dritte öffentliche Versammlung der balneologischen Sektion der Gesellschaft für Heilkunde und heisse Sie Namens derselben herzlich willkommen. Der Umstand, dass Sie diesmal noch zahlreicher als sonst aus allen Gauen Deutschlands und des benachbarten Oesterreichs hierhergekommen, beweisst am besten, dass unsere Sache unter den Fachcollegen immer mehr Boden gewinnt. Aber auch die praktischen Aerzte werden nicht länger uns ihre Anerkennung vorenthalten können, wenn wir in unserem wissenschaftlichen Streben fortfahren. Ein Blick auf die Tagesordnung wird Sie überzeugen, dass wir der Aufgabe, welche die Sektion sich bei ihrer Gründung gestellt hat, gerecht zu werden suchen. Bevor w i r in unsere Verhandlungen eintreten, habe ich Ihnen noch einige Mittheilungen zu machen. Die Zahl der Sektionsmitglieder hat sich auf 1 3 8 vermehrt. Leider haben wir auch den Verlust eines Mitgliedes zu beklagen. Dr. R u d o l f B i r n b a u m starb am 7 . Januar d. J . in Berlin. Er w a r in Trachenberg in Schlesien geboren, studirte in Breslau, liess sich 1 8 6 6 als Arzt in Schweidnitz nieder, ging 1 8 6 9 als Brunnenarzt nach Schwalbach, wo er bis kurz vor seinem Tode eine recht erspriessliche Thätigkeit entwickelte. Eine Schrift über die Eisenquellen in S c h w a l bach, die von ihm selbst auch in's Englische übersetzt wurde, hat ihm Yerhandl. d. Ges. f. Heilk., balneologische Sect.
1
auch in weitern Kreisen Anerkennung und Freunde erworben. — Ich ersuche Sie das Andenken des Dahingeschiedenen durch Erheben von den Sitzen zu ehren. (Geschieht.) Viele unserer Mitglieder haben ihre Badeschriften der Vereinsbibliothek eingeschickt. Diejenigen, welche es bisher nicht gethan haben, ersuche ich, es noch zu thun. Ehe ich mein Amt in ihre Hände zurückgebe, kann ich es mir nicht versagen, unserer Muttergesellschaft, der Gesellschaft für Heilkunde, für ihre grosse Opferwilligkeit für unsere Sektion den wärmsten Dank auszusprechen. Ich bitte Sie nunmehr zur Neuwahl des Vorstandes für das nächste Jahr zu schreiten. Herr B r e h m e r : Ich schlage Ihnen vor, den allbewährten Vorstand durch Acclamation wieder zu wählen. Herr T h i l e n i u s : Wenn sich dagegen kein Widerspruch erhebt, so nehme ich an, dass Sie diesen Vorschlag billigen und sage Ihnen, zugleich auch im Namen meiner Collegen F r o m m und B r o c k den herzlichsten Dank für das uns ehrende Vertrauen, dem Sie soeben e r neuten Ausdruck gegeben haben. Gestatten Sie mir aber auch, dass ich diese Gelegenheit benutze, um unserem unermüdlichen Schriftführer, Herrn B r o c k , für seine opferfreudige Thätigkeit und zweckentsprechende und uns Alle zufriedenstellende Geschäftsführung hier öffentlich meinen b e sonderen Dank auszudrücken. Vor Eintritt in unsere Tagesordnung gestatten Sie mir noch, Ihre Aufmerksamkeit auf das Werk von Prof. 0 . L e i c h t e n s t e r n über Balneotherapie im II. Theil des Handbuchs der allgemeinen Therapie von H. v. Z i e m s s e n zu lenken. Ich habe gegen eine scharfe Kritik der landläufigen Vorstellungen der Balneotherapie, komme sie von wissenschaftlicher oder praktischer Seite, gewiss nichts einzuwenden, allein auch in der Kritik giebt es doch gewisse Grenzen. Dieser über das Ziel hinausgehenden Kritik des Prof. L e i c h t e n s t e r n gegenüber müssen w i r uns in Vertheidigungszustand setzen auf Grund unserer praktischen Erfahrungen über die Wirkung von Bädern, welche verschiedene Salze g e löst enthalten. Die praktische Balneotherapie weist ganz entschieden darauf hin, dass in der chemischen Reizwirkung von Kochsalz-, Eisen-, Schwefel- und alkalischen Bädern, auch wenn sie nur auf dem thermischen Indifferenzpunkt stehen, thatsächlich gewisse Unterschiede gegen einfache Wasserbäder bestehen. Wir können nicht zugeben, dass uns aus theoretisch-wissenschaftlichen Deductionen gewissermaassen das Recht bestritten w i r d , aus unsern reichen klinischen Erfahrungen Schlüsse zu ziehen. Wenn von wissenschaftlicher Seite eine so scharfe Kritik unsern gewohnten Anschauungen gegenüber geführt und noch vielfach mit Spott getränkt w i r d , dann muss es unsere erste Aufgabe sein, Klarheit zu schaffen, wenigstens die klinischen Beobachtungen streng zu sichten und sie, soweit das chemisch-physiologische Experiment noch fehlt, zur Beweisführung zu verwerthen.
Ich benutze diese Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass die klimatischen Indikationen der verschiedenen Badeorte noch wenig festgestellt sind. Je mehr nun in unseren Tagen die Luft als Heilmittel Werth gewinnt, desto mehr ist es nothwendig, dem praktischen Arzt in dieser Richtung möglichst klare Fingerzeige zu geben, die sich auf brauchbare meteorologische Beobachtungen gründen. Geschieht das nicht, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn, wie es bisher leider der Fall ist, in Bezug auf die Klimatotherapie der praktische Arzt mehr oder weniger der augenblicklichen Tagesströmung, der Mode, folgt. Ich möchte damit in Anregung bringen, dass vielleicht einer der Herren sich veranlasst sieht, für die nächste Versammlung uns ein Referat darüber zu erstatten, was von meteorologischen Momenten nothwendig angeführt werden muss, um ein Klima zu charakterisiren und richtige Indikationen für dasselbe aufzustellen. Gehen w i r in der von mir bezeichneten Richtung nur frisch voran, dann wird uns erst die Anerkennung zu Theil werden, nach der zu streben und die zu erringen wir, m. H., ein Recht haben. Auf dem Gebiet der chemischen Untersuchungen sowohl, wie der klimatologischen, liegt noch ein Feld vor uns, auf dem noch die köstlichsten Früchte zu ernten sind. Gehen wir an die Arbeit, der Lohn wird uns nicht ausbleiben. (Lebhaftes Bravo!) Herr K i s c h (Marienbad) will die Antikritik des Vorsitzenden gegenüber dem Werk des Prof. L e i c h t e n s t e r n nicht ganz widerspruchslos hinnehmen. Er müsse gestehen, bei Durchlesung des L e i c h t e n s t e r n ' schen Buches habe er sich darüber gefreut, dass endlich einmal ein Kliniker ein Handbuch der Balneotherapie schreibe. Redner meint, nicht die Radeärzte, die bei aller Unparteilichkeit einen einseitigen Standpunkt festhielten, müssten die Balneotherapie schreiben, sondern der Kliniker, der grössere Erfahrungen habe und einen höheren unparteiischen Standpunkt einnehme. Man könne dem Prof. L e i c h t e n s t e r n , wenn er einen scharf negativ-kritischen Standpunkt einnehme, die Berechtigung dazu absolut nicht absprechen. Wir müssen, sagt Redner, zugeben, dass die Differenzen der Indikationen in Betreff der einzelnen Bäder anders wirken, andere Reflexe hervorzubringen vermögen als ein einfach kohlensäurehaltiges Bad. Herrn L e i c h t e n s t e r n spricht Redner seinen Dank dafür aus, dass er als Kliniker eine Kritik der Balneotherapie geliefert habe. Mit dem Vorredner stimme er darin überein, dass wir uns zu weiteren ernsten Arbeiten ermuntert sehen müssten, damit endlich auf Grund physiologischer Arbeiten dem Praktiker eine schärfere Präcisirung der Indikationen an die Hand gegeben werde. Der Vorsitzende verwahrt sich dagegen, dass er Herrn L e i c h t e n s t e r n das Recht der scharfen Kritik abgesprochen habe, er habe nur gegenüber der Art, wie diese Kritik vom theoretisch-wissenschaftlichen Standpunkt ausgeübt worden sei, das Recht, auf Grund praktischer E r fahrungen Schlüsse auf die Wirkung der Bäder zu ziehen, wahren wollen. 1*
Herr R o h d e n (Lippspringe) betont gegenüber den Ausführungen des Herrn K i s c h , dass der klinische Standpunkt in dem Werk des Dr. L e i c h t e n s t e r n sehr wenig in den Vordergrund trete, dass vielmehr der Gesichtspunkt, von dem aus er die ganze Balneotherapie nahezu neu zu construiren unternimmt, der rein physiologisch-experimentelle sei. Was nicht erwiesen sei, werde einfach negirt; statt die Hypothesen, die zum Uebergang aus der Gedankenlosigkeit in eine Thatsache nicht entbehrt werden könnten, schonend zu behandeln oder hier und da auf deren Gebrechlichkeit aufmerksam zu machen, gehe der Verfasser namentlich in Ansehung der Form schonungslos und unbarmherzig zu Werk. Nachdem hierauf Herr H e r t z k a (Carlsbad) der Bitte des Vorsitzenden, das zweite Schriftführeramt während der diesjährigen öffentlichen Versammlungen zu übernehmen, freundlichst entsprochen hatte, erhält das Wort
Herr
Kisch:
Demonstration eines neuen Instruments zur rationellen Verordnung von Moorbädern. Wie jegliche Therapie ist auch die Balneotherapie noch immer vorzugsweise Erfahrungswissenschaft und trotz aller Fortschritte physiologischer und experimenteller Forschungen müssen wir immer wieder auf die E r f a h r u n g als Wegweiser therapeutischen Handelns recurriren. Ganz speciell gilt das auch von den Moorbädern, welche seit dem letzten Decennium sich, und zwar mit Recht, einer ganz besonderen balneotherapeutischen Beliebtheit erfreuen, namentlich wo es sich darum handelt, die verschiedenartigsten chronischen stationären Exsudate zur Schmelzung zu bringen und die hierdurch gesetzten Folgezustände zu heben. Darüber, dass Moorbäder bei rheumatischen und gichtischen Affectionen der Gelenke, Muskeln, Sehnen, bei chronischen Beckenexsudaten, bei Parametritis, Perimetritis, Metritis chron., bei mannigfachen Neuralgien, bei peripheren Lähmungen, Contracturen, Ankylosen, traumatischen Affectionen u. s. w . treffliche Dienste leisten, herrscht unter den practischen Aerzten keine Meinungsverschiedenheit, denn die Erfahrung spricht hierüber in nicht zu missdeutender Weise — ein Anderes ist es jedoch mit der physiologischen Deutung dieser Thatsachen. Hierin sind die Moorbäder unter allen Bäderarten die am meisten stiefmütterlich behandelten. Vor etwa 1 2 Jahren habe ich zuerst einige physiologische Untersuchungen über den Einfluss der Moorbäder auf Puls, Respiration, Temperatur und Stoffwechsel angestellt; dann hat vor Kurzem J a c o b sehr dankenswerthe Versuche vorgenommen und besonders den Einfluss der Moorbäder auf die Wärmebildung zu erforschen sich bemüht —
Herr R o h d e n (Lippspringe) betont gegenüber den Ausführungen des Herrn K i s c h , dass der klinische Standpunkt in dem Werk des Dr. L e i c h t e n s t e r n sehr wenig in den Vordergrund trete, dass vielmehr der Gesichtspunkt, von dem aus er die ganze Balneotherapie nahezu neu zu construiren unternimmt, der rein physiologisch-experimentelle sei. Was nicht erwiesen sei, werde einfach negirt; statt die Hypothesen, die zum Uebergang aus der Gedankenlosigkeit in eine Thatsache nicht entbehrt werden könnten, schonend zu behandeln oder hier und da auf deren Gebrechlichkeit aufmerksam zu machen, gehe der Verfasser namentlich in Ansehung der Form schonungslos und unbarmherzig zu Werk. Nachdem hierauf Herr H e r t z k a (Carlsbad) der Bitte des Vorsitzenden, das zweite Schriftführeramt während der diesjährigen öffentlichen Versammlungen zu übernehmen, freundlichst entsprochen hatte, erhält das Wort
Herr
Kisch:
Demonstration eines neuen Instruments zur rationellen Verordnung von Moorbädern. Wie jegliche Therapie ist auch die Balneotherapie noch immer vorzugsweise Erfahrungswissenschaft und trotz aller Fortschritte physiologischer und experimenteller Forschungen müssen wir immer wieder auf die E r f a h r u n g als Wegweiser therapeutischen Handelns recurriren. Ganz speciell gilt das auch von den Moorbädern, welche seit dem letzten Decennium sich, und zwar mit Recht, einer ganz besonderen balneotherapeutischen Beliebtheit erfreuen, namentlich wo es sich darum handelt, die verschiedenartigsten chronischen stationären Exsudate zur Schmelzung zu bringen und die hierdurch gesetzten Folgezustände zu heben. Darüber, dass Moorbäder bei rheumatischen und gichtischen Affectionen der Gelenke, Muskeln, Sehnen, bei chronischen Beckenexsudaten, bei Parametritis, Perimetritis, Metritis chron., bei mannigfachen Neuralgien, bei peripheren Lähmungen, Contracturen, Ankylosen, traumatischen Affectionen u. s. w . treffliche Dienste leisten, herrscht unter den practischen Aerzten keine Meinungsverschiedenheit, denn die Erfahrung spricht hierüber in nicht zu missdeutender Weise — ein Anderes ist es jedoch mit der physiologischen Deutung dieser Thatsachen. Hierin sind die Moorbäder unter allen Bäderarten die am meisten stiefmütterlich behandelten. Vor etwa 1 2 Jahren habe ich zuerst einige physiologische Untersuchungen über den Einfluss der Moorbäder auf Puls, Respiration, Temperatur und Stoffwechsel angestellt; dann hat vor Kurzem J a c o b sehr dankenswerthe Versuche vorgenommen und besonders den Einfluss der Moorbäder auf die Wärmebildung zu erforschen sich bemüht —
aber hiermit ist auch Alles erschöpft, was in dieser Richtung unternommen wurde und das Ungenügende des Geleisteten ist nicht zu läugnen. Es kann der Mangel genügender physiologischer Untersuchungen über die Moorbäder nicht Verwunderung erregen, wenn man bedenkt, dass über die nöthigen Grundbegriffe noch vollständige Unklarheit herrscht dass man noch immer Moorbäder und Schlammbäder zusammenwirft und dass man oft genug in einem beliebigen Schmutztümpel einen heilkräftigen Moor gefunden zu haben glaubt. Ich will jedoch hier nur ein Moment herausgreifen. Ein wesentliches und zwar die Moorbäder charakteristisch von anderen Bäderarten unterscheidendes Moment ist das Mechanische ihrer Wirksamkeit. Der mechanische Effect, welchen die consistente Moormasse durch Compression und Friction hervorbringt, ist ein wesentliches therapeutisches Agens und bereitet dem Moorbade, wie ich glaube, eine grosse Analogie mit der Massage. Es kommt nun ausserordentlich darauf an, den mechanischen EfTect je nach dem Einzelfalle zu modificiren, das heisst, die €onsistenz des Moorbades zu regulären. Diese Consistenz kann je nach der Menge des zugesetzten Moores von einer halbflüssigen zu einer nahezu vollständig festen Masse schwanken und danach auch verschiedene W i r kungen ausüben. Die Regulirung dieser Consistenz erfolgt aber bisher in den Badeorten in der primitivsten Weise. Es wurden gewöhnlich die sehr elastischen Begriffe „dickes", „mitteldickes" und „dünnes" Moorbad gewählt und den Badedienern überlassen, sich diesen Begriffen nach Gutdünken zu accoinmodiren. Vor Jahren habe ich in Marienbad die Bestimmung der Consistenz dadurch näher zu präcisiren gesucht, dass ich angab, so und so viele Cubikfuss Moor sollten zum Bade verwendet werden, allein es bleibt auch hierbei Alles der Willkür der Badediener überlassen, da eine Controlle nicht gut durchführbar ist. Ich war darum bemüht, ein Instrument zu ersinnen, das in ähnlicher Weise wie die Araeometer, durch Angabe des specifischen Gewichtes, eine genauere Bestimmung der Consistenz des Moorbades ermöglicht. Doch keines der bekannten Araeometer entsprach dem gewünschten Zwecke, denn das specifische Gewicht des dichten Moorbades geht über die Grenzen aller von ihnen gegebenen Scalen hinaus; dazu kam noch der Uebelstand, dass nicht alle Bestandtheile des Moores im Wasser löslich sind und darum eine Messung auch erschwert ist. Nach langem mühseligen Experimentiren gelang es mir endlich ein, dem Araeometer ähnliches Instrument zu conslruiren (welches um so tiefer in die Moorlösung einsinkt, je g e ringer deren specifisches Gewicht ist), das aber eine empirische Scala hat, die von mir für Moor- mit Aetzkalilösung berechnet wurde. Die Scala hat 6 Theilstriche, deren jeder wieder zur genaueren Bestimmung in Zehntel gradirt ist. Der höchste Punkt der Scala, Grad 1, entspricht der Consistenz einer Mischung von 15 Theilen Wasser mit
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6
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1 Theile Moor, Grad 2 einer Mischung von 1 2 Theilen Wasser mit 1 , 5 Theilen Moor, Grad 3 einer Mischung von 9 Theilen Wasser mil 2 , 5 Theilen Moor, Grad 4 einer Mischung von 6 Theilen Wasser mit 3 , 5 Moor, Grad 5 einer Mischung von 3 Theilen Wasser auf 4 , 2 5 Moor, Grad 6 , also der tiefste Punkt der Scala, einer Mischung von 1 Theil Wasser mit 5 Theilen Moor. Es steht also der bisher üblichen allgemeinen Bezeichnung, „dickes", „massig dickes", „ d ü n n e s " Moorbad, nun eine ziemlich genau berechnete Scala gegenüber, welche eine Bestimmung der Consistenz in rationellerer Weise und somit leichter eine Die Anwendung des Instrumentes scientifische Verständigung zulässt. ist folgende: Man giesst in einen Glascylinder zur Hälfte eine Aetzkalilösung von 2 0 ° Baum6 spec. Gewicht, zur anderen Hälfte von dem zu bestimmenden Moorbade resp. der Moorlösung in Wasser und giebt nun das Instrument, welches ich Moorbadmesser n e n n e , hinein. An der Scala desselben wird die Consistenz des Moorbades zu controliren sein. Ich hoffe, dass mein Moormesser, welchen sich der Chemikalienhändler Herr Kreidl in Prag construirt h a t , einen lange angestrebten kleinen Fortschritt in den balneotechnischen Hülfsmitteln bildet und bald allgemeine Anwendung in den Badeorten finden wird. Discussion. Herr S c h w e i g e r (Franzensbad) begrüsst den neuen Apparat mit Freuden, wenn er das bewährt, was er verspricht. Denn es sei von grosser Wichtigkeit bei den verschiedenen Krankheiten, in denen Moorbäder indicirt seien, die Dichtigkeit derselben genau zu bestimmen. Er habe nur das eine Bedenken dass die Badewärter nicht so leicht darauf werden eingeschult werden können. Herr E w e (Nenndorf) glaubt, dass das neue Instrument in der Praxis nicht viel nützen werde, da seine Anwendung zu zeitraubend sei. Es sei besser sich auf geschulte Leute zu verlassen, denen man vertrauen könne, wenn man ihnen auf eine bestimmte Wassermenge eine bestimmte Menge Moor zu nehmen anbefehle.
Herr
Thomas
(Badenweiler):
Uebersicht der Geschichte der Klimatotherapie mit besonderer Rücksicht auf Friedr. H o f f m a n n (1660—1742). W e n n man heutzutage leider fast allgemein annimmt, dass eine eingehende Beschäftigung mit der Geschichte der Medicin nur sehr wenig Gewinn für den practischen Arzt verspricht, so w i r d dabei jedenfalls übersehen, dass, wie A l e x , v o n H u m b o l d t 1 ) bemerkt, „ u m Wahrheit ') Reise in die Aequinoctial - Gegenden des neuen Continents. p. 161. (Cotta'sche Ausgabe, Stuttg. 1874.)
Bd. IV,
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1 Theile Moor, Grad 2 einer Mischung von 1 2 Theilen Wasser mit 1 , 5 Theilen Moor, Grad 3 einer Mischung von 9 Theilen Wasser mil 2 , 5 Theilen Moor, Grad 4 einer Mischung von 6 Theilen Wasser mit 3 , 5 Moor, Grad 5 einer Mischung von 3 Theilen Wasser auf 4 , 2 5 Moor, Grad 6 , also der tiefste Punkt der Scala, einer Mischung von 1 Theil Wasser mit 5 Theilen Moor. Es steht also der bisher üblichen allgemeinen Bezeichnung, „dickes", „massig dickes", „ d ü n n e s " Moorbad, nun eine ziemlich genau berechnete Scala gegenüber, welche eine Bestimmung der Consistenz in rationellerer Weise und somit leichter eine Die Anwendung des Instrumentes scientifische Verständigung zulässt. ist folgende: Man giesst in einen Glascylinder zur Hälfte eine Aetzkalilösung von 2 0 ° Baum6 spec. Gewicht, zur anderen Hälfte von dem zu bestimmenden Moorbade resp. der Moorlösung in Wasser und giebt nun das Instrument, welches ich Moorbadmesser n e n n e , hinein. An der Scala desselben wird die Consistenz des Moorbades zu controliren sein. Ich hoffe, dass mein Moormesser, welchen sich der Chemikalienhändler Herr Kreidl in Prag construirt h a t , einen lange angestrebten kleinen Fortschritt in den balneotechnischen Hülfsmitteln bildet und bald allgemeine Anwendung in den Badeorten finden wird. Discussion. Herr S c h w e i g e r (Franzensbad) begrüsst den neuen Apparat mit Freuden, wenn er das bewährt, was er verspricht. Denn es sei von grosser Wichtigkeit bei den verschiedenen Krankheiten, in denen Moorbäder indicirt seien, die Dichtigkeit derselben genau zu bestimmen. Er habe nur das eine Bedenken dass die Badewärter nicht so leicht darauf werden eingeschult werden können. Herr E w e (Nenndorf) glaubt, dass das neue Instrument in der Praxis nicht viel nützen werde, da seine Anwendung zu zeitraubend sei. Es sei besser sich auf geschulte Leute zu verlassen, denen man vertrauen könne, wenn man ihnen auf eine bestimmte Wassermenge eine bestimmte Menge Moor zu nehmen anbefehle.
Herr
Thomas
(Badenweiler):
Uebersicht der Geschichte der Klimatotherapie mit besonderer Rücksicht auf Friedr. H o f f m a n n (1660—1742). W e n n man heutzutage leider fast allgemein annimmt, dass eine eingehende Beschäftigung mit der Geschichte der Medicin nur sehr wenig Gewinn für den practischen Arzt verspricht, so w i r d dabei jedenfalls übersehen, dass, wie A l e x , v o n H u m b o l d t 1 ) bemerkt, „ u m Wahrheit ') Reise in die Aequinoctial - Gegenden des neuen Continents. p. 161. (Cotta'sche Ausgabe, Stuttg. 1874.)
Bd. IV,
und Irrthum zu unterscheiden, man in den Wissenschaften meistens nur die Geschichte der Vorstellungen und ihre allmähliche Entwickelung zu verfolgen braucht". Während nun aber die Geschichte der Balneologie durch treffliche Arbeiten, wie besonders die von A u g . V e t t e r und L e r s c h , ein Gemeingut Vieler geworden, ist die Geschichte der Klimatotherapie kaum in ihren allgemeinsten Umrissen bekannt. Daher wir es denn auch erlebt haben, dass Ansichten mit der Prätension einer besonders wichtigen Novität hervortreten konnten, welche früheren Aerzten schon ganz geläufig waren. So möchte ich mir nun heute Ihre Aufmerksamkeit erbitten, um Ihnen eine gedrängte Uebersicht der Geschichte der Klimatotherapie zu geben, wobei ich mir erlauben werde, die Verdienste des grossen Hallenser Professors F r i e d r i c h H o f f m a n n ( 1 6 6 0 — 1 7 4 2 ) um diesen Theil der Medicin etwas eingehender zu beleuchten. — Bekanntlich findet man den Ortswechsel als Heilmittel chronischer Krankheiten zuerst bei H i p p o k r a t e s angerathen, speciell für jugendliche Epileptiker. Sehr wichtig erscheint mir der allgemeine Bath in der nachhippokratischen Schrift „de natura hominis", dass man s i c h von d e r K e i m s t ä t t e e i n e r K r a n k h e i t e n t f e r n e n müsse. — Auch von A r i s t o t e l e s sind einige hierhin gehörende Sätze in seinen Problemen aufgestellt, so der, dass die stets erneuerte frische, reine Luft die Ursache sei, dass die Bewohner hochgelegener Orte später, die Bewohner eingeschlossener, sumpfiger Gegenden früher alterten, sowie auch dass die Schiffahrer von besserer Gesichtsfarbe seien als letztere. Den Seedunst betrachtet er als warm und trocken, und gerade deshalb mache ein Aufenthalt zur See grössere Esslust und kräftige. — Bei C e l s u s ( 2 5 v. — 5 0 n. Chr.) sehen wir die Klimatotherapie vielfach in Anwendung gebracht und zwar lange Seereisen namentlich nach Alexandria bei Phthisis, sofern es die Kräfte erlauben; dann weite Beisen überhaupt, Verweilen an der Seeküste und für den Sommer ein Landaufenthalt. Der wichtigste Grundsatz des C e l s u s , wonach er die Indicationen b e stimmt wissen will, ist: p e s s i n u m c o e l u m , q u o d a e g r u m f e c i t ; a d e o u t in i d q u o q u e g e n u s , q u o d n a t u r a p e j u s e s t in h o c statu, salubris m u t a t i o fit. P l i n i u s d e r A e l t e r e ( 2 3 — 7 9 n. Chr.) folgt C e l s u s in der Empfehlung der Seereisen und dem Leben auf dem Meere, schreibt jedoch im Gegensatz zu C e l s u s auch der Insolation Werth zu und ist der Erste, welcher für Phthisiker und Beconvalescenten den Aufenthalt in N a d e l h o l z w ä l d e r n für zweckmässiger hält als die Seefahrt nach Aegypten und die Sommermilchkur auf den Bergen. — Bei A r e t a e u s (circa 4 0 — 1 0 0 n. Chr.) sind als klimatische Heilmittel genannt: gegen anhaltenden Kopfschmerz, Schwindel, Epilepsie, Phthisis, Nierenaffectionen und Elephantiasis das Fahren und Umherwandeln in guter Luft, Beisen aus kalten in warmen, aus feuchten in trockene Gegenden, Aufenthalt au und auf der See. Er schreibt der
Seeluft eine austrocknende Wirkung zu. — A l e x a n d e r v o n T r a l l e s and C a e l i u s A u r e l i a n u s folgen ihren Vorgängern in der Empfehlung namentlich der Seeklimate. G a l e n ( 1 3 1 — 2 0 1 n. Chr.) schickte die Phthisiker zur Milchkur auf die Berge und hat darin bis lange nach dem Mittelalter, wie in seinen Grundsätzen überhaupt, zahlreiche Anhänger gefunden, von denen ich A n t y l l u s , A e t i u s , P a u l u s v o n A e g i n a , B e r n h a r d G o r d o n i u s (Vesuv), L. F u c h s , L e o n h . J a c c h i n i (Monti Pisani und Berge bei Florenz), F o r e e s t , A n d r . B a c c i u s , M a y e r n e , Epiphanias F e r d i n a n d u s (mons garganus) Z a c u t u s L u s i t a n u s , T o z z i , W . P i s o (Berge in Brasilien) nennen kann. Er ist aber weder der Schöpfer der Hochgebirgstherapie noch der Erste, welcher die Salubrität hochgelegner Orte pries; und in gleicher Weise wie für frühere Aerzte bei dem Seeklima, so liegt für ihn i n d e r T r o c k e n h e i t d e r L u f t auf den Bergen, durchaus aber nicht in der Immunicität das Heilsame. Nach Galen b e ruht das Wesentliche der klimatischen Therapie darauf, d a s s m a n d i e K r a n k e n in e i n e n i c h t n u r d e r h e i m a t h l i c h e n , s o n d e r n a u c h der Natur der Krankheit selbst entgegengesetzte Mischung versetzt. J e g r ö s s e r die D i f f e r e n z u m so e r h e b l i c h e r a u c h der Vortheil der V e r ä n d e r u n g des Klimas. Reinheit der L u f t i s t j e d o c h i m m e r d a s e r s t e E r f o r d e r n i s s 1 ) . — A e t i u s (um 5 0 0 n . C h r . ) , welcher die B e r g l u f t bei Kurzathmigkeit, Schwindsucht und Kopfleiden; r e i n e L u f t n i e d r i g g e l e g e n e r O r t e bei Geisteskrankheiten und alten Leuten; S e e l u f t bei Hydrops, consensuellen Nervenleiden und Appetitlosigkeit in Anwendung zieht, hebt noch besonders den vortheilhaften Gemüthseindruck hervor, den eine Seefahrt mache. Von den a r a b i s c h e n A e r z t e n , welche im engen Anschluss an die Alten den Ortswechsel als Heilmittel schätzten und Phthisiker nach C r e t a dirigirten, will ich nur des I b u S i n a (Avicenna 9 8 4 — 1 0 3 6 ) gedenken, weil er bei der Behandlung der Phthisis von Grundsätzen geleitet wurde, welche auch noch in unsere Zeit Anerkennung gefunden haben. Es kommt ihm nämlich auf Reinigung der Geschwüre, deren Austrocknung und Verhütung von Catarrh, hauptsächlich an. Der Einfluss der S c h n e e s c h m e l z e auf die Luftbeschaffenheit hochgelegener Orte ist ihm nicht entgangen. Neben warmen S a n d b ä d e r n hält er viel von der I n s o l a t i o n bei schlaffen Wunden, Asthma und namentlich bei Hydrops. Ich darf w o h l hier anknüpfen, dass vor wenigen Jahren die H e l i o t h e r a p i e bei chronischen Gelenkleiden traumatischer wie rheumatischer Natur durch P r o f . V a n z e t t i in Padua wie auch Dr. G i u s e p p e M a r z a r i 1 ) mit sehr günstigein Erfolg in Anwendung g e kommen ist. — *) Vgl. meine Abhdl.: Gesch. Skizze der HoehgebirgsbehdI. bei Phthisis. Berl. klin. Wochenschr. 1875. *) Nach Giorn. Ven. di scienze med. 1879 und med.-Chir. Rundschau 1880 Märzheft p. 180.
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Bei den für unser Thema mehr oder weniger wichtigen Namen von Autoren wie T h e o p h r . P a r a c e l s u s , B a c o v o n V e r u l a m , r a n H e l m o n t , von welchem beiläufig zu beachten ist, dass er entgegen den Anschauungen seiner Zeitgenossen der Anwendung von Wein bei Fieber dringend das W o r t redet: P a u l Z a c c h i a s , T o u r q u e t d e M a y e r n e , Dan. S e n n e r t , A n d r . B a c c i , zu dessen Zeit der Galenische Kurort Stahiae noch] in voller Blüthe stand; K o n . V i c t . S c h n e i d e r , der als passende klimatische Kurorte bei Catarrhen S a l ö (am Garda-See), M u r a n o , G e n u a , P i s a , C a e t a und N e a p e l empfiehlt; endlich T l i o m . W i l l i s , M u s i t a n u s , T o z z i und A n d r i o l l i , den Anhängern der S y l v i u s schen Lehre d. h. des chemiatrischen Systems, will ich jetzt nicht länger verweilen. T h o m . W i l l i s theilt die interessante Thatsache mit, dass zu seiner Zeit schon die Engländer in Masse allwinterlich nach Südfrankreich zogen. — Eine systematische Darstellung der Klimatotherapie beginnt erst mit dem berühmten Italiener G e o r g i o B a g l i v i ( 1 6 6 8 — 1 7 0 6 ) , indem er, abgesehen von vielen Stellen seiner praktischen Schriften, an welchen er in voller Würdigung der klimatischen Behandlung B e r g - , S e e - , und Landluft, sowie die aus frisch gepflügtem Boden aufsteigenden Dünste anrieth, auch eine Abhandlung „ d e m u t a n d o a e r e i n l o n g i s e t d i f f i c i l i b u s m o r b i s " leider nur kurz scizzirte. Eine für seine Zeit erschöpfende Behandlung desselben Themas blieb F r i e d r . Ho ff m a n n vorbehalten, als er im Jahre 1 6 0 1 die wichtige Schrift: „ d e p e r e g r i n a t i o n i b u s i n s t i t u e n d i s s a n i t a t i s c a u s a " 1 ) veröffentlichte. Sie scheint kaum bekannt zu sein, denn selbst A l b e r t v o n H a l l e r sagt nur von derselben (in seiner reichhaltigen Bibliotheca medicinae p r a c ticae *)), H o f f m a n n empfehle darin den Gebrauch der Elixire und des Balsamum vitae; K u r t S p r e n g e l und H a e s e r erwähnen aber nicht einmal den Titel. — Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich behaupte, dass F r . H o f f m a n n gerade durch die fragl. Schrift sich um die Klimatotherapie fast in gleicher Weise verdient gemacht h a t , wie er nach dem Ausspruche V e t t e r ' s 3 ) um die medicinische Behandlung der Balneologie vielleicht die grössten Verdienste hat, welche j e m a l s in dieser Beziehung erworben worden sind. Gestatten Sie mir, den Inhalt in kurzen Zügen Ihnen vorzuführen. Die Schrift ist in 5 Kapitel eingetheilt, von welchen das 1. über Reisen und Klimawechsel bei den Alten handelt; das 2 . die Gründe für Reisen auseinandersetzt; das 3. die Salubrität der aufzusuchenden Orte b e spricht ; das 4 . die Krankheiten aufzählt, bei welchen Reisen von Nutzen seien; das 5. die bei Reisen zu beobachtenden Vorsichtsmaassregeln angiebt. ') Op. omn. physie. med. Tom. V. Genevae 1761 p. 320 seqq. 2 ) Tom. i n , p. 555. Bern und Basel 1779. 3 ) Heilquellenlehre Bd. 1. p. 109.
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Wie B a g l i v i 1 ) sein höchstes Bedauern darüber ausgesprochen, dass viele Kranke unnützer Weise beständig mit Medicamenten geplagt würden, während es täglich zu constatiren sei, dass gewisse Geisteskrankheiten durch Musik, manche Leiden durch die Landluft, andere durch Schifffahrt, andere durch J a g d , durch Tanzen, Beiten oder Beisen gehoben würden, die vorher keinem Mittel gewichen, beginnt auch F r . H o f f m a n n mit der Klage, dass die Sitte durch Klimawechsel die Gesundheit zu erhalten und wiederherzustellen, viel zu wenig Beachtung finde. Klimawechsel und Reisen, welche die alten Aerzte therapeutisch wie prophylactisch und zur Befestigung der Gesundheit in Anwendung gebracht, wirken d u r c h B e r u h i g u n g d e s G e m ü t h e s , E r f r i s c h u n g des G e i s t e s u n d d i e g u t e k ö r p e r l i c h e U e b u n g b e i d e r B e w e gung. Von Ländern und Orten, die in Frage kommen, nennt er die Canarischen Inseln, Spanien (Granada und Madrid), Griechenland (Athen), Ispahan, Brasilien, Italien, namentlich Croton, Stabiae, Neapel, endlich Alexandria. Nachdem der Autor dann über die Luftbeschaifenheit an zu klimatischen Kuren geeigneten Orten sich ausgesprochen, namentlich das Klima der Berggegenden sowie dasjenige von solchen Plätzen e r örtert, an welchen zu Krankheiten besondere Veranlassung gegeben, nennt er die B e r g o r t e d i e a l l e r g e s u n d e s t e n . Als Beispiele führt er an, den Appennin, den Berg Tmolus in Lydien (jetzt Bozdag), den Athos [in der Abhandlung: d e m e t h o d o a c q u i r e n d i v i t a m l o n g a m 1 ) werden noch genannt B ö h m e n , V o g t l a n d , S c h w e i z mit R h ä t i e n . Orte auf dem Lande seien den Städten vorzuziehen. Von Krankheiten, bei welchen Reisen und der Luftwechsel angebracht sei, führt H o f f m a n n an: a l l g e m e i n e K ö r p e r s c h w ä c h e , P h t h i s i s u n d H ä m o p t o e , G e s c h w ü r e und F i s t e l n , K o p f - u n d N e r v e n l e i d e n , namentlich S c h w i n d e l , E p i l e p s i e j u g e n d l i c h e r P e r s o n e n , H y p o c h o n d r i e ; dann auch S c o r b u t , I n t e r m i t t e n s u n d s c h l e i c h e n d e s Fieber. K e i n e s w e g s sei eine und d i e s e l b e L u f t b e s c h a f f e n h e i t f ü r alle L e i d e n g l e i c h günstig. Was den Einfluss verschiedener Orte auf die Heilung von ä u s s e r e n G e s c h w ü r e n u n d F i s t e l n angeht, citirt H o f f m a n n eine Beobachtung von A m b r o i s e P a r é 3 ) , welcher den Unterschied der kalten trockenen Luft von Paris mit der warmen leichten Luft von Avigaon in ihrem Einfluss auf Kopfwunden beleuchtet habe. — ( W e n n ich mich recht entsinne, hat schon A r i s t o t e l e s von der Häufigkeit der Schenkelgeschwüre bei Einwohnern tiefgelegener feuchter Orte in seinen Problemen gesprochen, und nach der Angabe von M ü h r y 4 ) w u r d e aus Peru berichtet, dass man dort allgemein zur schnelleren Heilung von Wunden auf die Berge gehe, ja ') Spec. trium reliq. libr. de fibra motrice et morb. cap. XIV, p. 390 ed. Lugd. 1704. *) Op. omn. T. V p. 250 seq. ed. Genevae 1761. 3 ) Lib. X, cap. 8. *) Klimatolog. Untersuch, p. 294seq. Leipz. u. Heidelb. 1858.
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dass j e d e r Maulthiertreiber sein wundgewordenes Thier auf die B e r g weide führe, damit es dort rascher und ohne Insectenplage Heilung finde.) — H a u t k r a n k h e i t e n und L e p r a , fährt H o f f m a n n fort, würden in sehr feuchter, dicker, salziger Luft nicht geheilt; dagegen sei diese bei manchen Nervenleiden, namentlich bei Krämpfen ohne o r ganische Grundlage, sehr zuträglich. — (Ich kann hier anführen, dass die Experimente von F r i e d . F a l k J ) an Kaninchen erwiesen haben, dass relativ sehr trockene Luft Krämpfe zu verursachen im Stande ist.) Die Indicationen stellt Ho f f m a n n in der W e i s e auf, dass d i e L u f t d e m C e l s u s ' s c h e n A u s s p r u c h e g e m ä s s d e r j e n i g e n , in w e l cher die Krankheit e n t s t a n d e n , entgegengesetzt sein müsse. Heitere, r e i n e , trockene Luft, im Allgemeinen sehr gesund, passe nicht für Phthisiker; diesen sei eine mässig feuchte mehr zuträglich, daher (An anderer rühre auch die Empfehlung einer Reise Dach Aegypten. Stelle") behauptet H o f f m a n n jedoch, bei Phthisis sei reine, klare g e mässigte Luft am Besten.) Dahingegen sollten Alle, welche gewöhnlich in schwerer, feuchter, dicker Luft lebten, in Krankheiten eine reinere aufsuchen, daher denn auch die Engländer von ihrer feuchten Insel mit Recht nach Südfrankreich gingen. E r citirt hierbei eine Stelle aus der 1 6 7 2 erschienenen Schrift von C l a r o m o n t i u s 9 ) , worin es heisst: über den Zustand der Luft in E n g land vermöchten am Besten Einwanderer aus Spanien, Italien und S ü d frankreich zu urtheilen, indem jene Personen in wenigen Jahren eine vollständige Umwandlung erführen, zumal Leberleidende, denen das e n g lische Klima gut bekomme. Dies gelte auch für Leute mit sanguinischem und melancholischem Temperament. Dagegen gehe es den von Verschleimung und Catarrhen Geplagten in England sehr schlecht, w ä h rend phthisische und scorbutische Engländer in Südfrankreich Heilung fänden. Ein Aufenthalt in Südfrankreich sei auch bei der in England allgemein ungünstig verlaufenden Syphilis passend. — ( G a b r . F a l l o p i a 4 ) hatte schon die Behauptung aufgestellt, dass S e e - und Küstenluft, sowie das Klima von Pisa und Venedig Syphilitischen heilsam s e i . ) M a n c h e Menschen e r t r ü g e n j e d o c h n u r das K l i m a i h r e r H e i math. So seien Schweden und Norweger in unseren Gegenden selten gesund; ebenso würden die an die Seeluft gewöhnten Holländer nicht wenig in ihrem körperlichen Befinden b e r ü h r t , wenn sie nach Landplätzen übersiedelten. Aber auch j e nach der K ö r p e r b e s c h a f f e n V i r c h o w ' s Arch. L X I I . Bd. Heft 2. 1874. E s ist ein Irrthum wenn F a l k glaubt, dass die Dampfsättigung selbst in den trockensten Himmelsstrichen unseres Planeten nicht unter 4 0 % sinke. An der Eiviera habe ich oft 10 und sogar ganze Tage lang im Mittel 20 % z. B. 26. J a n . 1878 in Nervi beobachtet. 2 ) De affectione phthisica sive tabe § 4 et § 5 Tom. I I I p. 294. *) De aere et solo et aquis Angliae deque morbis Anglorum yenaculis dissertatio etc. Londini 1672. 4 ) de morb. gall. p. 137. ed. Venet. 1606.
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h e i t sei das K l i m a a u s z u w ä h l e n . Besondere Rücksicht erf o r d e r e der Habitus und das T e m p e r a m e n t . Gracil gebaute, oft von Kopfschmerzen geplagte Personen mit trockener Haut und zu Phthisis und Fieber Geneigte sollten sich durchaus vor allzutrockener heisser Luft hüten, sondern ein gemässigtes Klima aufsuchen. Fettleibige, vollblütige Leute in vorgeschrittenen Jahren, zu Paralyse, Apoplexie und Spasmen, zu Rheumatismus Geneigte sollen kalte, nördlich gelegene Berge meiden; das gelte auch für Husten und auf Lunge und Brust schwache Personen. Leute von zarter Constitution und schwachem Körperbau, an zarte und leichte Nahrung gewöhnt, dürften einen Ortwechsel in Länder mit dicker, schwerer, unreiner Luft, w o man gröbere Nahrung geniesse, nicht vornehmen. Den S a n g u i n i k e r n und C h o l e r i k e r n aus w a r m e n Ländern seien n o c h w ä r m e r e Gegenden verderblich, wie den Südfranzosen Italien und zumal Sicilien. Den Schluss bilden dann Aussprüche von Hippocrates und Galen über die Art und Weise, wie man reisen solle, (wann schnell und wann langsam und in kurzen Tagereisen) und werden zuletzt noch einige vor und bei der Reise zu beobachtende Vorsichtsmaassregeln und diätetische Vorschriften angegeben. — Auch diese praktische Schrift H o f f m a n n ' s beweist wieder, dass die grossen Verdienste, welche er sich um die Förderung der Heilkunde e r w a r b , mit seinen theoretischen Bestrebungen, so gut als Nichts g e mein hat. W a r es aber, wie auch H o f f m a n n es ausspricht, zu jener Zeit nur Wenigen vergönnt, weite Reisen zur Erhaltung der Gesundheit zu unternehmen, so sicherten erst die Erleichterung des Verkehres durch Vervielfältigung und erhebliche Verbesserung der Verkehrsmittel der Klimatotherapie eine ausgedehnte Anwendung. Eine wissenschaftliche Grundlage derselben wurde aber erst geschaffen durch den ungemeinen Aufschwung, welchen die allgemeine Klimatologie durch Männer wie Alex, von H u m b o l d t , S a u s s u r e V a t e r u n d S o h n , G a y L u s s a c , K ä m t z , die beiden Brüder S c h l a g i n t w e i t , D o v e , M u h r y u. A. nahm. Eine auffallende Thatsache ist es, dass, wie die in der Folgezeit publicirten klimatotherapeutischen Schriften erkennen lassen, die deutschen Aerzte im Allgemeinen mehr die meteorologische, die französischen mehr die medicinische, die englischen und amerikanischen Schriftsteller mehr die hygienische Seite der Klimatotherapie berücksichtigen. — Gleichzeitig mit und nach F r . H o f f m a n n haben den Werth der Klimatotherapie gebührend hervorgehoben, der berühmte Holländer H e r m a n n B o e r h a v e ( 1 6 6 8 — 1 7 3 8 ) , sowie dessen bekannter Commentator v a n S w i e t e n (in Wien), der neapolitanische Praktiker G i u s e p p e M o s c a ' ) , in England R i c h a r d Mead und E b e n e z a r G i l c h r i s t ; der zuletzt genannte, indem er in einer bisher noch unübertroffenen, auch in's Französische übersetzten Schrift aus dem Jahre 1 7 5 9 die Seefahrten ') dell' aria e de morbi dall' aria dipendenti II tomi in IV parti Napoli 1746.
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als Heilmittel wieder zu hohem Ansehen brachte. Den Nutzen jener bei Phthisis erklärte er u n t e r A n d e r e m auch aus dem gesteigerten Luftdruck, während W . G u l l e n nichts auf die besondere Beschaffenheit der Seeluft gab und nur die Reinheit der Luft und die gemässigte Temperatur als vortheilhaft ansah. Begeisterte Anhänger hat dieser Theil der Klimatotherapie bei englischen wie besonders bei französischen Aerzten gefunden, so i n R e i d 1 ) , M o n r o , P o r t a l ; L a e n e c starb im Vertrauen auf die Seeluft, die er im Hospital durch Ausbreiten von Seetang künstlich herstellen zu können wähnte, an der Küste der Bretagne. Von späteren Forschern führe ich an J u l e s R o r c h a r d t ( n u r bedingt hierher zu rechnen), G a r n i e r , F o d f e r e , R e q u i n , von Deutschen S a c h t l e b e n , H u f e l a n d , G a n s t a t t . In der allerletzten Zeit haben F a b e r , ebenso W i l l i a m s den Nutzen der Seereisen erläutert. Durch C u l l e n und namentlich J a c. G r e g o r y ' s Gdinburger Doctordissertation vom 1 3 . Juni 1 7 7 4 : d e m o r b i s c o e l i m u t a t i o n e m e d e n d i s — in welcher die Behandlung der Phthisis, der Hypochondrie und der Arthritis besprochen wird und klimatische Rathschläge für alte Personen ertheilt werden, hat sich auch bei uns das später nur zusehr überschätzte U e b e r s c h l a g e n d e s W i n t e r s i n w a r m e m K l i m a eingebürgert. Für G r e g o r y war bei der Empfehlung südlicher Stationen (Spanien, ein grosser Theil Italiens, das südliche Frankreich uud die Bermuden) mit Rücksicht auf Phthisis maassgebend die von ihm und vielen Spätem supponirte relative I m m u n i t ä t , wenn er auch bemerkte, dass ein Klima auf Ankömmlinge anders einwirke als auf Einheimische. — W i e dann später die ebenso oft behauptete wie bestrittene Immunität der Malariagegenden, besonders seit B o u d i n , so hat auch die Annahme der Immunität der Bergbewohner, welche durch F u c h s , T s c h u d i , Lombard, Archibald Smith, Muhry, Gastaldi, Küchenmeister u. A. hervorgehoben wurde, in der Klimatotherapie der Phthisis Bedeutung gehabt, welche derselben auch jetzt noch von manchen Aerzten gezollt wird. Vielfach wird dabei vergessen, dass J o h . P e t . F r a n k 4 ) , H u f e l a n d 3 ) und S c h ö n l e i n 4 ) die Bergluft bei g e w i s s e n Erkrankungen der Respirationsorgane befürworteten, wenn man auch damals allgemein sich mehr Nutzen von der Wärme versprach. Während dieser ganzen Zeit waren es gerade die E n g l ä n d e r , welche mit ihrem practischen Sinn, unbekümmert um wechselnde Theorien, ihr Augenmerk auf die p r a c t i s c h e E r f o r s c h u n g u n d V e r w e n d b a r k e i t d e r v e r s c h i e d e n e n K l i m a t e gerichtet hielten. Das b e ') R e i d schrieb den meisten Vortheil dem mit der Seekrankheit verknüpften Erbrechen zu. bei tabes pituitosa u. asthma humido. 3 ) so bei Tabes nervosa. *) od. seine Angaben bei hereditären Tuberkeln, über die geogr. Verbreitung der Phthisen, über Phthisis hepatica.
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kannte Werk von J a m e s C l a r k über den Einfluss des Klimas u. s. w. bildet, wie P e t e r s e n bemerkt, den Ausgangspunkt einer ausserordentlich bedeutungsvollen klimatisch-hygienischen Entwickelung der englischen Therapie. Während man in Deutschland, zumal bei der Phthisiotherapie, auf das Specifische übergrossen Werth legte, die specifische Luft des Südens durch die immune Bergluft ersetzte, zugleich die Hydrotherapie, allerdings ganz wirksam, mit der Klimatotherapie verband, ist der Standpunkt der Engländer ein hypokratisch-empirischer geblieben, indem sie zumeist G e w i c h t a u f das R o b o r i r e n d e und G e s u n d e der reinen Luft überhaupt legten. Dieses Bestreben hat auch hei uns Eingang, aber auch wie mir scheint, eine Uebertreibung gefunden, indem man die Wirkung des Klimas zu a u s s c h l i e s s l i c h aus der Reinheit und Frische der Luft zu erklären versucht, so dass man bei der klimatisch-diätetischen Behandlung der Krankheiten, speciell der Phthisis, den klimatischen Theil als fast ganz nebensächlich und irrelevant hinzustellen sich bemüht. — Es sind das Bestrebungen, wie sie in gleicher Weise in der Balneologie noch in allerletzter Zeit Ausdruck gefunden. Wenn auch nach unseren heutigen Begriffen Reinheit der Luft, wie das ja schon G a l e n und d i e a l t e n A e r z t e betonten, erstes Erforderniss sein muss, so bleiben doch dadurch die klimatischen Factoren wie Wärme, Feuchtigkeit, Luftdruck, Winde u. s. w. in ihrer hohen Bedeutung unberührt; es muss nur unsere Aufgabe sein, deren Wirkung genau zu beurtheilen. Die Richtigkeit des Celsus'schen Satzes: pessimum coelum quod aegrum fecit, wird man nicht wegläugnen können; auch die Immunität soll Berücksichtigung finden. Niemals aber lässt sich eine klimatotherapeutische Vorschrift für Alle gleichmässig geben, sondern sie muss, das ist mir unzweifelhaft, j e nach der Art des Heimathsklimas, der früheren Lebensweise, dem Temperament und vielleicht auch Raceneigenthümlichkeiten der Kranken, sowie nach der Art wie eine Krankheit zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Personen in die Erscheinung tritt, modificirt sein. Ist auch, besonders durch die Arbeiten von B e n n e t , L o m b a r d , v. V i v e n o t , v. S i g m u n d , R e i m e r , W a l d e n b u r g , B e n e c k e , B i e r m a n n und zuletzt noch durch die vorzügliehe Schrift Herrn. W e b e r ' s , schon Bedeutendes geleistet, manches Vorurtheil zerstreut, mancher I r r thum berichtigt worden, so bleibt dennoch Vieles zu ergründen, Manches zu verbessern, Wesentliches von dem Unwesentlichen zu trennen, Anderes in's rechte Licht zu stellen. Aetiologie, Pathologie, Hygiene, haben dabei unstreitig grossen W e r t h ; möge man bei. dieser Arbeit aber auch der Geschichte nicht vergessen, da sie es ist, welche uns vor manchem Irrthum bewahren kann, indem sie uns die wechselnden Gestalten betrachten lässt, unter denen derselbe zu verschiedenen Zeiten aufgetreten. —
— Herr Dr. H . J .
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ThomaS-Badenweiler:
Mortalitätstabelle für die klimatischen Kurorte sowie einige grössere Orte Italiens. Die Mortalitätstabelle, welche ich Ihnen vorzulegen die Ehre habe, ist aus den Angaben der amtlichen „Statistica del regno d'Italia. Abtheilung: Populazione, Movimento dello stato civile" berechnet und nur deshalb auf die Jahrgänge 1 8 6 2 , 1 8 6 6 , 1 8 6 9 , 1 8 7 1 — 7 4 beschränkt worden, weil mir in der Universitätsbibliothek zu Genua, wo iGh bei einer anderen Gelegenheit diese Arbeit ausführte, kein weiteres Material zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Tabelle hat nicht nur den Zweck an die Stelle allgemein gehaltener oder oft schwankender Angaben der Localberichterstatter aus amtlichen Quellen geschöpfte Zahlen zu setzen, sondern auch einmal von dieser Seite die klimatischen Kurorte oder auch sonst vielbesuchten Städte Italiens zu beleuchten. Dabei will ich nun sofort betonen, d a s s i c h k e i n e s w e g s zu d e r A n s i c h t n e i g e , als lasse sich a u s d e r M o r t a l i t ä t d e r E i n w o h n e r e i n s i c h e r e r S c h l u s s auf d i e W i r k u n g z i e h e n , w e l c h e ein z e i t w e i l i g e r A u f e n t h a l t an den b e t r e f f e n d e n O r t e n f ü r G e s u n d e w i e Kranke haben werde. Immerhin aber wird man nicht verkennen dürfen, dass Orte mit besonders günstigen Mortalitätsverhältnissen, wenn sonst passend, um so eher auch zu einem vorübergehenden Aufenthalt geeignet, hingegen solche Plätze, an welchen die Mortalität eine auffallend grosse ist, im Allgemeinen besser zu meiden sind. — Zur Erläuterung der Tabelle, in welchen die Todtgeburten und die Sterblichkeit der Kinder unter 1 Jahr n i c h t mitgerechnet sind, weil das Material hierfür nicht vorliegt, habe ich noch Folgendes hinzuzufügen: Die meisten Orte der R i v i e r a d i L e v a n t e , an welcher meines Erachtens noch manche mit der Zeit Bedeutung als klimatische Stationen gewinnen werden, weisen eine sehr günstige Mortalität auf, ganz besonders S o r i , B o g l i a s c o , L a v a g n a und Z o a g l i . — Die R i v i e r a di P o n e n t e ist im allgemeinen weniger begünstigt. — Die Mortalität der g a n z e n P r o v i n z L i g u r i a ist eine sehr geringe, mit derjenigen in der Provinz U m b r i a niedriger als in irgend einer anderen Italiens. In dem Compartimento Liguria kommen in dem Zeitraum von 1 8 6 3 — 7 2 auf 1 0 0 Geburten nur 7 4 Todesfälle, die mittlere Lebensdauer berechnet sich in den Jahren 1 8 6 3 — 7 1 auf 3 0 Jahre 10 Monate. — Wie Sie aus derselben Tabelle ersehen, beträgt die mittlere Mortalität in ganz Italien mit 3 1 , 2 ° / 0 0 ; dieselbe setzt sich in der Weise zusammen, dass Kinder bis zu 1 Mon. 1 2 , 3 1 °/ 0 von 1 Mon. bis zu 1 Jahr 2 7 , 8 3 °/ 0 , bis zum 2. Jahr 1 1 , 1 1 °/ 0 der Gestorbenen ausmachen. — Die Verhältnisse liegen dann ferner am günstigsten in T r e m e z z o (Cadenabbia) am Comersee, welches mit einer Mortalität von 1 : 5 8 , 4 oder 1 7 , 1 °/ 00 im Mittel aus 7 Jahren alle anderen 5 7 aufgeführten Orte nicht unerheblich überragt. Dann folgen mit 1 9 , 2 resp. 1 9 , 9 °/ 09
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P e g l i (bei Genua), B o r d i g h e r a ( a n der Riviera di Ponente) und A c i r e a l e auf Sicilien, f ü r letzteres, eine Stadt mit über 3 6 , 0 0 0 E i n w o h n e r n , gewiss ausnehmend günstig. Auch G a ë t a , eine Stadt von 1 8 , 0 0 0 Einwohnern, steht mit einer Mortalität von 2 1 , 4 °/ 0 0 hinter den Genannten wenig zurück, was wohl zu dem Schlüsse berechtigt, dass der Golf von Gaëta auch von dieser Seite die warme Empfehlung zu verdienen scheint, welche e r , wie schon um die Mitte des 1 7 . J a h r hunderts durch K o n r a d V i c t o r S c h n e i d e r , s o i n unserer Zeit durch E d . C a r r i è r e 1 ) erfahren hat. — Von den in der Tabelle erwähnten 6 toskanischen Orten herrscht in M a s s a , C a r r a r a , P i s a , F l o r e n z und F i e s o l e eine sehr hohe Sterblichkeit; besser liegen die Verhältnisse in den Bädern von St. G i u l i a n o am Fusse der Pisaner Berge. Ungemein gross ist die Mortalität, welche nicht nur in N e a p e l wie in den meisten grossen Städten Italiens im Gegensatz zu denen Siciliens, sondern auch in anderen grösseren und selbst kleineren Orten am Golf von Neapel und dem von Salerno herrscht; die Mortalität, in dem noch kürzlich wieder empfohlenen C a s t e l l a m a r e di S t a b i a 2 ) ist die grösste aller in Betracht gezogenen Plätze. Andere Orte derselben Küste zeichnen sich wieder vortheilhaft durch geringere Mortalität aus, so P o z z u o l i , C a s a m i c c i o l a auf Ischia, C a p r i , zumeist aber I s c h i a und S o r r e n t . — W e n n schon längst vor Neapel, zumal, wie ich das schon bei meiner dortigen Anwesenheit vor nun 1 0 Jahren erfahren h a b e , vor dem von den Fremden meist bewohnten Ufer der Chiaja mit der so herrlich g e legenen Villa Reale gewarnt w u r d e , scheint dies f ü r C a s t e l l a m a r e nicht weniger nothwendig zu sein. Affectionen des Nervensystems, Malaria, Typhus und Diphtheritis sind es, welche zur Constituirung der so hohen Mortalitätsziffer hauptsächlich beitragen; Phthisis ist dort wie im Süden Italiens seltener. Nach Prof. C o r r a d i betragen die Todesfälle durch Phthisis, was M i l l o t 3 ) bestätigt, in Venedig, Padua, Verona, Mailand, Turin und Genua 2 , 7 6 °/ 00 der Einwohner und 7 , 5 6 °/ 0 der gesammten Mortalitätsziffer, — in B e r l i n machten die Todesfälle an Phthisis im Jahre 1 8 7 9 : 1 1 , 8 7 0 , im Jahre 1 8 8 0 : 1 1 , 6 7 °/ 0 der Sterbefälle aus. — In den Städten des mittleren und südlichen Italiens sind die Proportionen geringer; der Süden scheint sogar dieser Erkrankung relativ günstig zu sein. — Verhältnissmässig sehr niedrige Zahlen weisen die vier grösseren Städte Siciliens, P a l e r m o , A c i r e a l e , C a t a n i a , S y r a c u s auf. Wie schon vorher bemerkt, ist die Mortalität in Acireale mit 1 : 5 0 , 3 oder 1 9 , 9 ° / 0 0 g a n z ausnehmend niedrig. Selbst in dem wegen Malaria so verschrieenen S y r a c u s müssen günstigere Verhältnisse herrschen, als man bisher annahm. >) le Climat de l'Italie 2. edit. Paris 1876. ) Die Einwohnerschaft ist entweder im Arsenal beschäftigt oder in Seidenund Baumwollenstofffabriken und Gerbereien thätig. ! ) l'hygiène publique en Italie. Paris 1876. J
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25,0
bis
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Orte mit 2000—5000 Einwohnern.
Verhandl. d. Ges. f. Heilk , balneologisohe Sect.
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Anacapri 30,1
St. Ilario Ligure 26,7
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