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German Pages 358 [360] Year 1888
Dreißig Jahre
preußisch-deutscher Geschichte.
Dreißig Jahre
preußisch-deutscher Keschichte 1858—1888 in
amtlichen Kundgebungen.
Von
Dr. Horst Kohl, Oberlehrer am Kgl. Gymnasium zu Chemnitz.
Gießen. I. Ricker'sche Buchhandlung (F. H. Reimer).
1888.
Vorwort der Geschichte des Deutschen Reiches wird das Jahr 1888 immer von hervorragender Bedeutung sein. Zwei Kaiser, Vater und Sohn, sanken ins Grab, der eine, an Siegen und Ehren reich, nach einem Leben voll Kampf und Arbeit, in einem Alter, wie es die Vorsehung nur selten dem Menschen beschieden, der andere, noch in den Jahren der Kraft, von einer tückischen Krankheit gepackt, die stetig fortschreitend, ihn, den Liebling der deutschen Nation, einem qualvollen Tode ent gegenführte. Ein tiefer Ernst lagerte sich über All-Deutschlands Gaue, als nach Jahren reichen Glücks und gedeihlichen Fortschritts so tiefes
Leid auf uns sich herabsenkte, und bange Zweifel wurden laut, ob auch das junge Reich fest genug gegründet sei, um den zwiefachen Schlag ohne Erschütterung zu ertragen. Seitdeni ist die Nacht des Zweifels von uns gewichen, im rosigen Schimmer freudiger Hoffnung liegt die
Zukunft vor uns, die erfüllen soll, was die Vergangenheit versprach: „Deutschland groß zu machen, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." Was der Großvater begann, wird der Enkel mit Gottes Hilfe vollenden, wenn das deutsche Volk sich vertrauensvoll der weisen Führung seines Kaisers überläßt und die hohen Ziele, welche Kaiser Wilhelm I. ihm gesteckt, fest im Auge be hält, ohne sich den Blick trüben zu lassen durch die Engherzigkeit des Parteigeistes, der so oft über den kleinlichen Bestrebungen des Ehrgeizes
und der Herrschsucht die großen nationalen Bedürfnisse und die hohen sittlichen Aufgaben der Gegenwart vergißt. Das Bewußtsein dieser Forderungen unserer Zeit lebendig zu erhalten, dazu will dies Buch an seinem Teile beitragen. An der Hand amtlicher Kundgebungen gewährt es einen Rückblick in die Zeit des Werdens und einen Aus blick in die Zeit der Vollendung. Dreißig Jahre! — wie kurz dünkt die Spanne Zeit, und doch welchen Reichtum von Ereignissen birgt sie in sich. Wir sehen Preußen den unseligen Dualismus lösen und die führende Stellung in Deutschland gewinnen, die es nach seiner Geschichte
VI
Vorwort.
und der ihm innewohnenden Kraft zu fordern berechtigt war, wir sehen den Süden und Norden Deutschlands, nachdem der Kitt des gemein
sam
vergossenen
die
Blutes
auseinanderstrebenden Teile
mit un
löslichem Bande aneinander gefesselt, zu wirtschaftlicher und staat
licher Einheit zusammenwachsen und unter dem Scepter des greifen
Preußenkönigs, den der übereinstimmende Ruf der deutschen Fürsten und Völker zum Kaiser erkoren, jenes mächtige Reich entstehen, das, trotz des ehernen Panzers seiner Heerverfassung niemand bedrohend, in unfern
Tagen als der festeste Hort des Weltfriedens erscheint.
Wahrlich ein
Deutscher verdient nicht zu heißen, wer nicht mit Stolz des Erreichten
sich freut und den Zoll heißer Dankbarkeit den Männern zahlt, die in selbstloser Hingabe an ihr Vaterland, der Mühen und Gefahren nicht
achtend und oft genug gehemmt durch den Widerspruch verblendeter Thoren,
den Eckstein legten zu Deutschlands Größe. Und an alle, die ihr deutsches Vaterland lieben und bereit sind mitzuarbeiten an dem Werke, zu dem sie berufen sind, wendet sich dies Buch, vornehmlich aber an die reifere Jugend unseres Volkes, die es bei Zeiten erwärmen möchte für Ideale,
deren Verwirklichung der Zukunft vorbehalten bleibt, aber nur ge lingen kann, wenn schon die Jugend gelernt hat, das Vaterland höher zu achten als die Partei. — Die Sammlung amtlicher Kundgebungen, aus denen das Buch sich zusammensetzt, ist vollständig hinsichtlich der Thronreden bez. Reden
der Minister, die bei Eröffnung oder Schluß der Sitzungen der parla
mentarischen
Körperschaften
in
Preußen
gehalten wurden; von Armeebefehlen,
und
im
Deutschen Reiche
Allerhöchsten Erlassen, König
lichen bez. Kaiserlichen Botschaften, Ansprachen und Urkunden fanden nur die für die Erkenntnis der geschichtlichen Entwickelung der letzten
dreißig Jahre
wichtigsten Aufnahme;
amtliche Feststellung, wie Reichsanzeiger erfolgte.
Verfasser des Buches
zu Grunde
liegt zumeist die
sie im preußischen Staats- und deutschen
Einen verbindenden Text zu geben, hat der absichtlich vermieden; die Stücke selbst erzählen
in ihrer Unmittelbarkeit lauter und überzeugender, als das Wort des
Historikers vermag, von dem Ringen und Streben, den Hoffnungen und Erfolgen, den Leiden und Freuden der vergangenen dreißig Jahre. Möchte
ihre Sprache in die Herzen dringen und überall den Entschluß wecken, nicht müde zu werden im Dienste am Vaterlande. Chemnitz, am 31. Oktober 1888.
Dr. Horst Kohl
Inhaltsverzeichnis. Erstes Buch. Die Zeil der Regentschaft und des VerfastungskonMktes. 1858-1866. Seite
1. Thronrede des Prinzregenten zur Eröffnung 20. Oktober 1858
des außerordentlichen Landtags,
....................................................................................................................1
2. Ansprache des Prinzregenten an den Landtag vor der Eidesleistung, 26. Oktober 1858
............................................................................................................................................2
3. Ansprache des Prinzregenten an das neue Staats-Ministerium, 9. November 1858 4. Thronrede
des Prinzregenten zur Eröffnung des Landtags,
5. Thronrede
des Prinzregenten zum Schluß des Landtags, 14. Mai 1859
6. Armeebefehl des Priuzregenten, 16. Juli 1859
3
12. Januar 1859
.
6 .
......................................................
9 11
7. Thronrede
des Prinzregenten zur Eröffnung des Landtags, 12. Januar 1860
.
12
8. Thronrede
des Prinzregenten zum Schluß des Landtags, 23. Mai 1860
.
16
.
9. Proklamation des Königs „An Mein Volk", 7. Januar 1861..............................18
10. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1861................................... 20 11. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, 28. Januar 1861 .
.
12. Antwort des Königs auf die Adresse des Abgeordnetenhauses, 12. Februar 1861
23 24
13. Thronrede zum Schluß des. Landtags, 5. Juni 1861............................................... 25
14. Allerhöchster Erlaß, betr. die Krönung, 3. Juli 1861......................................... 27 15. Ansprache des Königs an die Deputationen der Armee, 16. Oktober 1861 17. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, 31. Oktober 1861
.
....
30
31
19. Allerhöchster Erlaß, die Wahlen zum Landtage betr., 19. März 1862
...
20. Rede bei Wiedereröffnung des Landtags, 19. Mai 1862
35 36
21. Rede zum Schluß des Landtags, 13. Oktober 1862
40
an das Staats-Ministerium, 6. Dezember 1862
...
23. Rede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1863
24. Allerhöchster Erlaß an das Abgeordnetenhaus, 3. Februar 1863
29 29
18. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1862
22. Allerhöchster Erlaß
.
...
16. Ansprache nach erfolgter Krönung und Huldigung, 18. Oktober 1861
43
44 ........................
48
25. Worte des Königs bei Entgegennahme der Adresse des Herrenhauses, 8. Februar 1863
....................................................................................................................................
51
26. Urkunde für den Grundstein zum Denkmal Friedrich Wilhelms III., 17. März
1863
52
VIII
Inhaltsverzeichnis.
Seite 54
27. Allerhöchste Botschaft an das Abgeordnetenhaus, 20. Mai 1863 ........................ 28. Allerhöchste Botschaft an das Abgeordnetenhaus, 26. Mai 1863
....
29. Rede zum Schluß des Landtags, 27. Mai 1863 30. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 9. November 1863
31. Allerhöchster Erlaß
in Beantwortung
27. Dezember 1863
der
55
59
Adresse
des
.................................
......................................................................................................
32. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, 13. Januar 1864 33. Rede zum Schluß des Landtags, 25. Januar 1864
60
Abgeordnetenhauses, 65
.
67
..........................................
68
34. Ansprache des Königs an die Offiziere und dekorierten Unteroffiziere bei der
Parade im Sundewitt, 22. April 1864 ..................................................................
70
35. Antwort des Königs auf die Adresse des Grafen Arnim-Boitzenburg, 23. Mai 1864 ....................................................................................................................................
71
36. Armeebefehl, 7. Dezember 1864 ....................................................................................
72
37. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1865
73
..............................
38. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, 26. Januar 1865
.
77
39. Urkunde für den Grundstein des Siegesdenkmals zu Berlin, 18. April 1865
78
40. Rede zum Schluß des Landtags, 17. Juni 1865
................................................
80
41. Patent, betr. die Besitznahme des Herzogtums Lauenburg, 13. September 1865
82
42. Rede zur Eröffnung des Landtags, 15. Januar 1866
83
43. Rede zum Schluß des Landtags, 23. Februar 1866
87
44. Allerhöchster Erlaß auf die patriotische Adresse der Stadt Breslau, 19. Mai 1866
89
...
90
45. Preußische Proklamation „An das deutsche Volk", 16. Juni 1866 46. Aufruf an das preußische Volk, 18. Juni 1866
91
47. Armeebefehl, 29. Juni 1866 ..........................................................................................
93
48. Armeebefehl, 4. Juli 1866
93
49. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 5. August 1866
94
50. Königliche Botschaft betr. die Vereinigung
des
Königreichs
Hannover, des
Kurfürstentums Hessen, des Herzogtums Nassau und der freien Stadt Frank
furt mit der preußischen Monarchie, 16. August 1866
....................................
96
51. Patent und Proklamation, betr. die Besttznahme der Herzogtümer Holstein und
Schleswig, 12. Januar 1867 .....................................................................................
97
52. Patent und Proklamation, betr. die Besitznahme vormals Großherzogl. hessischer
Landesteile, 12. Januar 1867 ..................................................................................... 53. Thronrede zum Schluß des Landtags, 9. Februar 1867
....................................
100 102
Zweites Buch. Die Zett des Norddeutschen Bundes.
1867—1870.
54. Thronrede zur Eröffnung des verfassunggebenden Reichstags des Norddeuffchen
Bundes, 24. Februar 1867
....................................................................................
105
55. Thronrede zum Schluß deS verfassunggebenden Reichstags des Norddeutschen
Bundes, 17. April 1867
.
.
...............................................................................
56. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 29. April 1867
57. Rede zum Schluß des Landtags, 24. Juni 1867
108
..............................
110
................................................
111
Inhaltsverzeichnis.
IX Seite
58. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 10. Sep tember 1867
............................................................................................................ H3
59. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 26. Okt. 114
1867 .............................................................................................................................
60. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 15. November 1867 61. Thronrede zum Schluß des Landtags, 29. Februar 1868
.......................
116
.............................
119
62. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 23. März 1868 ............................................................................................................................. 63. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Zollparlaments, 27. April 1868
120
.
122
64. Thronrede zum Schluß des Deuffchen Zollparlaments, 23. Mai 1868 . . 65. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 20. Juni
124
126
1868
66. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 4. November 1868 .............................
127
67. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 4. März 129
1869
68. Rede zum Schluß des Landtags, 6. März 1869 .............................................. 69. Rede zur Eröffnung des Deutschen Zollparlaments, 3. Juni 1869 ....
131 133
70. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 22. Juni 1869 ............................................................................................................................. 71. Thronrede zum Schluß des Deutschen Zollparlaments, 22. Juni 1869 . .
134 137
72. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 14. No
vember 1869 ............................................................................................................ 73. Rede zur Eröffnung des Deuffchen Zollparlaments, 21. April 1870 . . .
138 141
74. Thronrede zum Schluß des Deutschen Zollparlaments, 7. Mai 1870 .
143
.
.
75. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 26. Mai
1870 ............................................................................................................................. 76. Thronrede zur Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichstags deS
Norddeutschen Bundes, 19. Juli 1870
...............................................................
144
147
77. Allerhöchster Erlaß, betr. die Abhaltung eines allgemeinen Bettages, 21. Juli
1870
149
78. An das deutsche Volk, 25. Juli 1870 .....................................................................
150
79. Armeebefehl deS Kronprinzen, 30. Juli 1870
...................................................
150
80. An Mein Volk, 31. Juli 1870 ................................................................................
151
81. An die Armee, 2. August 1870
151
82. Armeebefehl des Königs, 8. August 1870 ....................................................................151 83. Armeebefehl deS Kronprinzen, 11. August
1870
152
84. Proklamation an das französische Volk, 11.August 1870 ....................................
152
85. Armeebefehl deS Königs, 28. Oktober 1870
.........................................................
153
86. Rede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 24. No vember 1870 ............................................................................................................
154
87. Armeebefehl deS Königs, 6. Dezember 1870 .........................................................
157
88. Ansprache deS Königs an die Deputation des Reichstags, 18. Dezember 1870
158
X
Inhaltsverzeichnis.
Drittes Buch. 1871—1881.
Gründung und Ausbau des Deutschen Reiches.
Seite
89. An das deutsche Volk, 18. Januar 1871...................................................................... 160 90. Armeebefehl des Königs, 18. Januar 1871................................................................ 161
91. Armeebefehl des Kronprinzen, 14. März 1871...........................................................161 92. Armeebefehl des Kaisers, 15. März 1871......................................................... 162
.
.
163
94. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 16. Oktober 1871 .
.
165
93. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 21. März1871.
95. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 27. November 1871........................168 96. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 8. April 1872
....
171
....
175
97. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 12. November 1872
173
98. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 12. März 1873 99. Rede zum Schluß deS Landtags, 20. Mai 1873
................................................
100. Worte deS Kaisers bei der Festtafel, 2. September 1873
..............................
101. Schreiben des Kaisers an Papst PiuS IX;, 3. September 1873
177
179
....
180
102. Rede zur Eröffnung des Landtags, 12. November 1873 ....................................
181
103. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 5. Februar 1874 .
.
.
.
184
104. Thronrede zum Schluß deS Deutschen Reichstags, 26. April 1874.
.
.
.
186
105. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 29. Oktober 1874 .
.
188
106. Rede zur Eröffnung
deS Landtags, 16. Januar 1875
191
107. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 27. Oktober 1875
108. Rede
zur Eröffnung
.
. .
193
.
. .
200
.
202
deS Landtags, 16. Januar 1876
197
109. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 30. Oktober 1876
110. Thronrede zum Schluß des Deutschen Reichstags, 22. Dezember 1876
111. a) Ansprache des Kronprinzen an den Kaiser bei der Feier des 70jährigen DienstjubiläumS, 1. Januar 1877
.................................................................
204
b) Antwort des Kaisers....................................................................................................206
112. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 12. Januar 1877 .............................. 113. Thronrede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 22. Februar 1877 114. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 24. März 1877
206
.
208
..............................
210
.
115. Rede zur Eröffnung de§ Landtags, 21. Oktober 1877
211
116. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 6. Februar 1878
117. Schreiben deS Kaisers an Papst Leo XIII., 24. März 1878
. .
.
.
213
........................
215
118. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 14. Mai 1878
216
119. Schreiben deS Kronprinzen an Papst Leo XIII., 10. Juni 1878
.... 217
120. Erlaß des Kronprinzen an den Reichskanzler, 11. Juni 1878
....
121. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 9. September 1878
218
.
.
219
123. Thronrede zur Eröffnung deS Deuffchen NeichStags, 12. Februar 1879
.
225
..........................................
227
122. Rede zur Eröffnung des Landtags, 19. November 1878
124. Rede zum Schluß des Landtags, 21. Februar 1879
221
125. Deutsch-österreichischer Bündnisvertrag, 7. Oktober 1879 ....................................
229
126. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 28. Oktober 1879 ..............................
231
127. Rede zur Eröffnung deS Deutschen NeichStags, 12. Februar 1880-
234
.
.
.
XI
Inhaltsverzeichnis.
Seite
128. Armeebefehl, 1. September 1880
.........................................................................
237
.
238
..................................
240
131. Rede zur Eröffnung des preußischen Volkswirtschaftsrates, 27. Januar 1881 132. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 15. Februar 1881 . . .
242 245
129. Ansprache des Kaisers beim Kölner Dombaufest, 15. Oktober 1880 . 130. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 28. Oktober 1880
.
Viertes Buch.
SoMlreform und Nolonialpolitik.
1881—1888.
133. Allerhöchste Botschaft zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags,
17. No
vember 1881 .......................................................................................................... 134. Allerhöchster Erlaß an daS Staats-Ministerium, 4. Januar 1882 ...
248 251
135. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 14. Januar 1882
253
..................................
136. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 27. April 1882
....
256
137. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. November 1882 ....................... 138. Allerhöchste Botschaft an den Reichstag, 14. April 1883 ..................................
258 260
139. Rede zur Eröffnung der außerordentlichen Session des Deutschen Reichstags, 29. August 1883 ..................................................................................................... 140. Worte des Kaisers bei der Einweihung deS Niederwald-Denkmals, 28. Sep
262
tember 1883 .......................................................................................................... 141. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 20. November 1883 ..................................
264 264
142. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 6. März 1884 ....................... 143. Urkunde über die Legung des Grundsteins zum NeichStagsgebäude, 9. Juni
267
1884 ........................................................................................................................... 144. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, 11. Juni 1884 .... 145. Ansprache deS Kronprinzen zur Eröffnung der Sitzungen deS Staatsrates,
270 271
25. Oktober 1884 ..................................................................................................... 146. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 20. November 1884 .
271 273
147. Rede zur Eröffnung des Landtags, 15. Januar 1885 .................................. 148. Kaiserlicher Schutzbrief für die Gesellschaft für deutsche Kolonisation, 27. Fe
274
bruar 1885 ................................................................................................................ 149. Kaiserlicher Schutzbrief für die Neu-Guinea-Kompagnie, 17. Mai 1885 . .
276 277
150. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 19. November 1885 . .
.
281
151. Allerhöchste Botschaft an den Reichstag, 30. November 1885 ....................... 152. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 4. Januar 1886 ............................ 153. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1886 ............................
283 285 286
154. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 24. März 1886
289
............................
155. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 16. September 1886
.
290
156. Rede zur Eröffnung des Deuffchen Reichstags, 25. November 1886 ... 157. a) Ansprache deS Kronprinzen an den Kaiser bei der Feier deS 80jährigen
291
Dienstjubiläums, 1. Januar 1887
.
..............................................................
294
b) Allerhöchster Erlaß an den Kronprinzen, 1. Januar 1887 .......................
295
158. Rede zur Eröffnung des Landtags, 15. Januar 1887
..................................
297
Inhaltsverzeichnis.
XII
Seite
159. Antwort des Kaisers auf die Adresse des Herrenhauses, 20. Januar 1887 .
300
160. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 3. März 1887 .......................
301
161. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 23. März 1887
303
.............................
162. Urkunde für den Grundstein deS Nord-Ostsee-Kanals, 3. Juni 1887 .
.
305
.
163. Worte des Staats - Ministers von Boetticher bei Schluß des Reichstags,
18. Juni 1887 ....................................................................................................... 164. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 24. November 1887 . .
306 307
165. Rede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1888 .................................. 166. Ansprache des Fürsten v. BiSnlarck an den Reichstag, 9. März 1888 . .
310 313
167. Ansprache
des Staats-Ministers v. Puttkamer an das Abgeordnetenhaus,
9. März 1888
.......................................................................................................
168. An Mein Volk, 12. März 1888
..........................................................................
169. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 12. März 1888
............................
170. Allerhöchster Erlaß an die Bewohner der Reichslande, 15. März 1888 .
317
320
...
321
..................................
322
173. Armeebefehl Kaiser Wilhelms II., 15. Juni 1888
174. Marinebefehl Kaiser Wilhelms II., 15. Juni 1888
316
.
171. Allerhöchste Botschaft an den Deutschen Reichstag, 15. März 1888 172. Allerhöchste Botschaft an den Landtag, 17. März 1888
315
323 ........................................
324
75. An Mein Volk, 18. Juni 1888 .......................................................................... 176. Erklärung des Reichskanzlers in der Sitzung des Bundesrates, 21. Juni 1888
325 327
.
328
............................. .............................
330 331
180. Allerhöchste Ordre an den Chef der Admiralität, 31. Juli 1888 .... 181. Ansprache des Kaisers bei der Festtafel zu Frankfurt a. O., 16. Aug. 1888
334 335
177. Thronrede zur Eröffnung des Deuffchen Reichstags, 25. Juni 1888 178. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 26. Juni 1888 179. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 27. Juni 1888
.
182. Ansprachen des Kaisers bei der Aufnahme in den Johanniter-Orden, 23. Aug.
1888 .............................................................................................................................
336
183. Kaiser Wilhelm II. und Feldmarschall Graf Moltke, 3.—12. August 1888 .
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184. Vermächtnis Kaiser Wilhelms I.
a) Allerhöchster Erlaß, 31. August 1888 ......................................................... b) Auszug aus den letziwilligen Aufzeichnungen Kaiser Wilhelms I. . .
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Erstes Buch. Die Zeit der Regentschaft und des Verfassungskonfliktes
1858—1866. 1. Thronrede des prinzregenten zur Eröffnung des außerordentlichen Landtags, Mittwoch, den 20. Oktober 1858. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusem des Landtags!
In tiefer und schmerzlicher Bewegung, aber mit fester Zuversicht trete Ich in
Ihre
Mitte.
brünstigen Gebete
schwere Leid,
Das
Allergnädigsten König und
welches seit Jahresfrist unsern
Herrn getroffen hat, ist, ungeachtet der in
seines treuen Volkes,
nach
dem unerforschlichen Willen
des allmächtigen Lenkers unserer Geschicke noch nicht von ihm gewichen.
Mein Königlicher Bruder hat sich demzufolge, und da von den Ärzten
ein längerer Aufenthalt im Auslande für notwendig erachtet worden ist, be wogen gefunden, Mich zur Übernahme der Regenffchaft aufzufordern, bis ihm
durch Gottes Gnade gestattet sein wird, das Königliche Amt Allerhöchstselbst wieder auszuüben, was Meine Wünsche und Gebete — deß ist Gott mein Zeuge — unablässig erflehen. Daß
des
Königs
Majestät
Allerhöchstselbst
Fürsorge für das Landeswohl Mich
in Ihrer Weisheit
und
zur Übernahme der Regentschaft be
rufen haben, das gereicht Mir zur besondern Beruhigung.
In
Befolgung
dieser Allerhöchsten
Willensäußerung
habe
Ich
mit
Rücksicht auf die thatsächlich bestehenden Umstände und die landesgesetzlichen
Vorschriften die schwere Last und Verantwortlichkeit der Regentschaft
auf
Mich genommen, des ernsten Willens, fernerweit dasjenige zu thun,
was
die Landesverfassung und die Gesetze von Mir erheischen.
Ich erwarte von Ihnen, Meine Herren, daß Sie Ihrerseits das Gleiche thun werden.
Es werden Ihnen mittelst einer besondern Botschaft in ver-
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
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Erstes Buch.
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1858—1866.
einigtet Sitzung beider Häuser die Dokumente,
welche sich auf die Regent
schaft beziehen, vorgelegt, und es wird Ihnen auf Verlangen jede sonst noch etwa nötige Auskunft erteilt werden.
Meine Herren! Je trüber im Hinblick auf den fortdauemden Krankheits
zustand unsers Königs und Herrn die Gegenwart ist, um so höher lassen
Sie uns die Fahne Preußens in gewissenhafter Pflichterfüllung,
in gegen
seitigem Vertrauen und in Einigkeit tragen.
Mit dem Rufe, der sonst in diesem Saale so freudig erschallte, schließe Ich diese feierliche Handlung, mit dem Rufe:
Es lebe der König!
2. Ansprache des priryregenten an den Landtag vor der Eidesleistung, Dienstag, den 26. Oktober 1858.
Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!
Ich sehe in dieser ernsten Stunde vor Mir die vereinigten Häuser des Landtags der Monarchie zu einer feierlichen Handlung versammelt. vor Ich dazu schreite,
Herren,
Meinen
Dank
Be
ist es Meinem Herzen Bedürfnis, Ihnen, Meine auszusprechen
für
die
patriotische
Einmütigkeit,
mit welcher Sie Mir Ihre Mitwirkung zur Einrichtung der Regentschaft gewährt haben.
Sie haben dadurch einen erhebenden Beweis gegeben, was preußische Vaterlandsliebe in verhängnisvollen Augenblicken vermag.
Sie haben durch
Einstimmigkeit Ihres Beschlusses — davon bin Ich überzeugt — das Herz unseres teuern Königs und Herrn in der Feme erquickt.
In Mir aber
haben Sie die schmerzlichen Gefühle, mit welchen Ich die Regentschaft über
nahm, wesentlich gemildert und die Zuversicht gestärkt, daß es Mir gelingen
werde, während der Dauer Meiner Regentschaft die Ehre und das Wohl des teuern Vaterlandes zu dessen Heil und Segen zu fördem.
Das walle Gott!
Und nun, Meine Herren, will Ich die Versichemng, welche Ich Ihnen bereits bei Eröffnung Ihrer Sitzungen erteilt habe, mit Meinem Eide bekräftigen:
„Ich Wilhelm, Prinz von Preußen, schwöre hiermit als Regent vor
Gott dem Allwissenden, daß Ich die Verfaffung des Königreichs fest und unverbrüchlich halten und in Übereinsttmmnng mit derselben und den Ge
setzen regieren will.
So wahr Mir Gott helfe!"
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1858.
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3.
Ansprache des Prinzregenten an das neue Staatsministerium (Präsident: Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen),
Montag, den 8. November 1858. eine ernste Krisis gegangen sind,
Nachdem wir durch
die Mein Vertrauen
erstenmale um
sehe Ich Sie,
zu den ersten Räten der Krone berufen
Mich
Augenblicke der
versammelt.
zum
hat,
Art gehören
den
zu
schwersten im Leben des Monarchen, und Ich als Regent habe sie nur noch tiefer empfunden, weil ein unglückliches VerhälMis Mich in Meine Stellung
berufen hat.
Die Pietät
gegen Meinen schwer heimgesuchten König und
Herrn ließ Mich lange schwanken,
wie manche Erlebnisse, die Ich
unter
seiner Regierung wahrnahm, in eine bessere Bahn wieder überzuleiten seien,
ohne Meinen brüderlichen Gefühlen und der Liebe, Sorgfalt und Treue, mit
welcher unser Allergnädigster König seine Regierung führte, zu nahe zu treten. Wenn Ich Mich jetzt entschließen konnte, einen Wechsel in den Räten der Krone eintreten zu lassen,
so geschah es, weil Ich bei allen von Mir
Erwählten dieselbe Ansicht traf, welche die Meinige ist,
einem Bruche mit der Vergangenheit soll.
daß nämlich von
nimmermehr die Rede sein
nun und
Es soll nur die sorgliche und bessernde Hand
angelegt werden,
sich Willkürliches oder gegen die Bedürfnisse der Zeit Laufendes zeigt.
wo Sie
alle erkennen es an, daß das Wohl der Krone und des Landes unzertrenn
lich ist, daß die Wohlfahrt beider auf gesunden, kräftigen, konservativen Grund lagen beruht.
Diese Bedürfnisse richtig zu erkennen,
zu erwägen und ins
Leben zu rufen, das ist das Geheimnis der Staatsweisheit, wobei von allen Extremen sich fern zu halten ist.
Unsere Aufgabe wird in dieser Beziehung
keine leichte sein, denn im öffentlichen Leben zeigt sich seit kurzem eine Be
wegung, die, wenn sie teilweise erklärlich ist, doch andererseits bereits Spuren von absichtlich überspannten Ideen zeigt, denen durch unser ebenso besonnenes als gesetzliches und selbst energisches Handeln entgegengetreten werden muß.
Versprochenes muß man treu halten,
ohne sich
der bessernden Hand dabei
zu entschlagen, nicht Versprochenes muß man mutig verhindern.
warne Ich vor der stereotypen Phrase, von selbst Bahn brächen.
Vor allem
die Regierung sich
liberale Ideen zu entwickeln,
fort treiben lassen müsse, Staatsweisheit nannte.
daß
Gerade hierauf bezieht
sich,
weil
fort und
sie sich sonst
was Ich vorhin
Wenn in allen Regierungshandlungen sich Wahr
heit, Gesetzlichkeit und Konsequenz ausspricht, so ist ein Gouvernement stark,
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4
Erstes Buch. 1858—1866.
weil es ein reines Gewissen hat, und mit diesem hat man ein Recht, allem Bösen kräftig zu widerstehen.
In der Handhabung unserer innern Verhältniffe, die zunächst vom Ministerium des Innern und der Landwirtschaft ressortieren, sind wir von einem Extreme zum andern seit 1848 geworfen worden.
Bon einer Kommunalordnung, die ganz unvorbereitet Selfgovemment einführen sollte, sind wir zu den alten Verhältnissen zurückgedrängt worden, ohne den Forderungen der Zeit Rechnung zu tragen, was sonst ein richtiges
Mittehalten bewirkt haben würde.
Hieran die beffernde Hand dereinst zu
legen, wird erforderlich sein; aber vorerst müssen wir bestehen lassen, was eben erst wieder hergestellt ist, um nicht neue Unsicherheit und Unmhe zu
erzeugen, die nur bedenklich sein würde. Die Finanzen haben sich in acht Jahren von einem sehr unglücklichen Stande so gehoben, daß nicht nur das Budget gut balanciert, sondern Über schüsse sich ergeben.
Aber noch
kann bei weitem nicht allen Bedürfnissen
entsprochen werden, die sich in allen Branchen und Administrationen kund
geben.
Hätte man vor zwei Jahren
in den Steuervorlagen richtiger ope
riert, so würden wir durch Bewilligung derselben jetzt auf viele Jahre hinaus drängenden Bedürfnissen haben gerecht werden können.
Wie zu diesen Be-
dürfniffen die Mittel zu schaffen sein werden, wird eine Hauptaufgabe der
Zukunft sein.
Die
wahre Besteuerungsfähigkeit des Landes ist
dabei vor
allem ins Auge zu fassen.
Handel, Gewerbe und die damit eng verbundenen Kommunikations mittel haben einen niegeahnten Aufschwung genommen, doch muß auch hier
Maß und Ziel gehalten werden, damit nicht der Schwindelgeist uns Wunden schlage.
Den Kommunikationswegen müssen nach wie vor bedeutende Mittel
zu Gebote gestellt werden; aber sie dürfen nur mit Rücksicht auf alle Staats bedürfnisse bemessen, und dann müssen die Etats innegehalten werden.
Die Justiz hat sich in Preußen immer Achtung zu erhalten gewußt. Aber wir werden bemüht sein müssen, bei den veränderten Prinzipien der
Rechtspflege das Gefühl der Wahrheit und Billigkeit in alle Klassen der
Bevölkerung eindringen zu lassen, damit Gerechtigkeit durch Geschworene wirklich gehandhabt werden kann. Eine der schwierigsten und zugleich
zartesten Fragen, die ins Auge
gefaßt werden muß, ist die kirchliche, da auf diesem Gebiete in der letzten Zeit viel vergriffen worden ist.
lichen Konfessionen eine
Zunächst muß zwischen beiden christ
möglichste Parität obwalten.
In beiden
Kirchen
muß aber mit vollem Ernste den Bestrebungen entgegengetreten werden.
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Regentschaft und Berfafsungskonflikt. 1858.
die dahin abzielen, die Religion zum Deckmantel politischer Bestrebungen zu machen.
In der evangelischen Kirche, wir können es nicht leugnen, ist
eine Orthodoxie eingekehrt, die mit ihrer Grundanschauung nicht verträglich
ist und die sofort in ihrem Gefolge Heuchler hat.
Diese Orthodoxie ist
dem segensreichen Wirken der evangelischen Union hinderlich in den Weg
getreten, und wir sind nahe daran gewesen,
sie zerfallen zu sehen.
Die
Aufrechterhaltung derselben und ihre Weiterbeförderung ist Mein fester Wille und Entschluß, mit aller billigen Berücksichtigung des konfessionellen Stand
wie dies die dahin einschlagenden Dekrete vorschreiben.
punktes,
Um diese
Aufgabe lösen zu können, müssen die Organe zu deren Durchfühmng ge
wählt und
teilweise
gewechselt werden.
Alle Heuchelei,
Scheinheiligkeit,
kurzum alles Kirchenwesen als Mittel zu egoistischen Zwecken, ist zu ent larven, wo cs nur möglich ist.
Verhalten
Die wahre Religiosität zeigt sich im ganzen
des Menschen; dies ist immer ins Auge zu
äußerem Gebühren und Schaustellungen zu unterscheiden.
fassen und
von
Nichtsdestoweniger
hoffe ich, daß, je höher man im Staate steht, man auch das Beispiel des Kirchenbesuchs geben wird.
Der katholischen Kirche sind ihre Rechte verfassungsmäßig festgestellt. Übergriffe über diese hinaus sind nicht zu dulden.
Das Unterrichtswesen muß in dem Bewußtsein geleitet werden, daß Preußen durch seine höheren Lehranstalten an der Spitze geistiger Intelligenz stehen soll,
und durch seine Schulen die den verschiedenen Klassen der Be
völkerung nötige Bildung gewähren, zu heben.
ohne diese Klassen über ihre Sphäre
Größere Mittel werden hierzu nötig werden.
Die Armee hat Preußens Größe geschaffen und dessen Wachstum er kämpft; ihre Vernachlässigung hat eine Katastrophe über sie und auch über den Staat gebracht, die glorreich verwischt worden ist durch die zeitgemäße
Reorganisation des Heeres, neten.
welche die Siege des Befreiungskrieges bezeich
Eine vierzigjährige Erfahrung und zwei kurze Kriegsepisoden haben
uns indes auch jetzt aufmerksam gemacht,
daß manches, was sich nicht be
währt hat, zu Änderungen Veranlassung geben wird.
Dazu gehören ruhige
politische Zustände und — Geld, und es wäre ein schwer sich bestrafender Fehler, wollte man mit einer wohlfeilen Heeresverfaflung prangen, die des halb
im Momente der Entscheidung
den Erwartungen
nicht
Preußens Heer muß mächtig und angesehen sein, um, wenn es
entspräche.
gilt, ein
schwerwiegendes politisches Gewicht in die Wagschale legen zu können.
Und so kommen wir zu Preußens politischer Stellung nach außen, — Preußen muß mit allen
Großmächten im freundschaftlichsten Vernehmen
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Erstes Buch. 1858-1866.
stehen, ohne sich
fremden Einflüssen hinzugeben und ohne sich die Hände
frühzeitig durch Traktate
Mit allen übrigen Mächten ist das
zu binden.
freundlichste Verhältnis gleichfalls geboten.
In Deutschland muß Preußen
moralische Erobemngen machen durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch
Hebung aller
sittlichen Elemente und
durch
Ergreifung von Einigungs
elementen, wie der Zollverband es ist, der indes einer Reform wird unter
worfen werden müssen. — Die Welt muß wissen, daß Preußen überall das Recht zu schützen bereit ist.
Ein festes, konsequentes und, wenn es
sein muß, energisches Verhalten in der Politik, gepaart mit Klugheit und Besonnenheit, muß Preußen das politische Ansehen und die Machtstellung verschaffen, die es durch seine materielle Macht allein nicht zu erreichen im
stande ist. Auf dieser Bahn Mir zu folgen, um sie mit Ehren gehen zu können, dazu bedarf Ich Ihres Beistandes, Ihres Rates, den Sie Mir nicht ver
sagen werden.
Mögen wir uns immer verstehen zum Wohle des Vater
landes und des Königtums von Gottes Gnaden!
4. Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 12. Januar 1859. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Stunde, in welcher Ich Sie um den Thron vereinigt sehe und
mit herzlichem Gruß wMommen heiße, erfüllt Mich mit tiefem Ernste.
Die Ausübung des königlichen Rechtes die schmerzvolle
ruft noch lebhafter als sonst
Erinnerung in Mir wach an das schwere Leiden, von
welchem nach Gottes unerforschlichem Rate unser Allergnädigster König und Herr noch fortdauernd heimgesucht ist.
Mit Mir sendet sein treues Voll
innige Gebete zu dem Allmächtigen, daß Er in seiner Gnade unsern König unter einem mildern Himmel stärken und genesen lassen möge. Meine Herren!
Berufs
In voller Anerkennung der hohen Bedeutung Ihres
fordere Ich Sie
auf, durch Ihre Einsicht und Hingebung Meine
Regierung auf dem Wege zu unterstützen,
welchen Ich int Hinblick auf
Preußens Aufgabe, seine glorreiche Geschichte und die vaterländischen Tradi
tionen betreten habe, und den Ich unter Gottes Beistand mit Festigkeit in
den von Mir unverrückbar gezogenen Grenzen zu verfolgen entschlossen bin. Hierbei dem Könige die Rechte seiner Krone ungeschwächt zu erhalten, ist eine der Hauptaufgaben Meiner Regierung.
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Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1859. Den als
allgemeinen Zustand
des
Landes kann Ich mit Genugthuung Das Ergebnis
einen befriedigenden bezeichnen.
der letzten Ernte ist
zwar in einigen Provinzen hinter den davon gehegten Erwartungen zurück geblieben.
Gleichwohl ist nirgends
ein bedrohlicher Mangel an den not
wendigen Nahrungsmitteln zu besorgen und die Preise der Lebensbedürfnisse stehen nicht im Mißverhältnis zum Arbeiterverdienst.
Der Sinn für Hebung der Landeskultur ist in erfreulicher Weise rege
geblieben und
hat
in
umfassenden Meliorationsunternehmungen
thätigt, welchen der Schutz
sich
be
und die Unterstützung der Regierung gebühren.
Die Handelskrisis, mit welcher das verflossene Jahr begann, hat durch
die ungeahnte Ausdehnung und Dauer ihrer Wirkungen den Handel und die Gewerbthätigkeit schwer betroffen, zugleich aber von der Tüchtigkeit der Grundlagen Zeugnis gegeben, auf welchen beide bei uns ruhen.
Die meisten
Zweige des Verkehrs haben angefangen, sich von den Folgen der überstan denen Erschütterung zu erholen, und versprechen, unter fernerem Schutze des
Friedens, ein fortschreitendes Gedeihen. Wegen weiterer Ausdehnung und Vervollkommnung des vaterländischen
Eisenbahnnetzes werden Ihnen Vorlagen zur Beschlußnahme zugehen.
Ebenso
wird Ihnen die Übereinkunft, welche infolge der nahen Vollendung des Baues der Rheinbrücke bei Köln mit den übrigen Rheinuferstaaten geschlossen worden
ist, vorgelegt werden. Auf dem Gebiete der Rechtspflege hat sich die erfreuliche Erscheinung einer
erheblichen Abnahme der Untersuchungen
gefangenen gezeigt.
und der Zahl der Straf
Ich sehe darin mit Befriedigung nicht nur den Beweis
einer fortschreitenden Hebung der allgemeinen Sittlichkeit,
fonbem auch ein
Zeichen des wachsenden Wohlstandes und eines heilsamen Einflusses der be stehenden Strafgesetze.
Meine Regierung wird auf weitere Verbefferungen
derselben, sowie auf genaue, den Mißbrauch möglichst ausschließende Fest setzung über zweifelhafte Berwaltungsnormen Bedacht nehmen.
Ich sehe
es
als
eine Meiner wichtigsten Pflichten an, auf die Er
haltung der althergebrachten guten Ordnung in den Finanzen Meine eifrige Sorge zu richten, um allen Zweigen des öffentlichen Dienstes die für die
Wohlfahrt und Machtstellung des Landes erforderlichen Mittel zu sichern. Mit Genugthuung werden Sie aus den Vorlagen über den Staats haushalt, welche Ihnen unverzüglich zugehen werden, den günstigen Zustand
der Finanzen
ersehen, welchen wir einer gewissenhaften Verwaltung der
Finanzen zu danken haben. des Jahres
In den mit Vorsicht veranschlagten Einnahmen
und in den Überschüssen aus den abgeschlossenen Rechnungs-
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Erst-S Buch. 1858—1866.
Perioden sind die Mittel dargeboten, nicht nur den laufenden Bedürfnissen der Verwaltung zu begegnen und mit der allgemein als wünschenswert an
erkannten Erhöhung des Amtseinkommens der Staatsdiener fortzuschreiten, sondern auch auf
andern Gebieten neuen oder gesteigerten Anforderungen
Genüge zu leisten.
Ich vertraue daher auf Ihre bereitwillige Zustimmung
zu dem Mehraufwande, welchen Ich zur Aufrechterhaltung der Würde der Krone, zur Kräftigung des Heeres und der im Aufblühen begriffenen Marine und
zu einer nach
allen Richtungen gedeihlichen Entwickelung des Wohles
des Vaterlandes für geboten erachte. Sie werden aus dem Staatshaushalts-Etat ersehen, welche Fürsorge Ich
unausgesetzt der Verwaltung
unserer Armee widme, die mit unerschütter
licher Treue und Ergebenheit im Kriege wie im Frieden die Ehre Preußens
aufrecht zu erhalten und zu erkämpfen gewußt hat.
In der friedlichen Natur unserer Beziehungen zum Auslande ist keine Veränderung eingetreten.
Insbesondere bestehen zu den andern Großmächten
unsere freundschaftlichen Verhältnisse ungetrübt fort. übrigen deutschen Bundesregierungen
folg gebliebenen Bemühungen
Im Verein mit den
sind die schon bisher nicht ohne Er
Meiner Regierung fortdauemd darauf ge
richtet, die unter dem Szepter des Königs von Dänemark stehenden deutschen
Herzogtümer endlich in der vollen Übung derjenigen Rechte zu sehen, auf
welche ihnen die Gesetze des Bundes und die seinerzeit zwischen dem Deutschen Bunde und dem Kopenhagener Kabinet getroffenen Vereinbarungen einen
wohlbegründeten Anspruch verleihen. Meine Herren!
Als Ich vor wenigen Monaten von dieser Stelle zum
erstenmale als Regent zu den Vertretern des Vaterlandes sprach, forderte Ich dieselben auf,
mit Mir die Fahne Preußens
dieser Fahne steht:
Königtum
hoch
zu tragen.
Auf
von Gottes Gnaden, Festhalten an Gesetz
und Verfassung, Treue des Volkes und des siegbewußten Heeres, Gerechtigkeit, Wahrheit, Vertrauen, Gottesfurcht. Meine Herren!
Helfen Sie Mir diese Fahne hoch tragen.
Wer ihr folgt, der folgt Mir.
Dann werden wir auf Preußens Gegen
Wohlan!
wart mit demselben Stolz wie auf seine glorreiche Vergangenheit blicken können, und auf spätere Geschlechter den altpreußischen Geist vererben, welcher
in dem, wenn auch mit Wehmut gemischten, dennoch begeistertm einmütigen
Rufe seinen Ausdruck findet: Se. Majestät der König lebe hoch!
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1859.
9
5.
Thronrede zum Schluß des Landtags, Sonnabend, den 14. Mai 1859. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
In wenigen Tagen werden wir unserm Könige und Herrn bei Seiner Rückkehr in die Heimat mit tiefbewegtem Gemüte unser herzliches Willkommen zurufen.
Der Aufenthalt Sr. Majestät in einem
südlichen Klima ist be
Wie wohlthätig auch dessen Wirkungen auf das Befinden des Königs
endet.
waren — unsere Gebete,
unsere Hoffnungen, unsere heißen Wünsche für
Seine völlige Genesung warten noch immer der Erfüllung.
Mit Meinem Dankgebet
für die Geburt Meines Enkels *) haben sich
Ihre treuen Wünsche vereinigt. erkennen in
diesem
Das Königliche Haus ebenso wie das Land
glücklichen Ereignis
ein neues Unterpfand,
eine
neue
Bürgschaft ihrer unauflöslich verbundenen Geschicke. Die Berathungen der diesjährigen Sitzungsperiode sind in wegten Zeit zum Abschluß gelangt. von feiten der
Regiemng
einer be
Sie haben, Meine Herren, die Ihnen
zugegangenen Vorlagen
einer sorgfältigen Er
wägung unterzogen. Auf
dem Gebiete der Rechtspflege wird
durch
das Gesetz,
betr. die
Abänderung einiger Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, mehreren bei An hervorgetretenen Härten und Lücken Abhilfe
wendung
desselben
werden.
Die im rheinischen Handelsgesetzbuche getroffenen
verschafft
Abänderungen
werden für den Geltungsbereich desselben im Anschlüsse an die Vorschriften
der Konkursordnung
mehrere
dringend
gewünschte Verbesserungen herbei
führen.
Das Gesetz
zur Regelung der
Fischerei für das Oderhaff und die
angrenzenden Gewässer, sowie das Gesetz wegen Beschaffung der Vorflut in der
Rheinprovinz und in den
Hohenzollernschen Landen haben die Zu-
sfimmung beider Häuser erhalten. Ebenso
Bedürfnissen
wird durch
andere Gesetze von provinzieller Bedeutung den
der Landesteile abgeholfen werden, für welche diese Gesetze
bestimmt sind. Zu Meinem lebhaften Bedauern haben die wichttgen Gesetzentwürfe
zur Reform des Eherechts und zur Regulierung der Grundsteuer wegen Ab laufs der Sitzungszeit nicht zum Abschluß gelangen können.
*) Friedrich Wilhelm, geb. den 27. Januar 1859.
Es muß vor-
10
Erstes Buch. 1858—1866.
behalten bleiben,
zukommen.
auf die legislative Regelung beider Gegenstände zurück
Dasselbe gilt von dem Gesetzentwürfe über das eheliche Güter
recht in der Provinz Westfalen.
Meine Herren!
Für die einhellige und entgegenkommende Weise, mit
welcher Sie zur Erhaltung der Würde der Krone auf die Erhöhung
der
Kronfideikommißrente eingegangen sind, spreche Ich Ihnen Meinen Dank aus.
Nach sorgfältiger Beratung der Ihnen vorgelegten Finanzgesetze haben Sie die Mittel gewährt, nicht nur die laufende Verwaltung nach allen Rich tungen angemessen fortzuführen, sondern auch mannigfachen außerordent
lichen Bedürfnissen in befriedigendem Maße zu genügen.
Es wird die Auf
gabe Meiner Regierung sein, bei der Verwendung dieser Mittel die gegen wärtigen politischen Verhältnisse so zu berücksichtigen, daß sie dabei Ihrer
Zustimmung gewiß sein darf.
Der Handel und die Gewerbsamkeit, welche sich von den Rückwirkungen einer schweren Krisis zu erholen begannen, sind von neuem erschüttert worden. Die Gelegenheiten zu lohnender Arbeit haben abgenommen und durch Ab
lehnung der von Meiner Regiemng
für die Vollendung der Rhein-Nahe-
Bahn vorgeschlagenen Maßregeln eine noch
weitere Beschränkung erfahren.
Die Regiemng wird bemüht sein, die Wirkungen dieser Mißstände nach
Kräften zu mildem.
In der Auffassung einzelner Bestimmungen der Verfassungsurkunde und der Landesgesetze
sind
zwischen Meiner Regiemng und dem Herren
hause, sowie zwischen beiden Häusem des Landtags Meinungsverschieden
heiten hervorgetreten.
Ich habe die feste Zuversicht, daß der in der ge
samten Landesvertretung lebendige altpreußische Sinn diese Gegensätze zum
Heile der Krone und des Landes überwinden und alle Gemüter immer fester in den Geist der Treue und Hingebung für König und Vaterland
einigen werde, welcher in den Beschlüssen der letzten Tage auf eine Meinem Herzen wohlthuende Weise sich unzweideutig kundgegeben hat.
Der Krieg, den die angestrengten und loyalen Bemühungen Meiner Regiemng vergebens zu
verhüten trachteten, ist in Italien zum Ausbmch
gekommen.
Der Emst dieser Lage erforderte die Kriegsbereitschaft der Armee. Dieselbe hat auch
auf die Marine ausgedehnt werden müssen, zu deren
weiterer Entwickelung Sie die nötigen Mittel gewährt haben.
Die Einhelligkeit, mit welcher Sie die großen, für den Fall der Mobil machung
des gesamten Heeres erforderlichm Summen bewilligt haben, ist
ein neues Zeugnis für die bewährte patriotische Gesinnung des Landes.
Empfangen
Sie Meinen
treten.
Die Nation ist hinter
wärmsten Dank dafür!
Freudig sind die gesamten Re
Ihrer Bereitwilligkeit nicht zurückgeblieben. serven und
die Landwehrmannschaften
11
1859.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
der Artillerie unter die Waffen ge
Die Haltung und der Geist der Armee erfüllen Mich — was auch
die Zukunft bringen mag — mit das Vaterland
ruft — Ich
weiß
Sie
fester Zuversicht. es — hinter
wird — wenn
den Thaten,
hinter dem
Waffenruhm der Väter nicht zurückbleiben.
Preußen ist entschlossen, die Grundlagen des euro
Meine Herren!
päischen Rechtszustandes, das Gleichgewicht Europas
zu
wahren.
Es ist
sein Recht und seine Pflicht, für die Sicherheit, den Schutz und die natioDie Obhut dieser Güter wird
nalen Interessen Deutschlands einzustehen. es nicht aus der Hand geben.
Preußen erwartet,
daß alle deutschen Bundesgenossen ihm bei Lösung
dieser Aufgabe fest zur Seite stehen und seine Bereitwilligkeit, für das ge
meinsame Vaterland einzutreten, mit Vertrauen erwidern werden. Es ist ein ernster Augenblick, in welchem Ich Sie, meine Herren, zu Ihrem heimatlichen Herde entlaffe.
Hand über dem
Möge der Allmächtige Seine schirmende
teuern Vaterlande halten,
möge Er unsere Wünsche für
unsern geliebten König und Herrn erhören. Vereinigen Sie Sich mit Mir in dem Rufe:
Es lebe der König!
6. Armeebefehl. In dem Augenblicke, daß nachbarten Mächten
der Krieg zwischen zwei großen uns be
ausbrach, habe Ich
die Kriegsbereitschaft der Armee
angeordnet, um die Machtstellung zu wahren, welche dem preußischen Staate
zukommt.
Die Gefahr, die damals drohte, ist vorüber.
auf dem Marsche wäret,
um
Während Ihr noch
die vorgeschriebenen Stellungen einzunehmen,
haben die kriegführenden Mächte plötzlich Frieden geschlossen *). rücken hat gezeigt,
daß es
unser fester Entschluß war,
Euer Vor
wie auch die Lose
des Krieges fallen möchten, unsere Grenzen und die Marken Deutschlands unverletzt zu behaupten.
Ihr habt die Bereitwilligkeit an den Tag gelegt,
*) Friede von Villafranca, 11. Juli 1859.
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Erstes Buch. 1858-1866.
die Ich von Euch erwartet habe, und eine des preußischen Namens würdige Haltung bewährt.
Viele von Euch haben persönliche Opfer gebracht.
Ich
spreche Euch Meine volle Anerkennung aus.
Schloß Babelsberg, den 16. Juli 1859.
Wilhelm, Prinz von Preußen, Regent.
7. Thronrede;ur Eröffnung des LandtagsFreitag, den 12. Januar 1860. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Als Ich Sie im vorigen Jahre in Ihre Heimat entließ, flehten wir zu Gott um die Genesung unseres geliebten Königs und Herrn.
Es hat
zu Meinem und des Landes tiefem Schmerze dem Ratschluß des Allmäch
tigen nicht gefallen, das schwere Leiden Sr. Majestät zu mildern.
Bedeutungsvolle Ereignisse haben sich in Europa vollendet. Der damals schon in Italien ausgebrochene Krieg näherte sich in rascher
Entwickelung den deutschen Grenzen. Ernst unserer Haltung entsprechen. Armeekorps.
Dem Ernste dieser Lage mußte der
Ich befahl die Mobilmachung von sechs
Die Aufstellung derselben in Verbindung mit den Truppen
der nicht am Kampfe beteiligten deutschen Bundesgenossen hatte bereits be gonnen, als der Krieg ein plötzliches Ende erreichte.
Den zu Villafranca vereinbarten Präliminarien ist der Abschluß des Friedens gefolgt. Auf die gemeinschaftliche Einladung Österreichs und Frank reichs hat Meine Regierung sich bereit erklärt, an einem europäischen Kon
greß teilzunehmen, welcher die geeignetsten Mittel für die Beruhigung Italiens
und die dauernde Konsolidierung seiner staatlichen Zustände in Erwägung ziehen soll. Der Wunsch nach
einer Reform der deutschen Bundesverfassung hat
neuerlich sich wieder vielfach kundgegeben.
Preußen wird
sich
stets als
natürlicher Vertreter des Strebens ansehen, durch zweckentsprechende In
stitutionen die Kräfte der Nation zu heben und zusammenzufassen, sowie
überhaupt durch Maßregeln von wahrhaft praktischer Bedeutung die Ge samtheit der deutschen Interessen wirksam zu fördern. Meine Regierung wird von dem Wunsche geleitet, die Thätigkeit der
deutschen Bundesversammlung in ihrem Verhältnisse zu den Verfassungen der Einzelstaaten auf das genaueste Maß ihrer kompetenzmäßigen Wirksamkeit
Regentschaft und Perfassungskonflikt.
Sie hat daher
sich beschränken zu sehen.
am Bunde schwebenden
13
1860.
auch in der bereits seit Jahren
kurhessischen Verfassungsangelegenheit sich für ver
pflichtet erachtet, das Zurückgehen auf die Verfassung von 1831 unter Be seitigung der darin enthaltenen bundeswidrigen Bestimmungen als den Weg zu bezeichnen, der jenem Grundsatz entspricht.
Im Verein mit Meinen deutschen Bundesgenossen bin Ich fortgesetzt
bestrebt, daß den unter dänischem Scepter gesicherte, den
vereinten deutschen Landen eine
bestehenden Vereinbarungen und
entsprechende Verfassung
anerkannten Landesrechten
Nicht minder werden Meine Be
gewährt werde.
mühungen am deutschen Bunde darauf gerichtet sein, daß der bis zu endgiltiger Regulierung derselben unvermeidliche Zwischenzustand in befriedigender Weise geordnet werde.
Die Ereignisse des verflossenen Jahres des Verkehrs
konnten nicht ohne Störungen
Meine Regierung
vorübergehen.
ist bemüht gewesen, den
Wirkungen derselben so viel als möglich zu begegnen. beiten sind
fast ohne Beschränkung
Die öffentlichen Ar
fortgeführt und die aus Privatmitteln
unternommenen Eisenbahnbauten vor Stockungen thunlichst bewahrt worden; Handel und Störungen
Gewerbe fangen zu überwinden.
an, die schwer
Zur Förderung
empfundenen Folgen jener
des
Gewerbfleißes
und der
Schiffahrt wird — Ich hoffe es — eine Mission nach dem östlichen Asien
beitragen, welche vertragsmäßige Beziehungen mit diesen, dem Verkehr zum
Teil erst seit kurzem eröffneten Ländern begründen soll. Ein Geschwader unserer Marine,
welche durch
die von Ihnen be
willigten außerordentlichen Mittel einen nicht unerheblichen Zuwachs erhalten
wird, begleitet diese Mission.
Mit Sardinien
ist
am 28. Oktober vorigen Jahres eine Additional-
Konvention zu dem Handels- und Schiffahrtsvertrage vom 23. Juni 1845 abgeschlossen worden,
welche Ihnen
zur
verfassungsmäßigen Zustimmung
vorgelegt werden wird.
Mit Befriedigung dürfen kriegerischen Ereignisse des
des Landes blicken.
wir,
trotz der nachteiligen Rückwirkung der
abgelaufenen Jahres,
auf die
finanzielle Lage
Die Ausführung des vorjährigen Staatshaushalts-Etats
mittelst der laufenden Einnahmen und
ohne Rückgriff auf extraordinäre
Deckungsmittel läßt sich mit Zuversicht erwarten; auch für dieses Jahr war
es möglich, den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben so aufzustellen,
daß neben den Anforderungen
Verbesserungen fortgefahren, werden kann.
des
öffentlichen
Dienstes
mit begonnenen
und neuen dringenden Bedürfnissen abgeholfen
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Erstes Buch. 1858—1866. Die nach Maßgabe Ihrer Bewilligungen für müitärische Zwecke unter
allgemeiner Beteiligung aufgenommene Staatsanleihe hat ohne Schwierigkeit
dieser um
Das befriedigende Ergebnis
flüssig gemacht werden können.
fassenden Operationen giebt Zeugnis sowohl von dem Patriotismus des
Landes als von dem Vertrauen, dessen unsere Finanzen sich erfreuen. Über die Benutzung des von Ihnen bewMgten Kredits wird Ihnen unverweilt Rechenschaft gegeben werden.
licher Bestand verblieben.
Der Staatskasse ist ein ansehn
Ein Gesetzentwurf über die Verwendung desselben
wird Ihnen vorgelegt werden.
Vorläufig ist eine Summe von 12 Millionen
Thalern an den Staatsschatz abgeliefert worden.
des Staates
erheischen dringender als je
eine baldige Erledigung der Grundsteuerfrage.
Die im vorigen Jahre un
Die allgemeinen Interessen
erledigt gebliebenen Gesetzentwürfe werden Ihnen wiederum vorgelegt werden.
Ich empfehle dieselben Ihrer gewissenhaften Prüfung.
Meine Regierung hat die städtischen und ländlichen Kommunalverhält-
niffe, sowie den Zustand der ländlichen Polizei-Verwaltung und die durch die Gesetzgebung des Jahres 1853
verheißene Fortbildung der Kreis- und
Provinzialverfassung in ernste Erwägung genommen.
Umfassende Vorarbeiten
es die Bewegungen des
vorigen Jahres irgend
sind soweit gediehen, gestatteten.
als
Der Entwurf eines Gesetzes über die Kreisverfassung wird vor
aussichtlich zur Vorlage gelangen können.
Ein zur Ausfühmng des Art. 69 der Verfassung ausgearbeiteter Gesetz entwurf über die Feststellung der Bezirke für die Wahlen zum Hause der
Abgeordneten ist bestimmt, mannigfachen Beschwerden abzuhelfen.
Der Gesetzentwurf über das Eherecht wird Ihnen wiederum vorgelegt werden.
Ich wünsche lebhaft, daß es gelingen möge, diese so wichtige und
dringende Reform endlich zu einem Abschlüsse zu bringen. Lange
empfundene
Bedürfnisse
einzelner
Landesteile
sollen
durch
mehrere Gesetzentwürfe, welche Ihnen zugehen werden, eine erwünschte Be
friedigung erfahren. Meine Fürsorge ist unausgesetzt der geistigen Bildung der Natton zu
gewendet.
Auf die Gewinnung neuer Lehrkräfte und die Vervollständigung
der wissenschaftlichen Institute der Universitäten
wird nach Maßgabe der
verfügbaren Mittel auch ferner eifrig Bedacht genommen werden.
Neben
den Gymnasien haben die Realschulen durch eine neue, ihren wissenschaftlichen Charatter wie ihren Nutzen für das Leben sichernde Lehrordnung ihre an
gemessene Stellung erhalten.
Für die Elementarschulen ist mit der Ver-
bessemng der Lehrerbesoldungen fortgefahren worden.
Zur Whilfe des noch
Regentschaft nnd Verfassungskonflikt.
15
1860.
immer fühlbaren Mangels an Lehrern ist die Gründung neuer Seminarien
vorbereitet. Meine Herren!
Eine Frage
von tiefgreifender
die Fürsorge Meiner Regierung und die Ihrige.
Wichtigkeit
erheischt
Als Ich im vergangenen
Jahre genötigt war, die Entfaltung unserer Kriegsmacht anzuordnen, eilten die einberufenen Mannschaften mit Eifer und Hingebung
zu
den Fahnen,
und ich bin stolz darauf, diesem sich nie verleugnenden Patriotismus Meine Anerkennung zu zollen.
Wenn unsere Heeresverfassung dennoch einer Reform bedarf, so findet
diese weder im Mangel
ihren Grund.
einer
an mutiger Streitbarkeit
schweren Zeit wurde unsere Heeresver-
Der damaligen Volkszahl und Finanzkraft des Staates
fasiung geschaffen.
entsprechend,
an Opferfreudigkeit noch
Im Drange
ist sie im Gefühl ruhmreicher Erfolge festgehalten worden.
Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre, in denen die Wehrkraft des Volkes mehrfach aufgeboten werden mußte,
haben jedoch verschiedenartige,
pfundene Übelstände immer klarer herausgestellt.
tief em
Die Beseitigung derselben
ist Meine Pflicht und Mein Recht, und Ich nehme Ihre verfassungsmäßige
Mitwirkung für Maßregeln in Anspruch, welche die Wehrkraft steigern, der Zunahme der Bevölkerung
entsprechen
und
der Entwicklung unserer indu
striellen und wirtschaftlichen Verhältnisse gerecht werden.
Zu diesem Zwecke
wird Ihnen der Entwurf eines Gesetzes über die allgemeine Wehrpflicht mit
den nötigen finanziellen Vorlagen zugehen. Es ist nicht die Absicht, mit dem Vermächtnis brechen.
einer großen Zeit zu
Die preußische Armee wird auch in Zukunft das preußische Volk
in Waffen fein.
Es ist die Aufgabe, innerhalb der durch die Finanzkräste
des Landes gezogenen Grenzen die überkommene Heeresverfassung durch Ver jüngung ihrer Formen mit neuer Lebenskraft zu erfüllen.
einer reiflichst erwogenen,
die bürgerlichen
Gewähren Sie
wie die militärischen Gesamt
interessen gleichmäßig umfassenden Vorlage Ihre vorurteilsfreie Prüfung und Beistimmung.
Sie
wird nach
allen Seiten hin Zeugnis
geben von dem
Vertrauen des Landes in Meine redlichen Absichten. Meine Herren!
Der Vertretung
des Landes
ist eine Maßregel von
solcher Bedeutung für den Schutz und den Schirm, für die Größe und die Macht des Vaterlandes noch nicht vorgelegt worden.
Es gilt, die Geschicke
des Vaterlandes gegen die Wechselfälle der Zukunft sicher zu stellen. Das walte Gott!
Er
segne den König,
welchem dieses Werk am
Herzen lag, und halte Seine Hand über den Tagen unseres Königs und
Herrn.
Es lebe der König!
Erstes Buch. 1858—1866.
16
8.
Thronrede ;um Schluß des Landtags, Mittwoch, den 23. Mai 1860. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Die Beratungen der diesjährigen Sitzungsperiode sind zum Schlüsse gelangt.
In den Fragen, welche die Thätigkeit der europäischen Kabinette in Anspruch nehmen, ist Meine Regierung mit vollem Ernste bemüht, auf
Lösungen hinzuwirken, welche den Anforderungen des politischen Gleichgewichts entsprechen.
Die Gmndsätze, welche Meine Regierung im Verhältnis zum deutschen Bunde und zu den der Bundesversammlung vorliegenden hochwichtigen An gelegenheiten leiten, sind Ihnen im Laufe der Session dargelegt worden. Meine
Regierung wird auch femerhin an denselben festhalten, und Ich werde fort
fahren, in der Wahrung anerkannter Rechte Andrer die Wahrung des eignen Rechtes zu erblicken. Wenn auch Meinungsverschiedenheiten über wichtige Fragen stattfinden,
in Einem Gefühle sind — Ich spreche es mit hoher Genugthuung aus —
alle deutschen Regierungen und alle deutschen Stämme mit Mir und dem preußischen Volke einig, in der unerschütterlichen Treue gegen das gemeinsame Vaterland und in der lebendigen Überzeugung, daß die Unabhängigkeit der
Natton und die Integrität des vaterländischen Bodens Güter sind, vor deren
Bedeutung alle inneren Fragen und Gegensätze weit zurücktreten. Mehrere Gesetze, welche den Landbau fördern, den Verkehr und die Industrie heben und wohlthättge Folgen für das Land herbeiführen werden,
haben Ihre
verfassungsmäßige Zustimmung erhalten.
Die Ablösung der
Reallasten ist in einigen Punkten erleichtert, das Postregal zu gunsten des freien Gewerbebetriebs beschränkt, der Bergbau von jeder durch das öffent
liche Interesse nicht gebotenen Einwirkung befreit worden. Die Ausführung der Rhein-Nahe-Bahn
und der Rheinbrücke bei
Koblenz ist durch Ihre Beschlüsse gesichert. Ebenso haben mehrere den Bedürfnissen entsprechende finanzielle Vor lagen Ihre Zustimmung gefunden.
Die Verbesserung des ehelichen Güterrechts in der Provinz Westfalen
ist in der Hauptsache erreicht worden. Der Gesetzentwurf zur Feststellung der Wahlbezirke für das Haus der
Abgeordneten ist in beiden Häusern angenommen worden. Die verfassungsmäßige Freiheit der Presse hat durch das Gesetz vom
21. April d. I. eine neue Gewähr erhalten.
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1860.
17
Da der Entwurf der Kreisordnung nicht mehr zum Abschlüsse gelangen
konnte, so wird vorbehalten bleiben müssen, auf diesen wichtigen Gegenstand in der nächsten Session zurückzukommen. Die dringend gebotene Verbesserung
des Eherechts
ist
abermals nicht
zustande gekommen und damit Mein lebhafter Wunsch, welchen Ich Ihnen
ausgesprochen habe, nicht in Erfüllung
gegangen.
Ich gebe gleichwohl die
Erwartung nicht auf, daß die Ansichten über diesen Gegenstand reifen, daß die Überzeugung von der Notwendigkeit und Heilsamkeit dieser Reform durch dringen und das Gesetz in der nächsten Session zur Annahme gelangen werde.
wegen
Die Gesetzentwürfe
anderweiter Regulierung
der Grundsteuer
und Einführung einer allgemeinen Gebäudesteuer haben leider die verfassungs mäßige Zustimmung nicht in beiden Häusern erhalten. Meine Regierung wird das Ziel, welches die Ihnen vorgelegten vier
Die erforderlichen Vorlagen
Entwürfe erreichen sollten, unbedingt festhalten.
werden Ihnen in der nächsten Session wieder zugehen.
Nach sorgfältiger Prüfung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr
1860 haben Sie Meiner Regierung
die zur Fortführung der Verwaltung
nötigen Geldmittel bereitwillig zur Verfügung gestellt.
Zu Meinem tiefen Bedauern hat eine Beschlußnahme über das Gesetz der allgemeinen Wehrpflicht,
die bedeutungsvollste der Ihnen
überwiesenen
Vorlagen, rechtzeitig nicht herbeigeführt werden können. Die große Tragweite dieser Frage, die Schwierigkeit ihrer unbefangenen Würdigung hat in die betreffenden Verhandlungen eine
Verzögerung ge
bracht, welche angesichts der allgemeinen Verhältnisse bedenklich werden konnte,
wenn Sie, Meine Herren,
nicht die Mittel
gewährt hätten, durch welche
Meine Regierung die nötige Steigerung der vaterländischen Wehrkraft in Aus
führung bringen kann. Für die Einmütigkeit dieser Bewilligung sage Ich Ihnen Meinen Dank.
Sie giebt Mir ein Pfand
dafür, daß die Notwendigkeit der Heeresreform
endlich richtig gewürdigt und die Lösung der zurückgestellten Frage, deren
Erledigung als ein unerläßliches Bedürfnis anerkannt ist, in kürzester Frist gelingen werde.
Muß auch die Steuerkraft des Landes durch die Forterhebung des bis herigen Steuerzuschlags
ferner in Anspruch
es Mir doch zu besonderer Befriedigung,
genommen werden,
deckende Teil des Bedarfs aus den Überschüssen
Jahres 1859
vollständig entnommen
der Finanzverwaltung des
werden kann,
ohne den Staatsschatz
für diesen Zweck anzugreifen.
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
so gereicht
daß der durch denselben nicht zu
2
Erstes Buch.
18
1858-1866.
Wie viel die Ergebnisse der abgelaufenen Sitzungsperiode zu wünschen
übrig lassen, — Ich baue unbeirrt auf die patriotische Gesinnung des Landes, auf das volle und ungetrübte Vertrauen zwischen Fürst und Volk. Auf dieses einmütige Vertrauen, auf den alten treuen Sinn des Volkes, auf die erhöhte Streitbarkeit des Heeres, auf die Ordnung unserer Finanzen
gnädigem Beistände den kommenden
gestützt, kann Preußen unter Gottes
Ereignissen getrosten Mutes entgegen sehen.
So entlasse Ich
Sie
in Ihre Heimat, indem Ich Gottes Segen für
unsern schwergeprüften König anflehe, mit dem Rufe:
Es lebe der König!
9.
An Mein Volk! König Friedrich Wilhelm der Vierte ruht in Gott. den schweren Leiden, die er mit frommer Ergebung trug. wolle der Herr
die in gerechter Trauer fließen,
Er ist erlöst von Unsere Thränen,
in Gnaden trocknen; des
Entschlafenen gesegnetes Andenken wird in Meinem, in Euren Herzen nicht erlöschen.
Niemals hat eines Königs
schlagen.
Herz
treuer für seines Volkes
Wohl ge
Der Geist, in welchem Unseres Hochseligen Vaters Majestät,
der
Heldenkönig — so nannte ihn der nun Heimgegangene Königliche Sohn — nach
den Jahren des Unheils,
Kämpfen stählte,
sein Volk wieder aufrichtete und zu den
verklärter Bruder hochherzig teilnahm,
an welchen Mein
war König Friedrich Wilhelm dem Vierten ein heiliges Erbteil, welches Er treu zu pflegen wußte.
Überall gewährte Er edlen Kräften Anregung und
Mit freier Königlicher Hand gab Er dem Lande
förderte deren Entfaltung.
Institutionen, in deren Ausbau sich die Hoffnungen desselben erfüllen sollten.
Mit treuem Eifer war
Er bemüht, dem
höhere Ehre und festere Einigung
gesamten deutschen Vaterlande
zu gewinnen.
Als eine unheilvolle Be
wegung der Geister alle Gmndlagen des Rechts Meines in Gott
ruhenden
Bruders
Majestät die
erschüttert hatte, Verwirrung
wußte
zu enden,
durch eine neue politische Schöpfung die unterbrochene Entwickelung herzustellen und ihrem Fortgänge feste Bahnen anzuweisen.
Dem Könige, der so Großes zu begründen wußte, dessen unvergeßliches
Wort:
„Ich und Mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen", auch Meine
Seele erfüllt,
gebührt ein
hervorragender Platz in der glorreichen Reihe
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1861. welchen Preußen seine Größe
der Monarchen,
19
verdankt, welche es
zum
Träger des deutschen Geistes machten. Dies hohe Vermächtnis
Meiner Ahnen,
welches
sie in unablässiger
Sorge, mit ihrer besten Kraft, mit Einsetzung ihres Lebens gegründet und gemehrt haben, will Ich getreulich wahren.
Mit Stolz sehe Ich Mich von
einem so treuen und tapferen Volke, von einem so ruhmreichen Heere um
geben. Meine Hand soll das Wohl und das Recht
aller in
allen Schichten
der Bevölkerung hüten, sie soll schützend und fördernd über diesem reichen
Es ist Preußens Bestimmung nicht, dem Genuß der erwor
Leben walten.
In der Anspannung seiner geistigen und sittlichen
benen Güter zu leben.
Kräfte, in dem Ernst und der Aufrichtigkeit seiner religiösen Gesinnung, in
der Vereinigung von Gehorsam und Freiheit, in der Stärkung seiner Wehr kraft liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen Rang
unter den Staaten Europas zu behaupten.
Ich halte fest an den Traditionen Meines Hauses, wenn Ich den vater ländischen Geist
Meines
Volkes zu heben und
zu stärken
Mir vorsetze.
Ich will das Recht des Staates nach seiner geschichtlichen Bedeutung be festigen und ausbauen und die Jnstituttonen, welche König Friedrich Wilhelm der Vierte ins Leben
gerufen hat, aufrecht erhalten.
Treu dem Eide, mit
welchem Ich die Regentschaft übernahm, werde Ich die Verfassung und die Gesetze des
Königreichs schirmen.
Möge es Mir unter Gottes
gnädigem
Beistände gelingen, Preußen zu neuen Ehren zu führen!
Meine Pflichten für Preußen fallen mit Meinen Pflichten für Deutsch land zusammen.
Als deutschem Fürsten liegt Mir ob, Preußen in derjenigen
Stellung zu kräftigen, welche es vermöge seiner ruhmvollen Geschichte, seiner
entwickelten Heeresorganisation
unter
den
deutschen
Staaten
zum Heile
aller einnehmen muß. Das Vertrauen auf die Ruhe Europas ist erschüttert, Ich werde Mich
bemühen, die Segnungen des Friedens
zu erhalten.
fahren für Preußen und Deutschland Heraufziehen.
Dennoch können Ge
Möge dann jener Gott
vertrauende Mut, welcher Preußen in seinen großen Zeiten beseelte, sich an Mir und Meinem Volke
bewähren und dasselbe Mir auf Meinen Wegen
in Treue, Gehorsam und Ausdauer
Segen
auf
den
Aufgaben
ruhen,
Möge Gottes
fest zur Seite stehen!
welche
Sein
Ratschluß
Mir
über
geben hat.
Berlin, am 7. Januar 1861.
Wilhelm.
Erstes Buch.
20
1858—1866.
10.
Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 14. Januar 1861.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
In tiefer Bewegung heiße Ich Sie willkommen.
Die Hoffnungen und
Wünsche, welche Ich von dieser Stelle zu Ihnen aussprach, sind nach Gottes Mit Mir und Meinem
unerforschlichem Willen nicht in Erfüllung gegangen.
Hause beweinen Sie den König, welcher nach schweren Leiden von uns ge
nommen ist. Was die Regierung Meines in Gott
Preußen war, was das Land daran habe Ich
ruhenden Bruders Majestät für
seiner großherzigen Führung
die Vertretung
des
preußischen Volkes,
zu danken hat,
welche von dem
Heimgegangenen Monarchen ins Leben gerufen wurde, nicht zu erinnern.
König Friedrich
Wilhelm
Eine schwere Aufgabe ist Mir
der Vierte ist in
zugefallen.
schwerer Zeit geschieden.
Unter
stände gedenke Ich dieselbe glücklich hinauszuführen. treu zur Seite stehen.
gnädigem Bei
Gottes
Sie werden Mir dabei
Das Vaterland bedarf einsichtigen Rates und selbst
vergessener Hingebung. Nachdem Ich es angesichts hervorragender Fürsten des deutschen Bundes
für die erste Aufgabe Meiner deutschen, Meiner europäischen Politik erklärt
hatte, die Integrität des deutschen Bundes zu wahren, war es erforderlich, zu welcher Sie die Mittel einstimmig ge
die Verstärkung unseres Heeres,
währt hatten, in der Weise zu ordnen, daß nicht bloß die Zahl der Truppen gesteigert, sondern auch der innere Zusammenhalt, die Festigkeit und Zuver lässigkeit der neuen Bildungen gesichert wurden. troffenen Anordnungen
bewegen
sich innerhalb
Die zu diesem Zwecke ge
der gesetzlichen Grundlagen
unserer Heeresverfassung.
Aus den Ihnen
vorzulegenden Voranschlägen
daß für das nächste Jahr
werden Sie entnehmen, welche Ihnen
Einschränkungen angeordnet sind,
verbürgen, daß für die Kriegstüchtigkeit
des Heeres
stets nur
das Unent
behrliche beansprucht werden wird.
Preußen
hat
über ausreichende Hilfsquellen
Armee auf einem Achtung
gebietenden Fuße
zu
verfügen, um seine
zu erhalten.
Der gegenwär
tigen Lage Deutschlands und Europas gegenüber wird die Landesvertretung Preußens
sich der Aufgabe nicht versagen,
das Geschaffene
zu bewahren
und in seiner Entwickelung zu fördern; sie wird sich der Unterstützung von
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1861. Maßnahmen nicht entziehen,
auf welchen die Sicherheit
21 Deutschlands und
Preußens beruht. Trotz
des Druckes
der
politischen Verhältnisse
friedigung auf die Lage der Finanzen sehen.
dürfen
wir
mit Be
Es steht zu hoffen,
daß die
dem verwichenen Jahre zur Last fallenden Ausgaben in den laufenden Ein nahmen
desselben ihre
vollständige Deckung
finden.
aus
Die
schüssen des Jahres 1859 vorsorglich reservierten Mittel
den Über
werden somit an
den Staatsschatz abgeführt werden können. Der Staatshaushalts-Etat ist unter der bisherigen bewährten Vorsicht
in der Veranschlagung der Einnahmen, wie unter sorgfältiger Beschränkung der Verwaltungsausgaben aufgestellt
Er
worden.
weist
abermalige
eine
Steigerung der Erträge und die Mittel nach, allen berechtigten Anforderungen gerecht zu werden, nützliche Unternehmungen und Einrichtungen zu fördern,
neue Bedürfnisse zu befriedigen zu vermindern,
und
diejenigen
außerordentlichen Zuschüsse Wenn auch
welche die Verstärkung des Heeres erfordert.
zur Durchführung dieser großen Maßregel diese Zuschüsse neben den
einst
weilen fortzuerhebenden Steuerzuschlägen für jetzt noch in erheblichem Maße in Anspruch genommen werden, so ist doch der Besorgnis, daß die Ordnung
unseres Staatshaushaltes gestört werden könne, nicht Raum zu geben.
Viel
mehr darf von der naturgemäßen Zunahme der Einnahmequellen wie von
der Reform der Grundsteuergesetzgebung die Entbehrlichkeit außerordentlicher Hilfsmittel zur Deckung
des Staates
der Gesamtausgaben
eine nahe
für
Zukunft in Aussicht genommen werden.
Ich zähle auf Ihre Zustimmung zu den Gesetzentwürfen,
welche die
endliche Erledigung der Grundsteuerfrage herbeizuführen bestimmt sind.
und Land können auf einen erhöhten Ertrag der Grundsteuer
Krone
nicht länger
verzichten, und die Verstärkung unseres Heeres wird erst dann gesichert sein, wenn alle Stände und Landesteile,
wie
sie
die
Wehrpflicht gleichmäßig
tragen, so auch zu dem Aufwande, welchen die Armee erfordert,
im Ver
hältnis ihrer Steuerkraft beitragen werden.
Der Verkehr
des Landes,
wenn
auch
noch nicht zu der Regsamkeit
zurückgeführt, welche den finanziellen und politischen Krisen der letzten Jahre vorherging, zeigt eine vermehrte Lebendigkeit.
Die Förderung desselben in
seinen verschiedenen Zweigen hat nicht aufgehört, einen Gegenstand
der be
sonderen Fürsorge Bkeiner Regierung zu bilden.
Eine weitere Ausdehnung des vaterländischen Eisenbahnnetzes geleitet.
absetzung
ist ein
Die Aufhebung der Durchgangsabgaben und eine beträchtliche Her
der Rheinzölle
ist
mit
den
beteiligten Regierungen vereinbart.
22
Erstes Buch. 1858—1866.
Meine Regierung steht im Begriff, mit der Kaiser!, französischen Regierung
über die vertragsmäßige Gestaltung der Verkehrsbeziehungen zwischen dem Zollverein und Frankreich in Unterhandlung zu treten.
Die Reform des Eherechts wird, wie Ich Ihnen bereits des vorigen Landtags
am Schluffe
verkündet habe, wiedemm zu Ihren Aufgaben ge
hören. Ich erwarte die endliche Erledigung dieser Frage mit Zuversicht. Über andere wichtige Vorlagen wird Ihnen Meine Regierung Mit teilung machen. Im Laufe des verfloffenen Jahres ist es Mir gelungen, die Beziehungen zu den Großstaaten durch persönliche Begegnungen mit den Monarchen der
selben
immer erfreulicher
zu gestalten,
und es sind dies Bürgschaften für
die Erhaltung des europäischen Friedens gewesen. Von dem Emst der allgemeinen Lage Europas durchdrungen, ist Meine
Regierung fortgesetzt bestrebt, eine Revision der Kriegsverfassung des Bundes herbeizuführen, wie sie die gesteigerten militärischen Anfordemngen der Gegen
wart unabweisbar erheischen.
Ich gebe Mich der zuversichtlichen Hoffnung
hin, daß diese Bemühungen endlich
zum Ziele führen werden, da
alle
deutschen Regiemngen und alle deutschen Stämme ein einmütiges Zusammen
gehen als das dringendste Bedürfnis des Gesamtvaterlandes anerkennen.
In Kurhessen währt ein Zwist fort, welchen Meine treuen, wohlge meinten und gemäßigten Ratschläge nicht zu beseitigen Die Bemühungen Meiner Regiemng
vermocht
haben.
sind unausgesetzt auf die Wiederher
stellung des verfassungsmäßigen Zustandes gerichtet. Zu Meinem lebhaften Bedauem haben die Schritte, welche Preußen in Übereinstimmung mit den übrigen deutschen Bundesstaaten seit Jahren
gethan hat, um die unter der Herrschaft des Königs von Dänemark ver einigten deutschen Herzogtümer in den Genuß eines den bestehenden Vereinbamngen entsprechenden geregelten Verfaffungszustandes treten bisher zu keinem Resultate geführt.
zu sehen,
Mit seinen deutschen Verbündeten er
kennt Preußen es als eine nationale Pflicht an, nunmehr endlich die ge
bührende Lösung dieser Frage herbeizuführen. Meine Regiemng hat in bewegter Zeft begonnen. Was uns beschieden
sein möge, Ich werde feststehen auf den Gmndsätzen, mit welchm Ich die Regentschaft übemommen habe. wendung gemacht, hat Mich
überzeugt.
Die Erfahrung, welche Ich in deren An von dem Werte derselben nur noch inniger
Entschlossen, die Wirksamkeit unserer Institutionen und unserer
Gesetze zu kräftigen, die nationalen Interessen Preußens und Deutschlands
mit Emst und Rachdmck zu fördem,
erblicke Ich in dem unbeirrten Fest-
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
1861.
23
halten dieses Weges die sicherste Bürgschaft gegen den Geist des Umsturzes, welcher sich in Europa regt. Ich
vertraue, daß Preußen unter Meinem
bleiben wird.
Ich vertraue,
Scepter sich selbst treu
daß Preußen im Rate seiner Vertreter,
wie
in den Thaten seines Volkes beweisen wird, daß es nicht gemeint ist, hinter der Eintracht, der Kraft und dem Ruhme seiner Väter zurückzubleiben.
Ich
vertraue, daß das Land in unverbrüchlicher Treue zu Mir stehen wird in guten und bösen Tagen.
Das walte Gott!
Bei der Übernahme der Regentschaft
gemäß üben zu wollen.
Ich Sie auf,
habe Ich
und
Gott verliehene Macht der Verfassung
gelobt,
die Mir von
den Gesetzen des
Königreichs
auf jenes Gelübde verweise,
Indem Ich
Mir die Treue zu geloben,
welche Sie Meinem
fordere
verklärten
Bruder geschworen und gehalten haben.
So werden Sie Mir denn jetzt
vor Gott dem Allmächtigen einen
feierlichen Eid schwören, daß Sie Mir in Treue Unterthan sein wollen, daß Sie Mir in der Ausübung Meiner Rechte und Pflichten mit
Gut und
Blut beistehen wollen. Nach der Eidesleistung schloß der König mit den Worten:
An Gottes Segen ist alles gelegen.
Gott segne Ihren Schwur! Er segne und schütze das Vaterland!
11.
Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, Montag, den 28. Januar 1861.
Die Worte, mit welchen Sie Mir die Adresse des Herrenhauses über geben, sind Meinem Herzen teuer, da Ich in denselben die Treue und Er
gebenheit für Mich, Ihren nunmehrigen König, in erfreulicher Art ausge
sprochen finde.
Der Inhalt der Adresse und die darüber
im Herrenhause
gepflogenen Verhandlungen sind Mir nach dem Geschäftsgänge bekannt; der
dabei dargelegte Ausdruck des tiefen Schmerzes über den Verlust des Heim gegangenen Königs, sowie die Gesinnungen für Mich sind ganz so, wie Ich
sie von dem Herrenhause erwartet habe, durch Sie Meinen Dank.
Übernahme der Regentschaft dargelegt.
bestimmt
ausgesprochen.
und Ich
sage
demselben dafür
Die Grundsätze Meiner Regierung habe Ich bei Ich
will
Was Ich will, habe Ich offen und
keinen Bruch
mit der Vergangenheit;
Erstes Buch. 1858-1866.
24
aber Ich will, wo Meine Überzeugung es Mir eingiebt, die bessernde Hand
an unsere Landesinstitutionen legen, wie dies der König, Mein Hochseliger
Vater, auch
that,
bei dem man gewiß kein Vergessen der Vergangenheit
Preußens erkennen kann, der aber aus den Erfahmngen Seiner verhängnis
vollen Zeit die Überzeugung schöpfte, stitutionen des Landes zu legen sei,
hervorging.
daß die bessernde Hand an die In
woraus
die Gesetzgebung
von
1808
Ebenso ist auch der König, Mein Hochseliger Bmder, verfahren,
als er aus Erlebnissen Seiner Epoche die durchgreifendsten Reformen vor nahm.
Ich habe Mir vorgezeichnet, wie weit Ich gehen kann, und werde
diese Linie bestimmt innehalten, da jede Regierung ihre eigene Aufgabe hat.
Ich erwarte zuversichtlich von dem Herrenhause, daß es Mir auf Meinem Wege folgen werde.
Wir können uns nicht verhehlen, daß wir vielleicht
schweren Zeiten entgegengehen.
Mit Rücksicht darauf wird alles darauf an
kommen, daß das Land in seinen Vertretern mit Mir einig
sei.
Das
wünsche, das hoffe, das erwarte Ich von den bevorstehenden Verhandlungen. Nur so
werden wir nach innen und außen stark und getrost der Zukunft
entgegensehen können; dann werden wir, auch wo sich abweichende Ansichten im Laufe der Verhandlungen geltend machen, bei deren Schluffe als Freunde scheiden können.
12. Antwort des Königs auf die Adresse des Abgeordnetenhauses, Dienstag, den 12. Februar 1861. Der Ausdruck der Trauer,
welchen Mir das Haus der Abgeordneten
um den Hintritt des Hochseligen Königs Majestät, Meines geliebten Bmders, darbringt, nehme Ich mit bewegtem Herzen entgegen. Ihr Blick wendet sich trostvoll und, wie Ich erwarten kann, mit Vertrauen zu Mir. Über
die Grundsätze, nach
welchen Ich die Mir von Gott
ferner zu üben entschlossen bin, habe Ich Mich
Das Land
ist darüber nicht
in Zweifel.
anvertraute Macht
wiederholt
ausgesprochen.
Ich baue fest darauf, daß die
Vertretung desselben Mir bei der Durchführung Meiner Absichten im Sinne der ungeschmälerten Erhaltung der Machtstellung Meiner Krone zur Seite
stehen wird, denn dies ist zum wahren Wohl des Vaterlandes notwendig.
In Bezug auf die Fragen der inneren und der auswärtigen Politik, die in Ihrer Adresse — welche Mir nach dem bestehenden, von Ihnen selbst be dauerten Geschäftsgänge bereits bekannt war — von dem Ich mit Ihnen
hoffe, daß er sich künftig wird verbessem lassen, — berührt sind, hat Ihnen
25
1861.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
Meine Regierung die Gesichtspunkte klar hervorgehoben, welche nach Meinen
dieselbe maßgebend sind und bei denen sie beharren wird.
Intentionen für Ich erwarte,
der Abgeordneten
daß das Haus
dieselben
durch seine Zu
Ich hoffe, daß Ihre nun beginnenden Arbeiten
stimmung unterstützen wird.
die bedeutsamen Vorlagen, die Ihnen von Meiner Regierung gemacht sind,
zu
einer befriedigenden Lösung
führen
Wir legen die bessernde
werden.
Hand an mancherlei Einrichtungen — auf gesetzlichem Boden, darüber darf Einigkeit macht stark, und da wir stark sein müssen,
kein Zweifel bestehen.
so müssen wir auch
Dies
einig sein.
Stellung zu Deutschland. dem günstigsten Erfolg
gilt
für Preußen,
gekrönt
guten wie in bösen Tagen in
worden.
wie für dessen
in dieser Hinsicht sind mit
Meine Bemühungen Ich
weiß,
daß
Mein Volk in
unverbrüchlicher Treue Mir zur Seite steht;
das erneute Gelöbnis dieser Treue durch das Haus der Abgeordneten nehme
Ich gern entgegen.
13. Thronrede;um Schluß des LandtagsMittwoch, den 5. Juni 1861.
Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags! Das Vertrauen, mit welchem Ich Sie beim Beginne Ihrer diesjährigen Beratungen begrüßte, ist nicht getäuscht worden. Die nun beendete Session hat zu bedeutenden Ergebnissen geführt.
Sie
sind geeignet, Meine Regierung in der Richtung zu unterstützen und zu be festigen, welche
dieselbe bisher verfolgt hat.
Sie werden heilsame Folgen
für den inneren Frieden, für die gesunde Entwickelung unseres Staatslebens
herbeiführen und
das Gewicht Preußens in Deutschland und Europa ver
stärken. Verträge und Gesetze, welche dem Handel neue Wege öffnen, den Ver kehr von Belästigungen, den Betrieb des Gewerbes von Beschränkungen be
freien, sind unter Ihrer Zustimmung ins Leben getreten. Das Netz der vaterländischen Eisenbahnen ist durch Ihre bereitwilligen
Gewährungen wesentlich erweitert worden, und die Verbindung mit unseren westlichen Provinzen wird bald durch eine neue Bahn nicht bloß abgekürzt, sondern auch besser gesichert sein.
Dem Vertrage, welcher
die Wasserstraßen Preußens und Frankreichs
näher zu vereinigen bestimmt ist, haben Sie Ihre Genehmigung erteilt.
Erstes Buch. 1858-1866.
26
Die Rheinzölle sind erheblich gehoben.
ermäßigt, die Durchgangsabgaben auf
Die Abgaben, welche den Aufschwung
eines immer bedeutsamer
werdenden Zweiges unserer Industrie, des Bergbaues, verzögern konnten, sind wiederum vermindert, und die Aufsicht über denselben ist vereinfacht worden. Die Erschwerungen,
welche dem Gewerbebetriebe der Ausländer ent
gegenstanden, sind beseitigt, und die Ergänzung des Gewerbesteuergesetzes ver
bürgt die Umlegung dieser Steuer nach zweckmäßigeren und gerechteren Normen.
Die Ungleichheiten in der Besteuerung des Bodens, welche die Pro vinzen der Monarchie und die verschiedenen Klaffen des Grundbesitzes so lange getrennt haben, sind
endlich durch die Vorlagen Meiner Regierung,
denen Sie Ihre Zustimmung erteilt haben, beseitigt.
Durch
diese Gesetze
ist dem Lande ein großer Dienst erwiesen, den Ich mit um so aufrichtigerem Dank erkenne, als Ich die Opfer zu würdigen weiß, welche gebracht werde».
Ich freue Mich der einmütigen Zustimmung, welche Sie dem deutschen Handelsgesetz entgegengebracht haben. Damit ist ein tüchtiges Werk deutschen
Geistes zum Eigentum unseres preußischen Vaterlandes geworden, damit ist ein neues Zeugnis unseres eifrigen Strebens abgelegt, die deutschen Staaten
durch das Band gemeinsamer Gesetze enger zu verbinden. Das Gesetz über die Erweiterung des Rechtsweges dehnt die richter
liche Entscheidung über Gebiete aus, welche derselben bisher entzogen waren. Es wird dazu beitragen, die Herrschaft des Gesetzes zu erweitem und das Ansehen Meiner
Gerichtshöfe zu
Meine Herren!
erhöhen.
Sie haben Meiner Regierung die Mittel
gewährt,
welche zur Aufrechterhaltung der von Mir angeordneten, für die Größe und Machtstellung Preußens unerläßlichen Organisation des
reichen.
Heeres
hin
Ich danke Ihnen dafür.
Da Meine Regierung
weder die Herbeiführung entsprechender gesetz
licher Normen noch die Herstellung regelmäßig
geordneter Etatsverhältnisse
im Ressort der Militärverwaltung aus dem Auge verlieren wird, kann Ich
über die Form der Bewilligung hinwegsehen, die das Lebensprinzip der großen Maßregel nicht berührt.
Die nunmehr erreichte feste und starke Gliederung Meiner trefflichen, aus unserem streitbaren Volke hervorgehenden Armee, die von Ihnen durch
die Erhöhung der (Steuern zu diesem Endzweck bewiesene Opferwilligkeit geben Preußen die Kraft, für den eigenen, wie für den Schutz des gesamten
deutschen Vaterlandes gerüstet dazustehen. Die Durchführung der Reorganisation der preußischen Heeresmacht ist
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
für die Sicherung
der deutschen Grenzen um so
1861.
27
unentbehrlicher,
als
es
gelungen ist,
Meinen ernsten und unausgesetzten Bemühungen bisher nicht
eine den Anforderungen der Gegenwart entsprechende Revision der Wehr verfassung des deutschen Bundes herbeizuführen und praktische Vorkehrungen
zum Schutze Deutschlands gegen künftige Gefahren zu fördern. Die lebendige Teilnahme, welche Sie der Entwickelung unserer jungen
Kriegsmarine gewidmet des preußischen
haben,
deren Fortbildung
ebensosehr im Interesse
des deutschen Vaterlandes geboten ist,
als
hat Mich mit
Genugthuung erfüllt. Die Königl. dänische Regierung
ist den von der deutschen Bundes
versammlung gestellten Anforderungen nicht vollständig nachgekommen.
Auch
die danach von derselben Regierung gemachten Anerbietungen stellen die ge
bührende Lösung der am Bunde schwebenden Angelegenheit
der unter dem
Scepter des Königs von Dänemark vereinigten deutschen Herzogtümer noch immer nicht in sichere Aussicht.
Aber der Charakter
zu den Großmächten Europas gewährt
unserer Beziehungen
ausreichende Bürgschaft, daß
die
selben durch ernste Maßnahmen nicht getrübt werden würden, welche inner halb der Grenzen des deutschen Bundesgebietes
notwendig
werden können.
Wenn die Vertretung des Landes in redlichem Eifer und einträchtigem
Streben
an dem Wohle des Vaterlandes mit Mir weiter arbeitet, wenn
wir die Schranken
inne
nur der in Europa
halten, deren Überschreitung
regen Partei des Umsturzes Vorschub leisten könnte, Gottes gnädigem Beistände
einem
dann darf Ich unter
gesegneten Fortgänge Meiner Regierung
entgegensehen. Gedenken Sie, Meine Herren, Meines Wahlspruches: Gottes Gnaden,
Festhalten
an Gesetz und Verfassung,
Königtum von
Treue des Volkes
und des siegbewußten Heeres, Gerechtigkeit, Wahrheit, Vertrauen, Gottes furcht!
Folgen Sie stets mit Mir diesem Wahlspruch,
eine glückliche und hoffnungsreiche Zukunft
dann können Wir
für unser teures Vaterland er
warten.
Das walte Gott!
14.
Allerhöchster Erlaße betreffend die Krönung, Dienstag, den vom 3. Juli 1861.
Wir Wilhelm,
von Gottes Gnaden König von Preußen u. s. w.,
thun kund und fügen zu wissen:
Erstes Buch. 1858—1866.
28
Nach Gottes Ratschlüsse haben Wir den Königlichen Thron Preußens bestiegen und Unsern Willen
feierlich kund
gegeben, nach der Verfassung
und den Gesetzen des Königreichs die Uns durch die göttliche Gnade an vertraute Regierung zu führen.
Unsere Vorfahren in der Krone haben
Uns das ehrwürdige Herkommen überliefert, daß den Königen Preußens
beim Regierungsantritt von dem Lande die Erbhuldigung geleistet worden.
Wir halten dieses Herkommen
als
ein unverbrüchliches
Anrecht Unserer
Krone fest und wollen es ebenso Unsern Nachfolgern in der Regierung ge wahrt wissen.
In Betracht der Veränderungen aber,
fassung der Monarchie
welche in der Ver
unter der reich gesegneten Regierung Unseres viel
geliebten Bruders, Königs Friedrich Wilhelm des Vierten Majestät Hoch
seligen Andenkens, eingetreten sind, haben Wir beschlossen, an Statt der Erbhuldigung die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche von Unserm
erhabenen Ahnherrn König Friedrich dem Ersten die erbliche Königswürde
in Unserem Hause begründet worden. Indem Wir Uns im Angesichte Gottes in
Demut beugen und den
Segen des Allmächttgen für Uns und Unser geliebtes Vaterland erflehen, wollen Wir durch die Feier der Krönung in Gegenwart der Mitglieder der
beiden Häuser des Landtags und der sonst von Uns zu entbietenden Zeugen aus allen Provinzen Unseres Königreichs von dem geheiligten und in allen
Zeiten unvergänglichen Rechte der Krone, zu der Wir durch Gottes Gnade berufen worden, Zeugnis ablegen und von neuem das durch eine glorreiche
Geschichte geknüpfte Band zwischen Unserem Hause und dem Volke Preußens befestigen.
Wir werden
demnach in Gemeinschaft mit der Königin, Unserer Ge
mahlin, Unsere feierliche Krönung im Monat Oktober dieses Jahres
in
Unserer Haupt- und Residenzstadt Königsberg vollziehen und behalten Uns vor, über den bei Unserer Rückkehr
in Unsere Haupt- und Residenzstadt
Berlin zu haltenden feierlichen Einzug die weiteren Bestimmungen zu erlassen.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin, am dritten des
Monats Juli Eintausend Achthundert Ein und Sechzig.
Wilhelm. (Gegenzeichnung des gesamten Ministeriums.)
Regentschaft und Berfassungskonflikt.
1861.
29
15.
Ansprache des Königs an die Deputationen der Armee, gehalten zu Königsberg, Mittwoch, den 16. Oktober 1861.
Ich habe Sie hier versammelt,
um einer Feier beizuwohnen, die zu
den seltensten in der Geschichte gehört.
Ein solcher Moment tritt nur dann
ein, wenn tiefe Trauer ihm vorhergegangen ist,
im tiefsten Herzen
Jetzt
bewegt hat.
richten
eine solche uns alle
daß er Preußen segnen und schützen möge,
Himmel, hoffend,
Ein Anblick, wie wir ihn hier soeben gehabt, kehrt so leicht nicht wieder. als die
wie
wir den Blick getrost zum ist
wie bisher.
noch nie dagewesen und
Ich habe die Fahnen und Sie, Meine Herren,
höchstgestellten Generale
der Armee
und sämtliche Regimentskom
mandeure versammelt, um im Namen der Armee Zeugen der hochwichtigen
Feier zu sein,
welcher
die Krone zugefallen,
entgegengehen.
wir
und
Von Gottes Händen ist Mir
wenn Ich Mir dieselbe von Seinem geweihten
Tische auf das Haupt setzen werde, so ist es Sein Segen, der sie Mir er
halten wolle!
Sie
zu
ist die Armee berufen,
verteidigen
Könige haben die Treue derselben
noch nie wanken sehen.
und Preußens Sie ist es ge
wesen, welche den König und das Vaterland in den unheilvollsten Stürmen
Auf diese Treue
erst vor kurzem gerettet und seine Sicherheit befestigt hat.
und Hingebung rechne auch Ich, wenn Ich sie aufrufen müßte gegen Feinde, von welcher Seite sie
auch kommen mögen.
Mit diesem unerschütterlichen
Vertrauen sehe Ich als König und Kriegsherr auf Meine Armee.
Ihnen,
die Hand,
für Sie
Herr Feldmarschall 2), reiche Ich für alle Anwesenden alle, die Ich in Mein Herz schließe.
16.
Ansprache des Königs nach erfolgter Krönung und HuldigungFreitag, den 18. Oktober 1861.
Von Gottes Gnaden tragen Preußens Könige seit Krone.
Nachdem
besteige Ich
als
durch
zeitgemäße Einrichtungen
erster König
nur von Gott kommt,
denselben.
habe Ich
durch
160
Jahren die
der Thron umgeben ist,
Aber eingedenk,
daß die Krone
die Krönung an geheiligter Stätte
bekundet, daß Ich sie in Demut aus seinen Händen empfangen habe. *) Wrangel.
Die
30
Erstes Buch.
Ich
Gebete Meines Volkes,
weiß
1858—1866.
haben Mich bei diesem feierlichen
es,
Akte umgeben, damit der Segen des Allmächtigen auf Meiner Regierung ruhe. Die Liebe und Anhänglichkeit, welche Mir seit Meiner Thronbesteigung
wurde
erwiesen
und
sind Mir Bürge,
die Mir soeben
in
erhebender Weise bekundet wird,
daß Ich unter allen Verhältnissen auf die Treue,
gebung und Opferfreudigkeit Meines Volkes rechnen
darauf habe Ich
den
Meinem treuen Volke
und Unterthaneneid
althergebrachten Erbhuldigungs -
erlassen
können.
wohlthuenden Beweise
Die
jener
bei einem verhängnisvollen Ereignis
Anhänglichkeit, die Mir jüngst
teil wurden, haben dies Vertrauen
bewährt.
dem teueren
Segnungen des Friedens
Hin
Im Vertrauen
kann.
Gottes Vorsehung
Vaterlande
äußeren Gefahren wird Mein tapferes Heer dasselbe schützen. Gefahren wird Preußen bewahrt bleiben,
Vor
erhalten.
lange
denn der Thron
zu
wolle die
Vor inneren
seiner
Könige
steht fest in seiner Macht und in seinen Rechten, wenn die Einheit zwischen König und Volk, die Preußen groß gemacht hat, bestehen bleibt. den wir auf
dem Wege
beschworener Rechte
So wer
den Gefahren einer bewegten
Zeit, allen drohenden Stürmen widerstehen können.
Das walte Gott!
17.
Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, Donnerstag, den 31. Oktober 1861.
Die Feier, welche Ich am 18. d. M. vollzog,
Berufe die Weihe gegeben. wesen,
der
hat Meinem irdischen
Diese Feier ist eine wahrhaft vaterländische ge
indem sie den alten, unauflöslichen Banden des Königshauses und
Nation
ein
verjüngter Kraft
Unterpfand
freudig hingebende Gesinnung,
verlieh.
füllt.
Solche Erfahmngen
warme und
die sich in allen Teilen des Landes und in
allen Klassen des Volkes so unverkennbar kundgegeben, Königin, Meine Gemahlin,
Die
hat Mich
und die
auf das tiefste bewegt und Uns mit Dank er
sind
herzerhebend!
Vor
allem aber wird die
großartige Weise, zu welcher sich jene Gesinnung beim Krönungsakte selbst, wie auch
bei Unserem Einzuge
in Königsberg
und Berlin
steigerte,
als
auf dessen bewährte Gesinnung
und
bleibende Erinnerung in Uns und bei allen Zeugen fortleben.
Das Vertrauen Meines Volkes,
*) Anspielung auf den Mordversuch des Leipziger Studenten Oskar Becker aus
Odessa zu Baden-Baden, Sonntag, den 14. Juli 1861.
Hingebung Ich zu
allen Zeiten rechne,
31
1862.
Regentschaft und Berfassungskonflikt.
erwidere Ich durch
die innigste
Liebe zum Vaterlande,
dessen Wohl und dessen Macht Mein Streben ist.
Treu Meinem Berufe,
erkenne Ich in der unausgesetzten Beförderung der
gesetzlichen Entwickelung
die Bürgschaft weiterer Erfolge unter
des Volkes
dem Beistände der Vorsehung. Am Schluffe der
Krönungszeit diesen
Meinen
Gesinnungen,
Meinem und der Königin, Meiner Gemahlin, tiefgefühlten Dank
sowie
allseitigen
Ausdruck zu geben, ist Mein Staats-Ministerium beauftragt. Berlin, den 31. Oktober 1861.
An das Staats-Ministerium.
Wilhelm.
18. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 14. Januar 1862.
Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!
Ihre Thätigkeit beginnt in
ernster Zeit.
Nachdem Gottes Ratschluß
die Krone mit der Bürde ihrer Pflichten und Rechte auf Mein Haupt ge
legt, habe Ich diesem Meinem Weihe gegeben.
königlichen Rechte
Die Teilnahme Meines Volkes
an heiliger Stätte die
an dieser Feier hat be
wiesen, daß seine Liebe und Treue, welche der Stolz und die Kraft Meiner
Vorfahren waren, mit der Krone auch auf Mich übergegangen sind.
Solche
Kundgebungen konnten Meinen festen Vorsatz nur stärken, Meine Königlichen Pflichten im Geiste Meiner Ahnen für das Wohl und die Größe Preußens zu üben. Mit Mir hat Preußen
Hand den Frevel gnädig
dem Allmächtigen
abwendete,
gedankt,
als Seine starke
der Mein Leben bedrohte *).
Mit
Mir beklagen Sie heute den unersetzlichen Verlust, den die Vorsehung über ein großes befreundetes Reich und über ein Königshaus verhängt hat, welches
dem Meinigen durch die teuersten Bande der Verwandtschaft verbunden ist2).
Die Lage des Landes ist im allgemeinen befriedigend: werbe und Handel zeigen Meinem Bedauern
eine
Ackerbau, Ge
fortschreitende Regsamkeit, wenn auch zu
einzelne Zweige
des Verkehrs durch Störungen in den
gewohnten Beziehungen zum Auslande leiden. *) S. S. 30 Amn. *). ') Herzog Albert von Sachsen, Gemahl der Königin Victoria von Großbritannien,
gest. 14. Dezember 1861.
Erstes Buch. 1858-1866.
32
Eisenbahnen haben wesentlich dazu beigetragen,
Die
und
Überfluß
Mangel an Bodenerzeugnissen in den verschiedenen Landesteilen auszugleichen.
Auf ihre weitere Ausdehnung bleibt die Fürsorge Meiner Regiemng
ge
richtet.
Die nach dem östlichen Asien entsendete Mission hat den größten Teil ihrer Aufgabe
den Abschluß
durch
von Verträgen mit China
und Japan
Ich hoffe, daß unser Seehandel die ihm durch diese
bereits glücklich gelöst.
Verträge eröffneten und gesicherten Bahnen mit Erfolg betreten wird. Sowohl diese beiden Verträge als der zur Erleichterung der Schiffahrt
über Ablösung
des Stader Zolles
geschlossene Vertrag
werden Ihnen
zu
verfassungsmäßiger Zustimmung vorgelegt werden.
wird bald — Ich erwarte
Das deutsche Handels - Gesetzbuch
Zuversicht — Gemeingut des
Anschlüsse
an dasselbe
von Deutschland
größten Teiles
werden Ihnen
einige
Gesetzentwürfe
es mit
sein. zu
Im
weiterer
Förderung der Interessen des Handels wie zur Regelung der Rechtsverhält nisse der Seeleute zugehen.
Von größerem Gewicht sind andere Entwürfe, welche Meine Regierung vorlegen wird.
Sie werden Ihnen beweisen, daß Ich, Meinen Grundsätzen
getreu, den Ausbau unserer Verfassung vor Augen habe.
Die Vorlagen,
die Umbildung
welche
gegenwärtig bestehender
Ein
richtungen bezwecken, geben Zeugnis, daß Meine Regierung die Reformen
nicht zurückhält, welche durch thatsächliche Verhältnisse und
das gleichmäßig
zu berücksichtigende Wohl aller Stände begründet sind.
Die Ausführung des Gesetzes vom 29. Mai v. I. wegen anderweiter
Regelung der Grundsteuer hat unter entgegenkommender und loyaler Mit
wirkung der Grundbesitzer ungeachtet der großen zu überwindenden Schwierig
keiten so erfreuliche Fortschritte gemacht, daß die rechtzeitige Beendigung des Veranlagungswerks erwartet werden darf.
Die Finanzen
des
Staates
sind in
befriedigender Lage.
Der ge
steigerte Ertrag verschiedener Einnahmezweige begründet die Hoffnung, daß ein erheblicher Teil des
zu den Kosten
für das verflossene Jahr erforderlichen Zuschusses
der Heeresorganisation seine
Deckung
in Mehreinnahmen
finden wird.
Der mit gewissenhafter Sorgfalt aufgestellte Staatshaushalts-Etat giebt für das laufende Jahr eine weitere Steigerung der Einnahmen.
durch sind die Mittel gewährt, Ausgaben Zuschuß
zu zu
bestreiten und
vermindern.
neue
den
Soweit
als nützlich
er-
Da
oder notwendig erkannte
durch die Reform des Heeres bedingten derselbe
für diesen Zweck
neben
den
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
33
1862.
Steuerzuschlägen erforderlich bleibt, welche bis zur Erhebung der regulierten
Grundsteuer nicht entbehrlich sein werden,
sich die Mittel dazu in
finden
1860.
dem noch unverwendeten Überschüsse des Jahres
wird daher
Es
voraussichtlich so wenig im laufenden Jahre wie in den beiden vorhergehenden
Jahren eine Verminderung des Staatsschatzes eintreten. Bei der Feststellung
finanziellen Bedarfs worden.
für die reorganisierte Armee
des
sind die Rücksichten
erforderlichen
strengster Sparsamkeit beobachtet
Eine weitere Ausdehnung derselben würde die Schlagfertigkeit und
Kriegstüchtigkeit des Heeres,
folglich
dessen Lebensbedingungen
und damit
die Sicherheit des Vaterlandes gefährden.
In Verfolg
der Reorganisation
wird Meine Regierung Ihnen
Entwurf in betreff einiger Abänderungen
des Gesetzes
vom 3. September
1814 über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vorlegen. bestimmt,
den seit Erlaß jenes Gesetzes unabweislich
dürfnissen
unseres Kriegswesens
Derselbe ist dazu
hervorgetretenen Be
abzuhelfen, sowie den
nungen über die Verpflichtung zum Seedienst eine
einen
geltenden Verord
gesetzliche Grundlage zu
geben.
In Bezug auf die nunmehr glücklich beseitigten Verwickelungen zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika hatte Ich
Meinen Gesandten in Washington
versehen lassen,
mit Weisungen
ihn in den Stand setzten, die Rechte
der neutralen Schiffahrt
welche
zu wahren
und der Sache des Friedens kräftig das Wort zu reden.
Meine Begegnung mit dem Kaiser der Franzosen im Laufe flossenen Herbstes hat nur dazu beitragen
können,
die bereits
des ver
bestehenden
freundnachbarlichen Beziehungen zwischen Unseren beiderseitigen Staaten noch günstiger
zu
gestalten.
Die
Verhandlungen
Regelung der Verkehrsverhältnisse
über
eine
vertragsmäßige
zwischen dem Zollverein und Frankreich
dauern fort.
eine
Meine ernsten und unausgesetzten Bemühungen,
zeitgemäße Re
vision der Wehrverfassung des deutschen Bundes
herbeizuführen, haben zu
ein befriedigendes Ergebnis
bisher noch nicht gewährt.
Meinem Bedauern
Inzwischen ist Meine Regierung bestrebt,
im Wege
der Vereinbarung mit
einzelnen deutschen Staaten eine größere Gleichmäßigkeit in den militärischen Einrichtungen
anzubahnen
und dadurch die Wehrhaftigkeit Deutschlands zu
erhöhen. Die in diesem Sinne mit der Herzoglich Sachsen-Koburg-Gothaischen Regierung
abgeschlossene Konvention
wird Ihnen
zur
verfassungsmäßigen
Zusümmung vorgelegt werden.
In gleicher Weise widmet Meine Regierung der wichtigen Angelegen-
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
3
Erstes Buch. 1858—1866.
34
heit der Verteidigung der deutschen Küsten und der Entwickelung unserer Flotte, für welche sich überall ein so erfreuliches Streben kundgegeben
und
durch patriotische Beiträge innerhalb und außerhalb Preußens bethätigt hat, ihre unausgesetzte Sorgfalt.
Wir bellagen die Verluste,
jungen Marine hoffnungsvolle Kräfte entrissen haben.
welche
unserer
Aber solche Unfälle,
die keiner Flotte erspart bleiben, können das Gewicht der Gründe,
welche
eine rasche Erhöhung unserer Wehrkraft zur See verlangen, nur vermehren.
Der zur Regelung dieser beschleunigten Entfaltung bestimmte Gründungsplan unterliegt der abschließenden Beratung Meiner Regierung. Das Bedürfnis
einer allgemeinen Reform der Bundesverfassung hat
neuerlich auch im Kreise der deutschen Regierungen von verschiedenen (Seiten Anerkennung
ausdrückliche
Preußens,
gefunden.
Treu
den nationalen
Traditionen
wird Meine Regiemng unablässig zu gunsten solcher Reformen
zu wirken bemüht sein, welche den wirllichen Machtverhältnissen entsprechend,,
die Kräfte des
zusammenfassen
und Preußen
in den Stand setzen, den Interessen des Gesamt-Vaterlandes
mit erhöhtem
deutschen Volkes energischer
Nachdruck förderlich zu werden. Zu Meinem lebhaften Bedauern ist der Verfassungsstreit in Kurhessen
noch nicht geschlichtet.
Ich will jedoch, selbst den letzten Ereignissen gegen
über, an der Hoffnung festhalten, daß den Bemühungen Meiner Regierung, welche fortwährend auf Wiederherstellung der Verfassung von 1831, unter Abänderung der den Bundesgesetzen widersprechenden Bestimmungen der selben, gerichtet sind, der endliche Erfolg nicht fehlen wird.
Meine und die Kaiserl. österreichische Regierung
sind mit der Königl.
dänischen Regierung auf deren Wunsch in vertrauliche Unterhandlungen ein
getreten, um
vorläufige Grundlage für eine Verständigung zwischen
eine
dem deutschen Bunde und Dänemark über die Frage der Herzogtümer zu gewinnen. Wir halten dabei sowohl an dem Bundesrecht als an bestimmten
internafionalen Vereinbarungen fest, und es gereicht Mir zur lebhaften Ge nugthuung, daß hierin das vollste Einverständnis
nicht nur zwischen Mir
und dem Kaiser von Österreich, sondern auch zwischen Uns und allen Unsern übrigen deusschen Bundesgenossen besteht.
Meine Herren!
Sie sind berufen, im Verein mit Meiner Regierung
die Gesetzgebung, welche in einer großen Zeit begonnen wurde, weiter zu führen. Wie jene Reformen bestimmt waren, dem Patriotismus des preußischen Volkes
ein größeres Feld der Bethätigung zu eröffnen und dadurch
dessen Aufschwung
vorzubereiten, so
erwarte Ich von der gegenwärtigen
Fortführung jener Gesetzgebung die gleiche Wirkung.
1862.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
Die Entwickelung und der Größe
unserer Institutionen muß
stehen.
unseres Vaterlandes
im Dienste
Niemals
der Kraft
kann Ich
zulassen,
inneren Staatslebens das Recht
daß die fortschreitende Entfaltung unseres
der Krone,
35
in Frage stelle oder ge
die Macht und Sicherheit Preußens
fährde. Die Lage
fordert einträchtiges
Europas
Zusammenwirken
zwischen
Mir und Meinem Volke. Ich zähle auf die patriotische Unterstützung seiner Vertreter.
19.
Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium'), Mittwoch, den 19. März 1862.
Ich beauftrage das Staats-Ministerium, wegen Ausführung der Wahlen
der Abgeordneten zum Landtage lichen Anordnungen zu treffen.
der Monarchie unverzüglich Es wird hierbei
die erforder
die Aufgabe Meiner Be
hörden sein, ebenso die gesetzlichen Vorschriften gewissenhaft zur Anwendung zu bringen, als auch den Wählern über
einen unzweideutigen Aufschluß dächtigungen
entgegenzutreten,
und
die
welche
Urteils zu verwirren bezwecken,
die Grundsätze Meiner Regierung
geben
zu
wie
sich
dem
Einflüsse von
Unbefangenheit
des
Ver
öffentlichen
dies bei den letzten Wahlen ge
zeigt hat. Ich
halte unabänderlich
an
fest
den
Grundsätzen,
welche Ich
am
8. November 1858 dem Staats-Ministerium eröffnet und seitdem wiederholt
vor dem Lande kundgegeben habe; sie werden, richtig aufgefaßt, auch ferner die Richtschnur Meiner
Regierung
irrtümlichen Auslegungen
Aber die daran geknüpften
bleiben.
haben Verwickelungen
erzeugt,
deren
glückliche
Lösung die nächste Aufgabe Meiner gegenwärtigen Regierung ist.
In weiterer Ausführung gebung und Verwaltung von
der
bestehenden Verfassung
aber ein heilbringender Fortschritt nur
gedacht werden,
besonnener und ruhiger Prüfung der Zeitlage,
zu befriedigen und
tungen zu
soll die Gesetz
freisinnigen Grundsätzen ausgehen.
Es
kann
wenn man,
nach
die wirklichen Bedürfnisse
die lebensfähigen Elemente in den bestehenden Einrich
benutzen weiß.
Dann
werden
die Reformen der Gesetzgebung
’) Das Ministerium Hohenzollern-Sigmaringen war am 11. März aufgelöst und durch
ein Ministerium
worden.
unter Vorsitz
des Prinzen
zu Hohenlohe-Ingelfingen ersetzt
36
Erstes Buch.
1858—1866.
einen wahrhaft konservativen Charakter tragen, während sie bei Übereilung,
und Überstürzung nur zerstörend wirken. Es ist Meine Pflicht und Mein ernster Wille, der von Mir be
schworenen Verfaffung und den Rechten der Landesvertretung ihre volle Geltung zu sichern, in gleichem Maße aber auch die Rechte der Krone zu wahren und sie in der ungeschmälerten Kraft zu erhalten, welche für Preußen zur Erfüllung seines Berufes notwendig ist und deren Schwächung dem Vaterlande zum Verderben gereichen würde. Diese Meine Überzeugung ist, — Ich weiß es — auch in den Herzen Meiner Unterthanen lebendig,
und es kommt nur darauf an, denselben Meine wahre Gesinnung für deren
Wohl klar und offen darzulegen. In Bezug auf Meine auswärtige und insbesondere Meine deutsche
Politik halte Ich an dem bisherigen Standpunkte unverändert fest.
Das Staats-Ministerium hat dafür Sorge zu tragen, daß die vorstehend von Mir ausgesprochenen Grundsätze bei den bevorstehenden Wahlen zur
Geltung gebracht werden.
Dann darf Ich mit Zuversicht erwarten, daß
alle Wähler, welche Mir und Meinem Hause in Treue anhängen, Meine
Regierung in vereinigter Kraft unterstützen werden. Ich beauftrage das Staats-Ministerium, hiernach die Behörden mit An
weisung zu versehen und allen Meinen Beamten ihre besondere Pflicht in
Erinnerung zu bringen. Berlin, den 19. März 1862. Wilhelm.
A. Prinz zu Hohenlohe, Graf v. Jtzenplitz.
von der Heydt,
v. Mühler.
v. Roon.
Graf v. Bernstorff.
Graf zur Lippe,
v. Jagow.
An das Staats-Ministerium.
20. Rede ;ur Eröffnung des Landtags, Montag, den 19. Mai 1862.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häufem des Landtags! Seine Majestät der König haben mir ’) den Auftrag erteilt, den Land tag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen. *) Ministerpräsident Prinz zu Hohenlohe-Jagelfingen.
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1862.
37
Die Regierung Sr. Majestät hält es für ihre Pflicht, Ihre Thätigkeit
in der heute
beginnenden
nehmen,
es
als
zur
Sitzungsperiode
nicht länger in
Anspruch
zu
Angelegenheiten
not
gestalten sich fortschreitend günstiger.
Zu
der
Erledigung
dringendsten
wendig ist. Die Finanzen des Staates
den Kosten der Heeresorganisation hat es des in dem Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1861 in Aussicht genommenen Zuschusses aus
schätze nach
dem
inzwischen
dem Staats
erfolgten Jahresabschlüsse nicht bedurft;
die
Mehreinnahmen dieses Jahres haben den Bedarf noch überstiegen.
Des Königs Majestät haben
zur
daß
genehmigt,
Erleichterung
des
Landes die Steuerzuschläge vom 1. Juli d. I. ab nicht weiter in Anspruch
genommen werden.
Aus den Ihnen ungesäumt vorzulegenden Staatshaus
halts-Etats für die Jahre 1862 und 1863 werden Sie
hierdurch
im
entstehende Einnahme-Ausfall durch
Bereiche der
ersehen, daß der
zeitweilige
Einschränkungen
den Ausgaben
durch Ersparnisse an
Militärverwaltung,
für die Staatsschulden und durch höhere Einnahmen vollständig gedeckt wird
und daß
daneben noch Mittel zu nützlichen Verwendungen auf allen Ge
bieten der Staatsverwaltung verfügbar bleiben. Die größere Spezialisierung
der
Einnahmen und Ausgaben
Staatshaushalts-Etats und die zeitige Vorlegung des Etats
werden Ihnen die Überzeugung
1863
gewähren,
in
den
für das Jahr
daß die Regierung Sr.
Majestät ausführbaren Anträgen der Landesvertretung
gern zu entsprechen
bereit ist. Die Ausführungsarbeiten
zur
anderweiten Regelung
der Grundsteuer
sind bis zum Abschluß des ersten wichtigen Stadiums, der vorläufigen Fest
stellung des Klassifikationstarifes durch die Centralkommission, gelangt. Wiederholte Erwägungen haben haushalt
letzung
zwar
der
vorübergehend
weitere Ersparnisse in dem Militär
ausführbar
Lebensbedingungen der
erscheinen
lassen.
Heeresorganisation können
schränkungen jedoch nur so lange stattfinden,
bis in
Ohne diese
Ver Be
der Grundsteuer eine
neue Einnahmequelle sich eröffnet haben wird. Giebt die Regierung Sr. Majestät hierdurch Zeugnis, daß sie die Er
ledigung der in früheren Sessionen erhobenen Bedenken bereitwillig anstrebt, so ist sie auch zu erwarten berechtigt, daß bei Beurteilung
unserer Armee-
Einrichtung und unserer Armee-Bedürfnisse die Rücksichten für die
auf der
ungeschmälerten Tüchtigkeit der Armee beruhende Unabhängigkeit und Sicher
heit des Vaterlandes maßgebend sein werden.
Das auf die Verteidigung der deutschen Küsten gerichtete Streben Sr.
Erstes Buch. 1858-1866.
38
Majestät wird in den jetzt schwebenden kommissarischen Beratungen von Vertretern fast aller deutscher Staaten hoffentlich eine wesentliche Förderung.
finden.
Mit gleichem Interesse bleibt das
eifrige Bemühen der Königl.
Regierung der weiteren Entwickelung unserer Flotte zugewandt.
Die Eisenbahnen erfreuen sich eines steigenden Verkehrs. Die Regierung Sr. Majestät wird bestrebt sein, in denjenigen Teilen des Landes, welche
dieses Kommunikationsmittels noch entbehren, den Eisenbahnbau zu fördern. Es
wird Ihnen
eine
auf die Erweiterung des vaterländischen Eisenbahn
netzes bezügliche Vorlage zugehen.
Die Landwirtschaft und der Gewerbfleiß werden auf der internationalen Ausstellung in London
den
ehrenvollen Rang behaupten, welchen
sie in
früheren Ausstellungen erworben haben. Die Verhandlungen über eine vertragsmäßige Regelung der Verkehrs
verhältnisse
zwischen dem Zollverein und Frankreich
haben zu einer Ver
ständigung geführt. Die Regierung Sr. Majestät ist dabei, im Einver ständnisse mit ihren Zollverbündeten, von der Überzeugung geleitet worden,
daß es nicht bloß darauf ankomme, dem Zollverein für seine Erzeugnisse, seine Schiffahrt und seinen Handel die Rechte der am meisten begünstigten
Nation in Frankreich zu sichern, sondem daß die Fortschritte der wirtschaft lichen Entwickelung und Erkenntnis
es erheischen, den Zollvereinstarif im
ganzen im Sinne der Verkehrsfreiheit umzugestalten. Daß die Aussicht auf eine solche Umgestaltung manche Besorgnisse er
regen werde, war zu erwarten.
Es ist aber erfreulich,
daß diese Besorg
nisse schon jetzt einer richtigen Erkenntnis der Vorteile, welche die Erweite rung des Marktes darbietet, zu weichen beginnen.
regiemngen
haben ihr Einverständnis bereits zu
damnter die Königl. sächsische
Mehrere Zollvereins-
erkennen gegeben, und
Regierung, welche durch den Umfang und
die Vielseitigkeit des eigenen Gewerbfleißes auf die Würdigung der gewerb
lichen Interessen
vorzugsweise hingewiesen ist.
Wir zählen darauf, daß
auch die übrigen Zollvereinsregierungen, indem sie dem Gesichtspunkte der
Förderung der materiellen Interessen des Zollvereins treu bleiben, einem Werke ihre Zustimmung erteilen
werden, welches der Ausgangspunkt für
einen neuen Aufschwung in der wirtschaftlichen Entwickelung des Vereins
zu werden verspricht.
Außer den Verträgen mit Frankreich werden Ihnen Handels- und Schiffahrtsverträge mit der Pforte, mit Japan, China,
Siam und Chile,
sowie der Vertrag über Ablösung des Stader Zolles und einige mit deutschen
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
Regierungen
abgeschlossene
Militärkonventionen
1862.
zur
39 verfassungsmäßigen
Zustimmung vorgelegt werden. Die Unterhandlungen mit der Königl. dänischen Regierung haben noch
Ihr Erfolg wird davon abhängen, ob Däne
zu keinem Ergebnis geführt. mark die Deutschland
gegenüber
durch
von
das Abkommen
1852
über
nommenen Verpflichtungen zu erfüllen sich entschließen wird.
In der Frage der deutschen Bundesreform hält die Könrgl. Regiemng an dem Standpunkte fest, welchen sie eingenommen hat. In der kurhessischen
Verfassungsfrage
ist
es
unablässigen
den
Be
mühungen der Regierung Sr. Majestät gelungen, bei fast allen deutschen Regierungen endlich der Überzeugung Anerkennung zu verschaffen, daß die Verfassung von 1831, ausschließlich der bundeswidrigen Bestimmungen der selben, wiederhergestellt werden muß, und Österreich hat sich zu diesem
Zwecke zu einem gemeinsamen Anträge am Bunde mit ihr vereinigt, dessen nunmehrige unverweilte Annahme zu erwarten steht. direkt
entgegentretende,
das Rechtsgefühl
diesem Anträge
Das
des Landes tief verletzende
neue
Wahlverfahren wird, dem ausdrücklichen Verlangen Preußens und dem von der Bundesversammlung an die Kurfürstliche Regierung gerichteten Ersuchen
gemäß, nicht scheidung
zur Durchführung
nunmehr
kommen.
Daß
auch die schließliche Ent
zu gunsten der Verfassung von
ohne weitere Zögerung
1831 erfolge, dafür wird die Regierung Sr. Majestät Sorge tragen.
In
Bezug auf einen hierbei eingetretenen Jncidenzfall sieht die Regierung Sr. Majestät noch bestimmten Erklärungen der Kurfürstlichen Regierung entgegen
und wird in jedem Falle die Würde Preußens zu wahren wissen.
Für Wissenschaft und Kunst
werden
größere Mittel in Anspruch ge
nommen, welche Sie gern bewilligen werden.
Die
organischen Gesetze,
Monarchie vorgelegt waren,
deren Entwürfe dem
letzten
Landtage
der
werden erst während der im nächsten Winter
zu eröffnenden Sitzungsperiode des Landtags zur Erledigung gelangen können.
Die Regiemng Sr. Majestät
hält
fest
an
den prinzipiellen Grund
lagen, auf welchen jene Gesetzentwürfe beruhen, und wird dieselben in diesem
Sinne durchzuführen bestrebt sein.
wortlichkeit der Minister und
Die Gesetzentwürfe,
die Kreisordnung,
betr.
werden
die Verant
der bereits
be
gonnenen Beratung nicht entzogen werden. Meine Herren! Die Regiemng wird, unbeirrt durch den Drang wechseln der Parteiungen
mit
kannten Gmndsätze,
Regentschaft und
Ernst und
Eifer bemüht sein,
welche Se. Majestät
der
König
die
allgemein
be
bei Übemahme
der
seitdem wiederholentlich den Räten der Krone als Richt-
40
Erstes Buch. 1858-1866.
schnür für die Verwaltung des Landes bezeichnet haben,
betretenen Wege durchzuführen.
die Rechte der Krone,
auf dem
bisher
Sie wird, diesen Grundsätzen gemäß, wie
so auch die verfassungsmäßigen Rechte der Landes
vertretung gewissenhaft wahren.
Sie giebt sich aber auch der Hoffnung hin,
daß Sie, meine Herren, ihr bei den zur Aufrechterhaltung der Ehre und
Würde Preußens, sowie zur Förderung aller Zweige
friedlicher Thätigkeit
nötigen Maßregeln Ihre patriotische Unterstützung nicht versagen werden.
Auf Befehl Sr. Majestät des Königs erkläre ich nunmehr den Land tag der Monarchie für eröffnet und ersuche die Mitglieder des Herrenhauses,
ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, die Mitglieder des Abgeordnetenhauses
aber, zur Konstituierung ihrer Versammlung zu schreiten.
21. Hebex) ;um Schluß des Landtags, Montag, den 13. Oktober 1862.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Regierung Sr. Majestät des Königs hat Ihnen bei dem Beginn
Ihrer Berathungen die Gründe dargelegt, welche sie bewegen mußten, Ihre Thätigkeit nur für die Erledigung der dringendsten Angelegenheiten in An spruch zu nehmen.
Die Ihnen gemachten Vorlagen haben sich daher vor
nehmlich auf die Finanzgesetze für die lanfende Verwaltung, auf eine Reihe
von Staatsverträgen und mehrere Gesetzentwürfe beschränkt, deren baldige
Genehmigung im Interesse der materiellen Wohlfahrt des Landes wünschens wert erschien.
Unter den vorgelegten Verträgen ist der mit Frankreich
abgeschlossene
Handels- und Schiffahrtsvertrag von hervorragender Wichtigkeit.
In der
einmütigen Zustimmung, welche Sie demselben, sowie dem Gesetze über die Eingangs- und Ausgangsabgaben erteilt haben,
erkennt die Regierung Sr.
Majestät des Königs eine Bürgschaft dafür, daß die wirtschaftlichen Gmndsätze, auf welchen der Vertrag beruht, fortan die Grundlage der Handels
politik Preußens bilden werden.
Diese in der
Notwendigkeit der Ent
wickelung des freien Verkehrs begründete Politik ist dem preußischen Staate durch
seine Interessen und seine Traditionen
vorgezeichnet und auch
von
einem Teile seiner Zollverbündeten als dem Bedürfnisse des gesamten Zoll
vereins entsprechend bereits anerkannt. *) Ministerpräsident v. Bismarck.
1862.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
41
Zur Sicherung und Erweiterung unseres Handels mit dem Auslande
werden die
von Ihnen
genehmigten Verträge mit Japan,
der Pforte und Chile beitragen,
China, Siam,
die Ablösung des Stader Zolles
während
und die Einstellung der Erhebung der Mosel-Schiffahrts-Abgaben dem innern
wie dem äußern Verkehr zum Vorteil gereichen.
Durch das Gesetz
wegen Aufhebung des Orts-Brief-Bestellgeldes ist
dem brieflichen Verkehr eine erwünschte Erleichterung zugewendet worden. Das Gesetz über die Bergwerksabgaben gewährt dem inländischen Berg
bau eine wesentliche Unterstützung, und es steht zu erwarten, daß derselbe mit dieser Aushilfe
eine
gewinnen und damit die Be
erhöhte Kräftigung
sorgnisse wegen einer erweiterten Konkurrenz der
ausländischen Berg- und
Hüttenindustrie sich zerstreuen werden.
Durch die Bewilligung von Küstrin nach Berlin und
der Mittel zur
Herstellung der Eisenbahnen
von Kohlfurt und Görlitz nach Waldenburg,
sowie durch die Gewähmng der Zinsgarantie für die Anlage
einer Eisen
bahn von Halle nach Heiligenstadt und Kassel ist die Ausführung wichtiger Eisenbahnverbindungen
ermöglicht,
welche den allgemeinen Verkehr fördem
und zur Hebung des Wohlstandes
in mehreren, der Aufschließung
neuer
Erwerbsquellen bedürftigen Landesteilen beitragen werden.
Den mit den
Regierungen
der Herzogtümer
Sachsen-Koburg-Gotha
und Sachsen-Altenburg und des Fürstentums Waldeck abgeschlossenen Militär
konventionen haben Sie Ihre Zustimmung
gewährt, indem Sie sich
mit
dem Bestreben der Regierung einverstanden erklärten, auf diesem Wege den
Mängeln der deutschen Bundes-Kriegs-Verfassung wenigstens zu einem Teile
abzuhelfen. Wenn dagegen bei dem Gesetzentwurf über das Paßwesen eine Über
einstimmung der
beiden Häuser des
können, so bleibt zu bedauern,
schub erleidet.
Landtags nicht
hat erreicht
werden
daß die damit bezweckte Reform einen Auf
Die Regierung Sr. Majestät wird jedoch im Verwaltungs
wege die zulässigen, den gegenwärtigen Verhältnissen des Reiseverkehrs ent
sprechenden Erleichterungen herbeiführen. Die Regierung
Sr. Majestät
des Königs
hat zu beklagen, daß die
Beratungen über den Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1862 zu einer ge setzlichen Feststellung desselben nicht geführt haben.
Sie
glaubt seit dem
Beginn der Session ihre Bereitwilligkeit bethätigt zu haben, ans alle An
träge der
Landesvertretung,
welche sie
ohne Benachteiligung
Staatsinteressen für ausführbar halten durfte,
einzugehen.
wesentlicher
In diesem Be
streben wurde der Staatshaushalts-Etat für das laufende Jahr in einer sehr
42
Erstes Buch. 1858-1866.
ausgedehnten Spezialität
der Titel und
1863, damit auch
dieser noch
könnte,
Durch
vorgelegt.
des Landes
auf das
zugleich
der Etat für
das Jahr
vor Ablauf des Jahres festgestellt werden
den Fortfall der Steuerzuschläge sind die Lasten
frühere Maß
zurückgeführt und
dieser Ausfall der
Staatseinnahmen vornehmlich durch eine erhebliche Ermäßigung der Militär
ausgaben ausgeglichen worden. Dagegen hat die Regierung Sr. Majestät des Königs den Beschlüssen des Hauses
der Abgeordneten, nach
wendeten Kosten
welchen die
Ausgaben für das laufende Jahr abgesetzt
können.
größtenteils
bereits ver
der Reorganisation des Heeres und andere unentbehrliche
Sie würde sich
einer
werden sollten,
schweren Pflichtverletzung
nicht beitreten
schuldig
machen,
wenn sie die auf Grund der früheren Bewilligungen der Landesvertretung
der Heeresverfassung unter Preisgebung der dafür
ausgeführte Umformung
gebrachten beträchtlichen Opfer
und
mit Beeinträchtigung der Machtstellung
Preußens, dem Beschüsse des Hauses gemäß, rückgängig machen wollte. Nachdem der Gesetzentwurf über den Staatshaushalts-Etat für das Jahr
1862 in
der von dem Abgeordnetenhause
beschlossenen Feststellung
seiner Unzulänglichkeit von dem Herrenhause verworfen worden,
wegen
findet sich
die Regierung Sr. Majestät des Königs in der Notwendigkeit, den Staats
haushalt
ohne die in
müssen.
Sie ist sich
der Verfassung vorausgesetzte Unterlage
führen zu
der Verantwortlichkeit in vollem Maße bewußt,
für sie aus diesem beklagenswerten Zustande erwächst;
der Pflichten eingedenk,
welche ihr gegen
das Land
sie
ist
obliegen,
aber
die
ebenso
und findet
darin die Ermächtigung, bis zur gesetzlichen Feststellung des Etats die Aus gaben zu bestreiten, welche zur Erhaltung der bestehenden Staatseinrichtungen
und zur Förderung der Landeswohlfahrt notwendig sind, indem sie die Zu versicht
hegt, daß dieselben seiner Zeit die nachträgliche Genehmigung
halten werden. Die Regierung durchdrungen,
Sr. Majestät des
Königs
ist
von
er
der Überzeugung
daß eine gedeihliche Entwickelung unserer Verfassungsverhält
nisse nur dann erfolgen kann, wenn jede der gesetzlichen Gewalten ihre Be fugnisse mit derjenigen Selbstbeschränkung ausübt, welche durch die Achtung
der gegenüberstehenden Rechte und durch das verfassungsmäßige Erfordernis der freien Übereinstimmung der Krone und eines jeden der beiden Häuser des Landtags geboten ist.
Die Regierung Sr. Majestät zweifelt nicht, daß
die Entwickelung unseres Verfassungslebens an der Hand der Erfahrung auf diesem Wege fortschreiten und daß auf dem Grunde der gemeinsamen Hin gebung für die Macht und Würde der Krone und für das Wohl des Vater-
43
1862.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
landes auch die jetzt hervorgetretenen Gegensätze
ihre Ausgleichung finden
werden. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.
22.
Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium. Sonnabend, den 6. Dezember 1862.
Es sind Mir aus
den verschiedenen Teilen
der Monarchie zahlreiche
Adressen zugekommen, welche aus dem Wunsche und Bedürfnisse vieler her vorgegangen sind, Mir von den im Lande fortdauernden Gesinnungen un geschwächter
Treue und
Deputationen
zu
Ergebenheit Zeugnis
überreichten Adressen
geben.
Mir
Die
von
habe Ich unmittelbar beantwortet;
in
betreff der übrigen aber beauftrage Ich das Staats-Ministerium, den Teil
nehmern
kundzuthun,
daß
Herzen wohlgethan hat,
es Meinem
Erklärungen ebensosehr den lebendigen Ausdruck
in
ihren
der Anhänglichkeit an das
angestammte Herrscherhaus und eine vertrauensvolle Würdigung Meiner seit fünf Jahren dem Volke vorliegenden landesväterlichen Absichten zu erkennen, als die Überzeugung von der Notwendigkeit der Erhaltung des verfassungs
mäßigen Königlichen Regiments besondere
mit
Befriedigung
ausgesprochen
wahrgenommen,
zu
finden.
Ich
habe ins
die Reorganisation
daß
der
Armee, welche lediglich in der gesetzlichen allgemeinen Wehrpflicht begründet ist, als eine zweckmäßige, die ältern Wehrpflichtigen erleichternde und dennoch
für die dauernde und
größere
Kriegsbereitschaft
Maßregel eine zunehmende Anerkennung
gewinnt.
des Landes
Es
unerläßliche
bestärkt Mich
dies
in der Hoffnung, daß eine richtige Auffassung Meiner, nur der Wohlfahrt
Meines Volkes
gewidmeten
Bestrebungen
zu
einer
baldigen
Lösung
der
schwebenden Verwickelungen führen und das gegenseitige Vertrauen befestigen
wird, in
welchem Preußen die Kraft
gefunden
hat,
unter der Führung
Meiner Vorfahren auch die schwersten Kämpfe ruhmvoll zu bestehen. Berlin, den 6. Dezember 1862.
Wilhelm. An das Staats-Ministerium.
v. Bismarck.
44
Erster Buch. 1858-1866.
23. Rede ptr Eröffnung -es Landtags, Mittwoch, den 14. Januar 1863.
Erlauchte, edle und geehrte Herrm von beiden Häusern des Landtags. Se. Majestät der König haben mir *) den Auftrag zu erteilen gemht,
den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.
Die Regierung Sr. Majestät begrüßt Sie mit dem lebhaften Wunsche, daß es in dieser Sitzungsperiode des Landtags gelingen möge, über die im
vorigen Jahre ungelöst gebliebenen Fragen eine dauemde Verständigung
herbeizuführen.
Es wird dieses Ziel erreicht werden,
fassung der Stellung der Landesvertretung
wenn in der Auf
unsere Verfassung
als die ge
gebene Grundlage festgehalten wird, und wenn die gesetzgebenden Gewalten unter gegenseitiger Achtung ihrer verfassungsmäßigen Rechte in der Förderung der Macht und Wohlfahrt des Vaterlandes ihre gemeinsame Aufgabe finden.
Unter den Gegenständen, welche Sie beschäftigen werden, tritt die Fest
stellung des Staatshaushalts-Etats in den Vordergrund.
Die Lage der Finanzen darf als eine durchaus befriedigende bezeichnet
werden. Die Staatseinnahmen sind im verflossenen Jahre so ergiebig gewesen,
daß sie den Voranschlag bei den meisten Verwaltungszweigen ansehnlich
überstiegen haben und die Mittel darbieten werden, die Staatsausgaben des
vorigen Jahres mit Einschluß aller außerordentlichen Bedürfnisse vollständig zu decken. Das in dem Entwürfe zum Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1862 veranschlagte Defizit wird daher, wie schon bei der Beratung dieses
Etats in Aussicht gestellt wurde, in der Wirklichkeit nicht Eintreten.
In Ermangelung eines gesetzlich festgestellten Staatshaushalts-Etats für das Jahr 1862 hat die Königliche Regiemng in erhöhtem Maße ihr Augen
merk darauf gerichtet, die Verwaltung mit Sparsamkeit zu führen; sie hat
jedoch nicht unterlassen dürfen, alle diejenigen Ausgaben zu bestreiten, welche zur ordnungsmäßigen Fortführung der Verwaltung, sowie zur Erhaltung
und Fördemng der bestehenden Staatseinrichtungen und der Landeswohl fahrt notwendig gewesen sind.
Sobald der Rechnungsabschluß gefertigt ist,
wird die Regiemng eine Vorlage über die Staatseinnahmen und Ausgaben des
abgelaufenen Jahres
einbringen und
die nachträgliche
Genehmigung,
beider Häuser des Landtags zu den geleisteten Ausgaben beantragen.
*) Ministerpräsident von Bismarck.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
45
1863.
Der Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1863 wird Ihnen von neuem
Die Ansätze desselben sind nach den inzwischen gemachten
vorgelegt werden.
Erfahrungen anderweitig geprüft und
in einzelnen Positionen den Verhält
nissen entsprechend berichtigt worden.
Infolgedessen hat das Defizit, welches
der frühere Etatsentwurf ergiebt, angemessen vermindert werden können.
Im
Hinblick auf die Ergebnisse des Staatshaushalts im verflossenen Jahre und bei der Vorsicht, mit welcher die Staatseinnahmen veranschlagt sind, erscheint
die Hoffnung Wohl begründet,
daß
dieses Defizit, wie in
auch
den Vor
jahren, durch Mehreinnahmen über den Etat seine vollständige Ausgleichung finden werde.
Die Aufstellung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr 1864 ist so weit vorgeschritten, daß der Abschluß in kurzem bevorsteht, und die Staats regierung wird denselben alsbald zu Ihrer Beratung gelangen lassen. Die Ausführung des Gesetzes wegen anderweiter Regelung der Grund
steuer ist in
erfreulicher Weise vorgeschritten
Hälfte der Gesamtfläche des
und es hat bereits etwa die
preußischen Staates zur Einschätzung gebracht
Ebenso ist auch inzwischen die Veranlagung der Gebäude
werden können.
steuer in Angriff genommen worden.
in Erfüllung
Die Regierung Sr. Majestät wird sicherung Ihnen
der gegebenen Zu
einen Gesetzentwurf zur Abänderung und Ergänzung des
Gesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. September 1814 vorlegen.
Sie giebt sich
Heeres, zu
deren
durch die
die
Machtstellung Preußens
Interesse der
hin, daß die Reorganisation des
der Hoffnung
Aufrechterhaltung
gesetzliche Feststellung
der
Regierung Sr. Majestät sich im
einmütig
verpflichtet
erachtet,
auch
zu ihrer Durchführung erforderlichen
Ausgaben nunmehr ihren vollständigen Abschluß gewinnen werde. Die nahe bevorstehende Wiederkehr des Jahrestages, an dem vor fünfzig
Jahren der
denkwürdige
Aufruf des in Gott ruhenden Königs Friedrich
Wilhelm des ®ritten Majestät an Sein Volk zur Verteidigung des Vater landes ergangen ist, enthält eine dringende Mahnung, der Hilfsbedürftigsten unter den noch lebenden Mitkämpfern jener
glorreichen Zeit zu gedenken
und es werden Ihnen deshalb entsprechende Vorlagen zugehen. Die angemessene
dringendes Interesse Sr. Majestät wird
sichtigung
der
Erweiterung des
der
Marine
zur Bewilligung der
allgemeinen
muß fortgesetzt als
Landes angesehen werden, Finanzlage
und
die
ein
Regierung
für diesen Zweck unter Berück
aufzuwendenden
Mittel Ihre Zu
stimmung in Anspruch nehmen. Mit dankbarer Erhebung haben wir es
zu
erkennen, daß durch die
Erstes Buch. 1858—1866.
46
Gnade des Allmächtigen das Land mit einer befriedigenden Ernte gesegnet
Worden ist.
völlig
Die wirtschaftlichen Zustände deS Landes würden demnach ein
befriedigendes Bild darbieten, wenn nicht einzelne Industriezweige
unter den Wirkungen des Krieges in den Bereinigten Staaten von Nord amerika zu leiden hätten.
Der Gewerbfleiß und der Handel müssen zwar noch der Vortelle entbehren, welche sie infolge der Handelsverträge mit Frankreich zu erwarten
berechtigt waren; es steht jedoch für die Regierung Sr. Majestät der Ent schluß fest, daß denselben diese Vorteile nicht über den Zeitpunkt hinaus vorenthalten bleiben sollen, zu welchem die Verpflichtungen lösbar werden,
die gegenwärtig noch der Ausführung jener Verträge entgegenstehen. Die Regierung Sr. Majestät ist mit Eifer und Nachdruck dahin zu
wirken bemüht,
versehen werden,
daß allmählich auch diejenigen Landesteile mit Eisenbahnen
welche dieses wichtigen Kommunikationsmittels noch nicht
teilhaftig geworden
sind.
Sie hat die Privatunternehmungen,
dieser Richtung in Anregung
auch
welche in
gekommen, nach Kräften gefördert und hofft
in dieser Sitzungsperiode Ihnen wegen Herstellung
neuer Schienen
verbindungen, die in der Vorbereitung begriffen sind, Vorlagen machen zu
können.
Durch Verbesserung der Deichanlagen und durch
Entwässerung von
Mederungen ist die Regierung Sr. Majestät fortgesetzt bemüht gewesen, die nutzbare Bodenfläche zu vermehren und cs
sind auch
im einzelnen erfreu
liche Erfolge erzielt worden. Nicht minder hat die Königliche Regierung der Förderung der Wissen
schaft und Kunst ihre angelegentliche Fürsorge gewidmet und bezweifelt nicht, daß Sie die für diese Zwecke
im Etat ausgesetzten Mittel
gem bewilligen
werden.
Es werden mehrere Gesetzentwürfe Ihrer Prüfung übergeben werden, welche teils provinzielle Interessen betreffen, teils die Abänderung der Ge setzgebung für einzelne besondere Rechtsgebiete bezwecken, und unter letzteren auch
ein Gesetzentwurf zur Ergänzung der deutschen Wechselordnung und
der Entwurf eines Gesetzes über die Gerichtsbarkeit der Konsuln, für welche
von dem Hause der Abgeordneten in der letzten Sitzungsperiode eine gesetz
liche Regulierung beantragt worden. Die Lage der Verhandlungen über den Entwurf einer Kreisordnung,
welcher im vorigen Jahre dem Landtage der Monarchie vorgelegt wurde, hat es ratsam erscheinen lassen, zur näheren Erörterung provinzieller Ver
hältnisse auf
diesem Gebiete zuvörderst noch die Provinzialstände zu ver-
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
nehmen.
An diese Gutachten
1863.
47
werden sich weitere Vorberatungen knüpfen,
welche es jetzt nicht übersehen lassen, ob ein Gesetzentwurf über diesen wich
tigen Gegenstand die nach
alsbald
werde vorgelegt
Desgleichen ist
werden können.
dem bisherigen Gange der legislativen Verhandlungen für not
wendig erachtete anderweitige sorgfältige Prüfung des Bedürfnisses zur Ab
änderung
der
Gesetze
über
die ländliche Polizeiverfassung und
über die
Kommunalverfassungen in den verschiedenen Provinzen der Monarchie noch
nicht soweit zum Abschluß gelangt,
daß
gegenwärtige Sitzung
Vorlagen für die
die dem Landtage
zu machenden
mit Sicherheit in Aussicht gestellt
werden könnten.
Die Regierung Sr. Majestät wird jedoch die erforderliche Fortbildung
den bezeichneten weitgreifenden Gebieten zum Gegen
der Gesetzgebung auf
stände ihrer unausgesetzten Thätigkeit machen.
Die
Beziehungen
der
Sr. Majestät zu den auswärtigen
Regierung
Mächten sind im allgemeinen befriedigende. Den nachhaltigen Bemühungen der Königlichen Regierung ist
es ge
lungen, die von ihr in Hessen vertretene Politik sowohl bei der Kurfürstlichen
als bei den andern deutschen Regierungen zur Geltung zu bringen und so dem benachbarten Kurstaate Aussichten auf eine geordnete Entwickelung seines
Verfassungslebens zu gewähren,
auch durch die neuesten aus Kassel
welche
gemeldeten Vorgänge nur vorübergehend getrübt werden können. In Verfolg der von einer Anzahl deutscher Bundesregierungen an das
Königliche Kabinet gerichteten identischen Noten vom Monat Februar v. I.
sind von denselben Regierungen in der Bundesversammlung Anträge gestellt
worden,
welche
weniger durch
ihren Inhalt,
als
die auf sie an
durch
gewandte Auslegung der Bundesverträge eine prinzipielle Bedeutung für die Stellung Preußens
gierung ist
auch
zum
Bundestage
ihrerseits
von
erlangt haben.
der Überzeugung
Die Königliche Re
durchdrungen, daß
die
Bundesverträge in der Gestalt,
wie sie 1815 geschlossen wurden, den ver
änderten Zeitverhältnissen nicht
entsprechen.
der Pflicht bewußt und entschlossen, dieser Pflicht als Vorbedingung
Vor
allem
aber ist sie
sich
die volle Gegenseitigkeit in Erfüllung
des Fortbestandes
solcher Verträge zu be
handeln. Die Regierung Sr. Majestät wird
ratungen von dem
ernsten Bestreben
in der Teilnahme
an Ihren Be
das
einmütige Zu
geleitet
werden,
sammenwirken mit den beiden Häusern des Landtags zu erreichen,
welches
als eine wesentliche Bedingung für die lebensvolle Entwickelung aller staat lichen Verhältnisse
betrachtet werden
muß.
Ein segensreicher Erfolg
der
Erstes Buch. 1858-1866.
48
gemeinschaftlichen Thätigkeit wird von
der
allseitigen Hingebung für das
Wohl des Landes und die Ehre der Krone erwartet werden dürfen. Auf Befehl Sr. Majestät des Königs
erkläre
ich
den Landtag der
Monarchie für eröffnet.
24. Allerhöchster Erlaß an das Abgeordnetenhaus, Dienstag, den 8. Februar 1863. Ich habe die Adresse, 29. v. M. an Mich
zu
welche das Haus der Abgeordneten unter dem
richten
beschlossen hat,
empfangen.
Ihr Inhalt
sowohl als der Weg, auf welchem dieselbe Mir zugegangen ist, lassen Mich
glauben,
es
daß
denr Hause darum
zu
thun ist,
schauung und Willensmeinung kennen zu lernen. Vermittelung Meiner Minister,
Meine persönliche An
Deshalb richte Ich, ohne
Mein königliches Wort
an das Haus
der
Abgeordneten. Die Adresse des
Hauses
bekundet
einen tiefgreifenden Gegensatz in
zu Meiner Regierung.
wird
Es
der Stellung
die Anschuldigung
gegen
Meine Minister erhoben, daß sie nach dem Schluß der letzten Sitzungs periode des
Landtags
verfassungswidrig
die Verwaltung ohne gesetzlichen
Etat fortgeführt, daß sie auch solche Ausgaben, welche durch Beschlüsse des
Hauses ausdrücklich abgelehnt worden seien,
Verletzung des Artikel 99
verfügt und sich dadurch einer
der Verfassungsurkunde schuldig gemacht hätten.
Zwar hat das Haus der Abgeordneten mit Recht jeden Zweifel an Meinem ernsten und gewiffenstreuen Willen,
erhalten, ausgeschlossen,
die Verfassung des Landes aufrecht zu
dasselbe hat aber Anordnungen Meiner Regiemng,
welche mit Meiner Genehmigung getroffen worden, als Thatsachen zur Be gründung der Beschwerde über Verfassungsverletzung angeführt. Ich würde jene Anordnungen nicht zugelassen haben, wenn Ich darin
eine Verfassungsverletzung hätte erkennen können, und muß die gegen Meine
Regierung erhobene Beschuldigung als unbegründet aus voller Überzeugung
zurückweisen. Das
Haus der Abgeordneten hatte von
seinem
verfassungsmäßigen
Rechte der Mitwirkung bei Feststellung des Staatshaushalts in einer Weise Gebrauch gemacht, daß es Meiner Regierung, wie dieselbe dies ohne Rück
halt wiederholl
ausgesprochen
hatte,
unmöglich
war, den unausführbaren
Beschlüssen des Hauses ihre Zustimmung zu erteilen.
Sein gleichfalls ver-
1863.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
49
fassungsmäßiges Recht ausübend, hatte das Herrenhaus den vom Hause der Abgeordneten
bis
zur Unausführbarkeit abgeänderten Staatshaushalts-Etat
für das Jahr 1862 abgelehnt. Da nun die Feststellung
dieses Etats
nach der Vorschrift der Ver
fassung für die vorjährige Sitzungsperiode des Landtags unmöglich geworden war, und
da die Verfassung
enthält, so
ist
es
für
unverständlich,
einen solchen Fall keine Bestimmungen
wenn das Haus
der Abgeordneten eine
Verfassungsverletzung darin erkennen will, daß Meine Regierung waltung ohne gesetzlich festgestellten Etat fortgeführt hat.
die Ver
Ich muß es viel
mehr als eine Überschreitung der verfassungsmäßigen Befugnisse des Hauses
der Abgeordneten
bezeichnen,
wenn das
Haus seine einseitigen Beschlüsse
über Bewilligung oder Verweigerung von Staatsausgaben als definitiv maß betrachten will.
gebend für Meine Regierung Recht der Ausgabebewilligung
als
Die Adresse
das oberste Recht
bezeichnet das
der Volksvertretung.
Auch Ich erkenne dies Recht an und werde es achten und wahren, soweit es in der Verfassung
seine Begründung findet.
Ich muß aber das Haus
darauf aufmerksam machen, daß nach der Verfassung die Mitglieder beider
Häuser des Landtags das Volk vertreten und der Staatshaushalts-Etat nur durch Gesetz, nämlich durch einen von Mir genehmigten, übereinstimmenden Beschluß beider Häuser des Landtags der Monarchie festgestellt werden kann. War eine solche Übereinstimmung nicht zu erreichen,
so war es die Pflicht
der Regierung, bis zur Herbeiführung derselben die Verwaltung ohne Stö
rung fortzuführen.
Sie hätte unverantwortlich
gehandelt,
hätte
sie
dies
nicht gethan. Wenn die Adresse aber ausführt, daß die neue Session begonnen habe,
ohne daß Meine Regierung die Aussicht
eröffnet
zurückzukehren und
habe,
die
durch thatsächliches Entgegenkommen auch nur zu einer
geregelten Handhabung der Finanzen
Heereseinrichtungen
auf
gesetzliche Grundlagen
stützen, so muß Mich das im höchsten Grade befremden.
zu
Denn es ist dabei
gänzlich mit Stillschweigen übergangen, daß in der Eröffnungsrede des all gemeinen Landtags der Monarchie die Vorlage des Budgets pro 1863 und
1864, die Vorlage einer Ergänzung zum Gesetze vom 3. September 1814 über die Verpflichtung zum Kriegsdienste angekündigt worden und außerdem
behufs nachträglicher Genehmigung
durch
das Haus der Abgeordneten die
Vorlegung der Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben
pro 1862 zu
gesagt worden ist, welche zu dem von Meinem Finanzminister angegebenen
Zeitpunkte erfolgen wird.
Wie kann das Haus der Abgeordneten sich danach
der Einsicht verschließen, daß Meine Regierung es Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
sich dringend angelegen
4
Erstes Buch. 1858-1866.
50
sein läßt, die Finanzverwaltung des Staates sobald als möglich wieder auf eine gesetzliche Basis zu stellen?
Konflikts
von
Veranlassung
des
eingetretenen
städtischen Korporationen und
aus
der Mitte der Bewohner vieler Kreise
Wenn
in
mehreren
des Landes Mir zahlreiche Adressen überreicht worden sind, in denen die Unterzeichner Mir ihre persönliche Ergebenheit und ihre Zustimmung zu den
Anordnungen Meiner Regierung ausgedrückt haben, so hat.es Mich unan genehm berührt, dieselben in der Adresse des Hauses der Abgeordneten als
eine kleine, der Station seit lange entfremdete Minderheit bezeichnet zu sehen. Ich habe diese Kundgebungen aus
allen Ständen und Klassen Meiner ge empfangen und
treuen Unterthanen mit Befriedigung
muß
den Vorwurf,
daß die Teilnehmer in Treue und Hingebung für ihr preußisches Vaterland gegen andere zurückstehen, als ungerechtfertigt um so mehr zurückweisen, als
dem Hause der Abgeordneten nicht unbekannt geblieben sein kann, was Ich
auf jene Adressen
geantwortet und
wie Ich Meinen Dank persönlich aus
gesprochen habe.
Das Haus der Abgeordneten
hat ferner eine Beschwerde über Miß
brauch der Regierungsgewalt vorgetragen und zur Begründung derselben auf die Maßregeln Meiner Regierung
männer und auch
gegen einzelne Beamte und
gegen die Presse Bezug
genommen.
Landwehr
Da hierbei jedoch,
wie
nicht behauptet worden, die gesetzlichen Befugnisse der Behörden in
Übung der Disziplin nicht überschritten worden sind und da über die vor gekommenen Ausschreitungen der Presse lediglich Unsere Gerichte zu erkennen
haben, so war der Landesvertretung keine hinreichende Veranlassung gegeben, sich mit den berührten Vorgängen zu beschäftigen und sie zum Gegenstand
ihrer Beschwerde zu machen.
Das Haus
der Abgeordneten
wird die in der
Verfassung
den ver
schiedenen Gewalten gesetzten Schranken anzuerkennen haben; denn nur auf
dieser Grundlage ist eine Verständigung hinsichtlich derjenigen Gebiete mög lich,
auf welchen ein Zusammenwirken Meiner Regierung mit der Landes
vertretung erforderlich ist.
Ich
beklage tief den Widerstreit der Ansichten,
der in betreff der Festsetzung des Staatshaushalts-Etats sich entwickelt hat. Es kann aber
eine Vereinbarung über den Etat nicht durch Preisgebung
der verfassungsmäßigen Rechte der Krone und des Herrenhauses erwirkt, es kann nicht,
weigerung
der Verfassung entgegen, das Recht der Bewilligung und Ver der Staatsausgaben ausschließlich
neten übertragen werden. Mich
vererbten und
Es ist
auf das Haus der Abgeord
Meine landesherrliche Pflicht, die auf
verfassungsmäßigen
Machtbefugnisse der Krone
un-
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
geschmälert zu
bewahren,
1868.
51
weil Ich darin eine notwendige Bedingung für
die Erhaltung des inneren Friedens, für die Wohlfahrt des Landes und für das Ansehen Preußens in seiner europäischen Stellung erkenne. Nachdem Ich
seit
einem Jahre durch verminderte Anforderungen an
die Leistungen des Volkes, von nahezu vier Millionen, williges Eingehen auf
sowie durch bereit
die ausführbaren Wünsche der Vertretung desselben
bewiesen habe, daß es Mir wahrhaft darum zu thun ist, eine Ausgleichung des Widerspruchs herbeizuführen, den Meine Regierungsmaßregeln im großen
wie im kleinen gefunden haben, erwarte Ich,
neten diese
Beweise des
daß das Haus der Abgeord
nicht ferner unbeachtet lassen
Entgegenkommens
wird, und fordere dasselbe nunmehr auf, seinerseits Meinen landesväter lichen Absichten sein Entgegenkommen in
einer Art zu beweisen, daß das
Werk der Verständigung ermöglicht wird,
welches Meinem Herzen ein Be
dürfnis ist, Meinem Herzen, dessen einziges Verlangen darauf gerichtet ist, das Wohl des preußischen Volkes zu fördern und dem Lande die Stellung zu erhalten, die eine glorreiche Geschichte durch treues Zusammenhalten von
König und Volk demselben angewiesen hat.
Berlin, den 3. Februar 1863.
Wilhelm.
25.
Worte des Königs bei Entgegennahme der Adresse des Herrenhauses, Sonntag, den 8. Februar 1863.
Es muß Meinem Herzen wohlthun, in der loyalen Adresse des Herren hauses, welche Sie Mir verlesen haben, die volle Übereinstimmung mit Meinen Gesinnungen
zu finden.
Ich erkenne mit Ihnen in der Rechts
sicherheit und dem gleichen Rechtsschutze für alle die Grundlage des Staates
und aller öffentlichen Verhältnisse und werde die Wahrung des Rechts, un
beschadet seiner nach
den Bedürfnissen des Staates
fortschreitenden Ent
wickelung, stets als Meine erste und heiligste Pflicht betrachten.
dieser Grundlage in dem Widerstreit der Ansichten, Faktoren der Gesetzgebung hervorgetreten ist,
darf Ich erwarten, daß die Krisis, hinweist, ihre Lösung
auf
allseitig festgehalten wird,
fördern wird,
so
welche der Schluß Ihrer Adresse
zum Wohle des Vaterlandes
das Verständnis der Wege
Wenn an
welcher zwischen den
finden und gleichzeitig
auf welchen unser Verfassungs
leben in regelmäßiger und gedeihlicher Entwickelung fortschreiten kann.
Es
wird dies Ziel von Meiner Regierung erstrebt werden, indem sie mit Festig4*
52
Erstes Buch.
1858—1866.
leit auf dem von ihr vertretenen Standpunkte beharrt, aber jeder persön
lichen Annähemng, welche die Machtstellung Preußens im Auge behält, zu
gänglich bleibt.
Ich danke dem Herrenhause für die Unterstützung,
welche
dasselbe Meiner Regierung zugesichert hat, und für die Hingebung und das
Vertrauen, von welchem das Haus in der Adresse Mir hat Zeugnis geben wollen.
26. Urkunde für den Grundstein ;um Denkmal Friedrich Wilhelms III. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc. rc. rc., thun
hierdurch kund und fügen zu wissen, daß Wir beschlossen haben, Unserem in
Gott ruhenden Herrn Vater, des Königs Friedrich Wilhelm III. Majestät, in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin ein Reiterstandbild in Erz zu errichten *).
Wir führen damit aus, was schon Unseres vielgeliebten Bmders und Vorgängers in der Krone, des weiland König Friedrich Wilhelm IV. Ma jestät, Absicht und Wunsch war, und danken Gott, daß es Uns vergönnt
ist, den unvergeßlichen Vater zu ehren, der mit Unserer verklärten Mutter heute segnend auf Uns und Unser Haus, auf Unser Land und Volk herabblickt.
Wir legen den Gmndstein zu des Königs Denkmal heute am 17. März
im Jahre des Heils 1863 als an dem Tage, wo Friedrich Wilhelm vor fünfzig Jahren Sein Volk „zum letzten entscheidenden Kampfe für sein
Dasein und seine Unabhängigkeit" in die Waffen rief.
Es ziemt sich dieser
Tag, um in dem Heimgegangenen Heldenkönig auch Sein Volk zu ehren, das,
von Ihm neben dem stehenden Heere in Landwehr und Landsturm orga nisiert, sich wie
ein Mann
erhob und mit seinem Blute den Wahlspruch
besiegelle, den ihm sein König gegeben: land!"
„Mit Gott für König und Vater
Gott hat Unseres Königlichen Vaters und Seines Volkes Helden
kampf mit Sieg und Frieden gekrönt.
Preußen und mit ihm Deuffchland
wurden frei von schmachvoller Abhängigkeit, und
auf dem festen Funda
mente dieser selbstermngenen Unabhängigkeit, getragen von der einmütigen Liebe und
dem Vertrauen Seines Volkes, war Friedrich Wilhelm in den
Ihm dann noch beschiedenen langen Friedensjahren ein Vater Seines Landes.
Schon in den Zeiten der schwersten Bedrängnis hatte er, unterstützt von der Weisheit treuer Räte, die noch gebundenen Kräfte in der Ration frei *) Enthüllt wurde dasselbe am 16. Juni 1871.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
53
1863.
zu machen und zum selbstbewußten und selbständigen Dienst für gemeinsame
Zwecke des Vaterlandes heranzubilden und zu beleben gewußt.
nachdem der Bauernstand die Städteordnung
der
Jetzt wurden,
der Erbunterthänigkeit frei gemacht, durch
von
Bürgerstand
zur Selbstverwaltung seines Gemein
wesens berufen war und in dem Kriege das Volk in Waffen die allgemeine
Wehrpflicht als seine Ehre anerkannt hatte, die gesamte Administration des Staates, die Heeresverfassung, die Abgaben- und Steuerverhältnisse mit dem dem Könige eigenen einfachen und praktischen Sinne neu und besser gestaltet.
die Stämme der
Unter der gemeinsamen großen Gesetzgebung lernten sich der wieder- und
alten,
der neueroberten Provinzen
Eines Reiches und Regiments
kennen und
als
lebendige Glieder
fühlen und
berechtigten landschaftlichen Besonderheiten durch
sahen doch ihre
die neu verliehenen
pro
vinzialständischen Verfassungen gewahrt und berücksichtigt, der Zeit entgegen wartend, wo nach des Königs Absicht auch eine Gesamtverfassung des Staates eine gesegnete Wirklichkeit
werden könnte.
Weise Sparsamkeit seitens des
Königs, intelligentes Schaffen des Volkes in Ackerbau, Gewerbe und Handel ließen bald
die Wunden,
schlagen, vergessen; eröffnet;
die der Krieg
dem Wohlstand
neue Quellen des Erwerbs
und
des Absatzes wurden
der Zollverein, des Königs eigenster Gedanke,
strebungen für die materielle Wohlfahrt des Volkes
des Landes ge
krönte Seine Be
und war die Freude
und Ehre des Königs, der Sich als deutscher Fürst stolz fühlte und Seines Volkes Beruf für Deutschland nicht aus dem Auge ließ. Er wußte, daß des Volkes ganzer Beruf nur auf der Grundlage wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit und umfassender echter Bildung erfüllt werden
konnte.
Friedrich Wilhelm,
dessen Zeit mit Unruhe, dessen
Hoffnung in
Gott war, gab Gott die Ehre in Seiner Ehrfurcht und Seiner Liebe für
die Kirche.
Für die evangelische Kirche war Seines Herzens Wunsch Einig
keit und Liebe auf dem Grunde des Wortes Gottes und des Bekenntnisses der Väter.
Die nachkommenden Geschlechter werden Ihm noch danken für
den Grund, den Er zur wahren Union gelegt. Landes fundierte Er fest in ihrem Bestände.
Die katholische Kirche Seines
Unter Seiner Regierung wurde
es erstrebt und zum großen Teil erreicht, daß keinem im Volke die Gelegen
heit zur notwendigsten Bildung
Vaterlandes
gründete
Er in
fehlte;
in der Zeit der tiefsten Not des
der Universität
zu
deutscher Wissenschaft und in den ersten Jahren
Berlin
eine Pflanzstätte
des Friedens
eine gleiche
an der westlichen Grenze des gemeinschaftlichen Vaterlandes *).
Die Kunst
J) Bonn, gestiftet am 18. Oktober 1818.
Erstes Buch. 1858-1866.
54 verdankt
Ihm
Denkmäler,
großartige
reichliche
treffliche
Sammlungen,
Schulen.
Friedrich Wilhelm regierte ein wehrhaftes, treues und glückliches Volk.
Heute legen Wir, in Gemeinschaft mit der Königin, Unserer Gemahlin, umgeben von Unsern Brüdern und Schwestern und Unserem reichgesegneten
Königlichen Hause, umgeben
von den aus
dem
ganzen Lande zur Feier
Seines Gedächtnisses herbeigeeilten Rittern des Eisernen Kreuzes und anderen Waffengefährten
des Heldenkönigs, die,
von Ihm
geführt,
mit Ihm die
heißen Schlachten zur Befreiung des Vaterlandes geschlagen, umgeben
von
den Räten Unserer Krone, von den Vertretern Unseres Volkes und Heeres, in tiefem Dank für die große Vergangenheit und in festem Wollen und in ge
wisser freudiger Zuversicht für die Zukunft Unseres Vaterlandes Stein
zu
dem Standbild
des
edlen Königs, welches,
den ersten
gerichtet gegen das
Schloß Seiner Ahnen, dereinst umgeben von den Bildsäulen Seiner treuesten Diener, in Unserer Haupt- und Residenzstadt auf
als
ein Denkmal Unserer Liebe
alle Zeiten dastehen soll
und Verehrung, dem Volke geweiht zur
Erinnerung und zur Mahnung, wie Gott Großes gethan durch Unseres in
Gott ruhenden Vaters Majestät und wie das Haus der Hohenzollern fest
stehen wird zu Seinem Volk, Sein Volk zu Ihm. Gegenwärtige Urkunde haben Wir in zwei gleichlautenden Ausfertigungen mit Unserer Allerhöchsteigenhändigen Namensunterschrift
vollzogen und mit
Unserem größeren Königlichen Jnsiegel versehen lassen und befehlen Wir, die
eine in den Gmndstein des Denkmals niederzulegen, die andere in Unserem Staatsarchive aufzubewahren.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin am siebenzehnten
März des Jahres Eintausendachthundertdreiundsechzig. (L. S.)
Wilhelm.
27. Allerhöchste Botschaft an das Abgeordnetenhaus, MitNvoch, dm 20. Mai 1863. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc., thun kund
und fügen hiermit zu wissen: Nachdem in der Sitzung vom 11. d. M. das Präsidium des Hauses
der Abgeordneten
den Anspruch erhoben hat,
ziplinargewalt zu unterwerfen und
Unsere Minister seiner Dis
ihnen Schweigen zu gebieten,
sind da-
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1863.
55
durch die Rechte verletzt und in Frage gestellt worden, welche nach Art. 60
der Verfassungsurkunde Unseren Ministern zustehen.
Unser Staats-Ministerium hat, 11. und 16. d. M. gegen zu werden verlangte,
indem es durch
seine Schreiben
vom
ähnlicher Vorgänge sichergestellt
die Wiederkehr
dem Hause der Abgeordneten zugleich die wiederholte
Gelegenheit geboten, dem Vorgänge vom 11. d. M. jede störende Einwirkung
auf die gegenseitigen Beziehungen zu nehmen und ihn auf die Bedeutung eines vereinzelten Falles
zurückzuführen.
Das Haus
der Abgeordneten ist
diesem versöhnlichen Schritte seinerseits nicht entgegengekommen, sondern hat versagt und sich indirekt den von
die erbetene Erklärung
sidiums
am
11. d. M.
bethätigten
auf
Anspruch
eine
feiten des Prä
Disziplinargewalt
über Unsere Minister angeeignet.
Ein solcher Anspruch entbehrt
können daß
der gesetzmäßigen Grundlage, und Wir
der Würde Unserer Regierung
es
Unsere
Minister
als
Vertreter
Hauses, unter Verzichtleistung
der
nicht
für entsprechend
Krone den
erachten,
Verhandlungen
des
auf die ihnen rechtlich zustehende und ver
fassungsmäßig verbriefte selbständige Stellung gegenüber dem Hause der Ab geordneten und dem Präsidium desselben, beiwohnen.
Wir können
Lage der Dinge, leiden,
ein Ende
daher das Haus der Abgeordneten nur ermahnen,
unter welcher die
wesentlichsten
Interessen
des
einer
Landes
indem das Haus der Abgeordneten Unseren
zu machen,
Ministern die von denselben verlangte Anerkennung ihrer verfassungsmäßigen
Rechte gewährt und möglicht,
dadurch das
ohne welches
fernere
geschäftliche Zusammenwirken er
ein Ergebnis der Verhandlungen des Landtags sich
nicht in Aussicht nehmen läßt.
Gegeben Berlin, den 20. Mai 1863. Wilhelm. (Mit der Gegenzeichnung sämtlicher Minister.)
28.
Allerhöchste Botschaft an das AbgeordnetenhausDienstag, den 26. Mai 1863.
Ich habe die Adresse des Hauses der Abgeordneten
vom
22. d. M.
erhalten. Wenn die Erwiderung auf Meine Botschaft vom
20. d. M. nur der
bereits zur Beratung gestellten Adresse einleitend hinzugefügt worden ist, so
56
Erstes Buch. 1858—1866.
steht dies Verfahren mit den früher und jetzt wiederholten Versicherungen
ehrfurchtsvoller Gesinnungen gegen Mich nicht im Einklänge. Eine Bethätigung dieser Gesinnungen kann Ich in der vom Hause aus
gesprochenen Voraussetzung nicht finden, daß Mir die Absichten des Hauses
und die Wünsche des Landes nicht der Wahrheit getreu vorgetragen wären.
Das Abgeordnetenhaus
sollte
es
wissen, daß Mir die Lage des Landes
wohl bekannt ist, daß Preußens Könige in und mit ihrem Volke leben und
daß sie ein klares Auge und ein warmes Herz für die wahren Bedürfnisse des Landes haben.
Auch über die Vorgänge in der Sitzung vom 11. d. M. war Ich
genau und wahrheitsgetreu unterrichtet.
Es hätte deshalb der Einreichung
des stenographischen Berichts über dieselbe nicht bedurft. Die Thatsache steht fest, daß das Präsidium einen Meiner Minister nicht nur unterbrochen und ihm Schweigen geboten, sondem ihm auch durch
Vertagung
der
Sitzung
das
wieder
erteilte
Wort
sofort
Diesem Akte konnte keine andere Deutung gegeben werden,
entzogen
hat.
als daß es sich
um eine Anwendung der Disziplinargewalt des Präsidiums gehandelt habe.
In seinen Rückäußerungen auf die Schreiben des Staats-Ministeriums vom 11. und 16. d. M. hat das Haus der Abgeordneten sich über den Hauptpunkt auszusprechen.
umgehen.
es
vermieden,
Auch die Adresse versucht, ihn zu
Wenn es in derselben jedoch heißt:
„Das Haus hat von den Ministem keine Verzichtleistung auf ihre
verfassungsmäßige selbständige Stellung gefordert", so sehe Ich hierin neben
dem Anerkenntnis, daß die Vertreter der Krone — wie selbstverständlich — der
Disziplinargewalt des Präsidiums überhaupt nicht unterworfen sind,
insbesondere die Zusichcmng, daß auch das Haus einen unberechtigten Anspmch in dieser Beziehung nicht ferner erhebt. Hätte das Haus eine solche Äußerung rechtzeitig gethan, so würde es keine Veranlassung
zu der gmndlosen Beschuldigung gefunden haben, daß
Meine Minister durch das Abbrechen der persönlichen Verhandlung mit dem Hause die Erfüllung des Zweckes dieser Session vereitelt hätten.
Darnach
würde Ich Meine Minister haben veranlassen können, die
Verhandlungen mit dem Hause wieder aufzunehmen und
versuchen,
von neuem zu
ob und inwieweit dieselben einem befriedigenden Abschlüsse ent
gegengeführt werden konnten.
Allein das Haus hat in seiner Adresse selbst
jede Hoffnung auf ein ersprießliches Resultat der fortgesetzten Verhandlungen abgeschnitten. Die Adresse bellagt, daß in den letzten drei Monaten die Rückkehr zu
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
nicht erfolgt sei.
verfassungsmäßigen Zuständen
1863.
57
Meine Minister haben es
an den zur Erzielung eines geordneten Staatshaushalts erforderlichen Vor
Sie tragen nicht
lagen nicht fehlen lassen.
die Verantwortung dafür, daß
die Beschlußnahme über dieselben bisher nicht erfolgt ist,
Haus Zeit und Kräfte
vielmehr hat das
auf Beratungen und Diskussionen verwendet, deren
Tendenz und Form schon seit längerer Zeit Zweifel an einem die Landes
interessen fördernden Resultat der Verhandlungen erwecken mußten. Die Behauptung, ausgesprochen und
daß Meine Minister verfassungswidrige Grundsätze
bethätigt haben,
sowie
daß
die
wichtigsten Rechte der
Volksvertretung mißachtet und verletzt worden seien, entbehrt jeder thatsäch
lichen Begründung.
Es wäre Sache
des
Hauses
gewesen,
den
Nachweis
dieser Behauptung wenigstens zu versuchen und die vermeintlich mißachteten Vorschriften der Verfassungsurkunde zu bezeichnen.
jedoch nichts
weiter angeführt,
In dieser Hinsicht wird
daß Meine Minister ihre Mitwirkung
als
zur Vereinbarung eines Gesetzes über die Ministerverantwortlichkeit für jetzt
abgelehnt haben. gegenwärtigen
Ebensowenig
wie den früheren Ministern kann aber den
eine Verfassungsverletzung
gemacht werden, daß
sie
dem Grunde zum
aus
Vorwurf
eine weitere Vertagung dieser Gesetzgebung, für
welche ein bestimmter Zeitpunkt nicht vorgeschrieben ist, den Interessen des
Landes für entsprechend halten.
Die Haltung, welche die Mehrheit des Hauses beobachtet hat,
so oft
die Beziehungen Preußens zum Auslande in den Kreis seiner Erörterungen
gezogen worden sind, die
hat Mich
mit
tiefem Leidwesen erfüllt.
Man hat
auswärtige Politik Meiner Regierung aus dem schroffsten Standpunkt
des inneren Parteiinteresses beurteilt, und einzelne Mitglieder des Hauses
haben sich so weit vergessen,
mit Verweigerung der Mittel selbst zu einem
gerechten Kriege zu drohen.
Dieser Haltung entsprechen die Behauptungen
der Adresse über
die auswärtigen Verhältnisse Preußens
geknüpften Anschuldigungen gegen Meine Regierung. sprechen sie nicht.
und die daran
Der Wirklichkeit ent
Die Stellung Preußens ist nicht isolierter als die anderer
europäischer Staaten;
ebensowenig
aber,
wie die übrigen Mächte,
kann
Preußen sich unter den gegebenen Verhältnissen der Notwendigkeit entziehen,
den gegenwärtigen Bestand seiner Wehrkraft ungeschwächt aufrechtzuerhalten. Wenngleich Ich nicht gesonnen bin, patriotischen Beirat, auch in Fragen der auswärtigen Politik, von der Hand zu weisen, so kann ein solcher doch
nur dann von Wert sein,
wenn er sich auf volle Kenntnis
genden Verhältnisse und Verhandlungen stützt.
dieses
Rates aber Beschwerde
erhoben,
so
Wird
aller einschla
über Nichtbefolgung
liegt darin ein unberechtigter
58
Erstes Buch.
Versuch
des
Hauses,
1858-1866.
Kreis seiner
den
verfassungsmäßigen
Befugnis
zu
erweitern.
Unter
allen Umständen ist und bleibt
ausschließlich Mein durch
es
Artikel 48 der Verfassungsurkunde verbrieftes Königliches Recht, über Krieg und Frieden zu befinden. In dieser wie in jeder anderen Beziehung ist es Meine Pflicht, den
auf
Gesetz
und
beruhenden
Verfassung
Umfang
Königlicher
Gewalt un
geschmälert zu wahren und das Land vor den Gefahren zu behüten, welche eine
Verlegung des
Schwerpunktes
unseres
bestandes in ihrem Gefolge haben würde.
Bestreben des
Hauses
gesamten öffentlichen
Rechts
Mit allem Ernst muß Ich dem
der Abgeordneten entgegentreten,
sein
verfassungs
mäßiges Recht der Teilnahme an der Gesetzgebung als ein Mittel zur Be
schränkung
verfassungsmäßigen Freiheit Königlicher Entschließungen zu
der
Ein solches Bestreben giebt
benutzen.
Abgeordneten
seine Mitwirkung
zu der
gierung ablehnt und einen Wechsel in Meines
Regierungssystems
verlangt.
sich darin kund,
daß das Haus der
gegenwärtigen Politik Meiner Re
den Personen Meiner Ratgeber und Dem
Artikel
45
der
Verfassungs
urkunde entgegen, wonach der König die Minister ernennt und entläßt, will
das Haus Mich nötigen, Mich mit Ministern zu umgeben,
welche ihm ge
nehm sind; es will dadurch eine verfassungswidrige Alleinherrschaft des Ab Dies Verlangen weise Ich zurück.
geordnetenhauses anbahnen.
Meine Mi
nister besitzen Mein Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen sind mit Meiner
Bewilligung geschehen, und Ich weiß es ihnen dank, daß sie sich angelegen
sein lassen,
dem verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses nach
Machterweiterung entgegenzutreten. Unter der Mitwirkung,
weigern erklärt,
kann Ich
welche das Haus Meiner Regierung zu ver
nur diejenige
verfassungsmäßig berufen ist,
da
verstehen,
eine andere
zu welcher das Haus
weder von ihm
beansprucht
werden kann, noch von Meiner Regierung verlangt worden ist.
Angesichts einer solchen Weigerung, welche überdies durch den Gesamt
inhalt und die Sprache der Adresse, sowie durch das Verhalten des Hauses während der verflossenen vier Monate in ihrer Bedeutung klargestellt wird,
läßt eine fernere Dauer der gegenwärtigen Session keine Resultate erwarten;
sie würde den Interessen
des Landes weder seiner Lage noch seinen aus
wärtigen Beziehungen nach entsprechen.
Auch Ich suche, die
Sicherheit Meiner
wie Meine Vorfahren, Regierung in
dem
den Glanz, die Macht und gegenseitigen Bande
trauens und der Treue zwischen Fürst und Volk.
des Ver
Mit des Allmächtigen Hilfe
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
wird es Mir gelingen,
die sträflichen Versuche
Lockerung dieses Bandes gerichtet sind.
59
1863.
zu
vereiteln,
welche
auf
In Meinem Herzen steht das Ver
trauen auf die treue Anhänglichkeit des preußischen Volkes an sein Königs haus zu fest,
als daß es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordneten
hauses erschüttert werden sollte.
Berlin, den 26. Mai 1863.
Wilhelm.
29. Rede;um Schluß des Landtags, Mittwoch, den 27. Mai 1863.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König haben mir') den Auftrag zu erteilen geruht,
die Sitzungen
der Monarchie in Aller
beiden Häuser des Landtags
der
höchst Ihrem Namen zu schließen. Die Regierung Sr. Majestät hatte bei der Eröffnung dieser Sitzungs
periode den Wunsch und
das Bestreben
kundgegeben,
einmütiges Zu
ein
sammenwirken mit den beiden Häusern des Landtags herzustellen.
stehende Verfassung
und die
gemeinsame Hingebung
für
das
Die be
Wohl des
Landes und die Ehre der Krone war als die Grundlage bezeichnet worden,
auf welcher dieses Ziel
Nach dem Ergebnis der
zu erreichen sein werde.
Thätigkeit des Landtags in den verflossenen vier Monaten ist dieser Wunsch
jedoch im wesentlichen unerfüllt geblieben. gesetze, welche zwecken,
Es
sind zwar
einige Spezial
erwünschte Verbesserungen der bestehenden Gesetzgebung be
zur Erledigung gekommen.
Auch
haben die Vorschläge
zur Ver
besserung der Lage der hilfsbedürftigen Invaliden die Zustimmung des Land tags erhalten.
Ebenso kann
mit Befriedigung
hervorgehoben werden, daß
die Übereinstimmung der Elbuferstaaten über die Regulierung des Elbzolles, und Schiffahrtsverträge mit der
sowie die
Handels-
Regierung
eine bereite Aufnahme
gefunden.
Königlich belgischen
Dagegen ist
die
Beratung
des Staatshaushalts-Etats für das laufende Jahr, obwohl derselbe sogleich
mit dem Beginne der
Sitzungen
vorgelegt worden,
nicht
zum Abschluß
gebracht. Das Haus
der Abgeordneten ist schon durch die Kundgebungen,
welchen der Beginn seiner Arbeiten begleitet war,
*) Ministerpräsident v. Bismarck.
insbesondere
von
aber durch
60
Erstes Buch. 1858-1866.
die an des Königs Majestät gerichtete Adresse vom
29. Januar d. I. in
einen schroffen Gegensatz zu der Regiemng getreten,
und obgleich an das
selbe durch den Allerhöchsten Erlaß vom 3. Februar d. I. die ernste Auf
forderung ergangen war, sowohl durch Anerkennung der in der Verfassung
den verschiedenen Gewalten gesetzten Schranken, als durch bereitwilliges Ein
gehen
auf die landesväterlichen Absichten Sr. Majestät des Königs das
Werk der Verständigung zn ermöglichen, so ist doch das Haus in seiner dieser
Verständigung widerstrebenden Haltung verblieben, namenllich
hat dasselbe
durch weitgreifende Verhandlungen über die auswärtige Politik die Wirksam
keit der Regiemng Sr. Majestät zu lähmen gesucht und dadurch die Aufregung in den an Polen
grenzenden Provinzen wesentlich gesteigert.
Das Haus
der Abgeordneten hat nicht Bedenken getragen, den Entstellungen und An griffen der Gegner der preußischen Regierung Ausdmck
sorgnisse wegen äußerer Gefahren und
zu geben und Be
kriegerischer Verwickelungen zu er
regen, zu denen die Beziehungen der Regiemng Sr. Majestät zu den aus
wärtigen Mächten keine begründete Veranlassung gaben. das Haus
Schließlich hat
in der Adresse vom 22. d. M. der Regiemng die ihm ver
fassungsmäßig obliegende Mitwirkung überhaupt zu versagen erklärt; hier mit ist der Schluß seiner Beratungen unvermeidlich geboten. Die Regierung Sr. Majestät kann cs nur tief beklagen, daß die Er ledigung der
dem Landtage
vorgelegten Finanzgesetze und namentlich
die
zeitige Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr 1863 auf diese Weise vereitelt worden ist, und behält sich die Entschließung über die Wege vor, auf welchen dieselben zum Abschluß zu bringen sein werden. Die Regiemng Sr. Majestät erkennt den vollen Emst ihrer Aufgabe und die Größe der Schwierigkeiten, welche ihr entgegentreten; sie fühlt sich
aber stark in dem Bewußtsein, daß es die Bewahmng der wichtigsten Güter des Vaterlandes gilt, und wird daher auch das Vertrauen fcsthalten, daß
eine besonnene Würdigung dieser Interessen schließlich zu einer dauernden
Verständigung
mit der Landesvertretung führen und eine gedeihliche Ent
wickelung unseres Verfassungslebens ermöglichen werde. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier
mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.
61
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1863.
30. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 9. November 1863. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!
Der Landtag der Monarchie ist in seiner letzten Sitzungsperiode vor Beendigung der Beratung über den Staatshaushalts-Etat geschlossen und dem
nächst *) das Haus der Abgeordneten aufgelöst worden, weil ein befriedigendes
Ergebnis weiterer Verhandlungen nach den an Mich gerichteten Erklärungen nicht mehr erwartet werden konnte.
Es ist Mein dringender Wunsch, daß den zwischen Meiner Regierung und einem Teile der Landesvertretung entstandenen Zerwürfnissen ein Ende gemacht werde.
Meine Königliche Pflicht gebietet Mir, die Macht und die
Rechte Meiner Krone nicht minder wie die verfassungsmäßigen Befugnisse
der Landesvertretung hochzuhalten und zu schützen. Über den Umfang und die Grenzen des an sich unbestrittenen Rechts
der Landesvertretung
zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Feststellung des
Staatshaushalts-Etats haben sich entgegengesetzte Auffassungen geltend gemacht. Um zur Ausgleichung derselben zu gelangen, wird Ihnen eine Vorlage ge macht werden,
welche bestimmt ist,
die Befugnisse der Regierung für den
Fall, daß der Staatshaushalts-Etat nicht zur gesetzlichen Feststellung gelangt, zu regeln und der Befürchtung entgegenzutreten, daß Meine Regienmg in solchem Falle eine unbeschränkte Verfügung über die Staatsfonds ohne Rück
sicht auf das Recht der Landesvertretung in Anspruch zu nehmen beabsichtige.
Ich habe eben nicht allein für die innere Wohlfahrt, sondern auch für
die äußere Sicherheit des Staates Sorge
zu
tragen und muß in beiden
Beziehungen auf Ihre Mitwirkung rechnen können.
Die neue Formatton des Heeres ist aus dem unabweislichen Bedürfnis
hervorgegangen, mit der gesteigerten Wehrkraft der Nachbarländer gleichen Schritt zu halten und den wirtschaftlichen Interessen der eignen Bevölkerung
durch gerechtere Verteilung der gesetzlichen Wehrpflicht Rechnung zu tragen. Das Heer ist auch nach der Reorganisatton, wie Ich dies schon im Jahre 1860 an dieser Stelle ausgesprochen,
das preußische Volk in Waffen, und
zwar in größerer Wahrheit wie zuvor;
denn während die verstärke Or
ganisation der Linie eine Erleichterung der älteren Landwehrklassen möglich
macht, ist die
Gesamtstärke der Landwehr unverändert geblieben.
Diese
Formation hat sich in den verflossenen Jahren auf Gmnd der Bewilligungen
*) 2. September.
Erstes Buch. 1858—1866.
62
des Landtags während der Sitzungsperioden von 1860 und 1861 zu einer dauernden
Staatseinrichtung ausgebildet,
deren
ohne
Bestand
bedenkliche
Gefährdung der wichtigsten Interessen des Landes nicht mehr in Frage ge stellt werden kann.
Die Erkenntnis dieser Gefahr legt Mir die Pflicht auf,
Meine nach der Verfassung
erforderliche Zustimmung
nur einem solchen
Staatshaushalts-Etat zu erteilen, durch welchen die Erhaltung der bestehenden
Heereseinrichtungen sichergestellt wird.
Um den gesetzlichen Abschluß dieser
Angelegenheit endlich herbeizuführen, wird Ihnen der umgearbeitete Entwurf eines Gesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienst vorgelegt werden.
Es ist seither die Erwartung in Erfüllung gegangen, daß die Durch führung der Reorganisation des Heeres in
den Finanzkräften des Staates
kein Hindernis findet.
Die Einnahmen sind, wie bekannt, im vorigen Jahre so ergiebig ge wesen, daß sie nicht nur zur vollständigen Deckung der Staatsausgaben aus gereicht, sondern auch noch einen beträchtlichen Überschuß geliefert haben,
über
dessen Verwendung Ihnen Vorschläge zugehen werden.
Zu gleichen
Hoffnungen berechfigen auch die diesjährigen Staatseinnahmen; sie werden,
soweit dies jetzt zu übersehen ist, ausreichende Mittel bieten, sämtliche Staats
ausgaben dieses Jahres ohne Rückgriff auf den Staatsschatz zu decken. Meine Regierung wird Ihnen den Staatshaushalts-Etat für das lau
In dem Staats
fende Jahr mit einem Nachtrage unverzüglich vorlegen.
haushalts-Etat für das Jahr 1864, welcher Prüfung
gelangen wird,
nicht beseitigt.
ist
zwar
alsbald
zu Ihrer
das scheinbar vorhandene Defizit noch
Derselbe liefert jedoch
Staatseinnahmen,
ebenfalls
den erfreulichen Beweis, daß
ohne die bewährten Grundsätze
die
bei der Veranschlagung
zu verlassen, in erheblichem Maße haben höher angenommen werden können
und
die Mittel darbieten werden, in allen Verwaltungszweigen zahlreiche
neue Bedürfnisse zu befriedigen. Die Veranlagung
der
neuen
Grund- und Gebäudesteuer ist gegen-
wärfig soweit gefördert, daß der Abschluß derselben bis Jahres 1865
sicher in Aussicht genommen
erwartenden Mehreinnahmen werden
werden darf.
zum Anfang des
Die hieraus zu
demnächst die Mittel gewähren,
den
Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1865 ohne Defizit abzuschließen.
Die allgemeinen Rechnungen über den Staatshaushalt der Jahre 1859, 1860 und 1861 werden Ihnen zur Genehmigung der Etatsüberschreitungen
und Erteilung der Decharge und
ebenso ein Gesetzentwurf zur Feststellung
der Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1862
als Gmndlage
allgemeine Rechnung dieses Jahres vorgelegt werden.
für die
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1863.
63
Der wirtschaftliche Zustand des Landes ist befriedigend.
Durch eine
gesegnete Ernte wird die Lage der arbeitenden Klaffen erleichtert, und die
Bodenkultur ist bei der zunehmenden Strebsamkeit der Landwirte in erfreu lichem Fortschreiten begriffen.
Die Gewerbthätigkeit hat sich gehoben, und
an Gelegenheit zu lohnender Arbeit hat es nicht gefehlt. kehr
auf den Eisenbahnen ist in stetiger Entwickelung
Auch der Ver
geblieben.
Meine
Regierung ist unablässig bemüht, für die weitere Ausdehnung dieses Kom munikationsmittels Sorge zu tragen.
Während die Schienenverbindung mit
Neu-Vorpommern kürzlich eröffnet worden, sind andere gleich wichtige Linien
in baulichen Angriff genommen, und es werden Ihnen
wegen Herstellung
neuer Bahnen Vorlagen gemacht werden.
Die Verhandlungen über die Fortsetzung des Zollvereins sind zwischen den Vereinsregierungen eröffnet worden.
Meine Regierung, festhaltend an der Handelspolitik, welche sie in vollem
Einklänge mit der Landesvertretung befolgt, ist in diese Verhandlungen mit dem ernsten Bestreben eingetreten, das Band, welches die materiellen In teressen des
größten Teiles
von Deutschland umschließt, unter Aufrecht
haltung des mit Frankreich geschlossenen Vertrages von neuem zu befestigen
und demnächst, sobald der Zollverein in seinem Fortbestand
gesichert sein
wird, seine Beziehungen zu dem österreichischen Kaiserstaate zu regeln. Die Genossenschaften,
welche die Fördemng der wirtschaftlichen Ver
hältnisse der Arbeiter bezwecken, bedürfen
zur vollen Entwickelung ihrer
gemeinnützigen Wirksamkeit der gesetzlichen Feststellung ihrer Rechtsverhält
nisse.
Meine Regierung ist mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Ge
setzentwurfs beschäftigt. Die in der letzten Sitzungsperiode unerledigt gebliebenen Entwürfe von
Gesetzen über
die Rechtsverhältnisse gewisser Aktiengesellschaften und der
Seeleute, sowie die provisorisch erlassenen Verordnungen wegen Abändemng des Zolltarifs und
zur Verhütung des Zusammenstoßens
der Schiffe auf
der See werden Gegenstand Ihrer Beratungen werden.
Um der von der Tagespreffe in gefahrdrohender Weise geförderten Aufregung im Lande entgegen zu wirken, hat eine provisorische Verordnung')
gegen derartige Ausschreitungen auf Grund des Art. 63 der Verfassungs urkunde erlassen werden müssen.
Diese Verordnung
wird mit einem Ge
setzentwürfe wegen Abändemng einiger Bestimmungen des Preßgesetzes und
*) Die sog. Preßverordnungen vom 1. Juli.
64 des
Erstes Buch. 1858—1866.
Strafgesetzbuchs
Ihnen
zur
verfassungsmäßigen Beschlußnahme
vor
gelegt werden. Die auf Wiederherstellung des früheren Königreichs Polen gerichteten aufständischen Bewegungen haben die Ruhe unserer Grenzprovinzen bedroht.
Wir dürfen uns Glück wünschen, daß die von Mir angeordnete Truppen aufstellung
und
das
kräftige
Auftreten
Meiner
Behörden
Preußen
vor
ernsteren Nachteilen behütet haben.
Der Deutsche Bund hat beschlossen, im Wege der Exekution diejenigen bundesrechllichen Fordemngen zur Geltung zu bringen, welchen die Regierung Sr. Majestät des Königs von Dänemark in betreff der Herzog
tümer Holstein und Lauenburg bisher nicht genügt hat oder bis zum Eintritt der Exekution nicht genügen wird.
truppen
überlegenen
Widerstandes
ist
Im Falle eines den Exekutions-
die Mitwirkung
österreichischer Streitkräfte in Aussicht genommen.
preußischer
und
Sollte dieser Fall ein
treten und die Verwendung außerordentlicher Mittel
erheischen,
so wird
Meine Regierung dem Landtage deshalb die erforderlichen Vorlagen machen.
Von dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen über die von der Kaiserlich
österreichischen Regierung
angeregte Bundesreform wird Meine
Regierung dem Landtage Mitteilung zugehen lassen.
Ich habe die Mängel
der bestehenden Bundesverfassung niemals verkannt, aber zu ihrer Um
gestaltung weder den gegenwärtigen Moment noch die eingeschlagenen Wege für richttg gewählt halten können.
Tief werde Ich es bedauern,
wenn die
von Mir gegen Meine Bundesgenossen ausgesprochene Befürchtung sich be wahrheiten sollte, daß die Schwächung des Vertrauens, dessen die Bundes
einrichtungen zur Erfüllung ihrer Zwecke bedürfen, und die Unterschätzung der Vorteile,
welche sie den Mitgliedern des Bundes in der gegenwärttgen
Lage Europas gewähren, das alleinige Ergebnis von Reformversuchen sein würden, welche ohne Bürgschaft des Gelingms unternommen wurden.
Diese
Bürgschaft aber kann nur solchen Reformen beiwohnen, welche, in gerechter Verteilung des Einflusses nach dem Verhältnis der Macht und der Leistungen,
dem preußischen Staate die ihm in Deutschland gebührende Stellung sichern.
Dies gute Recht Preußens und mit ihm die Macht und Sicherheit Deutschlands zu wahren, sehe Ich als Meine heilige Pflicht an.
Meine Herren!
Wir stehen in einer bewegten Zeit,
Schwelle einer bewegteren Zukunft.
vielleicht an der
Um so dringender richte Ich
an Sie
die Aufforderung, an die Lösung unserer inneren Fragen mit dem ernsten Willen der Verständigung heranzutreten. — Das Ziel kann aber nur dann
erreicht werden, wenn die für die preußische Monarchie unentbehrliche Macht
Regentschaft und DerfaffungSkonflikt.
1863.
65
des Königlichen Regiments ungeschlacht erhalten wird und Ich von Ihnen
bei Ausübung Ihrer verfassungsmäßigen Rechte in der Erfüllung Meiner landesherrlichen Pflichten unterstützt werde.
Gemeinsam haben wir für die Ehre und das Wohl des Vaterlandes zu
Dieser Aufgabe sind
wirken.
ausschließlich
gewidmet,
und in
Meine Bestrebungen unwandelbar und
rrnerschüttertem Vertrauen auf die Treue
Meines Volkes hoffe Ich dieselbe so zu lösen, wie Ich es vor Gott ver
antworten kann.
31.
Allerhöchster Erlaß an Las Abgeordnetenhaus, Sonntag, den 27. Dezember 1863.
Ich habe den Inhalt der Adresse, welche das Haus der Abgeordneten in betreff der dänischen Angelegenheit an Mich gerichtet hat, mit der Sorg falt erwogen, welche Ich bereitwillig den Wünschen und Ansichten des Hauses zuwende.
Wenn an die Spitze der Adresse der Satz gestellt worden ist, daß das Haus der Abgeordneten bereits die Richtung bezeichnet habe, welche einzu halten Deutschlands Ehre und Interessen gebieten, so will Ich
daß damit der Mir nach der Verfassung und
zustehenden Entscheidung über die Beziehungen
annehmen,
den Gesetzen des
Landes
der Monarchie zum Aus
lande nicht hat vorgegriffen werden sollen.
Mit diesem Meinem Rechte ist die Königliche Pflicht untrennbar ver bunden,
die Ehre und
die Interessen Preußens
zu vertreten und zu schützen,
dem Auslande gegenüber
und Ich weiß, daß Ich Mich in der Aus
übung dieser Pflicht auf die bewährte Hingabe Meines Volkes stützen kann;
Ich
weiß aber
auch,
daß Ich die Frage, wann Ich dieses Volk zum
Kampfe aufzurufen und Gut und Blut von seiner Opferbereitschaft zu fordern habe, mit landesväterlicher Sorgfalt erwägen muß.
Ich würde es mit der Gewissenhaftigkeit in Erfüllung Meines König
liches Bemfes nicht
vereinbar finden,
wenn Ich den höchsten Aufgaben,
welche Recht und Verfassung dem Könige stellen, nicht Meine volle und leitende Thätigkeit widmen wollte.
Das Haus der Abgeordneten kann daher
überzeugt sein, daß die Richtung,
in welcher Meine Regierung die aus
wärtige Politik geführt hat, das Ergebnis Meiner reiflich erwogenen Ent schließungen ist.
Ich habe die letzteren
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
gefaßt mit Rücksicht auf die von 5
66
Erstes Buch. 1858-1866. geschlossenen
Preußen
unsere Stellung
derselben,
in
deutsche Recht in
auf die
und
auf
aber zugleich mit dem festen Willen,
das
Verträge,
Europas
Gesamtlage
wahren und für die berechtigten
den Herzogtümern zu
Ziele, welche Preußen zu erstreben hat, erforderlichen Falles mit den Waffen
in der Hand
In welcher Form
einzustehen.
und zu
welchem Zeitpunkte
jedes einzelne zur Erreichung dieser Ziele führende Mittel zur Anwendung zu bringen sein wird, darüber
kann die Mir verfassungsmäßig
zustehende
Bei derselben werde
Entscheidung nur von Mir selbst getroffen werden.
Ich Mich von dem unwandelbaren Entschlüsse leiten lassen,
die Sache der
Herzogtümer so zu führen, wie es Preußens und Deutschlands
würdig ist,
gleichzeitig aber den Verträgen die Achtung zu bewahren, welche das Völker Das Haus der Abgeordneten kann nicht von Mir erwarten,
recht fordert.
daß Ich
und
willkürlich
Preußens
ohne Beachtung
von den 1852
Die Successionsfrage wird
geschlossenen
durch
der internationalen Beziehungen
europäischen Verträgen zurücktrete.
den deutschen Bund unter Meiner Mit
wirkung geprüft werden, und dem Ergebnis dieser Prüfung kann Ich nicht vorgreifen.
Bevor dasselbe feststeht, handelt es sich um die Beschaffung der
Mittel für die vom deutschen Bunde beschlossenen Exekutionsmaßregeln und
für die im Gefolge derselben etwa nötig werdenden Verteidigungsanstalten.
Die Vollziehung des Bundesbeschlusses und vertragsmäßig obliegende Pflicht,
derselben leicht und schnell entwickeln können, vorbereitet treffen.
Unter
ist
eine
dem Staate rechtlich
und die Gefahren,
sich aus
welche
dürfen das Land
diesen Umständen kann das Haus
nicht
un
die schwere
Verantwortlichkeit nicht auf sich nehmen wollen, diese ganz unentbehrlichen
Mittel zu versagen,
oder ihre Bewilligung
an Bedingungen
welche in die zweifellosen Rechte Meiner Krone eingreifen.
nicht verstehen,
wenn dasselbe Haus,
zu knüpfen,
Ich
würde es
welches Meine Regierung so lebhaft
zur Aktion drängt, in dem Augenblicke und auf dem Felde, wo diese Aktion
eintreten kann und muß, die Mittel zu derselben versagte.
um so
weniger verstehen, als Meine Gesinnung
Ich würde es
und Mein Wort dafür
bürgen, daß die Mittel, welche Ich zum Schutze des Rechts und der Ehre des Landes fordere, auch diesem Zwecke entsprechend werden verwandt wer den. Jeder Zweifel daran widerspricht dem Vertrauen, welches das preußische
Volk in das Wort seiner Könige zu setzen gewohnt ist.
Ich muß das Haus, unter mahnender Hinweisung auf den Ernst des Momentes und auf die Wichtigkeit der Entscheidung
Vaterlandes, zu und, im Hinblick
vertrauensvoller Beratung
für die Zukunft des
der Vorlage vom
8.
d. M.
auf die unaufhaltsame Entwickelung der Thatsachen,
zu
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
67
1864.
beschleunigter Bewilligung der für die Erfüllung der Bundespflichten und für die Sicherstellung der Landesverteidigung unabweislich notwendigen An leihe auffordern. Berlin, den 27. Dezember 1863.
Wilhelm.
32. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, Donnerstag, den 13. Januar 1864.
Ich habe die Adresse des Herrenhauses "empfangen und mit Befriedigung von
vom 21.
Dezember v.
ihrem Inhalte Kenntnis
Der Zweck der Fordemng, welche Meine Regiemng
I.
genommen.
an die Landes
vertretung gestellt hat, ist, wie die Adresse mit Recht bemerkt, einesteils die Erfüllung bestimmter bundesrechtlicher Verpflichtungen, zu welcher die Mittel
nicht versagt werden können, anderenteils die Wahrung von Preußens Macht stellung und Ehre gegen jeden Angriff bei dieser Erfüllung.
Daß das
Herrenhaus die Lösung der Aufgabe, welche Preußens Politik zur Zeit ge
stellt ist, mit voller Zuversicht in der Hand seines Königs sieht, daran habe
Ich nie gezweifelt;
aber der
erneute Ausdruck dieses Vertrauens ist Mir
erfreulich gewesen in einer Zeit, welche ernste und folgenschwere Entschlüsse
von Mir fordert.
Ich bin überzeugt, daß das Land, welches Meine Ge
sinnungen kennt, dieses Vertrauen teilt. Das Herrenhaus
ist von der richtigen Erkenntnis geleitet, daß an
gesichts der drohenden Verwickelungen die Wege der Politik sich nicht im voraus
bestimmen lassen, und daß
ziehungen nicht durch Wünsche
auch sein mögen,
und
Rechtsfragen und völkerrechtliche Be
Sympathieen, so
natürlich dieselben
entschieden werden können, daß aber, wenn jenes Ziel,
über welches alle einig sind, nämlich der Weg der Wahrung der Rechte
Deutschlands, sowie der Ehre und Macht Preußens erreicht werden soll, es
unumgänglich nötig ist, für alle Fälle gerüstet zu sein.
Ich spreche dem Herrenhause für das Zusagen seiner vertrauensvollen Unterstützung Meinen Dank aus und mag der Hoffnung nicht entsagen, daß
in beiden Häusern des Landtags sich die Hingebung Aufgabe kräftig genug
an des Vaterlandes
erweisen werde, um jede Rücksicht auf schwebende 5*
Erstes Buch. 1858—1866.
68
den Hintergrund
Differenzen in
treten zu lassen und Meiner Regiemng
durch einmütigen Beschluß die Mittel zur Verfügung zu stellen, welche für die Lösung jener Aufgabe erforderlich sind. Berlin, den 13. Januar 1864.
Wilhelm. (Mit Gegenzeichnung sämtlicher Minister.)
33. Rede beim Schluß des Landtags, Dienstag, den 25. Januar 1864. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Se. Majestät der König haben mir ’) den Auftrag zu erteilen geruht,
die Sitzungen
der beiden Häuser des Landtags
der Monarchie in Aller
höchst Ihrem Namen zu schließen.
Bei der Eröffnung der Sitzungsperiode wurde von des Königs Majestät der dringende Wunsch kundgegeben, die zwischen Allerhöchst Ihrer Regierung
und
Zerwürfnisse
ausge
Dieser Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen,
obwohl
einem Teile der
glichen zu sehen.
Landesvertretung
die Regierung Sr. Majestät
entstandenen
es an entgegenkommenden Schritten nicht hat
fehlen lassen.
Das Haus halten,
der Abgeordneten
angeblicher Verteidigung Beschlüssen
hat
an
demselben Standpunkte festge
des letzten Hauses vor Ihnen führte.
welcher zur Auflösung
verfassungsmäßiger Rechte
In
hat es eine Reihe von
unverkennbaren Stempel des Strebens an
gefaßt, welche den
sich tragen, diese Rechte ohne Rücksicht auf die Gleichberechtigung der übrigen
Staatsgewalten und
ohne Rücksicht auf das Wohl und die Interessen des
Landes auszuüben.
Durch Ablehnung des Gesetzentwurfes behufs Ergänzung des Art. 99
der Verfaffungs - Urkunde hat
das Abgeordnetenhaus
den Versuch
zurück
gewiesen, der Wiederkehr eines budgetlosen Zustandes ohne Beeinträchtigung
der Rechte der Krone wie der Landesvertretung vorzubeugen.
Dasselbe Haus hat den Staatshaushalts-Etat für das Jahr
1863,
wenngleich ihm zur verfassungsmäßigen Prüfung und Beschlußfassung über
denselben bis
zum Ablaufe des verflossenen Jahres noch eine ausreichende
") Ministerpräsident v. Bismarck.
Zeil zu Gebote stand, gar nicht in Beratung gezogen;
dem Etat für das
69
1864.
Regentschaft und Verfassnngskonslikt.
dagegen hat es in
eben begonnene Jahr nicht bloß mehrere für die Be
dürfnisse der Verwaltung unentbehrliche Dispositionsfonds gestrichen, sondern
es hat auch in Bezug auf den Militär-Etat diejenigen Beschlüsse des früheren
Hauses erneuert, mit deren Ausführung das preußische Heer der Schwächung und Zerrüttung preisgegeben sein wurde.
Es hat diese Beschlüsse gefaßt,
ohne Vorberatung des Gesetzentwurfes über die Verpflichtung
zum Kriegs
dienste, dessen Vorlegung das frühere Haus zur Vorbedingung seiner Be ratung des Militär-Etats gemacht hatte.
Durch diese Beschlußnahmen ist das Herrenhaus von neuem veranlaßt worden, in Ausübung seines verfassungsmäßigen Rechtes, den ganzen Staats
haushalts-Etat für das Jahr 1864, wie er aus den Beratungen des Ab geordnetenhauses hervorgegangen war, zu verwerfen. Dem Beschlusse des Hauses der Abgeordneten wegen Aufhebung der
gegen einzelne Mitglieder desselben
verhängten gerichtlichen Untersuchungs
haft hat die Regierung im Hinblicke auf die betreffenden Bestimmungen der
Verfassungsurkunde Folge gegeben.
Es kann
aber nicht die Meinung der Regierung sein,
daß es dem
Ansehen der öffentlichen Rechtspflege und der Würde des Hauses entspreche, wenn dasselbe solchen Abgeordneten,
gegen
welche schon vor ihrer Wahl
wegen hochverräterischer Unternehmungen die Untersuchungshaft vor dem zu
ständigen Gerichtshöfe verfügt worden ist, die Teilnahme an den Beratungen des Hauses ermöglicht und dadurch den Schein
einer Parteinahme für die
gegen die äußere und innere Sicherheit des Staates gerichteten Bestrebungen der polnischen Jnsurrektton auf sich ladet.
Zur Ausfühmng der vom deutschen Bunde beschlossenen Exekutton
Holstein und zur Wahrung
weiteren Entwickelung
in
der Machtstellung und Ehre Preußens in der
dieses Streites
Sr. Majestät außerordentlicher Mittel
bedurfte
und bedarf die
Regierung
für die Militär- und Marinever
waltung. Während das Herrenhaus in einer Adresse an des Königs Majestät
seine vertrauensvolle Bereitwilligkeit zur Unterstützung der Krone in dieser ernsten Frage ausgesprochen hat, ist von dem Hause der Abgeordneten die erforderte Genehmigung einer Anleihe versagt, desjenigen Geldbedarfes verweigert worden,
und sogar die Bewilligung
welchen Preußen als Mitglied
des deutschen Bundes beizutragen verpflichtet ist.
Indem das Haus diesen
Beschluß faßte, ist es um so entschiedener mit der vertrauensvollen Ge sinnung in Widerspruch getreten, von welcher das preußische Volk für seine
Könige jederzeit beseelt war, als des Königs Majestät in der Allerhöchsten
70
Erstes Buch. 1858—1866.
Antwort vom 27. v. M. auf die Adreffe des Hauses seine Gesinnung und
sein königliches Wort
als Bürgschaft dafür hingestellt hat,
daß
die be
antragten Geldmittel zum Schutze des Rechts und der Ehre des Landes verwendet werden würden.
Der feindselige Charakter dieser Beschlüsse,
in
welchen sich das Be
streben ausdrückt, die auswärtige Politik der Regiemng
einem verfassungs
widrigen Zwange zu unterwerfen, ist durch Resolutionen erhöht worden,
durch welche die Mehrheit des Hauses der Abgeordneten in der von ihr willkürlich
aufgestellten Voraussetzung kriegerischer Verwickelungen zwischen
Preußen und
anderen deutschen Staaten im
voraus gegen das preußische
Vaterland Partei nimmt. Ein solches Auftreten des Hauses der Abgeordneten kann auf die Be festigung und Entwickelung unserer Verfassungszustände nur verderblich ein wirken, und es muß einstweilen auf die Hoffnung einer Verständigung ver
zichtet werden.
Die Regierung Sr. Majestät wird sich
aber unter allen
Umständen für verpflichtet halten müssen, mit ganzer Kraft und Ausübung der königlichen Rechte
das Wohl und die Ehre Preußens zeugung fest,
daß sie
in voller
für die Erhaltung des Staates und für
einzustehen.
Sie hält an der Über
hierbei in der patriotischen Gesinnung
des Landes
eine ausreichende und wachsende Unterstützung finden werde. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier
mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.
34. Ansprache des Lönlgs an die Offiziere und dekorierten Unter offiziere gelegentlich der Parade im Aundewttt, Freitag, den 22. April 1864. Meine Herren, Ich bin hierher gekommen, um der tapferen Armee
persönlich Meinen
herzlichen Dank
auszusprechen für die außerordentlichen
Leistungen, für die bewundemswerte Ausdauer bei den gehabten unendlich großen Strapazen, für die umsichtige vorzügliche Führung der Truppen, für
den großen herrlichen Sieg l).
Gern, Meine Herren, wäre Ich in diesem
Feldzuge mitten unter Ihnen gewesen, leider aber gestattet dies zur Zeit
die Stellung, die Ich jetzt einzunehmen bemfen bin, nicht; andere Berhält') Bei Düppel, 18. April.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
nisse bedingen Meine Abwesenheit von den im Felde und dies,
71
1864.
stehenden Truppen,
versichere Ich Ihnen, thut Meinem Soldatenherzen wehe.
Sie
haben die Augen von ganz Europa auf sich gezogen und überall, wo man
hinhört, das größte Lob eingeerntet.
Das, Meine Herren,
des guten Geistes, der, wie allbekannt,
ist die Frucht
die ganze preußische Armee beseelt
und gewiß nie in derselben erlöschen wird. Ich sage Ihnen allen nochmals tiefgefühltesten Dank.
Meinen
Den Sturmkolonnen
werde Ich für die in
welcher sie
höchstem Maße bewiesene Bravour und Unerschrockenheit, mit
den großartigen Sieg herbeiführten, leihen.
ein ganz besonderes Denkzeichen ver
Adieu, Meine Herren! Teilen Sie allen Mannschaften Meine Aller
höchste Anerkennung
mit und sagen Sie Ihnen Meinen Königlichen Dank.
35.
Antwort des Königs auf die Adresse des Grafen Arnim-Boitzenburg und Genossen, Montag, den 23. Mai 1864.
Ich
habe
gern die Adresse entgegengenommen,
Zeugnis geben
von
in
welcher Sie Mir
der Bereitwilligkeit des preußischen Volkes,
einer Lösung der schleswig-holsteinschen Frage zu unterstützen,
Mich bei
die für den
Preis des Mir teuren Blutes so vieler Landeskinder einen würdigen Lohn gewähre.
für
Diesen Lohn
welche Ich
griffen habe.
werden
wir in
der Erreichung
der Ziele
im Bunde mit dem Kaiser von Österreich
finden,
die Waffen er
In Gemeinschaft mit Meinem erhabenen Verbündeten
werde
Ich, soweit Gott es in Unsere Macht gestellt hat, dafür Sorge tragen, daß
unseren Landsleuten in den Herzogtümern volle Sicherheit gegen die Wieder kehr der Bedrückung durch dänische Herrschaft gewährt werde, und daß wir wirksame und dauernde Bürgschaften gegen die Gefahren fernerer Störungen
des Friedens an der deutschen Nordgrenze gewinnen.
Für dieses Ziel haben die verbündeten Mächte gekämpft, und
auf der Konferenz ’) erstreben
auf dem Schlachtfelde
wir es gegenwärtig mit der
vollständigen Freiheit der Entschließung, zu welcher wir durch das Verhalten
Dänemarks und durch die Ereignisse berechtigt sind.
Welche Form wir der
Lösung unserer Aufgabe zu geben gedenken, darüber werden Sie, während
die Verhandlungen
schweben,
keine Äußerung
*) Zu London, seit dem 25. April.
von
Mir
erwarten.
Aber
72
Erstes Buch. 1858—1866.
Wie Sie die Gewißheit haben müssen, daß Ich Preußens Ehre unter allen wollen Sie
Verhältnissen wahren werde, so
trauen festhalten, haben,
daß die Opfer,
auch mit Mir
an dem Ver
welche wir der deutschen Sache gebracht
auch für die Interessen unseres engeren Vaterlandes fruchtbringend
sein werden. Dieses Vertrauen wird in Mir durch die Worte gekräftigt, welche Sie
an Mich gerichtet haben, und für welche Ich Ihnen von Herzen danke, in
dem Ich denselben einen neuen Beweis
der warmen und
einmütigen Hin
gebung entnehme, auf welche Ich bei dem preußischen Volke in allen Fällen
rechnen darf, wo es sich um die Größe und die Wohlfahrt des gemeinsamen Vaterlandes handelt.
36. Armeebefehl. gegen Dänemark ist beendigt.
Der glorreiche Krieg
Friede ist ihm
Seit fast
gefolgt.
ehrenvoller
einem
Unterbrechung
Ein ehrenvoller
halben Jahrhundert haben mit
Preußens
geruht.
Ihr,
Soldaten Meines Heeres, die Ihr bevorzugt wäret, die Thaten des
letzten
kurzer, Krieges
aber
zu
vollbringen, habt den
Waffen
preußischen Waffenruhm
erneut.
Die
Tage von Düppel und Alsen sind durch Euren Heldenmut auf ewige Zeiten
in
der Kriegsgeschichte verzeichnet.
Meine neubegründete Flotte hat sich
angeschlossen und
den Landtruppen würdigst
nicht die Zahl der feindlichen Schiffe.
zählte in ihrem
Erstkampfe
Vereint mit den tapferen Truppen
Meines erhabenen Verbündeten, des Kaisers von Österreich Majestät, habt
Ihr den Feind überall besiegt. geruht, weil Ihr gottesfürchtig,
hat auf Euch
Der Segen der Vorsehung
pflichtgetreu,
gehorsam und tapfer wäret.
Aber auch die anderen Teile Meines Heeres haben sich Meine Zufriedenheit
erworben.
Bedeutende Streitkräfte desselben haben in schwerem Dienst die den andringenden Aufruhr
östlichen Grenzen des Staates gegen
geschützt;
die übrigen Abteilungen haben durch unverdrossene Übung den Ruf unserer Kriegsbereitschaft
welche Ich
aufrecht erhalten.
der Armee
Somit hat sich die neue Organisation,
gegeben habe,
glänzend
bewährt.
In Stolz
Freude blicke Ich auf Meine ruhmreiche gesamte Kriegsmacht. in
des Vaterlandes Namen
Meinen Königlichen Dank
spreche
aus.
Ich Euch
Gott
Berlin, den 7. Dezember 1864.
und
In Meinem,
allen Meine Anerkennung,
walte ferner gnädig über Preußen.
Wilhelm.
Regentschaft und Verfassungskonflikt
1865.
73
37.
Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 14. Januar 1865.
Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags! Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter uns.
gelungen, im Bunde
mit Sr. Majestät dem
Ehrenschuld Deutschlands,
deren Mahnungen
In demselben ist es Mir Kaiser
von Österreich
wiederholt
und unter tiefer
Erregung des nationalen Gefühls an das gesamte Vaterland
durch die siegreiche Tapferkeit der vereinten Heere
waren,
Friedens
ehrenvollen
einzulösen.
Gehoben
durch
die
eine
herangetreten
vermittelst eines
Genugthuung,
mit
welcher unser Volk auf diesen Preußens würdigen Erfolg zurückblickt, wenden wir unsere Herzen in Demut zu Gott,
durch
dessen Segen
es Mir
gönnt ist, Meiner Kriegsmacht im Namen des Vaterlandes für Thaten danken, die
der ruhmreichen Kriegsgeschichte Preußens ebenbürtig
sich
ver zu
an
reihen. Nach einer halbhundertjährigen,
kürzerer Dauer
nur durch ehrenvolle Kriegszüge von
unterbrochenen Friedensperiode haben
die Ausbildung
sich
und Mannszucht Meines Heeres, die Zweckmäßigkeit seiner Verfassung und
seiner Ausrüstung durch
in
dem
vorjährigen durch Ungunst der Witterung und
den tapferen Widerstand des Feindes denkwürdigen Kriege
bewährt.
Es ist der jetzigen Organisation des Heeres
zu
glänzend
verdanken, daß
der Krieg geführt werden konnte, ohne die Erwerbs- und Familienverhält nisse der Bevölkerung
der Landwehr
durch Aufbietung
zu
beeinträchtigen.
Nach solchen Erfahrungen ist es um so mehr Meine landesherrliche Pflicht,
die bestehenden Einrichtungen Grundlage
aufrecht
zu
zu höherer Vollkommenheit
erhalten und auf der
gegebenen
darf
erwarten,
Ich
auszubilden.
daß beide Häuser des Landtags Mich in der Erfüllung dieser Pflicht durch
ihre verfassungsmäßige Mitwirkung unterstützen werden. Besondere Pflege erfordert die Entwickelung der Marine.
Sie hat im
Kriege durch ihre Leistungen sich einen gerechten Anspruch auf Anerkennung erworben und ihre hohe Bedeutung für das Land dargethan.
Soll Preußen
der ihm durch seine Lage und politische Stellung zugewiesenen Aufgabe ge
nügen, so muß für eine entsprechende Ausbildung der Seemacht Sorge ge tragen und dürfen bedeutende Opfer für dieselbe nicht gescheut werden.
dieser Überzeugung
wird Ihnen
weiterung der Flotte vorlegen.
Meine
Regierung
einen Plan
zur
In
Er
74
Erstes Buch. 1858-1866. Die Verpflichtung zur Fürsorge für die im Dienste und auf dem
Felde der Ehre an Gesundheit und Leben geschädigten Krieger und
deren
Hinterbliebene wird in der Vorlage eines Jnvaliden-Pensionsgesetzes einen wahlberechtigten Ausdruck finden, und Ich hoffe, daß Sie
derselben eine
bereitwillige Aufnahme zuwenden werden.
Die Aufstellung der Truppen an der polnischen Grenze hat nach dem
Erlöschen können.
der Insurrektion im
wieder
Nachbarlande
aufgehoben
werden
Durch die gemäßigte, aber feste Haltung Meiner Regiemng wurde
Preußen gegen Übergriffe des Aufstandes sichergestellt, während gegen einzelne Teilnehmer
an
Bestrebungen,
die Losreißung
welche
eines
Teiles
-er
Monarchie zum Endziele hatten, von den zuständigen Gerichten auf Strafe erkannt worden ist. Daß die günstige Finanzlage des Staates es gestattet hat, den dänischen Krieg ohne Anleihe durchzuführen, muß eine große Genugthuung gewähren. Es
ist dies mit Hilfe einer sparsamen und umsichtigen Verwaltung, vor
nehmlich durch die beträchllichen Überschüsse der Staatseinnahmen in den
beiden letzten Jahren möglich
geworden.
Über die durch den Krieg ver
anlaßten Kosten und die zu ihrer Bestreitung verwendeten Geldmittel wird
Ihnen nach dem Finalabschluß für das
verflossene Jahr Meine Negierung
vollständige Vorlagen machen.
Der Staatshaushalts-Etat für das laufende Jahr wird Ihnen unver
In demselben sind die aus der neuen Grund-
züglich vorgelegt werden.
und Gebäudcsteuer zu erwartenden Mehreinnahmen in Ansatz gebracht, und
auch die sonstigen Einnahmen haben unter Festhaltung der bewährten Grund
sätze einer vorsichtigen Veranschlagung werden können.
Es
zu erhöhten Beträgen
ergaben sich dadurch
die
Mittel,
angenommen
nicht allein das
Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben auch in dem Etat wiederher
zustellen, sondern auch
eine beträchtliche Summe
Bedürfnisse in allen Verwaltungszweigen zu
zur Befriedigung neuer
bewilligen.
Außer den all
gemeinen Rechnungen über den Staatshaushalt der drei Jahre von 1859 bis 1861, deren Vorlage von neuem stattgefunden hat,
wird Ihnen nun
mehr auch die Rechnung für das Jahr 1862 zur Entlastung der Staatsregicrung übergeben werden.
Die Arbeiten zur anderweiten Regelung der Grundsteuer sind in der vorgeschriebenen Zeit und in befriedigender Weise zum Abschluß gebracht.
Daß dieses Ziel erreicht worden, ist, wie Ich gern anerkenne, wesentlich den eifrigen
Bemühungen
zu
danken,
mit
welchen von
allen
Seiten
Lösung der schwierigen und mühsamen Aufgabe angestrebt wurde.
die
75
1865.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
Auch die Veranlagung der Gebäudesteuer ist soweit gediehen,
daß sie
nur noch der schließlichen Berichtigung bedarf.
die Fortschritte in den ver
Meine Regierung ist unablässig bestrebt,
schiedenen Zweigen der Landeskultur zu befördern und für eine Vermehrung
und Verbesserung der Kommunikationsmittel Sorge wnrf einer
allgemeinen
Wegeordnung
von
wird
Der Ent-
tragen.
zu
neuem
einen
wichtigen und
Ver
vollständigung des Eisenbahnnetzes werden Ihnen mehrere Vorlagen
über
Gegenstand Ihrer Beratung
bilden.
wegen
Auch
Erweiterung
geben werden.
Zur Anlage einer für Handels- und Kriegsschiffe jeder Art nutzbaren
Schleswig
und
Holstein hat Meine Regierung technische Vorarbeiten ausführen lassen.
Bei
der Wichtigkeit dieses
des
Kanalverbindung
zwischen
Ost-
der
großartigen
und Nordsee
durch
für
Unternehmens
die Interessen
Handels und der preußischen Marine wird Meine Regierung die Ausführung
durch
eine
bemüht sein,
angemessene Beteiligung des Staates sicher zu
stellen und Ihnen nach Abschluß der vorbereitenden Verhandlungen darüber
nähere Mitteilungen machen. Der Bergbau, befreit von lästigen Beschränkungen, erleichtert in seinen Abgaben und
gefördert durch
die Vermehrung
sich zu einem erfreulichen Aufschwung.
der Absatzwege,
entwickelt
Sie werden den Entwurf eines all
gemeinen Berggesetzes zur Prüfung empfangen,
welches
die Rechtsverhält
nisse des Bergbaus zu ordnen bestimmt ist.
Die im Interesse des Handels Krieges
erlassene Verordnung
unserer Seehäfen für die Dauer des
in betreff
der
extraordinären Flaggengelder
wird Ihnen zur nachträglichen Genehmigung zugehen.
Es ist Meiner Regierung gelungen, die Hindernisse, welche die Fort
dauer des
deutschen Zollvereins
fährden drohten, zu beseitigen.
nach Ablauf der Vertragsperiode zu ge Die mit der Regierung Sr. Majestät
Kaisers der Franzosen abgeschlossenen Verträge haben
des
die Zustimmung der
sämtlichen Vereinsregierungen erhalten, und die Zollvereinsverträge sind mit
einigen, durch die Erfahrung gerechtfertigten Abänderungen erneuert worden. Diese Verträge, sowie ein nachträglich mit Frankreich getroffenes Abkommen
in betreff der von unseren Zollverbündeten geltend gemachten Wünsche, wer
den behufs Ihrer Zustimmung
vorgelegt
werden.
Die infolge jener Ver
träge in Gemeinschaft mit den Regierungen von Bayern und Sachsen
ein
geleiteten Verhandlungen mit Österreich zur Erleichterung und Beförderung
der beiderseitigen
wärtigen.
Verkehrsbeziehungen lassen
ein
baldiges
Ergebnis
ge
76
Erstes Buch. 1858—1866. Das Werk, welches durch die Verträge mit Frankreich
im August
1862 eingeleitet und dessen Durchführung seitdem von Meiner Regierung, wie von der Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen mit gleicher Be
harrlichkeit gefördert wurde, nähert sich somit einem Abschlüsse,
welcher in
weiten Gebieten dem Handel eine freiere Bewegung gestatten und den freund schaftlichen Beziehungen benachbarter Stationen durch die Gemeinsamkeit der Entwickelung ihrer Wohlfahrt eine neue Bürgschaft verleihen wird. Ich habe der Thaten Meines Kriegsheeres
reichische Heer mit einzubegreifen.
Wie die Krieger beider Heere in Waffen
brüderschaft den Lorbeer geteilt haben, tretenen Verwickelungen
gegenüber
seine feste und dauernde
so
gegen
hat die beiden Höfe den einge
ein enges Bündnis
Grundlage
verknüpft, welches
in Meinen und Meines
Verbündeten deutschen Gesinnungen fand. der Treue
gedenken können,
nicht
freudige und herzliche Anerkennung für das öster
ohne darin die gleiche
erhabenen
In diesen Gesinnungen und in
die Verträge liegt die Bürgschaft für die Erhaltung des
Bandes, welches die deutschen Staaten umschlingt und ihnen den Schutz des
Bundes sichert.
Der Friede mit Dänemark hat Deutschland marken
seine bestrittenen Nord
und diesen die Möglichkeit der lebendigen Beteiligung an unserem
nationalen Leben zurückgegeben.
Es wird die Aufgabe Meiner Politik sein,
diese Errungenschaft durch Einrichtungen
sicher zu stellen,
welche uns die
Ehrenpflicht des Schutzes jener Grenzen erleichtem und die Herzogtümer
in den Stand setzen, ihre
reichen Kräfte
für die Entwickelung der Land-
und Seemacht wie der materiellen Interessen des gemeinsamen Vaterlandes wirksam zu verwerten.
Unter Aufrechterhaltung
dieser
berechtigten Forde
rungen werde Ich die Erfüllung derselben mit allen begründeten Ansprüchen, so des Landes wie der Fürsten, in Einllang zu bringen suchen.
Ich habe
daher, um einen sicheren Anhalt für Meine Beurteilung der streitigen Rechts
fragen zu gewinnen, die Syndici Meiner Krone, ihrem Berufe entsprechend, zu einem Rechtsgutachten aufgefordert. Meine rechtliche Überzeugung und
die Pflichten gegen
Mein Land werden Mich leiten
Mich mit Meinem hohen Verbündeten zu inzwischen den Besitz
bei dem Bestreben,
verständigen, mit
und die Sorge für eine
welchem Ich
geordnete Verwaltung der
Herzogtümer teile.
Es gereicht Mir zur lebhaften Befriedigung, daß die kriegerischen Ver wickelungen auf den engsten Kreis beschränkt geblieben und die naheliegenden
Gefahren, welche daraus für den europäischen Frieden hervorgehen konnten, abgewendet worden sind.
Die Wiederherstellung der
diplomatischen
Ver-
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1865.
77
bindung mit Dänemark ist eingeleitet, und es werden sich, wie Ich fest ver traue,
freundlichen und
die
gegenseitig
fördernden Verhältnisse ausbilden,
welche so sehr dem natürlichen Interesse beider Länder entsprechen.
Meine
Beziehungen zu allen übrigen Mächten sind in keiner Weise gestört worden
und fahren fort, die glücklichsten und erfreulichsten zu sein. Es ist Mein dringender Wunsch, daß der Gegensatz,
Meine Herren!
welcher in den letzten Jahren zwischen Meiner Regierung und
der Abgeordneten obgewaltet hat, seine Ausgleichung finde.
dem Hause
Die bedeutungs
vollen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit werden dazu beigetragen haben, die Meinungen über das Bedürfnis der verbesserten Organisation des Heeres,
die sich in einem siegreich geführten Kriege bewährt hat,
aufzuklären.
Die
Rechte, welche der Landesvertretung durch die Verfassungsurkunde eingeräumt worden sind,
bin Ich
auch
ferner
zu achten und zu wahren entschlossen.
Soll aber Preußen seine Selbständigkeit und die ihm unter den europäischen
Staaten gebührende Machtstellung behaupten, so muß seine Regierung eine
feste und starke
sein,
vertretung nicht
anders
erstreben,
welche
und als
kann
sie das Einverständnis mit der Landes
unter Aufrechthaltung der Heereseinrichtungen
die Wehrhaftigkeit und
damit die Sicherheit des Vater
landes verbürgen.
Der Wohlfahrt Preußens und seiner Ehre Mein Leben
gewidmet.
Mit dem gleichen Ziel
ist Mein ganzes Streben,
vor Augen,
werden Sie,
wie Ich nicht zweifle, den Weg zur vollen Verständigung mit Meiner Re gierung zu finden wissen, und werden Ihre Arbeiten dem Vaterlande
zum
Segen gereichen.
38. Antwort des Königs auf die Adresse des HerrenhausesDonnerstag, den 26. Januar 1865. Ich danke dem Herrenhause für die erneuerte Kundgebung seiner Ge sinnungen,
welche
in der Mir von Ihnen überreichten Adresse einen nach
Form und Inhalt so
Waffenthaten Meines
selbst;
es
ist aber
Meiner Regierung
schönen Ausdruck Kriegsheeres
gefunden haben.
dankbar anerkenne,
auch auf anderen Gebieten in dem
verflossenen Jahre
Daß versteht
Ich sich
die
von
der Staatsverwaltung von Vieles
geschehen,
wodurch
Preußen auf die Stufe des Ansehens in Europa gehoben worden ist, welche
Erstes Buch. 1858-1866.
78 seiner Macht entspricht.
Ich habe es gern vernommen, daß das Herren
haus auch diese Thätigkeit Meiner Regiemng dankbar gewürdigt hat. Dieser Dank, sowohl für die ruhmreiche Haltung des Heeres, wie für die erfolg reichen Bestrebungen Meiner Regierung, lebt aber auch — Ich bin davon überzeugt — in Meinem Volke, und diese Überzeugung ist es, welche Meinem Herzen so wohlthut.
aber ist es, daß
Das Beste dabei
alles,
was geschehen, auf der Grundlage geschehen ist, welche allein durch Gottes
Segen Bestand und Dauer gewährt,
auf der Grundlage der Gottesfurcht.
Die Gottesfurcht ist in dem Heere lebendig gewesen, aus ihr ist die opfer willige Teilnahme hervorgegangen, welche das Volk dem kämpfenden Heere so warm und eifrig bewiesen hat.
Es ist Mein sehnlicher Wunsch, daß
der zwischen Meiner Regierung und einem Teile der Landesvertretung be
stehende
Gegensatz ausgeglichen werde.
Landesvertretung
Ich bin in der Thronrede
entgegengekommen, nun ist
der
es an der Landesvertretung,
An dem aber, was Ich in Beziehung auf
auch Mir entgegenzukommen.
diese Ausgleichung vom Throne herab ausgesprochen habe,
werde Ich un
erschütterlich festhalten, indem Ich gewissenhaft bemüht bin, alles zu thun,
was mit der Wohlfahrt des Landes vereinbar ist.
Bei dieser Meiner Ge
sinnung darf Ich das Vertrauen hegen, daß die Mißtöne, welche allerdings noch vorhanden sind, bald
beseitigt werden.
Sprechen Sie dem Herren
hause, insbesondere den Antragstellern, Meinen Königlichen Dank für die Mir überreichte Adresse aus.
39.
Urkunde für den Grundstein des Siegesdenkmals in Berlin. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen u. s. w., thur kund und fügen zu wissen, daß Wir beschlossen haben, zum bleibenden Ge
dächtnis an die Thaten Unseres Heeres in dem im verflossenen Jahre geger
Dänemark geführten Kriege in Unserer Haupt- und Residenzstadt
Berlir
den Trophäen dieses Feldzuges ein Monument errichten zu
lassen
aus
Wir haben diesen Krieg in Gemeinschaft mit Unserm erhabenen Verbündeten
dem
Kaiser
von
Österreich,
unternommen,
deutsches Recht und deutsche Ehre zu schirmen. füllung Unserer Pflicht gnädig beigestanden.
eingedenk
Unseres
Bemfes
Gott hat Uns in der Er Er hat den Geist Unsere!
Volles wach werdm lassen in der Erinnerung an die Heldenthaten feine:
Väter.
79
Regentschaft und BerfassnngSkonslikt. 1865.
Deutschlands Nordmarken sind durch die Siege Unseres Heeres wieder
deutsch und verbürgen die Zukunft Unserer jungen Flotte, die ihre Feuer
probe ehrenvoll bestanden hat.
Was Preußens Schwert befreit hat, wird
Preußens Schwert mit Gottes Hilfe auch schützen. Unserem Volke
Gott Dank und
Wir opfern heute mit
bezahlen dem Höchsten Unsere Gelübde,
heute am 18. April int Jahre des Heils 1865, heute in dieser Stunde, wo vor Jahresfrist Unsere Armee unter dem Oberbefehl Unseres bewährten
und tapferen
Generalfeldmarschalls, Grafen v. Wrangel, unter spezieller
Leitung des kommandierenden Generals, Prinzen Friedrich Karl von Preußen,
im Beisein der Prinzen Unseres Königlichen Hauses, in mutigem
die
letzten
Bollwerke
des
Feindes
auf
deutschem
Preußens Söhne, dem Rufe ihres Königs folgend,
Blute besiegelten.
Festlande
Sturm
nahm,
wo
ihre Treue mit ihrem
Wir werden den Gefallenen auf dem Schauplatze ihres
Ruhmes, auf dem Boden, den sie mit ihrem Blute gewinnen halfen, Denk mäler ihres Heldenmutes setzen lassen; hier aber legen Wir heute, in Ge
meinschaft mit der Königin, Unserer Gemahlin, umgeben von Unserem reich
Königlichen Hause,
gesegneten
von Unseren Generalen,
geführt und ihr in Tapferkeit vorgeleuchtet,
welche die Armee
von Offizieren und Mann
schaften aller Truppenteile, welche am Kriege teilnahmen, von den Räten
Unserer Krone, den Gmndstein zu einem Denkmal, welches den kommenden
Geschlechtern bezeugen soll, wie in Unserem Volke auch nach langem Frieden der Geist seiner Väter lebte, wie Unser Heer, das Volk in Waffen, mutig
und wohlgeübt, die ererbte kriegerische Tüchtigkeit in Zucht und Ordnung bewährend,
zu Wasser und zu Lande die Ungunst der Elemente und den
töpfern Widerstand der Feinde überwunden hat, dem Könige die Treue
haltend bis in den Tod.
Gegenwärtige Urkunde haben Wir in zwei gleichlautenden Ausfertigungen mit Unserer Allerhöchst eigenhändigen Namensunterschrift vollzogen und mit
Unserem größeren Königlichen Jnfiegel versehen lassen, und befehlen Wir,
die eine in den Gmndstein des Denkmals niederzulegen, die andere in Unserem Staatsarchiv aufzubewahren. Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin,
am 18. April
des Jahres 1865. (L. 8.)
Wilhelm.
Erste- Buch.
80
1858—1866.
40.
Rede beim Schluß des Landtags, Sonnabend, den 17. Juni 1865.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Des Königs Majestät haben mir *) den Auftrag zu erteilen geruht,
die Sitzungen der beiden Häuser des Landtags der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.
In der abgelaufenen Sitzungsperiode verdankt das Land dem Zu sammenwirken des Landtags mit der Regierung die Erneuerung des deutschen Zollvereins, den Abschluß der Zollverträge mit Frankreich
und Österreich,
mit England und Belgien, das neue Berggesetz, die Regulierung der schlesi schen Zehntverfassung, die bessere Versorgung der Militärinvaliden,
die
Eisenbahnanlage an der Jade, in der Eifel und in Thüringen, sowie eine
Anzahl anderer nützlicher und heilsamer Gesetze.
Aber zu vollen und durchgreifenden Resultaten hätte das Zusammen
wirken der Volksvertretung mit der Regierung nur dann führen können,
gegenüber, das Wohl des
wenn, auch
den politischen Meinungskämpfen
Vaterlandes
oberstes Gesetz und höchste Richtschnur für alle Parteien ge
blieben
wäre.
So ist es nicht gewesen.
Die deutlich ausgesprochene Ab
sicht der Mehrheit des Abgeordnetenhauses, den gegenwärtigen Ratgebern
der Krone Schwierigkeiten zu bereiten, hat zur Verwerfung der Wegcordnung, des Bankgesetzes, der Eisenbahnanlagen in Ostpreußen und dadurch zur
Schädigung des materiellen Wohls des Landes geführt.
Durch die Verwerfung des Militärgesetzes hat die unter der
Mit
wirkung früherer Landtage in das Leben gerufene und durch die kriegerischen
Ereignisse des vorigen Jahres bewährte neue Heereseinrichtung, unter Ge fährdung der äußeren Sicherheit des Landes, aufs neue in Frage werden
sollen.
gestellt
Das Haus der Abgeordneten versagt der Regierung
die
Mittel zur Herstellung einer den gegenwärtigen Verhältnissen und Bedürf nissen entsprechenden Kriegsflotte; es versagt ihr den von ihm verlangten
Beistand zur Gewinnung
der Früchte der mit so
errungenen Siege des verflossenen Jahres.
vielem, teueren
Blute
Ja, es hat sich von den glänzen
den Thaten und Erfolgen der Armee losgesagt, indem es,
wie früher die
geforderte Anleihe, so jetzt die nachträgliche Genehmigung der verausgabten Kriegskosten verweigert hat. *) Ministerpräsident v. Bismarck.
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1865.
81
Das Staatshaushaltsgesetz, dessen Zustandekommen nach Art. 62
und
der Verfassungsurkunde
99
von dem Zusammenwirken aller
setzgebung beteiligten Faktoren erwartet wird,
bei der Ge
ist auch in diesem Jahre an
der Weigerung des Abgeordnetenhauses, die zur Aufrechthaltung des Heer
wesens unerläßlichen Mittel zu bewilligen, gescheitert. Das Abgeordnetenhaus hat Forderungen verweigert, welche die Staats
stellen mußte;
regierung
nicht ausführen kann.
Sitzung
abermals
es
hat Beschlüsse
die Regierung
welche
gefaßt,
der
ersehnten Verständigung schließt die
unter dem Eindruck
gegenseitiger Entfremdung der zum
Statt mit
Zusammenwirken berufenen Kräfte. Sr. Majestät Regierung
hat
nur ein Ziel im Auge: die Wahrung
der Rechte und der Ehre des Königs und des Landes, so wie sie verbrieft
sind,
so wie sie nebeneinander bestehen können und
müssen.
Dem Lande
ist nicht gedient, wenn seine gewählten Vertreter die Hand nach Rechten
ausstreckcn, die ihre gesetzliche Stellung im Verfassungsleben ihnen
versagt.
Rur wenn sie diese Stellung dazu benutzen, mit zu arbeiten an dem von unseren
Fürsten begonnenen und
bisher durchgeführten Werke, Preußen,
unter starken Königen, groß und glücklich zu machen,
nur dann werden sie
das Mandat erfüllen, welche des Königs Unterthanen in ihre Hände legen.
Die Regiemng Sr. Majestät ist bestrebt, das in gleichem Sinne ihr erteilte Mandat ihres Königlichen Herrn nach Kräften auszuführen.
wird, unbeirrt durch feindseligen
Schrift,
und
Sie
maßlosen Widerstand in Rede und
stark im Bewußtsein ihres guten Rechts und guten Willens, den
geordneten Gang der öffentlichen Angelegenheiten aufrecht erhalten und die
Interessen des Landes nach außen wie nach innen lebt der Zuversicht, daß der Weg,
kräftigst vertreten.
den sie bisher inne gehalten,
Sie
ein ge
rechter und heilsamer gewesen ist, nnd daß der Tag nicht mehr sein sein kann, an welchem die Nation, wie
bereits durch Tausende aus freier Be
wegung kund gewordener Stimmen
geschehen, so
auch durch
den Mund
ihrer geordneten Vertreter ihrem Königlichen Herm Dank und Anerkennung
aussprechen werde.
Dem Herrenhause habe ich im Namen Sr. Majestät Allerhöchst Dessen Dank
für
die
auch
in dieser Session
bewiesene
Treue
und Hingebung
zu sagen.
Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier
mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
6
Erstes Buch. 1858—1866.
82
41.
Patent, lietr. die Besitznahme des Herzogtums Lauenburg. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen u. s. w., thun hiermit jedermann kund und zu wissen:
Nachdem Se. Majestät König Christian IX.
von Dänemark in dem
zu Wien am 30. Oktober 1864 abgeschlossenen Friedenstraktat Seine Rechte
an Se. Majestät den Kaiser
und
an das Herzogtum Lauenburg
an Uns
von Österreich
abgetreten, und
gemeinschaftlich
Kaiser Franz Joseph I.
nachdem Se. Majestät der
von Österreich Seinen Anteil an diesen Rechten am 20. des
durch die am 14. August d. I. zu Gastein verabredete und
selben Monats zu Salzburg zwischen Uns abgeschlossene Vereinbarung Uns
überlassen hat: so nehmen Wir, in Erfüllung des von der lauenburgischen
Landesvertretung ausgesprochenen Wunsches, dieses Herzogtum in Kraft des
Patents
gegenwärtigen
mit
Rechten
allen
Landeshoheit
der
herrlichkeit in Besitz, fügen Unseren Titeln den
und
Ober
eines Herzogs von Lauen
burg bei und wollen, daß das Herzogtum Lauenburg in Unserm König lichen Hause
den
nach
für die Erbfolge in der Krone Preußens bestehen
den Grundsätzen vererben soll.
Wir entbieten allen Einwohnern des Herzog
gebieten ihnen, Uns fortan als
tums Unsern landesväterlichcn Gruß und
ihren rechtmäßigen Landesherrn anzuerkennen, Uns und Unsern Nachfolgern
den Eid der Treue zu leisten und Unsern Gesetzen und Anordnungen nach
zuleben,
wogegen Wir sie Unseres landesherrlichen Schutzes versichern und
versprechen,
daß Wir sie gerecht regieren, das Land und
seine Bewohner
bei ihren wohlerworbenen Rechten schützen und Unsere landesväterliche Für
sorge auf die Wohlfahrt derselben richten wollen. Zu Unserm Minister für Lauenburg haben Wir Unsern
Minister
präsidenten und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, von BismarckSchönhausen, ernannt und demselben befohlen, die Regierung nach Maßgabe
der im Herzogtum bestehenden
Gesetze und
Landesordnungen zu führen,
wollen auch alle Beamte des Herzogtums, nachdem Uns dieselben den Eid
der Treue
geleistet haben werden,
in ihren Anstellungen
bestätigen
und
belassen.
Wir beauftragen Unsern Staatsminister,
burg,
von dem
Auftrag Besitz
Herzogtum Lauenburg
zu
ergreifen, die
und Pflicht für Uns
obersten
zu nehmen und
Grafen
hiemach
v.
Arnim-Boitzen-
in Unserm
Behörden des
Namen und
Landes
in
Eid
ihnen den Auftrag zur Vereidigung
Regentschaft und VerfafsungSkonslikt. 1866.
83
der übrigen Beamten zu erteilen, indem Wir die Erbhuldigung des Landes
wo Uns möglich sein wird, dieselbe in
bis zu dem Zeitpunkte Vorbehalten,
eigner Person entgegenzunehmen *). So geschehen Berlin, den 13. September 1865.
Wilhelm Rex. von Bismarck.
42.
Hebe zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 15. Januar 1866. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König haben mir2) den Auftrag zu erteilen geruht,
den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.
In der letzten Sitzungsperiode ist, wie in ben Vorjahren, in Erman gelung der notwendigen Übereinstimmung der Häuser des Landtags unter einander und mit der Krone, das in Artikel 99 der Verfassungsurkunde vor gesehene Etatsgesetz nicht zu stände gekommen.
gelaufenen Jahre die
Staatsverwaltung
ohne
Es hat daher auch im ab-
ein
solches
Gesetz
geführt
werden müssen. Die Nachweisung
der Einnahmen und Ausgaben,
welche der Finanz
verwaltung des verflossenen Jahres als Richtschnur gedient hat, ist amtlich znr öffentlichen Kenntnis gebracht worden.
Der Staatshaushalts-Etat für das laufende Jahr wird dem Landtage unverweilt vorgelcgt werden. Aus demselben werden Sie die Überzeugung gewinnen, daß unsere Finanzen sich fortdauernd in günstiger Lage befinden.
Bei den meisten Verwaltungszweigen ist nach
den bisherigen Erfah
rungen eine Erhöhung der Einnahmesätze zulässig gewesen, welche die Mittel
geboten hat, im Etat die zusehen und zur
Befriedigung zahlreicher Mehrbedürfnisse vor
weiteren Verbesserung des Diensteinkommens
der gering
besoldeten Beamtenklassen eine angemessene Summe zu bestimmen, ohne das Gleichgewicht zwischen Einnahme und Ausgabe zu stören.
Den Häusern des Landtags wird, dem Vorbehalt im § 8 des Grund steuergesetzes vom 21. Mai 1861 gemäß, der Entwurf eines das Werk der Veranlagung abschließenden Gesetzes
wegen definitiver Unterverteilung und
*) Dieselbe erfolgte am 26. September in der St. Petrikirche zu Ratzeburg. a) Ministerpräsident Graf v. Bismarck.
84
Erstes Buch. 1858—1866.
Erhebung der Grundsteuer in den sechs östlichen Provinzen zur verfassungs mäßigen Beschlußnahme vorgelegt werden.
Die Arbeiten zur Ausführung
des Gmndsteuer-Entschädigungsgesetzes sind im eifrigsten Betriebe, und steht zu erwarten, daß die Auszahlung der Entschädigungskapitalien noch im Laufe dieses Jahres wird erfolgen können.
Die Lage der
Finanzen gestattet es, den Gerichtskostenzuschlag all
mählich zu ermäßigen, um ihn nach Verlauf weniger Jahre ganz wegfallen zu lassen.
Die wirtschaftlichen Zustände des Landes sind im allgemeinen als be
friedigend zu bezeichnen.
Allerdings ist die letzte Ernte teilweise ungenügend
ausgefallen; wenn aber einzelne Lebensbedürfnisse im Preise gestiegen sind,
so genügt doch die freie Thätigkeit des Handels, mit Hilfe
der erweiterten
Kommunikationsmittel den in einigen Gegenden fehlenden Getreidebedarf zu ergänzen.
Auch zeugt die Frequenz der Eisenbahnen, die Thätigkeit des
Bergbaues, die Regsamkeit in den Gewerben und die durchweg den arbei
tenden Klassen sich
für eine rüstig
bietende Gelegenheit zur Beschäftigung
fortschreitende Entwickelung.
Im Interesse derselben wird Ihre Mitwirkung
in Anspruch genommen werden. welche den Zweck haben,
Es
werden Ihnen Vorlagen
zugehen,
die Leistungsfähigkeit einiger Staatsbahnen durch
außerordentliche Verwendungen sicherzustellen, den Wirkungskreis der preußi schen Bank zu erweitem und Beschränkungen aufzuheben,
welche der freien
Verwertung der Arbeitskraft noch im Wege stehen. Die Handels- und Zollverträge,
welche in der verflossenen Sitzung
einen Gegenstand Ihrer Beratungen bildeten, sind seitdem durch Erneuerung
der Verträge mit Luxemburg, Anhalt und Bremen ergänzt worden. Mit Großbritannien ist ein Schiffahrtsvertrag, mit Italien ein Handels vertrag abgeschlossen, auf dessen Ratifizierung von feiten aller Zollvereins
staaten die Regiemng mit Zuversicht hofft.
Die genannten Verträge werden
Ihnen vorgelegt werden. Durch die Verordnung
vom 10. November v. I. ist
die Königliche
Anordnung, durch welche die Bildung der Ersten Kammer zu erfolgen hatte, zum Abschluß gebracht und sind dem Herrenhause die seiner Stellung im
Staatsorganismus entsprechenden festen und
nicht anders als durch Gesetz
abzuändemden Gmndlagen gegeben worden.
Nach mehrjährigen fruchtlos gebliebenen Verhandlungen über Gesetzes vorschläge, welche eine Erleichterung und Abkürzung der Dienstzeit in der
Landwehr, sowie eine gerechtere Verteilung der Kriegsdienstpflicht überhaupt
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
85
1866.
bezweckten, kann die Regierung Sr. Majestät des Königs von der Wieder
holung solcher Vorschläge für jetzt ein ersprießliches Resultat nicht erwarten.
Sie
die
wird
es
bei den geltenden
daher
Verpflichtung
zum Kriegsdienste
gesetzlichen
Bestimmungen
einstweilen belassen müflen.
über
Indem
die Regierung diese ihr abgedrungene Entschließung bedauert, bleibt sie von der Notwendigkeit durchdrungen, die jetzige, unter Mitwirkung der früheren
Landesvertretung den
ins Leben gerufene, seitdem praktisch bewährte und nach
bestehenden Gesetzen zulässige Einrichtung des Heerwesens aufrecht zu
erhalten und die dazu nötigen Geldmittel auch ferner zu fordern. Wie im Vorjahre, so hält auch jetzt die Regierung Sr. Majestät an dem Bestreben fest, die schnelle und kräftige Entwickelung der preußischen
Für die Gründung angemessener Hafenetablissements,
Seemacht zu fördern.
für
die Beschaffung
und deren Bewaffnung bleibt die Ver
von Schiffen
wendung außerordentlicher Mittel unerläßlich.
Ein desfallsiger Gesetzentwurf
wird daher dem Landtage von neuem vorgelegt werden, zumal durch die
inzwischen erfolgte Regelung der Besitzverhältnisse von Kiel die wesentlichsten der
im vorigen Jahre der Vorlage entgegengestellten Bedenken ihre Er
ledigung gefunden haben.
Tie Beziehungen
Preußens
zu allen auswärtigen Staaten sind be
friedigender und freundschaftlicher Natur. Nachdem durch
den in Gastein und Salzburg abgeschlossenen Vertrag
Se. Majestät der Kaiser
von Österreich Seinen Teil an
den Souveräne-
tätsrechten über das Herzogtum Lauenburg an Se. Majestät den König ab
getreten hat, ist dasselbe mit der Krone Preußen vereinigt worden, uub es ist
der Wille Sr. Majestät, dieses Herzogtum alle Vorteile des Schutzes
und der Pflege, welche diese Vereinigung ihm bietet, unter Schonung seiner
Eigentümlichkeit genießen zu lassen.
Die schließliche Entscheidung über die Zukunft der anderen beiden Elbherzogtümer ist in demselben Vertrage einer weiteren Verständigung Vor behalten; Preußen aber hat in dem Besitz Schleswigs und der in Holstein gewonnenen Stellung ein ausreichendes Pfand dafür erhalten, daß diese Ent
scheidung nur in einer den deutschen Nationalinteressen und den berechtigten Ansprüchen Preußens entsprechenden Weise erfolgen werde.
Gestützt auf die eigene, durch das Gutachten der Kronsyndici bestärkte
rechtliche Überzeugung ist Se. Majestät der König entschlossen, dieses Pfand bis zur Erreichung des angedeuteten Zieles unter allen Umständen festzuhalten, und
weiß Sich in diesem Entschlüsse von der Zustimmung Seines Volkes
getragen.
Erstes Buch. 1858—1866.
86
Um die Ausführung des Kanals vorzubereiten, welcher die Ostsee mit der Nordsee verbinden soll, beabsichtigt die Staatsregiemng durch eine be
sondere Vorlage nehmen.
die Mitwirkung
der Landesvertretung
in Anspruch
zu
Die Bedeutung, welche dieses Werk und mit ihm die Entwickelung
der vaterländischen Seemacht für die Stellung Preußens und für deren Ver
wertung int Gesamtinteresse Deutschlands hat, verleiht der Regierung Sr. Ma
jestät des Königs von neuem die Zuversicht, daß
bei Erwägung der be
treffenden Vorlagen die Meinungsverschiedenheiten über innere Fragen und die Parteistellungen sich der Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland unter ordnen und daß beide Häuser des Landtags der Krone einmütig und recht
zeitig die Hand bieten werden, um die Lösung der nationalen Aufgaben fördem zu helfen, welche dem preußischen Staate vermöge seiner Beziehungen zu den Elbherzogtümern in verstärktem Maße obliegen.
Durch die den Hafen von Kiel betreffenden Bestimmungen des Gasteiner Vertrags ist der künftigen deutschen Flotte der bisher mangelnde Hafen ge
sichert, und wird es die Aufgabe der preußischen Landesvertretung sein, die Staatsregierung in die Lage zu versetzen, Verhandlungen mit ihren Bundes
genossen auf einer Preußens würdigen Unterlage eröffnen zu können. Im Laufe des verflossenen Jahres haben Se. Majestät der König in
vier Provinzen die erneute Huldigung der Bewohner solcher Landesteile entgegengenommen, welche vor einem halben Jahrhundert mit der preußischen
Monarchie vereinigt oder ihr wiedergewonnen wurden.
Der Geist, in welchem überall diese Jubelfeier begangen worden ist, hat Zeugnis
gegeben von dem erhebenden Bewußtsein unseres Volkes, wie
Großes Gott an dem
preußischen Staate gethan,
wie viel fortschreitende
Entwickelung, wie viel Segen und Gedeihen auf allen Gebieten der öffent
lichen Wohlfahrt unserm Vaterlande in jenem Zeitraume beschieden war. Mit Begeisterung hat die Bevölkerung jener Provinzen ihre Dankbarkeit für das treue, landesväterliche Walten unserer Fürsten bekundet und von neuem
gelobt, auch ihrerseits die Treue zu halten. dem
Gelöbnis, die
glücklichen Zustände aller Landesteile
fördem zu wollen, haben Se. Majestät die
gesprochen, daß
In Dank gegen Gott und mit
ein Band
auch
fernerhin
erneute volle Zuversicht aus
des Vertrauens Fürst und Volk für jetzt und
für alle Zukunft umschließen, und daß über Preußen Gottes segnende Hand
auch ferner walten werde. Die Regiemng Sr. Majestät trägt das Bewußtsein in sich, daß ihr der Wille nicht fehlt, ihrem Königlichen Herm nach diesem Seinem Sinne
zu dienen.
Sie lebt der Überzeugung, daß bei einer unbefangenen, leiden-
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
schaftslosen und rein sachlichen Prüfung dessen,
1866.
87
was ihr zu erreichen ver
gönnt gewesen, wie dessen, was sie mit Hilfe der Landesvertretung noch er strebt, genug der Zwecke und Ziele gefunden werden müßten, in denen alle
Parteien sich eins wissen. Werden Sie, meine Herren, von dem Wunsche getragen, diese Einigungs
punkte zu suchen und hochzuhalten, so wird Ihren Beratungen Segen und Erfolg nicht fehlen. Und so erlläre ich im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs
den Landtag der Monarchie für eröffnet.
43.
Ne-e des Ministerpräsidenten Grafen von Bismarck ;um Schluß des Landtags, Freitag, deu 23. Februar 1866.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Regierung Sr. Majestät des Königs hatte den diesjährigen Land
tag
nicht in der Erwartung
einer unmittelbaren Lösung
des
schwebenden
Berfassungsstreitcs, aber doch in der Hoffnung eröffnet, daß das im preußi schen Volke lebende Verlangen nach einer Ausgleichung auch in der Landes vertretung hinreichenden Wiederhall finden werde, um das Zusammenwirken
der Staatsgewalten
zur Herstellung nützlicher Gesetze zu ermöglichen und
durch gemeinsame Thätigkeit im Dienste des Vaterlandes die Schroffheit des Gegensatzes zu niilderrt, in welchen das Haus der Abgeordneten zur Krone
und zum Herrenhause geraten war.
In dieser Hoffnung hat die Staatsregierung den Landtag nach dem Willen Sr. Majestät des Königs eröffnet,
neue Nahrung
zu geben oder
ohne ihrerseits dem Zerwürfnis
die Grundlagen künftiger Verständigung zu
beeinträchtigen.
Die erste Kundgebung, welche darauf aus dem Hause
der Abgeord
neten erfolgte, war eine Rede seines Präsidenten *), in welcher derselbe der
feindseligen Stimmung der Mehrheit des Hauses durch grundlose und heraus
fordernde Vorwürfe gegen die Regiemng
Sr. Majestät des Königs Aus
druck gab. Diesem Vorgänge entsprach die fernere Thätigkeit des Hauses; sie war
’) Grabow.
88
Erstes Buch. 1858—1866.
nicht dem
Frieden,
sondern
dem Streite zugewandt, nicht den
Gesetzes
vorlagen, sondern dem Bestreben gewidmet, zu Angriffen auf die Regierung den Anlaß auf solchen Gebieten zu suchen, welche die Landesverfassung dem
Wirkungskreise der Volksvertretung
die Thätigkeit der Abgeordneten
nicht überwiesen hat und auf welchen
deshalb
unfruchtbare bleiben mußte.
eine
In diesem Sinne wurde die vom ganzen Lande mit Freuden begrüßte Ver einigung des Herzogtums Lauenburg mit der
preußischen Krone und
durch das verfassungsmäßige Recht des Königs angefochten,
zu schließen, welche dem Staate keine Lasten auferlegen.
da
Staatsverträge
In diesem Sinne
erfolgte, durch den Beschluß vom 10. Februar, ein verfassungswidriger An griff auf die durch Artikel 86
der
Verfassungsurkunde verbürgte Unab
hängigkeit der Gerichte, in Verbindung mit dem Versuche, das wohlbegründete
Ansehen preußischer Rechtspflege im eines Richterstandes wie
seit Jahrhunderten, unserm
einen weiteren Beschluß
und
erschüttern
Volke zu
öffentlich anzutasten,
die Ehre
dessen Unparteilichkeit noch heute,
Vaterlande zum Ruhme gereicht.
hat das Haus
der Abgeordneten
Durch
den Artikel 45
der Verfassungsurkunde verletzt und sich die Sr. Majestät dem Könige allein
zustehenden Befugnisse
der
vollziehenden Gewalt
beigelegt,
indem
es
den
Beamten derselben Vorschriften in betreff ihrer dienstlichen Pflichten zu er
teilen unternahm.
Angesichts dieser Übergriffe mußte die Staatsregierung sich die Frage vorlegen,
ob von der Fortsetzung der Verhandlungen des Landtags gedeih
liche Ergebnisse
für die Wohlfahrt und den inneren Frieden
überhaupt zu erwarten ständen.
Se. Majestät der König
des Landes
hat die Beant
wortung dieser Frage ausgesetzt wissen wollen, bis die Beratungen des Hauses der Abgeordneten
über einen Antrag
erfolgt sein würden,
welchem die
in
vermittelnden Bestrebungen einer Minderheit ihren Ausdruck gefunden hatten.
Der Verlauf dieser Beratungen hat bei der Staatsregierung die Be sorgnis nicht zu heben vermocht,
daß auf dem
vom Hause
der Abgeord
neten eingeschlagenen Wege das Land ernsteren Zerwürfnissen entgegengeführt
und
die
Ausgleichung
der
bestehenden
auch
für
die Zukunft
erschwert
werden würde. Um dies
zu
verhüten, haben Se. Majestät der König
befohlen, die
Sitzungen des am 15. Januar eröffneten Landtags zu schließen.
Im Aller
höchsten Auftrage erkläre ich den Landtag der Monarchie für geschlossen.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
89
1866.
44. Allerhöchster Erlaß auf die patriotische Adresse der Stadt Breslau, Sonnabend, den 19. Mai 1866.
Die Worte, welche Magistrat und Stadtverordnete der Stadt Breslau in der Vorstellung vom 15. d. M. an Mich richten, habe Ich gern ver nommen.
Ich erkenne in ihnen den Ausfluß desselben Geistes, welcher im
Jahre 1813 die Väter der heutigen Bewohner Breslaus beseelte;
es hat
Mir wohlgethan, daß die Vertreter der Stadt diesem Geiste mit Ernst und Niemand kann die Schwere
Wärme Ausdruck gegeben haben.
der Opfer,
welche der Krieg dem Vaterlande auferlegen würde, schmerzlicher empfinden,
als Ich, niemand das Bedürfnis lebhafter fühlen, daß dieselben von Herrscher
und Volk in ungetrübter Eintracht getragen der Stadt Breslau
als
werden.
Bürgschaft dienen, daß
Möge Mein Wort
kein ehrgeiziges Streben,
selbst nicht dasjenige, welches im Interesse des großen, gemeinsamen Vater
landes berechtigt genannt werden könnte, sondem nur die Pflicht, Preußen
und seine heiligsten Güter zu verteidigen,
Mich Mein Volk hat
zu den
Mögen die Einwohner der Stadt überzeugt sein, daß
Waffen rufen lassen.
die Verständigung über die zwischen Meiner Regierung und dem Landtage streitigen Fragen das Ziel Meiner Wünsche und Meines eifrigen Strebens
ist.
In der Hoffnung, diesem Ziele näher zu treten, in der Hoffnung, daß
angesichts
der Gefahren,
welche
Preußen
bedrohen, die einander wider
streitenden Rechtsansichten und Stimmungen ihre Vermittelung in der ge meinsamen Hingebung
für das
Vaterland
Landtag der Monarchie einberufen. —
finden werden,
werde ich den
Durch Anordnung von Neuwahlen
ist den Wählern und den Gewählten die Möglichkeit gewährt, frei von den Beziehungen, welche in der Vergangenheit wurzeln, die Gesinnung zum Aus
druck zu bringen, welche Mein Volk in der gegenwärtigen bedrohten Lage des Landes erfüllt.
In diesem Sinne hoffe Ich, auf dem bevorstehenden
Landtage Meine getreue Stadt Breslau vertreten und
ihre Abgeordneten
zur Herbeiführung der von Mir erstrebten Verständigung mitwirken zu sehen. Berlin, den 19. Mai 1866.
Wilhelm. Graf zu Eulenburg.
Erstes Buch. 1858—1866.
90
45.
Preußische Proklamation „An das deutsche Volk", Sonnabend, den 16. Juni 1866. Nachdem
der Deutsche Bund
Einheit, sondern die Zerrissenheit
ein
halbes Jahrhundert
Deutschlands
lang nicht die
dargestellt und
gefördert,
dadurch längst das Vertrauen der Nation verloren hatte und dem Auslande als die Bürgschaft der Fortdauer deutscher Schwäche und Ohnmacht galt,
hat er in den letzten
Deutschland
Tagen dazu mißbraucht werden sollen,
gegen ein Bundesglied in die Waffen zu rufen, welches durch den Vorschlag der Berufung
eines
deutschen Parlaments
den
ersten und entscheidenden
Schritt zur Befriedigung der nationalen Forderungen gethan hatte.
Für
den von Österreich erstrebten Krieg gegen Preußen fehlte jeder Anhalt in
der Bundesverfassung, wie jeder Grund oder auch nur scheinbare Vorwand. Mit dem Beschluß
vom 14. Juni, durch
Bundesglieder beschloß, sich zum Kriege
welchen
gegen Preußen
die Mehrheit der zu rüsten,
ist der
Bundesbruch vollzogen und das alte Bundesverhältnis zerrissen. Nur die Grundlage des Bundes,
die lebendige Einheit
der deutschen
Nation, ist geblieben, und es ist die Pflicht der Regierungen und des Volkes,
für diese Einheit einen neuen lebenskräftigen Ausdruck zu finden.
Für Preußen verbindet sich damit die Pflicht jenen Beschluß und durch
durch
Unabhängigkeit.
Indem
einzelner
seiner Gegner bedrohten
das preußische Volk zur Erfüllung
seine Gesamtkraft aufbietet,
Interesse
die Rüstungen
zur Verteidigung seiner dieser Pflicht
bekundet es zugleich den Entschluß, für die im
bisher
gewaltsam
gehemmte
nationale
Entwickelung
Deutschlands den Kampf aufzunehmen.
In diesem Sinne hat Preußen sofort nach Auflösung des Bundes den Regierungen ein neues Bündnis auf
seitigen Schutzes geboten.
die einfachen Bedingungen des gegen
und der Teilnahme an den nationalen Bestrebungen an
Es verlangte nichts
als Sicherung des Friedens und
zu diesem
Behufe sofortige Berufung des Parlaments. Seine Hoffnung
auf
Erfüllung
langens ist getäuscht worden.
dieses
gerechten und
mäßigen Ver
Das Anerbieten Preußens ist abgelehnt, und
letzteres damit genötigt worden, nach der Pflicht der Selbsterhaltung zu ver
fahren.
Feinde oder zweifelhafte Freunde kann Preußen an seiner Grenze
und zwischen seinen Grenzen in einem solchen Augenblick nicht dulden.
Indem die preußischen Truppen die Grenze überschreiten, kommen sie
nicht als Feinde der Bevölkerung, deren Unabhängigkeit Preußen achtet, und
mit deren Vertreten! es
91
1866.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
in der deutschen Nationalversammlung gemeinsam
die künftigen Geschicke des deutschen Vaterlandes zu beraten hofft. Möge das deutsche Volk im Hinblick auf dieses hohe Ziel Preußen mit Vertrauen entgegenkommen und die friedliche Entwickelung des gemein
samen Vaterlandes fördem und sichern helfen!
46. Aufruf an -as preußische Volk, Montag, den 18. Juni 1866.
An Mein Volk!
In dem
Augenblicke,
wo
Kampfe auszieht, drängt es
Preußens
Heer
zu
einem entscheidenden
Mich, zu Meinem Volke, zu den Söhnen
und Enkeln der tapfern Väter zu reden, zu denen vor einem halben Jahr
hundert Mein in Gott ruhender Vater unvergessene Worte sprach. Das Vaterland ist in Gefahr!
Österreich und ein großer Teil Deutschlands
steht gegen dasselbe in
Waffen!
Nur wenige Jahre sind es her, seit Ich
aus freiem Entschlüsse und
ohne früherer Unbill zu gedenken, dem Kaiser von Österreich die Bundes
hand reichte, als cs galt, ein deutsches Land befreien.
Aus dem
von
fremder Herrschaft zu
gemeinschaftlich vergoffenen Blute, hoffte Ich, würde
eine Waffenbrüderschaft erblühen, die zu fester,
auf gegenseitiger Achtung
und Anerkennung beuchender Bundesgenossenschaft und mit ihr zu all dem gemeinsamen Wirken führen würde, aus welchem Deutschlands innere Wohl
fahrt und
äußere Bedeutung als Frucht hervorgehen sollte.
Hoffnung ist getäuscht worden.
Österreich
Aber Meine
will nicht vergessen, daß seine
Fürsten einst Deutschland beherrschten; in dem jüngeren,
aber kräftig sich
entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenossen, sondem
nur einen feindlichen Nebenbuhler erkennen. muß in allen seinen Bestrebungen
frommt, Österreich schade.
Preußen — so meint es —
bekämpft werden, weil, was Preußen
Die alte unselige Eifersucht ist in hellen Flammen
wieder aufgelodert: Preußen soll geschwächt, vernichtet, entehrt werden.
Ihm
gegenüber gelten keine Verträge mehr, gegen Preußen werden die deutschen
Bundesfürsten nicht bloß aufgemfen,
sondem zum Bundesbruch
verleitet.
Wohin wir in Deutschland schauen, sind wir von Feinden umgeben, deren
Kampfgeschrei ist: „Emiedrigung Preußens!"
Erstes Buch. 1858-1866.
92
Aber in Meinem Volke lebt der Geist von 1813.
Wer wird uns
einen Fuß breit preußischen Bodens rauben, wenn wir ernstlich entschlafen sind, die Errungenschaften unserer Väter zu wahren, wenn König und 8olk,
durch die Gefahren des Vaterlandes fester als je geeint,
an die Ehre >es-
selben Gut und Blut zu setzen für ihre höchste und heiligste Aufgabe haten-
In sorglicher Voraussicht dessen,
was nun eingetreten ist, habe Ich es seit
Jahren für die erste Pflicht Meines Königlichen Amtes
Preußens streitbares Volk für Befriedigt und zuversichtlich
erkennen missen,
eine starke Machtentwickelung vorzuberetem
wird mit Mir jeder Preuße auf die Wafen-
macht blicken, die unsere Grenzen deckt.
Mit seinem Könige an der Sitze
wird sich Preußens Volk ein Volk in Waffen fühlen.
Unsere Gegner Räu
schen sich, wenn sie wähnen, Preußen sei durch innere Streitigkeiten gelchmt.
Dem Feinde gegenüber ist es einig und stark; dem Feinde gegenüber gdicht
sich aus, was sich entgegenstand, um demnächst im Glück und Unglück ver eint zu bleiben.
Ich habe alles gethan, um Preußen die Lasten und Opfer eines Kreges zu ersparen, das weiß Mein Volk,
das weiß Gott, der die Herzen feilst.
Bis zum letzten Augenblicke habe Ich, in Gemeinschaft mit Frankreich, kngland und Rußland, die Wege für eine gütliche Ausgleichung gesucht und offengehalten. Österreich hat nicht gewollt und andere deutsche Stcaten
haben sich offen auf seine Seite gestellt.
So sei es denn!
Nicht Men ist
die Schuld, wenn Mein Volk schweren Kampf kämpfen und vielleicht jarte Bedrängnis wird erdulden müssen: aber
blieben!
es ist uns keine Wahl mehr ge
Wir müssen fechten um unsere Existenz, wir müssen in anen
Kampf auf Leben und Tod großen Kurfürsten,
des
gehen gegen diejenigen,
die das Preußen des
großen Friedrich, das Preußen, wie
Freiheitskriegen hervorgegangen ist,
die seiner Fürsten Geist und
es aus den
von der Stufe herabstoßen wollen, auf
Kraft,
seines Volkes Tapferkeit, Hingebung
und Gesittung es emporgehoben haben. Flehen
wir den Allmächtigen, den Lenker der Geschicke der Vilker,
den Lenker der Schlachten an, daß Er unsere Waffen segnet.
Verleiht uns Gott den Sieg, dann werden wir auch stark genug sein, das lose Band, welches
That nach
die deutschen Lande
zusammenhielt und welches
jetzt
mehr dem Namen, als der
durch diejenigen zerrisse: ist,
die das Recht und die Macht des nationalen Geistes
fürchten, in awerer
Gestalt fester und heilvoller zu erneuen.
Gott mit uns! Berlin, den 18. Juni 1866.
Wilhelm
Regentschaft und Berfassungskonflikt. 1866.
93
47. Armeebefehl, Freitag, den 29. Juni 1866.
Soldaten Meiner Armee!
Ich begebe Mich heute zu Euch, Meinen im Felde stehenden braven Truppen, und biete Euch Meinen Königlichen Gruß.
In wenigen Tagen
sind durch Eure Tapferkeit und Hingebung Resultate erfochten worden, welche
sich würdig anreihen an die Großthaten unserer Väter.
Mit Stolz blicke
ich auf sämtliche Abteilungen Meines treuen Heeres und sehe den nächsten Kriegsereignissen mit freudiger Zuversicht entgegen. Feinde stehen gegen uns im Kampf.
Soldaten!
Zahlreiche
Laßt uns indes auf Gott den Herrn,
den Lenker aller Schlachten, und auf unsere gerechte Sache bauen. Er wird
durch Eure Tapferkeit und Ausdauer die sieggewohnten preußischen Fahnen zu neuen Siegen führen.
-------------------
Wilhelm.
48. Armeebefehl nach dem Siege von Königgrätz. Soldaten Meiner in Böhmen versammelten Armeen! Eine Reihe blutiger und ruhmreicher Gefechte hat die rechtzeitige Ver
einigung unserer sämtlichen Streitkräfte in Böhmen möglich gemacht.
Aus
den Mir vorliegenden Berichten ersehe Ich, daß das Resultat durch die sichere Führung Meiner Generale und durch die Hingebung und Tapferkeit sämtlicher Truppen erreicht worden ist.
Unmittelbar darauf hat die Armee,
trotz aller Anstrengungen und Entbehrungen der vorhergehenden Tage, unter Meiner Führung den Feind in einer festen Stellung bei Königgrätz energisch angegriffen, die gut verteidigte Position nach heißem Kampfe genommen und
einen glorreichen Sieg erkämpft.
Viele Trophäen, über hundert eroberte
Kanonen, Tausende von Gefangenen geben aufs neue Zeugnis von der
Tapferkeit und Hingebung, in welcher alle Waffen miteinander gewetteifert
haben.
Der Tag von Königgrätz hat schwere Opfer gefordert, aber er ist
ein Ehrentag für die ganze Armee, auf welche das Vaterland mit Stolz und Bewunderung blickt.
Ich weiß, Ihr werdet auch ferner Meinen Er
wartungen entsprechen, denn preußische Truppen wußten stets mit dem
Heldenmut diejenige Mannszucht zu vereinigen, ohne welche große Erfolge nicht erkämpft werden können.
Hauptquartier Horicz, den 4. Juli 1866.
Wilhelm.
Erstes Buch. 1858-1866.
94
49.
Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Sonntag, den 5. August 1866. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!
Indem Ich die Vertretung
des Landes um Mich
versammelt sehe,
drängt Mich Mein Gefühl, vor allem auch von dieser Stelle Meinen und
Meines Volkes Dank für Gottes Gnade auszusprechen, welche Preußen ge holfen hat, unter schweren, aber erfolgreichen Opfern nicht nur die Ge fahren feindlicher Angriffe
raschem Siegeslauf des
von unseren Grenzen abzuwenden,
vaterländischen Heeres dem
sondern in
ererbten Ruhme neue
Lorbeeren hinzuzufügen und der nationalen Entwickelung Deutschlands die Bahn zu ebnen. Unter dem sichtbaren
Segen Gottes
folgte die
waffenfähige Nation
mit Begeisterung dem Rufe in den heiligen Kampf für die Unabhängigkeit des Vaterlandes, und schritt unser heldenmütiges Heer,
unterstützt von
wenigen, aber treuen Bundesgenossen, von Erfolg zu Erfolg, Sieg, im Osten
wie
im Westen.
Viel teueres
Blut ist
von Sieg zu
geflossen,
viele
Tapfere betrauert das Vaterland, die siegcsfroh den Heldentod starben, bis unsere Fahnen sich in einer Linie von den Karpaten bis zum Rheine ent
falteten.
In einträchtigem Zusammenwirken
werden Regierung und Volks
vertretung die Früchte zur Reife zu bringen haben, die aus
der blutigen
Saat, soll sie nicht umsonst gestreut sein, erwachsen müssen. Liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!
Auf die Finanzlage des Staates kann Meine Regierung den Blick mit
Befriedigung wenden.
Sorgliche Vorsicht und gewissenhafte Sparsamkeit
haben sie in den Stand gesetzt, die großen finanziellen Schwierigkeiten zu
überwinden, welche die gegenwärtigen Zeitvcrhältnisse in naturgemäßem Ge folge haben.
Obwohl schon in den letzten Jahren, durch den Krieg mit Dänemack,
der Staatskasse beträchtliche Opfer auferlegt worden sind, ist es
lungen, die bisher erwachsenen Kosten
des
doch ge
gegenwärtigen Krieges aus dm
Staatseinnahmen und vorhandenen Beständen,
ohne andere Belastung des
Landes, als die durch die gesetzlichen Naturalleistungen für Kriegszwecke er wachsenden, bereit zu stellen.
Um so zuverlässiger hoffe Ich, daß die Mittcl,
welche zur erfolgreichen Beendigung des Krieges und zur Bezahlung
d:r
Naturalleistungen, bei Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in
Regentschaft und Berfassungskonflikt. 1866. den Finanzen, erforderlich sind,
95
von Ihnen bereitwillig werden gewährt
werden. Über die Feststellung des Staatshaushalts-Etats hat eine Vereinbamng
mit der Landesvertretung in den letzten Jahren nicht herbeigeführt werden können.
Die Staatsausgaben,
welche in dieser Zeit geleistet worden sind,
entbehren daher der gesetzlichen Grundlage,
welche der Staatshaushalt, wie
Ich wiederholt anerkenne, nur durch das nach Artikel 99 der Verfassungs
urkunde alljährlich zwischen Meiner Regiemng und den beiden Häusern des Landtags zu vereinbarende Gesetz erhält.
Wenn Meine Regierung
gleichwohl
den Staatshaushalt ohne diese
gesetzliche Grundlage mehrere Jahre geführt hat, so ist dies nach gewissen hafter Prüfung in der pflichtmäßigen Überzeugung geschehen, daß die Fort
führung einer
geregelten Verwaltung, die Erfüllung der
pflichtungen gegen die Gläubiger haltung
des
gesetzlichen Ver
und die Beamten des Staates, die Er
Heeres und der Staatsinflitute Existenzfragen
des Staates
waren, und daß daher jenes Verfahren eine der unabweisbaren Notwendig keiten wurde, denen sich eine Negierung im Interesse des Landes nicht ent Ich hege das Vertrauen, daß die jüngsten Ereig
ziehen kann und darf.
nisse
dazu
erzielen,
beitragen
werden, die unerläßliche Verständigung insoweit zu
daß Meiner Regierung in Bezug
auf die ohne Staatshaushalts
gesetz geführte Verwaltung die Indemnität, um welche die Landesvertretung angegangen werden soll, bereitwillig erteilt und damit der bisherige Konflikt
für alle Zeit um so sicherer zum Abschluß gebracht werden wird,
als er
wartet werden darf, daß die politische Lage des Vaterlandes eine Erweite rung
der Grenzen des
Staates und die Einrichtung
eines
einheitlichen
Bundcsheercs unter Preußens Führung gestatten werde, dessen Lasten von
allen Genossen des Bundes gleichmäßig werden getragen werden. Die Vorlagen, welche in dieser Beziehung behufs Einberufung einer
Volksvertretung der Bundesstaaten erforderlich sind, werden dem Landtage unverzüglich zugehcn. Meine Herren! große Wichtigkeit des
Mit Mir fühlen Sie, fühlt das ganze Vaterland die
Augenblicks,
der Mich in die Heimat
zurückführt.
Möge die Vorsehung ebenso gnadenreich Preußens Zukunft segnen, wie sie sichtlich die jüngste Vergangenheit segnete.
Das walte Gott!
1858—1866.
Erstes Buch.
96
50.
Königliche Botschaft, bett, die Vereinigung des Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen, des Herzogtums Nassau und der freien Stadt Frankfurt mit der preußischen Monarchie, Donnerstag, den 16. August 1866.
Wir, Wilhelm,
von Gottes Gnaden König
von Preußen re., thun
kund und fügen hiermit zu wissen: Die Regierungen des Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen und des Herzogtums Nassau, sowie die freie Stadt Frankfurt haben sich
durch ihre Teilnahme an dem feindlichen Verhalten des ehemaligen Bundes tags in offenen Kriegszustand mit Preußen versetzt.
Sie haben sowohl die
Neutralität als das von Preußen unter dem Versprechen der Garantie ihres
Territorialbestandes ihnen wiederholt und noch in letzter Stunde angebotene Bündnis abgelehnt, haben an dem Kriege Österreichs mit Preußen thätigen Anteil genommen und die Entscheidung des Krieges über sich und ihre
Waffen angerufen. Diese Entscheidung ist nach Gottes Ratschluß gegen sie ausgefallen.
Die politische Notwendigkeit zwingt Uns, ihnen die Regierungsgewalt, deren sie durch das siegreiche Vordringen Unserer Heere entkleidet sind, nicht wieder zu übertragen.
Die genannten Länder würden, falls sie ihre Selbständigkeit bewahrten,
vermöge ihrer geographischen Lage
bei
einer feindlichen oder
auch
nur
zweifelhaften Stellung ihrer Regierungen der preußischen Politik und mili
tärischen Aktion Schwierigkeiten und Hemmnisse bereiten können, welche weit über das
Maß ihrer thatsächlichen Macht und Bedeutung hinausgingen.
Nicht in dem Verlangen nach Ländererwerb, sondern in der Pflicht, Unsere ererbten Staaten vor wiederkehrender Gefahr zu schützen, der nationalen Neugestaltung Deutschlands eine breitere und festere Grundlage zu geben,
liegt für Uns die Nötigung, das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau und die freie Stadt Frankfurt auf immer
mit Unserer Monarchie zu vereinigen.
Wohl wissen Wir, daß nur ein Teil der Bevölkerung jener Staaten mit Uns die Überzeugung von dieser Notwendigkeit teilt. Wir achten und ehren die Gefühle der Treue und Anhänglichkeit, welche die Bewohner der selben an ihre bisherigen Fürstenhäuser und an ihre selbständigen politischen Einrichtungen knüpfen.
Allein Wir vertrauen, daß die lebendige Beteiligung
Regentschaft und DerfassungSkonslikt. 1867.
97
an der fortschreitenden Entwickelung des nationalen Gemeinwesens in Ver
bindung mit einer schonenden Behandlung berechtigter Eigentümlichkeiten den unvermeidlichen Übergang in die neue größere Gemeinschaft erleichtern werde.
Die beiden Häuser des Landtags fordern Wir auf, die zur beabsich verfassungsmäßige Einwilligung zu erteilen
tigten Vereinigung erforderliche
und lassen ihnen zu diesem Behufe den beikommenden Gesetzentwurf zugehen. Gegeben Berlin, den 16. August 1866. (L. 8.)
v. Bismarck,
Wilhelm.
v. d. Heydt,
Graf zur Lippe,
v. Roon.
v. Selchow.
v. Mühler.
Jtzenplitz.
Graf Eulenburg.
51.
Patent und Proklamation, betr. die Besitznahme der Herzogtümer Holstein und Schleswig. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden König
von
Preußen re., thun
jedermann hiermit kund: Nachdem in dem Wiener Frieden vom
von Dänemark allen seinen Rechten
30. Oktober 1864 der König
auf die Herzogtümer Holstein und
Schleswig zu Unsern und des Kaisers von Österreich Gunsten entsagt und
in dem Prager Frieden vom
23. August 1866
der Kaiser von Österreich
alle seine im Wiener Frieden erworbenen Rechte auf die gedachten Herzog
tümer Uns übertragen hat, so haben Wir beschlossen, dieselben, mit Aus schluß des dem Großherzog von Oldenburg mittelst Vettrages vom 27. Sep tember 1866
abgetretenen Anteils, mit Unserer Monarchie zu
vereinigen
und zu diesem Behufe mit Zustimmung beider Häuser des Landtags das Gesetz vom 24. Dezember v. I. erlassen und verkündigt.
Demzufolge nehmen Wir durch gegenwärttges Patent die gedachten Herzogtümer Holstein und Schleswig mit allen Rechten der Landeshoheit und Oberherrlichkeit in Besitz und einverleiben dieselben Unserer Monarchie mit sämtlichen Zubehörden und Ansprüchen.
Wir werden Unserem Königlichen Titel die entsprechenden Titel hin zufügen.
Wir befehlen, die preußischen Adler an den Grenzen zur Bezeichnung
Unserer Landesherrlichkeit aufzurichten, statt der bisher angehefteten Wappen Unser Königliches Wappen anzuschlagen und die öffentlichen Siegel mit dem
preußischen Adler zu versehen. Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
7
Erstes Buch. 1858—1866.
98
Wir gebieten allen Einwohnem der nunmehr mit Unserer Monarchie
vereinigten Herzogtümer Holstein und Schleswig, fortan Uns als ihren
rechtmäßigen König und Landesherrn zu erkennen und Unseren Gesetzen, Verordnungen und Befehlen mit pflichtmäßigem Gehorsam nachzuleben.
Wir werden jedermann im Besitze und Genusse seiner wohlerworbenen
Privatrechte schützen und die Beamten, welche für Uns in Eid und Pflicht zu nehmen sind, bei vorausgesetzter treuer Verwaltung im Genusse ihrer
Diensteinkünste belassen.
Die gesetzgebende Gewalt werden Wir bis
zur
Einfühmng der preußischen Verfassung allein ausüben. Wir wollen die Gesetze und Einrichtungen der Herzogtümer erhalten,
soweit sie der Ausdruck berechtigter Eigentümlichkeiten sind und in Kraft bleiben können, ohne den durch die Einheit des Staates und seiner Interessen
bedingten Anforderungen Eintrag zu thun.
Unser Oberpräsident, Baron von Scheel - Plessen, ist von Uns an gewiesen, hiernach die Besitznahme auszuführen.
Hiernach geschieht Unser Wille. Gegeben Berlin, den 12. Januar 1867.
Wilhelm.
(L. 8.)
Graf v. Bismarck-Schönhausen. Graf v. Jtzenplitz.
v. Mühler.
Frhr. v. d. Heydt, Graf zur Lippe,
v. Roon.
v. Selchow.
Graf zu Eulenburg.
Proklamation. Durch das Patent, welches Ich heute vollzogen habe, vereinige Ich
Euch, Einwohner der Herzogtümer Holstein und Schleswig, mit Meinen
Unterthanen, Euren Nachbarn und deutschen Brüdern. Durch die Entscheidung des Kriegs, durch völkerrechüiche Verträge und
durch die Neugestaltung des aus Verbindungen gelöset,
gemeinsamen deutschen Vaterlandes nunmchr
die Ihr schon lange nur mit Widerstreben ge
tragen, tretet Ihr. jetzt in den Verband eines großen Staates, dessen Be
völkerung Euch durch Stammesgemeinschast und Sitte verwandt und durch Gemeinsamkeit der Interessen befreundet ist.
Wenn manche unter Euch sich nicht ohne Zögern von anderen Be-
ziehungen losgesagt haben, so chre Ich auch hierin die bewährte Festigkeit Eures Stammes und würdige dieselbe als
eine Bürgschaft, daß Ihr und
Eure Kinder auch Mir und Meinem Hause mit Treue angchören werdet. Ihr werdet die Notwendigkeit des Geschehenen erkennen; denn sollen die
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
99
1867.
Früchte des schweren Kampfes und der blutigen Siege für Deutschland nicht verloren sein, so gebietet es ebenso die Pflicht der Selbsterhaltung als die
Sorge für die Förderung der nationalen Interessen, die Herzogtümer mit Preußen fest und dauernd zu vereinigen.
Und wie schon Mein in Gott
ruhender Herr Vater es ausgesprochen — nur Deutschland hat gewonnen,
was Preußen erworben.
Dieses werdet Ihr mit Emst erwägen, und so vertraue Ich Eurem
deutschen und redlichen Sinn, daß Ihr Mir Eure Treue ebenso aufrichtig
geloben werdet, wie Ich zu Meinem Volke Euch aufnehme. Euren Gewerben und Eurer Landwirtschaft, Eurem Handel und Eurer
Schiffahrt eröffnen sich durch die Vereinigung mit Meinen Staaten reichere Quellen.
Meine Vorsorge wird Eurem Fleiße wirksam entgegenkommen.
Eine gleiche Verteilung der Staatslasten, eine zweckmäßige, energische
Verwaltung, sorgsam erwogene Gesetze, eine gerechte und pünktliche Justiz pflege, kurz alle die Garantieen, welche Preußen zu dem gemacht, als was es sich jetzt in harter Probe bewährt hat, werden Euch fortan gemeinsame
Güter sein.
Eure kriegstüchtige Jugend wird sich ihren Brüdern in Meinen andem Staaten zum Schutze des Vaterlandes treu anschließen, und mit Freude wird die
preußische
Armee
und
Marine die tapferen und
seetüchtigen
Schleswig-Holsteiner empfangen, denen in den Jahrbüchern deutschen Ruhmes nunmehr ein neues Blatt eröffnet ist.
Die Diener der Kirchen werden auch femerhin die Bewahrer des väterlichen Glaubens sein. Euren Lehranstalten, den vieljährigen Pflegerinnen deutscher Kunst und Wissenschaft, werde Ich Meine besondere Aufmerksamkeit widmen, und wenn
der preußische Thron, je länger, desto mehr, als der Hort der Freiheit und der Selbständigkeit des deutschen Vaterlandes erkannt und gewürdigt wird, dann wird auch Euer Name unter denen seiner besten Söhne verzeichnet
werden, dann werdet auch Ihr den Augenblick segnen, der Euch mit einem größeren Vaterlande vereinigt hat.
Das walte Gott!
Berlin, den 12. Januar 1867.
Wilhelm.
Anmerkung: Fast toörtlidj gleichlautend sind die Besitzergreifungs-Patente und Proklamationen für das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Heffen, das Herzogtum Nassau und die freie Stadt Frankfurt vom 3. Oktober 1866.
Erstes Buch. 1858—1866.
100
52.
Patent und Proklamation, brtr. die Besitznahme vormals Großherzoglich hessischer Landesteile. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen re., thun gegen jedermann hiermit kund:
Nachdem Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein rc. Uns in dem Friedensvertrage vom 3. September 1866 die nach
stehend bezeichneten, bis
dahin
Großherzoglich hessischen Gebietsteile: die
Landgrafschast Hessen-Homburg, den Kreis Biedenkopf, den Kreis Vöhl, den
nordwestlichen Teil des Kreises Gießen, den Ortsbezirk Rödelheim, den bis her unter Großherzoglich
hessischer Souveränetät stehenden Teil des Orts
bezirks Nieder-Ursel abgetreten hat, haben Wir beschlossen, diese Gebietsteile mit Unserer Monarchie zu vereinigen und zu diesem Behufe mit Zustimmung
beider Häuser des Landtags das Gesetz
vom
24. Dezember v. I. erlassen
und verkündigt. Demzufolge nehmen Wir die vorstehend genannten bisher Großherzog lich hessischen Gebietsteile durch gegenwärtiges Patent mit allen Rechten der Landeshoheit und Oberherrlichkeit in Besitz und einverleiben dieselben Unserer
Monarchie mit sämtlichen Zubehörden und Ansprüchen.
Wir befehlen, die preußischen Adler an den Grenzen zur Bezeichnung Unserer Landesherrlichkeit aufzurichten, statt der bisher angehesteten Wappen
Unser Königliches Wappen anzuschlagen und die öffentlichen Siegel mit dem preußischen Adler zu versehen.
Wir gebieten allen Einwohnern der nunmehr mit Unserer Monarchie vereinigten ehemaligen Großherzoglich hessischen
Gebietsteile,
als ihren rechtmäßigen König und Landesherm
zu erkennen und Unseren
fortan Uns
Gesetzen, Verordnungen und Befehlen mit pflichtmäßigem Gehorsam nach
zuleben. Wir werden jedermann im Besitze und Genuffe seiner wohlerworbenen
Privatrechte schützen und die Beamten, welche in Unsere Dienste zu treten gewillt sind, auf ihren Posten und im Genuffe ihrer Diensteinkünfte belasten. Die gesetzgebende Gewalt werden Wir bis zur Einführung der preußischen Verfassung allein ausüben.
So lange bis
Wir eine andere Einrichtung zu treffen
zweckmäßig
finden, wird jede öffentliche Stelle in der bisherigen Art verwaltet.
Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1867.
101
Unsere Kommiffarien zur Ausführung des Friedensvertrags mit dem
Großherzogtum Hessen sind von Uns angewiesen, hiernach die Besitznahme
auszuführen. Hiernach geschieht Unser Wille.
Gegeben Berlin, den 12. Januar 1867. Wilhelm.
(L. 8.)
(Gegenzeichnung sämtlicher Minister, w. o.)
Proklamation. Durch das Patent, welches Ich heute vollzogen habe, vereinige Ich
Euch, Einwohner bisheriger Großherzoglich hessischer Lande, mit Meinen Unterthanen, Euren Nachbarn und deutschen Brüdern.
Durch die Entscheidung des Kriegs, durch den Friedensvertrag mit Eurem bisherigen Großherzog und durch die Neugestaltung des gemeinsamen
deutschen Vaterlandes nunmehr von einem Fürstenhause getrennt, dem Ihr in treuer Ergebenheit angehangen, tretet Ihr jetzt in den Verband des Nachbarlandes, dessen Bevölkerung Euch durch Stammesgemeinschaft, durch Sprache und Sitte verwandt und durch Gemeinsamkeit der Interessen be
freundet ist.
Ich vertraue Eurem deutschen und redlichen Sinn, daß Ihr Mir Eure Treue ebenso aufrichtig geloben werdet, wie Ich zu Meinem Volke
Euch aufnehme. Euren Gewerben, Eurem Handel und Eurer Landwirtschaft eröffnen sich durch die Vereinigung mit Meinen Staaten reiche Quellen.
Meine
Vorsorge wird Eurem Fleiße wirksam entgegenkommen.
Eine gleiche Verteilung der Staatslasten, eine zweckmäßige energische
Verwaltung, sorgsam erwogene Gesetze, eine gerechte und pünktliche Justiz pflege, kurz alle die Garantieen, welche Preußen zu dem gemacht, als was
es sich jetzt in harter Probe bewährt hat, werden Euch fortan gemeinsame
Güter sein. Eure Religion werde Ich ehren und schützen.
Die Diener der Kirchen
werden auch fernerhin die Bewahrer des väterlichen Glaubens sein.
Euren
Lehranstalten werde Ich Meine besondere Aufmerksamkeit widmen. Eure kriegstüchtige Jugend wird sich ihren Brüdern in Meinen andern
Staaten zum Schutze des Vaterlandes treu anschließen, und mit Freude wird
die preußische Armee die tapfern Hessen empfangen, und, gemeinschaftlich
Erstes Buch. 1858-1866.
102
mit Meinem Heere und Meinen andern Völkern vereinigt, werdet Ihr
Teilnehmer an dem Ruhme, die Unabhängigkeit und Freiheit des deutschen
Vaterlandes dauernd gegründet zu haben. Das walte Gott.
Berlin, den 12. Januar 1867.
Wilhelm.
53.
Thronrede;um Schluß des Landtags, Sonnabend, den 9. Februar 1867.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Am Schluß
einer inhaltreichen Sitzungsperiode spreche
Ich Ihnen
Meinen Dank aus, daß Sie Meiner Regierung geholfen haben, die Hoff
nungen zur Erfüllung zu bringen, welche Ich an diese Session knüpfte. Durch Erteilung der Indemnität für die ohne Staatshaushaltsgesetz geführte Finanzverwaltung der letzten Jahre haben Sie die Hand zur Aus
gleichung des Prinzipienstreites geboten, welcher seit Jahren das Zusammen wirken Meiner Regierung mit der Landesvertretung gehemmt hatte. Ich hege die Zuversicht, daß die gewonnenen Erfahrungen und ein allseitig richtiges Verständnis der Grundbedingungen unseres Verfassungs
lebens dazu helfen werden, die Erneuerung ähnlicher Zustände in der Zu kunft zu verhüten.
Durch die Gewährung der außerordentlichen Mittel für die Bedürf nisse des Heeres und der Flotte haben Sie in Anerkennung dessen, was die
Politik Meiner Regiemng, gestützt auf die erprobte Schlagfertigkeit und
Tapferkeit Meines Heeres, bisher geleistet hat, den Entschluß kundgegeben, das Errungene zu wahren. In der Feststellung des Staatshaushalts-Etats vor dem Eintritt des
gegenwärtigen Etatsjahres ist eine weitere Bürgschaft für die feste Gestaltung
der verfassungsmäßigen Zustände gewonnen. Meine Regierung hat durch den zeitweiligen Verzicht auf einige Aus gabepositionen, welche bei Forfführung der Verwaltung schwer entbehrt werden,
einen neuen Beweis dafür gegeben, welchen Wert sie auf die Verständigung mit der Landesvertretung
legt.
Sie darf um so zuversichtlicher hoffen,
daß den in Rede stehenden Bedürfnissen Anerkennung und Befriedigung
künftig nicht versagt werden wird.
Regentschaft und Verfassungskonflikt.
1867.
103
Mit besonders lebhaftem Danke erkenne Ich die Bereitwilligkeit an, mit welcher die Landesvertretung
Meiner Regierung die Mittel gewährt
hat, die Lage der im Kampfe für das Vaterland erwerbsunfähig gewordenen
Krieger, sowie der Witwen und Kinder der Gefallenen zu erleichtem. Nachdem die Landesvertretung bei der Ausführung der Veränderungen,
welche die erhebliche Erweiterung des
preußischen Staatsgebiets notwendig
macht, ihre eingehende Mitwirkung gewährt und die Überleitung der bis
herigen Zustände der neuerworbenen Landesteile in die volle Gemeinschaft mit den älteren Provinzen vertrauensvoll in Meine Hände gelegt hat, darf
Ich mit Zuversicht erwarten, daß
die Bewohner aller jetzt mit Preußen
vereinigten Länder sich mehr und mehr in dem großen Gemeinwesen ihrer
Landsleute und bisherigen Nachbarn heimisch
fühlen und an den Aufgaben
desselben mit wachsender Hingebung beteiligen werden.
Die bereits vorbereitete Heranziehung von Vertretern derselben zu bot beiden Häusern des Landtags
wird dazu beitragen, das Bewußtsein der
Zusammengehörigkeit mit den älteren Teilen
der Monarchie zu befestigen
und zu beleben. Vornehmlich aber wird die
sorgliche und gewissenhafte Pflege aller
Keime öffentlicher Wohlfahrt, wie sie das gienmg
zu erfahren gewohnt ist
des Landtags mit Meiner Regierung
Session wesentlich Provinzen mehr
gefördert
preußische Volk von seiner Re-
und wie sie durch das Zusammenwirken
worden ist,
in der soeben zu
Ende gehenden
auch die Bevölkerung der neuen
und mehr die Segnungen der
neuen Gemeinschaft em
Auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens
konnte Meine Regierung,
pfinden lassen.
gestützt ans das Einverständnis mit der Landesvertretung,
wesentliche Er
leichterungen und Verbesserungen ins Leben rufen.
Die Anbahnung der Aufhebung des Salzmonopols und des Gerichts
kostenzuschlags, die Regelung der Verhältnisse der Erwerbs- und Wirtschafts
genossenschaften, die Aufhebung der Beschränkungen des Zinsfußes, die Postund Handelsverträge, die Umwandlung der pommerschen Lehne, die Be seitigung der Rheinschiffahrtsabgaben, die Verbesserung der Besoldungen der
niedern Beamten und der Lehrer,
sowie die Bewilligung der Mittel zur
Ausführung und Vervollständigung wichttger Eisenbahnen werden in weiten
Kreisen als dankenswerte Früchte dieser Session begrüßt werden. Während die spezielle Entwickelung des preußischen Staatswesens durch
das
einheitliche Zusammenwirken
der Landesvertretung mit Meiner Re
gierung eine erfreuliche Förderung erfahren hat, berechtigt Mich
die That-
104
Erstes Buch. 1858—1866.
fache, daß der Entwurf der Verfassung des Norddeutschen Bundes von allen mit Preußen verbündeten Regiemngen angenommen worden ist, zu der Zu
versicht, daß auf der Grundlage einer einheitlichen Organisation, wie Deutsch land sie in Jahrhunderten des Kampfes bisher vergeblich erstrebt hatte, dem
deutschen Volke die Segnungen werden zu teil werden, zu welchen es durch die Fülle der Macht und Gesittung, die ihm beiwohnt, von der Vorsehung berufen ist, sobald es seinen Frieden im Innern und nach außen zu wahren versteht.
Ich werde es als den höchsten Ruhm Meiner Krone ansehen,
Gott Mich berufen hat, die Kraft Meines Bildung starken Volkes
wenn
durch Treue, Tapferkeit und
zur Herstellung dauernder Einigkeit der deutschen
Stämme und ihrer Fürsten zu verwerten.
Auf Gott, der uns so gnädig geführt hat,
dieses Ziel wird erreichen lassen.
vertraue Ich, daß er uns
Zweites Buch. Die Zeit des Norddeutschen Bundes.
1867—1870.
54. Thronrede zur Eröffnung des verfassunggebenden Reichstags des Norddeutschen Rundes, Sonntag, den 24. Februar 1867.
Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Es ist ein erhebender Augenblick, in welchem Ich in Ihre Mitte trete;
mächtige Ereignisse haben ihn herbeigefithrt, große Hoffnungen knüpfen sich an denselben.
sammlung,
Daß es mir vergönnt ist, in Gemeinschaft mit einer Ver
wie sie seit Jahrhunderten keinen deutschen Fürsten
umgeben
hat, diesen Hoffnungen Ausdruck zu geben, dafür danke Ich der göttlichen
Vorsehung, welche Deutschland dem von seinem Volke ersehnten Ziele auf Wegen zuführt, die wir nicht wählen oder voraussehen.
Im Vertrauen
auf diese Führung werden wir jenes Ziel um so früher erreichen, je klarer wir die Ursachen, welche uns und unsere Vorfahren von demselben entfernt
haben, im Rückblick auf die Geschichte Deutschlands erkennen.
Einst mächtig, groß und geehrt, geleitet, sank das Deutsche Reich
weil einig und von starken Händen
nicht ohne Mitschuld von Haupt und
Gliedern in Zerrissenheit und Ohnmacht.
des Einfluffes
auf die eignen
Des Gewichtes im Rate Europas,
Geschicke beraubt,
ward
Deutschland zur
Wahlstatt der Kämpfe fremder Mächte, für welche es das
Blut seiner
Kinder, die Schlachtfelder und die Kampfpreise hergab.
Niemals
aber hat die Sehnsucht des
deutschen Volkes
nach seinen
verlorenen Gütern aufgehört, und die Geschichte unserer Zeit ist erfüllt von
den Bestrebungen,
Deutschland und dem deutschen Volke die Größe seiner
Vergangenheit wieder zu erringen.
Wenn diese Bestrebungen bisher nicht zum Ziele geführt,
wenn sie
die Zerrissenheit, anstatt sie zu heilen, nur gesteigert haben, weil man sich
106
Zweites Buch. 1867—1870.
durch Hoffnungen oder Erinnerungen über den Wert der Gegenwart, durch Ideale über die Bedeutung der Thatsachen täuschen ließ, so erkennen wir
daraus die Notwendigkeit, die Einigung des deutschen Volkes an der Hmd der Thatsachen zu suchen und nicht wieder das Erreichbare dem Wünschms-
werten zu opfern.
In diesem Sinne haben die
verbündeten Regierungen im Anschüsse
an gewohnte frühere Verhältnisse sich über eine Anzahl bestimmter und be
grenzter, aber praktisch bedeutsamer Einrichtungen verständigt, welche ebmso im Bereiche der unmittelbaren Möglichkeit, wie des zweifellosen Bedtrf-
niffes liegen.
Der Ihnen vorzulegende Verfassungsentwurf mutet der Selbständickeit der Einzelstaaten
zu
gunsten der
Gesamtheit nur
diejenigen Opfer zu,
welche unentbehrlich sind, um den Frieden zu schützen, die Sicherheit des
Bundesgebietes und die Entwickelung der Wohlfahrt seiner Bewohner zu
gewährleisten. Meinen hohen Verbündeten habe Ich für die Bereitwilligkeit zu danken, mit welcher sie den Bedürfnissen des gemeinsamen Vaterlandes entgecen-
gekommen sind.
Ich spreche diesen Dank in dem Bewußtsein aus, daß Ich
zu derselben Hingebung für das Gesamtwohl Deutschlands auch dann bereit
gewesen sein würde,
wenn die Vorsehung Mich
mächtigsten und aus
diesem Grunde zur Leitung des Gemeinwesens be
rufenen Bundesstaates gestellt hätte.
nicht an die Spitze des
Als Erbe der preußischen Krone cber
fühle Ich Mich stark in dem Bewußtsein, daß alle Erfolge Preußens zu gleich Stufen zur Wiederherstellung und Erhöhung der deutschen Macht und Ehre geworden sind. Ungeachtet des
allgemeinen Entgegenkommens,
und
obschon die ge
waltigen Ereignisse des letzten Jahres die Unentbehrlichkeit einer Neubiltung der deutschen Verfassung
müter
zu
allseitiger Überzeugung
gebracht und die Ge
für die Annahme derselben empfänglicher gemacht hatten, alt sie
früher waren und später vielleicht wiederum sein würden,
haben wir roch
in den Verhandlungen von Neuem die Schwere der Aufgabe empfinden, eine volle Übereinstimmung zwischen so vielen unabhängigen Regiermgen zu erzielen, welche bei ihren Zugeständnissen obenein die Stimmungen ihrer
Landstände zu beachten haben. Je mehr Sie, meine Herren,
Sich diese Schwierigkeiten vergezen-
wärtigen, um so vorsichtiger werden Sie, davon bin Ich überzeugt, bei Prüfung des Verfassungsentwurfs die schwer wiegende Verantwortung für
die Gefahren im Auge behalten, welche für die friedliche und gesetzmäßige
107
Norddeutscher Bund. 1867.
Durchführung des begonnenen Werkes entstehen könnten, wenn das für die jetzige Vorlage hergestellte Einverständnis der Regierungen für die vom
Reichstag begehrten Änderungen nicht wiedergewonnen würde.
Heute kommt
es vor allem darauf an, den günstigen Moment zur Errichtung des Ge
bäudes
nicht zu versäumen; der vollendetere Ausbau desselben kann als
dann getrost dem ferneren vereinten Wirken
der deutschen Fürsten und
Volksstämme überlassen bleiben.
Die Ordnung
der nationalen Beziehungen des Norddeutschen Bundes
zu unseren Landsleuten im Süden des Main ist durch die Friedensschlüsse
des
vergangenen Jahres dem freien Übereinkommen beider Teile anheim
gestellt.
Zur Herbeiführung dieses Einverständnisses wird unsere Hand den
süddeutschen Brüdem offen und entgegenkommend dargereicht werden, so bald der Norddeutsche Bund in Feststellung seiner Verfaffung weit genug vorgeschritten sein wird, um zur Abschließung von Verträgen befähigt zu sein.
Die Erhaltung des Zollvereins, die gemeinsame Pflege der Volks wirtschaft, die gemeinsame Verbürgung für die Sicherheit des deutschen Ge bietes werden Grundbedingungen der Verständigung bilden, welche voraus
sichtlich von beiden Teilen angestrebt werden.
Wie die Richtung des deutschen Geistes im allgemeinen dem Frieden
und seinen Arbeiten zugewandt ist, so
wird die Bundesgenossenschaft der
deutschen Staaten wesentlich einen defensiven Charakter tragen.
liche Tendenz gegen unsere Nachbarn, kein Streben nach
Keine feind
Erobemng hat
die deutsche Bewegung der letzten Jahrzehnte getragen, sondern lediglich das Bedürfnis, den weiten Gebieten
von den Alpen bis zum Meere die
Grundbedingungen des staatlichen Gedeihens zu gewähren, welche ihnen der
Entwickelungsgang früherer Jahrhunderte verkümmert hat.
Nur zur Ab
wehr, nicht zum Angriff einigen sich die deutschen Stämme, und daß ihre Verbrüdemng
auch
von den Nachbarvölkem in
diesem Sinne aufgefaßt
wird, beweist die wohlwollende Haltung der mächtigsten europäischen Staaten, welche ohne Besorgnis und ohne Mißgunst Deutschland von denselben Vor
teilen eines großen staatlichen Gemeinwesens Besitz ergreifen sehen, deren
sie sich ihrerseits bereits seit Jahrhunderten erfreuen. unserer Einigkeit,
Nur von uns,
von unserer Vaterlandsliebe hängt es
von
daher in diesem
Augenblicke ab, dem gesamten Deutschland die Bürgschaften einer Zukunft zu sichern, in welche es, frei von der Gefahr, Ohnmacht zu
wieder in Zerrissenheit und
verfallen, nach eigener Selbstbestimmung seine verfassungs
mäßige Entwickelung und seine Wohlfahrt pflegen und in dem Rate der Völker seinen friedliebenden Beruf zu erfüllen vermag.
Zweites Buch. 1867—1870.
108
Ich hege das Vertrauen zu Gott, daß die Nachwelt im Rückblick auf unsere gemeinsamen Arbeiten nicht sagen werde, die Erfahrungen der früheren
mißlungenen Versuche seien ohne Nutzen für das deutsche Volk geblieben, daß vielmehr unsere Kinder mit Dank auf diesen Reichstag als den Be
gründer der deutschen Einheit, Freiheit und Macht zurückblicken werden. Meine Herren!
Bundes hinaus,
Ganz Deutschland, auch über die Grenzen unseres
harrt der Entscheidungen, die hier getroffen werden sollen.
Möge durch unser gemeinsames Werk der Traum von Jahrhunderten, das Sehnen und Ringen der jüngsten Geschlechter der Erfüllung
entgegen
geführt werden.
Im Namen
aller verbündeten Regiemngen, im Namen Deutschlands
fordere Ich Sie vertrauensvoll auf: helfen Sie uns
die große nationale
Arbeit rasch und sicher durchführen.
Der Segen Gottes aber, an welchem alles gelegen ist, begleite und fördere das vaterländische Werk!
55.
Thronrede jtitn Schluß des verfassunggebenden Reichstags des
Norddeutschen Bundes, Mittwoch, den 17. April 1867. Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstag des Norddeutschen Bundes!
Mit dem Gefühle aufrichtiger Genugthuung sehe Ich Sie am Schluffe
Ihrer wichtigen Thätigkeit wiederum um Mich versammelt.
Die Hoffnungen, die Ich jüngst von dieser Stelle zugleich im Namen der verbündeten Regierungen ausgesprochen habe, sind seitdem durch Sic
zur Erfüllung gebracht. Mit patriotischem Ernste haben Sie die Größe Ihrer Aufgabe erfaßt, mit freier
Selbstbeherrschung die gemeinsamen Ziele im
Auge
behalten.
Damm ist es uns gelungen, auf sicherem Gmnde ein Verfassungswerk auf
zurichten, dessen weitere Entwickelung wir mit Zuversicht der Zukunft über lassen können.
Die Bundesgewalt ist mit den Befugnissen ausgestattet, welche für die Wohlfahrt und die Macht des Bundes unentbehrlich, aber auch ausreichend sind, — den Einzelstaaten ist, unter Verbürgung ihrer Zukunft durch die Gesamtheit des Bundes, die freie Bewegung auf allen den Gebieten ge
blieben, auf welchen die Mannigfaltigkeit und Selbständigkeit der Entwickelung
Norddeutscher Bund.
zulässig und ersprießlich ist.
1867.
109
Der Volksvertretung ist diejenige Mitwirkung
an der Verwirklichung der großen nationalen Aufgaben gesichert, welche dem
Geiste der bestehenden Landesverfassungen
und dem
Bedürfnis der
Regierungen entspricht, ihre Thätigkeit von dem Einverständnis des deutschen
Volkes getragen zu sehen. Wir alle, die wir zum Zustandekommen des nationalen Werkes mit gewirkt, die verbündeten Regierungen ebenso wie die Volksvertretung, haben
bereitwillig Opfer unserer Ansichten, unserer Wünsche gebracht; wir durften
es in der Überzeugung thun, daß diese Opfer für Deutschland gebracht sind und daß unsere Einigung derselben wert war.
In diesem allseitigen Entgegenkommen, in der Ausgleichung und Über windung der Gegensätze, ist zugleich die Bürgschaft für die weitere frucht bringende Entwickelung des Bundes gewonnen, mit dessen Abschluß
auch
die Hoffnungen, welche uns mit unseren Brüdern in Süddeutschland ge meinsam sind, ihrer Erfüllung näher gerückt werden.
gekommen, wo unser deuffches Vaterland durch
Die Zeit ist herbei
seine Gesamtkraft
seinen
Frieden, sein Recht und seine Würde zu vertreten int stände ist.
Das nationale Selbstbewußtsein, welches im Reichstage zu erhebendem
Ausdruck gelangt ist, hat in allen Gauen des deutschen Vaterlandes kräftigen Wiederhall
gefunden.
Nicht minder aber ist ganz Deutschland in seinen
Regierungen und seinem Volke darüber
einig,
daß die wiedergewonnene
nationale Macht vor allem ihre Bedeutung in der Sicherheit des Friedens zu bewähren hat. Geehrte Herren! Das große Werk, an welchem mitzuwirken
wir von
der Vorsehung gewürdigt sind, geht seiner Vollendung entgegen. Die Volks
vertretungen der einzelnen Staaten werden dem, was Sie in Gemeinschaft mit den Regierungen geschaffen haben, ihre
nicht versagen.
Derselbe Geist,
verfassungsmäßige Anerkennung
welcher die Aufgabe hier gelingen ließ,
wird auch dort die Beratungen leiten.
So darf denn der erste Reichstag des Norddeutschen Bundes von seiner Thätigkeit mit dem erhebenden Bewußtsein scheiden, daß der Dank
des Vaterlandes ihn begleitet und daß das Werk, welches er aufgerichtet hat, sich unter Gottes Beistand segenbringend entwickeln wird für uns und
für künftige Geschlechter.
Gott aber wolle uns alle und unser teures Vaterland segnen!
Zweites Buch. 1867—1870.
110
56. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 29. April 1867.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Aus den Beratungen des Reichstags, zu welchem das preußische Volk
auf Gmnd des von Ihnen genehmigten Gesetzes seine Vertreter entsandt hat, ist eine Verfassungsurkunde des Norddeutschen Bundes hervorgegangen,
durch welche die einheitliche und lebenskräftige Entwickelung der Nation ge sichert erscheint.
Ich habe Sie um Meinen Thron versammelt, um diese
Verfassung Ihrer Beschlußnahme zu unterbreiten.
Das Werk nationaler Einigung, welches die Staatsregierung unter Ihrer Mitwirkung begonnen hat, soll jetzt durch Ihre Zustimmung seinen
Abschluß finden. Auf dieser Grundlage wird der Schutz des Bundesgebietes, die Pflege des gemeinsamen Rechts und der Wohlfahrt des Volkes fortan
von der
gesamten Bevölkerung Norddeutschlands und von den Regierungen in fester Gemeinschaft wahrgenommen werden. Durch die Einführung der Bundesverfassung werden
die
Befugnisse
der Vertretungen der Einzelstaaten auf allen denjenigen Gebieten,
welche
hinfort der gemeinsamen Entwickelung unterliegen sollen, eine unvermeidliche
Einschränkung erfahren.
herigen Rechte zu
Das Volk selbst aber wird auf keines seiner bis
verzichten haben;
selben nur seinen Vertretern
es überträgt die Wahrnehmung der
in dem
erweiterten Gemeinwesen.
Die Zu
stimmung der freigewählten Vertreter des gesamten Volkes wird auch im
Norddeutschen Bunde zu jedem Gesetze erforderlich sein.
verfassung ist
Durch die Bundes
in allen Beziehungen dafür gesorgt, daß diejenigen Rechte,
auf deren Ausübung die einzelnen Landesvertretungen zu gunsten der neuen Staatsgemeinschast zu verzichten haben,
vertretung übertragen werden.
in demselben Umfange der Reichs
Die sichere Begründung nationaler Selb
ständigkeit, Macht und Wohlfahrt soll mit der Entwickelung dmtschen Rechts
und verfassungsmäßiger Institutionen Hand in Hand gehen. Meine Regierung giebt sich der Zuversicht hin, daß die beiden Häuser
des Landtags in richtiger Würdigung des dringenden nationalen Bedürf
nisses zur schleunigen Erledigung der vorliegenden Aufgabe bereitwillig die Hand bieten werden. Meine Herren!
Der neu errichtete Bund umfaßt zunächst nur die
Staaten Norddeutschlands;
aber eine innige nationale Gemeinschaft wird
Norddeutscher Bund.
111
1867.
dieselben stets mit bett süddeutschen Staaten vereinigen.
Die festen Be
ziehungen, welche Meine Regierung bereits im Herbst vorigen Jahres zu
Schutz und Trutz mit diesen Staaten geschlossen hat, werden durch besondere
Verträge auf die erweiterte Norddeutsche Gemeinschaft zu übertragen sein. Das lebendige Bewußtsein der süddeutschen Regierungen und Bevölke
rungen von den Gefahren deutscher Zerrissenheit, das Bedürfnis einer festen
nationalen Vereinigung, welches in ganz Deutschland immer entschiedener Ausdruck findet, wird die Lösung jener bedeutsamen Aufgabe beschleunigen
helfeu. Die geeinte Kraft der Nation wird berufen und befähigt sein, Deutsch
land die Segnungen des Friedens und einen wirksamen Schutz seiner Rechte
und seiner Interessen zu verbürgen.
In diesem Vertrauen wird Meine Regierung sich angelegen sein lassen, jeder Störung des emopäischen Friedens durch welche
alle Mittel vorzubeugen,
mit der Ehre und den Interessen des Vaterlandes verträglich sind.
Das deutsche Volk aber, stark durch seine Einigkeit, wird getrost den
Wechselfällen der Zukunft entgegensehen können, wenn Sie,
meine Herren,
mit dem Patriotismus, der sich in Preußen in ernsten Stunden stets be
währt hat, das große Werk der nationalen Einigung vollenden helfen.
57. Nede ;um Schluß des Landtags, Montag, den 24. Juni 1867.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König haben mir') den Auftrag zu erteilen geruht, die Sitzungen der beiden Häuser des Landtags der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.
Die Regiemng Sr. Majestät erkennt es mit lebhaftem Danke an, daß das Herrenhaus mit Einstimmigkeit, das Abgeordnetenhaus mit weit über
wiegender Mehrheit die Zustimmung zu der Verfassung des Norddeutschen Bundes erteilt haben.
In der Bereitwilligkeit, mit der die beiden Häuser dabei unter Über windung entgegenstehender Bedenken auf einen Teil ihrer bisherigen Rechte
verzichtet haben, ehrt die Regiemng Sr. Majestät eine neue Bewähmng ’) Staatsminister Frhr. v. b. Heydt.
112
Zweites Buch. 1867—1870.
des deutschen Sinnes und der patriotischen Hingebung, welche das Erbteil des preußischen Volkes sind, und auf welchen Preußens Beruf für Deutsch land begründet ist. Durch die Zustimmung der preußischen Landesvertretung zur Errich
tung des Norddeutschen Bundes sind nunmehr alle Vorbedingungen für die
Geltung der Verfassung desselben in Preußen erfüllt.
Die Verkündigung
der Bundesverfassung wird unverweilt und gleichzeitig in allen verbündeten Staaten erfolgen. Somit wird der nationalen Entwickelung Deutschlands der neue Boden bereitet sein, den fruchtbringend zu machen sich alle patriotischen Kräfte
vereinigen werden. Das preußische Volk aber wird auf die Neugestaltung Deutschlands
um so mehr mit Genugthuung blicken können, als dieselbe den Keimen ent sprossen ist, welche in Preußen in Gemeinschaft zwischen Fürst und Volk fort und fort gepflegt worden sind.
Während Norddeutschland nunmehr einen eng verschmolzenen Staaten
verein bilden wird, soll die nationale Gemeinschaft, welche zum Schutze
deutschen Gebietes bereits gesichert war, auch auf das wirtschaftliche Leben des deutschen Volles ausgedehnt und der Zollverein, dessen Gründung einst den Beginn der einheitlichen Entwickelung Deutschlands bezeichnete, mit den Lebensbedingungen des Norddeutschen Bundes in Einklang gesetzt werden.
Dank der Mäßigung und Friedensliebe aller Mächte ist es gelungen, die friedliche Entwickelung der europäischen Verhältnisse vor Störungen zu bewahren; die freundschaftlichen und vertrauensvollen Beziehungen
zwischen
Sr. Majestät dem Könige und den Monarchen mächtiger Nachbarstaaten gewähren der allseitigen Zuversicht auf die Dauer eines segenbringenden
Friedens ein gewichtiges Unterpfand.
Der Wunsch und das Streben der Regierung Sr. Majestät wird fort und fort darauf gerichtet sein, die Bedeutung und die Macht des neu ge kräftigten Staatswesens vornehmlich in der Sicherung der Segnungen des
Friedens zu bewähren.
Im Namen Sr. Majestät des Königs erkläre ich die Sitzungen beider
Häuser des Landtags für geschloffen.
Norddeutscher Bund.
1867.
113
58. Thronrede ;ur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, Dienstag, den 10. September 1867.
Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Bei dem Schlüsse des
ersten
Reichstags
des Norddeutschen Bundes
konnte Ich die Zuversicht aussprechen, daß die Volksvertretungen der einzelnen
Bundesstaaten dem, was der Reichstag in Gemeinschaft mit den Regiemngen geschaffen hatte, ihre verfassungsmäßige Anerkennung nicht versagen würden. Es gereicht mir zu großer Genugthuung, Mich
getäuscht zu haben.
in dieser Zuversicht nicht
In allen Bundesstaaten ist die Verfassung des Nord
deutschen Bundes auf verfaffungsmäßigem Bundesrat hat seine Thätigkeit
Wege
Gesetz
begonnen, und somit
Meinem und Meiner hohen Verbündeten Namen
geworden.
kann Ich
Der
heute in
mit steudiger Zuversicht
den ersten, auf Grund der Bundesverfassung versammelten Reichstag will
kommen heißen. Für die Ordnung
der nationalen Beziehungen des Bundes
zu den
süddeutschen Staaten ist unmittelbar nach Verkündigung der Bundesverfaffung ein
wichtiger Schritt geschehen.
Die deutsche Gesinnung der
verbündeten
Regierungen hat für den Zollverein eine neue, den veränderten Verhältniffen entsprechende
Grundlage geschaffen und dessen
Fortdauer
gesichert.
Der
deshalb abgeschlossene, von dem Bundesrat genehmigte Vertrag wird Ihnen
vorgelegt werden.
Der HaushaÜs-Etat des Bundes stand Ihrer Beratungen bilden.
wird
einen hervorragenden Gegen
Die sorgfältige Beschränkung der Ausgaben
auf den notwendigen Bedarf wird es gestatten,
beinahe drei Vierteile der
selben durch die eigenen Einnahmen des Bundes zu bestreiten, und die vor sichtige Veranschlagung dieser Einnahmen leistet dafür Gewähr, daß die im
Etat vorgesehenen Beiträge
der
einzelnen Bundesstaaten
zur Deckung der
Gesamtausgaben vollständig genügen werden. Dem Bundesrate sind Gesetzentwürfe vorgelegt und verheißen, welche den Zweck haben, auf den verschiedenen Gebieten der Bundesgesetzgebung
das zu ordnen,
stattete.
deffen Ordnung der Augenblick erfordert und die Zeit ge
Ein Gesetz über
des durch
die Verfassung
die Freizügigkeit soll
die weitere
Entwickelung
begründeten gemeinsamen Jndigenats
anbahnen.
Ein Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienste soll dieses gemeinsame
Jndigenat für das Heer zur Geltung bringen und zugleich die Bestimmungen
übersichtlich zusammenfaffen, welche in der Verfassung teils selbständig, teils Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
8
114
Zweite- Buch. 1867—1870.
durch Hinweisung auf die Gesetzgebung Preußens über die Dienstpflicht ge troffen sind.
Ein Gesetz über das Paßwesen ist dazu bestimmt, veraltete
Beschränkungen deS Verkehrs aus dem Wege zu räumen und die Grundlage
zu einer, dem nationalen Interesse entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Bunde und den süddeutschen Staaten zu bilden.
Eine Maß- und
Gewichtsordnung hat die Aufgabe, das Maß- und Gewichtswesen des Buides
übereinstimmend und in einer für den internationalen Verkehr förderlihen Weise zu
regeln.
Die Eigenschaft der Post,
als
eines
Bundesinstituts,
wacht gesetzliche Anordnungen über das Postwesen und den Portotarif not wendig.
Die Errichtung von Bundes-Konsulaten
erfordert die gesetzliche
Feststellung der mit Ausübung dieses Amtes verbundenen Rechte und Pflichten.
Die Einheit der Handelsmarine bedarf einer Gmndlage durch
ein Gesetz
über die Nationalität der Kauffahrteischiffe.
Ich hoffe, daß diese Gesetze,
welche einen ersten, aber entschieknen
Schütt zum Ausbau der Bundesverfassung bezeichnen, Ihre und des Bürdes rates Zustimmung finden werden. Die Überzeugung, daß die große Aufgabe des Bundes nur zu lösen ist, wenn durch allseitiges Entgegenkommen die besonderen mit dem allge
meinen und nationalen Interesse vermittelt werden, hat die Beratungen ge leitet, aus welchen die Bundesverfassung hervorgegangen ist.
Sie hat in
den Verhandlungen des Bundesrates von neuem ihren Ausdruck gesunken, und sie wird, wie Ich zuversichtlich
erwarte,
auch die Grundlage Ihrer
Beratungen bilden.
In diesem Sinne, geehrte Herren,
legen Sie Hand an den Ausbau
des durch die Bundesverfassung begründeten Werkes.
Es
ist eine Arbeit
des Friedens, zu welcher Sie bemfen sind, und Ich vertraue, daß unter
Gottes Segen das Vaterland sich der Früchte Ihrer Arbeit in Frieden er
freuen werde.
59. Thronrede ;um Schluß des Reichstags des Norddeutschen Lundes, Sonnabend, dm 26. Oktober 1867.
Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bunde-! Die Hoffnungen, mit welchen Ich Sie bei dem Beginn Ihrer Thätig-
keft hier willkommen hieß, sind im vollsten Maße in Erfüllung gegangen. Derselbe patriottsche Ernst, mit welchem in klarer Erkenntnis
der ge
meinsamen Ziele die Bundesverfassung begründet wurde, hat Ihre Beratungen
115
Norddeutscher Bund. 1867.
über die ersten Schritte zum Ausbau derselben geleitet
In einer kurzen,
aber an Ergebniffen reichen Session haben Sie auf den verschiedensten Ge
bieten der Gesetzgebung Einrichtungen festgestellt, welche uicht bloß in sich
selbst eine hohe Bedeutung haben, sondern auch die leitenden Gesichtspunkte für
ferner zu schaffende Einrichtungen
strengende Thättgkeit, deren es
deutlich vorzeigen.
zur Erreichung
Für die an
dieser Ergebniffe bedurfte,
danke Ich Ihnen in Meinem und Meiner hohen Berbündeten Namen. Die von Ihnen beratenen Gesetze über den Bundeshaushalts-Etat,
über die Verpflichtung zum Kriegsdienste, über die Freizügigkeit, das Post
wesen, die Besteuerung des Salzes, die Nationalität der Kauffahrteischiffe, die Ausbildung der Kriegsmarine und der Küstenverteidigung, über die ver tragsmäßigen Zinsen und die Bundeskonsulate haben in der Form, welche
sie durch Ihre Beschlüffe erhielten, die Zustimmung des Bundesrates sunden.
In der Thatsache,
daß alle diese wichttgen Gesetze,
ge
wenn auch
einzelne ihrer Bestimmungen einen lebhaften Kampf der Meinungen hervor
riefen, doch im ganzen stets die große Mehrzahl Ihrer Stimmen vereinigten, erblicke Ich mit lebhafter Befriedigung einen Beweis des gegenseitigen Ver
ständnisses , in welchem die Volksvertretung Hand in Hand mit den ver bündeten Regierungen ihre gemeinsamen Ziele erstrebt.
Der von Ihnen
genehmigte Vertrag über die Fortdauer des Zoll
vereins ist im Verhältnis zu allen süddeutschen Staaten noch nicht gesichert.
Die verbündeten Regierungen würden es mit Ihnen beklagen, wenn
eine
Einrichtung, deren segensreiche Wirkungen allen dazu gehörenden Ländem zu gute gekommen sind,
strecken sollte.
sich
fortan nicht mehr
auf alle diese Länder er
Sie sind sich aber mit Ihnen bewußt, daß die unentbehr
lichen Reformen der Verfassung des Zollvereins vorübergehenden Schwierig keiten
nicht geopfert werden dürfen, und daß die Gemeinschaft der wirt
schaftlichen Interessen die nattonale Verpflichtung zum gemeinsamen Schutze
derselben zur vertragsmäßigen Voraussetzung hat. Der Schiffahrtsvertrag mit Jtalim, welchem Sie Ihre Genehmigung erteilt haben, wird dazu beitragen, die Beziehungen
zu einem Lande zu
befestigen, mit welchem uns große gemeinsame Interessen verbinden. So kehren Sie denn, geehrte Herren, zurück in Ihre Heimat mit dem
Bewußtsein, unser nattonales Werk thatkräftig
gefördert zu
haben.
Ich
hoffe, Sie in nicht langer Zeit hier wieder versammelt zu sehen, und zwar
in Gemeinschaft mit Abgeordneten aus Süddeutschland zum Zollparlamente.
116
Zweites Buch.
1867—1870.
60. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Freitag, den 15. November 1867.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags! Zum erstenmal begrüße Ich heute an dieser Stelle die Vertreter bei neuen Landesteile, welche durch die Ereignisse einer großen Zeit mit Meinen
Staate vereinigt worden sind. Mit Zuversicht erneuere Ich den Ausdruck des Vertrauens, daß di: Bewohner dieser Landesteile, so wie Ich dieselben von ganzem Herzen zr Meinem Volke
ausgenommen habe, Mir und dem
erweiterten Vaterland:
auch ihrerseits redliche Treue widmen werden. Die Vollmacht, welche die Landcsvertretung Meiner Regierung erteil
hatte, um den Eintritt der neuen Provinzen in die verfassungsmäßigen Zu stände Preußens
vorzubereiten, ist in der Richtung
benutzt worden, un
eine vorläufige Ausgleichung auf denjenigen Gebieten herzustellen, auf welcher eine solche durch das gemeinsame Staatsinteresse unbedingt geboten erschien
Im möglichst engen Anschlüsse an die Vorgefundenen, den Bevölkerunger lieb gewordenen Einrichtungen sind in den neuen Landesteilen nach Au
hörung von Vertrauensmännem Kreis-
und
Provinzialverfaffungen
iw
Leben gerufen worden, deren Ausfühmng und weitere Entwickelung geeignt
sein
wird, die Teilnahme der Eingesessenen an der Regelung ihrer wirt
schaftlichen Interessen
zu beleben und die wünschenswerte Selbstverwalturg
auch der größeren kommunalen Körperschaften anzubahnen. Während die Heereseinrichtungen des Norddeutschen Bundes durch de
Verfassung desselben und durch das Gesetz
über die Wehrpflicht auf bet
bewährten Grundlagen der preußischen Einrichtungen festgestellt worden sinh
ist die Organisation der Wehrkräfte des gesamten Vaterlandes in den Grund zügen vollendet worden.
Nachdem so der Boden für eine gemeinsame Thätigkeit der Vertretmy Meiner gesamten Monarchie bereitet ist, wird
es unserer
vereinten und
wie Ich zu Gott hoffe, einmütigen Thätigkeit gelingen, diesen Boden frucht-
bringend zu machen. Der Entwurf zu dem Staatshaushalls - Etat für das Jahr
186t,
welcher Ihnen unverzüglich vorgelegt werden wird, unterscheidet sich wesentliy
von den früheren Etats. not hinzugetretenen
Während derselbe
Landesteile
mit umfaßt,
einerseits die der Monarche sind
andererseits
wichtig
117
Norddeutscher Bund. 1867.
Kategorieen von Einnahmen und Ausgaben ausgeschieden und auf den Etat
des Norddeutschen Bundes übergegangen. Aus den Vorlagen über den Staatshaushalt werden Sie ersehen, daß
die mit Vorsicht veranschlagten Einnahmen nicht nur die Mittel darbieten, um die laufenden Bedürfnisse der Verwaltung zu decken, sondem daß es
auch möglich gewesen ist,
auf vielen Gebieten der Staatsverwaltung neuen
und gesteigerten Anforderungen Genüge zu leisten. Indem Ich voraussetze, daß die Lage des Staatshaushalts Ihnen zur
Genugthuung gereichen wird, vertraue Ich
zugleich
auf Ihre bereitwillige
Zusttmmung zu dem Mehraufwande, welchen Ich zur Aufrechterhaltung der
Würde der Krone unter den veränderten Umständen für geboten erachte.
Es werden Ihnen verschiedene Gesetzesvorlagen
zugehen, welche be
stimmt sind, das Staatsschuldenwesen der neu erworbenen Lande zu regeln, ferner die für dieselben festgestellten Finanzetats auf das Jahr 1867 durch
die für das vierte Quartal vorbehaltene nachträgliche Zustimmung zu ergänzen und für die Behandlung
der danach zu legenden Rechnungen Normen zu
geben. Nachdem als oberster Gerichtshof für die neuen Landesteile das Ober-
Appellationsgericht errichtet worden ist, wird Ihnen ein Gesetzentwurf vor
gelegt werden, um die Vereinigung dieses Gerichtshofes mit dem Obertribunal herbeizuführen.
Meine Regierung wendet der Fortbildung der Kreis- und Provinzial
verfassungen ihre besondere Aufmerksamkeit zu, und forderlichen Vorbereitungen beendet sind,
wird, sobald die er
Ihnen darauf bezügliche
Gesetz
entwürfe zugehen lassen.
Leider hat die Ernte dieses Jahres in einem Teile des Staates dem Bedürfnisse nicht entsprochen, so daß in einigen besonders schwer heimge
suchten Bezirken außerordentliche Maßregeln haben getroffen werden müssen, oder noch zu treffen sein werden. veranlaßt gesehen,
Zufuhr
Einstweilen hat sich die Staatsregierung
durch Herabsetzung der Tarife auf den Eisenbahnen die
zu erleichtern, und durch Beförderung
von
Straßenbauten und
Meliorationen Arbeit und Verdienst zu schaffen. Der Druck der Unsicherheit, welcher als Wirkung verschiedener, großen
teils beseitigter Ursachen auf dem Verkehre lastet, wird, wie Ich zuversichtlich
hoffe,
infolge friedlicher Gestaltung der Lage Europas
einem lebhafteren
Aufschwünge weichen, um so mehr, als durch Emeuerung der Zolleinigung
mit den süddeutschen Staaten, unter zweckmäßiger Veränderung der inneren
Organisation des Zollvereins, durch den heute erfolgenden Eintritt der
118
Zweite- Buch. 1867—1870.
Provinz Schleswig-Holstein in den letzteren,
durch
erhebliche Herabsetzung
von Hafengeldern und sonstigen auf der Schiffahrt lastenden Mgaben, Gewerbthätigkeit und
der
dem Handel wesentliche Erleichterungen zugewendet
worden sind.
Geehrte Herren! Das Werk nationaler Einigung, welchem die preußische
Landesvertretung durch ihre Zustimmung den Abschluß zu war, ist seitdem ins Leben getreten.
geben bemfen
Wenn Sie eingewilligt haben, einen
Teil Ihrer Befugnisse auf den Norddeutschen Bund zu übertragen, so ver
kündet schon jetzt das Zeugnis der Geschichte, daß Sie damit das Rechte zu rechter Zeit gethan haben.
des Norddeutschen Bundes
Das preußische Volk hat in der Gestaltung
vermehrte Bürgschaften der Sicherheit und ein
erweitertes Feld organischer Entwickelung gewonnen; gleichzeitig ist mit den
süddeutschen Stammgenossen die Gemeinschaft der wirtschaftlichen Interessen und der thatkräftigen Verteidigung
aller höchsten
Güter des
nationalen
Lebens gesichert.
Die Verträge, auf welchen diese Gemeinschaft beruht, haben in jüngster Zeit eine erhöhte Bedeutung dadurch
gewonnen, daß
auch
bei ihrer Be
ratung in den Bollsvertretungen das nationale Bewußtsein sich
siegreich
bewährt hat.
Die Beziehungen Meiner Regierung zu den auswärtigen Mächten sind durch die neuen Verhältnisse, in welche Preußen inmitten des Norddeutschen
Bundes
gestellt ist, nicht
verändert worden.
Mit dem freundschaftlichen
Charakter derselben sind die persönlichen Begegnungen mit der Mehrzahl der Souveräne Deutschlands und des Auslandes, zu welchen Mir im ver gangenen Sommer Gelegenheit gegeben war, in vollem Einklänge.
Das friedliche Endziel der deutschen Bewegung wird von allen Mächten
Europas erkannt und gewürdigt, und die Friedensbestrebungen der Fürsten werden getragen von den Wünschen der Völker, welchen die wachsende Ent
wickelung und Verschmelzung der geistigen und materiellen Interessen den
Frieden zum Bedürfnis macht.
Die jüngsten Besorgnisse wegen einer «Störung des Friedens in einem Teile Europas, wo zwei große Nationen,
beide uns eng befreundet, von
einer ernsten Verwickelung bedroht erschienen, darf Ich als beseitigt ansehen. Den schwierigen Fragen gegenüber, welche dort noch einer Lösung harren,
wird das Bestreben Meiner Regiemng dahin gerichtet sein, einerseits
dem
Ansprüche Meiner katholischen Unterthanen auf Meine Fürsorge für
die
Würde und Unabhängigkeit des Oberhauptes ihrer Kirche gerecht zu werden,
und andererseits den Pflichten zu genügen, welche für Preußm aus den
119
Norddeutscher Bund. 1868.
politischen Interessen und den internationalen Beziehungen Deutschlands er wachsen.
In beiden Richtungen
sehe Ich
in Erfüllung der Aufgaben,
welche Meiner Regierung gestellt find, keine Gefährdung des Friedens.
So lassen Sie «ns um so zuversichtlicher an die Lösung der Aufgaben innerer Entwickelung gehen.
Mögen Ihre Arbeiten für das Wohl des
Staates reich gesegnet sein!
61. Thronrede;um Schluß des Landtags, Sonnabend, den 29. Februar 1868.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Sitzungsperiode, welche mit dem heutigen Tage zu Ende geht,
war reich an wichtigen Aufgaben. Es wird Sie ebenso wie Mich mit Genugthuung erfüllen, daß diese Aufgaben in wesentlicher Übereinstimmung
zwischen Meiner Regierung und
der Landesvertretung
gelöst
oder einer
baldigen Lösung entgegengeführt worden sind. Ich danke Ihnen für die Bereitwilligkeit, mit welcher von beiden
Häusern des Landtags dem Mehraufwande,
welchen Ich zur Aufrecht
erhaltung der Würde der Krone in Anspruch genommen habe, die Zu
stimmung erteilt worden ist. Durch den Staatshaushalts-Etat und andere von Ihnen gutgeheißene
Finanzgesetze sind Meiner Regierung die Mittel gewährt, die Verwaltung
der
erweiterten Monarchie in allen Zweigen ersprießlich fortzuführen und
mannigfache außerordentliche Bedürfnisse, sowie berechtigte Wünsche der neu erworbenen Lande zu befriedigen.
Meine Regiemng wird es als ihre Auf
gabe ansehen, diese Mittel mit Umsicht und Sparsamkeit zu verwenden.
Die zur Linderung des Notstandes in Ostpreußen mit Ihrer Zu stimmung getroffenen Anordnungen werden, wie Ich zuversichtlich hoffen
darf, im Vereine mit den allseitigen Erweisen der öffentlichen Wohlthätigkeit
und der bewährten Fürsorge Meiner Behörden genügen, um die nächsten
Gefahren von der schwer betroffenen Provinz abzuwenden.
Die mit Ihnen
vereinbarten weiteren Maßregeln werden dazu beitragen, jene Landesteile mehr und mehr mit dem vaterländischen Gesamtverkehr in Verbindung zu
setzen und einer hoffnungsvollen Entwickelung entgegenzuführen. Eine Reihe wichtiger Gesetzvorlagen von allgemeiner oder provinzieller Bedeutung hat Ihre Zustimmung erhalten.
Zweites Buch.
120 In betreff
1867—1870.
der von Mir erstrebten Fortbildung
richtungen haben in dieser Sitzungsperiode nur
der Verwaltungsein»
vorläufige Erörterungen
innerhalb der Landesvertretung stattfinden können; die hierbei geäußerten Auffassungen und Wünsche werden bei den im Gange befindlichen legisla
torischen Vorarbeiten eingehende Beachtung finden.
Durch die Bewilligung des Provinzialfonds für Hannover haben Sie nicht bloß den Rücksichten der Billigkeit und des Wohlwollens, von welchen Meine Entschließungen den neugewonnenen Provinzen
gegenüber
geleitet
werden, Ihre Zustimmung erteilt, sondem zugleich thatsächlich den Boden betreten, auf welchem nach der Absicht Meiner Regiemng
auch für alle
anderen Provinzen eine erfolgreiche Selbstverwaltung erwachsen soll. Mit Befriedigung erkenne Ich es an, daß Sie denjenigen politischen
Gesichtspunkten und Erwägungen beigetreten sind, von welchen Meine Re gierung
bei dem
Abschluffe der Ausgleichungsverträge mit den früheren
Landesherren von Hannover und Nassau ausgegangen ist.
Sie haben dadurch auch Ihrerseits dazu beigetragen, den neuen Ver
hältnissen
eine feste Grundlage
zu geben und ihre friedliche und ruhige
Entwickelung zu sichern. Meine Regiemng ist in ihren auswärtigen Beziehungen unausgesetzt
bestrebt
gewesen,
ihren Einfluß
für die Erhaltung
und Befestigung des
europäischen Friedens zu verwerten, und kann Ich mit Genugthuung be
kunden, daß
diese Bestrebungen, da sie von feiten der auswärtigen Re-
giemngen in freundschaftlicher und wohlwollender Gesinnung geteilt werden,
die Bürgschaft des Erfolges in sich tragen. aussprechen, daß
Ich darf daher die Zuversicht
das fester begründete allgemeine Vertrauen für die Ent
wickelung der geistigen und materiellen Güter und des Wohlstandes der
Nation die erwünschten Früchte tragen werde.
62. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Lundes, Montag, den 23. März 1868.
Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!
Zum drittenmal begrüße Ich Sie im Namen der verbündeten Regiemngen, um in Gemeinschaft mit Ihnen den Ausbau der Verfassung des
Norddeutschen Bundes fortzusetzen.
In Ihrer letzten Session haben Sie durch Herstellung organischer Ein-
121
Norddeutscher Bund. 1868.
richtungen die Grundlagen geschaffen, auf welchen nunmehr die Gesetzgebung
des Bundes diesen
weiteren Ausbau seiner inneren Einrichtungen
zu be
Die Gesetzentwürfe, welche zu diesem Zwecke Ihrer verfassungs
wirken hat.
sind dem Bundesrate
mäßigen Beschlußnahme unterbreitet werden sollen,
vorgelegt und zum Teil schon von demselben beraten worden.
Das in Ihrer letzten Session begründete Institut der Freizügigkeit soll durch eine, auf dem Grundsätze der Gewerbefreiheit
beruhende Gewerbe
ordnung weiter entwickelt und durch Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung von einem, seine Verwirklichung lähmenden Hemmnis be
Ein Gesetz über die Quartierleistung im Frieden ist bestimmt,
freit werden.
die Militärgesetzgebung des Bundes nach einer, für die Interessen der Be
völkerung besonders wichtigen Seite zum Abschluß zu bringen. Die Regelung des Maß- und Gewichtswesens, welche in der vorigen Session dringenderen Aufgaben weichen mußte, wird in der
gegenwärtigen zu Ihrer Beratung
Die Verhältnisse der Bundesbeamten bedürfen der gesetzlichen
gelangen.
Regelung und werden den Gegenstand von Vorlagen bilden.
Ein Gesetz
entwurf über das Schuldenwesen des Bundes wird Ihnen wiederum vor gelegt werden.
Ich vertraue, daß die Bereitwilligkeit, mit welcher die ver
bündeten Regierungen in diesem Entwürfe den von Ihnen bei der früheren Beratung gefaßten Beschlüssen entgegengekommen sind, von Ihrer Seite ein
gleiches Entgegenkommen finden werde. Über die Lage der vormals Schleswig - Holstcinschen Offiziere,
in der letzten Session Ihre Teilnahme in Anspruch
nahm,
und
welche
über die
Unterstützung hilfsbedürftiger Familien der Ersatzreserve werden Ihnen Vor
lagen
zugehen.
Die Besteuerung des Branntweins
in den
hohenzollern-
schen Landen und in dem zum Bunde gehörenden Teile Hessens bedarf der
Regelung, und mit dieser Regelung steht ein Vertrag in Verbindung, durch welchen
der freie Verkehr mit Branntwein und Bier zwischen dem Bunde
und dem übrigen Teile Hessens hergestellt werden soll.
Der Haushalts-Etat des Bundes für 1869 werden.
wird Ihnen
vorgelegt
Die Schwierigkeiten, welche seiner Aufstellung in den ersten Monaten
des Jahres
entgegenstehen, haben dem Wunsche
weichen müssen, Sie zu
einer Zeit zu berufen, in welcher Sie sich Ihrer gewohnten Berufsthätigkeit mit den geringsten Opfern entziehen können.
Die Regelung des internationale« Postverkehrs auf Gmndlage der in Ihrer letzten Session beschlossenen Gesetze ist weit vorgeschritten, Postverträge mit den süddeutschen Staaten, mit Österreich, mit Luxemburg, mit Nor wegen und mit den Bereinigten Staaten von Amerika sind abgeschlossen und
122
Zweites Buch. 1867—1870.
werden Ihnen
vorgelegt
werden;
mit
anderen Staaten sind sie dem Ab
schlüsse nahe und werden, wie Ich hoffe, noch zu Ihrer Beratung gelangen. Ein mit den Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossener Vertrag ist dazu bestimmt, die Staatsangehörigkeit der gegenseitigen Einwanderer zu
regeln und damit aus den Beziehungen zweier, durch Verkehrsinteressen und
Familienbande
eng
den Keim
verbundenen Nationen
von Zwistigkeiten zu
entfernen. Im Einverständnis mit Meinen Verbündeten habe Ich behufs Unter
handlung
dieser Verträge und um die völkerrechtliche Stellung des Nord
deutschen Bundes
zur Geltung
zu bringen,
die in
der Verfassung vorge
sehene Vertretung des Bundes im Auslande hergestellt, und ist dieser Schritt zu Meiner lebhaften Genugthuung
allseitig
in
dem Geiste
erwidert worden, aus welchem er hervorgegangen war.
schaftlichen Beziehungen gefördert und befestigt, deutschen Bunde
und
aufgefaßt und
Er hat die freund
welche zwischen dem Nord
den auswärtigen Mächten bestehen und deren Pflege
und Erhaltung der Gegenstand Meiner unausgesetzten Sorgfalt bleiben wird. Ich darf daher der Überzeugung Ausdruck geben, Friedens auf den Anstrengungen ruhen
der nationalen Interessen
werde,
widmen wollen,
daß der Segen des
welche Sie der Fördemng
zu deren Pflege und
zu deren
Schutz das gesamte deutsche Vaterland sich verbündet hat.
63. Thronredezur Eröffnung des Deutschen IollparlamentsMontag, den 27. April 1868. Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Vierzig Jahre sind verflossen seit der Begründung des Vereins, welcher heute
in
bedeutungsvolle
eine
Epoche seiner
Entwickelung
eintritt.
Von
kleinen Anfängen ausgehend, aber getragen von dem Bedürfnisse des deutschen Volkes
nach
der Freiheit
inneren Verkehrs,
hat der Zollverein
mählich, durch die Macht des nationalen Gedankens, gab,
über
den
seinen Gliedern
größten Teil
Deutschlands
eine Gemeinsamkeit
der
welchem
ausgedehnt.
Interessen
Er
sich
all
er Ausdruck
hat
geschaffen,
zwischen
welche ihn
schwere Proben siegreich hat bestehen lassen, und im Weltverkehr nimmt er eine Stellung ein, auf welche jeder Deutsche mit Befriedigung blickt.
Die ihm bei seiner Gründung gegebenen Einrichtungen haben im Laufe der Zeit durch die Sorgfalt der Vereinsregierungen einen hohen Grad
der
123
Norddeutscher Bund. 1868.
Sie vermochten jedoch
Ausbildung erhalten.
auf die Dauer weder den
Anforderungen zu genügen, welche die rasche Entwickelung und die zu nehmende Vielseitigkeit des Verkehrs
an die Gesetzgebung stellt, noch dem
berechtigten Verlangen des deutschen Volkes nach einer wirksamen Teilnahme an dieser Gesetzgebung
zu entsprechen.
Die Veränderungen, welche das
wirtschaftliche und politische Leben Deutschlands erfahren hat, erheischten die
Fortbildung
der dem Zollverein
bei seiner Gründung gegebenen Organe,
und es ist die Frucht einer naturgemäßen Entwickelung,
wenn heute Ver
treter der ganzen Nation sich zur Beratung der gemeinsamen wirtschaftlichen
Interessen Deutschlands vereinigen. Diese Beratung wird fich auf fast alle Gebiete der nach dem Vertrage
vom 8. Juli v. I. gemeinschaftlichen Gesetzgebung erstrecken und kann da
bei die Ausdehnung des Vereins auf Mecklenburg und Lübeck als nahe be
vorstehend ins Auge fassen.
Sie wird zunächst die dauernde Regelung der
Berkehrsbeziehungen zu einem Nachbarlande zum Gegenstände haben, welches
durch Stammesverwandtschast und die mannigfaltigsten materiellen Jntereffen eng mit Deutschland verbunden ist. Der mit Österreich
am 9. März d. I. abgeschlossene Handels-
Zollvertrag wird dem gegenseitigen Verkehr umfassende,
seit Jahren ange
strebte Erleichterungen gewähren und Anknüpfungspunkte zu bildung darbieten.
und
weiterer Fort
Ein Gesetz über Abänderung der Zollordnung soll durch
Beseitigung der mit den Formen
des Verkehrs
nicht mehr verträglichen
Formen des Zollverfahrens die Gmndlage für eine der Zollgesetzgebung feststellen.
allgemeine Revision
Eine gleichmäßige Besteuerung
des Tabaks
und eine durchgreifende Abänderung des Zolltarifs sind dazu bestimmt, die Freiheit des Verkehrs im Jnnem des Vereins und mit dem Auslande zu
fördern und den finanziellen Interessen der Vereinsstaaten gerecht zu werden. Ein Handels-
und Schiffahrtsvertrag mit Spanien ergänzt
die Reihe der
Verträge, durch welche der Zollverein im Laufe der letzten Jahre die Rechte der meistbegünstigten Nation erworben und zugestanden hat. Ich bin gewiß, daß Sie, geehrte Herren, an die Lösung dieser wichtigen
Fragen mit demselben Geiste herantreten werden,
welcher die Regiemngen
beseelte, als sie sich über den Vertrag vereinigten,
auf Grund dessen Ihre
Berufung
erfolgt ist und welcher seither die Beratungen des Bundesrates
geleitet hat.
Halten Sie das
vermitteln Sie von
gemeinsame deutsche Jntereffe fest im Auge,
diesem Gesichtspunkte aus die Einzelintereffen, und ein
Erfolg, der Ihnen den Dank der Nation gewinnt, wird Ihre Anstrengungen
krönen.
Die freundschaftlichen Beziehungen, welche die deutsche Regierung
Zweites Buch. 1867—1870.
124
mit allen auswärtigen Mächten unterhalten, berechtigen zu dem Vertrauen, deren Pflege heute
daß der Entwickelung nationaler Wohlfahrt,
die Ver
treter der deutschen Stämme vereinigt, die Segnungen des Friedens gesichert
bleiben, zu deren Beschützung die deutschen Staaten sich untereinander
bündet haben, und mit Gottes Beistand jederzeit auf die
ver
geeinte Kraft des
deutschen Volkes werden zählen können.
64.
Thronrede;um Schluß des Deutschen Iollparlamertts, Sonnabend, den 28. Mai 1868. Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente!
Die wenigen Wochen,
welche verflossen sind,
kommen hieß, werden für die Freiheit des Verkehrs Innern
und
für
die Entwickelung
der
nationalen
seit Ich Sie hier will
wie im
nach Außen,
Wohlfahrt nicht
ohne
Segen bleiben. Durch den von Ihnen genehmigten Vertrag mit Österreich ist die Ein fuhr von wichtigen Materialien für die Fabrikation und
von Gegenständen
des Verbrauchs erleichtert, die Ausfuhr zahlreicher Erzeugnisse
und der Gewerbe
gefördert und die sofortige Ausdehnung
des Bodens
des Zollvereins
auf Mecklenburg ermöglicht. Das im Zusammenhänge mit diesem Vertrage stehende Tarifgesetz dehnt die an Österreich eingeräumten Verkehrserleichte
rungen
fast
ausnahmslos
auf
Kirchenstaat und mit Spanien
aus.
alle Länder sichern
Die Verträge mit dem
dem Zollvereine in beiden Ländern
die Rechte der meistbegünstigten Nation und werden dem Verkehr mit den
selben einen
neuen Aufschwung
geben.
Die größere Einfachheit und Be
weglichkeit in den Formen des Zollverfahrens wird dem Verkehr mit allen Ländern und allen Teilen des Vereins
der Gleichmäßigkeit in
der Besteuerung
zu gute kommen. des Tabakbaues
Die Herstellung endlich
wird die
Aufhebung einer, den Verkehr im Innern des Vereins belästigenden Schranke gestatten.
Den günstigen Wirkungen auf die Entwickelung des Verkehrs,
diese Maßregeln versprechen, steht jedoch, die Besorgnis
gegenüber.
welche
wenigstens für die nächste Zeit,
einer nicht unwesentlichen Verminderung der Zolleinnahmen
Einer glücklichen Verschmelzung des finanziellen mit dem wirt
schaftlichen Interesse
verdankt der Zollverein
seine Entstehung
und
seinen
Norddeutscher Bund.
Aufschwung.
125
1868.
Die ausschließliche Wahmng des einen von beiden Interessen
müßte seine Entwickelung lähmen.
Sie alle, geehrte Herren, haben den ernsten Willen, diese Entwickelung fördem zu helfen, und wenn es bisher nicht gelungen ist, eine Verständigung
über den Weg, auf welchem jene beiden berechtigten Interessen auszugleichen sind, herbeizuführen, so vertraue Ich, daß bei Ihrem nächsten Zusammen
treten den vereinten Bemühungen
der verbündeten Regierungen und des
Zollparlamentes der Erfolg auch nach dieser Seite hin nicht fehlen werde.
Nicht minder darf Ich
parlaments, welche Ich
hoffen, daß die Session des Deuffchen Zoll
heute schließe, dazu gedient hat, das gegenseitige
Vertrauen der deutschen Stämme und ihrer Regierungen zu kräftigen und manche Vorurteile zu zerstören oder doch zu vermindern, die der einmütigen
Bethätigung der Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande, welche das gleiche Erbteil aller deutschen Stämme ist,
haben; Sie daß in der Ge
etwa im Wege gestanden
werden alle die Überzeugung in die Heimat mitnehmen,
samtheit des deutschen Volkes ein brüderliches Gefühl der Zusammengehörig
keit lebt, welches von der Form, die ihm zum Ausdrucke dient, nicht ab hängig ist, und welches gewiß in stätigem Fortschreiten an Kraft zunehmen
wird, wenn wir allseitig bestrebt bleiben, in den Vordergrund zu stellen,
was uns eint, und zurücktreten zu lassen, was uns trennen könnte. Nachdem Ich durch den übereinstimmenden und vertragsmäßig be kundeten
Willen
der
deutschen Vaterlandes
dazu
berechtigten
gesetzgebenden
Gewalten
unseres
zu dieser hervorragenden Stellung in demselben be
rufen bin, betrachte Ich es als Ehrenpflicht, vor den zu diesem Parlamente
gewählten Vertretern des deutschen Volkes zu bekunden, daß Ich die Mir
übertragenen Rechte als ein heiliges,
von der deutschen Nation und ihren
Fürsten Mir anvertrautes Gut in gewissenhafter Achtung
Verträge und der geschichtlichen Berechtigungen, ländisches
Gemeinwesen beruht, handhaben und
der geschlossenen
auf welchen unser vater
verwerten werde.
die Macht, welche Gott in Meine Hand gelegt, sondern die Rechte, welche Ich mit Meinen Bundesgenossen und den
Nicht über
verfassungsmäßigen Ver
tretungen ihrer Unterthanen in freien Verträgen übereingekommen bin, wer
den Mir jetzt und in Zukunft zur Richtschnur Meiner Politik dienen.
In dieser Richtung und in fester Zuversicht auf Gottes Beistand die Lösung unserer gemeinsamen Aufgaben erstrebend, sehe Ich der Wiederver
einigung des Deuffchen Zollparlaments entgegen, sobald neue Arbeiten das selbe zu erneutet Thätigkeit berufen werden.
Zweiter Buch. 1867—1870.
126
65. Thronrede ;urn Schluß des Reichstags des Norddeutschen Rundes, Sonnabend, den 20. Juni 1868. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!
Sie stehen am Schlüsse einer Session, welche reich an Mühen, ober
auch reich an Ergebnissen war.
In hingebender Thätigkeit haben Sie im Verein mit den verbündeten und befestigt, anb
Regierungen die Einrichtungen des Bundes ausgebaut
wichtige Reformen der gemeinsamen Gesetzgebung teils eingeleitet, teils zum Abschluß gebracht.
Die finanziellen Verträge, welche einen hervorragenden Gegenstand Ihrer Beratungen bildeten, sind in befriedigender Weise gelöst.
Indem Sie
die Verwaltung der in der vorigen Session für die Entwickelung der Manne
und die Vervollständigung der Küstenverteidigung beschlossenen Anleihe der bewährten Verwaltung der preußischen Staatsschulden
anvertrauten, haben
Sie die Fortbildung dieses Zweiges unserer Wehrkraft
gesichert,
welchem
ebensosehr Meine eingehende Sorgfalt, als die Sympathieen der Nation zu
gewendet sind.
Die Verständigung über die Verwaltung dieser Anleihe hat
es gestattet, in dem von Ihnen angenommenen Bundeshaushalts-Etat, ohne
eine wesentliche Erhöhung der fortdauernden Ausgaben, für die Förderung der Aufgaben des Bundes in ausreichendem Maße Fürsorge zu treffen.
Die Einrichtungen,
deren es bedarf, um
über die Verwendung der
Einnahmen des Bundes die verfaffungsmäßige Rechnung zu legen, sind vor läufig geordnet.
Durch das Gesetz über die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Befugnis
zur Eheschließung
ist die durch vieljährige Erfahmng in
Preußen bewährte Freiheit in der Begründung eines Hausstandes und einer Familie verallgemeinert und das in Ihrer letzten Session begründete Institut
der Freizügigkeit ergänzt.
Dieses Gesetz, sowie die Gesetze über die Auf
hebung der Schuldhast und die Schließung der öffentlichen Spielbanken be
weisen, daß die sittlichen und die wirtschaftlichen Momente in den Aufgaben des Bundes Hand in Hand gehen.
Durch eine Reihe von Postverträgen, welche Ihre Zusttmmung erhalte»
haben, ist die in der vorigen Session geordnete Ermäßigung der Portotaxe
auf die auswärttge Korrespondenz ausgedehnt. Das Gesetz über die Quartierleistungen im Frieden sichert eine ge
rechtere Verteilung und innerhalb der
durch die unerläßlichen Rücksichten
127
Norddeutscher Bund. 1868.
auf die Finanzlage gebotenen Grenzen eine angemessenere Vergütung dieser
Leistung. Durch die den Angehörigen der vormaligen schleswig-holsteinischen Armee bewilligten Pensionen und Unterstützungen wird eine Schuld getilgt,
in deren Anerkennung Sie sich mit den verbündeten Regierungen vereinigten. Die Maß- und Gewichtsordnung eröffnet die Aussicht auf die Her stellung eines einfachen und einheitlichen Systems für ganz Deutschland und
führt einer Einigung aller zivilisierten Nationen auf diesem Gebiete näher. Die Bildung des deutschen Volkes bürgt dafür,
daß die von der Aus
führung dieses Systems unzertrennlichen Schwierigkeiten in nicht allzu langer Zeit zu überwinden sein werden. Auf dem Gebiete des Steuerwesens ist die Gleichmäßigkeit der Be-
fteuerung der wichtigsten Artikel des Verbrauchs innerhalb des Bundes her
gestellt und der letzte Schritt geschehen,
welcher für den Eintritt Mecklen
burgs und Lübecks in die gemeinsame Zolllinie erforderlich war. Und so entlasse Ich Sie, geehrte Herren, mit Meinem und Meiner hohen
Verbündeten Danke für die Mitwirkung, welche Sie sowohl Unserem gemein samen Werke als auch den großen Interessen zugewendet haben, zu deren Pflege Wir mit den süddeutschen Staaten verbunden sind.
Ich entlasse Sie
mit der Zuversicht, daß die Früchte Ihrer Arbeiten bei uns und in ganz
Deutschland unter dem Segen des Friedens gedeihen werden!
66.
Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Mittwoch, dm 4. November 1868. Erlauchte, edle und geehtte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Die heute beginnende Sitzungsperiode eröffnet Ihnen ein wetteS Feld wichttger gesetzgeberischer Thätigkeit.
Ich vertraue, daß derselbe Geist bereit
williger Zusammenwirkung mit Meiner Regierung, welchem die günstigen
Erfolge der letzten Session zu danken waren, auch bei den diesmaligen Be
ratungen maßgebend sein werde.
Der Staatshaushalts-Etat für das nächste Jahr wird Ihnen unver züglich vorgelegt werden.
Infolge des Zusammenwirkens verschiedener un
günstiger Umstände ist es notwendig gewesen, zur Deckung der Staats-
ausgaben, obwohl dieselben khunlichst beschränk worden sind, außerordentliche
128
Zweites Buch. 1867—1870.
Einnahmen in Ansatz
zu bringen.
Die dauernde Stockung des Verkehrs
und die Folgen einer nicht günstigen Emte im vorigen Jahre haben die
sonstige naturgemäße Steigerung der Einnahmen mit der unvermeidlichen Zunahme der Staatsbedürfniffe nicht gleichen Schritt halten lassen. Durch die im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse beschlossenen
Herabsetzungen der Zölle und anderer Einnahmen sind Ausfälle von erheb
lichem Umfange herbeigeführt worden, in deren Voraussicht zu Anfang dieses Jahres dem Zollparlamente Vorlagen gemacht wurden,
welche jedoch die
Zustimmung desselben nicht erlangt haben.
Ich hoffe zuversichtlich, daß die Vermehrung
der eigenen Einnahmen
des Bundes als notwendig anerkannt und nicht weiter versagt werden wird. SBemt ferner nach Lage der Verhältnisse in nächster Zeit ein lebendiger Auf
schwung von Handel und Verkehr und ein
günstiger Einfluß desselben auf
die Erhöhung der Staatseinnahmen erwartet werden darf, so knüpft sich hieran auch die Hoffnung, daß demnächst die Mittel vorhanden
sein werden, das
Gleichgewicht zwischen den ordentlichen Staats-Einnahmen und -Ausgaben her
zustellen und für die Staatsbedürfnisse ausgiebiger zu sorgen,
als gegen
wärtig möglich gewesen ist.
In Würdigung dieser Verhältnisse werden Sie keinen Anstand nehmen, den Vorschlägen Meiner Regierung wegen Deckung des Ausgabebedarfs für
das nächste Jahr Ihre Zustimmung zu geben.
Die Beziehungen Meiner Regierung zu den auswärtigen Mächten sind nach allen Seiten hin befriedigend und freundschaftlich.
Die Ereignisse auf der westlichen Halbinsel Europas können uns zu
keinem anderen Gefühle veranlassen, als zu dem Wunsche und zu dem Ver
trauen, daß es der spanischen Nation gelingen werde, in der unabhängigen Gestaltung ihrer Verhältnisse die Bürgschaft ihres Gedeihens und ihrer Macht zu finden. Eine erfreuliche Übereinstimmung in wachsender Bildung und Humanität
hat der internationale Kongreß bewährt, welcher soeben in Genf die Auf gabe gelöst hat, die früher festgestellten Gmndsätze für die Behandlung und
Pflege der Verwundeten im Kriege zu vervollständigen und auf die Marine
auszudehnen.
Wir dürfen hoffen, daß der Augenblick fem sei, der die Er
gebnisse zur Anwendung berufen werde.
Die Gesinnungen der Souveräne und das Friedensbedürfnis der Völker begründen die Zuversicht, daß die fortschreitende Entwickelung des allgemeinen
Wohlstandes nicht nur keine materielle Stömng erleiden, sondern auch von jenen Hemmungen und Lähmungm wird befreit werden, welche grundlose
Norddeutscher Bund.
1869.
129
Befürchtungen und deren Ausbeutung durch die Feinde des Friedens und
der öffentlichen Ordnung ihm nur zu ost bereiten. Möge der Landtag,
durchdrungen von jener Zuversicht,
an
seine
Friedensarbeit gehen!
67. Thronrede ;ur Eröffnung des Reichstags des Norddeutsche» Rundes, Mittwoch, den 4. März 1869.
Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Als Ich Sie zum letztenmal um Mich versammelt sah, sprach Ich
die Zuversicht aus, daß die Früchte Ihrer Arbeiten in unserem Vaterlande
unter dem Segen des Friedens
Ich freue Mich, daß
gedeihen werden.
diese Zuversicht nicht getäuscht worden ist, und indem Ich Sie heute im
Namen der verbündeten Regierungen begrüße, blicke Ich mit Genugthuung auf einen Zeitraum zurück, in dessen Verlauf die Einrichtungen des Bundes
in friedlicher Entwickelung erstarkt und befestigt sind. Im Innern des Landes haben die Freiheit der Niederlassung, der
Eheschließung und des Gewerbebetriebs den dem Bunde zu Gmnde liegenden nationalen Gedanken in das Leben des Volkes eingeführt.
ordnung,
welche Ihnen
vorgelegt werden
Unterstützungswohnsitz, welches der
Eine Gewerbe
wird, und ein Gesetz über den
Beratung des Bundesrates unterliegt,
sollen diesem Gedanken eine weitere Entwickelung sichern.
In gleicher Richtung wird Ihre Mitwirkung für gemeinsame Rechts institute in Anspruch genommen werden.
Ihrem Wunsche entsprechend wird
Ihnen ein Gesetz über die Beschränkung des Lohnarrestes und ein Gesetz
über die Einfühmng des Handelsgesetzbuches und der Wechselordnung als
In Verbindung mit dem letzteren steht
Bundesgesetze vorgelegt werden.
ein von der Königlich sächsischen Regierung dem Bundesrate vorgelegter Gesetzentwurf wegen Errichtung sachen.
eines
obersten Gerichtshofes in Handels
Ein Gesetz über gegenseitige Rechtshilfe soll, soweit dies vor Erlaß
einer gemeinsamen Zivil- und Strafprozeßordnung möglich ist, eine in der
Bundesverfassung ausgesprochene Verheißung erfüllen. Ein Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes ist dazu bestimmt, dem Artikel 20 der Bundesverfassung gemäß, die einzelnen Wahl gesetze durch ein gemeinschaftliches
Wahlverfahren im ganzen
zu ersetzen und
Gebiete des Bundes
• Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
ein übereinstimmmdes
Die Rechts-
zu sichem.
9
130
Zweite- Buch. 1867—1870.
Verhältnisse der Bundesstaaten,
deren
Regelung bereits in
Ihrer letzten
Session in Aussicht genommen war, werden Gegenstand einer Vorlage bilden.
Die Ausführung
von Gesetzen, welche im Laufe der letzten Session
zu stände gekommen sind, und einige seit Aufstellung des Bundeshaushalts-
Etats für 1869 hervorgetretene Bedürfnisse haben einen Nachtrag zu diesem
Etat
notwendig
gemacht,
welcher
Ihnen
zur
Genehmigung
vorgelegt
werden wird.
Der Bundeshaushalls-Etat für 1870,
welcher einen hervorragenden
Gegenstand Ihrer Beratungen bilden wird, fordert dazu auf, eine Erhöhung der eignen Einnahmen des Bundes ins Auge zu fassen.
Die Erleichterungen,
welche der Verkehr durch Aufhebung und Ermäßigungen von Zöllen und
durch Herabsetzung des Briefporto erfahren hat, haben Ausfälle an den
Einnahmen zur Folge gehabt, deren Ersatz notwendig ist, wenn die Schwierig keiten überwunden werden sollen, welche dem Haushalt der einzelnen Bundes staaten durch die ungleichmäßige Wirkung des Maßstabes für die Matri-
kularbeiträge bereitet werden.
Ich
rechne auf Ihre Mitwirkung bei den
Vorlagen, welche Ihnen zur Abwendung dieser Gefährdung gemacht werden.
In den Beziehungen des Bundes zum Auslande hat die Regelung des Postverträge mit
internationalen Postverkehrs weitere Fortschritte gemacht. den Niederlanden, Italien, Schweden und
den
vereinigten Donaufürsten
tümern werden Ihnen vorgelegt werden.
Die Organisation der Bundeskonsulate
auf Grundlage des in Ihrer
ersten Session beratenen Bundesgesetzes nahet ihrer Vollendung.
Eine Kon
sularkonvention mit Italien soll im Anschlüsse an dieses Gesetz die Befug
nisse der beiderseitigen Konsuln vertragsmäßig sicherstellen. Um der Konsularverwaltung des Bundes den geschäftlichen Zusammen hang mit der Fühmng der auswärtigen Angelegenheiten
um die politische Einheit Norddeutschlands in
seiner internationalen Bedeutung
zu erhalten und
der seiner Verfassung und
entsprechenden Form
zum Ausdruck zu
bringen, sind in den Etat für 1870, Ihren Anträgen entsprechend, die Aus gaben ausgenommen worden,
welche
durch
die Leitung der auswärtigen
Politik des Bundes und durch deren Vertretung im Auslande bedingt sind. Die erste Aufgabe dieser Vertretung wird auch in Zukunft die Er
haltung des Friedens mit allen Völkern bilden, welche gleich uns die Wohl thaten desselben zu schätzen wissen.
Die Erfüllung dieser Aufgabe wird
erleichtert werden durch die freundschaftlichen Beziehungen, welche zwischen dem Norddeutschen Bunde und allen auswärtigen Mächten bestehen
und
welche sich vor kurzem durch die friedliche Lösung der die Ruhe des Orients
Norddeutscher Bund.
bedrohenden Spannung von neuem
1869.
bewährt haben.
131 Die Verhandlungen
und der Erfolg der Pariser Konferenz haben Zeugnis abgelegt von dem aufrichtigen Streben der europäischen Mächte, die Segnungen des Friedens als ein wertvolles Gemeingut unter gemeinsame Obhut zu nehmen.
An
gesichts dieser Wahrnehmung ist eine Station, welche sich des Willens und der Kraft bewußt ist, fremde Unabhängigkeit zu achten und die eigene zu
schützen, zum Vertrauen auf die Dauer eines Friedens berechtigt, den zu stören auswärtigen
Mächten die Absicht, den Feinden der Ordnung die
Macht fehlt. Mit diesem Vertrauen, geehrte Herren,
wollen Sie an Ihre Arbeiten
gehen in dem Sinne, welcher Ihre Beratungen bisher geleitet hat, in dem
Bewußtsein der großen nationalen Aufgabe des Bundes und in der Zu versicht, daß
die verbündeten Regierungen an der Lösung
dieser Aufgabe
freudig mitwirken.
68.
Nede;um Schluß des Landtags, Sonnabend, den 6. März 1869.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König habm mir') den Auftrag zu erteilen geruht,
die Sitzungen des Landtags der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.
Durch die Beratungen und Erlebnisse dieser Session ist das Vertrauen, welches Se. Majestät beim Beginne derselben aussprachen, gerechtfertigt worden. Die Staatsregierung darf der Überzeugung Ausdruck geben, daß
die Vermittelung widersprechender
gleichberechtigter Meinungen und damit
die Überwindung einer vom parlamentarischen Leben unzertrennlichen Schwierig keit in der gegenwärtigen Sitzung in einem Maße gelungen ist, welches einen
entschiedenen Fortschritt unserer verfassungsmäßigen Entwickelung bedeutet. Es gereicht der Regierung Sr. Majestät zur Genugthuung, daß der
Landtag den Staatshaushalts-Etat nach eingehender Prüfung fast unverkürzt genehmigt und
die zur vollständigen Deckung der Ausgaben erforderlichen
außerordentlichen Mittel bewilligt hat.
Sie wird bei der Ausführung des
Etats mit gewissenhafter Sorgfalt und Sparsamkeit zu Werke gehen und
*) Ministerpräsident Graf v. Bismarck.
Zweites Buch. 1867—1870.
132
die Notwendigkeit der Wiederherstellung
des Gleichgewichts
der
Staats-
Einnahmen und Ausgaben zur Richtschnur ihrer künftigen Vorlagen machen.
Den Dank Sr. Majestät des Königs spricht Ihnen die Staatsregierung
dafür aus, daß Sie dem Gesetze, durch welches die Auseinandersetzung mit der Stadt Frankfurt a. M. angeordnet wird, bereitwillig Ihre Zustimmung
erteilt und die Regierung dadurch in den Stand gesetzt haben, diese An
gelegenheit auf einem den landesväterlichen Gefühlen Sr. Majestät ent sprechenden, von
der (Erörterung streitiger Rechtsfragen absehenden
Wege
zum Abschluß zu bringen. Die Vorlagen behufs Förderung der Rechtspflege
und der Rechts
gemeinschaft in allen Teilen der Monarchie haben teilweise die Zustimmung
der beiden Häuser gefunden.
In betreff weiterer gleich wünschenswerter
Reformen darf die Regierung für die nächste Session die Erzielung eines allseitigen Einvemehmens hoffen.
Durch Ihre angestrengte Thätigkeit ist es ferner möglich gewesen, nam
hafte Verbesserungen in der Gesetzgebung für einzelne Provinzen herbei zuführen.
Das Bestreben der Staatsregierung, hierbei den Wünschen dieser
Provinzen eine mit dem allgemeinen Interesse
zu vereinbarende Rücksicht
nahme zu teil werden zu lassen, hat seitens beider Häuser des Landtags
bereitwillige Unterstützung gefunden. Wenn die Beratungen auf dem Gebiete des Unterrichtswesens zu einem abschließenden Ergebnisse nicht geführt haben, so wird die Staatsregiemng sich hierdurch um so mehr veranlaßt finden, die Zeit bis zur nächsten Session
zur weiteren Klämng der Frage zu benutzen, um demnächst mit einer um
fassenden Vorlage vor den Landtag treten zu können.
In betreff der Fortbildung unserer korporativen Organisationen hat die Staatsregiemng die beabsichtigte Vorlage im Laufe dieser Session noch nicht an den Landtag zu bringen vermocht.
Die vertraulichen Beratungen
aber, welche mit Rücksicht auf die Bedeutung und die mannigfachen Schwierig
keiten einer befriedigenden Lösung dieser Aufgabe wünschenswert erschienen, berechtigen zu der Hoffnung, daß die Verständigung über dieselbe in der
nächsten Session in einer den Interessen des Landes
entsprechenden Weise
gelingen werde.
Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier mit die Sitzungm des Landtags für geschlossen.
133
Norddeutscher Bund. 1869.
69. Rede;ur Eröffnung des Deutschen Iollparlaments, Donnerstag, den 3. Juni 1869.
Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Se. Majestät der König von Preußen haben mir') den Auftrag zu
erteilen geruht, das Deutsche Zollparlament im Namen der zum Deutschen Zoll- und Handelsverein verbundenen Regierungen zu eröffnen.
Seit
Sie
zum
letztenmal
hier versammelt
waren,
ist
die
Gesetz
gebung des Zollvereins in Mecklenburg, in Lübeck und in einem Teile deS
Gebietes von
Hamburg in Wirksamkeit getreten.
Mit der nahe bevor
stehenden Einführung dieser Gesetzgebung in andern hamburgischen und in
einigen preußischen Gebietsteilen wird die Abgrenzung des Zollgebietes für die nächste Zukunft ihren Abschluß erhalten.
Der Verkehr mit dem Frei
hafengebiete Hamburgs hat jede, mit den vorhandenen Einrichtungen ver einbarte Erleichtemng erfahren und wird durch die bereits cingeleitete Ver
vollkommnung dieser Einrichtungen noch
weitere Erleichterungen erhalten.
Die Maßregeln, welche gegenüber diesen Erleichterungen zur Sicherung der gemeinschaftlichen Zollgrenze im Freihafengebiete erforderlich sind, bilden den Gegenstand einer Vorlage, welche Ihrer Beratung unterworfen werden wird.
Dem in der vorjährigen Session von Ihnen wie von
den Vereins
regierungen anerkannten Bedürfnis einer durchgreifenden Revision der Zoll
gesetzgebung soll ein neues Vereins-Zollgesetz gerecht werden, dessen Entwurf
Ihnen vorgelegt werden wird.
Dieser Entwurf will die Zollgesetzgebung
sowohl materiell durch Vereinfachung der Zollkontrolen und Erleichtemng
des Abfertigungsvcrfahrens der stattgefundenen Entwickelung des Verkehrs
anpassen,
als
auch formell die in verschiedenen Gesetzen zerstreuten Be
stimmungen übersichtlich zusammenfassen.
Der Entwurf eines Gesetzes
über die Besteuemng des Zuckers soll,
dem von Ihnen ausgesprochenen Wunsche gemäß, die Zollsätze für den aus ländischen Zucker ohne Rücksicht auf dessen Bestimmung zur Fabrikation oder
zum Verbrauch regeln und die Steuer vom inländischen Zucker in ein rich tiges Verhältnis zu diesen Zollsätzen bringen.
Die Revision des Vereins-Zolltarifs wird wiedemm einen Gegenstand Ihrer Beratungen bilden.
So lebhaft die Bereinsregiemngen wünschen, durch
Zollbefreiungen und Zollermäßigungen den Verkehr zu fördem und den *) Präsident bc5 Bundeskanzleramts Wirkt. Geh. Rat Delbrück.
Zweites Buch. 1867—1870.
134
Verbrauch zu erleichtern, so gebieterisch erheischt die Rücksicht auf den Staats haushalt, die von solchen Befreiungen und Ermäßigungen unzertrennlichen
Ausfälle in den Zolleinnahmen durch Erhöhung dieser Einnahmen bei cmbem
Gegenständen auszugleichen.
Ein Handels- und Zollvertrag mit der Schweiz wird Ihnen zur Zu stimmung vorgelegt werden.
Sie werden die Befriedigung teilen, mit welcher
die Vereinsregierungen den Abschluß der wiederholt versuchten Regelung der Verkehrsverhältniffe zwischen dem Zollverein und einem Nachbarlande be
grüßt haben, welches durch die mannigfachsten Beziehungen mit Deutschland
verbunden ist. Ein Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Japan, welcher Ihnen vor gelegt werden wird, sichert die Rechte, welche ein früherer Vertrag nur an
Preußen gewährte, dem Gesamtverein und verheißt dem in erfreulicher Ent wickelung begriffenen Verkehre mit diesem Lande weitere Erleichterungen. Die Aufgaben, zu deren Lösung Ihre Mitwirkung, geehrte Herren, in
Anspmch genommen wird, sind wichtig und mannigfaltig. regierungen sind gewiß, daß Sie an die Lösung Ernste und der Hingebung
treten,
Die Vereins
dieser Aufgaben mit dem
welche die großen Ihnen anvertrauten
Interessen der Nation erheischen, und daß Ihre Beratungen, getragen von
dem Bewußtsein der Gemeinsamkeit der Interessen, das Gefühl nationaler
Gemeinschaft kräftigen werden.
Und so erkläre ich, im Namen der verbündeten Regierungen, auf Aller höchsten Präsidialbefehl das Parlament des Deutschen Zollvereins für eröffnet.
70. Thronrede ;um Schluß des Reichstags des Norddeutschen Dundes, DimStag, den 22. Juni 1869. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!
Sie stehen am Schluffe einer Session voll angestrengter Thätigkeit, deren Ergebnisse für die Fortbildung der Bundesverhältnisse und für die
Entwickelung der Wohlfahrt Norddeutschlands segensreich sein werden.
Durch das Wahlgesetz vertretung des
für den Reichstag ist die Bildung der Volks
Norddeutschen Bundes auf der Grundlage der Verfassung
endgiltig und gleichmäßig geregelt.
Der Entwurf einer Gewerbeordnung ist von Ihnen mit der eingehenden Sorgfalt beraten worden, welche der Wichtigkeit und Vielseitigkeit seines
135
Norddeutscher Bund. 1869.
Inhalts
entsprach.
Nachdem der Bundesrat Ihren Beschlüssen seine Zu
stimmung erteilt hat, ist durch allseitiges Entgegenkommen in den zahlreichen
Einzelheiten, welche zu Meinungsverschiedenheiten Veranlassung geben konnten,
ein Werk zu stände gebracht, welcher der freien Bewegung gewerblicher
Thätigkeit neue, und der gesamten Bevölkerung des Bundesgebietes gemein same Bahnen eröffnet. Die Übereinstimmung der Heereseinrichtungen im Norddeutschen Bunde
und im Großherzogtum Baden hat den Abschluß eines Vertrages gestattet, welcher
durch
Herstellung der militärischen Freizügigkeit zahlreichen An
gehörigen des Bundes sowie des Großherzogtums wesentliche Erleichtemngen
in der Erfüllung ihrer Wehrpflicht darbietet. Die von Ihnen genehmigten Postverträge mit Schweden, den Nieder landen, Italien, dem Kirchenstaat und Rumänien bilden eine wertvolle Er
gänzung der Verbesserungen des
internationalen Postverkehrs,
welche sich
an die Reformen unserer Portotaxe angeschlossen haben. Ebenso sind den mit Italien und der Schweiz abgeschlossenen Handels
verträgen die
von Ihnen genehmigten Litterar- und Konsularkonventionen
ergänzend hinzugetreten.
Das Gesetz über die Beschlagnahme der Arbeits- und Dienstlöhne hat
in der von Ihnen beschlossenen Fassung
die Zustimmung der verbündeten
Regierungen erhalten.
Das Gesetz über die Gewährung der Rechtshilfe bezeichnet einen ent
scheidenden Schritt zur
Erfüllung
einer verfassungsmäßigen Aufgabe des
Bundes, deren vollständige Lösung durch die Arbeiten
zur Herstellung der
gemeinsamen Zivil- und Strafprozeßordnung und des
gemeinsamen Straf
gesetzbuches erstrebt wird.
Die Erhebung der deutschen Wechselordnung und des deutschen Handels
gesetzbuches zu Bundesgesetzen und die Einrichtung eines obersten Gerichts hofes für Handelssachen
sichern die einheitliche Fortentwickelung des den
Bundesangehörigen früher schon thatsächlich gemeinsamen Handelsrechtes.
In
dem Oberhandelsgerichte begrüße Ich zugleich eine Erweitemng der Bundes
einrichtungen,
welche
eine neue Bürgschaft dafür gewährt, daß der Nord
deutsche Bund die gemeinsamen Institutionen, deren er zur Erfüllung seiner nationalen Aufgaben bedarf, zu schaffen und auszubllden Wohl befähigt ist, wenn das bundestreue Zusammenwirken der Regierungen unter sich und mit
der Volksvertretung von gegenseitigem Vertrauen getragen wird. Der
aus Ihrer Initiative hervorgegangene Gesetzentwurf, betreffend
die Gleichberechtigung der Konfessionen
in
bürgerlicher und staatsbürger-
136
Zweites Buch. 1867—1870.
licher Beziehung,
begegnete den übereinstimmenden Absichten des Bundes
rates und hat dessen Zustimmung gefunden.
Die Umwandlung der in einzelnen Bundesstaaten bestehenden Stempel abgabe für Wechsel in eine Bundessteuer vollendet durch Beseitigung
der
mehrfachen Besteuerung der im Bundesgebiete umlaufenden Wechsel die Ein
heitlichkeit des Verkehrsgebietes und
sichert ebenso wie das Gesetz über die
Portofreiheiten dem Bunde eine Steigerung seiner eigenen Einnahmen.
Gesetze bedingen
aber
eine
Beide
der Erweiterung der Bundeseinnahmen gleich
kommende Beschränkung der den Landesfinanzen zu Gebote stehenden Mittel und
führen deshalb nicht zu einer wirksamen Ermäßigung der Matrikularbeiträge.
Über anderweite, von den verbündeten Regierungen zur Verminderung der Matrikularbeiträge vorgeschlagene Maßregeln ist zu Meinem Bedauern
eine Einigung nicht erzielt worden.
Es wird daher zunächst den Landes
vertretungen die Aufgabe zufallen, die Ausfälle, welche durch Ermäßigungen
der Abgaben vom Verkehr entstanden sind, durch Einschränkung der Staats
ausgaben
oder durch Bewilligung solcher Abgaben zu decken,
welche der
Gesetzgebung der Einzelstaaten unterliegen. Durch
die Genehmigung des Bundeshaushalts-Etats
und die Erwei
terung der Marineanleihe haben Sie dem Bunde die zur Erfüllung seiner
Aufgabe im nächsten Jahre nötigen Mittel gesichert und zugleich der Durch führung des Planes für die Entwickelung der Bundesmarine die finanzielle
Gewährleistung für die Zukunft gegeben. Vor wenigen Tagen war Ich Zeuge der nahezu erreichten Vollendung
des ersten deutschen Kriegshafens, eines Denkmals, welches vor Europa die Thatkraft und Einsicht bekundet, mit welcher deutscher Fleiß in dreijährigem Kampfe den Elementen die Erfüllung einer großen nationalen Aufgabe ab
gerungen hat.
In der lebendigen und werkthätigen Teilnahme, mit welcher
die Bevölkerung der deutschen Küstengebiete die Entwickelung des Bundes in der Richtung unserer maritimen Interessen
begleitet und fördert, habe Ich
mit freudiger Genugthuung den Ausdruck des
nationalen Bewußtseins er
kannt, welches mit wachsender Kraft alle Teile des gemeinsamen Vaterlandes durchdringt und
die Keime, welche wir in der Bundesverfassung
gemein
schaftlich gelegt haben, zur Entwickelung bringt.
Gern gebe Ich Mich
daher der Zuversicht hin, daß die verbündeten
Regierungen in ihrem Streben nach Befestigung und Vervollkommnung der
gemeinsamen Einrichtungen auch ferner die Ermutigung finden werden, welche ihnen bisher die entgegenkommende Förderung ihrer Bemühungen von feiten
des Reichstags gewährt hat.
Norddeutscher Bund.
1869.
137
Das einmütige Zusammenwirken der verbündeten Regierungen und der Volksvertretung in der ihnen obliegenden gemeinsamen Arbeü an Deutsch lands Wohlfahrt wird mit Gottes Hilfe auch ferner wie bisher die Zuver
sicht stärken, mit welcher Deutschland auf die Erhaltung und Befestigung seines inneren wie äußeren Friedens rechnet.
In dieser Zuversicht, Meine Herren, spreche Ich die Hoffnung Sie im
aus,
nächsten Jahre, und zwar bald nach dem Beginn desselben, an
dieser Stelle wieder zu begrüßen.
71. Thronrede pittt Schluß des Deutschen Iollparlaments, Dienstag, den 22. Juni 1869.
Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente!
Ihrer angestrengten Thätigkeit ist es gelungen, die Beratung der Ihnen
von den verbündeten Regierungen gemachten Vorlagen in kurzer Zeit zu Ende zu führen.
Die Handelsverträge mit der Schweiz und mit Japan haben Ihre Zustimmung
erhalten.
Die Einmütigkeit, mit welcher dieselbe erteilt ist,
beweist, daß auch Sie in diesen Verträgen, deren einer die auf nachbarlichen
Verhältnissen beruhenden Beziehungen des kehrs
und
mannigfaltigsten
täglichen Ver
zu erleichtem bestimmt ist, während der andere für die Schiffahrt den Handel im fernen Osten
eine breitere Grundlage schafft, weitere
Fortschritte in der Ausbildung der internationalen Beziehungen des Zoll vereins erkannt haben.
Mit nicht minderer Einmütigkeit haben Sie dem Vereinszollgesetze und
dem damit in Verbindung stehenden Gesetze über den Schutz der Zollgrenze im Hamburger Freihafengebiete Ihre Genehmigung gegeben.
Die von Ihnen
beschlossenen Abänderungen beider Gesetze haben die Zustimmung des Bundes
rats
gefunden.
Es hat den verbündeten Regierungen zur lebhaften Be
friedigung gereicht, sich mit Ihnen sowohl über die Richtungen, in welchen
die Zollgesetzgebung des Vereins der Reform bedurfte, als über die Mittel, durch
welche diese Reform zur Ausführung zu bringen ist, durchweg in
vollem Einverständis zu finden.
Gesetz, welches
Ich hoffe,
daß das
wichtige organische
an die Stelle einer dreißig Jahre alten Gesetzgebung zu
treten bestimmt ist, in befriedigender und dauernder Weise die Anforderungen
vermitteln werde, welche die rasche und vielseitige Entwickelung des Verkehr-
138
Zweites Buch. 1867—1870.
und die
finanziellen Interessen
des Vereins
an
die
Zollverwaltung
zu
stellen haben.
Die Änderungen, welche Sie aus Rücksicht auf eine für die wirtschaft lichen Verhältnisse deS Vereins in hohem Grade wichtige Industrie in dem Gesetze über die Besteuerung des Zuckers beschlossen haben, entfernen sich nicht von den Gesichtspunkten, welche die verbündeten Regierungen bei der Vorlegung dieses Gesetzes im Auge hatten.
Die Besteuerung des Zucker
verbrauchs im ganzen wird eine Ermäßigung und die Einnahme des Vereins
auS diesem Verbrauche wird eine Erhöhung erfahren, welche einen Teil der in den letzten Jahren durch
zahlreiche Zollbefreiungen und Ermäßigungen
veranlaßten Einnahmeausfälle decken wird. Die Revision des Vereins-Zolltarifs ist zu Meinem Bedauem nicht
zum Abschluß gelangt.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Verschieden
heit der Meinungen über die finanziellen Aufgaben des Vereins, welche
diesen Abschluß verhindert hat, mit der Zeit ihre Ausgleichung finden werde, und Ich entlasse Sie, geehrte Herren, mit dem Wunsche und der Zuversicht, daß auch in diesem Jahre Ihre Vereinigung
dazu beigetragen habe, das
Band zu befestigen, welches die gemeinsamen Institutionen um alle deutschen
Länder knüpfen.
72. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, Montag, den 14. November 1869.
Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Im Namen der verbündeten Regierungen heiße Ich Sie zur letzten
Session der Legislaturperiode willkommen. Sie werden in dieser Session berufen sein, die unter Ihrer Mitwirkung geschaffenen und durch
einmütiges Zusammenwirken der
verbündeten Re
gierungen ins Leben getretenen Institutionen zu ergänzen und fortzubilden. Zu Meiner lebhaften Beftiedigung
ist es
der hingebenden Thätigkeit
der zur Vorbereitung eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund berufenen Männer gelungen, den Abschluß dieses umfangreichen Werkes der
gestalt zu fördem, daß dasselbe,
heute vorgelegt werden kann.
tigsten Gebiete des
vom Bundesrate genehmigt, Ihnen schon
Indem dieses Gesetzbuch auf einem der wich
öffentlichen Rechtes die nationale
Einheit im Nord
deutschen Bunde zum Abschluß bringen will, enthält es
zugleich eine den
139
Norddeutscher Bund. 1869.
Forderungen der Wissenschaft und den Ergebnissen reicher Erfahrungen ent sprechende Fortbildung des im Bundesgebiete bestehenden Strafrechts.
Dasselbe Ziel soll auf verwandtem
Gebiete durch
ein Gesetz
zum
Schutze der Autorenrechte angestrebt werden.
Das in
der Bundesverfassung begründete, in den Gesetzen über die
weiter ausgebildete gemeinsame
Freizügigkeit sowie in der Gewerbeordnung
Jndigenat wird in den Ihnen zugehenden Gesetzvorlagen nach verschiedenen
Richtungen eine
Entwickelung
abschließende
erhalten.
Eine Gesetzvorlage
den Erwerb und Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit wird
über
dem von Ihnen in der vorigen Session ausgesprochenen Wunsche entgegen
kommen.
Bei der Verschiedenartigkeit der landesgesetzlichen Bestimmungen
über Heimatsrechte und Armenpflege hat das Institut der Freizügigkeit Un gleichheiten hervorgerufen, deren auch von Ihnen angeregte Beseitigung nicht länger verschoben werden darf.
hilfe zu schaffen.
Eine Ihnen über den Unterstützungswohnsitz
bestimmt, den empfindlichsten Übelständen Ab
zugehende Gesetzvorlage ist
Die Hemmnisse, welche der vollen Entfaltung der Frei
zügigkeit durch die Landesgesetze über die direkte Besteuerung noch entgegen
stehen, sollen durch ein dem Bundesrate vorliegendes Gesetz beseitigt werden.
Den wiederholt kundgegebenen Wünschen nach einer der Billigkeit ent sprechenden Ausgleichung der Beschränkungen, welchen die in den Bereich
neuer oder
erweiterter Festungsanlagen gezogenen Grundstücke unterworfen
werden müssen, soll durch eine Gesetzvorlage entsprochen werden. Die Lage der zu den Unterklassen der vormaligen schleswig-holsteinischen
Armee gehörigen Personen nimmt dieselbe Teilnahme in Anspruch, welche
in Ihrer vorletzten Session den Offizieren gegenüber zum Ausdruck gelangt
ist.
Es wird Ihnen hierüber eine Vorlage zugehen. Über die in dem Bundeskonsulatsgesetze vorbehaltene Regelung der Be
fugnis
der Bundeskonsuln
zu Eheschließungen und zur Beurkundung des
eine Vorlage gemacht,
Personenstandes
wird Ihnen
die Verhältnisse
der Bundesbeamten wird
und ein Gesetz
über
wiedemm Ihrer Beschlußfassung
unterbreitet werden. Die Steigerung des Verkehrs und
die Reform der Besteuerung des
Zuckers haben es gestattet, in dem Ihnen vorzulegenden Bundeshaushalts-
Etat für das Jahr 1871, unter Aufrechterhaltung der bewährten Gmndlagen vorsichtiger Veranschlagung, die Einnahmen an Zöllen und Verbrauchs steuern sowie an Postüberschüffen höher auszubringen als im laufenden Etat.
Es ist dadurch die Aussicht gewahrt, daß
der größere Teil der laufenden
Mehrausgaben für die Fortentwickelung der Bundeseinrichtungen, namentlich
140
Zweites Buch. 1867—1870.
für die planmäßige Ausbildung der Bundesmarine,
in
eigenen Einnahmen
des Bundes seine Deckung findet.
Die Anbahnung der im Artikel 4 des Prager Friedens Verständigung über mit
die nationale
den süddeutschen
Verbindung
Staaten ist
der
vorgesehenen
des Norddeutschen Bundes
Meiner unausgesetzten
Gegenstand
Aufmerksamkeit.
Ein
mit
Baden
Großherzogtum
dem
abgeschlossener
der
Gemeinsamkeit des
welche
Rechtsschutzes,
Gewährung der Rechtshilfe für
Jurisdiktions
dehnt die Grundsätze
vertrag, der Ihnen zur Genehmigung zugehen wird, durch
das Gesetz
den Norddeutschen Bund
über die
zur Geltung ge
langt sind, in nationalem Sinne über die Grenzen des Bundesgebietes aus.
Durch eine Ergänzung der Maß- und Gewichtsordnung wird die Möglich keit
gewonnen
mit andern
werden,
deutschen
der Gemeinsamkeit des Maß- und Gewichtswesens Staaten
durch
gegenseitige Zulassung der
geeichten
Maße und Gewichte Ausdruck zu geben.
Zur Herstellung der süddeutschen
Festungskommission hat der Bund
Meine Vermittelung
willigung
in
durch
den ungeteilten Fortbestand
des
unter Ein
gemeinsamen Festungseigen
tums bereitwillig mitgewirkt. Die Gesamtheit
der Verträge,
welche den
Norden Deutschlands
mit
dem Süden verbinden, gewähren der Sicherheit und Wohlfahrt des gemein
samen deutschen Vaterlandes die zuverlässigen Bürgschaften, welche die starke
und geschlossene Organisation des Nordbundes in sich trägt.
Das Vertrauen,
welches unsere süddeutschen Verbündeten in diese Bürgschaften setzen, beruht
auf dem
voller
Das
Gegenseitigkeit.
Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit,
die bestehenden Verträge ihr Dasein
pfändete Wort deutscher
Fürsten,
verdanken, das gegenseitig ver
die Gemeinsamkeit
ländischen Interessen verleihen unsern Beziehungen von
der wechselnden Woge politischer Leidenschaften
der höchsten
vater
zu Süddeutschland eine
unabhängige Festigkeit.
Als Ich im vorigen Jahre von dieser Stelle zu Ihnen sprach, habe
Ich
dem Vertrauen Ausdruck
gegeben,
daß Meinem
aufrichtigen Streben,
den Wünschen der Völker und den Bedürfnissen der Zivilisation durch Ver hütung jeder Störung des Friedens zu entsprechen, der Erfolg unter Gottes
Beistand nicht fehlen würde. Stelle bekunden zu
können,
Es thut Meinem Herzen wohl, heut an dieser daß Mein Vertrauen seine volle Berechtigung
hatte. Unter den Regierungen wie unter den Völkern der heutigen Welt ist die Überzeugung im siegreichen Fortschreiten begriffen, daß einem jeden
politischen Gemeinwesen die unabhängige Pflege der Wohlfahrt, der Freiheit
und der Gerechtigkeit im eignen Hause
zustehe und obliege,
und daß
die
Norddeutscher Bund.
1870.
141
Wehrkraft eines jeden Landes zum Schutze eigener, nicht zur Beeinträch
tigung fremder Unabhängigkeit berufen sei. Die Legislaturperiode des
gegenwärtigen Reichstags naht sich ihrem
Schluffe, durch ihre bisherige, an Erfolgen reiche Thätigkeit und die frucht-
bare Wechselwirkung, mit welcher die Arbeiten der verbündeten Regiemngen und des Reichstags ineinander gegriffen haben, sind die Bundeseinrichtungen fest begründet und ist die Richtung ihrer Entwickelung zum Heile des Vater
landes
bestimmt worden.
bevorstehenden Session
nehmen.
In diesem Sinne werden die Beratungen der
erneut
Ihre
angestrengte
Thätigkeit in Anspruch
Aber Sie werden durch die Lösung der Ihnen vorliegenden Auf
gaben die Erfolge des gegenwärtigen Reichstags zu einem Abschlüsse bringen, welcher die damit verbundenen Mühen durch den Dank der Nation lohnen und diesem Reichstage eine hervorragende Stellung in der Geschichte der vaterländischen Institutionen sichern wird.
73. Nede zur Eröffnung des Deutschen Zollparlaments, Donnerstag, den 21. April 1870.
Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Se. Majestät der König von Preußen hat mir1) den Auftrag zu er
teilen geruht, das Deutsche Zollparlament im Namen der zum Deutschen Zoll-
und Handclsvereine verbundenen Regierungen zu eröffnen. Das von
Ihnen
im
vorigen Jahre genehmigte Vereinszollgesetz ist
nach Feststellung der zur Ausführung desselben nötigen Anordnungen durch
den Bundesrat des Deutschen Zollvereins in Wirksamkeit getreten. Verkehr dadurch
gewährten Erleichterungen haben
dankbare
Die dem
Anerkennung
gefunden.
Die Wirksamkeit des Gesetzes über die Besteuerung des Zuckers, welcheim Hörigen Jahre Ihre Genehmigung erhalten hat, ist noch von zu kurzer
Dauer, um über deffen Erfolg schon jetzt mit Sicherheit zu urteilen. falls beweist der trotz der Verzollung
Jeden
der Ermäßigung des Zolles eingetretene Rückgang
von ausländischem Rohrzucker, daß die inländische Zucker
erzeugung durch die neue Regulierung des Verhältnisses zwischen dem Ein gangszolle und der Rübenzuckersteuer in keiner Weise geschädigt worden ist.
’) Präsident des Bundeskanzleramts, StaatSminister Delbrück.
142
Zweite» Buch. 1867—1870.
Eine Ergänzung der durch dieses Gesetz eingeleiteten Reform der Zucker besteuerung
soll durch
einen der Beratung deS Bundesrats unterliegenden
Gesetzentwurf herbeigeführt werden.
Die Fabrikation von Zucker und S;ruP
aus Stärke hat im Zollvereine eine Ausdehnung erreicht, welche die Stmerfreiheit dieser Artikel zu einer mit dem Interesse der Zuckerindustrie wie
der Staatsfinanzen unvereinbaren Vergünstigung macht. Die schon im Arti^l 3 des Zollvereinsvertrags vorbehaltene und der
Gerechtigkeit entsprechende Abstellung dieser Begünstigung soll durch eine Besteuerung des aus Stärke bereiteten Zuckers und Syrups nach den für
die Rübenzuckersteuer festgestellten Grundsätzen erreicht werden. Ein zweiter, denselben Zweig der Steuergesetzgebung betreffender Ent
wurf ist bestimmt, eine der Rübenzuckerindustrie lästige Kontrollevorschrift zu beseitigen, nachdem aus der Erfahrung sich deren Entbehrlichkeit ergeben hat. Seit Jahren fehlte es in Mexiko dem deutschen Handel und der deut schen Schiffahrt an einer vertragsmäßigen Sicherung ihrer Interessen und
den zahlreichen dort wohnenden Deutschen an einer vertragsmäßigen Garantie
ihrer Rechte.
Ein nach Überwindung
zahlreicher Schwierigkeiten zu stände
gekommener Handelsvertrag zwischen dem Zollvereine und Mexiko, welcher Ihnen vorgelegt werden wird, soll diese Lücke in den vertragsmäßigen Be
ziehungen des Zollvereins zum Auslande ausfüllen und den umfangreichen
Berkehrsbeziehungen zwischen beiden Ländem eine gesicherte Gmndlage und damit die Vorbedingung kräftigen Aufschwungs gewähren.
Gleiche Zwecke verfolgt ein Vertrag mit dem Königreich der Hawaiischen
Inseln, dessen Genehmigung bei Ihnen beantragt wird. Die Revision des Bereinszolltarifs wird Sie von
Der sorgfältig revidierte Entwurf verfolgt
neuem beschäftigen.
wie früher den Zweck, neben
einer wesmtlichen Vereinfachung des Tarifs und Erleichterung des Verkehrs
und Verbrauchs die finanzielle Grundlage unseres Tarifffystems zu kräftigen, damit nicht die durch zahlreiche Zollbefreiungen und Zollermäßigungen in
den letzten Jahren herbeigeführte Verminderung der Zolleinnahmen die wirt-
schafliche Gestaltung der Steuersysteme in den Vereinssbaaten gefährde. den Verändemngen, welche der Entwurf erfahren hat,
welchen
einzelne der im
In
haben die Bedenken,
vorigen Jahre gemachten Vorschläge begegneten,
thunlichste Berücksichtigung gefunden.
Insbesondere ist fiilt die Herbeiführung
eines Mehrertrags ein Verbrauchsgegenstand ins Auge (gefaßt, dessen höhere Belastung die schon früher im Zollverein gemachten (Erfahrungen als zu
lässig darstellen.
Eine Verständigung auf dieser neuen Grundlage wird,
indem sie die Ausführung einer den Verkehrsinteressen erwünschten Reform
Norddeutscher Bund. 1870.
143
-es Tarifs ermöglicht, dem nachteiligen Zustande der Ungewißheit über dessen weitere Gestaltung ein Ende machen.
Mit dieser Tarifreform werden Sie, geehrte Herren, die letzte Session
einer Legislaturperiode würdig schließen, welche durch die Erweiterung des
Bereinsgebietes nach der Ostsee und Nordsee, durch Herstellung des freien
Verkehrs mit Tabak, durch eine der Entwickelung des Handels entsprechende Umgestaltung der Zollgesetzgebung und durch die Reform der Zuckerbefleuerung Zeugnis abgelegt hat für den Erfolg der Institutionen, welche in dem Zoll
vereinsvertrag vom 8. Juli 1867 geschaffen sind.
74. Thronrede;um Schluß des Deutschen Iollparlaments, Sonnabend, bett 7. Mai 1870.
Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Als Ich Sie bei Eröffnung der ersten Session der Legislaturperiode
willkommen hieß, deren letzte Session Ich heute schließe, sprach Ich die Zuversicht aus, daß Sie,
das gemeinsame deutsche Jntereffe fest im Auge
haltend, die Einzelintereffen zu vermitteln wiffen würden. bedeutungsvolle Session,
Die kurze, aber
welche heut zu Ende geht, hat diese Zuversicht
gerechtfertigt.
Die Revision des Vereins-Zolltarifs, welche den Schwerpunkt Ihrer Thätigkeit bildete, berührte zahlreiche und wichtige Interessen und mußte deshalb zu
gelungen,
einem lebhaften Kampfe der Ansichten führen.
Es ist Ihnen
aus diesem Kampfe zu einem Abschluß zu gelangen, welcher die
großen, für die verbündeten Regierungen leitend
festhält und die streitenden Interessen versöhnt.
gewesenen Gesichtspunkte
Sie verdanken dieses Er
gebnis dem nationalen Geiste, welcher lieb gewordene Wünsche und lebhaft empfundene Besorgnisse zurücktreten ließ vor der Erkenntnis, daß ohne ein Opfer
von
jeder
Seite die
Vollendung des Ihnen
im Interesse unseres
vorliegenden
Vaterlandes
Werkes unerreichbar sei.
gebotene Die ver
bündeten Regierungen sind Ihnen in demselben Geiste entgegen gekommen,
und so ist bei allseftigem ernsten Bemühen die Feststellung einer Reform gelungen, welche durch die Beratungen dreier Sessionen gereist war.
Diese
Reform, indem sie den Tarif vereinfacht und die Beschaffung von Gegen ständen des unmittelbaren Verbrauchs, von Hilfsmitteln für die Arbeit unb von Materialien
für die Gewerbe in
ausgedehntem Maße
erleichtert, er-
144
Zweites Buch. 1867—1870.
öffnet der Produktion neue Bahnen, sichert dem Verkehr einen weiten Auf schwung und verheißt dem Wohlstände im Deutschen Zollverein eine steigende
Entwickelung,
während
sie durch
geringe Mehrbelastung eines Verbrauchs
gegenstandes die finanziellen Gmndlagen des Tarifsystems wahrt.
Die mit den vereinigten Staaten von Mexiko und mit dem Königreich der Hawaiischen
Inseln abgeschlossenen
mütige Genehmigung gefunden.
Handelsverträge haben Ihre
ein
Ich vertraue, daß die durch diese Verträge
gewonnene Sicherung der Rechte des deutschen Handels, der deutschen Schiff fahrt und der in jenen ferttett Landen wohnenden Angehörigen Deuffchlands
nicht nur die wirffchaftlichen Beziehungen zu jenen Ländern fördern, sondern
auch ein Pfand der Anhänglichkeit unserer
auswärts weilenden Landsleute
an das gemeinsame Vaterland bilden werde. Im Laufe der dreijährigen Thätigkeit, welche Sie heute beenden, haben
Sie, geehrte Herren, im Zusammenwirken mit den verbündeten Regierungen zu dem Abschluß der räumlichen Ausdehnung des Zollvereins den Grund gelegt, die Beziehungen des Zollvereins zu zweien durch Stammesverwandt
schaft mit ihm verbundenen Nachbarstaaten und zu anderen für seinen Ver kehr
wichtigen Ländern
geordnet,
heimischer Erzeugnisse geregelt und
die ^Besteuerung
die Gesetzgebung
dem Auslande in allen ihren Teilen neu gestaltet.
zweier
wichtiger ein
für den Verkehr mit
Die segensreichen Früchte
dieser Thätigkeit sind zum Teil mit Sicherheit zu erwarten.
Der Dank des
deutschen Volkes, dessen Gedeihen Ihre Thätigkeit gewidmet war, wird Ihnen nicht fehlen.
So entlasse Ich Sie, geehrte Herren, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß auch die künftigen Versammlungen des Zollparlaments unserem gemein
samen Vaterlande zum Segen gereichen werden.
75. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeutschen Bundes, Donnerstag, dm 26. Mai 1870. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Dem ersten ordentlichen Reichstage des Bundes war die Aufgabe ge
stellt, die wesentlichsten Bestimmungen der Verfassungsurkunde in Gestalt organischer Gesetze
in dem politischen und
zur Geltung zu bringen.
bürgerlichen Leben des Volkes
Sie haben die Lösung dieser Aufgabe in vier
Norddeutscher Bund. 1870.
arbeitsvollen Sessionen dergestalt gefördert, daß
145 es Ihnen wie Mir zur
Genugthuung gereichen wird, am Schluß der Legislaturperiode einen Rück blick auf die Erfolge Ihrer hingebenden Thätigkeit zu werfen.
Norddeutschland verdankt derselben die Verwirklichung der wichtigsten
Konsequenzen des gemeinsamen Jndigenats, der Freiheit der Niederlassung, des Erwerbs von Grundbesitz und des Betriebes der Gewerbe, die Regelung der Bedingungen für den Erwerb und Verlust der Bundesangehörigkeit und
der Staatsangehörigkeit, die Beseitigung der mehrfachen Besteuerung des selben Einkommens, die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Ehe schließung und die Beseitigung der Abhängigkeit staatsbürgerlicher Rechte
von konfessionellen Unterschieden. Die Fühmng der Bundesflagge, der Schutz der deutschen Schiffahrt
durch Gesandtschaften und Konsulate des Bundes, die Wirksamkeit der Kon
suln, die den Organen des Bundes zustehenden Befugnisse im Interesse des Zivilstandes der Bundesangehörigcn sind unter Ihrer Mitwirkung durch
Gesetz und Vertrag geregelt worden. Durch die Abschaffung der Elbzölle und die Regelung der Flößerei wurde die langerstrebte Freiheit der deutschen Ströme verwirklicht.
Die Reihe der Verträge, durch welche die internationalen Beziehungen
des Bundes-Postwesens auf der Grundlage der Reform geordnet sind, hat neuerdings durch die von Ihnen genehmigten Verträge mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika wichtige Ergänzungen erfahren.
Die Organisation des Bundesheeres ist abgeschlossen und die Bundes-
Kriegsmarine ist, dank der von Ihnen gewährten Mittel, in einer Ent wickelung begriffen, welche diesem Zweige der nationalen Wehrkraft eine den
berechtigten Anfordemngen der deutschen Nation entsprechende Bedeutung
verheißt.
Der Bundeshaushalt ist auf fester Grundlage geordnet. Bunde vorbehaltene Besteuerung
Die dem
von Verbrauchsgegenständen ist einheitlich
geregelt und durch die Stempelabgabe von Wechseln ist eine im Interesse der Verkehrsfreiheit liegende Bundessteuer geschaffen.
Die Herstellung der gemeinsamen Rechtsinstitutionen, welche die Bundesverfaffung verheißt, ist in einem Maße gefördert worden, welches wir vor
drei Jahrm kaum in so nahe Aussicht zu nehmen wagten.
Das Gesetz
über die Rechtshilfe und die auf diesem Gesetze beruhenden Verträge mit Baden und Heffen haben, der ihrem Abschluß nahm gemeinsamen Prozeß ordnung vorgreifend, die Schranken beseitigt, welche die Landesgrenzen der
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
10
146
Zweites Buch. 1867—1870.
Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidung entgegensetzten.
Die Aufhebung der
Zinsbeschränkungen, der Schuldhast und des Lohnarrestes hat in wichtigen Beziehungen des volkswirtschaftlichen Verkehrs gleiches Recht geschaffen. Das Handelsgesetzbuch und die Wechselordnung sind zu Bundesgesetzen erhoben worden, und beide, ebenso wie die von Ihnen beschlossenen Gesetze über die Aktiengesellschaften und das Urheberrecht an geistigen Erzeugnissen,
unter den Schutz eines obersten Bundesgerichtshofes gestellt worden, dessen Wirksamkeit in nächster Zukunft beginnen wird. Die erste Stelle in dieser Reihe wichtiger Gesetze nimmt aber das
gestem von Ihnen und
vom Bundesrate genehmigte Strafgesetzbuch
ein.
Die Vereinbarung dieses Gesetzes, durch welche uns das große Ziel dmtscher Rechtseinheit so wesentlich genähert ist, konnte nur gelingen, wenn von Ihnen, wie von den verbündeten Regierungen, der Vollendung eines großen
nationalen Werkes Opfer an Überzeugungen gebracht wurden, welche um so
schwerer, aber auch um so fmchtbarer waren, je tiefer die Fragen, um deren Lösung es sich handelte, das Rechtsbewußtsein ergriffen.
Ich danke Ihnen,
daß Sie in der Bereitwilligkeit, diese Opfer zu bringen, den verbündeten
Regiemngen entgegengekommen sind. Geehrte Herren, Ich darf die Überzeugung kundgeben, daß die Be friedigung, mit welcher wir in diesem Saale die reichhaltigen Ergebnisse gemeinsamer Thätigkeit überblicken, im ganzen deutschen Lande und außer
halb der Grenzen desselben geteilt wird.
Die großen Erfolge, welche im
Wege freier Verständigung der Regierungen und der Volksvertreter, unter sich und mit einander, in verhältnismäßig kurzer Zeit gewonnen wurden,
geben dem deutschen Volke die Bürgschaft der Erfüllung der Hoffnungen,
welche sich an die Schöpfung des Bundes knüpfen, denn sie beweisen, daß
der deutsche Geist, ohne auf die
freie Entwickelung zu verzichten,
in
der
seine Kraft beruht, die Einheit in der gemeinsamen Liebe aller zum Vater
lande zu finden weiß.
Dieselben Erfolge, gewonnen durch treue und an
gestrengte Arbeit auf dem Gebiete der Wohlfahrt und der Bildung, der Freiheit und der Ordnung im eignen Lande, gewähren auch dem Auslande
die Gewißheit, daß der Norddeutsche Bund in der Entwickelung seiner inneren Einrichtungen und seiner vertragsmäßigen nationalen Verbindung mit Süddeutschland die deutsche Bolkskrast nicht zur Gefährdung, sondem
zu einer starken Stütze des
allgemeinen Friedens
ausbildet, welcher die
Achtung und das Vertrauen der Völker wie der Regiemngen des Auslandes zur Seite stehen.
Wenn wir der deutschen Nation mit Gottes Hilfe die Weltstellung
147
Norddeutscher Bund. 1870.
geteiltsten, zu der ihre geschichtliche Bedeutung, ihre Stärke und ihre fried fertige Gesittung sie berufen und befähigen, so wird Deutschland dm Anteil
nicht vergessen, den dieser Reichstag an dem Werke hat und für den Ich
Ihnen, geehrte Herren, wiederholt Meinen Dank ausspreche.
76.
Thronrede;ur Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichstags des Norddeutschen Dundes, Dienstag, den 19. Juli 1870. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!
Als Ich Sie bei Ihrem letzten Zusammentreten Namen
an dieser Stelle im
der verbündeten Regierungen willkommen hieß, durste Ich es mit
freudigem Danke bezeugen, daß Meinem aufrichtigen Streben, den Wünschm
der Völker und den Bedürfnissen
Störung des Friedens
der Zivilisation durch Verhütung jeder
zu entsprechen, der Erfolg unter Gottes Beistand
nicht gefehlt habe. Wenn
nichtsdestoweniger Kriegsdrohung und Kriegsgefahr den ver
bündeten Regierungen die Pflicht auferlegt habm, Sie zu einer außerordent lichen Session zu berufen, so wird in Ihnen tote in uns die Überzeugung lebendig sein, daß der Norddeutsche Bund die deutsche Volkskrast nicht zur
Gefährdung, fottbem zu einer starken Stütze des allgemeinen Friedens aus zubilden bemüht war und daß, wmn wir gegenwärtig diese Volkskrast zum Schutze
unserer Unabhängigkeit aufmfen, wir nur dem Gebote der Ehre
und der Pflicht gehorchen. Die spanische Thronkandidatur eines deutschen Prinzen, deren Auf
stellung
und Beseitigung
die verbündeten Regierungen gleich femstandm
und die für den Norddeutschen Bund nur insofern von Interesse war, als
die Regierung jener uns befreundeten Nation daran die Hoffnung zu knüpfen
schien, einem vielgeprüften Lande die Bürgschaften einer geordneten und friedliebenden Regierung zu gewinnen, hat dem Gouvernement des Kaisers
der Franzosen den Vorwand geboten, in einer dem diplomatischen Verkehr seit langer Zeit unbekannten Weise den Kriegsfall zu stellen und denselben
auch nach Beseitigung des Vorwandes mit jener Geringschätzung des An rechts der Völker auf die Segnungen des Friedens festzuhalten, von welcher die Geschichte früherer Beherrscher Frankreichs analoge Beispiele bietet.
10*
148
Zweites Buch. 1867—1870. Hat Deutschland derartige Vergewaltigungen seines Rechts und
Ehre in früheren Jahrhunderten schweigend ertragen,
wie stark es war.
weil es in seiner Zerrissenheit nicht wußte,
das Band geistiger und rechtlicher Einigung,
zu knüpfen begannen,
bindet,
bietet, trägt Deutschland in sich
Heute,
wo
welches die Befreiungskriege
länger, desto inniger ver
die deutschen Stämme je
heute, wo Deutschlands Rüstung
seiner
so ertrug es sie nur,
dem Feinde
selbst den Willen
keine Öffnung
mehr
und die Kraft der Ab
wehr erneuter französischer Gewaltthat.
Es ist keine Überhebung, welche Mir diese Worte in den Mund legt.
Die verbündeten Regierungen, Bewußtsein,
daß
Sieg
Schlachten ruhen.
messen,
und
wie Ich selbst, Niederlage
Wir handeln in dem vollen
in
der
Hand
Lenkers
des
der
Wir haben mit klarem Blicke die Verantwortlichkeit er
welche vor den Gerichten Gottes und der Menschen den trifft,
zwei große und friedliebende Völker
im Herzen Europas
der
zu verheerenden
Kriegen treibt.
Das
französische Volk,
deutsche und das
licher Gesittung und steigenden Wohlstandes
beide die Segnungen christ
gleichmäßig genießend und be
gehrend, sind zu einem heilsameren Wettkampf berufen als zu dem blutigen
der Waffen.
durch
die Machthaber Frankreichs haben es verstanden,
Doch
wohlberechtigte,
aber
Selbstgefühl unseres
das
großen
Nachbarvolkes
berechnete Mißleitung für persönliche Interessen und
Leidenschaften
reizbare
auszubeuten.
Je mehr die
verbündeten Regierungen
sich bewußt sind,
alles, was
gethan zu haben, um Europa die Segnungen
Ehre und Würde gestatten,
des Friedens zu bewahren, und je unzweideutiger es vor aller Augen liegt, daß man uns das Schwert in die Hand gezwungen hat, mit um so größerer
Zuversicht wenden Wir Uns, gestützt auf den einmütigen Willen der deutschen Regierungen
des Südens
Opferfreudigkeit des
wie des
Nordens,
deutschen Volkes
an die Vaterlandsliebe und
mit dem Aufrufe
zur Verteidigung
seiner Ehre und seiner Unabhängigkeit. Wir werden nach dem Beispiele unserer Väter für unsere Freiheit und
für unser Recht gegen die Gewaltthat fremder Eroberer kämpfen, und in diesem Kampfe, in dem wir kein anderes Ziel verfolgen,
Europas dauernd zu sichern,
Vätern war.
als
den Frieden
wird Gott mit uns sein, wie er mit unsern
Norddeutscher Bund. 1870.
149
77.
Allerhöchster Erlaß, betr. die Abhaltung eines allgemeinen Dettags. Ich bin gezwungen, infolge eines
willkürlichen Angriffs das Schwert
zu ziehen, um denselben mit aller Deutschland abzuwehren.
zu Gebote stehenden Macht
Es ist Mir eine große Beruhigung vor Gott und den Men
schen, daß Ich dazu in keiner Weise Anlaß gegeben habe.
Ich bin reinen
Gewissens über den Ursprung dieses Krieges und der Gerechttgkeit unserer
Sache vor Gott gewiß.
Es ist ein ernster Kampf, den es gilt, und er
wird Meinem Volke und ganz Deutschland schwere Opfer auflegen. Aber Ich ziehe zu ihm aus
und mit Anmfung Seines
im Aufblicke zu dem allwissenden Gott
allmächttgen Beistandes.
Schon jetzt darf Ich
Gott dafür preisen, daß vom ersten Gerüchte des Krieges an durch
deutschen Herzen nur ein Gefühl
alle
rege wurde und sich kundgab, das der
Entrüstung über den Angriff und der freudigen Zuversicht, daß Gott der gerechten Sache den Sieg verleihen werde.
Mein Volk wird auch in diesem
Kampfe zu Mir stehen, wie es zu Meinem in Gott ruhenden Vater ge standen hat.
Es wird mit Mir alle Opfer bringen, um den Böllern den
Frieden wieder zu gewinnen.
Von Jugend auf habe Ich vertrauen gelernt, daß an Gottes gnädiger Hilfe alles gelegen ist.
Auf Ihn hoffe Ich,
auf zu gleichem Vertrauen.
und fordere Ich Mein Voll
Ich beuge Mich vor Gott in Erkenntnis Seiner
Barmherzigkeit und bin gewiß, daß Meine Unterthanen und Meine Lands leute es mit Mir thun.
Demnach besttmme Ich, daß am Mittwoch, den 27. Juli, ein außer ordentlicher allgemeiner Bettag gehalten und mit Gottesdienst in den Kirchen,
sowie mit Enthaltung von öffenllichen Geschäften und Arbeiten, soweit die dringende Not der Zeit es gestattet, begangen werde. Zugleich bestimme Ich, daß während der Dauer des Krieges in allen
öffentlichen Gottesdiensten dafür besonders gebetet werde, daß Gott in diesem
Kampfe uns zum Siege führe, daß Er uns Gnade gebe, auch gegen unsere Feinde uns
als Christen
zu
verhallen, und
daß Er uns zu einem die
Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands dauemd verbürgenden Frieden in
Gnaden gelangen lasse. Berlin, den 21. Juli 1870.
Wilhelm.
Zweites Buch. 1867—1870.
150
78. Süt das deutsche Volk. Aus allen Stämmen des deutschen Vaterlandes, aus allen Kreisen des
deutschen Bolles, selbst von jenseits des Meeres sind Mir aus Anlaß des bevorstehenden Kampfes für die Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands von
Gemeinden und Korporationen,
von Vereinen und Privatpersonen so zahl
reiche Kundgebungen der Hingebung und Opferfreudigkeit für das gemein same Vaterland zugegangen, daß es Mir ein unabweisliches Bedürfnis ist,
diesen Einklang des deutschen Geistes öffentlich zu bezeugen und dem Ausdruck Meines Königlichen Dankes die Versicherung hinzuzufügen, daß Ich
dem deutschen Volke Treue um Treue entgegenbringe halten werde.
und
unwandelbar
Die Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande, die einmütige
Erhebung der deutschen Stämme und ihrer Fürsten hat alle Unterschiede
und Gegensätze in sich geschloffen und versöhnt, und einig, wie kaum jemals zuvor, darf Deutschland in seiner Einmütigkeit wie in seinem Recht die
Bürgschaft finden, daß der Krieg ihm den dauernden Frieden bringen und daß aus der blutigen Saat eine von Gott gesegnete Ernte deutscher Freiheit
und Einigkeit sprießen werde.
Wilhelm.
Berlin, den 25. Juli 1870.
79.
Armeebefehl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen.
Hauptquartier Speier, 30. Juli 1870. Soldaten der III. Armee!
Bon Sr. Majestät dem König von Preußen zum Oberbefehlshaber der
III. Armee ernannt,
entbiete ich den von heute ab unter meinem Befehle
vereinigten Königl. preußischen, Königl. bayerischen, König!. Württembergischen
und Großherzogl. badischen Truppen meinen Gruß.
Es erfüllt mich mit
Stolz und Freude, an der Spitze der aus allen Gauen des deutschen Vater landes vereinten Söhne für die gemeinsame nattonale Sache, für deutsches Recht, für deutsche Ehre gegen den Feind zu ziehen.
Wir gehen einem
großen und schweren Kampfe entgegen, aber in dem Bewußtsein unseres
guten Rechts und im Vertrauert auf Eure Tapferkeit, Ausdauer und Manns zucht ist uns der siegreiche Ausgang gewiß.
So wollen wir denn festhalten
in treuer Waffenbrüderschaft, um mit Gottes Hilfe unsere Fahnen zu neuen Siegen zu entfalten für des geeinigten Deutschlands Ruhm und Friede.
Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preußen.
Norddeutscher Bund.
1870.
151
80. Air Mein Volk.
Indem Ich heute zur Armee abgehe, um mit ihr für Deutschlands Ehre und für Erhaltung unserer höchsten Güter zu kämpfen, will Ich, im
Hinblick auf die einmütige Erhebung Meines Volkes, eine Amnestie für poli
tische Verbrechen und Vergehen erteilen.
Ich habe das Staats-Ministerium
beauftragt, Mir einen Erlaß in diesem Sinne zu unterbreiten.
Mein Volk weiß mit Mir, daß Friedensbruch und Feindschaft wahr haftig nicht auf unserer Seite war.
Wer herausgefordert, sind wir ent
schlossen, gleich unsem Vätern und in fester Zuversicht auf Gott den Kampf zu bestehen zur Errettung des Vaterlandes.
Berlin, den 31. Juli 1870.
Wilhelm.
81.
5lit die Armee I Ganz Deutschland steht einmütig in den Waffen gegen einen Nachbar staat, der uns überraschend und ohne Grund den Krieg erklärt hat.
Es
gilt die Verteidigung des bedrohten Vaterlandes, unserer Ehre, des eignen Herdes.
Ich übernehme heute das Kommando über die gesamten Armeeen
und ziehe getrost in einen Kampf, den unsere Väter in gleicher Lage einst
ruhmvoll bestanden.
auf Euch.
Mit Mir blickt das ganze Vaterland vertrauensvoll
Gott der Herr wird mit unserer gerechten Sache sein.
Mainz, den 2. August 1870.
Wilhelm.
82.
Armeebefehl des Königs.
Soldaten!
Die Verfolgung des nach blutigen Kämpfen zurückgedrängten Feindes hat bereits einen großen Teil unserer Armee über die Grenze geführt. Mehrere Korps werden heute und morgen den französischen Boden betreten.
Ich erwarte, daß die Mannszucht, durch welche Ihr Euch bisher aus
gezeichnet habt, sich auch besonders auf feindlichem Gebiete bewähren werde. Wir führen keinen Krieg gegen die friedlichen Bewohner des Landes; es
ist vielmehr die Pflicht jedes ehrliebenden Soldaten, das Privateigentum zu
152
Zweites Buch. 1867—1870.
schützen und nicht zu dulden, daß der gute Ruf unseres Heeres auch nur durch einzelne Beispiele von Zuchtlosigkeit angetastet werde.
Ich baue auf
den guten Geist, der die Armee beseelt, zugleich aber auch auf die Strenge
und Umsicht aller Führer. Hauptquartier Homburg, den 8. August 1870.
Wilhelm.
83.
Armeebefehl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen. Soldaten der III. Armee! Nachdem wir mit dem
siegreichen Gefecht von Weißenburg die fran
zösische Grenze überschritten und darauf durch den herrlichen Sieg von Wörth
den Feind gezwungen haben, den Elsaß zu räumen, sind wir heute bereits
über das Gebirge der Vogesen hinaus weit nach Frankreich hineingedrungen
und haben die Verbindung mit der I. und II. Armee erreicht, vor deren Erfolg der Feind ebenfalls weichen mußte.
Eurer bewundemngswürdigen Tapferkeit und Hingebung, Eurer Aus
dauer im Ertragen aller Schwierigkeiten und Anstrengungen verdanken wir die bedeutungsvollen Ereignisse.
Ich danke Euch im Namen des Königs
von Preußen, unseres Oberfeldherrn, sowie in dem der verbündeten deutschen
Fürsten, und ich bin stolz, mich an der Spitze eines Heeres zu befinden,
welchem der Feind bisher nicht standzuhalten vermochte und auf dessen Thaten unser deutsches Vaterland mit Bewunderung blickt.
Hauptquartier Petersbach, am Fuße der Vogesen, den 11. August 1870.
Der Oberbefehlshaber der III. Armee. Friedrich
Wilhelm,
Kronprinz von Preußen.
84. Proklamation an das französische Volk. St. Avold, 11. August 1870.
Wir Wilhelm, König von Preußen, thun den Bewohnem der durch die
deutschen Ärmeren besetzten französischen Gebietsteile zu wissen, was folgt: Nachdem der Kaiser Napoleon die deutsche Nation,
welche wünschte
und noch wünscht, mit dem französischen Volke in Frieden
Wasser und zu Land
zu leben, zu
angegriffen hatte, habe Ich den Oberbefehl über die
Norddeutscher Bund.
1870.
153
deutschen Armeeen übernommen, um diesen Angriff zurückzuweisen; Ich bin durch die militärischen Ereigniffe dahin gekommen, die Grenzen Frankreichs
zu überschreiten. Ich führe Krieg mit den französischen Soldaten und nicht mit den Bürgem Frankreichs.
Diese werden demnach fortfahren, einer vollkommenen
Sicherheit ihrer Person und ihres Eigentums zu
genießen und
zwar so
lange, als sie Mich nicht selbst durch feindliche Unternehmungen gegen die
deutschen Truppen des Rechts berauben werden, ihnen Meinen Schutz anqedeihen zu laffen.
Die Generale, welche die einzelnen Korps kommandieren, werden durch besondere Bestimmungen, welche
bracht werden,
zur Kenntnis des Publikums werden ge
die Maßregeln festsetzen, welche gegen die Gemeinden oder
gegen einzelne Personen, die sich in Widerspruch mit den Kriegsgebräuchen fetzen, zu ergreifen sind;
sie werden in gleicher Weise alles, was sich auf
die Requisitionen bezieht, festsetzen, welche durch die Bedürfnisse der Truppen als nötig erachtet werden, sie werden auch die Kursdifferenz zwischen deutscher und französischer Währung feststellen, um so den Einzelverkehr zwischen den
Druppen und den Bewohnem zu erleichtern.
Wilhelm.
85.
Armeebefehl. Hauptquartier Versailles, 28. Oktober 1870.
Soldaten der verbündeten deutschen Armeeen! Als wir vor drei Monaten ins Feld rückten gegen einen Feind, der uns zum Kampf herausgefordert hatte, sprach Ich Euch die Zuversicht aus, daß Gott mit unserer gerechten Sache sein würde.
Diese Zuversicht hat sich erfüllt. Seit dem Tage von Weißenburg, wo Ihr zum erstenmal dem Feinde entgegentratet, bis heute,
wo Ich die Meldung der Kapitulatton von Metz
erhalte, sind zahlreiche Namen von Schlachten und Gefechten in die Kriegs
geschichte unvergänglich eingetragen worden.
Ich erinnere an die Tage von
Wötth und Saarbrücken, an die blutigen Schlachten um Metz, an die Kämpfe bei Sedan, Beaumont, bei Straßburg und Paris rc.; jeder ist für unS ein
Sieg gewesen. Wir dürfen mit dem stolzen Bewußtsein auf diese Zeit zurückblicken, daß noch
nie ein ruhmreicherer Krieg geführt worden ist, und Ich spreche
Zweites Buch. 1867—1870.
154
es Euch gern aus, daß Ihr Eures Ruhmes würdig seid.
Ihr habt alle
die Tugenden bewährt, die den Soldaten besonders zieren: den höchsten Mut im Gefecht, Gehorsam, Ausdauer, Selbstverleugnung
bei Krankheit und
Entbehrung.
Mit der Kapitulation von Metz ist Mnmehr die letzte der feindlichen Ärmeren, welche uns beim Beginn des Feldzugs entgegengetreten, vernichtet
worden.
Diesen Augenblick benutze Ich, um Euch allen und jedem einzelnen,
vom General bis zum Soldaten, Meinen Dank und Meine Anerkennung auszusprechen.
Ich wünsche Euch alle auszuzeichnen und zu ehren, indem
Ich heute Meinen Sohn, den Kronprinzen von Preußen, und den General der Kavallerie, Prinzen Friedrich Karl von Preußen, die in dieser Zeit Euch
wiederholt zum Siege geführt haben, zu Generalfeldmarschällen befördere. Was auch die Zukunft bringen möge, — Ich sehe dem
ruhig ent
gegen, denn Ich weiß, daß mit solchen Truppen der Sieg nicht fehlen kann
und daß wir unsere bis hierher so ruhmreich geführte Sache auch ebenso
zu Ende führen werden.
Wilbelm.
86. Redezur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Sundes, Montag, den 24. November 1870.
Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Se. Majestät der König von Preußen hat mit1) den Auftrag zu er
teilen geruht, den Reichstag des Norddeutschen Bundes im Namen der ver bündeten Regierungen zu eröffnen.
Es würde Sr. Majestät zu hoher Befriedigung gereicht haben, heute
in Ihrer Mitte zu sein, um an dieser Stelle Gott für die Erfolge zu danken, mit welchen die Waffen der deutschen Heere gesegnet worden sind, um Ihnen
auszusprechen, welchen Anteil die nationale
Haltung und die
Einmütigkeit des Reichstags bei Bereitstellung der zur Führung des Krieges
erforderlichen Mittel an diesen Erfolgen gehabt haben.
Durch die in der
Kriegsgeschichte beispiellosen Siege, welche nach Gottes Willen die heldenmüttge Tapferkeit und die einsichttge Führung der deutschen Heere erfochten haben, ist der Angriff, den Frankreich im Juli auf Deutschland unternahm, zurückgeworfen worden.
Das französische Volk muß die Überzeugung ge
wonnen haben, daß seine jetzige Kriegsmacht, nach der Vernichtung der gegen *) Präsident des Bundeskanzleramts, StaatSminister Delbrück.
Norddeutscher Bund.
155
1870.
uns aufgestellten Heere, der geeinten Wehrkraft Deutschlands nicht gewachsen
ist.
Wir könnten daher den Abschluß des Friedens als gesichert betrachten,
wenn unser unglückliches Nachbarland eine Regiemng hätte, deren Träger ihre eigne Zukunft als untrennbar von der ihres Landes betrachteten.
Eine
solche Regierung würde jede Gelegenheit ergriffen haben, die Nation, an deren Spitze sie sich aus eigner Machtvollkommenheit gestellt hat, zur Wahl
einer Volksvertretung und durch
diese zur Aussprache über die Gegenwart
und die Zukunft des Landes in den Stand zu setzen.
Aber die Menstücke,
welche Ihnen,
meine Herren, von dem Präsidium des Bundes
werden sollen,
werden Ihnen den Beweis liefern, daß die jetzigen Macht
vorgelegt
haber in Frankreich es vorziehen, die Kräfte einer edlen Nation einem aus
sichtslosen Kampfe zu opfern. Die unverhältnismäßige Erschöpfung und Zerrüttung, welche für Frank reich
die Folgen der Fortsetzung dieses Kampfes
unter den gegenwärtigen
Umständen sind, müssen zwar die Kraft des Landes in dem Maße schwächen, daß dasselbe zu seiner Erholung längerer Zeit bedürfen wird, als bei einem regelmäßigen Verlaufe des Krieges der Fall gewesen wäre.
Die verbündeten
Regierungen haben aber mit Bedauern der Überzeugung Ausdnlck zu geben,
daß der Friede zwischen den beiden großen Nachbarvölkern, auf dessen un-
getrübte Dauer sie noch vor weniger als einem halben Jahre zählten, durch die Erinnerungen, welche die Eindrücke dieses Krieges in Frankreich hinter lassen werden, nur um so sicherer gefährdet sein wird von dem Augenblicke an, wo Frankreich durch die Erneuerung der eignen Kraft oder durch Bünd
nisse mit andern Mächten sich stark genug fühlen wird, den Kampf wieder aufzunehmen.
Die Bedingungen, Frieden bereit
unter welchen die verbündeten Regierungen zum
sein würden, sind in der Öffentlichkeit besprochen worden.
Sie müssen zu der Größe der Opfer, welche dieser ohne jeglichen Gmnd, aber mit Zustimmung der gesamten französischen Nation unternommene Krieg unserem Vaterlande auferlegt
hat, im Verhältnis stehen; sie müssen vor
allen Dingen gegen die Fortsetzung der von allen Machthabern Frankreichs seit Jahrhunderten geübten Eroberungspolitik eine verteidigungsfähige Grenze Deutschlands dadurch herstellen, daß sie die Ergebnisse der. unglücklichen
Kriege, welche Deutschland in der Zeit seiner Zerrissenheit nach Frankreichs Willen führen mußte, wenigstens teilweise rückgängig machen und unsere
süddeutschen Brüder von dem Drucke der drohenden Stellung befreien, welche
Frankreich seinen früheren Eroberungen verdankt.
Die verbündeten Regie
rungen haben das Vertrauen zu dem norddeutschen Reichstage, daß derselbe
156
Zweites Buch. 1867—1870.
ihnen die Mittel, welche zur Erreichung dieses Zieles noch erforderlich sind,
nicht versagen werde.
Sie sind gewiß, jetzt, wo es gilt, die erlangten Er
folge zu sichern, bei Ihnen der
nämlichen patriotischen Hingebung zu be
gegnen, welche sie fanden, als es darauf ankam, die heute gewonnenen Er folge zu erreichen.
Es ist ihr lebhafter Wunsch, daß es möglich werde, jene
Mittel nicht in vollem Umfange zu verwenden.
Um Ihnen
einen vollständigen Überblick der politischen Lage zu ge
währen, werden Ihnen die Mitteilungen vorgelegt werden, welche dem auswärttgen Amte bezüglich des Pariser Friedensvertrages vom 30. März 1856
neuerdings zugegangen sind,
und an
welche die verbündeten Regierungen
den Ausdruck ihrer Hoffnungen knüpfen, daß die Wohlthaten des Friedens den Völkem erhalten bleiben werden, welche sich derselben bisher erfreut haben. Die Fortdauer des Krieges hat eine friedliche Arbeit nicht verhindert.
Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, welches durch gemeinsame Gefahr und durch gemeinsam erkämpfte Siege belebt ist, das Bewußtsein der Stellung, welche Deutschland zum erstenmal seit Jahrhunderten durch seine Einig
keit errungen hat, die Erkenntnis, daß nur durch Schöpfung dauernder In stitutionen der Zukunft Deutschlands das Vermächtnis dieser Zeit der Opfer
und der Thaten gesichert werden könne, haben schneller und allgemeiner, als noch vor kurzem denkbar erschien, das deutsche Volk und seine Fürsten mit der Überzeugung
erfüllt, daß es
zwischen dem Süden und Norden eines
festem Bandes bedürfe als der völkerrechtlichen Verträge.
Diese unter den
Regiemngen einhellige Überzeugung hat zu Unterhandlungen geführt, als deren erste, auf dem Felde des Krieges erwachsene Fmcht Ihnen eine zwischen
dem Norddeutschen Bunde, Baden und Hessen vereinbarte, vom Bundesrate
einstimmig angenommene Verfassung eines Deutschen Bundes zur Genehmigung vorgelegt werden wird.
Die auf gleichen Gmndlagen mit Bayem getroffene
Verständigung wird ebenfalls Gegenstand Ihrer Beratungen werden, und die Übereinstimmung der Ansichten, welche mit Württemberg über das zu
erstrebende Ziel besteht, läßt hoffen, daß eine gleiche Übereinstimmung über
den Weg zum Ziele nicht ausbleiben werde. Sie werden, geehrte Herren, mit diesem Werke eine Thättgkeit würdig
abschließen, wie solche wenigen gesetzgebenden Versammlungen vergönnt ge wesen ist. Reihe
In wenig mehr als drei Jahren haben Sie durch eine lange
wichttger, in die verschiedensten Verhältniffe des
Volkslebens tief
eingreifender Gesetze den Ihrer Mitwirkung anvertrauten ersten Ausbau der
Bundesverfassung fördem helfen, und durch die letzte, vor dem Ablaufe Ihrer
Amtsdauer Ihnen zugehende Vorlage soll diese Verfaffung und sollen die
Norddeutscher Bund.
157
1870.
auf derselben beruhenden Gesetze über die Grenze ausgedehnt werden, welche bisher unsere süddeutschen Brüder von uns schied.
Der große nationale
Gedanke, welcher Sie stets bei Ihren Beratungen leitete, wird durch die letzte Beratung, zu welcher Sie zusammentreten, so Gott will, um
einen ent
scheidenden Schritt seiner vollen Verwirklichung näher geführt werden. Und so erkläre ich, auf Allerhöchsten Präsidialbefehl, im Namen der
verbündeten
Regierungen
den
Reichstag
des
Norddeutschen
Bundes
für
eröffnet.
87. Armeebefehl. Soldaten der verbündeten deutschen Ärmeren! Wir stehen abermals an einem Abschnitt des Krieges. Als Ich zuletzt zu Euch sprach, war mit der Kapitulation von Metz
die letzte der feindlichen Armeeen
vernichtet worden, welche uns bei dem
Beginn des Feldzugs gegenüberstanden. Seitdem hat der Feind durch die außerordentlichsten Anstrengungen uns neugebildete Truppen entgegengestellt, ein großer Teil der Bewohner Frankreichs hat seine friedlichen,
von uns nicht gehinderten Gewerbe ver
lassen, um die Waffen in die Hand zu nehmen.
Der Feind war uns an Zahl oft überlegen,
aber dennoch habt Ihr
ihn wiederum geschlagen; denn Tapferkeit und Mannszucht und das Ver
trauen auf eine gerechte Sache sind mehr wert wie die Überzahl. Alle Versuche des Feindes, die Zernierungslinie von Paris zu durch brechen, sind mit Entschiedenheit zurückgewiesen worden, ost zwar mit vielen
blutigen Opfern — wie bei Champigny und Le Bourget — aber auch mit
einem Heldenmut, wie Ihr ihn überall beweiset.
Die Armeeen des Feindes, welche zum Entsatz
von Paris
von allen
Seiten heranrückten, sind sämtlich geschlagen. Unsere Truppen, die zum Teil noch vor wenigen Wochen vor Metz
und Straßburg standen, sind heute schon über Rouen, Orleans und Dijon hinaus, und neben vielen kleinen siegreichen Gefechten sind zwei neue große
Ehrentage — Amiens
und die mehrtägige Schlacht von Orleans — den
früheren hinzugetreten.
Mehrere Festungen sind erobert und vieles Kriegs
material ist genommen worden; somit habe Ich nur Anlaß zur größten
Zufriedenheit, und es ist Mir eine Freude und ein Bedürfnis, auszusprechen.
Euch dies
Zweites Buch.
158
1867—1870.
Ich danke Euch allen, vom General bis zum gemeinen Soldaten. Beharrt der Feind bei einer weiteren Fortsetzung des Kriegs, so weiß Ich, daß Ihr fortfahren werdet,
thätigen,
dieselbe Anspannung aller Kräfte
zu be-
welcher wir unsere bisherigen großen Erfolge verdanken, bis wir
einen ehrenvollen Frieden erringen, der würdig der
großen Opfer ist, die
an Blut und Leben gebracht worden.
Hauptquartier Versailles, den 6. Dezember 1870.
Wilhelm.
88.
Ansprache des Königs an die Deputation des Reichstags, Sonntag, den 18. Dezember 1870. Geehrte Herren!
Indem Ich Sie hier Grenze,
empfange, ist
auf
fremdem Boden,
es Mir das
fern
erste Bedürfnis,
von der deutschen Meiner Dankbarkeit
gegen die göttliche Vorsehung Ausdruck zu geben, deren wunderbare Fügung uns hier in der allen französischen Königstadt') zusammenführt.
Gott hat uns Sieg verliehen in einem Maße, wie Ich es kaum zu hoffen und zu bitten wagte, als Ich im Sommer dieses Jahres zuerst Ihre
Unterstützung für diesen schweren Krieg in Anspruch nahm. Diese Unterstützung
ist Mir in vollem Maße zu teil geworden, und
Ich spreche Ihnen den Dank dafür aus
in Meinem Namen, im Namen
des Heeres, im Namen des Vaterlandes.
Die siegreichen deutschen Heere,
in deren Mitte Sie Mich ausgesucht haben, fanden in
der Opferwilligkeit
des Vaterlandes, in der treuen Teilnahme und Fürsorge des Volkes in der Heimat,
in der Einmüttgkeit des Volles und
des Heeres ihre Ermuttgung
in schweren Kämpfen und Entbehrungen.
Die Gewährung der Mittel, welche die Regierungen des Norddeutschen Bundes noch in der eben geschlossenen Session des Reichstags für die Fort
setzung des Krieges verlangten, hat Mir einen neuen Beweis gegeben,
daß
die Nation entschlossen ist, ihre volle Kraft dafür einzusetzen, daß die großen
und schmerzlichen Opfer, welche Mein Herz
wie das Ihrige tief bewegen,
nicht umsonst gebracht sein sollen, und die Waffen nicht aus der Hand zu legen, bis Deutschlands Grenze gegen künfttge Angriffe sichergestellt ist.
Der norddeutsche Reichstag, dessen Grüße und Glückwünsche Sie Mir
überbringen, ist berufen gewesen, noch vor seinem Schluß zu dem Werke ’) Versailles.
159
Norddeutscher Bund. 1870.
-er Einigung
Deutschlands entscheidend mitzuwirken.
Ich bin demselben
dankbar für die Bereitwilligkeit, mit welcher er fast einmütig
seine Zu
stimmung zu den Verträgen ausgesprochen hat, welche der Einheit der Nation einen organischen Ausdmck geben werden.
Der Reichstag hat,
gleich
den verbündeten Regierungen, diesen Ver
trägen in der Überzeugung zugestimmt, daß das gemeinsame staatliche Leben
der Deutschen sich um so
segensreicher entwickeln werde, als die für das
selbe gewonnenen Gmndlagen von unsern süddeutschen Bundesgenossen aus freier Entschließung, nach Maßgabe ihrer eignen Würdigung des nationalen Bedürfnisses, bemessen und dargeboten
worden sind.
Ich hoffe, daß die
Vertretungen der Staaten, denen jene Verträge noch vorzulegen sind, ihren
Regiemngen auf dem betretenen Wege folgen werden. Mit tiefer Bewegung hat Mich die durch Se. Majestät den König von Bayern an Mich
gelangte Auffordemng
des alten deutschen Reichs erfüllt.
zur Herstellung der Kaiserwürde
Sie, Meine Herren, bringen Mir im
Namen des norddeutschen Reichstags die Bitte, daß Ich Mich dem an Mich
ergehenden Rufe nicht entziehen möge.
Ich nehme gern aus Ihren Worten den Ausdmck des Vertrauens und der Wünsche des norddeutschen Reichstags entgegen.
Aber Sie wissen, daß
in dieser so hohe Interessen und so große Erinnemngen der deutschen Natton berührenden Frage nicht Mein eignes Gefühl, auch nicht Mein eignes Urteil
Meinen Entschluß bestimmen kann.
Nur in der einmütigen Stimme der deutschen Fürsten und freien Städte
und in dem
damit übereinstimmenden Wunsche der deutschen Natton und
ihrer Vertreter werde Ich den Ruf der Vorsehung erkennen, dem Ich mit Verträum auf Gottes Segen folgen darf.
Es wird Ihnen wie Mir zur Genugthuung gereichen, daß Ich durch Se. Majestät den König von Bayem die Nachricht erhalten habe, daß das Einverständnis aller deutschen Fürsten und freien Städte gesichert ist und
die amtliche Kundgebung desselben bevorsteht.
Drittes Buch. Gründung und Ausbau des Deutschen Reiches.
\87\—\88\. 89.
Sin das deutsche Volk! Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen,
nachdem die deutschen Fürsten und freien Städte den einmütigen Ruf an Uns gerichtet haben, mit Herstellung des Deutschen Reiches die seit mehr
denn sechzig Jahren ruhende deutsche Kaiserwürde zu erneuern und zu über« nehmen, und nachdem in der Verfassung des Deutschen Bundes die ent sprechenden Bestimmungen vorgesehen sind, bekunden hiermit, daß Wir es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben, diesem
Stufe der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten und
die deutsche Kaiserwürde anzunehmen.
Demgemäß werden Wir und Unsere
Nachfolger an der Krone Preußen fortan den Kaiserlichen Titel in allen Unseren Beziehungen und
Angelegenheiten des
Deutschen Reiches führen,
und hoffen zu Gott, daß eS der deutschen Nation gegeben sein werde, unter dem Wahrzeichen ihrer allen Herrlichkett das Vaterland einer segensreichen
Zukunft entgegenzuführen.
Wir übernehmen die Kaiserliche Würde in dem
Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutsch
lands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volles, zu verteidigen.
Wir
nehmen sie an in der Hoffnung, daß dem deutschen Volle vergönnt sein
wird, den Lohn seiner heißen und
opfermütigen Kämpfe in dauerndem
Frieden und innerhalb der Grenze» zu genießen, welche dem Baterlande die fett Jahrhunderten entbehrte Sicherung gegen reichs gewähren.
erneute Angriffe Frank
Uns aber und Unseren Nachfolgem an der Kaiserkrone
161
Deutsches Reich. 1871.
wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer deS Deutschen Reiches zu sein, nicht
an kriegerischen (Eroberungen,
sondern an
den Gütern und Gaben des
Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.
Gegeben Hauptquartier Versailles, den 18. Januar 1871. Wilhelm.
90.
Armeebefehl. Mit dem
heuttgen, für Mich und
Mein Haus
denkwürdigen Tage
nehme Ich im Einverständnis mit allen deutschen Fürsten und unter Zu stimmung aller deutschen Völker neben der von Mir durch Gottes Gnade
ererbten
Stellung
des
Königs
von
Preußen
auch
die
eines
deutschen
Kaisers an. Eure Tapferkeit und Ausdauer in diesem Kampfe, für welche Ich Euch
wiederholt Meine vollste Anerkennung aussprach, hat das Werk der inneren
Einigung Deutschlands
beschleunigt,
ein Erfolg,
den Ihr mit Einsetzung
Eures Blutes und Eures Lebens erkämpft habt.
Seid stets eingedenk, Tapferkeit und Gehorsam
daß der Sinn für Ehre, treue Kameradschaft,
eine Armee groß und siegreich macht; erhaltet
Euch diesen Sinn, dann wird das Vaterland immer, wie heute, mit Stolz auf Euch blicken und Ihr werdet immer sein starker Arm sein.
Hauptquartier Versailles, 18. Januar 1871.
Milbelm
91.
Armeebefehl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen. Soldaten der III. Armee! Als ich im Juli v. I. den Oberbefehl übernahm, sprach ich die Hoff
nung aus, daß es der Tapferkeit und Hingebung der geeinten deutschen
Stämme gelingen werde, den gemeinsamen Feind, welcher uns übermütig zum Kampfe herausgefordert, zu besiegen.
glänzend gerechtferttgt,
Dieses Vertrauen habt Ihr
denn die III. Armee hat in diesem thatenreichen
Feldzuge ebenso viele Siege als Kämpfe aufzuweisen. Nachdem Ihr in raschem Anlauf das Thor des Feindes bei Weißen
burg erbrochen und damit die Reche der Siege eröffnet, wurde der starke Gegner zwei Tage darauf in der Mutigen Schlacht bei Wörth geschlagen;
in
schnellen Märschen folgtet Ihr seinen rückgängigen Bewegungen und an
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
11
162
Drittes Buch. 1871—1881.
dem denkwürdigen Tage von Sedan nahmt Ihr einen ruhmvollen und ent scheidenden Anteil.
Unaufhaltsam drangt Ihr vorwärts in das Herz des
Landes, warst den vor Euch fliehenden Feind hinter die Mauem seiner
Hauptstadt und hieltet ihn beinahe fünf Monate — allen Gefahren und den Unbilden eines strengen Winters mit unvergleichlicher Ausdauer Stand
haltend — eng umschlossen.
Während sodann ein Teil von Euch in ununterbrochenen, gegen große
Überzahl geführten Mutigen Gefechten den zum Entsatz des bedrängten Paris von allen Seiten anrückenden Feind zurückwarf, wurden von den Zernierungs truppen alle gegen sie unternommenen Ausfälle energisch und erfolgreich ab gewiesen, so daß endlich dem Gegner keine Wahl blieb, als die Waffen zu strecken und Euch die Thore seiner stolzen, als unüberwindlich und unver
letzlich gepriesenen Hauptstadt zu öffnen. Solche Thaten gehören auf
ewig der Geschichte an,
blickt das Vaterland auf Euch als seine würdigen Söhne.
und mit Stolz Wohl konnten so
große Erfolge nicht ohne die schmerzlichsten Verluste errungen werden und mit Wehmut gedenken wir der zahlreichen gefallenen Kameraden, ein ehren
volles Gedächtnis ihnen für alle Zeiten bewahrend.
Indem ich Euch nunmehr auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers nach
glücklich und ruhmvoll erkämpftem Frieden verlasse, spreche ich Euch allen meine höchste Anerkennung und meinen Dank aus; ich scheide von Euch —
Ihr preußischen und bayerischen Korps, Ihr Württembergischen und badischen Truppen — mit dem Wunsche und in der Zuversicht, daß die auf blutigen
Schlachtfeldem geschloffene Waffenbrüderschaft und Einigkeit nimmer zer
reißen werde, sondem mächtig erstarke, zur Ehre, zum Ruhme und zum Segen des wiedererstandenen gemeinsamen deutschen Vaterlandes. Nancy, den 14. März 1871.
Der Oberbefehlshaber der III. Armee. Friedrich Wilhelm,
Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen.
92. Armeebefehl. Soldaten der deutschen Armee! Ich verlasse an dem heutigen Tage den Boden Frankreichs, auf welchem
dem deutschen Namen so viel neue kriegerische Ehre erwachsen, auf dem aber auch
so viel teures Blut geflossen ist.
Ein ehrenvoller Frieden ist jetzt
Deutsches Reich. 1871. gesichert und der Rückmarsch begonnen.
163
der Truppen in die Heimat hat zum Teil
Ich sage Euch Lebewohl und Ich danke Euch nochmals mit
warmem und erhobenem Herzen für alles, was Ihr in diesem Kriege durch Tapferkeit und Ausdauer geleistet habt.
Ihr kehrt mit dem stolzen Be
wußtsein in die Heimat zurück, daß Ihr einen der größten Kriege siegreich
geschlagen habt, den die Weltgeschichte je gesehm, — daß das teuere Vater land vor jedem Betreten durch den Feind geschützt worden ist und daß dem Deutschen Reiche jetzt Länder wiedererobert worden sind, die es vor langer
Zeit
verloren hat.
Möge die Armee des nunmehr geeinten Deutschlands
dessen stets eingedenk sein, daß sie sich nur bei stetem Streben nach Ver vollkommnung auf ihrer hohen Stufe erhalten kann, dann können wir der
Zukunft getrost entgegensehen.
Nancy, den 15. März 1871.
Wilhelm.
93. Thronrede ;ur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Dienstag, den 21. März 1871. Geehrte Herren! Wenn Ich nach dem glorreichen, aber schweren Kampfe, den Deutsch
land für seine Unabhängigkeit siegreich geführt hat, zum erstenmal den Deutschen Reichstag um Mich versammelt sehe, so drängt es Mich, vor allem
Meinem demütigen Danke gegen Gott Ausdruck zu geben für die welt geschichtlichen Erfolge,
mit
denen
seine
Gnade die treue Eintracht
der
deutschen Bundesgenossen, den Heldenmut und die Mannszucht unserer Heere
und die opferfreudige Hingebung des deutschen Volkes gesegnet hat. Wir haben erreicht, was seit der Zeit unserer Väter für Deutschland
erstrebt wurde: die Einheit und deren organische Gestaltung, die Sicherung
unserer Grenzen, die Unabhängigkeit unserer nationalen Rechtsentwickelung. Das Bewußtsein seiner Einheit war in dem deutschen Volke, wenn auch verhüllt, doch stets lebendig; es hat seine Hülle gesprengt in der Be-
geisterung, mit welcher die gesamte Nation sich zur Verteidigung des bedrohten Vaterlandes
erhob und in unvertilgbarer Schrift auf den Schlachtfeldern
Frankreichs ihrm Willen verzeichnete, ein einiges Volk zu sein und zu bleiben.
Der Geist, welcher in dem deutschen Volke lebt und seine Bildung und Gesittung durchdringt, nicht minder die Verfassung des Reiches und seine
Heereseinrichtungen bewahren Deutschland inmitten seiner Erfolge vor jeder
11*
Drittes Buch. 1871—1881.
164
Versuchung zum Mißbrauche seiner, durch seine Einigung gewonnenen Kraft.
Die Achtung, welche Deutschland für seine eigne Selbständigkeit in Anspruch nimmt, zollt es bereitwillig der Unabhängigkeit aller anderen Staaten und
Völker, der schwachen wie der starken.
Das neue Deutschland, wie es aus
der Feuerprobe des gegenwärtigen Krieges hervorgegangen ist, wird ein zu
verlässiger Bürge des europäischen Friedens sein, weil es stark und selbst bewußt genug ist, um
ein ausschließliches,
sich die Ordnung seiner eignen Angelegenheiten als
aber auch ausreichendes und zufriedenstellendes Erbteil
zu bewahren. Es hat Mir zur besonderen Genugthuung gereicht, in
diesem Geiste
des Friedens inmitten des schweren Krieges, den wir führten, die Stimme
Deutschlands bei den Verhandlungen geltend durch die vermittelnden
zu machen, welche auf der
Bestrebungen Meines auswärtigen Amtes herbei
geführten Konferenz in London ihren befriedigenden Abschluß gefunden haben. Der ehrenvolle Seros des ersten Deutschen Reichstags wird es zunächst
sein, die Wunden nach Möglichkeit zu heilen, welche der Krieg geschlagen hat, und den Dank des Vaterlandes denen zu bethätigen, welche den Sieg
mit ihrem Blut und Leben bezahlt haben;
gleichzeitig werden Sie, geehrte
Herren, die Arbeiten beginnen, durch welche die Organe des Deutschen Reiches zur Erfüllung der Aufgabe zusammenwirken, welche die Verfassung Ihnen stellt: „zum Schutze des in Deutschland gütigen Rechts und zur Pflege der
Wohlfahrt des dmtschen Volkes." Die Vorarbeiten für die regelmäßige Gesetzgebung haben leider durch
den Krieg Verzögerungen und Unterbrechungen erlitten; die Vorlagen, welche Ihnen zugehen werden, leiten
sich daher unmittelbar aus der neuen Ge
staltung Deutschlands ab. Die in den einzelnen Verträgen vom November v. I. zerstreuten Ber
fassungsbestimmungen sollen in einer neuen Redaktton der Reichsverfassung ihre geordnete Zusammenstellung und Die Beteiligung
der
ihren gleichmäßigen Ausdruck finden.
einzelnen Bundesstaaten an den laufenden Ausgaben
des Reiches bedarf der gesetzlichen Regelung.
Für die von der Königlich
bayerischen Regierung beabsichtigte Einführung norddeutscher Gesetze in Bayern
wird Ihre Mitwirkung in Anspruch
genommen werden.
Die Verfügung
über die von Frankreich zu leistende Kriegsentschädigung wird nach Maß gabe der Bedürfnisse des Reiches und der berechttgten Ansprüche seiner Mit
glieder mit Ihrer Zustimmung getroffen, und die Rechenschaft über die zur Kriegführung verwandten Mittel Ihnen so schleunig vorgelegt werden, als es die Umstände gestatten.
Deutsches Reich. 1871.
165
Die Lage der für Deutschland rückerworbenen Gebiete wird eine Reihe von Maßregeln erheischen, für welche durch die Reichsgesetzgebung die Grund lagen zu schaffen sind.
Ein Gesetz
über die Pensionen der Offiziere und
Soldaten und über die Unterstützung ihrer Hinterbliebenen soll für das ge samte deutsche Heer die Ansprüche
gleichmäßig regeln, welche der gleichen
Hingebung für das Vaterland an den Dank der Nation zustehen.
Geehrte Herren, möge die Wiederherstellung des Deutschen Reiches für die deutsche Nation auch nach
innen das Wahrzeichen neuer Größe sein,
möge dem deutschen Reichskriege,
den wir so ruhmreich geführt, ein nicht
minder glorreicher Reichsfrieden folgen, und möge die Aufgabe des deutschen Volkes fortan darin beschlossen sein, sich in dem Wettkampfe um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen.
Das walte Gott!
94. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 16. Oktober 1871. Geehrte Herren! Als Ich Sie im März d. I. zum erstenmal begrüßte, hatten die Vor
arbeiten
für die regelmäßige Gesetzgebung
und Unterbrechungen
erlitten.
durch den Krieg Verzögerungen
Ihre Thätigkeit war vorzugsweise für die
jenigen Fragen in Anspruch zu nehmen, welche sich unmittelbar aus der
neuen Gestaltung Deutschlands herleiteten. Gegenwärtig wird die Ordnung des Reichshaushalts Ihre hauptsäch
lichste Aufgabe sein.
Es kommt darauf an, durch Verwendung eines Teiles
der Mittel, welche wir den Erfolgen des Krieges verdanken, die einzelnen Bundesstaaten von den Vorschüssen
Zwecke des Reiches zu leisten hatten,
Verhältnis
zu entlasten, welche sie bisher für die
und auf diesem Wege ein normales
zwischen dem Haushalt des Reiches und dem Haushalt seiner
Glieder herzustellen.
Es kommt darauf an, die für Deutschland erworbenen
Gebiete mit denjenigen Einrichtungen in den Haushalt des Reiches einzu fügen, welche
ihnen mit dem Reiche gemeinsam sind oder ihnen von letz
terem gewährt werden.
Es kommt darauf an, dafür Sorge zu tragen, daß
die äußere Lage der Beamten des Reiches den Anforderungen entspreche, welche im öffentlichen Interesse an sie gestellt werden müssen.
Ich hatte
gehofft, daß Ihnen auch ein Etat für die Verwaltung des deutschen Heeres,
Drittes Buch. 1871—1881.
166
wie er den dauemden Bedürfnissen desselben genügt, würde vorgelegt werden können.
Der Umfang, in welchem die durch dm Krieg veranlaßten Arbeiten
alle Kräfte der Verwaltung auch über die Dauer des Krieges hinaus in
Anspmch genommen haben, und die Umgestaltung, in welcher ein Teil des Heeres begriffen ist, haben leider die rechtzeitige Aufstellung dieses Etats Ich bin daher genötigt, Ihre Zustimmung dafür in Anspruch
verhindert. zu nehmen,
daß die Übergangszeit, welche die Reichsverfassung bis
zum
Schluß des laufenden Jahres für den Militäretat bestimmt, noch auf das kommende Jahr ausgedehnt werde.
Der Ihnen
vorzulegende Etat verlangt von den Bundesstaaten keine
höheren Beiträge für die Zwecke des Reiches, als der jetzt geltende.
Der
Haushalt des Jahres 1870 hat, ungeachtet der Wirkungen des Krieges, einen Überschuß
gelaffen, wegen dessen Verwendung Ihnen eine Gesetz
vorlage zugeht.
Die
Ordnung
des Münzwesens,
welche
die Verfassung dem Reiche
überweist, hat seit Jahren die Sorge der Regiemngen in nommen und das Interesse des Volkes beschäftigt.
Anspruch
ge
Ich habe den Augenblick
für gekommen gehalten, um den Grund für diese Ordnung zu legen, nach
dem eine ganz Deutschland umfassende Regelung des Münzwesens möglich geworden
ist und die
wirtschaftlichen
günstiger waren, als jetzt. Gesetzvorlage beschäftigt,
Verhältnisse
für dieselbe
niemals
Der Bundesrat ist mit der Beratung einer
welche
zunächst
eine umlaufsfähige
Goldmünze
schaffen und die Gmndzüge eines gemeinsamen deutschen Münzwesens fest stellen soll. Die Sicherung
einer Eisenbahnverbindung
Italien durch die Schweiz,
zwischen Deutschland und
welche bereits in dem verflossenen Jahre von
dem norddeutschen Reichstage beschlossen wurde, wird Gegenstand Ihrer Be
ratungen werden.
Die Regierungen und die Volksvertretungen Italiens
und der Schweiz haben die Ausfühmng dieses großen Unternehmens bereit willig unterstützt, und Ich bin gewiß, daß die mit demselben verbundenen
wirtschaftlichen und politischen Jntereffen von den deutschen Regiemngen
und dem Deutschen Reichstage nicht geringer werden gewürdigt werden, als
dies in den beiden andem Ländem geschehen ist. Die Gewährung einer billigen Ausgleichung für die Beschränkungen,
welchen die in den Bereich neuer oder erweiterter Festungsanlagen gezogenen Gmndstücke unterworfen werden müssen, ist von den verbündeten Regie mngen von neuem zum Gegenstände der Beratungen gemacht worden. Ergebnis derselben wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen.
Als
Auch der Ent-
167
Deutsches Reich. 1871.
Wurf eines Gesetzes über die Reichsbeamten wird, wie Ich hoffe, Ihnen
vorgelegt werden können.
Die von Frankreich
bisher gezahlte und in den ersten Monaten des
künftigen Jahres zu zahlende Kriegsentschädigung wird zu einem wesentlichen
Teile zur Tilgung der Anleihen verwendet werden, welche der Norddeutsche Bund für die Kriegfühnmg
Für einen Teil dieser Anleihe
gemacht hatte.
ist die Tilgung bereits erfolgt, für einen Teil bedarf sie Ihrer Zustimmung. Es wird Ihnen deshalb eine Vorlage zugehen.
Im Vertrauen auf eine stetige Fortentwickelung der inneren Zustände
Frankreichs im Sinne der Beruhigung und Befestigung habe Ich es für thunlich
gehalten, die Räumung der Departements, deren Besetzung nach
den Friedensbedingungen bis zum Mai künftigen Jahres in Aussicht ge nommen war,
schon jetzt eintreten zu lassen.
Die Bürgschaften, welche an
Stelle des aufgegebenen Pfandes treten, werden Sie aus dem am 12. d. M.
darüber
ersehen, und mit demselben wird Ihnen
geschlossenen Abkommen
zu Ihrer Prüfung und verfassungsmäßigen Genehmigung eine Konvention über die Zugeständnisse vorgelegt werden,
welche von Deutschland für die
zu sichernden Erleichterungen zu machen
der Industrie Elsaß-Lothringens
sein werden. Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik hat Meine Aufmerksamkeit
der Ausbildung und Befestigung des mit Frankreich neugeschlossenen Friedens um so ungeteilter gewidmet sein können, als die Beziehungen Deutschlands
zu allen auswärtigen Regierungen
friedliche und von gegenseitigem Wohl
gerichtet, das
wollen getragene sind.
Meine Bemühungen
berechtigte Vertrauen zu
stärken, daß das neue Deutsche Reich ein zuver
lässiger Hort des Friedens sein will.
sonders wichtige, aber Mir auch
bleiben dahin
In dieser Richtung ist cs
eine
be
besonders willkommene Aufgabe, mit den
nächsten Nachbarn Deutschlands, den Herrschern der mächtigen Reiche, welche
dasselbe von der Ostsee bis zum Bodensee unmittelbar begrenzen, freund schaftliche Beziehungen von solcher Art zu pflegen, daß ihre Zuverlässigkeit auch in der öffentlichen Meinung Gedanke, daß die Begegnungen,
aller Länder außer Zweifel stehe.
Der
welche Ich in diesem Sommer mit den
Mir persönlich so nahestehenden Monarchen dieser Nachbarreiche gehabt habe, durch Kräftigung des allgemeinen Vertrauens
auf eine friedliche Zukunft
Europas, der Verwirklichung einer solchen förderlich sein werden, ist Meinem Herzen besonders wohlthuend.
Das Deutsche Reich und der österreichisch
ungarische Kaiserstaat find durch ihre geographische Lage und ihre geschicht liche Entwickelung so zwingend und so mannigfaltig
auf freundnachbarliche
168
Drittes Buch. 1871—1881.
Beziehungen angewiesen, daß die Befreiung der letzteren von jeder Trübung
durch die Erinnemng an Kämpfe, welche eine unerwünschte Erbschaft tausend
jähriger Vergangenheit waren, dem ganzen deutschen Volke zur aufrichtigen
Befriedigung gereichen wird. Daß
eine solche Befriedigung der Gesamtentwickelung des Deutschen
Reiches gegenüber von der großen Mehrheit der Nation
empfunden wird,
dafür bürgt Mir der herzliche Empfang, der Mir in Meiner dieses Reich vertretenden Stellung in
allen Gauen des großen Vaterlandes kürzlich zu
teil geworden ist und der Mich mit freudiger Genugthuung, vor allem aber mit Dank gegen Gott für den Segen erfüllt hat, der unserem gemeinsamen
redlichen Streben auch in der Zukunft nicht fehlen wird.
95. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 27. November 1871. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Indem Ich zum erstenmal nach den großen Ereignissen der jüngsten
Vergangenheit den Landtag der Monarchie wieder Selbst begrüße, darf Ich
vor allem
der hohen Genugthuung darüber Ausdruck
Ehren und Erfolgen dieser denkwürdigen Zeit dem
so
hervorragender Anteil zugefallen ist.
geben, daß an den
preußischen Volke ein
Die Wehrkraft Preußens, deren
Ausbildung Ich seit dem Beginn Meiner Regierung
als eine der höchsten
Aufgaben Meines Königlichen Berufs erkannt habe, sowie der altpreußische
Geist sittlicher Zucht, fester Treue und patriotischer Hingebung haben eine glänzende Probe bestanden. Vertretern nochmals Meinen
Es drängt Mich,
Meinem Volke vor seinen
freudigen Dank für seine erhebende Haltung
auszusprechen.
Während dem neuerstandenen Reiche, dessen Kaiserwürde mit Meiner
und Meiner Nachfolger Krone verbunden ist, fortan die Pflege der nationalen
Macht und Sicherheit zufällt, wird sich die Vertretung des preußischen Volkes in Gemeinschaft mit Meiner Regierung um so zuversichtlicher der heilsamen
Ausbildung der inneren Einrichtungen der Monarchie widmen können. Aus dem Entwurf zum Staatshaushalts-Etat für 1872
ersehen, daß
werden Sie
die Finanzlage Preußens, ungeachtet der Opfer, welche der
gewaltige Krieg erheischt hat, eine in hohem Maße befriedigende ist.
Die Schwierigkeiten,
mit welchen die Finanzverwaltung vor einigen
169
Deutsches Reich. 1871.
Jahren zu kämpfen hatte, sind beretts im Jahre 1870 überwunden worden. Einer weiteren günstigen Entwickelung geht die Finanzlage unter der Ein wirkung der Kriegserfolge entgegen.
Die
durch
Reichsgesetz
geordnete
Bildung
eines
Reichskriegsschatzes
überhebt Preußen der Notwendigkeit, noch ferner einen Staatsschatz zu unterchalten.
Es werden Ihnen Gesetzentwürfe zugehen, wonach der hierdurch
verfügbar werdende Bestand des Staatsschatzes, sowie einige außerordentliche
Einnahmen zur Tilgung von Staatsschulden verwendet werden sollen.
Die in solcher Weise für den Staatshaushalt erwachsende Entlastung, ferner die mit dem lebhaften Aufschwungs des
Verkehrs Hand in Hand
gehende Steigerung der Erträge aus wichttgen Einnahmequellen des Staates,
endlich das Vorhandensein eines erheblichen Überschusses aus dem abgelau fenen Finanzjahre werden es möglich machen, im Jahre 1872 den Bedürf
nissen auf allen Gebieten der Staatsverwaltung in weitem Umfange gerecht
zu werden. Vorzugsweise hat Meine Regierung der Thatsache Ihre Aufmerksamkeit
zuwenden müssen, daß die Besoldungen der Staatsbeamten in ein von Jahr
zu Jahr steigendes Mißverhältnis zu den Anforderungen getreten sind, welche bei dem Stande aller Preisverhältnisse die Befriedigung der Bedürfnisse des Lebens und der Stellung an sie richtet.
Es wird Ihnen der Plan zu einer
umfassenden Erhöhung der Beamtenbesoldungen vorgelegt werden.
traue, daß Sie bereit sein
Ich ver
werden, durch Bewilligung der dazu nötigen
Mittel einem Zustande Abhilfe zu schaffen, aus dessen Fortdauer ernste Ge
fahren und Schäden für die Staatsverwaltung entstehen müßten.
Sie werden Vorlagen erhalten, welche bei
einzelnen Steuern Erleich
terungen herbeizuführen bestimmt sind, und es wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen, durch
welchen die Einrichtungen und die Befugnisse der
Ober
rechnungskammer gesetzlich geregelt werden sollen.
Der nach dem Abschluß des Friedens cingetretene überaus lebhafte Aufschwung des Handels und der Gewerbe
erheischt die Herstellung neuer
Verkehrswege, insbesondere eine weitere Ausbildung der Eisenbahnen.
Bau einiger
Der
als notwendig erkannten Bahnen für Rechnung des Staates
und eine Vermehrung des Betriebsmaterials auf den Staatsbahnen ist in Aussicht genommen, ebenso
die Gewähmng reichlicherer Mittel für Land-
und Wasserwege und für Landesmeliorationen aller Art. Wiederholt werden Ihnen Vorlagen über den Erwerb des Gmndeigentums und über das Hypothekenrecht gemacht werden.
Finanzlage
Nachdem die
es gestattet hat, die Kostenansätze für die Geschäfte bei dem
170
Drittes Buch. 1871—1881.
Grundbuche zu ermäßigen, ist zu hoffen, daß es jetzt gelingen werde, diese wichtige, seit lange angestrebte Reform nunmehr zum Abschluß zu bringen.
Die Aufgaben der innern Berwaltungsreform werden erneut den Gegen stand Ihrer Beratungen bilden.
Es wird Ihnen der Entwurf der Kreis
ordnung für die östlichen Provinzen, nachdem derselbe mit Rücksicht auf die
früheren Erörterungen in mehreren Teilen Abänderungen und Ergänzungen
erhallen hat, wieder vorgelegt werden.
Hoffnung hin, daß es dem
Meine Regierung giebt sich der
gemeinsamen ernsten Willen gelingen werde,
über das wichtige Organisationsgesetz, welches zugleich die Grundlagen weiterer Reformen enthält, zur Verständigung zu gelangen.
Inzwischen ist die kommunale Selbstverwaltung der Provinzen in einer erfreulich fortschreitenden Entwickelung begriffen; die zur Führung einer ein
heitlichen Verwaltung der provinziellen Angelegenheiten
geeigneten Organe
sind auf Grund der bestehenden Gesetze bereits in der Mehrzahl der Pro
vinzen geschaffen. Gegenüber den Bewegungen, welche auf dem Gebiete der Kirche statt
gefunden haben,
hält Meine Regierung daran fest, der Staatsgewalt ihre
volle Selbständigkeit in Bezug auf die Handhabung des Rechts und der
bürgerlichen Ordnung zu wahren und zugleich neben der berechllgten Selb-
ständigkell
der Kirchen und Religionsgesellschasten die Glaubens- und Ge
wissensfreiheit der Einzelnen zu schützen.
Behufs verfaffungsmäßiger Durch
führung dieser Grundsätze werden Ihnen besondere Vorlagen zugehen, welche die Eheschließung, die Regelung der Zivilstandsverhältnisse und die recht lichen Wirkungen des Austritts aus der Kirche zum Gegenstand haben.
Einen Gesetzentwurf, betr. die Aufbringung der Synodalkosten, empfehle
Ich Ihrer Aufmerksamkeit um so mehr, als
der Staat der evangelischen
Kirche noch immer die Ausführung des Arttkel 15 der Verfassungsurkunde,
verbunden mit den dazu nötigen Einrichtungen, schuldet und dieses Gesetz
nur eine notwendige Vorbedingung dazu ist. Auf dem Gebiete des
öffentlichen Unterrichts wird die Verwendung
sehr beträchtlicher Mittel in Anspruch genommen, um viele
bisher zurück
gestellte Bedürfniffe nunmehr zu befriedigen. Die von der Verfassungsurkunde geforderte Vorlage eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes wird auch in dieser Session erneuert werden, nachdem die
bei bei den früheren Beratungen stattgehabten Erwägungen und die Erfahrungen der letzten Jahre bei der Revision des Entwurfs eingehende Be
rücksichtigung gefunden haben.
Ein Spezialgesetz über die Beaufsichttgung
Deutsches Reich. 1872.
171
der Schulen bezweckt die beschleunigte Abhilfe eines als vorzugsweise dringend
erkannten Bedürfnisses.
Meine Herren!
Die Aufgaben, welche Ihrer harren, sind umfassend
und von hoher Bedeutung für die Entwickelung
unserer inneren Zustände.
Ihre Arbeiten werden segensreich sein, wenn sie von dem Geiste des Ver
trauens und willigen Zusammenwirkens geleitet werden, welcher Mein Volk
in der jüngsten großen Zeit erfüllt hat.
96.
Rede zur Eröffnung des ventschrn Reichstage, Montag, den 8. April 1872').
Geehrte Herren! Ihre Thätigkeit wird in der bevorstehenden Session in erster Linie
durch die Fortführung der
im Vorjahre begonnenen gesetzlichen Regelung
und Ausbildung der gemeinschaftlichen Einrichtungen des
Reiches
in An
spruch genommen werden.
Durch ein Gesetz über die Einrichtung und
die Befugnisse des Rech
nungshofes soll die Kontrolle der Erhebung und der Verwendung der Ein nahmen des Reiches definitiv
geordnet und die Behörde,
welche mit der
Handhabung dieser Kontrolle sowie mit der Vorbereitung der durch den
Bundesrat und den Reichstag auszusprechenden Entlastung zu betrauen ist, mit den dazu erforderlichen Befugnissen ausgestattet werden.
Der Entwurf eines Militärstrafgcsetzbuches für das Deutsche Reich wird Ihnen vorgelegt werden, um die Einheitlichkeit der Heereseinrichtungen auf dem Gebiete des Strafrechts zum Abschluß zu bringen und der bereits ge wonnenen Einheit des Strafrechts für das bürgerliche Leben, den vom Reichs
tage geäußerten Wünschen entsprechend, als Ergänzung hinzuzutreten.
Der Entwurf eines zur Regelung der Verhältnisse der Reichsbeamten bestimmten Gesetzes, welcher dem Reichstage bereits vorgelegen hat, ist unter Beachtung des Gutachtens der Kommission des Reichstags und der inzwischen
eingetretenen
politischen Veränderungen
einer neuen Prüfung
unterzogen
worden und wird in der danach veränderten Gestalt Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden.
Die einheitliche Regelung der Bierbesteuerung innerhalb der Gebiete,
’) Verlesen vom Reichskanzler Fürsten von Bismarck.
172
Drittes Buch. 1871—1881.
welchen die Abgabe von Bier gemeinschaftlich ist, hat Ihre Thätigkeit schon
mehrfach in Anspruch genommen, ohne daß es bis dahin gelungen wäre,
die derselben entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Eine Ihnen
zugehende Gesetzvorlage wegen der Erhebung der Brau
steuer im Deutschen Reiche hat den Zweck, diese Aufgabe zu lösen und zu
gleich durch Mitbesteuerung der Malzsurrogate eine dem Interesse der Finanzen sowohl wie des Verbrauchs entsprechende Reform der Braumalzsteuer durch
zuführen. Die erfreuliche Steigemng des Verkehrs und Verbrauchs hat die Mög
lichkeit geboten, in dem Ihnen vorzulegenden Reichshaushalts-Etat für das Jahr 1873
die Einnahme aus
den gemeinschaftlichen Verbrauchsabgaben
und die Überschüsse der Postverwaltung unter Beachtung der bewährten Grundsätze vorsichtiger Veranschlagung höher auszubringen, so daß trotz des
in
verschiedenen Zweigen der Ausgabeverwaltung hervorgetretenen Mehr
bedarfs eine Verminderung der Matrikularbeiträge in Aussicht zu nehmen ist.
Ein Nachtrag zum Reichshaushalts-Etat für das Jahr 1872
ist be
stimmt, neben der Befriedigung einiger anderer nachträglich hervorgetretener
Bedürfnisse, die Mittel zur Begründung eines statistischen Amtes aufzubringen,
welches im stände sein würde, durch einheitliche wissenschaftliche Bearbeitung der Ergebnisse statistischer Erhebungen im Reiche der Gesetzgebung und Ver waltung, sowie der wissenschaftlichen Erkenntnis der staatlichen und gesell schaftlichen Zustände wesentliche Dienste zu leisten.
Die Verwaltung des Jahres 1871
hat
erhebliche finanzielle Über-
schüffe sowohl bei den Steuern als auch bei der Postverwaltung ergeben. Über die Verwendung derselben wird Ihnen ebenso wie über die gesetzliche Regelung der Verwendung und Verteilung der
französischen Kriegsentschä
digung eine Vorlage zugehen. Über die durch den Krieg mit Frankreich veranlaßten Ausgaben der
Staaten des
wird Ihnen, den Bestim
vormaligen Norddeutschen Bundes
mungen der in den Jahren 1870 und 1871
erlassenen Kreditgesetze ent
sprechend, ein Rechenschaftsbericht erstattet werden.
Die mit der Regierung des Königreichs Portugal seit Jahren ge pflogenen Verhandlungen haben
am
2. März d. I. zum Abschluß eines
Vertrags geführt, welcher nach dem Vorbilde der mit anderen Staaten ab geschlossenen Handels- und Schiffahrtsverträge die gegenseitigen Verkehrs
beziehungen
auf
wie zu hoffen,
dem
Fuße
der meistbegünstigten
die Grundlage
für die
Nationen
regell
und,
Anknüpfung intimerer und aus-
Deutsches Reich.
gedehnterer Handelsverbindungen
1872.
173
zwischen Deutschland und Portugal bilden
Der Vertrag wird Ihnen zur Genehmigung vorgelegt werden.
wird.
Ebenso
eine mit den Bereinigten Staaten von Amerika abgeschlossene
Konsularkonvention und ein mit Frankreich abgeschlossener Postvertrag, welcher
die gegenseitigen postalischen Beziehungen unter Berücksichtigung der Bedürf
nisse des in stetem Wachstum begriffenen Korrespondenzverkehrs regelt. Die Neuordnung und Befestigung der Verhältnisse von Elsaß-Lothringen schreitet in erwünschter Weise vor.
Die Schäden des Krieges gehen mit
Hilfe der Unterstützung, welche nach dem Gesetz vom 14. Juni 1871 aus Reichsmitteln gewährt werden darf, allmählich der Heilung entgegen.
Die
Gmndlagen für die deutsche Verwaltung sind gelegt, die Rechtspflege ist gesichert und
treten.
die Universität Straßburg
soll am 1. Mai d. I. ins Leben
Für den außerordentlichen Aufwand,
welchen die Einrichtung der
damit zu verbindenden wissenschaftlichen Institute erheischt, wird auf die Hilfe des Reiches gerechnet werden dürfen. Eine Übersicht der bisher er
lassenen Gesetze und allgemeinen Anordnungen, sowie über den Gang der Verwaltung des Landes wird, entsprechend der Vorschrift des Gesetzes vom
9. Juni v. I., Ihnen zugehen. Sie werden, geehrte Herren, die Befriedigung teilen, mit welcher die ver
bündeten Regiemngen auf die Ergebnisse des ersten Jahres des neubegründeten Deutschen Reiches zurückblicken und der femeren staatlichen und nationalen Ent wickelung unserer inneren Einrichtungen mit freudiger Zuversicht näher treten.
Mit derselben Genugthuung werden Sie die Versicherung entgegen nehmen, daß es der Politik Sr. Majestät des Kaisers und Königs gelungen
ist, bei allen auswärtigen Regierungen das Vertrauen zu erhalten und zu befestigen, daß die Macht, welche Deutschland durch seine Einigung
zum
Reiche gewonnen hat, nicht nur dem Vaterlande eine sichere Schutzwehr,
sondern auch dem Frieden Europas eine starke Bürgschaft gewährt.
97. Rede zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, dm 12. November 1872.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich') zu beauftragen ge
ruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen. *) Staats- und Kriegsminister Gras v. Roon.
Drittes Buch. 1871—1881.
174
.
Da die Hoffnung gescheitert ist, die Reform der Kreisverfaffungen,
nach Wiederaufnahme der im Juni vertagten Session, zum Abschluß zu
bringen, hat die Regierung Sr. Majestät es für geboten erachtet, die in
dieser Beziehung fruchtlos gebliebene Session zu schließen, um in einer neuen jene wichtige und dringende Aufgabe zur Lösung
zu bringen und Ihnen
neben denjenigen Gesetzentwürfen, welche Ihnen bereits in der eben ver-
floffenen Session zugegangm sind, andere gesetzgeberische Aufgaben von Be deutung zu unterbreiten.
Sie wissen bereits aus der früheren Vorlage des Staatshaushalts-Etats
für 1873, daß die Finanzlage Preußens
eine durchaus befriedigende ist,
daß nicht allein die Mittel vorhanden sind, um den auf dem Gebiete der
gesamten Staatsverwaltung hervorgetretenen Ausgabebedürfniffen in weitem Umfange gerecht zu werden, sondem auch, um erhebliche Summen zur Bil
dung von Provinzialfonds, zur Gewährung an
Staatsbeamte und zur außerordentlichen
von Wohnungsgelderzuschüffen
Tilgung
von Staatsschulden
zur Verfügung zu stellen. Zugleich gestattet die Finanzlage,
an der
Absicht festzuhalten, den
weniger wohlhabenden Einwohnerklassen eine umfassende Steuererleichterung zu teil werden zu lassen: ein Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes vom 1. Mai 1851, betr. die Einfühmng einer Klaffen- und klassifizierten
Einkommensteuer, wird Ihnen unverzüglich zugehen. Es
werden Ihnen Vorlagen
gemacht werden, welche bestimmt sind,
die Beziehungen des Staates zu den Religionsgesellschaften nach verschiedenen Richtungen hin klarzustellen.
Vor allem werden Sie wiederum mit der Umgestaltung der bisherigen
Kreiseinrichtungen befaßt werden. Die Regierung Sr. Majestät ist fest durchdrungen von der Notwendig keit, die Reform, deren Ausfühmng durch die Bereitstellung der dazu er forderlichen Geldmittel erleichtert wird, als Grundlage der Lösung mannig
facher anderer Aufgaben des Staates ins Leben zu rufen. Es wird Ihnen ein Entwurf der Kreisordnung vorgelegt werden, in
welchem unter Festhaltung der wesentlichen Grundlagen des früheren Ent wurfs eine Reihe von solchen Verändemngen vorgeschlagen ist, deren Not wendigkeit oder Zweckmäßigkeit sich aus den bisher stattgefundenen eingehenden
Beratungen ergeben hat.
Die Regierung Sr. Majestät hofft zuversichtlich, eine allseitige Ver einbarung über diesen Entwurf zu erreichen und ist entschlossen, die Durch-
Deutsches Reich. 1873.
175
führung der bedeutsamen Aufgabe durch alle Mittel, welche die Verfassung
der Monarchie an die Hand giebt, zu sichern. Im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet.
98.
Thronrede ;«r Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 12. März 1873.
Geehrte Herren! Im Namen der verbündeten Regierungen heiße Ich Sie zur letzten
Session der Legislaturperiode willkommen. Während dreier Sessionen haben Sie in Gemeinschaft mit dem Bundes
rate eine doppelte Aufgabe zu bildung
der durch
erfüllen gehabt, die Befestigung und Aus
die Reichsverfassung geschaffenen Institutionen und die
Ordnung und Regelung der durch einen großen Krieg herbeigeführten außer
ordentlichen Verhältnisse. wiedemm
in Anspruch
In beiden Beziehungen wird Ihre Thätigkeit
genommen werden, teils für den Abschluß der in
ihren Grundlagen bereits festgestellten, teils für die Schöpfung neuer Ein
richtungen. Das Eigentumsverhältnis an den aus den Verwaltungen der einzelnen Bundesstaaten an die Reichsverwaltung übergegangenen Grundstücken bedarf der gesetzlichen Regelung, um die immer mehr hervortretenden Schwierig keiten zu beseitigen, welche von der über diesem Verhältnis ruhenden Un klarheit unzertrennlich sind.
Das deutsche Festungssystem erheischt eine Umgestaltung, welche, indem sie die Verteidigungsfähigkeit
der großen Waffenplätze erhöht, den Verzicht
auf die Erhaltung anderer Befestigungen gestattet.
Die Ansprüche, welche
den Invaliden aus dem letzten Kriege und deren Hinterbliebenen gesetzlich
zustehen, erfordern
Einrichtungen, welche Gewähr dafür leisten, daß die
Deckung dieser Ansprüche aus der Kriegsentschädigung bestritten werden wird,
ohne auf die regelmäßigen Einnahmen des Reiches zurückzugehen. Der vor sechs Jahren für die Entwickelung der Kriegsmarine fest
gestellte, seiner Ausführung nahegebrachte Plan wird in Betracht der seitdem eingetretenen Verhältnisse und gewonnenen Erfahrungen einer, in Ihrer letzten
Session auch von Ihnen angeregten Umgestaltung zu unterwerfen sein.
Drittes Buch. 1871—1881.
176
Ein allgemeines Militärgesetz ist in der Verfassung verheißm und durch
die Erweitemng des deutschen Heeres
zu einer Notwendigkeit geworden.
Auf der Gmndlage des Gesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienste und der erprobten Einrichtungen der Armee wird es
der Wehrkraft der
Nation die Ausbildung sichern, um welche uns das Ausland beneidet, und welche die Bürgschaft dafür bietet,
daß Deutschland
sich in Frieden der
geistigem und wirtschaftlichem Gebiete erwirbt.
Güter erfreue, die es auf
Die Leistungen, welche vom Lande im Falle eines Krieges zu fordern, und
die Grundsätze, nach welchen diese Leistungen zu vergüten sind, werden eben falls, unter Beachtung der im letzten Kriege gemachten Erfahmngen, neu
und gleichmäßig zu ordnen sein. Durch die Beschlüsse in Ihrer vorletzten Session haben Sie die äußere
Lage der Reichsbeamten günstiger gestaltet.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß
die damals von Ihnen verlangten und bereitwillig gewährten Bewilligungen
nicht ausreichen, um das Einkommen der Beamten so zu regeln, wie das öffentliche Interesse
gleicher Dringlichkeit Unteroffiziere.
es
erfordert.
Dieselben Erfahmngen
eine Verbessemng des Einkommens
erheischen
mit
der Offiziere und
Die günstige Lage der Einnahmen des Reiches wird es ge
statten, diese Zwecke
ohne Erhöhung der Matrikularbeiträge zu erreichen.
Um so mehr vertraue Ich, daß den Vorlagen, welche für diese Zwecke nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats
Ihnen zugehen werden, Ihre Ge
nehmigung nicht fehlen wird. Die in Ihrer Gmndlage festgestellte Neugestaltung des deutschen Münz
wesens soll durch einen Ihnen Abschluß erhalten.
zugehenden Gesetzentwurf ihren
endgiltigen
Für die Befördemng von Palleten und Wertsendungen
durch die Post wird Ihnen ein neuer Tarif vorgelegt werden, welcher den
doppelten Zweck hat,
die bestehenden Sätze wesmtlich
zu vereinfachen und
in den meisten Fällen erheblich zu ermäßigen. Infolge der während Ihrer letzten Session über die Salzsteuer statt
gefundenen Verhandlungen
hat der Bundesrat eine eingehende Erörtemng
der Frage eingeleitet, auf welchem Wege
die bei Aufhebung dieser Steuer
ausfallende Einnahme anderweit zu beschaffen sei. ihrem Abschluß nahe, und
Diese Erörtemng ist
eS wird ihr Ergebnis einen Gegenstand Ihrer
Beratungen bilden.
Wenige Tage nach dem Schluß Ihrer letzten Session wurde mit Frank reich eine Übereinkunft getroffen, welche die Fristen für die Zahlung des letzten Teiles der Kriegskostenensschädigung und im Zusammenhänge damit
für die Räumung der von unseren Tmppen besetzten Gebietsteile regelt.
Deutsches Reich.
177
1873.
Die Ihnen über diese Übereinkunft und deren Ausführung
zu machenden
Mitteilungen werden zeigen, daß Frankreich mit seinen Zahlungen den ver
abredeten Terminen weit vorausgeeilt und daß daher der Zeitpunkt gekommen ist, um die in dem vorjährigen Gesetze über die Kriegskostenentschädigung
noch vorbehaltenen Fragen zu entscheiden.
Auch über diese Fragen werden
Ihnen Vorlagen gemacht werden.
Das von Mir int vergangenen Jahre an dieser Stelle ausgesprochene Vertrauen auf eine Entwickelung der innern Zustände Frankreichs im Sinne der Beruhigung und der wirtschaftlichen Fortschritte ist nicht getäuscht worden.
Ich begründe hierauf die Hoffnung, daß der Augenblick nicht mehr fem
sein werde, wo die vollständige Abwickelung unserer finanziellen Auseinander setzung mit der französischen Regierung
die gänzliche Räumung des fran
zösischen Gebietes früher, als in Aussicht genommen war, herbeifiihren wird. Die Beziehungen des Reiches zu allen
auswättigen Staaten recht-
ferttgen das volle Vertrauen, mit welchem Ich auf die Erhaltting und die
fortschreitende Befestigung
des
Friedens
rechne.
Dieses
Mein Vertrauen
schöpft seine volle Berechtigung aus Meinen freundschaftlichen Beziehungen zu den Herrschern der mächtigen Nachbarreiche Deutschlands,
Bestätigung und Bekräftigung durch
welche ihre
den Besuch erhalten haben, der Mir
von feiten der Mir so nahe befreundeten mächtigen Monarchen vor wenig Monaten zu teil geworden ist.
Diese den
Frieden
verbürgenden Beziehungen
zu
unsern Nachbam
zu pflegen werde Ich fortgesetzt als Meine erwünschte und mit Gottes Hilfe erfüllbare Ausgabe ansehen.
99. Rede ;«m Schluß des Landtags, Dienstag, den 20. Mai 1873 *).
Erlauchte, edle und geehtte Herren von beiden Häusern des Landtags I Mit dem von Sr. Majestät dem Kaiser und König befohlenen Schluß
des Landtags der Monarchie erreicht die gegenwärtige Session ihr Ende. Wir können auf dieselbe mit großer Genugthuung blicken.
Reich an mühsamer Arbeit, aber auch
an wertvollen Resultaten auf
fast allen Gebieten der Gesetzgebung, nimmt sie einen hervorragenden Platz in der Reihe der Sessionen des preußischen Landtags ein. *) Verlesen von dem Präsidenten des Staats-Ministeriums, Grafen v. Roon.
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
12
Drittes Buch. 1871-1881.
178 Die Reform
der innern Verwaltung, feit Jahren erstrebt, aber durch
tiefgehende Meinungskämpfe aufgehalten, ist in ihrem legenden Teile zum Abschluß gelangt.
ersten und
gmnd-
Schon jetzt scheint sich die Erwartung
zu erfüllen, daß bei der Ausfühmng derselben die zuvor streitenden Kräfte
gemeinsam und patriotisch Hand anlegen werden, um das Werk segenbringend für das Land zu gestalten.
Nicht minder lebhafte Kämpfe haben die Beratungen
wichtiger Gesetze
begleitet, durch welche die Beziehungen des Staates zu den großen Kirchen gemeinschaften klarer und fester als
bisher geregelt worden sind; die Re-
giemng Sr. Majestät beharrt in dem festen Vertrauen, daß
diese Gesetze
den wahren Frieden unter den Angehörigen der verschiedenen Bekenntnisse
fördern und die Kirche dahin führen werden,
dem lauteren Dienste des
göttlichen Wortes allein ihre Kräfte zu weihen. Dank der glücklichen Finanzlage des Staates und der Bereitwilligkeit der Häuser des Landtags
ist durch den Staatshaushalts-Etat den Bedürf
nissen der Bevölkemng und der Verwaltung nach allen Seiten hin reichere Befriedigung als seither gewährt worden. der Klassensteuer, die anderwcite
Die Gesetze über die Umgestaltung
Regelung der Erbschastsstcner und die
neben einer
Aushebung oder Ermäßigung gewisser Stempelabgaben werden,
beträchtlichen Erleichterung namentlich der weniger bemittelten Bevölkerungs
schichten, eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten sichern. Durch die erhebliche Verbesserung der Lage der Staatsbeamten gewinnt
die ersprießliche Entwickelung des Staatswesens eine erneute Bürgschaft. Die von Ihnen der Staatsregiemng erteilte Ermächtigung zur Aus führung einer umfassenden Erweiterung des Eisenbahnnetzes
wird dem in
erfreulichem Aufschwünge begriffenen Verkehrsleben und der Verteidigungs
fähigkeit des Landes in allen seinen Teilen zu statten kommen. Meine Herren!
Die gegenwärtige Session ist voraussichtlich die letzte
einer Legislaturperiode, welche inmitten einer denkwürdigen,
und
Deutschland
für Preußen
hochbedeutungsvollen Zeit begann und welcher es Vor
behalten war, die reichen Erfolge und Früchte jener Epoche auch
besonderen Aufgaben der preußischen Monarchie zu verwerten.
für die
Wenn die
Arbeiten dieser Legislatur auf allen Gebieten der Gesetzgebung einen erfolg
reichen Verlauf gehabt haben, so
trauensvollen Zusammenwirkens
ist
dies vor allem dem Geist des ver
zwischen Staatsregierung und Landesver
tretung zu danken, welcher durch die erhebenden Ereignisse jener gewaltigen
Zeit mächtig belebt und gestärkt worden ist. Je erfreulicher die Früchte sind, welche das Walten dieses Geistes in
Deutsches Reich. 1873.
179
der nunmehr beendigten Legislaturperiode gebracht hat, desto berechtigter ist
die Hoffnung, daß das preußische Volk bei den bevorstehenden Wahlen der künftigen Landesvertretung
lassen werde,
von demselben patriotischen Sinne leiten
sich
von dem Sinne fester und vertrauensvoller Gemeinschaft mit
der Regierung Sr. Majestät zur allseitigen Förderung des wahren Wohles
und Gedeihens unseres Vaterlandes. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers, unseres Aller gnädigsten Königs und Herrn, erkläre ich
die Session des Landtags der
Monarchie für geschlossen.
100.
Worte des Kaisers bei der Festtafel;u Ehren der Enthüllung des Siegesdenkmals. Dienstag, den 2. September 1873.
Am Denkmal auf dem Kreuzberge treten uns
„Den
Gefallenen zum
künftigen
die Worte
entgegen:
Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den
Geschlechtern zur Nacheiferung".
Kriege werden nicht geführt,
große Opfer.
Die letzten Kriege haben deren
nur zu schwere und schmerzliche gefordert.
Den Gefallenen im Stillen unser
Siege nicht errungen ohne
erster Trunk! — Während des
segensreichen Friedens eines halben Jahr
hunderts ist in Preußen die Anerkennung der ruhmreichen Thaten der Be freiungskriege nie erloschen.
Diese Erinnerung hat in
jungen Generation wiedergetönt und
zu den Waffen zu greifen.
sorglich und liebend gepflegt. Mit- und Nachwelt,
Erfüllung
den
Herzen
der
gehoben, als es galt, von neuem
Sie hat die Armee
Sie hat die Opfcrfreudigkeit des erhebenster Art in
sie
Volles
gestählt zu neuen Siegen.
belebt und geschlagene Wunden
So ist jene Mahnung zur Nacheiferung in
gegangen.
Die Siegessäule verkündet der
was Hingebung und Ausdauer
vermögen.
In Ver
bindung mit unsern treuen Verbündeten im letzten glorreichen Kriege schritten wir von Siegen zu Siegen, welche Gottes gnadenreicher Wille uns
be
scheiden wollte, bis zur Einigung Deutschlands im neuen Kaiserreiche.
So
leere Ich denn Mein Glas zum Danke dem opferwilligen Volke, zum Danke
Meinen
hohen Verbündeten und zum Danke für unsere ruhmreiche Armee.
Dritte- Buch. 1871—1881.
180
101. Schreiben Kaiser Wilhelms an Papst Pins IX. Berlin, den 3. September 1873.
Ich bin erfreut, daß Eure Heiligkeit Mir, wie in früheren Zeiten, die Ehre erweisen, Mir zu schreiben; Ich bin es um so mehr, als Mir dadurch
die Gelegenheit zu teil wird, Irrtümer zu berichtigen,
welche nach Inhalt
des Schreibens Eurer Heiligkeit vom 7. August in den Ihnen über deutsche Verhältnisse zugegangenen Meldungen vorgekommen sein müssen.
Wenn die
Berichte, welche Eurer Heiligkeit über deutsche Verhältnisse erstattet werden,
nur Wahrheit meldeten,
so wäre es nicht möglich, daß Ew. Heiligkeit der
Vermutung Raum geben könnten, daß Meine Regierung Bahnen einschlüge, welche Ich nicht billigte.
Nach
der Verfassung Meiner Staaten kann ein
solcher Fall nicht eintreten, da die Gesetze und Regierungsmaßregeln in Preußen Meiner landesherrlichen Zustimmung bedürfen.
Zu Meinem tiefen Schmerze hat ein Teil Meiner katholischen Unter thanen seit zwei Jahren
eine
politische Partei organisiert,
welche den in
Preußen seit Jahrhunderten bestehenden konfessionellen Frieden durch staats
feindliche Umtriebe zu stören sucht.
Leider haben höhere katholische Geist
liche diese Bewegung nicht nur gebilligt, sondern sich ihr bis zur offnen
Auflehnung gegen die bestehenden Landesgesetze angeschlossen.
Der Wahrnehmung Ew. Heiligkeit wird nicht entgangen sein, daß ähn
liche Erscheinungen sich gegenwärtig in der Mehrzahl der europäischem und und in einigen überseeischen Staaten wiederholen. Es ist nicht Meine Aufgabe, die Ursachen zu untersuchen, durch welche Priester und Gläubige einer der christlichen Konfessionen bewogen werden können, den Feinden jeder staatlichen Ordnung in Bekämpfung der letzteren
behilflich zu sein; wohl aber ist es Meine Aufgabe, in den Staaten, deren Regierung Mir von Gott anvertraut ist, den innern. Frieden
und das Ansehen der Gesetze zu wahren.
zu schützen
Ich bin Mir bewußt, daß Ich
über Erfüllung dieser Meiner Königlichen Pflicht Gott Rechenschaft schuldig bin, und Ich werde Ordnung und Gesetz in Meinen Staaten jeder An
fechtung gegenüber aufrechthalten, so lange Gott Mir die Macht dazu ver
leiht; Ich bin als christlicher Monarch dazu verpflichtet, auch da, wo Ich zu Meinem Schmerze diesen Königlichen Beruf gegen die Diener einer Kirche zu erfüllen habe, von der Ich annehme, daß sie nicht minder wie die evan
gelische Kirche, das Gebot des Gehorsams gegen die weltliche Obrigkeit als einen Ausfluß des uns geoffenbarten göttlichen Willens erkennt.
Deutsches Reich.
Zu Meinem
Schauern verleugnen
1873.
181
viele der Ew.
Heiligkeit unter
worfenen Geistlichen in Preußen die christliche Lehre in dieser Richtung und
setzen Meine Regiemng in die Notwendigkeit, gestützt auf die große Mehr zahl Meiner treuen katholischen und evangelischen Unterthanen, die Befolgung der Landesgesetze durch weltliche Mittel zu erzwingen.
Ich gebe mich gern der Hoffnung hin, daß Ew. Heiligkeit, wenn von
der wahren Lage der Dinge unterrichtet, Ihre Autorität werden anwenden wollen, um der unter bedauerlicher Entstellung der Wahrheit und unter Mißbrauch des priesterlichen Ansehens betriebenen Agitation ein Ende zu
machen.
Die Religion Jesu Christi hat, wie Ich Ew. Heiligkeit vor Gott
bezeuge, mit diesen Umtrieben nichts zu thun,
auch nicht die Wahrheit, zu
deren von Ew. Heiligkeit angerufenen Panier Ich Mich rückhaltlos bekenne. Noch eine Äußerung in dem Schreiben Ew. Heiligkeit kann Ich nicht ohne Widerspruch übergehen, wenn sie auch nicht auf irrigen Berichterstattungen,
sondern
auf Ew. Heiligkeit Glauben beruht, die Äußerung nämlich, daß
jeder der die Taufe empfangen hat, dem Papst angehöre.
Der evangelische
Glaube, zu dem Ich Mich, wie Ew. Heiligkeit bekannt sein muß, gleich Meinen
Vorfahren und mit der Mehrheit Meiner Unterthanen bekenne, gestattet uns
nicht, in dem Verhältnis zu Gott einen andern Vermittler als unfern Herrn Jesum Christum anzunehmen.
Diese Verschiedenheit des Glaubens hält Mich nicht ab, mit denen, welche den unsern nicht teilen, in Frieden zu leben und Ew. Heiligkeit den Ausdruck Meiner persönlichen Ergebenheit und Verehrung darzubringen.
Wilhelm.
102.
Rede ?ur Eröffnung des Landtags, Mittwoch, bett 12. November 1873.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Se. Majestät der Kaiser und König haben mir1)
den Auftrag zu
erteilen geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu
eröffnen.
Se. Majestät bedauern lebhaft, diesen bedeutungsvollen Akt nicht Aller
höchstselbst vollziehen zu können, um so mehr, als das Haus der Abge ordneten aus neuen Wahlen hervorgegangen ist.
Namens Sr.
Majestät
*) Viecpräsident des Staats-Ministeriums, Staats« und Finanzminister Camphausen.
Drittes Buch. 1871-1881.
182
spreche ich den Wunsch und die Hoffnung aus, daß der Staatsregierung,
bei der weiteren Führung ihrer wichtigen Aufgaben die vertrauensvolle Unter stützung des Landtags nicht fehlen und der Ernst und die Gemeinschaft des Strebens zur Quelle segensreicher Entwickelung der Staatseinrichtungen werde.
In der Stimmung, welche bei den jüngsten Wahlen entscheidend gewaltet hat, glaubt die Regierung Sr. Majestät den Ausdruck
der Billigung der
in der Gesetzgebung betretenen Bahnen finden zu dürfen; sie ist entschlossen,
diese Bahnen ruhig und fest weiter zu verfolgen. Aus dem Entwürfe zum Staatshaushalts-Etat für 1874 werden Sie
ersehen, daß die Finanzlage Preußens eine durchaus befriedigende ist.
Die Staatsschuld ist durch die Finanzlage der letzten Jahre beträchtlich vermindert worden.
Ein erheblicher Überschuß
Finanzjahre zur Verfügung. der untersten Bolksklassen
steht aus dem abgelaufenen
Durch die Erleichterung in den Steuerleistungen wird
allerdings mit dem nächsten Jahre ein
Ausfall in den Einnahmen eintreten, und weiter führt die Steigerung der
Arbeitslöhne und des Preises fast aller Materialien zu einem Anwachsen der Ausgaben, welches bei wichtigen Zweigen des Staatseinkommens die
Erträge schmälert.
Gleichwohl lassen die zur Verfügung stehenden Mittel cs zu, auch für
das Jahr" 1874 den hervorgetretenen
erweiterten Bedürfniffen auf allen
Gebieten der Staatsverwaltung in reichem Maße gerecht zu werden.
Insbesondere wird
es möglich sein, große Summen für die Ver
besserung der dem allgemeinen Verkehre dienenden Anstalten bereit zu stellen,
namentlich auch die Regulierung der schiffbaren Ströme und die Eröffnung neuer Wasserstraßen kräftig zu fördern.
Der Bericht der Spezialuntersuchungskommission für das EisenbahnKonzessionswesen, welche von Sr. Majestät unter Mitwirkung der beiden Häuser des Landtags niedergesetzt war,
wird Ihnen unverweilt vorgelegt
werden, auch ist ein Gesetzentwurf vorbereitet, um die erkannten Uebelstände
bei dem Konzessionswesen zu beseitigm. Nachdem eigentum
eine
der vorigen Legislatur in den Gesetzen über das Grund wichtige
Reform
gelungen
ist,
wartet Ihrer
eine
nicht
minder große Aufgabe in der Berathung des Entwurfs einer Bormundschastsordnung.
Wiederholt wird Ihnen eine Vorlage über die Enteignung des Gmndeigentums zugehen. Bei der Ausführung der Kreisordnung für 5 der östlichen Provinzen
ist die von der Regierung Sr. Majestät früher ausgesprochene Zuversicht,
183
Deutsches Reich. 1873.
daß die zuvor streitenden Kräfte gemeinsam und patriotisch Hand anlegen
würden, um das Werk segenbringend
getäuscht worden.
Nachdem
zu gestalten, nicht
für das Land
die Arbeiten dem Abschlüsse soweit entgegen
geführt sind, daß die neuen Organe der Selbstverwaltung mit dem Beginne des nächsten Jahres überall werden in Thätigkeit treten können,
wird die
Staatsregierung Ihnen in der gegenwärtigen Session weitere Gesetzentwürfe
vorlegen, welche die Reform der innern Verwaltung auch in den höheren
nach denselben
Instanzen
Grundsätzen
zur Ausführung
zu bringen
be
stimmt sind.
Die in der letzten Session beratenen Gesetze, nach
welchen die Be
ziehungen des Staates zu den großen Kirchengemeinschasten klarer und fester als zuvor geregelt worden sind, haben zum Bedauem der Staatsregierung
bei den Bischöfen der römisch-katholischen Kirche einen unberechtigten Wider stand gefunden.
Je mehr die Regierung Sr. Majestät von der Ueberzeugung durch-
religiöse Leben der verschiedenen Konfessionen durch
drungen ist, daß das
diese Gesetze in keiner Weise gefährdet wird, um so entschiedener wird die
Regierung,
unbeirrt durch jenen Widerspruch, die Gesetze auch ferner zur
Ausführung bringen und alle weiter erforderlichen Schritte rechtzeitig folgen
lassen, wahren.
um die ihrer Obhut anvertrauten Interessen
vor Schädigung zu
Sie ist überzeugt, daß sie bei der Lösung dieser Aufgabe auf die
kräftige Unterstützung der Landcsvertretung rechnen darf. Meine Herren!
Die zahlreichen und wichtigen Arbeiten, welche Ihrer
harren, werden nicht ohne neue lebhafte Kämpfe erledigt werden.
Aber die
Geschichte Preußens und besonders die parlamentarische Geschichte der letzten Jahre giebt Zeugnis,
daß die Landesvertretung in fester Gemeinschaft mit
der Regierung das für das Staatswohl Unerläßliche im rechten Augenblick durchzuführen bereit ist.
Das Bewußtsein, daß die Regierung Sr. Majestät
ebenso wie die Landesvertretung, auch da, wo sie lebhaften Strömungen in
einem Teile der Bevölkerung entgegenzuwirken genötigt sind, nur von dem
Streben für das Heil der Gesamtheit geleitet werden, wird der Ausgleichung der augenblicklichen Gegensätze zum Stützpunkte dienen. Möge der versöhnende Geist der Liebe zum gemeinsamen Vaterlande
auch bei den Arbeiten dieses Landtags segensreich walten. Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs erlläre ich den
Landtag der Monarchie für eröffnet.
Drittes Buch. 1871—1881.
184
103.
Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 5. Februar 1874.
Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mich *) zu ermächtigen geruht, in Seinem
und der verbündeten Regierungen Namen Sie bei dem Beginn der zweiten
Legislaturperiode des Deutschen Reichstags willkommen zu heißen. Ich habe zunächst einem ausdrücklichen Allerhöchsten Befehle nachzu kommen,
indem ich das
lebhafte Bedauern meines Allergnädigsten Herrn
darüber ausspreche, daß es Sr. Majestät heute noch nicht gestattet ist, den
Reichstag in seiner neuen Zusammensetzung persönlich zu begrüßen. Die Arbeiten der abgelaufenen Legislaturperiode waren in vorwiegendem
Maße auf die Regelung der Verhältnisse in Anspruch genommen,
welche
aus der politischen Neugestaltung Deutschlands und aus den Folgen des letzten
Krieges hervorgingen.
Diese Regelung ist in der Hauptsache abgeschlossen.
Die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung zwischen dem Norden und dem Süden unseres Vaterlandes ist in allen Gebieten, welche vor Gründung des Reichs als gemeinschaftliche des Bundes behandelt wurden, fast ausnahmslos durch
geführt.
Die gemeinschaftliche Finanzwirtschaft ist auf Grundlage der Verfassung geordnet, und die vollständig eingegangene Kriegsentschädigung wird nach Maßgabe der über ihre Verwendung erlassenen Gesetze verausgabt.
Die alten deutschen Lande, welche durch frühere Kriege dem deutschen Reiche entrissen und
durch den Frankfurter Frieden wieder mit demselben
vereinigt wurden, sind heute zum erstmmal in unserer Mitte verfassungs mäßig vertreten.
Die erste Stelle unter den Vorlagen, über welche Sie, meine Herren, zu
beschließen haben werden, nimmt der Entwurf eines
allgemeinen Militär
gesetzes ein, welcher in wenig abweichender Fassung bereits dem Reichstage
vorgelegen hat.
letzten
Es ist nicht bloß eine in der Verfassung ent
haltene Verheißung und ein durch die Erweitemng des deutschen Heeres
gegebenes Gebot, welchem durch diese Vorlage genügt werden soll;
ent
schiedener noch, als durch diese Anforderungen, ist die feste Regelung der
deutschen Wehrkraft und Wehrfähigkeit geboten durch die erste Pflicht eines jeden staatlichen Gemeinwesens: die Unabhängigkeit seines Gebietes und die
*) Reichskanzler Fürst von Bismarck.
Deutsches Reich.
185
1874.
friedliche Entwickelung der ihm innewohnenden geistigen und wirtschaftlichen Kraft zu schützen.
Die gesetzlichen Anordnungen, welche unmittelbar nach Beendigung des
Krieges zu Gunsten der Militärinvaliden getroffen worden sind, haben die
Probe der seitdem gemachten Erfahrungen nicht in allen Einzelnheiten be standen.
Zur Beseitigung der hervorgetretenen
Ivirkung in Anspruch
genommen
werden.
Mängel wird Ihre Mit-
Nicht minder wollen Sie Ihre
Aufmerksamkeit der Ausgleichung von Härten zuwenden, welche die frühere Gesetzgebung
norddeutsche
über
die Kriegsleistungen
während
des
letzten
Krieges für zahlreiche Gemeinden zur Folge gehabt hat.
Die
verfassungsmäßige
Rechnungslegung
über
die
Einnahmen
des
Reiches entbehrt noch der endgiltigen Regelung in materieller wie in formeller
Gesetzentwürfe über die Verwaltung der Einnahmen und Aus
Beziehung.
gaben des Reiches und über die Einrichtung und Befugnisse des Rechnungs hofes sollen diese, von den Verbündeten Regierungen, wie von dem Reichs tage empfundene Lücke unserer Institutionen ergänzen.
Die Rechnungen über den Haushalt der Jahre 1867 bis 1870 werden Ihnen zur Entlastung vorgelegt werden. Die rechtliche Stellung der Presse ist bereits
im verflossenen Jahre
Gegenstand der Beratungen des Bundesrats und des Reichstags gewesen.
Das Bedürfnis eines gemeinsamen Gesetzes über diese Materie ist außer Zweifel.
Die Verbündeten Regierungen haben den von der Königlich preu
ßischen Regierung bemüht, in
gestellten Antrag ihrer Beratung unterzogen und sind
dem Ihnen vorzulegenden Ergebnisse ihrer Beschlüsse die be
rechtigten Ansprüche auf freie Meinungsäußerung
durch die Presse mit den
Anforderungen in Einklang zu bringen, welche das öffentliche Interesse mit nicht minderem Rechte gegen den Mißbrauch dieser Freiheit erhebt.
Eine Novelle zur Gewerbeordnung, welche Ihnen vorgelegt werden
wird, soll die Schlichtung
von
Streitigkeiten
zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern durch Gerichte, deren Mitglieder aus beiden Lebenskreisen
entnommen sind, in einem einfachen, von jeder lästigen Form befreiten Berfahrm sichern.
Sie soll ferner Vorsorge gegen die Nachteile treffen, mit
welchen die öffentliche Ordnung und die nationale Arbeit durch rechtswidrige
Einwirkungen
auf den freien Willen der Arbeiter und durch den rechts
widrigen Bruch geschloffener Verträge bedroht wird. Die
große Verschiedenheit der zum Teil veralteten, zum Teil unge
nügenden Einrichtungen, welche an den deutschen Küsten zum Schutze der
von Seeunfällen betroffenen Personen und Güter bestehen, hat den ver-
Drittes Buch. 1871—1881.
186
Kündeten Regierungen Anlaß gegeben, eine für die
gesamte deutsche Küste
giltige Strandordnung ausarbeiten zu lassen, welche Ihnen zu Genehmigung vorgelegt werden wird.
Die Ergebnisse des vorjährigen Reichshaushalts haben zwar noch nicht
endgiltig festgestellt werden können; sie sind jedoch
bereits
ausreichend be
kannt, um die Zuversicht zu gewähren, daß die Einnahmen des letzten
Jahres, nach Abzug der in der letzten Session
über den Etat hinaus be
willigten sehr erheblichen Summen, einen namhaften Ueberschuß ergeben haben.
Unsere auswärtigen Beziehungen berechtigen zu der Überzeugung, daß alle fremden Regierungen gleich der unsrigen entschlossen und bestrebt sind,
der Welt die Wohlthaten des Friedens zu bewahren und sich durch keine auf Störung desselben gerichtete Parteibestrebungen in dieser Fürsorge und in
ihrem gegenseitigen Vertrauen irre machen zu lassen.
Die sich wiederholenden Begegnungen mächtiger, friedliebender und ein
ander persönlich nahestehender Monarchen und die erfreulichen Beziehungen
Deutschlands
zu
den
uns
durch
geschichtliche
Traditionen
befreundeten
Böllem geben Sr. Majestät das feste Vertrauen auf die gesicherte Fortdauer des Friedens, welches ich auszusprechen den Allerhöchsten Auftrag habe.
104. Thronrede zum Schluß -es Deutschen Reichstags, Sonntag, den 26. April 1874. Geehrte Herren!
Die Session, an deren Abschluß Sie stehen, greifende
Wichtigkeit
ihrer
gesetzgeberischen
reiht sich durch die tief
Ergebnisse
den
bedeutsamsten
Sessionen der früheren Reichstage an. Das
hervorragendste unter Ihrer Mitwirkung zu stände
gekommene
Gesetz soll, nach beit Absichten der verbündeten Regierungen, dem deutschen
Heere diejenige Organisation dauernd sichem, in welcher die Gewähr für den Schutz unseres Vaterlandes und für den Frieden Europas beruht.
Um die Stätigkeit der Entwickelung unserer Verfassung sicher zu stellen, und um für die Fortbildung unserer neugewonnenen nationalen Einrichtungen die Grundlage allseitigen Verständnisses zu gewinnen, haben die verbündeten Regierungen eingewilligt, die von ihnen vorgeschlagene und nach ihrer Ueber
zeugung notwendige definitive gesetzliche Regelung Heeres der Zukunft vorzubehalten.
der Friedensstärke des
Teutsches Reich.
187
1874.
Sie haben dieses Zugeständnis in der festen Zuversicht machen können, es werde die regelmäßige Beratung des Militäretats und die fortschreitende
Entwickelung des Verfassungslebens dem Lande und den künftigen Reichs tagen die Überzeugung gewähren,
daß die Sicherstellung der nachhaltigen,
gleichmäßigen Ausbildung der nationalen
einer
Wehrkraft und die Herstellung
gesetzlichen Unterlage für die jährlichen Budgetberatungen notwendig
sei, um dem deutschen Heere eine seiner Bedeutung für das Reich ent
sprechende Festigkeit der Gestaltung zu sichern.
Mit patriotischer Bereitwilligkeit haben Sie Ihre Mitwirkung geliehen
zur Beseitigung der in der Erfahmng hervorgetretenen Mängel der gesetz lichen Bestimmungen über die Versorgung der Invaliden des Reichsheeres
und der Marine.
Ich sage Ihnen Meinen Dank für die Fürsorge, welche
Sie von neuem für die Interessen derer bethätigten, die im Waffendienste
für das Vaterland Kraft und Gesundheit geopfert haben.
Die
Regelung
des
Papiergeld-Umlaufs in
Deutschland
fand
große
Schwierigkeiten in dem von der Vergangenheit überkommenen Ergebnis einer
vielgestaltigen Entwickelung.
Unter Ihrer Mitwirkung ist es gelungen, durch
bundesfreundliche Ausgleichung der Verschiedenheiten eine Regelung herbei zuführen, welche durch Herstellung eines einheitlichen Papiergeldes innerhalb der durch die Rücksichten strengster Vorsicht gebotenen Grenzen sowie durch
Beseitigung der mit der Natur des Landespapiergcldes verbundenen Hemniungen allen Verkehrskreisen zur Befriedigung gereichen wird. Auch auf anderen Gebieten haben Sie, im Verein mit dem Bundes rate, die Gesetzgebung und die Institutionen des Reiches weiter ausgebildet.
Die Förderung und Unterstützung, welche die von Mir in Gemeinschaft mit
den verbündeten Regiemngen befolgte Politik in Ihren letzten Beschlüssen
gefunden hat, befestigen in Mir die Ueberzeugung, daß das deutsche Vater land unter dem Schutze der gemeinsamen Institutionen einer gedeihlichen
Zukunft entgegengehe, und daß Europa in der sorgsamen Pflege, welche die geistigen, sittlichen und materiellen Kräfte Deutschlands finden, ein Pfand des Friedens und der gesicherten Fortbildung seiner Kultur erblicken werde.
Ich entlasse Sie, geehrte Herren, mit Dank gegen Gott, dessen Gnade Mir gestattet hat, nach ernster Krankheit Sie heute um Mich zu versammeln.
188
Drittes Buch. 1871—1881.
105. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 29. Oktober 1874. Geehrte Herren!
Zum zweitenmal in diesem Jahre nehme Ich Ihre Mitwirkung für t»ie weitere Entwickelung
der Institutionen des Reiches in Anspruch.
Die
gesetzgeberischen Aufgaben, welche Ihrer harren, stehen an Wichtigkeit denen nicht nach,
die in den früheren Sessionen den Reichstag beschäftigt haben,
und überragen dieselben an Umfang und vielleicht auch in der Schwierigkeit der geschäftlichen Behandlung. Die von der Verfassung dem Reiche überwiesene Gesetzgebung
über
das gerichtliche Verfahren war, in der Beschränkung für das Verfahren in
Civilsachen, schon von dem Norddeutschen Bund in Angriff genommen und
ist seit Begründung des Reiches in ihrem vollen Umfange vorbereitet worden.
Vier Gesetzentwürfe:
über die Verfaffung der Gerichte,
über das
Eivilverfahren, über das Strafverfahren und über das Konkursverfahren, von welchen die drei ersten bereits von dem Bundesrate beraten sind, sollen die
seit Jahrzehnten von den Rechtsuchenden als Bedürfnis erkannte und von den Rechtskundigen erstrebte
und durch diese
Einheit des
Gerichtsverfahrens verwirklichen
Einheit unserm Vaterlande ein Gut gewähren,
welches
andere Länder längst besitzen und welches wir nicht länger entbehren können.
Die Entwürfe, welche Ihnen zugehen, sind die Frucht mühsamer Vor arbeiten, an welchen die Rechtswissenschaft, der Richterstand, die Anwaltschaft und der Handelsstand aus allen Teilen Deutschlands mitgewirkt haben; sie
wollen, an bewährte Einrichtungen anschließend, den Forderungen des Lebens, wie solche die Entwickelung des Verkehrs zum Ausdruck gebracht hat, und den durch Erfahrung gereiften Forderungen der Wissenschaft gerecht werden.
Zu derselben Zeit, in welcher Sie aufgefordert werden, die Einheit der
Gerichtsverfassung und de- Verfahrens zum Abschluß zu bringen, sind die ersten Schritte geschehen, um die Einhett des bürgerlichen Rechtes herbei
zuführen.
Freilich werden Jahre vergehen, bis der letzte Schritt zur Her
stellung dieser Einheit gethan werden kann, aber ich freue Mich, gestützt auf die gemachtm Erfahrungen, schon heute die Überzeugung aussprechen zu dürfen, daß es uns beschicken sein wird, diesen letzten Schritt in nicht all
zuferner Zukunft thun zu können.
Die gemeinsame Gesetzgebung über das Heerwesen, welche durch das in Ihrer letzten Session beratene Reichsmilitärgesetz
ihrem Abschlüsse nahe
Deutsches Reich
1874.
189
gebracht ist, soll durch drei Ihnen zugehende Gesetzentwürfe weiter vervoll
ständigt werden.
Zwei dieser Entwürfe, nämlich eines Gesetzes über den
Landsturm und eines Gesetzes über die militärische Kontrolle der Beurlaubten,
sind bereits in dem Reichs-Militärgesetz verheißen. Der dritte soll die Natural
leistungen
für die bewaffnete Macht im Frieden gleichmäßig
und in einer
den veränderten Verhältnissen entsprechenden Weise regeln. Die (Steigerung der Lebensmittelprcise stellt in Beziehung auf die Ver
pflegung des Heeres, und die Fortschritte der militärischen Technik stellen
in Beziehung auf die Ausrüstung und die Übung des Heeres Anforderungen an die Militär-Verwaltungen, welchen mit den bisher für die Armee be willigten Mitteln nicht entsprochen werden kann. Über die Höhe des hierdurch begründeten Mehrbedarfs und der zur Befriedigung desselben erforderlichen
Steigerung
der Matrikularbeiträge
sind Ihnen
Session vorläufige Mitteilungen gemacht worden.
bereits
in Ihrer letzten
Sie werden aus dem Ihnen
vorzulegenden Reichshaushalts-Etat für 1875 ersehen, daß eine Steigemng
der Matrikularbeiträge, wie sie damals in Aussicht genommen war, genügen wird, um den Mehrbedarf für das Heer, sowie die bei anderen Verwaltungs
Zweigen notwendig gewordenen Ausgabe-Vermehrungen, zu bestreiten. Nachdem der Umlauf des Papiergeldes durch ein in Ihrer letzten Session
zu stände gekommenes
Gesetz
geregelt ist, bedarf es zum Abschluß der
Gesetzgebung über den Geldumlauf in Deutschland noch der gesetzlichen Rege lung des Umlaufs von Banknoten.
Die verbündeten Regierungen sind bei
dem Ihnen vorzulegenden Gesetzentwürfe über diese wichtige Frage von dem
Gesichtspunkte ausgegangen, daß bestehende Rechte nur soweit zu beschränken seien, als es das mit der Aufrechthaltung der Metall-Cirkulation verbundene,
öffentliche Jntereffe erheischt, und daß gleichzeitig Vorsorge
zu treffen sei,
um einer späteren, auf den Erfahrungen über die Gestaltung des Goldumlaufs
fußenden Gesetzgebung den Weg anzubahnen.
Die zur endgiltigen Regelung der verfaffungsmäßigen Rechnungslegung über die Einnahmen des Reichs erforderlichen Gesetzentwürfe über die Ver waltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches und über die Einrichtung
und die Befugniffe des Rechnungshofes, welche in Ihrer letzten Session nicht erledigt werden konnten, werden Ihnen wiedemm vorgelegt werden.
Die Rechnungen über den Haushalt der Jahre 1867 bis 1871 werden Ihnen zur Entlastung und die Übersicht der Einnahmen und Ausgaben des Reiches im Jahr 1873 wird Ihnen zur Beschlußfassung zugehen. Zum erstenmal wird Ihre Mitwirkung für die Feststellung des Haus
haltsetats
von Elsaß-Lothringen in Anspruch
genommen werden.
Die
190
Drittes Buch.
Prüfung desselben
1871-1881.
wird Ihnen Veranlassung geben, von dm Hilfsquellen,
den Bedürfnissen und den Einrichtungen des Reichslandes eingehender Kenntnis
zu nehmen, als es bisher, an der Hand der jährlichen Verwaltungsberichte, möglich war.
bekunden,
Sie werden unfein oberrheinischen Landsleuten das Interesse
welches
die
gesamte
Nation
den
Verhältnissen
dieser uralten
deutschen Gebiete widmet.
Der von Ihnen in Ihrer letzten Session gefaßte Beschluß über den Entwurf eines
Gesetzes,
betreffend
die Beurkundung des Personenstandes
und die Form der Entschließung, hat dem Bundesrate Veranlassung gegeben, die Aufstellung dieses Gesetzentwurfs über die Einführung der obligatorischen Civilehe und die Beurkundung des Personenstandes anzuordnen. Die Reichs-Postverwaltung ist von Mir ermächtigt worden, eine Neu
gestaltung des internationalen Postverkehrs durch Verhandlungen mit allen auswärtigen Mächten anzustreben, und dank dem beteiligten Staaten,
Entgegenkommen
aller
konnte nach kurzer Verhandlung in Bern ein Post
vereinsvertrag unterzeichnet werden, welcher dem geistigen nnd dem geschäft lichen Verkehr der Völker untereinander eine
bisher ungekannte Leichtigkeit
und Ausdehnung verspricht.
Unsere Beziehungen
zu allen
fremden Regiemngen sind friedlich und
wohlwollend, und in der bewährten Freundschaft, welche Mich mit den Herr-
schem mächtiger Reiche
verbindet, liegt eine
Bürgschaft der Dauer des
Friedens, für welche Ich Ihr volles Vertrauen in Anspmch nehmen darf. Mir liegt jede Versuchung fern, die geeinte Macht des Reiches anders, als zu dessen
Verteidigung zu verwenden,
vielmehr ist es gerade diese
Macht, welche Meine Regiemng in den Stand setzt, ungerechten Verdächti
gungen ihrer Politik gegenüber zu schweigen und gegen das Übelwollen oder die Parteileidenschaft, denen sie entspringen, erst dann Stellung zu nehmen, wenn dieselben zu Thaten übergehen sollten.
Dann weiß Ich, daß für die
Rechte und die Ehre des Reiches jederzeit die gesamte Nation und
Fürsten mit Mir einzutreten bereit sind.
ihre
Deutsches Reich.
1875.
191
106. Rede zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 16. Januar 1875.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags!
Se. Majestät der Kaiser und König haben mir *) erteilen
den Auftrag zu
geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen
zu eröffnen.
Um den Bestimmungen der Verfassungsurkunde zu entsprechen, mußte die Berufung des Landtags erfolgen, bevor die Session des Deutschen Reichs
tags beendigt werden konnte. welche die beiden Parlamente
Die Gemeinsamkeit patriotischen Strebens,
verknüpft, wird die Schwierigkeiten des vor
übergehenden gleichzeitigen Tagens überwinden helfen.
Die Lage der Finanzen ist ungeachtet des Druckes,
welcher leider auf
vielen Zweigen des Handels und der Industrie lastet, eine befriedigende.
Dem Haushalt des Staates kommt es jetzt zu gute, daß in den letzten Jahren, inmitten einer ungewöhnlichen Fülle finanzieller Mittel, neben
den reichen Verwendungen zur Förderung der ideellen und materiellen Inter essen des Landes und neben den Maßregeln zur Erleichterung der Steuer leistungen der Bevölkerung, zugleich auf die Verwendung großer Summen
zur Verminderung der Staatsschuld Bedacht genommen worden ist, und
vornehnilich, daß bei den Anschlägen der Staatseinnahmen die Wahrscheinlich
keit eines Minderertrags einzelner Einnahmezweige im voraus berücksichtigt worden ist.
Die Voranschläge für das Jahr 1875 ergeben daher, wiewohl
bei den Einnahmen an Steuern die Ausfälle hervortretcn, welche durch die Steuer-Reformen und Erlasse verursacht werden, doch im Vergleiche zu dem Vorjahre im ganzen keinen Rückgang. Da ferner das Jahr 1873 bei seinem Abschlüsse einen erheblichen Über
schuß geliefert hat, so lassen die zur Verfügung stehenden Mittel es zu, noch für das Jahr 1875, da wo
sich ein Bedürfnis zur Steigenrng des
Staatsaufwandes gezeigt hat, den Anforderungen gerecht zu werden.
Aus dem Staatshaushalts-Etat,
welcher Ihnen unverzüglich zugehen
wird, werden Sie ersehen, daß zur Verbessemng des Einkommens der Geist
lichen und der Elementarlehrer, zur Fördemng von Kunst und Wissenschaft, zur weiteren Entwickelung und Hebung
des Unterrichts
in allen Zweigen,
zur Verbessemng und Erweitemng der Eisenbahnanlagen des Staates, der *) Vicepräsident des Staats-Ministeriums, Staats- und Finanzminister Camphausen.
Drittes Buch. 1871—1881.
192
Häfen, der Land- und Wasserstraßen, zur
Förderung von
Ackerbau und
Viehzucht bedeutende Verwendungen in Vorschlag gebracht sind. Die weitere Durchfiihmng
der innern Verwaltungsreform,
vollständigung der Einrichtungen kommunaler Selbstverwaltung
die Ver
wird Ihre
Thätigkeit in dieser Session in umfassender Weise in Anspruch nehmen. Staatsregierung wird Ihnen die Entwürfe
Die
von Gesetzen vorlegen, durch
welche der mit der Kreisordnung begonnene Bau, zunächst im Geltungs
bereiche der letzteren, zu einem einheitlichen Abschlüsse geführt werden soll. Mit dem Entwürfe der Provinzialordnung, welcher Ihnen erneut vor
gelegt werden wird, und an welchen sich ein Entwurf wegen Bildung einer besonderen Provinz Berlin anschließt, steht die Vorlage über die Dotation der Provinzen in
engem Zusammenhänge, deren
endgiltige Erledigung im
dringenden Interesse der Provinzen und des Staates liegt.
Die Einrichtungen der Verwaltungsjustiz, für welche im Gebiete der
Kreisordnung in den Kreisausschüssen und Bezirks-Verwaltungsgerichten der Grund gelegt ist, sollen durch einen Gesetzentwurf über die Verfassung der Verwaltungsgerichte und die Errichtung eines Oberverwaltungsgerichts eine
weitere Ausdehnung und den entsprechenden Abschluß finden.
Die volle Durchführung der Verwaltungsreorganisation in denjenigen Provinzen, in welchen dieselbe mit der Kreisordnung bereits erfolgreich be gonnen ist, wird zugleich einen sicheren Anhalt für die entsprechenden Reformen
in den übrigen Teilen der Monarchie darbieten,
wozu die gesetzgeberischen
Vorarbeiten gleichfalls in vollem Gange sind.
In Bethätigung
ihrer der Landeskultur zugewandten Fürsorge ist die
Regierung Sr. Majestät des Königs mit der Revision der bestehenden An siedelungsgesetzgebung, sowie mit der Regelung
der Rechtsverhältnisse der
ländlichen Arbeiter beschäftigt. über die Bildung von Waldgenoffenschasten, über Schutzwaldungen und
über die Unterdrückung der Viehseuchen werden Ihnen die Entwürfe von Gesetzen vorgelegt werden, durch welche fühlbaren Bedürfnissen der Landes
kultur abgeholfen werden soll.
Die Notwendigkeit einer durchgreifenden Verbesserung der dem öffent lichen Verkehre dienenden Landwege ist bereits seit langer Zeit allseitig an
erkannt worden.
Einer Regelung dieser Angelegenheit stand bisher der
Mangel geeigneter Organe der Selbstverwaltung entgegen.
Nachdem in
zwischen dieser Mangel durch den Erlaß der KreiSordnung im wesentlichen beseitigt ist, wird Ihnen der Entwurf einer Wegeordnung und eines Gesetzes,
Deutsches Reich.
1875.
193
betreffend die Anlegung und Bebauung von Straßen und Plätzen, vorgelegt
werden.
Die Verwaltung des gesamten Chauffee- und Wegebauwesens, die Für sorge für Chaussee-Neubauten und die Unterstützung der Kreise und Gemeinden
bei Wegebauten, wird im Zusammenhänge mit der Überweisung von Dotations fonds an die Provinzialverbände auf diese übertragen werden. Als ein dringendes Bedürfnis hat es sich herausgestellt, auch den ka tholischen Kirchengemeinden Gelegenheit zu geben, ihre Interessen bei der
Besorgung der kirchlichen Vermögensangelegenheiten durch wahrzunehmen.
Ein zu diesem Zwecke vorbereiteter
gewählte Organe
Gesetzentwurf wird
Ihnen baldigst zugehen.
Der in der vorigen Sitzungs-Periode nicht Bormundschaftsordnung wird Ihnen von neuem
erledigte Entwurf einer
zur Berathung vorgelegt
werden. Meine Herren!
Die Aufgaben, zu deren Lösung die Regierung Sr.
Majestät Ihre Mitwirkung erbittet, sind überwiegend von grundlegender Be deutung für die gesamte Fortbildung unserer Gesetzgebung.
Die Staats-
regiemng legt daher den größten Werth darauf, diese zunächst von ihr in
Aussicht genommenen Reformen durch das vertrauensvolle Entgegenkommen der beiden Häuser des Landtags in der bevorstehenden Session zum Abschluß
zu bringen.
Sie rechnet auf Ihre bewährte patriotische Hingebung.
Im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich hiermit
die Session des Landtags für eröffnet.
107. Rede jur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 27. Oktober 1875.
Geehrte Herren! Der Wunsch Sr. Majestät des Kaisers, Sie bei dem Wiederbeginn
Ihrer verfaffungsmäßigen Thätigkeit persönlich zu begrüßen, hat zum leb haftesten Bedauern meines Allergnädigsten Herrn nicht in Erfüllung gehen
können.
Se. Majestät haben mich *) deshalb zu ermächtigen geruht, in
Seinem und der verbündeten Regierungen Namen
zu heißen. *) Staatsminister Dr. Delbrück. Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
Sie heute willkommen
Drittes Buch. 1871—1881.
194
Die bevorstehende Session wird Ihre Thätigkeit mehr für die Aus
bildung und Ergänzung bestehender Gesetze, als für die Begründung neuer Institutionen in Anspruch nehmen.
Seit Ihrer letzten Session ist die am Schlüsse des Jahres 1871 be gonnene, im Beginn dieses Jahres
zum Abschluß
gebrachte Gesetzgebung
über das Geld- und Bankwesen Deutschlands der vollständigen Durchführung nahe gebracht.
Die über Erwarten
gesteigerte Herstellung unserer neuen
Münzen hat es Sr. Majestät gestattet, im Einverständnis mit dem Bundes rat, den 1. Januar künftigen Jahres
Reichswährung zu bestimmen.
als Zeitpunkt für den Eintritt der
Die Einziehung des Landespapiergeldes und
deffen Ersatz durch Reichskassenscheine schreitet rasch
und regelmäßig vor.
Die Banknoten geringeren Nennwertes sind zum größten Teile schon jetzt aus dem Verkehr getreten und werden bis zum Jahresschluß in der Haupt sache eingezogen sein.
Die Privatbanken sind damit beschäftigt, ihre Ein
richtungen auch im übrigen der neuen Gesetzgebung anzupassen.
Die Reichs
bank, zu deren Begründung alle Teile des Reichs beigetragen haben, wird
im Anfang künftigen Jahres ihre Thätigkeit über den gesamten Umfang des Reichs erstrecken. Sie wird gleichzeitig mit der Übernahme der Zentral
kassengeschäfte des Reiches beginnen.
In dem Ihnen vorzulegenden Reichshaushalts-Etat für 1876 haben die regelmäßigen Einnahmen des Reiches nicht unerheblich höher als für das
laufende Jahr veranschlagt werden können. wogen durch die Minder-Einnahmen,
welche
Dieses Mehr wird indes über in dem natürlichen Rückgang
der Zinseinnahmen von belegten Reichsgeldern, ganz besonders aber in dem Vorgriff bemhen, der im diesjährigen Etat auf die Überschüsse des Vorjahrs
stattgefundcn hat. Zur Deckung dieser Minder-Einnahmen und zur Bestreitung der bei sorgfältigster Rücksicht auf die Finanzlage nicht abzuweisenden Steige rung der Verwaltungsausgaben wird Ihnen eine Erhöhung der Matrikular-
Beiträge nicht vorgeschlagen.
Die verbündeten Regierungen teilen die Über
zeugung, welche Sie, geehrte Herren, bei der Beratung des diesjährigen
Etats geleitet hat, daß muß.
eine Steigerung jener Beiträge vermieden werden
Sie sind der Meinung, daß das Gleichgewicht des Etats nicht her
zustellen sei durch eine Auflage, welche die Steuerkraft der einzelnen Staaten außer Betracht läßt, sondem durch Abgaben, welche sich an den Verbrauch
und Verkehr anschließen.
Es werden Ihnen deshalb Entwürfe von Gesetzen
über Erhöhung der Brausteuer und über Einführung einer Stempelabgabe
von Börsengeschäften und Wertpapieren vorgelegt werden.
Der Reichshaushalls-Etat bringt eine Veränderung in der Einrichtung
Deutsches Reich.
der Post- und Telegraphenverwaltung
195
1875.
zum Ausdruck.
Die Erfahrung hat
überzeugend dargethan, daß die Verbindung dieser beiden, bisher getrennten,
aber in ihren letzten Zwecken zusammenfallenden Verwaltungen dem Ver
kehrsinteresse
entspreche und einen einfacheren und wohlfeileren Betrieb ge
Das Verhältnis der Post zu den Eisenbahnen soll durch ein Ihnen
statte.
vorzulegendes
Gesetz übereinstimmend
geregelt werden;
für die Vervoll
ständigung der Telegraphenanlageu wird eine Kreditbewilligung von Ihnen
begehrt werden.
Die Gewerbeordnung hat für die gewerblichen Hilfskassen einen nur provisorischen Zustand geschaffen, dessen Übelstände von Ihnen
wiederholt
beklagt und von den verbündeten Regierungen lebhaft empfunden sind.
Zwei
Gesetze, das eine über Abändemng des Artikels VIII. der Gewerbeordnung, das andere über gegenseitige Hilfskassen, sollen diesen Übelständen ein Ende machen.
Sie beschränken sich auf die Fürsorge in Krankheitsfällen, weil die
nicht minder wichtige Regelung des Altersversorgungswesens gegenwärttg noch nicht ausreichend vorbereitet ist. Die vor fünf Jahren erfolgte gesetzliche Regelung des Urheberrechts
an Schriftwerken hat sich auf das Urheberrecht an Kunstwerken nicht erstreckt. Es werden Ihnen Gesetzentwürfe vorgelegt werden, welche sowohl diese Lücke
in der Gesetzgebung
über das
geistige Eigentum ausfüllen,
als auch
für
ztvei verwandte Materien, das Urheberrecht an Mustern und Modellen und den Schutz der Photographien, übereinstimmende Normen feststellen sollen.
Die praktische Handhabung des Strafgesetzbuches hat Lücken und Mängel dieses Gesetzes erkennen lassen, deren Ausfüllung und Beseitigung im Inter esse der Rcchtspstege erfordert ist.
Der Bundesrat hat deshalb eine Revision
des Gesetzes auf Grundlage der von den einzelnen Bundesregierungen ge machten Vorschläge eingeleitet.
Ein aus diesen Vorschlägen hervorgegangener
Gesetzentwurf unterliegt der Beratung des Bundesrats und wird nach Ab schluß derselben Ihnen vorgelegt werden. Ein mit dem Freistaate Costa Rica abgeschlossener Freundschafts-, Handels
und Schiffahrtsvertrag wird Ihnen zur Genehmigung vorgelegt werden. Dem Vertrage zwischen Deutschland und San Salvador nachgebildet, wird er, wie zu hoffen, dazu beitragen, unsere Handelsbeziehungen zu jenem, durch seine
Lage an zwei Weltmeeren und durch den Reichtum seiner Erzeugniffe hervor ragenden Staate zu fördern.
Die Vorlagen, welche Ihnen im verfloffenen Jahre
gemacht waren,
um die verfassungsmäßige Rechnungslegung über die Einnahmen des Reiches endgilttg zu regeln, sind in Ihrer letzten Session vorberaten worden, haben 13*
Drittes Buch. 1871—1881.
196
aber nicht zum Abschluß gebracht werden können.
Es werden Ihnen darüber
neue Vorlagen zugehen.
In Elsaß-Lothringen ist der beratende Landesausschuß, dessen Ein richtung der Erlaß vom 29. Oktober vorigen Jahres geordnet hat, im
Sommer dieses
Jahres
zum erstenmal in Thätigkeit getreten.
den Landeshaushalt und andere zu Ihrer Beschlußfaffung
Er hat
gelangende Ge
setzentwürfe, welche zur Ausführung von Reichsgesetzen und zur Ergänzung
von Lücken der Landesgesetzgebung bestimmt sind, gutachtlich beraten. seinen Vorschlägen
bemht ein Gesetzentwurf, durch
welchen
Auf
die auch von
Ihnen erörterte Frage wegen Entschädigung der Inhaber verkäuflich ge wesener Stellen im Justizdienste anderweit geregelt wird.
Die gefaßten
Beschlüsse werden mit den über die Beratung aufgenommenen Protokollen vollständig
zu Ihrer Kenntnis gebracht werden.
Sie berechtigen zu der
Erwartung, daß in dem Landesausschuß ein günstiger Boden für die Mit
wirkung der Bevölkerung an der Verwaltung der Reichslande gewonnen
sein wird.
In Elsaß-Lothringen, wie im ganzen Reiche, berechtigt uns der Rück blick auf die wenigen Jahre, welche seit dem Frankfurter Frieden verflossen sind, zu dem Ausdruck der Befriedigung
über den stetigen Fortschritt der
Entwickelung unserer politischen Einrichtungen im Innern und der Befestigung
unserer guten Beziehungen zum Auslande. Wenn in Handel und Verkehr dennoch
gegenwärtig eine der Stag
nationen stattfindet, wie sie im Laufe der Zeit periodisch wiederkehren, so liegt es leider nicht in der Macht der Regierungen, diesem Übelstande ab zuhelfen, der sich in andern Ländern in gleicher Weise wie in Deutschland
fühlbar macht.
Jedenfalls aber hat diese Erscheinung keine Unsicherheit der
politischen Verhältnisse und namentlich
des äußeren Friedens zum Gmnde.
Wie Sie im vorigen Jahre mit dem Ausdruck des Vertrauens auf die Dauer
des Friedens empfangen werden konnten, so war seitdem fortwährend und
ist noch heut die dauernde Erhaltung des Friedens nach menschlichem Er messen gesicherter, als sie es jemals in den letzten zwanzig Jahren vor der Herstellung des
Deutschen Reiches gewesen ist.
Abgesehen von der Ab
wesenheit eines jeden erkennbaren Grundes zu einer Störung, genügt zur Aufrechthaltung
des Friedens der feste Wille, in dem Se. Majestät der
Kaiser Sich mit den Ihnen befreundeten Monarchen einig weiß, und die Übereinstimmung der Wünsche und Interessen der Völker. Die Mächte, deren Einigkeit in einer früheren Periode unseres Jahrhunderts Europa die Wohl
that eines langjährigen Friedens gewährtes stützen denselben auch hmt, ge-
Deutsches Reich. 1876.
197
tragen von der Zustimmung ihrer Völker; und der Besuch, von welchem
Se. Majestät der Kaiser heimkehren, die herzliche Aufnahme, welche Sie bei Sr. Majestät dem Könige von Italien und bei der ganzen Bevölkerung gefunden haben, befestigen die Überzeugung, daß die innere Einigung und die gegenseitige Befreundung,
zu denen Deutschland und Italien gleichzeitig
gelangt sind, der friedlich fortschreitenden Entwickelung Europas eine neue
und dauernde Bürgschaft gewähren.
108. Rede zur Eröffnung des Landtags, Sonntag, den 16. Januar 1876.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mir') den Auftrag zu er
teilen geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.
Die für die Berufung des Landtags maßgebenden Bestimmungen und
die unabweislichen Erfordemiffe der Reichsgesetzgebung haben auch in diesem Jahre
eine gleichzeitige Thätigkeit der Reichs- und der Landesvertretung
zur Notwendigkeit gemacht.
Die Hingebung und Umsicht des Landtags wird
die Wege finden, um auch unter den obwaltenden Schwierigkeiten die Auf
gaben der neuen Session von vornherein möglichst zu fördern. Der auf Handel und Industrie lastende Druck hat zum Bedauern der
Staatsregierung auch bei uns noch nicht aufgehört.
Bei den gesunden Gmnd-
lagen, auf welchen trotz der vorgekommenen Ausschreitungen der vaterländische Gewerbfleiß beruht, darf die Zuversicht gehegt werden, daß es der Arbeit samkeit und der stets bewährten Thatkraft des preußischen Volkes gelingen
werde, auch die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage in nicht ferner Zeit zu überwinden und Handel und Industrie neuer Blüte entgegenzuführen.
Die Staatseinnahmen für das Jahr 1876 haben zwar nicht so hoch, wie in den letzten Jahren, veranschlagt werden können, aber die Mittel reichen aus, um die Staatsverwaltung in bisheriger Weise zu führen und auf manchen Gebieten die Fonds, welche namentlich der Pflege der geistigen Interessen und der Förderung des Wohlstandes dienen, reicher zu dotieren,
in allen Zweigen des Staats-Bauwesens aber die vielfachen und großen
’) Vicepräsident deS StaatS-MinisteriumS, Staats- und Finanzminister Camphausen.
Drittes Buch. 1871—1881.
198
Unternehmungen, welche auf Gmnd der Bewilligungen der letzten Jahre eingeleitet worden sind, in angemessener Weise weiter zu förbern.
Der Entwurf zum Staatshaushalts-Etat wird Ihnen ohne Verzug vorgelegt werden.
Die in der vorigen Session vereinbarten Gesetze, durch welche ein um fassendes System kommunaler Selbstverwaltung und zugleich die Beteiligung
der Provinzialvertretung an den Angelegenheiten
verwaltung begründet worden ist,
fünf Provinzen sind
der allgemeinen Landes
sind inzwischen ins Leben getreten:
in
die neuen Provinziallandtage zusammengetreten, und
die ersten Anzeichen des in denselben überwiegend zur Geltung gelangenden Geistes befestigen das Vertrauen, daß die neuen Institutionen sich dem
Lande zum Segen entwickeln werden. Ein notwendiger weiterer Schritt auf der betretenen Bahn ist die be stimmte und klare Regelung der Zuständigkeit der neugeschaffenen staatlichen
Behörden auf den verschiedenen Gebieten der allgemeinen Landesverwaltung
und in streitigen Verwaltungssachen, sowie die gleichzeitige Feststellung der
jenigen Kompetenzen, welche auf die neuen Organe noch weiter zu über
tragen sein werden, um eine harmonische Fortentwickelung der innern Staats verwaltung
erzielen.
zu
Im Zusammenhänge mit der allgemeinen Ver
waltungsreform und behufs Einfügung der städtischen Verwaltung in das
Gesamtsystem
der
änderungen der
neugeschaffenen Einrichtungen
sind durchgreifende Ver-
Städteordnung in denjenigen Provinzen erforderlich,
in
welchen die neuen Gesetze eingeführt sind. Nachdem die Haupt- und Residenzstadt Berlin auf Grund der neuen
Provinzialordnung aus dem Kommunalverbande der Provinz Brandenburg
ausgeschieden ist, muß die vorbehaltene Bildung eines besonderen Kommunal verbandes aus der Stadt Berlin und angrenzenden Gebieten unverweilt ins
Auge gefaßt werden.
Die Gesetzentwürfe behufs Lösung dieser weiteren Aufgaben werden Ihnen voraussichtlich in kurzem vorgelegt werden können.
Der Entwurf einer Wegeordnung soll
von neuem Ihrer Beratung
unterbreitet werden.
Um Grundsätze der Agrargesetzgebung, deren segensreiche Wirksamkeit
in den älteren Teilen der Monarchie sich in langjähriger Erfahrung erprobt hat, auf die neuen Landesteile zu übertragen, sollen Ihnen mehrere Gesetz
vorschläge zugehen.
In den östlichen Provinzen ist das Bedürfnis hervorgetreten, die gesetzllchen Vorschriften über die Gründung von Ansiedelungen und die damit
199
Deutsches Reich. 1876. öffentlicher Abgaben
zusammenhängende Verteilung
einfacher
zu gestalten.
Eine Vorlage in dieser Richtung ist vorbereitet.
Die Rechtsverhältnisse der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter ent behren einer ausreichenden gesetzlichen Regelung. setzgebung in dem Umfange
geltend gemacht haben,
wird
Um diese Lücke der Ge sich thatsächliche Übelstände
auszufüllen, als
eine Gesetzvorlage
an Sie gelangen, welche
sich innerhalb der Grundsätze der verwandten Reichsgesetzgebung bewegt.
In Vervollständigung der Gesetzgebung zum Schutze des Waldes soll die Pflege der im Besitze von Gemeinden und öffentlichen Anstalten befind lichen Waldungen durch neue Vorschriften sichergestellt werden. Durch die Beratungen der von Sr. Majestät dem Könige als höchstem
Träger des evangelischen Kirchenregiments berufenen außerordentlichen Ge neralsynode hat
Monarchie
die
evangelische Kirche der
acht älteren Provinzen der
einen bedeutsamen Schritt zur Begründung ihrer selbständigen
Verfassung zurückgelegt.
Die General-Synodalordnung bedarf aber ordnung vom Jahre 1873 Sie wird
wie die Synodal
Eine hierauf bezügliche Vorlage wird Ihnen baldigst
gesetzlichen Sanktion.
zugehen.
ebenso
für eine Reihe von Bestimmungen der landes
zugleich
die notwendigen Aufsichtsrechte des Staates
über die evangelische Landeskirche regeln.
Die Regierung Sr. Majestät hegt das
feste Vertrauen zu den beiden
Häusern des Landtags, daß sie an ihrem Teile bereitwillig dazu mitwirken werden, der evangelischen Kirche Preußens nach langem Ringen die selb
ständige und feste Organisation zu sichern, deren sie zur vollständigen Erfüffung ihrer hohen Aufgaben bedarf. Eine Feststellung des staatlichen Aufsichtsrechtes ist auch hinsichtlich der
Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen erforderlich, soweit das Gesetz über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden
darüber nicht bereits
bestimmt.
Die Vorarbeiten für einen diesem Zwecke
entsprechenden Gesetzentwurf sind dem Abschluß nahe.
Meine Herren! einer Legislaturperiode,
Wir stehen voraussichtlich
vor der letzten Session
welche dank dem vertrauensvollen Zusammenwirken
der beiden Häuser des Landtags mit der Regierung Sr. Majestät schon
seither bedeutende Erfolge gesetzgeberischer Arbeit aufzuweisen hat.
Möge
diese letzte Session weitere Ergebniffe desselben übereinstimmenden Strebens
für die Wohlfahrt des Landes und die gedeihliche Entwickelung seiner In stitutionen zur Reife bringen.
200
Drittes Buch. 1871—1881.
109.
Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 30. Oktober 1876.
Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mich *) zu beauftragen geruht, Sie beim
Beginn der vierten und letzten Session
der
laufenden
Legislaturperiode
namens der verbündeten Regierungen willkommen zu heißen und zugleich
das lebhafte Bedauem Sr. Majestät darüber auszudrücken, daß es Aller-
höchstdcmselben nicht möglich gewesen ist, die anfänglich gehegte Absicht, den Reichstag persönlich zu eröffnen, in Ausführung zu bringen. Die Angelegenheiten, welche in der beginnenden Session der Erledigung
harren, sind nicht zahlreich.
Aber an Wichtigkeit werden Ihre bevorstehenden
Verhandlungen hinter den Verhandlungen früherer Sessionen nicht zurück bleiben. Hauptsächlich wird Ihre Thätigkeit durch die Beratung der Gesetz
entwürfe über die Gerichtsverfassung, das Verfahren in bürgerlichen Rechts streitigkeiten und in Strafsachen, sowie des Entwurfs einer Konkursordnung
in Anspruch genommen sein. Mit gerechtfertigter Spannung sieht die Nation der Entscheidung der Frage entgegen, ob es
gelingen wird, dieses für die einheitliche Rechts
entwickelung Deutschlands so bedeutsame Gesetzgebungswerk, an welchem seit einer Reihe von Jahren schon gearbeitet wird, vor dem Ablaufe der gegen
wärtigen Legislaturperiode zu stände zu bringen. Die Schwierigkeiten, welche sich einem solchen Gelingen in
stellen,
sind nicht gering.
den Weg
In zahlreichen und zum Teil sehr wichtigen
Punkten weichen die Anträge der von Ihnen eingesetzten Kommission, ins
besondere zu dem Gerichtsverfassungsgesetz und zu der Strafprozeßordnung,
von den Beschlüssen der verbündeten Regierungen wesentlich ab. Wenn die verbündeten Regiemngen gleichwohl an der Überzeugung festhalten, daß eine glückliche Lösung der großen Aufgabe, welche der be
ginnenden Session hinsichllich der Justizgesetze gestellt ist, möglich sei, so
geschieht es in dem Vertrauen, daß Sie, geehrteste Herren, bei Beratung
jener Entwürfe das Interesse einer sicheren und unbehinderten, das all gemeine Wohl wirksam schützenden Ausübung der Rechtspflege im Auge be halten werden.
Die verbündeten Regierungen dürfen hoffen, daß der ReichS-
*) Präsident der Reichskanzleramts, Staatsminister Hoffmann.
201
Deutsches Reich. 1876.
tag dem, was in der soeben bezeichneten Richtung für unerläßlich erkannt
werden muß, seine Zustimmung nicht wird versagen wollen.
Die in der vorigen Session beschlossene Verlegung des Etatsjahres für eines
besondern Etats für die
Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1877 nötig.
Dieser Etat, bei welchem
den Reichshaushalt macht die Feststellung
der des laufenden Jahres im wesentlichen zum Anhalt gedient hat, wird
Ihnen vorgelegt werden. Beklagenswerte Unfälle,
von welchen deutsche Schiffe in neuerer Zeit
häufiger als sonst betroffen worden sind, haben das Bedürfnis einer gesetz
lichen
Regelung des bei Untersuchung von Seeunfällen zu beobachtenden
Verfahrens wachgerufen.
Ein hierauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen
zugehen.
Die auswärtigen Beziehungen Deuffchlands entsprechen, ungeachtet der augenblicklichen Schwierigkeiten der Lage, dem friedfertigen Charakter der
Politik Sr. Majestät des Kaisers.
Das angelegentliche Bestreben Sr. Ma
jestät ist unabänderlich darauf gerichtet, gute Beziehungen mit allen Mächten und insbesondere mit den Deutschland nachbarlich und geschichtlich näher
stehenden zu pflegen und auch unter ihnen den Frieden, sofern er bedroht
werden sollte, durch freundschaftliche Vermittelung zu erhalten.
Was aber
die Zukunft auch bringen möge — Deutschland darf sicher sein, daß das
Blut seiner Söhne nur zum Schutze seiner eignen Ehre und seiner eignen Interessen eingesetzt werden wird. Der Druck,
welcher auf Handel und Verkehr nicht bloß in Deutsch
land, sondem auch in den meisten andern Ländern schon seit geraumer Zeit
lastet,
ist Gegenstand der unausgesetzten Aufmerksamkeit der
Regierungen.
verbündeten
Eine unmittelbare und durchgreifende Abhilfe liegt bei der
Allgemeinheit der
obwaltenden Übelstände und nach der Natur derselben
nicht in der Macht
eines
einzelnen Landes, wie lebhaft immer der gute
Wille und die Bethätigung desselben bei denen sein mag, die an seiner
Spitze stehen.
Wohl aber wird es als die Aufgabe der deutschen Handels-
politik zu betrachten sein,
von der heimischen Industrie Benachteiligungen
abzuwenden, welche ihr durch Staaten bereitet werden.
die Zoll- und Steuereinrichtungen anderer
Auf dieses Ziel wird die Kaiserliche Regierung
namentlich bei den bevorstehenden Unterhandlungen über die Erneuerung von Handelsverträgen hinzuwirken bemüht sein. Während der vergangenen Monate sind Sr. Majestät auf Allerhöchstderen Reisen in verschiedenen Teilen des Reiches mannigfache Beweise der
wärmsten Sympathieen von feiten der Bevölkerung entgegengebracht worden.
202
Drittes Buch. 1871—1881.
Von Sr. Majestät bin ich besonders beauftragt, an dieser Stelle Allerhöchstderen Dank und innige Befriedigung darüber auszusprechen.
Se. Majestät
haben aus solchen Kundgebungen aufs neue die freudige Gewißheit geschöpft,
daß
die durch das Reich begründete Einheit Deutschlands in dem Herzen
der Nation tiefe Wurzeln geschlagen hat. Daß das Reich
schützen und
das
seiner verfassungsmäßigen Aufgabe,
die Wohlfahrt des deutschen Volkes zu Pflegen,
mehr gewachsen zeige, daß es
Recht sich
zu
immer
festes Bollwerk des
sich immer mehr als
Friedens nach außen und im Innern erweise, dazu werden, so Gott will,
auch die Verhandlungen der bevorstehenden Session
des
Reichstags das
Ihrige beitragen.
110.
Thronrede ;um Schluß des Deutschen Reichstags, Freitag, den 22. Dezember 1876.
Geehrte Herren!
Bei dem Schluffe der vierten und letzten Session der zweiten Legis laturperiode des Reichstags darf Ich Sie auffordern,
mit Mir einen be
friedigenden Rückblick auf die Ergebnisse Ihrer Thätigkeit zu
uns zu
vergegenwärtigen, in
welchem Maße Ihre und der
Regierungen gemeinsame Arbeit im Laufe
richten,
um
verbündeten
der letzten drei Jahre den Aus
bau der verfassungsmäßigen Grundlagen des Reichs gefördert hat.
Durch
das Reichs-Militärgesetz ist die Organisation des deutschen Heeres festgestellt
und damit eine zuverlässige Gewähr für die Unabhängigkeit des Vaterlandes
und für seine berechtigte Weltstellung geschaffen worden. Auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Jntereffen hat das Bankgesetz
für die Regelung der Kreditverhältniffe und des Geldumlaufs
einheitliche
Ordnungen eingeführt, von deren Wirksamkeit Handel und Verkehr eine stetige und nachhaltige Förderung erwarten dürfen.
gebung darauf bedacht gewesen,
Zugleich ist die Gesetz
ihre Fürsorge für die arbeitenden Klaffen
durch die Organisation der eingeschriebenen Hilfskassen zu bethätigen. Von nicht geringerer Bedeutung ist das in der ablaufenden Legislatur
periode Geschaffene für die Pflege der geistigen Interessen der Nation.
Die Rechte und Pflichten, welche sich
an die litterarische Thätigkeit
knüpfen, sind durch das Gesetz über die Presse neu geordnet. Der Schutz des
geistigen Eigentums hat durch die Gesetze über das
203
Deutsches Reich. 1876.
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, an Mustem und Modellen
eine lang entbehrte Erweiterung erhalten. So wertvoll aber auch die Ergebnisse Ihrer früheren Sessionen in den
genannten und in andern Beziehungen waren, so werden sie doch an Be
deutung überragt durch die große Aufgabe,
welche Ihnen auf dem Gebiete
der Justizgesetzgebung gestellt war. Nachdem eine Revision des Strafgesetzbuchs
in der vorigen Session
stattgefunden hatte, fiel der heut schließenden die
Erledigung der Gesetz
entwürfe zu, welche die Gerichtsverfassung, die Civil- und Strafprozeßordnung und die Konkursordnung regeln.
Diese Entwürfe sind
von Ihren Kom
missionen mit angespanntestem Fleiße und mit der eingehendsten Sorgfalt geprüft worden, und der Reichstag hat die Beratungen über diese Gesetze
mit dem Eifer und der Hingebung gepflogen, wie sie der großen nationalen
Aufgabe würdig waren. Bei einem so umfangreichen und
bedeutungsvollen Werke mußten in
der ersten Beurteilung die Meinungen über viele und wichttge Punkte not
wendig in
dem Maße auseinandergehen, wie es der Verbreitung und der
Vielseitigkeit juristischer Durchbildung in allen Teilen unseres Vaterlandes ent
spricht.
Dennoch
ist
es
zu
meiner
aufrichtigen Freude
gelungen,
alle
Meinungsverschiedenheiten im Wege der Verständigung unter Ihnen und mit den verbündeten Regierungen auszugleichen und die Verhandlungen zu einem
befriedigenden Abschluß zu bringen. Das Gefühl des Dankes für die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie, ge ehrte Herren, den verbündeten Regierungen zu dieser Verständigung ent
gegengekommen sind, ist in Mir um so lebhafter, je höher Ich den Gewinn anschlage, welcher aus dem Gelingen dieses Werkes für unser nationales
Leben erwachsen muß.
Durch die stattgehabte Verabschiedung der Justizgesetze ist die Sicherheit gegeben, daß in
naher Zukunft die Rechtspflege in ganz Deutschland nach
gleichen Normen gehandhabt,
daß
vor allen deutschen Gerichten nach den
selben Vorschriften verfahren werden wird.
Wir sind dadurch dem Ziel
der nationalen Rechtseinheit wesentlich näher gerückt.
Die gemeinsame Rechtsentwickelung aber wird in der Natton das Be
wußtsein der Zusammengehörigkeit stärken und der politischen Einheit Deutsch lands
einen innern Halt geben,
wie ihn keine frühere Periode unserer
Geschichte aufweist.
Die Rechtseinheit auch auf dem Gebiete des
gesamten bürgerlichen
Rechts herbeizuführen, wird der Beruf der kommenden Sessionen sein.
Drittes Buch. 1871—1881.
204 Ich entlasse Sie,
geehrte Herren,
indem Ich Ihnen für Ihre
an
gestrengte und erfolgreiche Arbeit wiederholt im Namen der verbündeten Regierungen den wärmsten Dank ausspreche in dem festen Vertrauen, daß,
auch wenn der Reichstag sich wiederum
hier versammelt, es uns vergönnt
sein wird, unsere Arbeiten ausschließlich den friedlichen Aufgaben der innern Entwickelung des Reichs zuzuwenden.
Der bisherige Fortgang der Verhandlungen
der europäischen Mächte
über die im Orient schwebenden Fragen berechtigt mich zu der Hoffnung, daß
es Meinen Bemühungen und den einander entgegenkommenden In
tentionen der an der Entwickelung der Dinge im Orient unmittelbar be
teiligten Mächte gelingen werde, die schwebenden Fragm ohne Beeinträchtigung der guten Bezichungen zu lösen, welche
Ich werde,
gegenwärtig unter ihnen obwalten.
gestützt von dem Vertrauen, welche Deutschlands friedliebende
Politik sich erworben hat, im Wege freundschaftlicher und selbstloser Vermittelung
mit Gottes Hilfe auch ferner dazu mitwirken.
111. a.
Ansprache des Kronprinzen an den Kaiser bei der Feier des 70 jährigen WenstjubilLums,
Montag, dm 1. Januar 1877. Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser,
Allergnädigster Kaiser, König und Kriegsherr! Vor Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät erscheinen heute zum
erstenmale
die
Vertreter
friedlichem Anlaß.
der
gesamten
Deutschen
Armee
aus
glücklich
Es gilt der Erinnerung des Tages, an welchem Ew.
Majestät unvergeßlicher Herr Vater, König Friedrich Wilhelm III.,
nunmehr
vor
70 Jahren Sie im zarten Knabenatter in die Reihen Seines
Heeres ausgenommen hat,
des
Heeres, welches in Ew. Majestät dereinst
das Vorbüd aller soldatischen Tugenden und den Schöpfer jener neuen Ord nungen erblicken sollte, die, in Kampf und Sieg bewährt, Preußens Ruhm
erhöhen, Deutschlands Größe neu und fest begründen halfen. Ein Jahrzehnt ist dahingegangen, seit bei der letzten Gedenkfeier dieses Tages ich Ew. Majestät mit dm Glückwünschen der Armee die Gefühle
ehrfurchtsvoller Liebe und unwandelbaren Vertrauens
aussprechen durste,
welche Heer und Volk in Preußen für ihren teuren König beseelten.
Deutsches Reich.
Heute, wo
1877.
205
wir unter Gottes Beistand zu immer schönerer Erfüllung
heranreifen sehen, was unser Vaterland lange schmerzlich vermißt und ver geblich ersehnt hat, heute sind es Deutschlands Heer und geeinigte Stämme, die voll Dank für alle Güter, welche Ew. Majestät ihnen errungen, in ihrem
Kaiser den siegreichen Feldherrn,
den Wiederhersteller und
Mehrer des
Reiches verehren.
Ist es doch, wenn wir die Blicke rückwärts wenden aus den Beginn
Ew. Majestät militärischer Laufbahn, als ob die mit Preußens tiefster Not
und endlicher Erhebung eng verknüpften Jugenderlebnisse Ew. Majestät die Vorbereitung zu den Thaten bedeuten, welche die Weltgeschichte mit Ihrem Namen für immer untrennbar verbindet.
Getreu den Worten der alten,
wieder aufgelebten Denkzeichen preußischer Kriege wollen Ew. Majestät nur dem die Ehre geben, dessen gnädige Hilfe mit Ihnen war und mit uns
allen.
Nicht ziemt es mir daher, jener Thaten einzeln zu gedenken.
beglückt durch die Segnungen,
Aber
welche uns aus ihnen erwuchsen, sehen wir
in froher Hoffnung und getrosten Mutes einer friedlichen Zukunft entgegen. Fest geschlossen und alle Zeit zu des Vaterlandes Verteidigung bereit,
ist das deutsche Heer der sichere Hort unserer Freiheit und Einheit, seit die von Ew. Majestät geschaffenen Einrichtungen, welche einst Preußens Armee
zur Erfüllung ihrer Aufgaben befähigten, nach dem letzten gewaltigen Kriege
Gemeingut der ganzen Nation geworden sind. Und wie in jenen ernsten Tagen, als feindlicher Überfall drohte, die
deutschen Fürsten und Völker zum Schutze des
heimischen Herdes und zur
Wahrung ihrer höchsten Güter um Ew. Majestät sich scharten, tote damals
im Vertrauen auf Ihre starke und kundige Führung opferwillig und todes mutig gestritten und gerungen ward, bis aus allen Kämpfen und Schlachten
endlich in neuer Herrlichkeit das Deutsche Reich wieder erstand, bessert erbliche Kaiserkrone Ew. Majestät recht eigentlich auf der Wahlstatt des Sieges dar
gebracht ward, so
blickt heute mit freudiger Zuversicht das deutsche Volk,
wehrhaft und einig,
auf seinen Kaiser und Kriegsherm hin, in dankbarer
Liebe und Treue und von dem heißen Wunsche erfüllt, daß Gott Ew. Majestät noch lange erhalten möge als Hüter und Schützer des Friedens und zu des
Vaterlandes Heil!
Drittes Buch. 1871—1881.
206
b.
Antwort des Kaisers. Wenn alle die Herren, deren Anwesenheit Mich hier und am heutigen
Tage besonders erfreut, mit den Gefühlen übereinstimmen, denen Mein Sohn soeben Worte gegeben, so kann Ich Mich nur um so glücklicher schätzen und
spreche daher zunächst Ihnen Meinen Dank dafür aus. Wenn Ich auf den Tag zurückblicke, an welchem Ich vor jetzt 70 Jahren in die Armee eintrat, muß Ich ja auch der Verhältnisse gedenken, unter denen es geschah; dann ist es aber auch von dem Augenblicke an, wo Mich die
Hand Meines in Gott ruhenden Vaters in die Armee einführte,
Meinen
ganzen Lebenslauf hindurch bis zu der heute Mir vergönnten Freude Mein erstes
Gefühl, dem Lenker unserer Geschicke demütigen Dank zu sagen.
Meine Stellung brachte
es mit sich, daß der größte Teil Meines Lebens
der Armee gewidmet war.
Darum gebührt aber auch allen denen, welche
Mich auf Meiner militärischen Laufbahn begleitet und Meine Bemühungen
unterstützt, Meine Erkenntlichkeit, deren Ich Mich stets gern erinnere.
Denn
der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer der Armee verdanke Ich die Stellung, die Ich jetzt einnehme.
Von Fehrbellin
an bis auf die neuesten, glorreich
beendeten Kriege stehen die Thaten der brandenburgisch-preußischen Armee unauslöschlich in den Annalen der Weltgeschichte, und was Preußen geworden
ist, ist es hauptsächlich durch seine Armee geworden.
Sie, Meine Herren,
die heute Mir gegenüber Meine Armee repräsentieren, bitte Ich allen denen, welche Sie vertreten. Meinen persönlichen Dank zu sagen, einen Dank, der
um so verdienter ist, als Ich Mich Gesinnung und dem
eine so lange Zeit hindurch
Geiste des Heeres, stets in
von der
engster Berührung mit
ihm, überzeugen konnte, einem Geist, der mit Ihr Werk ist und dem, in Ver bindung mit dem der deutschen Truppen, der große Erfolg gelang, ein einiges
Deutschland und ein deutsches Heer zu schaffen.
112.
Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Freitag, den 12. Januar 1877. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Die Session, zu welcher Sie zunächst berufen sind, wird sich im Hin blick auf den bevorstehenden Zusammentritt des Deutschen Reichstags auf
die Erledigung der dringendsten Aufgaben beschränken müssen.
207
Deutsches Reich. 1877.
Dennoch war es Mir Bedürfnis, nachdem das Haus der Abgeordneten
durch
Wahlen
erneuert ist,
Sie bei dem Beginne eines neuen Abschnittes
der parlamentarischen Thätigkeit persönlich zu begrüßen und zugleich die
Hoffnung auszusprechen, daß Meine Regierung in dem Vertrauen und Ent
gegenkommen der beiden Häuser des Landtags Legislaturperiode
auch
während der neuen
eine sichere Stütze bei ihrem Bestreben für die segens
reiche Entwickelung der Gesetzgebung und für die Erfüllung der Bedürfniffe des Landes finden werde.
Die
nunmehr
gesicherte
regelmäßige
Folge
der
parlamentarischen
Sessionen im deutschen Reiche und in Preußen wird, wie Ich hoffe, dem nächst einer ruhigen und stetigen Arbeit auf beiden eng verknüpften Gebieten
zu statten kommen.
Die Staatseinnahmen für das nächste eben so
hoch veranschlagt werden können,
Etatsjahr haben im Ganzen
wie für das Jahr 1876 und
bieten bei einer angemessenen Einschränkung der einmaligen und außerordent lichen Ausgaben die Mittel dar, um nicht nur in allen Zweigen der Staats
verwaltung die bisherigen Leistungen aufrecht zu erhalten, sondern auch neuen dauernden Ansprüchen gerecht zu werden,
Entwickelung
des
Staatswesens
hervorgetreten
welche bei fortschreitender
sind.
Der
Entwurf des
Staatshaushalts-Etats wird Ihnen unverzüglich zugehen.
Unter den Gesetzentwürfen, welche Ihnen vorgelegt werden sollen, sind
einige der erheblicheren
bereits früher Gegenstand der Beratting gewesen,
namentlich auch derjenige wegen anderweitiger Einrichtung des Zeughauses
in Berlin, welcher in Verfolg der mit den Reichsbehörden gepflogenen Ver handlungen eine Umarbeitung erfahren hat.
Ich rechne ans Ihre Mitwirkung, um in der Sammlung der Trophäen unseres Kriegsruhmes und aller die Entwickelung des vaterländischen Kriegs wesens bezeichnenden Erinnerungen den kommenden Geschlechtern ein würdiges Denkmal der Thaten ihrer Vorfahren zu hinterlaffen. Meine Herren! Die Feier,
dieses Jahres durch wiederum
Gottes
welche zu begehen Mir am ersten Tage
Gnade beschieden war') hat Meinem Volke
Gelegenheit gegeben, Mir zahlreiche und rührende Beweise der
Treue und Anhänglichkeit darzubringen, welche das wertvolle Erbteil der
preußischen Könige sind.
Indem
Ich Meinen innigen Dank
dafür von
dieser Stelle ausspreche, darf Ich in der Bewährung der Mein Volk er
füllenden
Gesinnung
die sichere Bürgschaft dafür erblicken, daß Preußen
in der treuen Pflege wahrhaft monarchischer und zugleich freisinniger Jn*) Das 70jährige Jubiläum des Eintritts in die preußische Armee.
208
Drittes Buch. 1871—1881.
stitutionen seinen staatlichen Bemf in und mit dem Deutschen Reiche fort
und
fort erfüllen werde.
Zum weiteren Ausbau unseres Staatswesens in
dieser doppelten Richtung zähle Ich auf ihre freudige Mitwirkung.
113. Thronrede ;»r Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, bett 22. Februar 1877. Geehrte Herren!
Beim Beginn der dritten Legislaturperiode heiße Ich Sie im Namen der verbündeten Regierungen willkommen.
Die Zusammensetzung, in welcher der Reichstag aus den neuen Wahlen hervorgegangen ist, läßt Mich hoffen, daß es auch in dieser Periode,
in den beiden vorhergegangenen, welche dem
wie
gelingen wird, die wichtigen Aufgaben,
Reichstag gestellt sind, im
Einverständnis zwischen den Ver
bündeten Regierungen und der Volksvertretung zum Wohl der Nation in Erledigung zu bringen.
Vorzugsweise wird Ihre Thätigkeit durch die Beratung und Feststellung
des Haushalts-Etats für das Jahr 1877/78 in Anspruch genommen werden.
Bezüglich der Aufbringung der durch eigne Einnahmen nicht gedeckten Bcdürfniffe ist das Reich durch Art. 70 der Verfassung zunächst auf Matrikular-
umlagen verwiesen.
Ihre Aufgabe wird es sein, in Gemeinschaft mit den
verbündeten Regierungen zu erwägen, ob und welche Maßregeln zu nehmen
sein werden, um den hochgesteigerten Betrag der Matrikularumlagen durch Eröffnung anderer Einnahmequellen für das Reich zu ermäßigen.
Die Vorarbeiten zu den Verhandlungen mit Österreich - Ungam über Erneuerung des Handelsvertrags sind
unter Mitwirkung der Regierungen
von Preußen, Bayern und Sachsen soweit gefördert, daß die Verhandlungen mit Österreich - Ungam binnen kurzem werden beginnen können. Der Ab
schluß dieser Verhandlungen bildet eine Vorbedingung der Reformm unseres Zoll- und Steuersystems, über welche die verbündeten Regierungen demnächst
in Beratung treten werden.
Die dem Reichstag bereits früher vorgelegten Gesetzentwürfe über die Einrichtung und die Befugniffe des Rechnungshofes und über die Verwaltung der
Einnahmm und Ausgaben des Reiches werden Ihnen wieder zugehen.
Der Wunsch, gesetzliche Gmndlagen und selbständige Einrichtungen für die Behandlung des Reichshaushalts-EtatS, sowie für die Gestaltung und
Deutsches Reich. 1877.
209
Kontrolle des Rechnungswesens geschaffen zu sehen, wird ohne Zweifel auch
von Ihnen
geteilt.
Die Erwartung ist daher
berechtigt, daß die Ver-
einbarung über die genannten Gesetzentwürfe diesmal zu stände kommen werde. Auch der in der vorigen Session nicht erledigte Gesetzentwurf, betr.
die Untersuchung der Seeunfälle, wird Ihnen wiederum vorgelegt werden. Die in der letzten Session vereinbarten Justizgesetze sollen nach den
darin enthaltenen Bestimmungen spätestens am 1. Oktober 1879 in Kraft treten.
Um diesen Termin einhalten zu können, ist es nötig, daß baldigst
über den Ort entschieden werde, an welchem das Reichsgericht seinen Sitz Ein hierauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen
haben soll.
vorgelegt
werden.
In den Kreisen der vaterländischen Industrie sind Klagen über den Mangel einer gemeinsamen Gesetzgebung zum Schutz der gewerblichen Er findungen laut geworden.
Um diesem Mangel abzuhelfen,
ist, nach Ver
nehmung von Sachverständigen, der Entwurf eines Patentgesetzes ausgearbeitet
worden, welcher Ihnen zugehen und einen hauptsächlichen Gegenstand Ihrer Beratungen bilden wird. Leider dauert die gedrückte Lage,
in den letzten beiden Jahren
in welcher Handel und Verkehr sich
befunden haben, bei uns wie in
andern
Die unausgesetzten Erwägungen der verbündeten
Ländern noch heute fort.
Regierungen über die Mittel, derselben
abzuhelfen,
haben Mir nicht die
Überzeugung gegeben, daß die innern Zustände des Deutschen Reichs einen
wesentlichen Anteil an den Ursachen der Übelstände haben, die in allen andern Ländern gleichmäßig gefühlt werden; die Aufgabe, augenblicklichem
und örtlichem Mangel an Beschäftigung
liegt den
arbeitsuchender Kräfte abzuhelfen,
einzelnen Staaten näher als dem Reich.
Insoweit der Wieder
belebung des Verkehrs ein Mangel an Bettrauen auf die zukünfttge Sicher
heit der Rechtszustände innerhalb Deutschlands etwa im Wege steht, werden Sie mit Mir solche Besorgnisse für unbegründet halten.
Die Organisatton
des Reiches und der gesunde Sinn des deutschen Volkes bilden eine starke Schutzwehr gegen die Gefahren, welche anarchische Bestrebungen der Sicher heit und der
regelmäßigen
Entwickelung
unserer
Rechtszustände
bereiten
könnten. Von auswättigen
Gefahren
aber,
welche aus der
noch
ungelösten
orientalischen Kttsis hervorgehen könnten, ist Deutschland weniger bedroht
als andere
Länder.
Meine Politik ist den Grundsätzen, welche sie vom
Beginn der orientalischen
treu geblieben.
Verwickelungen an befolgt hat, ohne Schwanken
Die Konferenz in Konstantinopel hat leider nicht den Erfolg
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
14
Drittes Buch. 1871—1881.
210
gehabt, die Pforte zur Gewährung der Zugeständnisse zu vermögen, welche die europäischen Mächte im Interesse der Menschlichkeit und zur Sicher
stellung des Friedens für die Zukunft glaubten verlangen zu sollen.
Die
Konferenzverhandlungen haben aber das Ergebnis gehabt, daß die christlichen
Mächte unter sich über das Maß der von der Pforte zu beanspruchenden
Bürgschaften zu Konferenz
einer Übereinstimmung gelangt sind, für welche vor der
wenigstens ein allseitig anerkannter Ausdruck noch nicht bestand.
Es ist dadurch ein fester Grund zu dem Vertrauen gewonnen, daß der Frieden
unter den
Mächten auch dann gewahrt bleiben wird,
sich nicht verwirklichen sollte,
wenn die Hoffnung
daß die Pforte aus eigner Entschließung die
Reformen bezüglich der Behandlung ihrer christlichen Unterthanen zur Aus führung bringen werde, welche vor der Konferenz als europäisches Bedürfnis anerkannt worden sind.
Wenn die Erwartungen unerfüllt bleiben sollten,
welche in dieser Beziehung sich
an Verheißungen der Pforte und an die
Einleitung der Friedensverhandlungen mit Serbien und Montenegro knüpfen,
so
wird Meine Regiemng bemüht sein, in einer Frage, in welcher die
deutschen Interessen ihr eine bestimmte Linie des Verhaltens nicht vor schreiben, ihren Einfluß zum Schutze der Christen in der Türkei und zur
Wahrung des europäischen Friedens, insbesondere aber zur Erhaltung und Befestigung ihrer eignen
guten Beziehungen zu den ihr verbündeten und
Zu diesem friedlichen Werke rechne
befreundeten Regierungen aufzuwenden.
Ich vertrauensvoll auf Gottes Segen.
114.
Allerhöchster Erlaß.
Der Tag, an welchem Ich Mein 80. Lebensjahr vollendete, hat im deutschen Volke eine Mich tief rührende Teilnahme gefunden. derselben sind Mir aus
Die Beweise
allen Teilen des Reichs in der mannigfachsten
Weise namentlich in der Form von Adressen, schriftlichen und telegraphischen Glückwünschen, Gedichten, Kompositionen, Bildern, Blumen u. a. sinnigen,
zum Teil kostbaren Spenden zugegangen. porationen und Vereine,
Städte und Dorfschaften, Kor
Festgenoffenschaften und einzelne Personen aller
Stände haben sich beeilt, Mir die allgemeine festliche Stimmung des Tages zu zeigen, und nicht allein aus den Gauen des Vaterlandes, sondem auch von jenseits der deutschen Grenzen,
selbst aus den fernsten Ländern habe
Ich die Versicherung empfangen, daß überall, wo Deutsche weilten, Meiner
Deutsches Reich.
in Liebe gedacht worden ist.
1877.
211
Diese überreiche Fülle freudiger Wünsche hat
Mir den Tag zu einem besonders weihevollen gestaltet.
Umgeben von einem
mächtigen Kreise verbündeter und befreundeter Fürsten, habe Ich mit Genug thuung den Werth gefühlt, als Mittelpunkt des nationalen Empfindens be trachtet zu werden;
aus diesem Bewußtsein schöpfe Ich neue Kraft,
der Sorge für die Wohlfahrt des Vaterlandes
Sinne möchte
Ich
zu widmen.
Mich
In diesem
allen jenen Glückwünschenden Meinen Dank für ihre
Aufmerksamkeit kundgeben; Ich beauftrage Sie zu dem Zwecke, Vorstehendes alsbald zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Berlin, den 24. März 1877.
Wilhelm.
An den Reichskanzler.
115.
Uede zur Eröffnung des Landtages, Sonntag, den 21. Oktober 1877.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtages! Se. Majestät der Kaiser und König haben mir1) den Auftrag zu er
teilen
geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu
eröffnen.
In der heute beginnenden Sitzungsperiode werden Sie Ihre Thätigkeit nächst der Fürsorge für die finanziellen Bedürfnisse des Staates der Be
ratung wichtiger Organisationen
auf verschiedenen Gebieten des staatlichen
Lebens zuzuwenden haben. Was
die Finanzlage betrifft, so ist das Ergebnis des Jahres 1876
ein über Erwarten günstiges gewesen; dagegen ist für das laufende Berwaltungsjahr, der bei Feststellung des Staatshaushalts-Etats gehegten Vor
aussetzung
deutend
entgegen, der Matrikularbeitrag zum Haushalt des Reiches be
erhöht worden.
Es
sind fern« einzelne Einnahmezweige hinter
demjenigen Maße ihres Erträgniffes, auf welches unter normalen Verhält
nissen zu rechnen sein würde, erheblich zurückgeblieben.
Andererseits sind
neue Bedürfnisse, namentlich zu einer den Interessen des Landes entsprechen den kräftigen Fördemng der noch in großem Umfange notwendigen öffentlichen Bauten bedeutendere Mittel in Anspruch zu nehmen, als sich unter den erwähnten
Verhältniffen darbieten.
Aus diesem Grunde und da gerade in der gegen-
*) Vizepräsident beS Staats-Ministeriums, Staats- und Finanzminister Camphausen.
14*
Drittes Buch. 1871—1881.
212
»artigen Zeit, wo der Verkehr noch
vielfach darnieder liegt,
eine aus
gedehntere Thätigkeit für dem Gebiete des Staatsbauwesens mit besonderem
Nutzen
geübt werden kann, ist eine Verstärkung der verfügbaren Mittel
durch außerordentliche Einnahmen in Aussicht genommen. Neben einem Nachtragsetat für das laufende Verwaltungsjahr werden
Ihnen der Staatshaushalts-Etat für das kommende Jahr und der Entwurf eines Anleihegesetzes vorgelegt werden.
Um die in ihren Grundzügen festgestellte und in 5 Provinzen wesent lich durchgeführte Reform der Verwaltungseinrichtungen zunächst in diesem
Bereiche zum vollen Abschluß zu führen,
ist eine Abänderung der Städte
ordnung für diese Provinzen in Aussicht genommen, durch welche die Ver
waltung der Städte in Bezug auf die Regelung der staatlichen Aufsicht und die Verwaltungsgerichtsbarkeit in das bisher nur für das platte Land zur Geltung gelangte System der Selbstverwaltung eingefügt und
somit ein
weiterer Schritt auf dem Wege der Reform gethan werden soll.
Der Entwurf der Wegeordnung, zwischen
welcher mit Rücksicht auf die in
ergangenen Organisationsgesetze einer Revision unterzogen worden
ist, wird Ihnen wieder vorgelegt werden. Die Mängel der bestehenden,
völlig unzureichenden Gesetzgebung zum
Schutze der Felder und Forsten sind schon längst und immer dringender
worden.
empfunden
Es wird Ihnen eine Vorlage zugehen, welche
im
engen Anschlüsse an das Strafrecht des Reiches, sowie im Einklänge mit
der
veränderten
Zuständigkeit
der
Verwaltungsbehörden
die
einheitliche
Regelung dieser Materie im Sinne eines gesicherten Feld- und Forstschutzes bezweckt.
Die gesetzliche Regelung der Aufbringung der Gemeindeabgaben, welche schon seit langer Zeit als eine ebenso dringende, wie schwierige Aufgabe der Gesetzgebung
erkannt worden ist, hat durch die gesteigerten Anforderungen
an die Leistungen der Kommunen an dringlicher Bedeutung gewonnen. diese Regelung beabsichtigende Gesetzentwurf ist das
Erhebungen und
eingehender Erwägungen:
Sie
Der
Resultat sorgfältiger
werden
demselben
Ihre
besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben. Auf
dem Gebiete der Rechtspflege wird Ihre Thätigkeit vorzugsweise
durch die zur Ausfühmng des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes erforder
lichen Vorlagen in Anspruch genommen werden.
Der im vorigen Jahre nicht zum Abschluß gelangte
Gesetzentwurf
über die Vorbildung für den höheren Verwaltungsdienst wird Ihrer Be
ratung von neuem unterbreitet werden.
Deutsches Reich. 1878.
Meine
Herren!
213
Se. Majestät der Kaiser und König haben bei der
jüngsten Reise durch mehrere Provinzen der Monarchie von neuem Gelegen
heit gehabt, die erhebendsten Kundgebungen der Treue und Ergebenheit aus
allen Kreisen der Bevölkerung entgegenzunehmen und mich zu beauftragen gemht, Allerhöchst Dero freudigem Danke für diese Äußerungen auch an
dieser Stelle Ausdruck zu geben. Die neue Bewährung der innigen Beziehungen zwischen Fürst und
Volk erhöht die Zuversicht, daß es der Regierung Sr. Majestät in ver trauensvoller
die
Gemeinschaft mit der Landesvertretung gelingen werde, auch
mannigfachen Schwierigkeiten der jetzigen Zeit zum dauernden Segen
unseres Volkes zu überwinden.
Im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich hiermit
die Session des Landtags für eröffnet.
116.
Rede ;ur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 6. Februar 1878.
Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mir *) den Auftrag zu erteilen geruht,
die Sitzungen des
Reichstags in
Allerhöchst Ihrem und der verbündeten
Regierungen Namen zu eröffnen.
Ihre Thätigkeit wird in der bevorstehenden Session durch eine Reihe
wichtiger Beratungsgegenstände in Anspruch genommen sein. Der
Entwurf des Reichshaushalts-Etats, welcher Ihnen unverzüglich
zugehen wird, liefert aufs neue den Beweis, daß die unabweislichen finan ziellen Bedürfnisse des ordentlichen Reichshaushalts in stärkerem Maße zu
nehmen, als die Erträgnisse der dem Reiche zugewiesenen eigenen Einnahme quellen.
Den verbündeten Regierungen erscheint es nicht ratsam, die Deckung des Mehrbedarfs durch Erhöhung der Beiträge der einzelnen Staaten herbei zuführen.
Vielmehr weist die finanzielle Gesamtlage Deutschlands auf Ver
stärkung der eigenen Einnahmen des Reiches hin.
In dieser Richtung werden Ihnen Gesetzentwürfe über die Erhebung von Reichsstempelabgaben und die höhere Besteuerung des Tabaks vorgelegt werden. *) Vicepräsident des Staats-Ministeriums, Staatsminister Camphausen.
Drittes Buch. 1871—1881.
214
Soweit die außerordentlichen Ausgaben nicht durch besondere Einnahnien
gedeckt sind, werden, wie im vorigen Jahre, die Mittel auf dem Wege des Kredits
beschaffen
zu
Entwurf
Der
sein.
eines
wird
Anleihegesetzes
Ihnen zugehen.
Zur Ausfüllung einer Lücke in dem Wortlaut der Verfassung
zunächst noch der Beratung des Bundesrats
soll ein
Gesetzentwurf
unterliegender
dienen, welcher die Zulässigkeit einer Vertretung des Reichskanzlers in der Gesamtheit seiner Amtsthätigkeit oder in
einzelnen Zweigen derselben mit
dem Recht der Gegenzeichnung außer Zweifel stellt. Im Anschluß an die Justizgesetzgebung des vergangenen Jahres
Ihnen der Entwurf einer Rechtsanwaltsordnung vorgelegt werden, es sich zur Aufgabe gestellt hat,
den Zutritt zur Ausübung dieses für die
Rechtspflege so wichtigen Berufs jedem dazu Befähigten zu darum die Bürgschaften zu
wird
welcher
eröffnen, ohne
vermindern, welche dem Stande der Rechts
anwälte im Reich bisher seine ehrenvolle Stellung gesichert haben. Die
in dem
gerichtlichen Verfahren geschaffene Einheit
ihrer Ergänzung eine entsprechende Einheit im Kostenwesen.
verlangt zu Hierauf
ge
Fälle
der
richtete Gesetzentwürfe werden Ihnen vorgelegt werden.
Die
im
verflossenen
Jahre
wiederholt
vorgekommenen
Einschleppung von Rinderpest haben, obwohl die rasche Unterdrückung der
Seuche jedesmal gelungen ist, doch das Bedürfnis hervortreten lassen, den bestehenden
Verschärfung
durch
Einfuhrverboten
bestimmungen erhöhte Wirksamkeit zu verleihen.
Mitwirkung
zum
der
bezüglichen
Straf
Voraussichtlich wird Ihre
Erlaß eines hierauf abzielenden Gesetzes in
Anspruch
genommen werden. Die Klagen über die aus der Verfälschung von Lebensmitteln und Gegen
ständen des
täglichen Gebrauchs sich
ergebenden Gefahren haben an die
verbündeten Regierungen die Pflicht herantreten
lassen, Abhilfe durch die
Reichsgesetzgebung zu schaffen. Unter Berücksichttgung
der
in Ihrer letzten
Session bezüglich einer
Revision der Gewerbeordnung laut gewordenen Wünsche sind
zwei Gesetz
entwürfe ausgearbeitet worden, von welchen der eine die rechtlichen Ver
hältnisse zwischen Arbeitgebem und Arbeitem neu zu regeln, der andere die rasche und sachgemäße Erledigung
von
gewerblichen Streitigkeiten
durch
Einsetzung besonderer Gewerbegerichte zu sichem bestimmt ist.
Beide Entwürfe sollen zur Beseitigung von Schwierigkeiten mit welcher der deutsche Gewerbefleiß
bettragen,
bisher zu kämpfen hatte und welche
Deutsches Reich. 1878.
215
bei der leider noch immer fortdauemden ungünstigen Lage der allgemeinen
Berkehrsverhältnisse doppelt lästig erscheinen. Zum Bedauern Sr. Majestät des Kaisers haben die über Erneuerung des Handelsvertrags mit Österreich-Ungarn gepflogenen .Verhandlungen bisher nicht zum Ziele geführt.
Um Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen,
ist der Vertrag bis Ende Juni l. I. verlängert worden.
Hoffentlich wird
es in dieser Frist gelingen, eine Vereinbarung zu stände zu bringen, welche den beiderseitigen handelspolitischen Interessen und dem zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn bestehenden freundnachbarlichen Verhältnis entspricht. Um Sie zur Beurteilung des Ganges dieser Angelegenheit in den
Stand zu setzen, wird eine darauf bezügliche Denkschrift Ihnen vorgelegt werden.
Meine Herren!
Bei der Eröffnung des vorjährigen Reichstags war
die Erwartung noch nicht ausgeschloffen, daß die türkische Regierung aus
eigener Entschließung zur Ausfühmng der Reformen schreiten werde, über welche die europäischen Mächte sich
geeinigt hatten.
auf der Konferenz in Konstantinopel
Diese Erwartung ist nicht in Erfüllung gegangen:
Se.
Majestät der Kaiser hofft jedoch, daß nunmehr ein baldiger Friede die Grundsätze jener Konferenz zur Anwendung bringen und dauernd sicher
stellen werde.
Die verhältnismäßig
geringere Beteiligung der Interessen
Deutschlands im Orient gestattet für die Politik des Reiches eine uneigen*
nützige Mitwirkung an der Verständigung der betheiligten Mächte über
künftige Garantien gegen die Wiederkehr der Wirren im Orient und zu Gunsten der christlichen Bevölkerung.
Inzwischen hat die von Sr. Majestät
dem Kaiser vorgezeichnete Politik ihr Ziel bereits insoweit erreichen können,
als sie wesentlich dazu mitgewirkt hat, daß der Friede zwischen den euro päischen Mächten erhalten worden ist und zu ihnen allen Deutschlands
Beziehungen nicht nur friedliche, sondern durchaus freundschaftliche geblieben sind und mit Gottes Hülfe bleiben werden.
117.
Schreiben Kaiser Wilhelms an Papst Leo XIII. Berlin, den 24. März 1878.
Guilielmus Dei Gratia Imperator et Rex Leoni XIII.,
Summo
Ecclesiae Romano-Catholicae Pontifici Salutem.
Ich habe das Schreiben vom 20. v. M., durch welches Ew. Heiligkeit Mich von Ihrer Erhebung auf den Päpstlichen Stuhl in Kenntnis zu setzen
216
Drittes Buch 1871—1881.
die Güte haben, durch Bermittelung der verbündeten Regierung Sr. Majestät
des Königs von Bayern mit Dank erhalten.
Ich beglückwünsche Sie auf
richtig dazu, daß die Stimmen des heiligen Kollegiums sich auf Ihre Person vereinigt haben, und wünsche Ihnen von Herzen eine gesegnete Regierung der Ihrer Obhut anvertrauten Kirche. Ew. Heiligkeit heben mit Recht hervor, daß meine katholischen Unter thanen gleich den andern der Obrigkeit und
keit
ihren Gesetzen
beweisen, welche den Lehren des gemeinsamen
entspricht.
die Folgsam
christlichen Glaubens
Ich darf in Anknüpfung an den Rückblick, den Ew. Heiligkeit
auf die Vergangenheit werfen, hinzufügen, daß Jahrhunderte hindurch
der
christliche Sinn des deutschen Volkes den Frieden im Lande und den Ge horsam gegen dessen Obrigkeit treu bewahrt hat und für die Sicherstellung dieser wertvollen Güter auch für die Zukunft Bürgschaft leistet.
Gern entnehme Ich den freundlichen Worten Ew. Heiligkeit die Hoffnung, daß Sie geneigt sein werden, mit dem mächtigen Einfluß, welchen die Ver fassung Ihrer Kirche
Ew. Heiligkeit auf alle Diener derselben
dahin zu wirken, daß auch diejenigen unter den letzteren, welche
unterließen,
nunmehr dem Beispiel
gewährt, es bisher
der ihrer geistigen Pflege befohlenen
Bevölkerung folgend, den Gesetzen des Landes, in dem sie wohnen,
sich
fügen werden.
Ich bitte Ew. Heiligkeit, die Versicherung Meiner größten Hochachtung genehmigen zu wollen. Guiliclmus Imperator et Rex.
von Bismarck.
118. Allerhöchster Erlaß. Die That eines auf
Irrwege
geratenen
Menschen'),
welcher an
scheinend nach Meinem von Gottes gnädiger Fügung so lange beschützten
Leben trachtete, hat zu ungemein
zahlreichen Kundgebungen der Treue und
Anhänglichkeit an Mich Veranlassung gegeben,
innig erfreut haben.
Nicht allein
auch vielfach aus dem Auslande,
die Mich tief gerührt und
aus dem ganzen Deutschland, sondern
von Behörden, Korporationen, Vereinen,
von Privatpersonen aller Lebenskreise und aller Lebensalter ist Mir bethätigt worden, daß das Herz des Volkes bei seinem Kaiser und Könige ist und *) Hödel.
Deutsches Reich. 1878.
217
baß es Gutes und Trauriges treu mit ihm empfindet.
Dasselbe Gefühl habe
Ich insbesondere auch hier in jedem Auge gelesen, in welches Ich nach diesem Vorfall gesehen, und Ich bin in der That tief und warm von der würdigen
und erhebenden Art
gerührt worden,
in welcher die Bevölkerung Berlins
Ich
wünsche, daß Jeder, der Mir seine
Mir ihr Mitgefühl gezeigt hat.
auch wissen möge, daß
Theilnahme bethätigte,
wohlgethan hat, und
er damit Meinem
beauftrage Ich Sie zu diesem Zwecke, das
Herzen
Vor
stehende bekannt zu machen. Berlin, den 14. Mai 1878.
Wilhelm.
An den Reichskanzler.
119. Schreiben des Kronprinzen an Papst Leo XHI. Berlin, den 10. Juni 1878.
Ew.
Heiligkeit
für
die
aus
Anlaß des
Attentates vom 2. d. M.
bewiesene Teilnahme Selbst zu danken, ist der Kaiser, leider noch nicht im Stande;
Obliegenheiten sein,
Mein Herr Vater,
gern lasse Ich es daher eine Meiner ersten
an Seiner Statt Ihnen
für den Ausdruck
Ihrer
freundlichen Gesinnung aufrichtig zu danken.
Der Kaiser hatte mit Beantwortung des Schreibens Ew. Heiligkeit vom 17. April gezögert in der Hoffnung, daß vertrauliche Erläuterungen inzwischen
die Möglichkeit gewähren würden, auf den schriftlichen Ausdruck prinzipieller
Gegensätze zu verzichten, welcher sich bei Fortsetzung des Schriftwechsels im Sinne des Schreibens Ew. Heiligkeit vom 17. April nicht vermeiden läßt.
Nach Inhalt des letzteren muß Ich leider annehmen, daß Ew. Heiligkeit die
in
dem Schreiben
Meines
Herrn
Vaters vom 24. März
ausgedrückte
Hoffnung nicht glauben erfüllen zu können, daß Ew. Heiligkeit den Dienern
Ihrer Kirche den Gehorsam gegen
die Gesetze
und gegen die Obrigkeit
ihres Landes empfehlen würden. Dem dagegen in
Ihrem Schreiben vom 17. April ausgesprochenen
Verlangen, die Verfassung und die Gesetze Preußens nach den Satzungen
der römisch-katholischen Kirche abzuändern, wird
kein preußischer Monarch
entsprechen können, weil die Unabhängigkeit der Monarchie, deren Wahrung
Mir gegenwärtig als Mein Land obliegt,
ein Erbe Meiner Väter und als eine , Pflicht gegen eine Minderung erleiden würde, wenn die freie Be
wegung ihrer Gesetzgebung einer außerhalb derselben stehenden Macht unter-
218
Drittes Buch. 1871—1881.
geordnet werden sollte.
Wenn es daher nicht in Meiner, und vielleicht auch
nicht in Ew. Heiligkeit Macht steht, jetzt einen Prinzipienstreit zu schlichten,
der seit einem Jahrtausend in der Geschichte Deutschlands sich mehr als in der anderer Länder fühlbar gemacht hat, so bin Ich doch gern bereit, die Schwierigkeiten,
welche sich aus diesem von den Vorfahren überkommenen
Konflikte für beide Teile
in dem Geiste der Liebe zum Frieden
ergeben,
und der Versöhnlichkeit zu behandeln, welcher das Ergebnis Meiner christ lichen Überzeugungen ist.
Unter der Voraussetzung, Mich mit Ew. Heiligkeit
in solcher Geneigtheit zu begegnen, werde Ich die Hoffnung nicht aufgeben,
daß da, wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch ver
söhnliche Gesinnung beider Teile auch für Preußen den Weg zum Frieden
eröffnen werde, der andern Staaten niemals verschlossen war. Genehmigen
Ew. Heiligkeit den Ausdruck
Meiner persönlichen Er
gebenheit und Verehmng. Friedrich
Wilhelm,
Kronprinz. von Bismarck.
120. Erlaß des Kronprinzen. Kaum der meuchlerischen Hand eines Verblendeten durch Gottes Gnade entgangen, hat des Kaisers und Königs Majestät, Mein Herr Vater, Sich
zum zweitenmale dem Geschosse eines im Versteck lauernden Verbrechers ausgesetzt gefunden. seinen
Der Frevler hat zwar leider! des Zieles nicht gefehlt,
verruchten Zweck aber nicht
erreicht.
Die Schmerzen,
welche die
zahlreichen Wunden verursachten, traten zurück gegen den tiefen Kummer, welcher das landesväterliche Herz des Kaisers und Königs durch die noch am
Abend Seines bisher so reichgesegneten Lebens Ihm nicht ersparte Erfahrung bedrückte, daß im deutschen Volke solche Unthaten in rascher Folge reifen konnten.
Die herzliche Teilnahme indes,
welche sich alsbald in der Ein
wohnerschaft der Residenz zu erkennen gab, die Entrüstung über das Ver
brechen, verbunden mit der innigen Freude über die Errettung aus unmittel
barer Todesgefahr, die Segenswünsche, welche aus allen Kreisen und allen
Teilen des
deutschen Vaterlandes, ja von überall,
selbst in den
wo
im Auslande und
fernsten Weltteilen Deutsche weilen, in Adressen, in sinniger
*) Dr. Nodiling.
Deutsches Reich.
1878.
219
Dichtung und in Telegrammen, in Blumenspenden und ähnlichen Aufmerksam
keiten durch ständische und kommunale Vertretungen, weltliche und kirchliche Korporationen, Behörden, Vereine, Versammlungen, durch Würdenträger und
durch Privatpersonen ohne Unterschied des Standes und des Berufs, des Alters und Geschlechts in wärmster Weise Ausdruck fanden, haben jeden Zweifel
des Kaiserlichen Herrn an der unveränderten Treue und Liebe des deutschen Volkes verbannt, und dessen Überzeugung neu gekräftigt, daß die verderbliche Saat, aus welcher die Frevclthaten entsprossen sind, in dem Pariotismus
der Nation keinen nachhaltigen Boden finden werde.
Se. Maj. der Kaiser
und König, Mein Herr Vater, ist überaus gerührt von den zahlreichen
Beweisen lauterster Anhänglichkeit, welche sich noch täglich mehren, und hat Mir aufgetragen, Allen, nah und fern, welche Ihm das volle Vertrauen
in die Treue und hingebende Gesinnung des Volkes wiedergewährt, Allen, welche durch sympathische Kundgebungen auf Seinem Schmerzenslager Sein
Herz mit wohlthuender Freude erfüllt haben, den innigsten Dank zu sagen. Ich entledige Mich dieser Allerhöchsten Weisung, indem Ich Sie veranlasse, das Vorstehende zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.
Berlin, den 11. Juni 1878.
Friedrich Wilhelm,
Kronprinz. An den Reichskanzler.
121. Rede jur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 9. September 1878.
Geehrte Herren!
Im Allerhöchsten Auftrage
haben seine
Kaiserliche
und Königliche
Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen mich *)
zu
ermächtigen geruht, im Namen der verbündeten Regierungen die Sitzungen
des Reichstags zu eröffnen. . Als die letzte Session geschloffen wurde, befand sich das deutsche Volk noch unter dem Eindrücke der tiefen Erregung, welche ein gegen die Person
Sr. Majestät des Kaisers gerichteter Mordversuchs) hervorgerufen hatte.
Schon wenige Tage darauf hat sich abermals und mit unhellvollerem Erfolge *) Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode als Stellvertreter des Reichskanzlers.
s) Hödels Mordversuch 11. Mai 1878.
Drittes Buch. 1871-1881.
220
die Hand eines Verbrechers gegen das Oberhaupt des Reiches erhoben ’). Gottes Gnade bewahrte zwar auch diesmal das Leben des
Kaisers,
aber
die erlittenen schweren Verwundungen haben Se. Majestät genötigt, bis zur
völligen Genesung Sich der Regierungsgeschäfte zu enthalten und die Wahr
nehmung derselben Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen zu übertragen. Schon nach dem ersten Mordanfall waren die verbündeten Regierungen überzeugt, daß die Frevelthat unter dem Einflüsse der Gesinnungen entstanden
sei, welche durch eine auf Untergrabung
der bestehenden Staats- und Ge
sellschaftsordnung gerichtete Agitation in weiten Kreisen erzeugt und genährt werden.
Sie haben
deshalb
dem
Reichstag
den Entwurf eines Gesetzes
vorgelegt, welches diesen gemeingefährlichen Bestrebungen ein Ziel zu setzen
bestimmt war.
Die Vorlage wurde abgelehnt. Jetzt, wo der ganzen Nation
ein erneutes Verbrechen die dem Reich
und der ganzen bürgerlichen Gesellschaft drohende Gefahr mehr und mehr zum
allgemeinen
Bewußtsein
gebracht hat, werden Sie, geehrte Herren,
durch Neuwahlen zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufen, aufs
zu prüfen haben,
ob
das
neue
bestehende Recht genügende Handhabungen zur
Unschädlichmachung jener Bestrebungen bietet.
Die verbündeten Regierungen
Sie sind nach wie vor der Ansicht,
haben ihre Ueberzeugung nicht geändert.
daß cs außerordentlicher Maßregeln bedarf, um der weitern Ausbreitung des cingerissenen Übels Einhalt zu thun und den Boden für eine allmähliche
Heilung zu bereiten; sie halten ebenso
an der Anschauung
fest, daß die
zu wählenden Mittel die staatsbürgerliche Freiheit im allgemeinen zu schonen und nur dem Mißbrauch derselben entgegenzuwirken haben, mit dem eine
verderbliche
Agitation
die Grundlagen
unseres
staatlichen
und
Kultur
lebens bedroht. Ein von diesen Gesichtspunkten
aus
wird
aufgestellter Gesetzentwurf
Ihnen unverzüglich vorgelegt werden. Die verbündeten Regierungen hegen die Zuversicht, daß die neuge
wählten Vertreter der Natton ihnen die Mittel nicht versagen werden, welche notwendig sind, um die friedliche Entwickelung des Reiches Angriffe ebenso sicher zu stellen, wie gegen äußere.
gegen
innere
Sie geben sich
der
Hoffnung hin, daß, wenn erst der öffentlichen Ausbreitung der unheilvollen Bewegung ein Ziel gesetzt ist, die Zurücksührung der Irregeleiteten auf den richtigen Weg gelingen wird. *) NobilingS Mordversuch, 2. Juni 1878.
Deutsches Reich.
Auf Allerhöchsten Befehl
1878.
221
im
erkläre ich
Namen
der
verbündeten
Regierungen den Reichstag für eröffnet.
122.
Rede jur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 19. November 1878.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Im Allerhöchsten Auftrage haben Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit
der Kronprinz mich *) zu ermächtigen geruht, die Sitzungen des Landtages der Monarchie zu eröffnen. Tief schmerzliche und erschütternde Ereignisse haben seit dem Schluffe
der vorigen Session das Vaterland in der Person Sr. Majestät des Kaisers
und Königs betroffen;
das
teure Leben
Monarchen, zweimal
des
von
Frevlerhand bedroht und gefährdet, ist durch Gottes gnädiges Walten dem Volke erhalten und in fast wunderbarer Weise neu gestärkt worden.
Die Tage der Trübsal und Prüfung aber sind zugleich Tage vater ländischer Erhebung und Bewährung geworden: von neuem hat sich in all seitigen
lebhaften Kundgebungen
offenbart,
daß
das Herz
des Volkes
in
treuer Liebe und Verehmng bei seinem Könige ist. Die Bethätigung dieses patriotischen Geistes, sowie der tiefe und nach
haltige Eindruck jener schweren Erfahmngen gewähren die Zuversicht, daß
es
gelingen werde, die
traurigen
Berirmngen,
zu
deren
äußerer
Ein
schränkung die Reichsgesetzgebung die unerläßlichen Handhaben gewährt hat, durch vertrauensvolles Zusammenwirken aller staatserhaltenden Kräfte, ernster Fürsorge für das
allseitige Gedeihen des Bolles allmählich
in auch
innerlich zu überwinden.
Das innige Band, welches bindet, hat sich
auch
das Volk mit seinem Fürstenhause ver
in dem zuversichtlichen
Vertrauen bewährt,
welches
Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen bei der einst weiligen Fühmng der Regierung von allen Seiten entgegengebracht worden
ist
und welches
Höchstdemselben die Erfüllung der schweren Aufgabe im
Sinne Sr. Majestät des Königs wesentlich erleichtert hat. Die Staatsregiemng nimmt für die beginnende Session Ihre wirkung vor allem zur Lösung
von
Mit
Schwierigkeiten in Anspruch, welche
*) Vizepräsident der Staats-Ministeriums, Graf zu Stolberg-Wernigerode.
222
Drittes Buch. 1871—1881. Zwar hat das
auf dem Gebiete der Finanzverwaltung hervorgetreten sind.
letzte Verwaltungsjahr, wie Sie aus der Ihnen alsbald vorzulegenden Über sicht der Einnahmen und Ausgaben desselben ersehen werden, wiederum noch
einen nicht unerheblichen Überschuß ergeben.
Allein die abermalige Erhöhung
des Matrikularbeitrages für das Reich nimmt diesen Überschuß fast voll
ständig in Anspruch, so daß nur ein geringfügiger Betrag davon für die Ausgaben des nächsten Jahres zur Verfügung bleibt.
dem erhöhten Matrikularbeitrag
Bei diesen Ausgaben ist außer
für das Reich ein beträchtlicher Mehrauf
wand zur Verzinsung der öffentlichen Schuld und für abweisliche Bedürfnisse vorzusehen,
einige andere tut«
während Ersparungen nur in geringem
Umfange thunlich erscheinen, wenn die Schädigung wichtiger Interessen und
die Verkümmerung erfreulicher Entwickelungen vermieden werden soll. Große einmalige Einnahmen, wie sie in den diesjährigen Etat ein
gestellt
werden konnten,
sind
für das
nächste Jahr auch
nähernder Höhe nicht vorhanden, die regelmäßigen
nur
in
an
Einnahmequellen des
Staates aber lassen unter dem leider noch fortdauernden Dmck, der so lange
schon auf fast allen Gebieten der Erwerbsthätigkeit lastet,
ein irgend ins
Gewicht fallendes Mehrerträgnis nicht in Aussicht nehnten.
Die Einnahmen
reichen daher auch zur Deckung der ordentlichen Ausgaben nicht hin.
Die zur notwendigen baldigen Beseitigung dieses Mißverhältnisses er forderlichen Mittel werden auf dem dem Reiche überwiesenen Gebiete der Besteuerung zu suchen und, wie die Staatsregierung fest vertraut, zu finde»
sein; — bis dahin aber wird es nötig sein, die zur Ergänzung der Ein nahmen des nächsten Staatshaushalts-Etats erforderlichen Mittel im Wege
der Anleihe zu beschaffen.
Der nach
diesen Gesichtspunkten
ergänzendes besonderes Anleihegesetz
aufgestellte Etat und ein denselben
werden Ihnen unverzüglich vorgelegt
werden. In der Etatsaufstellung kommen mehrere Änderungen in den Ressort
verhältnissen der Ministerien
zum Ausdruck, deren Bedürfnis schon seit
längerer Zeit hervorgetreten war.
Die bedeutende Zunahme einzelner Ge
schäftszweige, die dadurch hervorgerufene übermäßige Belastung der betreffenden
Ministerien und die
Erwägung, daß gleicharttge Angelegenheiten richttger
unter gemeinsamer Leitung zu vereinigen sind, haben dahin geführt, mit einer veränderten Einteilung vorzugehen. Insoweit durch diese Veränderungen
die anderweittge Regelung
einzelner gesetzlicher Kompetenzbestimmungen be
dingt ist, wird Ihnen ein darauf bezüglicher Gesetzentwurf vorgelegt werden.
Die Vorarbeiten für die Weiterführung der Reform der innern Ber-
223
Deutsches Reich 1878.
waltungseinrichtungen haben infolge der Aufgaben von unmittelbarer Dring
lichkeit, welche die Staatsregierung seit dem Frühjahre ununterbrochen in Anspruch genommen haben, bisher nicht soweit gefördert werden können, daß Ihnen in der gegenwärtigen Session weitere Vorlagen darüber zugehen könnten; die Durchführung des bedeutsamen Reformwerkes für die gesamte
Monarchie
gehört jedoch
nach wie vor zu den nächsten Zielen, welche die
Staatsregierung im Zusammenwirken mit der Landesvertretung zu erreichen hofft.
Der Gesetzentwurf, betreffend die Aufbringung der Gemeindeabgaben,
welcher in der vorigen Sitzung nicht zum Abschluß gelangte, ist, unter wesent licher Berücksichtigung der bei der Kommissionsberatung des Abgeordneten hauses hervorgehobenen Gesichtspuntte, neu bearbeitet worden und wird der
Beschlußfassung des Landtags wiedemm unterbreitet werden. Das Interesse der Verwaltung erfordert immer dringlicher die Fest
stellung der Bestimmungen in betreff der Vorbildung für den höheren Ver waltungsdienst; der darauf bezügliche Gesetzentwurf wird Ihnen von neuem
vorgclcgt werden. Die Reform der sächsischen Domstifter wird Sie wiederum beschäftigen.
In hervorragendem Maße wird Ihre Thätigkeit auf dem Gebiete der Rechtspflege durch eine Reihe von Gesetzentwürfen in Anspruch genommen
werden, welche die Ausführung und Ergänzung der am 1. Oktober kommenden
Jahres in Kraft tretenden deutschen Justizgesetze bezwecken. Die durch diese Gesetze angeordnete Aufhebung der Universitätsgerichts
barkeit macht eine gleichzeitige Neuordnung der Rechts- und Disciplinar ein darauf be
verhältnisse der Sttldierenden notwendig.
Es wird Ihnen
züglicher Gesetzentwurf vorgclcgt werden.
Die Bestimmungen desselbm sind
dem im vorigen Jahre ausgearbeiteten Entwürfe des Unterrichtsgesetzes ent nommen, dessen weitere Beratungen im Laufe des letzten Jahres teils wegen
der Schwierigkeiten vielfacher dabei zu erledigender wichtigen Fragen, teils
aus äußeren Gründen nicht soweit haben gefördert werden können, um den
vollständigen Entwurf Ihrer Beschlußnahme schon in dieser Sitzungsperiode zu unterbreiten.
Die Staatsregierung ist
sich
jedoch
ihrer Verpflichtung,
denselben mit allen Kräften auch ferner zu fördern, vollständig bewußt. jetzt darf sie
Schon
freilich ihre Überzeugung dahin aussprechen, daß auf dem
jenigen Gebiete, auf welchem
die Neuregelung der gegenwärtig bestehenden
Verhältniffe am dringlichsten ist, dem der Unterhaltting der öffentlichen Volks
schulen, eine befriedigende Lösung der Aufgabe nicht ohne sehr erhebliche finanzielle Mehraufwendungen des Staates möglich sein wird, für tvclche die Mittel neu zu beschaffen sind.
224
Drittes Buch. 1871—1881. Die gewerblichen Interessen nehmen fortgesetzt die volle Aufmerksamkeit
der Regierung in
Anspruch.
Von der Förderung und Neugestaltung des
gewerblichen Unterrichtswesens, wie von der Unterstützung der auf dem Gebiete
der Kunstindustrie hervortretenden Bestrebungen, welche die Regierung sich
angelegen sein läßt, —
darf ein günstiger Einfluß auf die Hebung der
Industrie erwartet werden.
Um die vaterländische Produktion nachhaltig zu steigern und die Aus führung zweckmäßiger Unternehmungen im Interesse des Verkehrs und der Landeskultur durch genossenschaftliche Vereinigung der Beteiligten und durch eine auf angemessenen Bedingungen beruhende Zuführung reichlicherer Geld
mittel zu befördern, ist es erforderlich, die bestehende Gesetzgebung über
die Bildung von Meliorationsgenossenschaften weiter auszubilden und gleich
zeitig die Errichtung provinzieller Landeskultur-Rentenbanken nach gesetzlichen Normen
anzubahnen.
Über beide Gegenstände werden Gesetzvorlagen an
Sie gelangen. Im Interesse der Landeswohlfahrt erweist sich eine kräftigere Zusammen fassung und Ordnung des Eisenbahnwesens, sowie die Ergänzung des vater
ländischen Eisenbahnnetzes in verschiedenen Teilen erläßlich.
des
Staates als un
Sofern, wie gehofft wird, die behufs demnächstiger Überführung
wichtiger Aktien-Eisenbahn-Unternehmungen
in die Hände des Staates und
für den Bau einiger besonders dringlicher Eisenbahnlinien eingeleiteten Vor arbeiten bei Zeiten zum Abschluß gelangen, wird Ihnen eine desfallsige Vor lage zugehen.
Für die im Berkehrsinteresse
erwünschte nachdrückliche Verbesserung
der öffentlichen Wafferstraßen ist die Verwendung weiterer außerordentlicher Mittel in Aussicht genommen.
Die in der vorigen Session nicht erledigte Gesetzvorlage über
den
Schutz der Felder und Forsten wird Ihnen mit einigen, zumeist dem Er
gebnis Ihrer Beratungen entsprechenden Änderungen wieder zugehen. Meine Herren! Ungeachtet der durch die Verhältniffe gebotenen Ein
schränkung
auf die dringendsten Aufgaben ist Ihnen wiederum
mannigfacher Thätigkeit Staatslebens eröffnet.
für
eine
ersprießliche
Mögen Ihre
Entwickelung
des
ein Feld innern
Beratungen unter dem Walten des
patriotischen Geistes, der sich in dieser schweren Zeit so lebhaft bethätigt hat,
dem Vaterlande zum Segen gereichen!
Deutsches Reich 1879.
225
123. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 12. Februar 1879.
Geehrte Herren! Indem Ich Sie willkommen heiße, drängt es Mich,
auch von dieser
Stelle Meinen Dank für Gottes Gnade zu wiederholen, die Mich in Gefahr beschirmt und von schweren Leiden geheilt hat.
Sohne,
dem Kronprinzen, nochmals
Ich spreche zugleich Meinem
Meine Anerkennung seiner Führung
der Regierungsgeschäste aus und danke Ihnen, geehrte Herren, für die Unter stützung, welche Sie den Verbündeten Regierungen gewährt haben, um im
Wege des Gesetzes einer gegen die Grundlagen unseres staatlichen Kultur
lebens gerichteten Agitation Einhalt zu thun. die Zukunft in
gleichem Maße
Ich darf demnach auch für
auf Ihre Mitwirkung rechnen, soweit die
Heilung unserer sozialen Schäden sich als unvollendet erweisen sollte.
Die verbündeten Regierungen beraten über die Mittel, welche die Ge
setzgebung zu gewähren vermag, um Übelstände, unter denen wir auf wirt
schaftlichem Gebiete leiden, zu heben oder zu mindern.
Die Vorschläge, welche Ich Meinen Bundesgenossen teils gemacht habe, teils zu machen beabsichttge,
haben zunächst den Zweck, durch Beschaffung
neuer Einnahmequellen für das Reich die einzelnen Regierungen
in den
Stand zu setzen, daß sie auf Forterhebung derjenigen Steuern zu verzichten
vermögen, welche sie und ihre Landesvertretungen als die am schwersten aufzubringenden erkennen.
Zugleich bin Ich der Meinung, daß unsere wirt
schaftliche Thätigkeit in ihrem gesamten Umfange auf diejenige Unterstützung
vollen Anspruch hat, welche die Gesetzgebung über Steuern und Zölle ihr zu gewähren vermag, und in den Ländem, mit denen wir verkehren, viel leicht über das Bedürfnis hinaus gewährt.
Ich halle es für Meine Pflicht,
dahin zu wirken, daß wenigstens der deutsche Markt der nattonalen Pro duktion insoweit erhalten werde,
als dies mit unseren
Gesamtintereffen
verträglich ist und daß demgemäß unsere Zollgesetzgebung den bewährten Grundsätzen wiedemm näher trete, auf welchen die gedeihliche Wirksamkeit des Zollvereins fast ein halbes Jahrhundert bemht hat, und welche in unserer
Handelspolitik seit dem Jahre 1865 in wesentlichen Teilen verlassen worden
sind.
Ich vermag nicht zu erkennen, daß thatsächliche Erfolge dieser Wen
dung unserer Zollpolittk zur Seite gestanden haben.
Die Vorlagen in der
angedeuteten Richtung werden, insowett und sobald die Einigung der verDreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
15
Drittes Buch. 1871—1881.
226
Kündeten Regierungen über dieselben stattgefunden haben wird, Ihrer Be schlußnahme unterbreitet werden.
Für den bisherigen Reichshaushalts-Etat, welcher Ihnen ungesäumt
zugehen wird, haben neue Einnahmequellen noch nicht in Aussicht genommen werden können, und es ist daher, um den Etatsbeschluß bis zum 1. April
zu ermöglichen, die Deckung der Bedarfsziffer durch Matrikularumlagen in
Ansatz zu bringen gewesen.
Ich darf hoffen, daß noch während Ihrer dies
jährigen Session Ihnen die Vorschläge der verbündeten Regierungen über
Ersetzung der Matrikularbeiträge durch andere Einnahmequellen werden zu gehen können.
Als einen dringlichen Gegenstand Ihrer Verhandlungen darf Ich den am 16. Dezember vorigen Jahres mit Österreich abgeschlossenen Handels
vertrag bezeichnen, welcher Ihrer Genehmigung bedarf.
Die Verträge, durch welche der zu Bern 1874 begründete allgemeine Postverein befestigt und, im Abschlüsse seines Grundgedankens, der Gesamtzeit der
Verkehrsländer zugänlich gemacht worden ist, werden Ihnen zur Genehmigung zugehen.
Ebenso wird der Gesetzentwurf gegen Verfälschung der Lebensmittel
Ihrer Beratung von neuem unterbreitet werden und werden die Entwürfe
zur Ergänzung der Justizgesetze Ihrer Beschlußfassung unterliegen. Um dem Reichstag die Möglichkeit zu gewähren, die Ehre der Mit bürger,
welche dem Reichstag nicht angehören, gegen die Ausschreitungen
einzelner Mitglieder zu schützen und seiner eignen Autorität da, wo sie ver
kannt wird, vollen Nachdruck zu gewähren, haben die verbündeten Regierungen
zu Ihrer Beschlußnahme
einen Gesetzentwurf vorgelegt, durch dessen An
nahme die verfassungsmäßigen Befugnisse des Reichstags, nach Artikel 27 seine Disziplin selbst^ zu regeln, eine erweiterte gesetzliche Unterlage gewinnen
würden. Die beunruhigenden Nachrichten über den Ausbruch der Pest int Osten
Europas haben uns in
die bedauerliche Notwendigkeit gesetzt, Vorsichts
maßregeln zu treffen, welche dem Verkehr lästig fallen.
Die jüngsten Nach
richten geben der Hoffnung Raum, daß die baldige Unterdrückung der Krank
heit wenigstens in Rußland den energischen Vorkehmngen der Kaiserlich russischen Behörden gelingen werde.
Sobald
sich
dies bestätigt,
wird der
Grenzverkehr sofort wieder auf den, den politischen Beziehungen beider befreundeten Länder enffprechenden nachbarlichen Fuß gesetzt werden.
Die Ungewißheit, in welcher die Schlußbestimmung von Artikel V des Prager Friedens von
1866 die Zukunft der Einwohner der nördlichen
Distrikte von Schleswig erhielt, hat Mich, nachdem die Lösung dieser Frage
Deutsches Reich. 1879.
227
in wiederholten Unterhandlungen mit Dänemark nicht gelungen war, ver anlaßt, mit Se. Majestät dem Kaiser von Österreich und König von Ungarn
in Verhandlung über eine Abänderung jenes Artikels zu treten.
Den gegen
wärtigen freundschaftlichen Beziehungen beider Reiche entsprechend, ist eine
Vereinbarung beider Höfe in dem gewünschten Sinne zu stände gekommen und am 11. Januar dieses Jahres ratifiziert worden, deren Wortlaut zu Ihrer Kenntnis mitgeteilt werden wird.
Die Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Krieges im Orient, die Ich beim Beginn der letzten ordentlichen Session aussprach, hat sich erfüllt,
und es ist den im vorigen Sommer versammelten Vertretern der Groß mächte gelungen, sich über Anordnungen zu verständigen, von deren Durch-
führung der Schutz
der Christen, die Sicherung der Ruhe im türkischen
Reiche und die Wahrung des Friedens der Mächte Europas zu erwarten ist.
Die durch den Berliner Vertrag bekräftigten friedlichen Beziehungen
der auswärtigen Mächte zu Deutschland und unter einander zu fördern, soll auch semer die Aufgabe sein und bleiben, in deren Dienst Ich die große
Macht, welche Deutschland durch seine Einigung gewonnen hat, verwenden will, soweit sie in Meine Hand gelegt ist.
Wenn Mir Gott die Erfüllung
dieser Aufgabe gewährt, so will Ich mit dem dankbaren Gefühle, daß Meine Regierung bisher eine reich gesegnete sei, auch auf die schweren Erfahrungen
des letzten Jahres zurückblicken.
124. Rede;um Schluß des Landtags, Freitag, den 21. Februar 1879.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich *) zu beauftragen ge
ruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.
Die Session, welche hiermit zu Ende geht, und die Legislaturperiode, welche in diesem Jahre abläuft, waren
von dringenden Aufgaben der Ge
setzgebung, namentlich im Zusammenhänge und in Wechselwirkung mit den neuen Gestaltungen und Entwickelungen auf dem Boden der Gesetzgebung
des Reiches, in Anspruch genommen. Die zahlreichen und schwierigen Ausführungsgesetze zur deutschen Ge*) Bicepräsident des StaatS-MinisteriumS, Graf zu Stolberg-Wernigerode.
15*
Drittes Buch. 1871—1881.
228
richtsverfafsung sind durch die sorgfältige und umsichtige Behandlung, welche denselben in den Kommissionen und in der Plenarberatung der beiden Häuser gewidmet worden ist, soweit zur Vereinbarung gelangt, daß es gelingen wird,
die bedeutsame Reform, die umfassendste, welche auf dem Gmnde der na tionalen Gemeinschaft bisher ins Leben gemfen
worden ist, innerhalb der
preußischen Monarchie in allen ihren Teilen rechtzeitig zur Durchführung zu
bringen.
Die mannigfachen, unvermeidlichen Schwierigkeiten, mit Übergang in
welchen der
die neuen Verhältnisse für den Richterstand verknüpft ist,
werden durch thuulichste Schonung und Rücksichtnahme, soweit möglich, über wunden oder gemildert werden.
Auch
auf andern Gebieten der Gesetzgebung sind erwünschte Erfolge
erreicht worden.
Unter allseitigem Entgegenkommen ist das Gesetz vereinbart
worden, durch welches für die Heranbildung der höheren Verwaltungsbeamten
wieder eine feste Grundlage gewonnen ist. Auch die Interessen der Landeskultur haben durch die Ergebnisse dieser Session eine dankenswerte Förderung er fahren.
Bei den Beratungen des Staatshaushalts-Etats,
welche mit Rücksicht
auf die Schwierigkeiten der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse eine erhöhte Sorgfalt in Anspruch genommen und gefunden haben, ist nicht bloß
ein Einverständnis in Bezug auf die Deckung des unmittelbaren finanziellen
Bedarfs erzielt, sondern auch vermöge des Einvernehmens über die leitenden Gesichtspunkte der preußischen Finanzpolitik in ihrem notwendigen Zusammen
hänge mit dem Finanzwesen des Reiches der wünschenswerten Verständigung
auf dem Gebiete der Reichspolitik vorgearbeitet worden.
Die Staatsregie
rung erblickt hierin ein günstiges Vorzeichen für die Erfüllung der Aufgaben
wirtschaftlicher Reform, welche sie als eine der Bedingungen der gedeihlichen
Entwickelung und Hebung der Volkswohlfahrt
erkennt und für welche sie
ihre volle Kraft auch im Reiche einzusetzen entschloffen ist. Indem ich den beiden Häusern
des Landtags die Anerkennung Sr.
Majestät des Kaisers und Königs für ihre erfolgreiche Thätigkeit ausspreche, füge ich den Ausdruck der Hoffnung hinzu,
daß die Staatsregierung dem
nächst auch für die weiteren Aufgaben der Befestigung und gesunden Ent
wickelung unserer Institutionen eine bereitwillige und vertrauensvolle Unter stützung in der Landesvertretung finden werde.
Im Merhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs er
kläre ich die Session des Landtags der Monarchie für geschloffen.
Deutsches Reich. 1879.
229
125. Deutsch-Österreichischer Bündnisvertrag, DienStag, den 7. Oktober 1879.
Die Regierungen Deutschlands und der österreichisch-un-
garischenMonarchie haben sich zu der Veröffentlichung ihres am 7. Ok
tober 1879 abgeschloffenen Bündnisses entschlossen, um den Zweifeln ein Ende zu machen, welche
an den rein defensiven Intentionen desselben auf
verschiedenen Seiten gehegt und zu verschiedenen Zwecken verwertet werden. Beide verbündete Regierungen sind in ihrer Politik von dem Bestreben ge-
leitet, den Frieden zu
erhalten und Störungen desselben nach Möglichkeit
abzuwehren; sie sind überzeugt, daß die Bekanntgabe des Inhalts ihres
Bündnisvertrages jeden Zweifel hierüber ausschließen wird und haben des halb beschlossen, denselben zu veröffentlichen. *)
Der Text lautet:
In Erwägung, daß Ihre Majestäten der Deutsche Kaiser, König von Preußen, und der Kaiser von Österreich, König von Ungarn, es als Ihre unabweisliche Monarchenpflicht erachten müssen, für die Sicherheit ihrer Reiche und
die Ruhe Ihrer Völker unter
allen
Umständen Sorge zu tragen;
In Erwägung, daß beide Monarchen, ähnlich wie in dem früher bestan denen Bundesverhältnisse, durch festes Zusammenhalten beider Reiche, im stände sein werden, diese Pflicht leichter und wirksamer zu erfüllen;
In Erwägung schließlich, daß ein inniges Zusammengehen von Deutsch land und Österreich-Ungarn niemanden bedrohen kann, wohl aber geeignet ist, den durch die Berliner Stipulationen geschaffenen europäischen Frieden
zu konsolidieren,
haben Ihre Majestäten der Kaiser von Deutschland und
der Kaiser von Österreich, König von Ungarn, indem Sie Einander feierlich versprechen, daß Sie Ihrem rein defensiven Ab kommen eine aggressive Tendenz nach keiner Richtung jemals beilegen wollen, einen Bund des Friedens und der gegenseitigen Verteidigung zu knüpfen
beschlossen. Zu diesem Zwecke haben Allerhöchst Dieselben zu Ihren Bevollmäch tigten ernannt: Se. Majestät der Deutsche Kaiser Allerhöchst Ihren
außerordentlichen
und
bevollmächtigten
Bot
schafter, Generallieutenant Prinzen Heinrich VII. Reuß rc. rc. ’) Die Veröffentlichung erfolgte am 3. Februar 1888.
Drittes Buch. 1871—1881.
230
Se. Majestät der Kaiser von Österreich, König von Ungarn,
Merhöchst Ihren Wirklich Geheimen Rat, Minister des Kaiser
lichen Hanfes und
des Äußern, Feldmarschall-Lieutenant Julius
Grafen AndrLssy von Csik-Szent-Kiraly und Kraszna-Horka rc. rc., welche sich zu Wien am heutigen Tage vereinigt haben und nach Austausch
ihrer
gut und
genügend
befundenen
übereingekommen
Vollmachten
sind,
wie folgt:
Artikel I. Sollte wider Verhoffen und gegen den aufrichtigen Wunsch der beiden
Hohen Kontrahenten
eines
der beiden Reiche von Seiten Rußlands an
gegriffen werden, so sind die Hohen Kontrahenten verpflichtet, Einander mit
der gesamten Kriegsmacht Ihrer Reiche beizustehen und demgemäß den Frieden
nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen. Artikel II. Würde
Einer der Hohen kontrahierenden Teile von einer anderen
Macht angegriffen werden, so verpflichtet sich hiermit der andere Hohe Kon trahent, dem Angreifer
gegen Seinen Hohen Verbündeten nicht nur nicht
beizustehen, sondern mindestens
eine wohlwollende neutrale Haltung gegen
den Hohen Mitkontrahenten zu beobachten.
Wenn jedoch in solchem Falle die angreifende Macht von feiten Ruß lands, sei es in Form einer aktiven Kooperation, sei es durch militärische
Maßnahmen, welche den Angegriffenen bedrohen,
unterstützt werden sollte,
so tritt die im Artikel I dieses Vertrages stipulierte Verpflichtung des gegen seitigen Beistandes mit voller Heeresmacht auch
in diesem Falle sofort in
Kraft, und die Kriegführung der beiden Hohen Kontrahenten wird
auch
dann eine gemeinsame bis zum gemeinsamen Friedensschluß.
Artikel III.
Dieser Vertrag soll in Gemäßheit seines friedlichen
Charakters und
um jede Mißdeutung auszuschließen, von beiden Hohen Kontrahenten geheim gehalten und einer dritten Macht nur im Einverständnisse beider Teile und
nach Maßgabe spezieller Einigung mitgeteilt werden. Beide Hohe Kontrahenten geben Sich nach den bei der Begegnung in
Alexandrowa ausgesprochenen Gesinnungen des Kaisers Alexander der Hoff nung hin, daß die Rüstungen Rußlands sich
als
bedrohlich für Sie in
Wirklichkeit nicht erweisen werden, und haben aus diesem Gmnde zu einer Mitteilung für jetzt keinen Anlaß, — sollte sich aber diese Hoffnung wider
Deutsches Reich.
231
1879.
Erwarten als eine irrtümliche erweisen, so würden die beiden Hohen Kon
trahenten es als eine Pflicht der Loyalität erkennen, den Kaiser Alexander mindestens vertraulich darüber zu verständigen, daß Sie einen Angriff auf
Einen von Ihnen als gegen Beide gerichtet betrachten müßten.
Urkund
dessen
haben
die Bevollmächtigten
diesen
Vertrag
eigen
händig unterschrieben und ihre Wappen beigedrückt.
Geschehen zu Wien, am 7. Oktober 1879.
H. VII P. Reuß. (L. 8.)
Andrüssy. (L. 8.)
126. Thronrede ;nr Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 28. Oktober 1879.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Indem Ich die Gesamtvertretung der Monarchie nach Erneuerung des
Hauses der Abgeordneten wiederum begrüße, ist es Mir Bedürfnis, noch mals den Gefühlen innigen Dankes Ausdruck zu geben für die Beweise der
Teilnahme, Gottes
welche Mir und Meiner Gemahlin bei Gelegenheit des durch
Gnade
im Frühjahr
begangenen Festes *) aus allen Kreisen des
Volkes, zugleich unter reicher Bethätigung des Patriotismus, gewidmet worden
sind.
In jenen Kundgebungen habe Ich
Erweisen der Liebe und Treue,
ebenso
wie in den mannigfachen
die Mir neuerdings in verschiedenen Pro
vinzen der Monarchie zu teil geworden sind, eine erhebende Bestätigung der Überzeugung gefunden, daß unter allem Wandel der Zeiten das innige Band zwischen Fürst und Volk, auf welchem das Erblühen der preußischen
Monarchie von jeher bemht hat, in alter Festigkeit besteht und eine weitere
gesegnete Entwickelung verbürgt. Die Finanzlage und der Staatshaushalt werden infolge der Mehr einnahmen,
welche auf Grund der Steuerreform im Reiche aus
den Er
trägen der Zölle und der Tabaksteuer den einzelnen Staaten zufließen sollen,
im Laufe der nächsten Jahre allmählich leichterungen erfahren.
erhebliche Veränderungen und Er
Dieselben konnten jedoch bei der Aufstellung des Etats
für das nächste Jahr noch nicht von entscheidender Bedeutung sein.
Wenn
auch aus den Erträgen der Reichssteuem eine nicht unbeträchtliche Mehr*) Goldene Hochzeit, am 11. Juni.
232
Drittes Buch. 1871-1881.
einnahme schon für das nächste Jahr in Aussicht genommen werden kann,
so wird doch die augenblickliche Finanzlage noch wesentlich durch die Nach wirkung der seitherigen Verhältnisse bestimmt. Im letzten Verwaltungsjahre haben die Einnahmen zur Bestreitung
der Ausgaben nicht hingereicht.
Auch
ist eine Erhöhung des Matrikular-
beitrags für das laufende Jahr notwendig geworden. Bei dem auf den meisten Gebieten der Erwerbsthätigkeit fortdauernd
lastenden Drucke haben die Ausgabebedürfnisse des Staates in den regel
mäßigen Einnahmen des nächsten Jahres ihre Deckung nicht vollständig finden können.
Die zur Ergänzung erforderlichen Mittel werden
Wege der Anleihe zu beschaffen sein.
wiedemm
im
Die darauf bezüglichen Gesetze werden
Ihnen mit dem Staatshaushalts-Etat unverzüglich vorgelegt werden.
Meine
Regiemng hegt die Zuversicht, daß Sie ihr bereitwillig helfen werden, die
Schwierigkeiten der jetzigen Übergangszeit zu überwinden, des Übergangs, so Gott will, zu einer Zeit neuen wirtschaftlichen und finanziellen Aufschwungs.
In Erfüllung der dem Landtage während der vorigen Session erteilten Zusage wird Ihnen alsbald der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt werden,
welches die Verwendung der dem Staatshaushalte aus
dem Ertrage der
Reichssteuern zufließenden Mehreinnahmen zu Klaffen- und Einkommensteuer-
Erlassen, vorbehaltlich anderweitiger, mit Zustimmung des Landtags darüber
zu treffender Verfügungen, zu regeln besttmmt ist.
Eine durchgreifende Reform der direkten Besteuerung wird bis zu einer günsttgeren Gestaltung der Finanzlage vorzubehalten sein.
Um aber eine für viele Gemeinden dringend wünschenswerte Erleichte rung ihres Haushaltes durch Erweiterung ihrer Einnahmequellen
eintreten
zu lassen, wird Ihnen die Einführung einer Steuer vom Ausschank geistiger
Getränke und vom Kleinhandel mit Branntwein vorgeschlagen werden.
Der Entwurf dieses Gesetzes, von welchem zugleich eine heilsame Gegen wirkung gegen den in wirtschaftlicher und sittlicher Hinsicht bedenklichen An drang
zu derarttgen Geschäften erwartet werden darf, sowie ein fernerer
Gesetzentwurf wegen Besteuerung des Wanderlagerbetriebes zu gunsten der Kommunen wird Ihnen demnächst zugehen.
In hervorragender Weise wird Ihre Mitwirkung auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens in Anspruch genommen werden.
Durchdmngen von der
Überzeugung, daß nur im Wege entschlossener Durchführung des Staats eisenbahnsystems
die Eisenbahnen der öffentlichen Wohlfahrt mit solchem
Nachdruck und Erfolge dienstbar gemacht werden können, wie dies die Inter
essen des Landes mit wachsender Stärke erheischen, hat Meine Regiemng
Deutsches Reich. 1879. mehrere Verträge
vereinbart,
233
welche die Überführung
wichtiger Aktien-
Eisenbahn-Unternehmungen in die Hände des Staates zum Gegenstand haben. Dieselben werden alsbald Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden.
Wesent
lich vermöge der von ihr eingeschlagenen Schritte ist die Regiemng in den Stand gesetzt, Ihnen zugleich die Ausführung neuer Eisenbahnlinien durch
die Hand oder doch mit Unterstützung des Staates vorzuschlagen — dazu
bestimmt, wichtige Landesteile aufzuschließen und mit dem vaterländischen Eisenbahnnetze in Verbindung zu bringen.
Auch die Verbesserung der Wasserstraßen bildet den Gegenstand gelegentlichster Fürsorge Meiner Regierung.
an
In einer ausführlichen Denk
schrift werden Ihnen die Ziele dargelcgt werden, welche die Regierung in
planmäßigem Vorgehen bei der Regulierung der 5 Hauptströme, des Rheins, der Weser, der Elbe, der Oder und der Weichsel ins Auge gefaßt hat, und
welche Gesamtmitkel dafür erforderlich sind.
Die weitere Durchführung
der Verwaltungsreform erfordert Abände
rungen in der Einrichtung der höheren Verwaltungsbehörden, deren gleich
zeitige Einführung in dem gesamten Umfange der Monarchie zur Herstellung
einer gleichmäßigen Organisation der allgemeinen Landesverwaltung geboten erscheint.
Nicht minder bedarf es der Ausdehnung der Verwaltungs-Gerichts
barkeit und der Vorschriften über die Zuständigkeit
und das Verfahren der
Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsbehörden auf das ganze Staats
gebiet.
Dieselbe
wird bedingt durch eine Revision der bezüglichen Gesetze,
welche unter Aufrechterhaltung der Grundlagen derselben die bei ihrer Hand habung hervorgetretenen Mängel beseitigt.
In den Gesetzentwürfen, welche
behufs Erreichung dieser Ziele Ihnen zur Beschlußfassung zugehen werden,
sind zugleich Übergangsbestimmungen
vorgesehen, um die Wirksamkeit der
neuen Einrichtungen in denjenigen Landesteilen sicher zu stellen,
welche der
Verwaltungsreform entsprechende Kreis- und Provinzialordnungen noch nicht
besitzen.
Den Erlaß der letzteren unausgesetzt zu fördern, wird Meine Re
giemng sich angelegen sein lassen.
Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aufbringung der Gemeinde abgaben, deffen Vereinbarung durch die Ausdehnung der Verwaltungsreform
erleichtert, aber auch um so dringlicher wird, soll Ihnen von neuem vor gelegt werden. Meine Regiemng ist bestrebt gewesen, die durch die neue Organisation
der Gerichte und
die Einfühmng des neuen Prozeßverfahrens bedingten
umfangreichen und vielseitigen Arbeiten so zu fördem, daß die am 1. Ok tober dieses Jahres in Kraft getretenen Reichsjustizgesetze und die dieselben
Drittes Buch.
234
1871—1881.
ergänzenden Landesgesetze einen geebneten Boden fanden.
Die neuen Ge
richte haben ihre Thätigkeit sofort zu beginnen vermocht.
Das erstrebte
Ziel einheitlicher Handhabung der Rechtspflege ist damit erreicht und so die
große nationale Aufgabe,
ein einheitliches deutsches
Recht herbeizuführen,
ihrem Abschlüsse wesentlich näher gebracht. Der Entwurf einer für die ganze Monarchie bestimmten Jagdordnung, welcher den Mängeln der bestehenden Jagdpolizeigesetze Abhilfe verschaffen
soll, wird Ihnen im Laufe Ihrer Beratungen zugehen. Die auch
in der vorigen Session nicht erledigte Vorlage über den
Schutz der Felder und Forsten
wird erneut ein Gegenstand Ihrer Be
ratungen sein. Meine Herren!
Indem Ihnen hiermit
wiederum ein ausgedehntes
Feld wichtiger und mühevoller Arbeit eröffnet ist, darf Ich das Vertrauen hegen,
daß
Sie
Meiner Regierung bereitwillige
Unterstützung gewähren
werden, um nächst der allgemeinen Aufgabe der Gesetzgebung besonders das
Werk wirtschaftlicher
Neugestaltung, welches
durch (die
Reichsgesetzgebung
hoffnungsvoll angebahnt ist, auch auf dem Boden der preußischen Staats
einrichtungen im Interesse aller Vollskreise erfolgreich durchzuführen.
In der versöhnlichen Wirkung solchen gemeinsamen Strebens wird sich um so leichter auch der Ausgleich mancher Gegensätze finden lassen. Es ist Mein
sehnlicher
Frieden, der Mir dringend
Wunsch, daß die
beginnende
Session den
am Herzen liegt, auch im Innern nach allen
Richtungen fördere und dadurch eine segensvolle Bedeutung
Das
gewinne.
walte Gott!
127.
Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 12. Februar 1880.
Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser und König
haben mir') den Auftrag
zu
erteilen geruht, die Sitzungen des Reichstags zu eröffnen.
Der Entwurf des Reichshaushalts-Etats wird Ihnen unverweilt vor gelegt werden.
Er ist unter Berücksichttgung der finanziellen Erträgnisse
aufgestellt, welche die im verflossenen Jahre unter Ihrer Zustimmung
vor
genommenen Reformen im nächsten Etatsjahre voraussichtlich ergeben werden. *) Graf Stolberg-Wernigerode als Vertreter des Reichskanzlers.
235
Deutsches Reich. 1880.
Zugleich ist sorgsam darauf Bedacht genommen worden, die Ausgaben des
Reichs in den Grenzen zu halten,
vorgezeichnet sind; gleichwohl hat
welche durch es sich
das dringende Bedürfnis
als unerläßlich
gezeigt, in einer
Erhöhung der diesjährigen Matrikularbeiträge und in einer Anleihe Deckungs
mittel für Aufwendungen vorzusehen,
welche ohne überwiegenden Nachteil
Dieser Erscheinung steht die schon bei
nicht zurückgestellt werden können.
von Sr. Majestät dem Kaiser und König
Eröffnung des letzten Reichstags
betonte Notwendigkeit zur Seite, den einzelnen Regierungen durch Erhöhung
die Mittel zu
gerechter und wirtschaftlicher
Ausgleichung der Landessteuern zu gewähren.
Diese Bedürfnisse legen den
der Einnahmen des Reiches
verbündeten Regierungen die Pflicht auf, der im vorigen Jahre begonnenen
Reform der Finanzgesetzgebung des Reiches
eine weitere Ausdehnung
zu
geben; die Ergebnisse ihrer darüber schwebenden Berathungen werden, sobald
sie zum Abschluß gelangt sind, dem Reichstag zugehen. Auch für die geschäftlichen Formen, in
welchen bisher die gesetzliche
Feststellung des Reichshaushalts-Etats erfolgte, hat sich das Bedürfnis einer Änderung in jedem Jahre dringlicher herausgestellt.
Art. 69
der Reichsverfassung,
nach welcher
Die Bestimmung
des
der Reichshaushalts-Etat
für
jedes Etatsjahr vor dessen Beginn durch ein Gesetz festzustellen ist, macht cs
unvermeidlich, den Reichstag zu einer Zeit einzuberufen, zu welcher in der Regel zahlreiche Landtage die ihnen verfassungsmäßig obliegenden Geschäfte noch nicht zur Erledigung gebracht haben.
den Reichs- wie den Landesinteressen
und Landtags-Sessionen
erwächst,
Um der Beeinträchtigung, welche
aus der Gleichzeitigkeit der Reichs
wirksamer zu begegnen, als es auf den
seither eingeschlagenen Wegen erreichbar gewesen ist, werden die verbündeten ^Regierungen Ihnen eine Gesetzes-Borlage zugehen lassen, welche den Artikel 69 und einige mit ihm in in
dem Sinne
Verbindung stehende Artikel der Reichsverfassung
abzuändem bezweckt,
Reichshaushalts-Etats
fortan
auf
daß die
gesetzliche Feststellung des
einen Zeitraum
von je
zwei Jahren
stattfinden soll. Einer Umgestaltung und Weiterbildung bedürfen ferner die Grundlagen,
auf welchen das Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 das deutsche Heer wesen geordnet hat.
Staaten so
Seit dem Erlaß dieses Gesetzes sind in benachbarten
umfassende Erweiterungen der Heereseinrichtungen zur Durch
führung gelangt, daß das Deutsche
Reich,
unbeschadet der Friedfertigkeit
seiner Politik, im Interesse seiner Sicherheit genötigt ist, auch
tärischen
Einrichtungen zu
vervollständigen.
seine mili-
Wenn angesichts der Opfer,
welche das deutsche Volk schon jetzt für die Sicherstellung seiner Unabhängig-
Drittes Buch. 1871—1881.
236 leit
bringt,
die
verbündeten
Regierungen
nur
Steigerung derselben in Aussicht nehmen, so
Widerstreben
mit
eine
hegt Se. Majestät der Kaiser
und König doch keinen Zweifel daran, daß der Schutz der höchsten nationalen
Güter gegen jede Gefährdung von außen her von dem gesamten Volke und seinen Vertretern mit gleicher Klarheit für notwendig
und mit gleicher Entschiedenheit gefordert wird, wie von
deutschen
erkannt
verbündeten
den
Regierungen. Um die durch Umtriebe einer Umsturzpartei bedrohte innere Sicherheit des Reiches zu schützen, haben Sie in der ersten Session der gegenwärtigen Legislaturperiode dem
Gesetze
gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen
der Sozialdemokratie Ihre Zustimmung erteilt. bis zum 31. März 1881 Geltung erhalten.
Ausfühmng
desselben ergriffen sind,
haben
Dies Gesetz hat damals nur
Die Maßnahmen, welche zur den Erfolg gehabt, jene Be
strebungen in gewissen Schranken zu erhalten; sie völlig
zu verhindern, ist
in der seither verflossenen Zeit nicht gelungen und wird auch binnen Jahres frist
nicht
zu ermöglichen
sein.
Es
wird Ihnen deshalb
vorgeschlagen
werden, die Geltung des erwähnten Gesetzes auf eine angemessene Zeit über den 31. März 1881 hinaus zu verlängern.
Der Einschleppung und Verbreitung von Viehseuchen haben die Landes gesetzgebungen bisher mit ungleichem Erfolge abzuhelfen gesucht.
Nachdem
von Reichs wegen einheitliche Maßregeln zur Bekämpfung der Rinderpest
festgestellt worden sind, haben die verbündeten Regierungen beschlossen, durch Vorlage eines weiteren Gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung Viehseuchen Ihnen Gelegenheit zu eingehender Erörterung
der Fragen
von
zu
geben, welche sich an diesen Gegenstand knüpfen. Aus Anlaß der Justizreform werden Ihnen in der letzten Session die
Entwürfe eines Gesetzes über das
Faustpfandrecht für Pfandbriefe
und
ähnliche Schuldverschreibungen, sowie eines Gesetzes über das Pfandrecht an Eisenbahnen und über die Zwangsvollstreckung in dieselben vorgelegt werden,
welche damals nicht zur Erledigung gelangten.
Beide Entwürfe werden von
neuem Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden. Das
Reich ist fortgesetzt bemüht, dem Handel und
Deutschlands Schutz
und Fördemng zu gewähren.
der Schiffahrt
Ein zu dem Ende im
vorigen Jahre mit Hawaii abgeschlossener und von dem Könige dieses Insel
staats bereits ratifizierter Handelsvertrag wird Ihnen vorgelegt werden.
zur Beschlußfassung
In gleichem Sinne werden Ihnen Vorschläge zu gunsten
der Aufrechthaltung und Erweiterung der bestehenden und bisher blühenden
237
Deutsches Reich. 1880. deutschen Handelsbeziehungen mit Samoa und andern Inselgruppen
der
Südsee zur Beschlußnahme zugehen. Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu allen auswärtigen Mächten
sind friedlich und freundschaftlich. Friedens durch die Ergebnisse
Das Vertrauen auf die Sicherung
Kaiser und König im vorigen Jahre rechtigtes bewährt.
welchem Se.
des Kongresses,
Ausdruck gab,
hat sich
des
Majestät der als ein be
Die Bestimmungen des Berliner Vertrags haben in
nahezu allen Punkten ihre Ausführung bereits gefunden. Bestrebungen, den Frieden Europas
An allen weiteren
bauentb sicher zu stellen, bleibt
Deutsche Reich nach wie vor eifrig beteiligt.
Mit der Herstellung
das
unserer
nationalen Einigung sind die friedlichen Neigungen des deutschen Volkes
in ihr volles Recht getreten.
In Bethätigung derselben bleibt die Politik
Sr. Majestät des Kaisers und Königs eine friedliche und erhaltende; mit
der unbeirrten Stetigkeit, welche das Gefühl eigner Kraft verleiht, wird sie
auch ferner bestrebt sein, in voller Uneigennützigkeit
für die Erhaltung des
Friedens nicht nur selbst einzutreten, sondern die Mitwirkung und die Bürg
schaft der gleichgesinnten Mächte zu gewinnen und sicherzusiellen.
128. Armeebefehl. Soldaten des deutschen Heeres! Es ist Mir heute ein tief empfundenes Bedürfnis, Mich^mit Euch in
der Feier des Tages zu vereinigen, an welchem vor zehn Jahren des all mächtigen Gottes Gnade den deutschen Waffen einen der glorreichsten Siege der Weltgeschichte verliehen hat.
Ich rufe denen, welche in jener Zeit schon der Armee angehörten, die ernsten Empfindungen in die Erinnerung
Krieg
gegen
Armee
gingen,
eine
uns in
ebenso
aber
ihren
zurück, mit denen wir in diesen
ausgezeichneten
Eigenschaften bekannte
auch die allgemeine Begeisterung
und das
erhebende Gefühl, daß alle deutschen Fürsten und Völker eng verbunden
für die Ehre des deutschen Vaterlandes eintraten. Ich erinnere an die ersten Tage banger
Erwartung, an
die bald
folgenden ersten Siegesnachrichten, an Weißenburg, Wörth, Spichern, an die Tage vor Metz, an Beaumont und wie endlich dann bei Sedan die Ent scheidung in einer unsere
kühnsten Hofftmngm und größten Erwartungen
weit übertreffenden Weise fiel.
Drittes Buch. 1871—1881.
238 Ich erinnere
Dankgefühl an die hochverdienten
auch mit wärmstem
Männer, welche Euch in jener Ruhmeszeit geführt haben, und Ich erinnere endlich an die schweren, schmerzlich betrauerten Opfer, mit denen wir unsere Siege erkämpften.
Es war eine große Zeit, die wir vor zehn Jahren durchlebt haben; die
Erinnemng an sie läßt unser aller Herzen bis
zum letzten Atemzuge hoch
schlagen, und sie wird noch unsere späteren Nachkommen mit Stolz auf die
Thaten ihrer Vorfahren erfüllen.
Wie in Mir die Gefühle des tiefsten Dankes für des gütigen Gottes
Gnade und der höchsten Anerkennung —
insbesondere für alle, die in
dieser Zeit mit Rat und That hervorgetreten sind — leben, das habe Ich oft ausgesprochen, und Ihr kennt das Herz Eures Kaisers genug, um zu wissen, daß diese Gefühle in Mir dieselben
bleiben werden, so
lange Gott
Mir das Leben läßt, und daß Mein letzter Gedanke noch ein Segenswunsch
für die Armee sein wird. Möge die
Armee aber in
dem Bewußtsein
des
Dankes und der
warmen Liebe ihres Kaisers, wie in ihrem gerechten Stolz auf ihre großen Erfolge vor zehn Jahren auch immer dessen eingedenk sein, daß sie nur
dann große Erfolge erringen kann, wenn sie ein Musterbild
füllung aller Anfordemngen der Ehre und der Pflicht ist,
für die Er
wenn
sie unter
allen Umständen sich die strengste Disziplin erhält, wenn der Fleiß
in der
Vorbildung für den Krieg nie ermüdet und wenn auch das Geringste nicht
mißachtet
wird, um der Ausbildung
ein festes
und
sicheres
Fundament
zu geben.
Mögen diese Meine Worte jederzeit volle Beherzigung finden — auch wenn Ich nicht mehr sein werde — dann wird das deutsche Heer in künftigen Zeiten schweren Ernstes, die Gott noch lange von uns fern halten möge, jederzeit sowie vor zehn Jahren der feste Hort des Vaterlandes sein.
Schloß Babelsberg, 1. September 1880. gez. Wilhelm.
129.
Ansprache des Kaisers bei dem Kölner Domfest, Frettag, dm 15. Oktober 1880. Wer gedenket in dieser Stunde nicht des Tages, Friedrich Wilhelm IV. der Well geschenkt wurde!
an
welchem König
Wer gedenket nicht jenes
4. September 1842, an welchem Mein in Gott ruhender Königlicher Bmder
Deutsches Reiich. 1880.
239
an dieser Stelle öffentlich und feierlich es verkündete, daß er beschloffen habe, den seit Jahrhunderten seiner Vollendung
Dem
Vollendung entgegenzuführen!
harrenden Kölner Dom dieser gewordenen Krahne fügte
geschichtlich
der Königliche Bauherr zum Gedächtnis seines großartigen Unternehmens den ersten Baustein hinzu, der uns heute umkränzt dort oben entgegentritt.
Die allmächtige Vorsehung hat es nicht gewollt, daß der unvergeßliche König
sein ebenso großes wie kühnes Unternehmen, das er mit Vorliebe und Kraft förderte, vollendet sehen sollte.
Aber die Königlichen Worte, die derselbe bei
der Feier vor 38 Jahren hier sprach, zündeten nicht nur
sondern in allen deutschen Landen.
in preußischen,
Die Regierenden an deren Spitze gaben
das Zeichen, den großen Gedanken erfaßt zu haben, und somit wurde dieser ein nationales Gemeingut. Schon
Friedrich Wilhelm III.
Jahre 1825
durch
glorreichen Andenkens hatte seit dem
kräftiges Einschreiten
Chor vor dem Untergange
gerettet.
den
So
Kölner Dom, eins der größten Bauwerke
damals
bestehenden
allein
steht nun heute der
vollendete
aller Zetten, als ein Denkmal
frommen Sinnes, menschlicher Einsicht und Umsicht, einheitlicher Arbeit, aus dauernder Thatkraft und Opferfreudigkeit vor uns.
Mögen die zum Himmel emporstrebenden Türme daran erinnern, daß
ohne den gnadenvollen Beistand Gottes nichts auf Erden gelingt.
So
ge
bührt also vor allem dem Allmächttgen unser Dank, der dieses kühne und gefahr
volle Unternehmen schützte
und vollenden
Demnächst
ließ.
steigt unser
Dank zu dem Königlichen Bauherrn empor, dessen erhabenem, schöpferischem Geiste wir dieses Werk verdanken, welches von Jahrhundert zu Jahrhundert
seinen
Namen
deshalb
dankbar Preisen wird.
Eine
andere, erhebende,
Meinem Herzen wohlthuende Pflicht der Dankbarkeit erfülle Ich au dieser Stelle, indem Ich den Allerhöchsten
und Höchsten Regierenden und freien
Städten im neugeeinten deutschen Vaterlande den tiefgefühlten Dank aus
spreche für Wort und That, durch
welche dieselben
Staaten diesen mächtigen Bau durchführen
halfen.
an der Spitze Ihrer Jede einzelne
weit über Deutschlands Grenzen hinaus, finde hier wärmsten Dank. engeren
Vaterlande
Preußen
und
dieser
ehrwürdigen
Gabe,
Meinem
Stadt mit ihrem
Central-Dombau-Berein und deffen Abzweigung gebührt Meine Dankbarkett für das Bestreben aller Schichten der Bevölkerung, das Riesenwerk ihres
Königs gefördert zu haben.
Schließlich gedenken wir in höchster Anerkennung
der Männer, welche an der Hand der Wissenschaft und Kunst diesen Bau
schufen und in der Dombauhütte Kräfte erzogen und leiteten, die mit Aus dauer so Großes darstellten.
Drittes Buch. 1871—1881.
240
So begrüßen wir alle dieses herrliche Denkmal, und bleibe
es durch
des Allmächtigen Gnade Frieden verheißend auf allen Gebieten, Gott zur Ehre, uns zum Segen.
130. Rede zur Eröffnung des Landtags, Donnerstag, den 28. Oktober 1880.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags I
Se.
Majestät der Kaiser und König haben mich *) beauftragt,
den
Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.
Zugleich haben Se. Majestät mir zu befehlen geruht, auch von dieser Stelle den Allerhöchsten Dank für die mannigfachen Beweise treuer An
hänglichkeit, welche Allerhöchst Ihnen neuerdings wieder zu teil geworden sind,
Ausdruck
zu
ist.
für den herzlichen Empfang,
geben, besonders
welcher
den
erhebenden Feste in Köln 2) gewidmet worden
Majestäten jüngst bei dem
Es hat unserm Könige zu hoher Genugthuung gereicht, das Werk,
welches
einst Sein in Gott ruhender Königlicher Bruder,
Stillstand, begeisterten Sinnes
nach längerem
wieder ausgenommen hat, zur Vollendung
und letzten Weihe zu führen. Die
Befferen.
Finanzlage
des
Staates
zeigt
eine
erfreuliche
Wendung
zum
letzten Rechnungsjahres sind zwar noch,
Die Einnahmen des
wenn auch in geringerem Maße, hinter den Ausgaben, welche zum Teil uner
wartete waren, zurückgeblieben.
Die im Steigen begriffenen Erträge aus den
Reichssteuern und die sich günstiger gestaltenden Verhältnisse der Betriebs
verwaltungen des Staates, insbesondere der Eisenbahnen, lassen jedoch die
Hoffnung auf dauernde Wiederherstellung des völligen
Gleichgewichts im
Staatshaushalts-Etat als eine wohlbegründete erkennen.
Der auf vorsichtige Annahmen gestützte Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben für das kommende Jahr gewährt das im Vergleich zu den
Vorjahren erfreuliche Ergebnis, daß die ordentlichen Ausgaben in den Ein nahmen nicht nur ihre Deckung
finden, fonbent daß noch ein Überschuß
in Aussicht steht, vermöge deffen mit der Vermindemng der direkten Steuem der Anfang gemacht werden kann.
Es wird demgemäß in dem Entwürfe
*) Vicepräsident des StaatS-MinisteriumS, Graf zu Stolberg-Wernigerode.
s) Einfügung des Schlußsteines in die Kreuzblume des nördlichen Turmes des
Kölner Domes am 15. Oktober 1880.
241
Deutsches Reich. 1880.
des Staatshaushalts-Etats Ihrer Zustimmung der aus dem Preußen
werden,
Vorschlag unterbreitet
zustehenden Anteil an den Reichssteuern die
Summe von 14 Millionen Mark zu einem Steuererlaß zu verwenden.
Mit der Vorbereitung einer steuern
ist die
organischen Reform der direkten Staats beschäftigt.
Staatsregierung
Schon jetzt wird Ihnen der
Entwurf eines Gesetzes zugehen, nach welchem die aus dem Ertrage neuer oder erhöhter Reichssteuern an Preußen zu überweisenden Geldsummen aus schließlich und unverkürzt zur Erleichterung der direkten Besteuerung,
ins
besondere durch Überweisung der Hälfte des Ertrags der Grund- und Ge
bäudesteuer zur Erleichterung der Kommunallasten verwendet werden sollen. Durch den stattgehabten Übergang wichtiger Privat-Eisenbahn-Unter-
nehmungen in den Besitz und die Verwaltung des Staates ist die Durch
führung
des
wie
Staatseisenbahnsystems,
Verwaltung und des Betriebes auf den bahnen erheblich gefördert worden.
bringende
Reform schon
einheitliche
Eine Ihnen
Eisen
verheißt die unternommene be
vermöge ihrer seitherigen Ergebnisse frucht
Erfolge für die Interessen des Verkehrs und zugleich
Staatsfinanzen.
der
Regelung
Obwohl erst kurze Zeit in Wirksamkeit
und noch in der Entwickelung begriffen, deutungsvolle
die
vom Staate verwalteten
zugehcnde
Denkschrift wird
für die
dieses
näher
darlcgen.
Dank jener Reform ist auch die Bereitstellung derjenigen Geldmittel erleichtert, welche die Staatsregiemng
für die Herstellung neuer Schienen
wege in verschiedenen Teilen des Landes
in Anspruch nehmen wird, um
für weite Kreise neue Quellen des Wohlstandes zu erschließen.
In Erfüllung
der in der vorigen Session
erteilten Zusage werden
Ihnen Gesetzentwürfe zugehen, welche eine erhöhte Gewähr für eine auch dem wirtschaftlichen Interesse des Landes entsprechende Verkehrsleitung auf den für Rechnung des Staates verwalteten Eisenbahnen zu bieten und die Ver
der Jahresüberschüsse der Eisenbahnverwaltung
regeln
be
Der Verbessemng der Wafferstraßen widmet die Staatsregiemng
un
wendung
zu
stimmt sind. ausgesetzt die angelegentlichste Fürsorge.
Im Anschluß an die in der letzten
Session vorgelegte Denkschrift über die Reguliemng der fünf Hauptströme werden Ihnen in einer gleichen Denkschrift die Ziele dargelegt werden, welche die Regiemng bei der Reguliemng verschiedener' kleinerer schiffbarer Flüsse ver
folgt und welche Mittel dafür erforderlich werden. Die Verwaltungsreform ist durch die in der vorigen Session zu stände gekommenen, inzwischen verkündeten Gesetze über die Organisation der all-
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
16
Drittes Buch. 1871-1881.
242
gemeinen Landesverwaltung und über die Verfassung und das Verfahren der Verwaltungsgerichte um einen bedeutsamen Schritt gefördert worden. mit diesen die
bisher
Um
in Übereinstimmung zu
ergangenen Reformgesetze
bringen, werden Ihnen von neuem die in der letzten Session unerledigt gebliebenen Vorlagen über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte und über die Abändemng
Kreisordnung, sowie eine Novelle Zur Ausdehnung der
und Ergänzung der
zur Provinzialordnung zugehen.
Verwaltungsreform
auf ein
weiteres
Gebiet
werden Ihnen Gesetzentwürfe vorgelegt werden, durch welche die neue Kreis-
und Provinzialverfassung in den Provinzen Posen, Schleswig-Holstein und Hannover mit denjenigen Abänderungen eingeführt werden soll, welche durch
die besonderen Verhältnisse dieser Provinzen und die für dieselben geltenden Gesetze bedingt sind.
Um die Lage der Witwen und
Waisen der Elementarlehrer
zu ver
bessern, hofft die Regierung zu einer Erhöhung der Pension derselben unter
Bürgschaft der Staatskaffe Ihre Zustimmung zu erhalten.
Über den Betrieb des Pfandleihgewerbes, über die Abänderung des Gesetzes,
betreffend die Einrichtung
öffentlicher Schlachthäuser, sowie
Ausführuung des Reichsgesetzes, betreffend
zur
die Abwehr und Unterdrückung
von Viehseuchen, werden Ihnen Vorlagen zugehen. Meine Herren! werden Sie hiernach
Reben dem Ausbau
der Verwaltungs-Einrichtungen
an Ihrem Teile mitzuwirken haben an der Durch
führung der wirtschaftlichen Reform, welche für das ganze Reich in Angriff genommen ist.
der
Es handelt sich dabei um die Wohlfahrt und das Gedeihen
Bevölkemng in allen Schichten; um
so
mehr glaubt die Regierung
Sr. Majestät auf Ihr bereitwilliges Entgegenkommen rechnen zu dürfen.
Im Auftrage Sr. Majestät
des Kaisers und Königs erkläre ich den
Landtag der Monarchie für eröffnet.
131.
Rede des Fürsten n. Vismarck zur Eröffnung des preußischen Volkswirtschaftsrates, Donnerstag, den 27. Januar 1881. Indem ich Ihnen, meine Herren, für die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie dem Rufe Sr. Majestät zum Eintritt in den Bolkswirtschaftsrat gefolgt sind, den verbindlichsten Dank der Staatsregierung ausspreche, empfinde ich
243
Deutsches Reich. 1881. das
Bedürfnis,
bei
welche
der
mit
einigen
Worten
Schaffung
neuen
der
Gedanken Ausdruck zu geben,
den
wichtigen
Institution
leitend
ge
wesen sind. Bei der Diskussion über den bedauerlichen Rückgang, in dem sich unser volkswirtschaftliches Leben einige Jahre hindurch bewegte, und bei den Ver
handlungen über die Reformen, welche Se. Majestät der König in Gemein
schaft mit den übrigen Bundesfürsten erstrebte, haben sich wesentliche Meinungs verschiedenheiten darüber
ergeben, welchen Ursachen dieser nicht minder auf
landwirtschaftlichem wie auf gewerblichem Gebiete hervorgetretene Rückgang zuzuschreiben sei.
verschiedene Auffassung
ebenso
Eine
scheinungen gefunden, welche in neuester Zeit
haben die
Er
auf die allmähliche Rückkehr
regelmäßigerer Verhältnisse auf dem wirtschaftlichen Gebiete hindeuten. In dieser Wahrnehmung lag der
letzte
Grund, dem
entscheidende
schon lange gefühlten Bedürfnis entspechend, Sr. Majestät eine Einrichtung
vorzuschlagen, welche ich heute
zu meiner Freude verwirklicht sehe — eine
Einrichtung, welche die Garantie bietet, daß diejenigen unserer Mitbürger,
auf welche die wirtschaftliche Gesetzgebung in erster Linie zu wirken bestimmt
ist, über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der zu gehört werden.
Es
fehlte
bisher
erlassenden Gesetze
an einer Stelle, wo die
einschlagenden
Gesetzesvorlagen einer Kritik durch Sachverständige aus den zunächst beteiligten
Kreisen unterzogen
werden konnten, und
Stande, für ihre Überzeugung
die
Staatregierung
war außer
von der Angemessenheit der Vorlagen das
Maß von Sicherheit zu gewinnen,' welches nötig ist, um der von
ihr zu
übernehmenden Verantwortlichkeit als Grundlage zu dienen.
Sie, meine Herren,
werden uns die Sachkunde
Leben entgegenbringen, Sie
sind berufen,
aus
dem praktischen
ein einheitliches Centralorgan zu
bilden, welches', durch ausgleichendes Zusammenwirken die gemeinsamen und
besonderen Interessen von Handel,
Gewerbe und Landwirtschaft durch freie
Meinungsäußerung wahrzunehmen hat.
Es
ist nicht Zufall, sondern Folge Ihrer an den heimatlichen Herd
gebundenen Thätigkeit, daß die Vertreter der Landwirtschaft und noch mehr die Vertreter von Handel und Gewerbe nicht in gleichem Maße, gelehrten
Berufsstände
können, und daher
an
der
parlamentarischen
in derselben in der Regel
obschon sie die Mehrheit der Bevölkerung bilden. kreise,
in
welchen
die Vorbereitung
Thätigkeit
als die
teilnehmen
als Minderheit erscheinen,
Innerhalb der Regierungs
der Gesetzvorlagen erfolgt,
muß
der
Natur der Sache nach der Stand der Beamten und Gelehrten überwiegen. Es
erscheint
daher als
ein
Bedürfnis
nicht nur
für die Regierungen, 16*
Drittes Buch. 1871-1881.
244
sondern auch für die Parlamente selbst, daß auch diejenigen an
welche die Wirkung
Stelle zu Worte kommen,
der Gesetze am
geeigneter
meisten zu
empfinden haben. Wie bei anderen Einrichtungen, so handelt es
sich auch hier zunächst,
den richtigen Weg im Vorgehen zu suchen, nicht in dem Sinne, daß die neugeschaffene Institution etwa wiederaufgegeben werden könnte, sondern um zu ermitteln, welche Änderungen und Zusätze sich im Laufe der Zeit auf
dem Grunde praktischer Erfahrung
als
notwendig
oder nützlich
erweisen
Schon heute darf in einer erheblichen Beziehung die Bildung des
werden.
Volkswirtschaftsrates
als abgeschlossen nicht angesehen
meinschaftlichkeit des
deutschen Wirtschaftsgebietes und der deutschen Wirt
schaftsinteressen, wie die Bestimmungen
werden.
Die Ge
der Reichsverfassung, wonach die
wirtschaftliche Gesetzgebung der Hauptsache nach dem Reiche zusteht, von selbst dahin, die Errichtung
auch
Deutsche Reich ins Auge zu fassen.
sein, wenn nicht zur Erreichung
führen
eines Bolkswirtschaftsrates für das
Es würde dies von vornherein geschehen dieses Zieles
eine längere
Vorbereitung
notwendig gewesen wäre, für welche die Zeit bis zur nächsten ReichstagsDamit wäre die Möglichkeit ausgeschlossen ge
Sitzung nicht ausgereicht hätte.
wesen, die
gebung
wichtigen Vorlagen,
beschäftigen
werden,
rechtzeitig zu unterbreiten.
welche gerade in
dem
nächster Zeit die Gesetz
sachverständigen Urteil
der
Beteiligten
Der preußische Volkswirtschaftsrat wird sicherlich
nicht zu einer partikularistischen Institution werden, die Einrichtung desselben
erscheint vielmehr als der kürzeste Weg, um sprechenden Reichsinstitution zu gelangen.
zur Herstellung einer
Daß das
ent
Ziel bald erreichbar
sein werde, dafür habe ich gegründete Hoffnung. Die
ersten Gegenstände,
welche Ihrer Beratung
sollen, sind zwei Gesetzentwürfe: Über die Versicherung
unterbreitet werden
gegen
von
Arbeitern
des
Jnnungsw'esens.
Un
fälle und
über die Neugestaltung
Die Möglichkeit besteht, daß Ihnen auch noch
andere Vorlagen im
Laufe Ihrer ersten Sitzungsperiode zugehen. Mit jenen Entwürfen wird sich zunächst der permamente Ausschuß zu beschäftigen haben.
Thätigkeit
Die Staatsregierung ist sich bewußt, daß sie die
der Herren nicht für zu
lange Zeit in Anspruch nehmen darf;
soweit indessen die Resultate der Beratungen in den Ausschüssen nicht aus
reichen, um den Faktoren der Gesetzgebung die nötige Aufklärung geben zu können, wird es sich
nicht vermeiden lassen,
auch die Meinungs-Äußerung
245
Deutsches Reich. 1881. des
Plenums herbeizuführen.
Thätigkeit des letztem durch
Auch
in diesem Falle aber wird
sich
die
die von den Ausschüssen ausgegangene Vor
arbeit wesentlich abkürzen. Dieselben
auf
Erleichtemng
des
Geschäftsganges
abzielenden
Er
wägungen sind es gewesen, welche das Staats-Ministerium bestimmt haben,
für jedes Mitglied der Ausschüsse die Wahl eines ersten und zweiten Stell vertreters in Aussicht zu nehmen.
wird es ermöglicht, daß die
Hierdurch
Herren nach eigner Wahl und Vereinbamng in ihrer Thätigkeit abwechseln,
und daß der einzelne nicht für zu lange Zeit seinen Berufsgeschäften ent zogen wird.
Für künftig
der Beratung
zu
wird es sich vielleicht auch empfehlen,
Zeit vor der Einbemfung zugesendet werden.
Gelegenheit gegeben sein,
zu
bilden und
daß die
unterstellenden Vorlagen den Herren Mitgliedern einige
eine
Es würde auf diese Weise
sich schon im Kreise der Fachgenofsen ein Urteil
engere Beziehung
den in den Ausschüssen
zwischen
thätigen und den übrigen Mitgliedern herzustellen.
132.
Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Dienstag, den 15. Februar 1881. Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser und SEönig
haben mir *)
den Auftrag
zu
erteilen geruht, die Sitzungen des Reichstags zu eröffnen.
Der Reichshaushalts-Etat, welcher Ihnen unverweilt vorgelegt werden soll, wird Sie in den Stand setzen, die Ergebnisse zu übersehen, welche die vor zwei Jahren begonnene Reform der Reichsabgaben seither gewährt hat
und ferner zu gewähren verspricht.
In den bisher erreichten wirtschaftlichen
und finanziellen Resultaten erblicken die verbündeten Regierungen die Auf forderung, die Grundgedanken jener Reform
zu
weiterer Durchführung zu
bringen, und auf diesem Wege nicht nur die finanzielle Selbständigkeit des
Reiches
anzustreben, sondern
auch
den Bundesstaaten
weitere Mittel
gewähren zur Umgestaltung ihrer Besteuerungsverhältnisse,
zu
zur Minderung
drückender Abgaben und zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen. Welche Mittel die Einnahmen
den einzelnen Staaten für diese Zwecke
zu
gewähren schon im stände sind, wird sich erst übersehen lassen, wenn die Überschüsse des Reiches aus den neuen Zöllen definitiv feststehen werden.
J) Graf zu Stolberg-Wernigerode als Stellvertreter des Reichskanzlers.
246
Drittes Buch. 1871—1881.
Schon jetzt aber glauben die verbündeten Regierungen eine Vermehrung der für jene Zwecke zu verwendenden Einnahmen durch eine neue Ordnung der Stempelgesetze und der Brausteuer erstreben zu sollen.
Schon bei der Eröffnung
des Reichstags
im Febmar 1879 hat Se.
Majestät der Kaiser, im Hinblick auf das Gesetz vom 21. Oktober 1878
der Zuversicht Ausdruck gegeben, daß der Reichstag seine Mitwirkung zur Heilung sozialer Schäden im Wege der Gesetzgebung auch ferner nicht ver
sagen werde.
Diese Heilung
wird nicht ausschließlich im Wege der Re
pression sozialistischer Ausschreitungen, positiven Förderung des Wohles
fonbern gleichmäßig
auf dem der
der Arbeiter zu suchen sein.
In dieser
Beziehung steht die Fürsorge für die Erwerbsunfähigen unter ihnen in erster
Linie.
Im Interesse dieser hat Se. Majestät der Kaiser dem Bundesrat
zunächst einen Gesetzentwurf über Versichemng der Arbeiter gegen die Folgen
von Unfällen zugehen lassen, welcher einem in den Kreisen der Arbeiter wie der Unternehmer gleichmäßig empfundenen Bedürfnis zu entsprechen bezweckt. Se. Majestät der Kaiser hofft, daß derselbe im Prinzipe die Zustimmung
der verbündeten Regierungen finden ständigung
der Gesetzgebung
zum
strebungen willkommen sein werde.
und dem Reichstag als eine Vervoll
Schutze
gegen
sozialdemokratische Be
Die bisherigen Veranstaltungen, welche
die Arbeiter vor der Gefahr sichem sollten, durch den Verlust ihrer Arbeits
fähigkeit infolge
von Unfällen oder des Alters,
in eine hilflose Lage zu
geraten, haben sich als unzureichend erwiesen, und diese Unzulänglichkeit hat nicht wenig dazu beigetragen, Angehörige dieser Berufsklasse dahin zu führen, daß sie in der Mitwirkung
zu sozialdemokratischen Bestrebungen den Weg
zur Abhilfe suchten.
In demselben Stadium befindet sich bisher ein Gesetzentwurf, der auf einem nahe verwandten Gebiete die Verhältnisse der Innungen zu regeln
bestimmt ist, indem
er die Mittel gewähren soll, die isolierten Kräfte der
in gleichartigen Gewerbszweigen beschäftigten Personen durch ihre Zusammenfaffung in korporative Verbände zu stärken und dadurch ihre wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit sowohl wie ihre sittliche Tüchtigkeit zu heben.
In wiederholten Beschlüssen hat der Reichstag dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Versorgung der Hinterbliebenen von Reichsbeamten gesetz
lich geregelt werde.
Es wird Ihnen demgemäß ein Gesetzentwurf zu gunsten
der Witwen und Waisen dieser Beamten zugehen. Im
Verbrechen
Gebiet der Strafrechtspflege hat die bedenkliche Zunahme von
und Vergehen,
welche im Zustande
der Trunkenheit verübt
worden und infolgedeffen einer strafrechtlichen Ahndung sich entziehen,
das
247
Deutsches Reich. 1881.
Bedürfnis einer Ergänzung der bestehenden Strafgesetzgebung ergeben. hierauf bezüglicher Gesetzentwurf
Ein
wird Ihrer Beschlußnahme unterbreitet
werden. Einige Abänderungen der Reichsverfassung, welche die Feststellung des
Reichshaushalts- Etats für einen Zeitraum von je zwei Jahren möglichen bezwecken,
geschlagen worden.
zu er
waren Ihnen bereits in der verflossenen Session vor
Die
verbündeten Regiemngen befinden sich nach wie
vor unter dem Eindruck der Schwierigkeiten, welche von der jährlichen Kon kurrenz der parlamentarischen Arbeiten im Reich und in den Einzelstaaten
unzertrennlich sind, und legen
deshalb den unerledigt gebliebenen Gesetz
entwurf von neuem vor.
Mit den Regierungen von Griechenland und Brasilien
sind Verhand
lungen über den Abschluß von Konsularkonventionen eingeleitet.
hoffen, daß derselbe noch
im Laufe dieser Session
Ich darf
erfolgt und daß
noch
während der letzteren Ihre Zustimmung zu diesen Verträgen erlangt werden kann. Zu allen auswärtigen Staaten erfreut
sich das Deutsche Reich fried
licher und wohlwollender Beziehungen, und insbesondere entspricht unser po
litisches Verhältnis zu den uns benachbarten großen Reichen der Freundschaft, welche Se. Majestät den Kaiser mit den Beherrschern derselben persönlich verbindet.
Unter den europäischen Mächten herrscht nicht nur in dem Willen
den Frieden zu erhalten, die volle Übereinstimmung, sondern es besteht auch
in betreff der wesentlichen Ziele der zwischen ihnen schwebenden Unterhand lungen keine prinzipielle Meinungsverschiedenheit.
Ich bin deshalb ermächtigt,
dem Vertrauen Sr. Majestät des Kaisers Ausdruck zu geben, daß es der Einigkeit der Mächte gelingen werde, auch partielle Störungen des Friedens
in Europa zu verhüten und jedenfalls
so
Deutschland noch dessen Nachbarn berühren.
zu beschränken,
daß sie weder
Viertes Buch. Sozialreform und Kolomalpolitik.
1881—(888.
133.
Allerhöchste Botschaft zur Eröffnung -es Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 17. November 1881 *).
Wir Wilhelm,
von
Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von
Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Wir haben den im
vorigen Reichstag kundgegebenen Wünschen ent
sprechend, dem früheren Brauche entgegen, den Reichstag noch im laufenden
Jahre berufen, um seine Thätigkeit zunächst für die Feststellung des Reichs haushalts-Etats in Anspruch zu nehmen. tage unverzüglich zugehen.
Derselbe zeigt
Der Entwurf wird dem Reichs ein erfreuliches Bild
der fort
schreitenden finanziellen Entwickelung des Reiches und der guten Erfolge der unter Zustimmung des
Steigerung der den
Reichstags
eingeschlagenen
Wirtschaftspolitik.
Die
einzelnen Bundesstaaten vom Reich zu überweisenden
Beträge ist erheblich höher, als die Steigerung der Matrikularbeiträge. Daß der Gesamtbetrag der letzteren im Vergleich mit dem laufenden Rechnungs jahre eine Erhöhung erfahren hat,
findet seine Begründung in Einnahme-
Ausfällen und in Bedürfnissen, welche im Interesse
des Reiches nicht ab
zuweisen sind.
Die Einigung, welche mit der Freien Stadt Hamburg über die Modali täten ihres Einschlusses in das Deutsche Zollgebiet erzielt worden ist, wird
der Reichstag mit Uns als einen erfreulichen Fortschritt zu
dem durch die
Reichsverfaffung gesteckten Ziele der Einheit Deutschlands
als Zoll- und
*) Verlesen vom Reichskanzler, Fürsten von Bismarck.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1881. Handelsgebiet begrüßen.
249
Die verbündeten Regiemngen sind der Überzeugung,
l»aß der Reichstag den Abschluß der deutschen Einheit nach dieser Seite
hin und die Vorteile,
welche dem Reiche und seiner größten Handelsstadt
aus demselben erwachsen werden, durch den Kostenbeitrag des Reiches nicht zu teuer erkauft finden und dem hierauf bezüglichen Gesetzentwurf die Zu
stimmung erteilen werde.
In dem Bestreben, die geschäftlichen Übelstände zu Beseitigen,
welche
sich aus der Konkurrenz der Reichstags-Sessionen mit den Sitzungsperioden
ergeben, hatten die Verbündeten Regiemngen dem
der Landtage
vorigen
Reichstag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Berlängemng der Legislaturund Budgetperioden des Reiches vorschlug, über den aber eine Verständigung
nicht hat erreicht werden können.
Die geschäftliche Notlage der Regierungen
und die Notwendigkeit, den Verhandlungen
der gesetzgebenden Körper des
Reiches sowohl wie der Einzelstaaten die unentbehrliche Zeit und freie Be wegung zu sichern, veranlaßt die verbündeten Regiemngen,
der Beschluß
nahme des Rcichtags wiederum eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten.
Schon im Febmar dieses Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aus sprechen lassen,
daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich
im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondem gleich mäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen
sein werde.
Wir halten es
für Unsere Kaiserliche Pflicht, dem Reichstage
diese Aufgabe von neuem ans Herz zu legen, und würden Wir mit um so
größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regiemng
sichtlich
gesegnet
hat, zuriickblicken, wenn cs
Uns gelänge, dereinst das
Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften
Hilfsbedürftigen
größere Sicherheit und
Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch
haben, zu hinterlassen.
seines innern Friedens und den
In
Unseren darauf gerichteten Bestrebungen
aller verbündeten Regierungen gewiß und
sind
Wir der Zustimmung
vertrauen auf die Unterstützung
des Reichstags ohne Unterschied der Parteistellungen.
In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session vorgclegte Entwurf eines Gesetzes über die Versichemng der Arbeiter gegen Betriebsunfälle mit Rücksicht auf die im Reichstag statt
gehabten Verhandlungen über denselben einer Umarbeitung unterzogen, um die erneute Beratung desselben vorzubereiten. Ergänzend wird ihm noch eine Vor
lage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerb
lichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt.
Aber auch diejenigen, welche
durch Alter und Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit
250
Viertes Buch.
1881-1888.
gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Für sorge, als ihnen bisher hat zu teil werden können. Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine
schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches
auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht.
Der engere
Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen
der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem
Schutz und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen, die Lösung auch
von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde.
Immerhin wird aber auch auf diesem
Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheblicher Mittel zu erreichen sein. Auch die weitere Durchführung der in den letzten Jahren begonnenen Steuerreform weist auf die Eröffnung ergiebiger Einnahmequellen durch in
direkte Reichssteucrn hin, um die Regierungen in den Stand zu setzen, dafür
drückende direkte Landessteuern abzuschaffen und die Gemeinden von Armenund Schullasten, von Zuschlägen zu Grund- und Personalsteuern und von andern drückenden direkten Abgaben zu entlasten.
Der sicherste Weg hierzu
liegt nach dem in benachbarten Ländern gemachten Erfahrungen in der Einsührung des Tabakmonopols, über welche Wir die Entscheidung der gesetz
gebenden Körper des Reiches herbeizuführen beabsichtigen.
Hierdurch und
demnächst durch Wiederholung früherer Anträge auf stärkere Besteuerung der Getränke sollen nicht finanzielle Überschüsse erstrebt werden, sondern die
Umwandlung der bestehenden direkten Staats- und Gemeindelasten in weniger
drückende indirekte Reichssteuern. fiskalischen,
sondem auch
kung auf politischem
von
Diese Bestrebungen sind nicht
nur von
reaktionären Hintergedanken frei, ihre Wir
Gebiete wird allein die sein, daß wir kommenden
Generationen das neu entstandene Reich gefestigt durch gemeinsame und er giebige Finanzen hinterlassen.
Die Vorbedingung
sozialen und
für weitere Beschlußnahmen
über die
erwähnten
politischen Reformen besteht in der Herstellung einer zuver
lässigen Berufsstatistik der Bevölkerung des Reiches, für welche bisher ge
nügendes und sicheres Material nicht vorliegt. waltungswege beschafft werden kann,
wird
es
So weit letzteres im Ver
in
kurzem
gesammelt sein.
Vollständige Unterlagen aber werden nur durch gesetzliche Anordnung, deren Entwurf dem Reichstage zugehen wird, zu gewinnen sein.
Wenn danach auf dem Gebiete der innern Reichseinrichtungen weit greifende und schwierige Aufgaben bevorstehen, deren Lösung in der kurzen
Frist einer Session nicht zu bewältigen ist, zu deren Anregung Wir Uns
251
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882.
aber vor Gott und Menschen, ohne Rücksicht auf den unmittelbaren Erfolg derselben, verpflichtet halten, so
es Uns um so mehr Freude, Uns
macht
über die Lage Unserer auswärtigen Politik mit völliger Befriedigung aus
sprechen zu können. Wenn
es in
den letzten zehn Jahren, im Widerspruch mit manchen
Vorhersagungen und Befürchtungen, gelungen ist, Deutschland die Segnungen
des Friedens zu erhalten, so
haben Wir doch in keinem dieser Jahre mit
dem gleichen Vertrauen auf die Fortdauer dieser Wohlthat in die Zukunft
geblickt, wie in dem gegenwärtigen. Die Begegnungen, welche Wir in Gastein mit dem Kaiser von Österreich und König von Ungarn, in Danzig mit dem Kaiser von Rußland hatten, waren der Ausdruck der engen persönlichen
und politischen Beziehungen, welche Uns mit den Uns so nahe befreundeten
Monarchen, und Deutschland mit den beiden mächtigen Nachbarreichen ver binden.
Diese von gegenseitigem Vertrauen getragenen Beziehungen bilden
eine zuverlässige Bürgschaft für die Fortdauer des Friedens, auf welche die Politik der drei Kaiserhöfe in voller Übereinstimmung gerichtet ist. Darauf, daß die gemeinsame Friedenspolitik eine erfolgreiche sein werde, dürfen Wir
um so sicherer bauen, als auch Unsere Beziehungen zn allen andern Mächten
die freundlichsten sind..
Der Glaube
an die friedliebende
Zuverlässigkeit
der deutschen Politik hat bei allen Völkern einen Bestand gewonnen, den zu stärken und zu rechtfertigen Wir als Unsere vornehmste Pflicht gegen
Gott und gegen das deutsche Vaterland betrachten. Urkundlich
unter. Unserer
Höchsteigenhändigen
Unterschrift
und
bei
gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Berlin, den 17. November 1881.
Wilhelm.
(L. 8.)
von Bismarck.
134. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, betr. die Beteiligung der Beamten an den Wahlen, Mittwoch, den 4. Januar 1882.
Das Recht des Königs, die Regierung und die Politik Preußens nach Eigenem Ermessen zu leiten, ist durch die Verfassung eingeschränkt, aber
nicht aufgehoben.
Die Regierungsakte des
Königs
bedürfen der
Gegen
zeichnung eines Ministers und sind, wie dies auch vor Erlaß der Verfassung
252
Viertes Buch. 1881-1888.
geschah, von den Ministem des Königs zu vertreten, aber sie bleiben Re-
giemngsakte des Königs, aus dessen Entschließungen sie hervorgehen und der Seine Willensmeinung durch
sie verfassungsmäßig
ausdrückt.
Es ist
deshalb nicht zulässig und führt zur Verdunkelung der verfassungsmäßigen
Königsrechte, wenn deren Ausübung so dargestellt wird, als ob sie von den dafür verantwortlichen jedesmaligen Ministem und nicht
Selbst ausginge.
von
dem Könige
Die Verfassung Preußens ist der Ausdruck der monarchischen
Tradition dieses Landes, dessen Entwickelung auf den lebendigen Beziehungen seiner Könige zum Volke beruht.
Diese Beziehungen lassen sich auf die
vom Könige ernannten Minister nicht übertragen, denn sie knüpfen sich an die Person des Königs.
für Preußen.
Ihre Erhaltung ist
Es ist deshalb Mein Wille,
eine staatliche Notwendigkeit daß
sowohl in Preußen, wie
in den gesetzgebenden Körpern des Reiches über Mein und Meiner Nach folger verfassungsmäßiges Recht zur persönlichen Leitung der Politik Meiner Regierung kein Zweifel gelassen und der Meinung stets widersprochen werde, als ob die in Preußen jederzeit bestandene und durch Artikel 43 der Ver
fassung ausgesprochene Unverletzlichkeit der Person des
Königs oder die
Notwendigkeit verantwortlicher Gegenzeichnung Meinen Regierungsakten die Natur selbständiger Königlicher Entschließungen benommen
hätte.
Es ist
die Aufgabe Meiner Minister, Meine verfassungsmäßigen Rechte durch Ver
wahrung gegen Zweifel und Verdunkelung zu vertreten. warte Ich
von allen Beamten, welche Mir den Amtseid
Das Gleiche er
geleistet haben.
Mir liegt es fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen, aber für die jenigen Beamten, welche mit der Ausführung Meiner Regierungsakte betraut
sind und deshalb ihres Dienstes nach dem Disciplinargesetze enthoben werden können, erstreckt sich
die durch den Diensteid beschworene Pflicht auf Ver
tretung der Politik Meiner Regierung
auch bei
den Wahlen.
Die treue
Erfüllung dieser Pflicht werde Ich mit Danke erkennen und von allen Be
amten erwarten, daß sie sich im Hinblick auf ihren Eid der Treue von jeder Agitation gegen Meine Regiemng auch bei den Wahlen fern halten.
Berlin, den 4. Januar 1882. An das Staats-Ministerium.
Wilhelm. von Bismarck.
Sozialresonn und Kolonialpolitik.
1882.
253
135. Rede zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 14. Januar 1882.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Des Kaisers und Königs Majestät haben mich *) zu beauftragen geruht,
den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.
Die Finanzlage des Staates zeigt gegen die Ergebniffe der letzten Jahre einen weiteren Fortschritt der Besserung.
Das abgelaufene Rechnungsjahr
hat einen vorzugsweise aus der Verwaltung der verstaatlichten Eisenbahnen herrührenden verfügbaren Überschuß
von beinahe 29 Millionen Mark ge
liefert und die Ergebnisse der Betriebsverwaltungen, sowie die in andauerndem
Steigen begriffenen Einnahmen aus den Reichssteuern lassen für das künftige Jahr weitere Mehrerträge erwarten. Ungeachtet der gcgenüberstehenden
Mehrausgaben, unter denen ins
besondere eine nicht unerhebliche Erhöhung der Matrikularbeiträge des Deut schen Reiches hervortritt, hat sich doch der Staatshaushalts-Etat für 1882/83
günstiger als für die drei vorhergehenden Jahre gestaltet. Infolgedessen hat darauf Bedacht genommen werden können, den auf fast allen Gebieten der Staatsverwaltung ausgiebiger Weise Befriedigung zu
hervorgetretenen Bedürfnissen in
verschaffen.
Wenn Ihnen dessen un
geachtet noch die Aufnahme einer Anleihe von mäßigem Betrage vorgeschlagcn
wird, so
geschieht dies in der Absicht kräftigerer Entwickelung der wirt
schaftlichen Interessen des Staats, insbesondere durch Förderung produktiver Anlagen und Zwecke. Neben dem Staatshaushalts-Etat werden Ihnen Gesetzentwürfe zugehen,
welche in Aussicht nehmen, die Lage der Hinterbliebenen unmittelbarer Staats beamten in Übereinstimmung mit der im vorigen Jahre erfolgten gesetzlichen
Regelung dieses Gegenstandes im Reiche sicherer und auskömmlicher zu ge stalten, und die Berhältniffe der nach langer Dienstzeit in den Ruhestand zu versetzenden Beamten günstiger als bisher zu regeln.
Die Staatsregiemng muß zu ihrem Bedauern darauf verzichten, die von ihr als dringend erkannte allgemeine Aufbesserung der Beamtenbesol dungen schon im nächsten Etatsjahre zu verwirklichen; sie wird aber ernst lich darauf bedacht sein, die hierzu erforderlichen nicht unerheblichen Mittel
dem Staathaushalt
zuzuführen, und giebt sich
der Hoffnung hin, daß die
*) Vizepräsident dcS Staats-Ministeriums, Staatsminister v. Puttkamer.
254
Viertes Buch. 1881—1888.
Weitere Ausbildung des
Systems
der indirekten
Steuern im Wege der
Reichsgesetzgebung die baldige Erfüllung auch dieser Wünsche möglich machen werde.
Der in der letzten Landtagssession unerledigt gebliebene Entwurf eines Gesetzes, nach
welchem die aus dem Ertrage neuer oder erhöhter Reichs
steuern an Preußen zu überweisenden Geldsummen zur Herabminderung der
direkten Steuern und der Kommunalabgaben verwendet werden sollen,
wird
Es sind in diesen Gesetzentwurf die Er
Ihnen wieder vorgelegt werden.
und die
leichterung der Volksschullasten unter Beseitigung des Schulgeldes
Erhöhung der Beamtenbesoldungen als unmittelbarer Verwendungszweck mit
ausgenommen worden. Nachdem inzwischen das Reichsgesetz über die neu eingeführten Reichs
stempelabgaben in Kraft getreten ist, wird über die aus den Erträgen der
selben dem preußischen Staatshaushalte zufließenden Mittel zum erstenmal Verfügung zu treffen sein.
In Verbindung
mit dem
vorbezeichneten Gesetzentwürfe wird Ihnen
ein fernerer Steuererlaß vorgeschlagen werden. Auch in der bevorstehenden Session wird Ihre Mitwirkung auf dem Gebiete
des Eisenbahnwesens in hervorragendem
Maße in Anspruch
ge
Ermutigt durch die schon bis jetzt erzielten günstigen Er
nommen werden.
folge der Überführung mehrerer größerer Privateisenbahnen in die Hände des
Staats
und
bestärkt in der Überzeugung, daß
die mit Ihrer Zu
des Staats-Eisenbahnsystems den Inter
stimmung verfolgte Durchführung
des Landes in hohem Maße entspricht, ist die Regierung
essen
gewesen, dem Staate den Besitz
bahnen bahnnetz
zu
sichern.
Mit der
einer
Einfügung derselben in das
werden sich die Vorteile einer
bemüht
weiteren Reihe wichtiger Privat
Staatseisen
einheitlichen Verwaltung in noch
erhöhtem Maße für das Land nutzbar machen lassen.
Durch die mit den
Gesellschaften vereinbarten Verträge, welche Ihnen werden vorgelegt werden,
ist zugleich die Bereitstellung der erforderlichen Geldmittel für die Herstellung neuer langersehnter Schienenwege wie für mehrere und bauliche Anlagen erleichtert,
größere Beschaffungen
welche der erfreulich wachsende Verkehr
erheischt.
Die in der vorigen Session nicht erledigten Gesetzentwürfe, welche eine erhöhte Bürgschaft für den wirtschaftlichen und finanziellen Erfolg des Staats
eisenbahnsystems bezwecken, werden Ihnen zur Beschlußfaffung
wiedemm
zugehen. Bon der
unausgesetzten Fürsorge der Staatsregierung für die Ver-
255
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882. besserung der Wasserstraßen wird
die Anforderung
weiterer beträchtlicher
Mittel für die planmäßige Fortsetzung der Stromkorrekttonen wie eine Denk schrift über die planmäßige Reguliemng mehrerer kleiner schiffbarer Flüsse, nicht minder eine Denkschrift über
Kanalprojekte Zeugnis
ablegen.
die gegenwärtige Lage der preußischen Die Staatsregierung hegt die Hoffnung,
den Bau der ersten großen Abteilung des Rhein-Weser-Elbe-Kanals zur Verbindung des rheinisch-westfälischen Jndustriebezirks
Nordseehäfen alsbald in Angriff nehmen und
mit den deutschen
zu diesem Ende noch in der
bevorstehenden Session eine bezügliche Vorlage Ihnen zugehen lassen zu können.
Nachdem es
zur lebhaften Befriedigung der Regierung Sr. Majestät
möglich geworden ist, in mehreren katholischen Bistümern eine geordnete Verwaltung wieder herzustellen, sowie dringenden Notständen auf dem Gebiete der Seelsorge Abhilfe zu gewähren, auch der Thätigkeit der krankenpflegenden
Genossenschaften Erweiterung und Erleichterung zu verschaffen, im
wird Ihnen
weiteren Verfolg der im Interesse der katholischen Bevölkerung an
gebahnten friedlichen Gestaltung der kirchenpolitischen Verhältnisse eine Vor lage unterbreitet werden, welche das Gesetz vom 14. Juli 1880, soweit es mit dem Beginn dieses Jahres
außer Wirksamkeit getreten ist, wieder in
Kraft zu setzen und zugleich in wichtigen Punkten zu erweitern bestimmt ist.
Die freundlichen Beziehungen lischen Kirche setzen uns in
zu dem gegenwärtigen Oberhaupte der katho
die Lage, dem geschäftlichen Bedürfnisse durch
Wiederanknüpfung des diplomatischen Verkehrs
Rechnung zu tragen.
mit der
römischen Kurie
Die Mittel hierfür werden von Ihnen erbeten werden.
Die Ihnen zugehenden Entwürfe einer Kreis- und Provinzialordnung für die Provinz Hannover bekunden den unveränderten Willen der Staatsregienmg, die mit dem Erlasse der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 begonnene und durch die späteren Organisationsgesetze weiter entwickelte Ver waltungsreform vermöge schrittweiser Ausdehnung auf das gesamte Staats gebiet unter gleichzeitiger Berücksichtigung des aus einer mehrjährigen Er
fahrung sich ergebenden Revisionsbedürfnisses ihrem Abschlüsse entgegenzu führen.
Meine Herren!
Die beiden Häuser des Landtags sind voraussichtlich
zum letztenmal in der gegenwärtigen Gesetzgebungsperiode versammelt. Mögen Ihre Beratungen,
getragen von dem Geiste der Treue und Hingebung für
das Vaterland, gesegnet und für die sittlichen und materiellen Interessen des Volks erfolgreich sein.
Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs
Landtag der Monarchie für eröffnet.
erkläre
ich den
Viertes Buch. 1881-1888.
256
136.
Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 27. April 1882. Geehrte Herren!
Se. Majestät der Kaiser und König haben mir1) den Auftrag zu er teilen gemht, die Sitzungen des Reichstags zu eröffnen. Die gesetzgeberischen Aufgaben, für welche Ihre Thätigkeit in Anspruch
genommen wird, sind Ihnen
bereits durch die Allerhöchste Botschaft vom
17. November v. I. an das Herz gelegt worden. Die
hat
Reichsgesetzgebung
die
Bestrebungen
zur Abhilfe
sozialer
Schäden, welche die Kaiserliche Botschaft in Aussicht nimmt, mit dem Gesetz
entwürfe über Versicherung der Arbeiter gegen Unfälle begonnen. vorjährigen Beratungen des
Aus den
Reichstags über diesen Gegenstand haben die
verbündeten Regierungen den Anlaß genommen, ihre frühere Vorlage einer Umgestaltung zu unterziehen.
Die gegen die früher in Aussicht genommene
Reichsversicherungsanstalt erhobenen Bedenken haben dabei insofern Berück
sichtigung gefunden,
als die Unfallversicherung der Arbeiter nunmehr auf
eine korporative und genossenschaftliche Organisation der in Betracht kom menden industriellen Betriebe
gegründet werden soll.
Der Gesetzentwurf
gewährt den industriellen Verbänden und Genossenschaften eine auf die Ver
hütung von Betriebsunfällen gerichtete Autonomie.
Er geht von dem Be
streben aus, die verwaltende Thätigkeit thunlichst zu lokalisieren, die finanzielle Belastung dagegen ans möglichst breite Unterlagen zu verteilen. Eine notwendige Ergänzung finden die Ihnen auf diesem Gebiete vor
zulegenden Maßnahmen in einer anderweiten Regelung der jetzt bestehenden Hilfskaffengesetzgebung und in der beabsichtigten Ausdehnung der Krankenversicherung.
führung
An Stelle des bisherigen bedingten
wird Ihnen
die Ein
eines unbedingten Zwanges zur Versicherung gegen die wirtschaft
lichen Folgen von Krankheitsfällen für alle Arbeiter vorgeschlagen werden, für welche die Durchführung dieser Maßregel möglich erscheint.
Seit Jahren ist in allen Teilen des Reiches mit steigender Dringlich keit das Bedürfnis nach einer Revision der über den Gewerbebetrieb im Umherziehen geltenden Vorschriften der Gewerbeordnung hervorgetreten.
Die
verbündeten Regierungen haben beschloffen, Ihnen einen Gesetzentwurf vor-
znlegen, durch welchen die Gewerbeordnung in dem Sinne abgeändert wird,
’) Staatsminister v. Boetticher.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882.
257
daß den mit dem Gewerbebetrieb im Umherziehen auf dem Gebiete der
öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Sittlichkeit verknüpften Gefahren wirk samer als bisher begegnet werden kann.
Auf dem Gebiete der Steuerreform hat die Allerhöchste Botschaft vom 17. November v. I. die Abschaffung drückender direkter Landessteuem und
der Zuschläge in Aussicht genommen,
durch welche Gemeinden und andere
Kommunalverbände bisher genötigt sind, den harten und ungleich wirkenden Druck dieser Steuern zu verstärken.
Diese wohlmeinende Absicht zu ver
wirklichen kann nur dadurch ermöglicht werden, daß das Reich durch Er höhung der seiner Gesetzgebung vorbehaltenen indirekten Steuern sich in die
Lage bringt, auf Matrikularbeiträge zu verzichten oder die bisher dazu er
forderlichen
und
eventuell
auch
höhere
Beträge
den
einzelnen
Staaten
herauszuzahlen, damit sie zur Beruiinderung der Landes- und Kommunal-
steuern verfügbar werden.
Wenn ein Bedürfnis hierzu bei den Einzelstaaten
und ihren Kommunalverbänden nicht empfunden würde,
so läge auch kein
Anlaß vor, eine Erhöhung der indirekten Reichseinnahmen zu erstreben.
Ist
ein solches Bedürfnis aber vorhanden, so kann es nur durch größere Er
giebigkeit der indirekten Einnahmequellen des Reiches befriedigt werden. verbündeten Regiemngen
sind
von dem
Vorhandensein
des
Die
Bedürfnisses
überzeugt und beantragen Erhöhung der Reichseinnahmen, um ihren Unter thanen Steuererleichterungen gewähren zu können.
Unter den
zur Besteuerung durch das Reich geeigneten Gegenständen
steht der Tabak in erster Linie; nicht hierüber, sondem nur über die Form,
in welcher eine höhere Besteuerung dieses Genußmittels herbeizuführen sei, gehen die Meinungen im Reich auseinander und durch die Gesetzgebung herbeizuführcn sein.
wird eine Entscheidung
Die Mehrheit der verbündeten
Regiemngen hält die Form des Monopols für diejenige, welche die Inter essen der Konsumenten und Tabakbauer am meisten schont und dabei an Ergiebigkeit alle anderen Formen der Besteuerung
übertrifft.
daher zu anderen Vorschlägen erst dann übergehen,
wenn sie die Aussicht
Sie würde
auf Zustimmung der Volksvertretung zum Monopol aufzugeben genötigt wäre. Wenn die Reichsregiemng
weder in der einen noch
in der andem
Form Aussicht auf die Bewilligung höherer Reichseinnahmen hätte, so würde
sie mit Bedauern und zum Schmerze Sr. Majestät des Kaisers für jetzt auf die Reformen der Steuerverfassung des Reiches und der Einzelstaaten ver zichten müssen, welche als ein Bedürfnis der Bevölkemng von allen Regie
rungen seit Jahren erkannt und in der Botschaft vom 17. November v. I. ver
heißen sind.
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
17
258
Viertes Buch. 1881—1888.
Die mit der Anwendung des Zolltarifgesetzes gemachten Erfahrungen habm für die Mühlenindustrie die Gewährung einer Ausfuhrerleichtemng
und für einige andere Produktionszweige eine Änderung der Tarifsätze als
wünschenswert ergeben.
Es wird Ihnen daher der Entwurf eines Gesetzes
hierüber vorgelegt werden. Ein zwischen dem Reich und Brasilien abgeschlossener Konsularvertrag
wird Ihrer verfassungsmäßigen Beschlußfassung unterbreitet werden. Die auswärtigen Verhältnisse des Reichs fahren fort, nach jeder Rich
tung hin das Vertrauen auf die Dauer der friedlichen und freundschaftlichen
welchen die Allerhöchste Botschaft vom
Beziehungen zu rechtfertigen, von
17. November v. I. Zeugnis ablegte.
Je größer die Tragweite der Arbeiten ist, welche Sie, geehrte Herren,
erwarten, desto mehr vertrauen die Verbündeten Regierungen, daß es Ihrer hingebenden Thätigkeit mit Gottes Hilfe gelingen werde, die großen Auf
gaben, um die es sich handelt,
einer für die Konsolidierung unserer natio
nalen Einrichtungen und für die gedeihliche Entwickelung des Vaterlandes segensvollen Lösung entgegenzuführen. Im Namen der verbündeten Regierungen erkläre ich auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs den Reichstag für eröffnet.
137. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 14. November 1882. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags I Indem Ich die Gesamtvertretung der Monarchie am Eingänge einer
neuen Legislaturperiode begrüße, ist
es Meinem Herzen Bedürfnis, von
dieser Stelle aus nochmals Meinem Volle zu danken für den einmütigen
Ausdruck der Liebe und Anhänglichkeit, welchen es Mir und Meinem Hause bei der Geburt Meines Urenkels *) dargebracht hat.
Der durch die
Gesetzgebung
des Reiches angebahnte Aufschwung der
Gewerbethätigkeit begründet gemeinsam mit einem für die meisten Landesteile
gesegneten Ausfall der Ernte die Hoffnung auf fortschreitende Entwickelung
des Wohlstandes aller Bolksklaffen.
Das Mißverhältnis zwischen dem Bedürfnis und den Mitteln des Staates, welches seit Jahren Meine Regierung zu Anträgen auf Einfühmng
nmer indirekter Steuern beim Reich veranlaßt hat, besteht infolge der bis-
*) Prinz Friedrich Wilhelm, geb. am 6. Mai 1882.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882.
259
herigen Ablehnung fast aller dieser Anträge auch jetzt noch fort.
Dasselbe
ist ein so erhebliches, daß es ohne die endliche Eröffnung solcher Hilfsquellen
nicht ausgeglichen werden kann. Schon das beschränkte, in dem bisherigen Rahmen des Staatshaushalts-
Etats nur zur Geltung gebrachte Ausgabebedürfnis hat nicht ohne außer ordentliche Mittel gedeckt werden können.
Auch für den Etat des nächsten
Jahres sind solche erforderlich und durch Benutzung des Staatskredits zu
beschaffen.
Ein entsprechendes
Anleihegesetz wird Ihnen zugleich mit dem
Etat vorgelegt werden. Was das weitergehende Staatsbedürfnis anlangt, so wird Meine Regiemng sich bemühen, durch besondere Gesetzvorlagen, welche die beabsichtigten
Erleichterungen der Kommunal- und Schullasten, sowie die Verbesserung der
Beamtenbesoldungen in Verbindung
mit wünschenswerten organischen Neu
ordnungen bringen, die Teilnahme und Zustimmung zu gewinnen,
welche
dem wiederholt vorgelegten Entwürfe des Verwendungsgesetzes für die vom Reich zu erlangenden Mehreinnahmen leider versagt geblieben ist.
lich
Hoffent
wird es so gelingen, dem Bedürfnis Anerkennung zu verschaffen und
auch seinen Umfang
gemeinsam mit Ihnen festzustellen, damit dann die
Reichsgesetzgebung mit besserem
Erfolge für die Abhilfe in Anspruch ge
nommen werden kann.
Nur in einem Punkte kann dieser zeitraubende Weg nicht eingeschlagen werden: die
Entlastung der ärmeren Klassen der Bevölkemng von dem
Drucke der Klassenstcuer muß nach Meiner Überzeugung ohne Verzug herbei geführt werden. wissen.
Es
Es ist Mein Wunsch, die mit der Erhebung dieser Steuer
harten und die Not steigernden Exekutionen bald beseitigt zu
verbundenen,
wird Ihnen ein Gesetzentwurf
wegen sofortiger
vollständiger
Aufhebung der vier untersten Stufen der Klassensteuer vorgelegt werden,
welcher daher auch die einstweilige Deckung für den Ausfall vorzusehen hat.
Das nunmehr in dem größten Teile der Monarchie zur Durchführung
gelangte Staatsbahnsystem
rechtfertigt zu Meiner Genugthuung schon durch
die seitherigen Erfolge die Erwartungen, welche geknüpft werden dursten.
an diese große Maßregel
Wegen Herstellung einer weiteren Reihe wichtiger
Schienenverbindungen in verschiedenen Teilen des Landes wird Ihnen eine
Vorlage zugehen. Der in der letzten Session nicht erledigte Gesetzentwurf zur Ausführung
der ersten Abteilung eines Kanals, welcher die großen Ströme in dem west lichen Teile der Monarchie unter sich verbinden soll, wird von neuem vor
gelegt werden.
Viertes Buch.
260
1881—1888.
Es werden Ihnen Gesetzentwürfe zugehen,
welche dazu bestimmt sind,
die Organisation der Verwaltung in einer durch das Bedürfnis gebotenen Weise zu vereinfachen.
Dadurch
wird zugleich die begonnene Reform zu
einem Abschluß gebracht werden, welcher es gestattet, sie demnächst auf das
gesamte Staatsgebiet auszudehnen.
Zur Beseitigung der Mängel und Härten, welche sich bei der Zwangs vollstreckung in unbewegliches Vermögen herausgestellt haben, wird Ihnen
ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Die Wiederanknüpfung des diplomatischen Verkehrs mit der römischen
Kurie ist zu
Meiner Freude der Befestigung freundlicher Beziehungen zu
dem Oberhaupte der katholischen Kirche förderlich gewesen, und hege Ich die Hoffnung, daß die versöhnliche Gesinnung, welche Meine Regierung zu be
thätigen nicht aufhören wird, auch ferner günstigen Einfluß auf die Gestal
tung unserer
kirchenpolitischen Verhältnisse üben werde.
Inzwischen fährt
Meine Regierung fort, auf Grund der bestehenden Gesetze und der ihr er
teilten Vollmachten den Bedürfnissen Meiner katholischen Unterthanen auf kirchlichem Gebiete jede Rücksicht angcdeihen zu lassen,
welche mit den Ge-
samtintereffen des Staates und der Nation verträglich ist.
Zur besonderen Befriedigung gereicht es Mir, Ihnen mitteilcn
zu
können, daß die Beziehungen des Deutschen Reiches zu allen auswärtigen
Regierungen
Mir die Überzeugung gewähren, daß
die Wohlthaten
des
Friedens uns gesichert bleiben werden. Meine Herren!
Wiederum ist der Landesvertretung ein ausgedehntes
Feld wichtiger Arbeit eröffnet.
Ich hege das Vertrauen, daß diese Arbeit
durch Ihre bereitwillige Unterstützung Meiner Regierung auch in der neuen Session zu einer fruchtbringenden sich gestalten werde.
138. Allerhöchste Botschaft an den Deutschen Reichstag, Sonnabend, den 14. April 1883’).
Wir Wilhelm von Gottes
Gnaden Deutscher Kaiser, König von
Preußen rc. thun kund und fügen hiermit zu wissen: Wir haben es jederzeit als eine der ersten von Uns als Kaiser über
nommenen Pflichten erkannt, der Lage der arbeitenden Klassen im ganzen ’) Verlesen in der Sitzung des Reichstags vom 14. April 1883 von dem Bundes bevollmächtigten, Kgl. preuß. Finanzminister v. Scholz.
Sozialreform und Kolonialpolitik.
1883.
261
Reiche dieselbe Sorgfalt zuzuwenden, welche Wir in Preußen zur Fortbildung
der von Unserm in Gott ruhenden Vater im Anfänge dieses Jahrhunderts begründeten Reform zu bethätigen suchten.
Schon beim Erlaß des Sozialisten
gesetzes haben Wir Unserer Überzeugung dahin Ausdruck gegeben, daß die
Gesetzgebung sich nicht auf polizeiliche und abwehrende Maßregeln beschränken
darf, sondern suchen muß, zur Heilung oder doch zur Milderung des durch
Strafgesetze bekämpften Übels Reformen einzuführen, welche dem Wohle der
Arbeiter förderlich, sichern geeignet sind.
die Lage derselben
zu
bessern,
zu
fördern und
zu
Dieser Unserer Überzeugung haben Wir insbesondere
in Unserer Botschaft vom 17. November 1881 Ausdruck gegeben und Uns gefreut, als
einen ersten Erfolg in dieser Richtung in Unserm Königreich
Preußen wenigstens die beiden ersten Stufen der Klassensteuerpflichtigen be freien zu können.
Dankbar für die einmütige Unterstützung Unserer hohen Verbündeten,
dankbar für die hingebende Arbeit Unserer Behörden, sehen Wir auch auf dem
Gebiete der Reichsgesetzgebung
den Anfang des Reformwerkes soweit
zu Anfang der Session der Entwurf eines
gediehen, daß dem Reichstage
Unfallversicherungsgesetzes in einer mit Rücksicht auf die frühere umgearbei teten Fassung vorgclegt und ergänzt werden konnte durch einen Gesetzentwurf
zur Organisierung des Krankenkassenwesens.
Seitdem haben Wir, den Ver
handlungen den Reichstags über diese Vorlage mit besonderer Aufmerksam
keit
folgend und zu jeder möglichen Erleichterung derselben gern die Hand
bietend, an dem Wunsche und der Hoffnung festgehalten, daß diese Session des Reichstags
nicht zu Ende gehen werde,
ohne daß jene Vorlagen und
Gesetze in einer die Sanktion ermöglichenden Gestalt zur Annahme gelangen.
Wir haben auch mit Anerkennung und Befriedigung gesehen, wie die ernste Arbeit des Reichstags die Beratung des Krankenkassengesetzes bereits so weit
gefördert hat, daß in Bezug
hierauf die
kaum mehr zweifelhaft erscheint.
Erfüllung Unserer Erwartung
Mit Sorge aber erfüllt es Uns, daß die
prinzipiell wichtigere Vorlage des Unfallversicherungsgesetzes noch so sehr im Rückstände ist, und daß daher auf deren Durchberatung nicht mit gleicher Sicherheit gerechnet werden kann.
Bliebe diese Vorlage jetzt unerledigt,
so
würde auch die Hoffnung, daß in der nächsten Session die weiteren Vor
lagen, betr. die Alters- und Jnvalidenversorgung durchberaten werden, völlig verschwinden, wenn die Beratung des Reichshaushalts-Etats für 1884/85
noch
die
nähme.
Kraft des
Reichstags
während der Wintersession in Anspruch
Wir haben deshalb für geboten erachtet, die Zustimmung der ver
bündeten Regierungen dahin zu beantragen, daß der Entwurf des Reichs-
262
Viertes Buch. 1881—1888.
Haushalts-Etats dem Reichstage jetzt von neuem zur Beschlußnahme vor
gelegt wird.
Wenn dann die Vorlage über die Unfallversicherung in der
laufenden Frühjahrssession vom Reichstage nicht mehr beraten und festgestellt wird, dann wird durch
vorgängige Beratung des Reichshaushalts-Etats
wenigstens für die Wintersaison die Freiheit gewonnen werden, welche er
forderlich ist, um die sozialen Reformen auf wirtschaftlichem Gebiete fördern.
zu
Die Zeit ist eine lange für die Empfindung, mit welcher Wir in
Unserm Lebensalter auf die Erfüllung der Aufgaben blicken, welche zu lösen
sind, ehe die in der Botschaft ausgesprochenen Gedanken eine praktische Be thätigung soweit erhalten, daß sie volles Verständnis und volles Vertrauen
finden.
Unsere Kaiserlichen Pflichten aber fordern Uns auf, kein Mittel zu
versäumen, um für die Besserung der Lage der Arbeiter und für die Er
haltung des Friedens unter den Klassen der Bevölkerung, so lange Gott Uns Frist giebt, zu wirken.
Darum wollen Wir den Reichstag durch Unsere
Botschaft von neuem und unter Anmfung seiner bewährten und treuen An
hänglichkeit die baldige Erledigung der vorbezeichneten Aufgaben dringend ans Herz legen. Gegeben Berlin, den 14. April 1883.
Wilhelm. von Bismarck.
139. Nede zur Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichstags, Mittwoch, den 29. August 1883').
Geehrte Herren!
Se. Majestät der Kaiser haben den Reichstag zu bemfen geruht, um
Ihnen den mit der Königlich spanischen Regierung vereinbarten Handels und Schiffahrtsvertrag zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung Eine Einigung beider Regierungen
vorzulegen.
über diesen Vettrag ist erst nach
dem Schluffe der letzten Reichstagssession zu stände gekommen.
Daß der
Abschluß sich so lange verzögerte, beruhte auf Hindemiffen, deren Beseitigung erst infolge längerer und schwieriger diplomattscher Verhandlungen gelang. Aus dem Vertrage ergeben sich für die deutsche Einfuhr nach Spanien
wichttge Zollermäßigungen und seitens der beteiligten deutschen Industrie *) Verlesen vom StaatSmimster v. Boetticher.
Sozialreform und Kolonialpolitik.
263
1883.
wurde der dringliche Wunsch kund gegeben, daß diese Zollerleichterungen als bald in Kraft treten möchten.
In voller Würdigung der hierbei in Betracht
kommenden wirtschaftlichen Interessen haben die verbündeten Regierungen es sich
angelegen sein lassen, den zweckmäßigsten Weg zu finden, um diesem
Wunsche zu entsprechen.
Sie haben sich dabei zu der Ausfassung geneigt,
daß auf Grund diplomatischer Verständigung zwischen den beiden Vertrags mächten eine vorläufige Inkraftsetzung
der vereinbarten Zollermäßigungen
unter Vorbehalt der für die definitive Giltigkeit des Vertrags erforderlichen Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags zu geschehen habe und daß
für die darin liegende Abweichung von den Bestimmungen der Verfassung
die Indemnität bei den gesetzgebenden Körpern demnächst nachzusuchen sei. Die nachträgliche Zustimmung des Reichstags so herbeizuführen,
bald
als thunlich
wurde dabei von vornherein um so mehr ins Auge gefaßt,
als kein Zweifel darüber
bestand, daß für die beteiligten Kreise die volle
Gewißheit über die rechtliche Geltung des Vertrags im Interesse der Sicher
heit ihrer geschäftlichen Dispositionen von hohem Werte sei.
Gleichwohl
stand
der sofortigen Berufung der Reichsvertretung die
durch die Jahreszeit bedingte Rücksicht auf die persönliche Belästigung der im laufenden Jahre ohnehin ungewöhnlich in Anspruch genommenen Mit
glieder derselben gegenüber, und hielt Se. Majestät der Kaiser Sich zu dem Vertrauen berechtigt, daß das unter den verbündeten Regierungen bestehende
Einverständnis über die Behandlung des Vertrags auch bei allen Parteien
im Reichstage vorhanden sein werde.
Der
unerwartete
Umstand,
sondern die Organe weiter Kreise
daß
nicht
nur
übereinstimmend
vereinzelte
Stimmen,
gegen die Abweichung
vom Buchstaben der Verfassungsbestimmungcn Klage erhoben und dem in andern Verfassungsstaaten thatsächlich in Übung bestehenden Prinzipe eines
Jndemnitätsverfahrens jede Anwendbarkeit auf die Reichsverfassung bestritten haben, hat Sr. Majestät dem Kaiser den Anlaß gegeben, die der sofortigen
Einbemfung entgegenstehenden Bedenken zurücktreten zu lassen.
Der Vertrag wird Ihnen unverzüglich mit dem Anträge zugehen, dem selben, sowie der erwähnten vorläufigen Ermäßigung einzelner Zollsätze die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Mit Allerhöchster Ermächtigung erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.
264
1881—1888.
Viertes Buch.
140. Worte des Kaisers bei Einweihung des Denkmals auf dem Niederwald, Freitag, den 28. September 1883.
Wenn die Vorsehung ihren Willen zu mächtigen Ereignissen auf Erden kundgebcn will, so erwählt sie dazu die Zeit, die Länder und die Werkzeuge,
um diesen Willen zu vollbringen.
Die Jahre 1870/71 waren eine Zeit,
in welcher ein solcher Wille geahnt wurde.
Das bedrohte Deutschland erhob
sich in Vaterlandsliebe wie ein Mann, und das Werkzeug war das deutsche
Volk ilt Waffen, seine Fürsten an der Spitze.
Der Allmächtige führte
diese Waffen nach blutigen Kämpfen von Sieg zu Sieg, und Deutschland
steht in Einheit in der Weltgeschichte da.
Millionen Herzen haben ihre
Gebete zu Gott erhoben und Ihm für diese Gnade ihren demütigen Dank dargebracht und Ihn gepriesen, daß Er uns für würdig befand, Seinen
Willen zu vollziehen.
Aber für die spätesten Zeiten will Deutschland diesem
Dank einen bleibenden Ausdnrck geben.
In diesem Sinne ist das vor uns
stehende Denkmal geschaffen, das nun enthüllt werden soll.
Und mit den
Worten, die Ich hier bei der Grundsteinlegung') sprach, welche nach den
Befreiungskriegen 1813/15
in eiserner Schrift der Nachwelt Mein Vater,
weiland König Friedrich Wilhelm III. hinterließ,
weihe Ich dieses Denk
mal : Den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den
kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung.
Das walte Gott!
141.
Rede ;nr Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 20. November 1883.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!
Se. Majestät der Kaiser und König haben mich') mit der Eröffnung
des Landtags der Monarchie zu beauftragen geruht.
Die Finanzlage des Staates hat sich günstiger gestaltet. Das letzte abgeschlossene Rechnungsjahr hat, dank den erfreulichen Er
gebnissen der Staatseisenbahn-Verwaltung, einen verfügbaren Überschuß von erheblichem Betrage hinterlassen.
Das laufende Jahr zeigt ungeachtet des
') 16. Sept. 1877. 4) Viceprästdent des Staats-Ministeriums, Staatsminister v. Puttkamer.
Sozialreform unb Kolonialpolitik. 1883.
265
nur teilweise befriedigenden Ausfalles der Ernte keinen Rückgang in der bisherigen allmählichen Besserung
der Verhältnisse und läßt auf wachsende
Erträgnisse der meisten eignen Einnahmequellen des Staates auch für das
nächste Jahr hoffen. Der Staatshaushalts-Etat für 1884/85, der Ihnen alsbald vorgelegt
werden wird, hat sich unter diesen Umständen, und da wir nach dem bereits festgestellten Reichshaushalts - Etat einen wesentlich geringeren Matrikular-
beitrag zu entrichten und wiederum höhere Herauszahlungen aus dem Er trage der Zölle und der Tabaksteuer zu erwarten haben, bei strenger Prü
fung und Beschränkung jedes neuen oder vermehrten Ausgabebedarfs so auf
stellen lassen, daß die Einnahmen und Ausgaben ohne eine ergänzende Inanspruchnahme des Staatskredits das Gleichgewicht halten.
Hierin kann indessen selbst nur dafür, daß bei weiterem Verzicht auf die Befriedigung
vieler an sich anzuerkennenden Bedürfnisse die Etats der
folgenden Jahre sich ebenso gestalten lassen werden, nicht schon gefunden werden.
ein genügender Anhalt
Dagegen ist es gclviß, daß das seit Jahren
hervorgetretcnc und von der Staatsregierung geltend gemachte Mißverhältnis
zwischen den Mitteln des Staates und den Aufgaben, die ihm namentlich aus dem
immer härter empfundenen Drucke der Komniunal- und Schul
lasten und aus der Unzulänglichkeit der Bcamtenbesoldungen erwachsen, un vermindert fortbesteht.
Die in dieser Richtung Ihnen bereits angekündigten speziellen Gesetz entwürfe
sind inzwischen
vorbereitet und zum Teil auch so weit gefördert
worden, daß Ihnen entsprechende Vorlagen werden gemacht werden können.
So weit es an der Hand derselben gelingt, jene Bedürfnisse des Landes, welche
über die Preußen allein zur Verfügung gebliebenen Mittel hinaus
gehen,
zu förmlicher Anerkennung
Ihnen
gesetzlich
festzustellen,
zu bringen und im Einverständnis mit
wird auch
die
Mitwirkung des Reichstags
zur endlichen Eröffnung der notwendigen neuen Hilfsquellen auf dem Ge
biete der indirekten «Steuern,
zu welchen die verbündeten Regierungen ihre
einmütige Bereitwilligkeit bereits wiederholt ausgesprochen haben, nicht dauernd vergeblich
in Anspruch
genommen werden.
Darauf rechnet die Staats-
regierung mit derjenigen Zuversicht, mit welcher sie von Anfang an jene
großen Ziele nur hat ins Auge soffen können
und ohne welche sie auf
deren weitere Verfolgung zu ihrem tiefen Bedauem würde verzichten müssen.
Die zur besonderen Freude Sr. Majestät in der letzten Session von Ihnen angenommene Befreiung wenigstens der zu den beiden untersten Stufen
der Klaffensteuer
eingeschätzten Bevölkerung
von dem Drucke dieser Steuer
Viertes Buch.
266
1881-1888.
und der Heimsuchung mit Steuerexekution kann nach übereinstimmender Auf
fassung der
Staatsregierung und des
Landtags nicht
als Abschluß einer
Reform der direkten persönlichen Staatssteuern gelten, sondern nur als der
erste dringlichste Schritt zu einer solchen.
Dem unveränderten Königlichen Willen folgend, der auf baldige weiter gehende Befreiungen der nur geringes Einkommen habenden Bevölkerungs-
klaffen gerichtet ist, und zugleich den bei den Verhandlungen des Landtags
in weitgehender Übereinstimmung geäußerten Ansichten über die sonstigen steuerpolitischen Ziele gem entgegenkommend, hat die Staatsregierung sich
die Ausarbeitung eines weiteren Gesetzentwurfs zur Umgestaltung der direkten
persönlichen Steuem und Einführung einer Kapitalrentensteuer
angelegen
sein kaffen, der Ihnen binnen kurzem unterbreitet werden wird. Mit der Überführung der meisten größeren Privat - Eisenbahnunter nehmungen in die Hände des Staats und der gleichzeitigen Erweiterung des Staatseisenbahn-Netzes durch Herstellung neuer, wichtiger Schienenverbindungen
ist das Staatseisenbahn-System in dem größten Teile der Monarchie mit steigendem
Erfolge
zur Durchführung
gelangt.
Um
die bedeutungsvolle
Reform zum weiteren Abschlüsse zu fördern und die Vorteile derselben auch denjenigen Landesteilen zuzuwenden,
welche der Staatsbahnen bisher zum
Teil noch gänzlich entbehren, wird Ihnen die Staatsregierung den Erwerb einer weiteren Reihe wichtiger Privateisenbahnen in Vorschlag bringen.
Die mit den Gesellschaften vereinbarten Verträge bieten wiederum zu die Mittel für eine der Landeswohlfahrt dienende Erweiterung und
gleich
Vervollständigung des Staatseisenbahn-Netzes in den verschiedensten Teilen
des Landes; über die Verwendung dieser Mittel wird Ihnen eine Vorlage zugehen.
Von der angelegentlichen und unverminderten Fürsorge, welche die Staatsregierung der Entwickelung der natürlichen wie der künstlichen Waffer-
straßen
zuwendet,
wird
auch
der Entwurf des Staatshaushalts-Etats
Zeugnis ablegen. Nachdem dank Ihrer Zustimmung die Organisation der Verwaltung
die dem Bedürfnisse des Landes entsprechende einfachere und übersichtlichere
Einrichtung erfahren hat, ist es an der Zeit, der weiteren Ausdehnung des Reformwerks näher zu treten.
Zu dem Ende werden Ihnen zunächst die
Entwürfe einer Kreis- und Provinzialordnung für die Provinz Hannover vorgelegt werden, da die hiervon abhängige Einfügung dieses Landesteils
in den Behördenorganismus der Gesamt-Monarchie als eine der dringlichsten Aufgaben unserer innern Politik zu bezeichnen ist.
Sozialreform und Kolomalpolitik.
1884.
267
Der Entwurf einer für die ganze Monarchie bestimmten Jagdordnung, welcher den Mängeln der bestehenden Jagdpolizei-Gesetze Abhilfe verschaffen soll, wird Ihnen im Laufe Ihrer Beratungen zugehen.
Meine Herren!
Indem ich Sie am Eingänge einer neuen Session im
Namen Sr. Majestät begrüße, lade ich Sie dazu ein, Ihre Arbeiten unter dem Schutze gesicherter, friedlicher Verhältnisse wieder aufzunehmen und im einträchtigen Zusammenwirken mit der Staatsregierung
einem gedeihlichen
Ziele entgegenzuführen.
Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs
erkläre ich
den
Landtag der Monarchie für eröffnet.
142.
Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 6. März 1884.
Geehrte Herren!
Se. Majestät der Kaiser haben mich*) zu beauftragen geruht, Sie bei
dem Beginn Ihrer Beratungen willkommen zu heißen. Die bedeutsamste Aufgabe des Reichstags liegt auch für die bevor stehende Session
auf dem Gebiete der sozialpolitischen Gesetzgebung.
Der
zu wiederholten Malen feierlich und mit besonderem Nachdruck ausgesprochene Wunsch Sr. Majestät des Kaisers, die wirtschaftliche und soziale Lage der
Arbeiter durch organische Gesetze zu heben und dadurch den Frieden unter
den
Bevölkerungsklassen zu fördern, hat im deutschen Volke volles Ver
ständnis gefunden.
Die Verhandlungen über das im vergangenen Jahre —
dank Ihrer hingebenden
Mitarbeit —
zu
stände
gekommene
Kranken
versicherungs-Gesetz haben den erfreulichen Beweis geliefert, daß der Reichstag sich mit den verbündeten Regierungen in dem Bewußtsein der Bedeutung
und Dringlichkeit der erstrebten sozialen Reformen begegnet.
Der nächste Schritt auf diesem Gebiete besteht in der endlichen ge setzlichen Regelung der Fürsorge für die durch Betriebsunfälle vemnglückten
Arbeiter und deren Hinterbliebene.
Nachdem auch der im Frühjahr
1882
Ihnen vorgelegte Entwurf eines Unfallversicherungs-Gesetzes zum legislatorisch . !
Abschluß nicht gelangt war, ist derselbe unter Berücksichtigung der aus dem bisherigen Entwickelungsgang
geschöpften Erfahrungen nochmals einer sorg-
’) Staatsminister v. Boetticher.
268
Viertes Buch.
faltigen
1881-1888.
Prüfung unterzogen worden.
Dieselbe hat zu beni Plane einer
anderweiten Ausgestaltung der in Aussicht genommenen berufsgenossenschaft lichen Organisation der gewerblichen Unternehmer auf der Grundlage aus
gedehnter Selbstverwaltung, sowie einer erweiterten Beteiligung der Arbeiter
behufs Wahrung ihrer Interessen geführt.
auf diese Grundlagen ge
Die
stellte neue Vorlage wird Ihnen unverzüglich zugehen.
Für die Erledigung
derselben hat der Reichstag durch die frühzeitige Beratung des Reichshaus halts-Etats für 1884/85 die erwünschte geschäftliche Freiheit gewonnen.
Nach
dem Zustandekommen
des Unfallversicherungs-Gesetzes
wird
es
unsere Aufgabe sein, auf entsprechender organisatorischer Gmndlage eine be friedigende Ordnung
die durch Alter
für
der Fürsorge
oder Invalidität
erwerbsunfähig werdenden Arbeiter anzustreben.
Die Erfüllung dieser Pflicht gegen die arbeitende Bevölkerung soll in des geeinten Vaterlandes
dieser die Segnungen der friedlichen Entwickelung
zum vollen Bewußtsein bringen, damit den auf den Umsturz göttlicher und
revolutionärer Elemente
menschlicher Ordnung gerichteten Bestrebungen Boden entzogen und die
werden ihrerseits bemüht
Die verbündeten Regierungen
angebahnt werde.
der
erlassenen Ausnahmemaßregeln
der
Beseitigung
sein, auf diesem Wege deu Erwartungen und Zusagen zu entsprechen, welche die Vorbereitung und den Erlaß des Gesetzes vom 21. Oktober
In der Hoffnung
gleiteten.
auf Ihre erfolgreiche Mitwirkung
1878 be an diesem
Werke werden die verbündeten Regierungen Ihre Zustimmung zu einer Ver
längerung jenes
Gesetzes,
dessen Geltung
30. September d. I.
mit dem
abläuft, nachsuchen. Durch
das
Krankenversicherungs-Gesetz
werden
des Hilfskaffen-Gesetzes vom 7. April 1876 bedingt.
der
Entwurf
einer
entsprechenden
Novelle
zu
einige Abänderungen
Es wird Ihnen daher
diesem
Gesetze
vorgelegt
werden.
Die bei der Gründung und Verwaltung
von Aktiengesellschaften her
vorgetretenen Ausschreitungen und die dadurch herbeigeführten Schädigungen des Volkswohlstandes gebung
erschüttert.
27. März
haben das Vertrauen Nach
der
der
in
1873 gegebenen Anregung
in die bestehende Aktiengesetz Sitzung
ist die
des
Reichstags
Erkenntnis
wendigkeit einer Abänderung des Gesetzes vom 11. Juni 1870 Kreisen zur Anerkennung
gelangt.
vom
von der Not in weiten
Der infolgedessen aufgestellte
Gesetz
entwurf, der Ihrer verfassungsmäßigen Beschlußfassung unterbreitet werden
wird, bezweckt die Abstellung
der hervorgetretenen
zu diesem Ende insbesondere die Verschärfung
Mißstände und nimmt
der Verantwortlichkeit
aller
Sozialreform und Kolonialpolitik.
269
1834.
bei der Gründung, Leitung und Beaufsichtigung
von Aktienunternehmungen
sowie die Herbeiführung
einer wirksamen Kontrolle
beteiligten Personen,
über die Verwaltung der Aktiengesellschaften in Aussicht. Die im Jahre 1882 dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwürfe, welche
die Zustimmung der durch das Gesetz
vom 20. April 1881
und Waisen der Reichsbeamten gewährten
den Witwen
an die Hinter
Fürsorge auch
Angehörigen des Reichshecres und der Marine,
bliebenen von
sowie im
Anschlüsse an das in Preußen geltende Pensionsrecht eine Verbesserung des und Offiziere in Aussicht nahmen,
Pensionswesens für Reichsbeamte
damals zu Verabschiedung nicht gelangt.
sind
Die Verhältnisse, welche zu diesen
Entwürfen geführt haben, bestehen unverändert
fort und
wird der Inhalt
derselben Ihren Beschlüssen von neuem unterbreitet werden. Unter dem fortgesetzten Bemühen, den Erzeugnissen unserer Litteratur
und des heimischen Kunstfleißes in immer
weiterem Umfange
auch außerhalb der Grenzen des Reiches
eine durch Rechtsschutz gesicherte Verbreitung
zu gewährleisten, sind mit Belgien zwei Verträge über
Schutz
der Rechte
gegenseitigen worden.
den gegenseitigen
an Werken der Litteratur und Kunst, sowie über den
Schutz
der
gewerblichen
Muster
und
Modelle
vereinbart
Dieselben werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Genehmigung zu
gestellt werden. Die Beziehungen des Reiches zum Auslande bilden für Se. Majestät
den Kaiser einen Anlaß hoher Befriedigung, besonders int Rückblick alle Befürchtungen und Vorhersagungcn, welche nach
auf
der Neubildung des
Deutschen Reiches den friedliebenden Charakter seiner Politik in Zweifel ge
stellt haben.
Die Gleichheit der friedliebenden Gesinnung, welche die uns
benachbarten und befreundeten Mächte beseelt, begründet zwischen ihnen und uns
eine Solidarität, welche die Erhaltung des Friedens
nicht nur für
Deutschland nach menschlicher Voraussicht als gesichert erscheinen läßt.
Die
Befestigung der ererbten Freundschaft, welche Deutschland und seine Fürsten
mit den
benachbarten
Kaiserhöfen
verbindet, und die
Aufnahme,
welche
Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz in Vertretung Sr. Ma
jestät des Kaisers in Italien und Spanien gefunden hat, beweisen, daß dem Ansehen der deutschen Nation im Auslande das Vertrauen der Fürsten und der Völker auf unsere Politik
rechnet darauf,
Sich
zur Seite steht.
Se. Majestät der Kaiser
dieses Vertrauen und Deutschland den Frieden mit
Gottes Hilfe zu erhalten.
Viertes Buch. 1881-1888.
270
143.
Urkunde über die Grundsteinlegung ;u dem Neichstagsgebäude, verlesen vom Reichskanzler Fürsten v. Bismarck, Montag, den 9. Juni 1884.
Wilhelm
Wir
von
Gottes
Gnaden
Preußen, thun kund und fügen zu wissen,
Kaiser,
Deutscher
Namen der Fürsten und Freien Städte des Reiches
mit den verfassungsmäßigen Vertretern des stein zu
König
beschlossen haben,
daß Wir
von im
und in Gemeinschaft
deutschen Volkes den
einem Hause zu legen, in welchem der gemeinsamen
Gmnd-
Arbeit der
gesetzgebenden Körper eine würdige Stätte bereitet werden soll.
Unter den glorreichen Waffenerfolgen der vereinigten deutschen Stämme
ist durch Gottes Fügung Herrlichkeit erstanden.
das
Deutsche Reich
zu ungeahnter Macht und
Aus der Begeisterung des
Volkes
und aus
dem
gegenseitigen Vertrauen der Bundesregierungen ist für Deutschland die Kraft erwachsen, seine Verfassung
seine nationale Entwickelung
und
Macht zu schützen und die Pflege
nehmen.
aus
eigner
seiner Wohlfahrt in die eigne Hand zu
Diesem Schutze und dieser Wohlfahrt
soll
die Arbeit in dem
Hause dienen, dessen Grundstein Wir legen. Wir blicken dankbar gegen Gott auf das zurück, was die verbündeten Regierungen in gemeinsamer Thätigkeit mit dem Reichstage
verflossenen Jahre Unseres Kaiserlichen Waltens
während
der
für Deutschland geschaffen
haben, und sehen der Zukunft mit der Hoffnung entgegen, daß unter Uns, wie unter Unsern Nachfolgern
die gemeinsame Arbeit für das Vaterland
von Einigkeit getragen und von Segen begleitet sein werde.
der Freiheit,
der
Der Ordnung,
Gerechtigkeit, der gleichen Liebe für alle Kreise Unseres
Volkes sei unverbrüchlich diese Arbeit gewidmet. Möge Frieden nach außen und im Innern den Bau dieses Hauses
beschirmen!
Auf immerdar sei das Haus
ein Wahrzeichen der unauflös
lichen Bande, welche in großen und herrlichen Tagen die deutschen Länder
und Stämme zu dem Deutschen Reiche vereinigt haben! Dazu erflehen Wir den Segen Gottes. Gegenwättige Urkunde haben Wir in zwei Ausfertigungen mit Unserer
Allerhöchsteigenhändigen
Namensunterschrist
vollzogen
größeren Kaiserlichen Jnsiegel versehen laffen.
und
fertigung mit den dazu bestimmten Schriften und Münzen stein
des
bewahren.
Hauses niederzulegen,
die
andere
mit
Unserem
Wir befehlen, die eine Aus
in Unserem
in den Grund Archiv
aufzu
1884.
Sozialreform und Kolomalpolitik.
271
Gegeben in Unserer Haupt- Md Residenzstadt Berlin am neunten Juni
des Jahres Em Tausend Achthundert vier und achtzig. Wilhelm.
144. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, Mittwoch, den 11. Juni 1884.
Auf den Bericht des Staats-Ministeriums vom 9. d. M. will Ich hier
durch das mir vorgelegte Regulativ, betreffend die Verhandlungen des Staatsrats,
genehmigen und zugleich den weiteren Vorschlägen des Staats-Ministeriums wegen des ersten Wiederzusammentritts des Staatsrats und der demselben nach Maßgabe des Regulativs zur Erstattung von Gutachten vorzulegenden
Gegenstände entgegensehen. Ferner benachrichttge Ich das Staats-Ministerium, daß Ich die in der Anlage aufgeführten Personen zu Mitgliedern und den Unterstaats-Sekretär im Ministerium für Handel und Gewerbe, Dr. v. Moeller,
zum Staatssekretär des Staatsrats ernannt habe.
in Kenntnis zu setzen.
Dieselben sind hiervon
Endlich habe Ich mittelst der abschriftlich an
liegenden Erlasse vom heutigen Tage
des Kronprinzen Kaiserliche
und
Königliche Hoheit zum Präsidenten und Meinen Reichskanzler und Präsidenten
des Staats-Ministeriums, Fürsten von Bismarck, zumkVice-Präsidenten des Staatsrats ernannt. Berlin, den 11. Juni 1884. v. Bismarck,
Lucius.
Friedberg,
v. Scholz.
Wilhelm.
v. Puttkamer.
Maybach.
v. Boetticher.
v. Goßler.
Graf v. Hatzfeldt.
Bronsart v. Schellendorf.
An das Staats-Ministerium.
145.
Ansprache des Kronprinzen zur Eröffnung der Sitzungen des Staatsrats, Sonnabmd, den 25. Oktober 1884.
Meine Herren Mitglieder des Staatsrats! Se. Majestät der Kaiser und König haben den Staatsrat nach lang
jähriger Unterbrechung seiner Thätigkeit wiedereinzubemfen und durch Aller-
Viertes Buch. 1831—1888.
272
höchsten Erlaß vom 11. Juni d. I. Mich, der Ich vor 30 Jahren unter
die Mitglieder desselben ausgenommen wurde, zum Präsidenten zu ernennen
geruht. Die Aufgaben, welche für den Staatsrat in Aussicht genommen sind, werden sich vorzugsweise auf dem Gebiete der Gesetzgebung
ist die Absicht Sr.
bewegen.
zur Einbringung in den Landtag bestimmt sind, über Entwürfe höchsten Verordnungen,
über Entwürfe
Es
welche
Majestät, Ihr Gutachten über Gesetzentwürfe,
zu Aller
Gesetzen und Verordnungen,
zu
welche von der preußischen Regierung bei dem Bundesrat eingebracht werden,
und über die Abgabe der preußischen Stimmen im Bundesrat in Sachen
der Neichsgesetzgebung zu erfordern, so oft die Bedeutung des Gegenstandes
dies angemessen erscheinen behalten,
auch
Daneben haben Se. Majestät Sich
läßt.
Angelegenheiten
aus
dem Gebiete
der
Verwaltung
Vor
dem
Staatsrat zur Begutachtung zu überweisen. Die Erledigung
Se.
Majestät
dieser Aufgaben wird in Ihre Hände gelegt, weil in den
ver
durch eigene Berufsthätigkeit gewonnenen
Er
das Vertrauen hegen,
schiedensten Wirkungskreisen
daß
von Ihnen
die
fahrungen die Regierung Sr. Majestät des Königs bei den Vorarbeiten für
die Gesetzgebung in einer den Interessen des gesamten Vaterlandes förder lichen Weise unterstützen und als Material vervollständigen werden, welches den Verhandlungen der gesetzgebenden Körper als Unterlage dient.
Damit dies Ziel erreicht werde, ehe sie zur
lassen, die Gesetzentwürfe, langen,
einer sorgfältigen Prüfung
wollen
Sie es sich
angelegen sein
parlamentarischen Verhandlung
daraufhin
Bedürfnissen des Landes entsprechen, ob die Mittel,
ge
ob
sie den
durch welche
sie den
zu unterziehen,
letzteren gerecht zu werden suchen, unter den gegebenen Verhältnissen die angemeffenen und erfolgverheißenden sind, und
ob die praktische Durch-
fühmng der Grundsätze, auf welchen die Entwürfe beruhen, in solcher Weise geordnet ist, daß der Zweck des Gesetzes so vollständig und mit so geringer
Belästigung wie möglich erreicht werden kann. wägungen
wird es dem Staatsrat
Neben diesen sachlichen Er
obliegen, die Redaktion der Entwürfe
aufmerksam zu prüfen, damit dieselben nicht nur eine klare und in
widerspruchslose Fassung
sich
erhalten, sondern auch in ihrer Konstruktion dem
System der bestehenden Gesetzgebung sich organisch anschließen.
Geehrte Herren!
Der Staatsrat hat in der Organisation, welche ihm
durch die Allerhöchste Verordnung vom 20. März 1817
gegeben worden
ist, während der ersten Periode seines Bestehens von 1817—48 die gleichen Aufgaben
zu lösen gehabt,
welche
gegenwärtig Ihnen übertragen werden.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1884.
273
Er hat sich diesen Aufgaben stets mit voller Hingebung und mit einem Erfolge gewidmet, welcher seinen Arbeiten die Anerkennung des Königs und
Ich vertraue darauf, daß Sie sich mit Mir in
des Landes erworben hat.
dem Bestreben vereinigen werden, dem neu berufenen Staatsrat durch pflicht treue, unbefangene und umsichtige Erledigung seiner Geschäfte dieselbe An
erkennung zu gewinnen, welche Ihren Vorgängern zu teil geworden ist. Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre
Ich die Sitzungen des Staatsrats für eröffnet.
146.
Thronrede zur Eröffnung Lee Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 20. November 1884.
Geehrte Herren! Ich freue Mich,
daß cs Mir vergönnt ist,
Sie
selbst zu begrüßen,
und heiße Sie im Namen der verbündeten Regierungen willkommen. Es gereicht Mir zu besonderer Genugthuung, daß die Wünsche, welche
Ich in meiner Botschaft vom 17. November 1881 an dieser Stelle gegeben, seitdem
kund
auf dem Wege zu ihrer Erfüllung wesentliche Fortschritte
gemacht haben; Ich entnehme daraus am Abend Meines Lebens die Zu versicht, daß der stufenweise Ausbau der begonnenen Reform lingen und für den
innern Frieden
im Reiche
die
schließlich ge
Bürgschaft herstellen
werde, welche nach menschlicher Unvollkommenheit erreichbar sind. Unsere nächsten Schritte in dieser Richtung werden in der Ausdehnung
der Unfallversicherung auf die Arbeiter der Landwirtschaft und des Transport wesens und in der Erweiterung der Sparkasseneinrichtungen bestehen, wofür
die Vorlagen Ihnen zugehen werden.
Der Entwurf des Reichshaushalts-Etats für das nächste Rechnungs jahr wird Ihnen unverweilt vorgelegt werden.
Die Fortentwickelung
der
Einrichtungen des Reiches bedingt naturgemäß ein Anwachsen seiner Aus
gaben. Sie werden hierin mit Mir eine Mahnung erkennen, neue Einnahmequellen für das Reich zu erschließen. der
Reform höhere
Der Versuch, der Rübenzuckersteuer int Wege
Reinerträge abzugewinnen,
wird für jetzt durch
die
Notlage der beteiligten Industrie und der in Mitleidenschaft stehenden Land
wirtschaft erschwert. Die Herstellung des einheitlichen Zoll- und Handelsgebietes im Reich
ist durch Verständigung
mit
der
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
freien Hansestadt Bremen
18
vorbereitet
274
1831-1888.
Viertes Buch.
und wird die Bewilligung eines Beitrags hierzu Ihnen zur Beschlußnahme vorgelegt werden.
Im Anschluß an den revidierten Gesetzentwurf wegen Subventioniemng
unserer Dampfschiffahrt werden Ihnen Mitteilungen Schutz des Reiches gestellten überseeischen
geflogenen
auswärtigen
Verhandlungen
zugehen.
Wenn
erfüllen können, so werden sie doch dazu beitragen, Ausfuhr
und durch
Belebung
unserer Erzeugnisse dergestalt zu
des
diese
Anfänge
die sich daran knüpfen,
kolonialer Bestrebungen nicht alle Erwartungen,
Handelsverbindungen
über die unter den
Ansiedlungen und die darüber
durch Entwickelung der
Unternehmungsgeistes
die
fördern, daß unsere Industrie
zu lohnender Beschäftigung ihrer Arbeiter befähigt bleibt.
Im Einverständnis mit der französischen Regierung habe Ich Vertreter der meisten seefahrenden Nationen
hierher eingeladen, um über die Mittel zu
beraten, durch welche der Handel mit Afrika gefördert und
durch internationale Reibungen gesichert werden
der beteiligten Regiemngen, Meiner Einladung
kann.
vor Störungen
Die Bereitwilligkeit
zu entsprechen,
ist ein Be
weis der freundschaftlichen Gesinnung und des Vertrauens,
von welchem
alle Staaten des Auslandes dem Deutschen Reiche gegenüber
erfüllt sind.
Diesem Wohlwollen liegt die Anerkennung
der Thatsache zu Grunde, daß
die kriegerischen Erfolge, die Gott uns verliehen hat, uns nicht das Glück der Völker auf anderem Wege
und seiner Wohlthaten zu
suchen.
als
durch Pflege
verleiten,
des Friedens
Ich freue Mich dieser Anerkennung,
und insbesondere darüber, daß die Freundschaft mit den durch die Tra dition der Väter, durch die Verwandtschaft der regierenden Häuser und durch
die Nachbarschaft der Länder Mir besonders nahestehenden Monarchen von Österreich und Rußland durch Unsere Begegnung in Skierniewice der Art hat besiegelt werden können, daß Ich ihre ungestörte Dauer für lange Zeit gesichert halten darf.
Ich danke dem
allmächttgen Gott für diese Gewiß
heit und für die darin beruhende starke Bürgschaft des Friedens.
147. Redezur Eröffnung des Landtags, Donnerstag, den 15. Januar 1885.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häufem des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben midj1) mit der Eröffnung
des Landtags der Monarchie zu beauftragen geruht. *) Vicepräsident des StaatS-MinisteriumS v. Puttkamer.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1885.
275
Die Finanzlage des Staates ist an sich eine befriedigende.
Das letzte
abgeschlossene Rechnungsjahr hat bei fast allen wichtigeren Einnahmezweigen,
namentlich auch wiederum bei der Verwaltung der Staatseisenbahnen günstige Resultate und insgesamt einen Überschuß von mehr als 20 Millionen Mark ergeben, welcher gemäß den gesetzlichen Bestimmungen über die Verwendung der Jahresüberschüsse der Eisenbahn-Verwaltung
bis
einen geringen
auf
verfügbar gebliebenen Betrag zur Tilgung der Staatseisenbahn-Kapitalschuld Auch das
zu verwenden gewesen ist.
herigen
Wahrnehmungen
gleicher Verwendung entsprechend sind
einen
kommenden
für das
einen
und
erwarten.
Verwaltungsüberschuß
die Einnahmen
den bis
laufende Jahr läßt nach
günstigen Abschluß hoffen nächste Jahr
zu
Dem
erfreulicher Weise
wiederum in dem Maße höher zu veranschlagen, daß sie zur vollen Deckung
des in der bisherigen Weise streng geprüften, aber nirgends unwirtschaftlich beschränkten Ausgabebedarfs hinreichen würden, wenn dem letzteren nicht eine Erhöhung des Matrikularbeitrags für
das Reich
um mehr
als
24 Mil
lionen Mark hinzuträte. Schon seit längerer Zeit weist eine Reihe großer und anders als mit
neuen Einnahmen vom Reich nicht zu befriedigender Bedürfnisse, namentlich
die dringend wünschenswerte Erleichterung des Drucks der Kommunal- und wie die Verbesserung der Beamtenbesoldungen,
Schullasten,
auf die Not
wendigkeit der Eröffnung neuer Einnahmequellen des Reiches hin. zwischen
hervorgetretene
Mahnung hierzu, welche,
eigene
Mehrbedarf
Matrikularbeitrages
Reiches giebt
so hofft die Staatsregierung,
achtet werden, und in naher Zeit
führen wird.
des
auf die für
Inzwischen muß
wieder das
zu
bald allseitig
einer Ermäßigung
laufende
von der
Der in
eine neue
Jahr
be
unseres
festgestellte Summe
höheren Bedarfssumme
ausge
gangen werden, und wenn auch ein Teil derselben noch in den ordentlichen Einnahmen
des
Deckung derselben
Staates
Deckung
finden
eine außerordentliche
kann,
in
der
Hauptsache
zur
Einnahme in Aussicht genommen
werden. Die demgemäß aufgestellten Entwürfe des Staatshaushalts-Etats für das
nächste Jahr und sprechenden
eines Gesetzes wegen
Aufnahme einer Anleihe zur ent
Ergänzung der nächstjährigen Einnahmen des Staates
werden
Ihnen alsbald zugehen.
Der durch die Gesetzgebung des Reiches herbeigeführte Aufschwung der Gewerbthätigkeit macht sich in
einer allmählich fortschreitenden Entwickelung
des Volkswohlstandes bemerkbar.
Nur die landwirtschaftliche Bevölkerung
18*
276
Viertes Buch. 1881—1888.
entbehrt bisher des ihr gebührenden
Anteils
an den Wohlthaten dieser
Entwickelung.
Trotz der im Ganzen gesegneten Ernte lastet ein Druck auf der Land wirtschaft.
Gegenüber den gestiegenen Produktionskosten
und den erhöhten
öffentlichen Lasten, welche auf diesem wichtigsten Erwerbszweige ruhen, ist eine
denselben entsprechende Steigerung der Preise der hauptsächlichsten Erzeugnisse
nicht eingetreten, dieselben stehen vielmehr niedriger wie seit vielen Jahren. Der Absatz im Bereiche der landwirtschaftlichen technischen Nebengewerbe stockt,
und es sind die Preise für Zucker mid Spiritus auf
ein Niveau herabge
sunken, welches den Betrieb nicht nur nicht mehr lohnend, sondern verlust bringend macht.
Es
wird
ein Gegenstand
unausgesetzter
Fürsorge
der
Regierung Sr. Majestät sein, so viel an ihr ist, die Ursachen dieser schweren
Krisis aufzuklären und durch ihre
Maßnahmen nach Möglichkeit Abhilfe
zu erstreben.
Die in der letzten Session nicht erledigten Gesetzentwürfe staltung der direkten persönlichen Steuem und Einführung
rentensteuer sind unter sorgfältiger Prüfung der bei Landtage hervorgetretenen
Bedenken
zur Umge
einer Kapital
ihrer Vorberatung im
und Abänderungsvorschläge zum Teil
anderweit redigiert worden und werden Ihnen von neuem vorgelegt werden mit dem Wunsche und der Hoffnung, daß die damit vor allem beabsichtigten baldigen weiteren Befreiungen der wenig begüterten Bevölkerungsklassen von
dem Drucke der
direkten Steuern nicht minder wie die sonstigen
steuer
politischen Ziele derselben nunmehr erreicht werden mögen.
Behufs
erhöhter Nutzbarkeit des mit
gedeihlichem Erfolge durchge
führten Staatseisenbahn-Systems hat die Regiemng auf den Erwerb einiger
weiterer
Privateisenbahnen für den Staat Bedacht
zweckmäßigste Mittel zur Lösung der Schwierigkeiten,
genommen, als
das
welche die besonderen
Verhältnisse der betreffenden Gesellschaften zum Staate der wünschenswerte» Vereinfachung der Verwaltung entgcgenstellen. werden Ihnen vorgelcgt
Die
und wegen Verwendung
vereinbarten Verträge
der durch
den Abschluß
derselben bereitstehenden Mittel für die Ausführung von Meliorationsbahnen Vorschläge gemacht werden.
Die Verbeffemng der vaterländischen Wasserstraßen schreitet erfolgreich
fort und wird in planmäßiger Weise ihrem Abschlüsse entgegengeführt. Nachdem in der
wirkung für
vorigen
Session des
die Provinz Hannover
Landtags unter Ihrer Mit
eine Kreis- und
eine Provinzial-
Ordnung auf der Grundlage der neuen Verwaltungs-Gesetzgebung zu stände gekommen und damit der erste Schritt zur Übertragung der
letzteren auf
277
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1885.
die Provinzen,
in denen sie noch fehlen, geschehen ist, erscheint die weitere
Durchführung der Reform der innern Verwaltung als eine wichtige gesetz
geberische Aufgabe.
Von denjenigen Provinzen, welche hier in Frage kommen,
ist die Provinz Hessen-Nassau wegen der Verschiedenheit ihrer kommunalen
und Verwaltungs-Einrichtungen sowohl gegenüber
den
übrigen
dringendsten bedürftig.
Teilen
in der Provinz
der Monarchie
selbst,
wie auch
einer Reorganisation am
Es werden Ihnen daher, um dieselbe herbeizuführen,
Provinzialordnung für diese Provinz
Entwürfe einer neuen Kreis- und
vorgelegt werden.
Es werden Ihnen ferner Gesetzentwürfe zugehen, durch welche die be
währten Grundsätze der altpreußischen Gesetzgebung über die wirtschaftliche Zusammenlegung der in vermengter Lage befindlichen Grundstücke auf das
Geltungsgebiet des rheinischen Rechts und
auf die hohenzollernschen Lande
unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse dieser Landesteile aus gedehnt werden sollen.
Meine Herren!
Indem ich
Sie im Namen Sr. Majestät begrüße,
lade ich Sie ein, Ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, und gebe mich namens
der Staatsregierung der Hoffnung hin, daß es gelingen wird, die gewichtigen Aufgaben dieser neuen Session unter Ihrer patriotischen Mitwirkung
einer
gedeihlichen Erledigung entgegenzusühren. Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs
erkläre ich den
Landtag der Monarchie für eröffnet.
148.
Kaiserlicher Schichbrief für die Gesellschaft für deutsche Kolonisation. Wir Wilhelm,
von Gottes Gnaden deutscher Kaiser und König
von
Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem die derzeitigen Vorsitzenden der Gesellschaft für deutsche Kolo
nisation, Dr. Carl Peters und Unser Kammerherr Felix, Graf Behr-Bandelin, Unsern Schutz für die Gebietserwerbungen der Gesellschaft in OstAfrika, westlich von dem Reiche des Sultans von Zanzibar,
außerhalb der
Oberhoheit anderer Mächte, nachgesucht und Uns die von besagtem Dr. Carl Peters
zunächst mit den Herrschern von Usagara,
Nguru, Useguha und
Ukami im November und Dezember vorigen Jahres abgeschlossenen Verträge,
278
Viertes Buch.
1881-1888.
durch welche ihm diese Gebiete für die deutsche Kolonisationsgesellschaft mit
der Landeshoheit abgetreten
den Rechten
vorgelegt haben, diese Gebiete
worden sind,
mit dem Ansuchen
so be
unter Unsere Oberhoheit zu stellen,
stätigen Wir hiermit, daß Wir diese Oberhoheit angenommen und die betr.
Gebiete, vorbehaltlich Unserer Entschließungen auf Grund weiterer Uns nach zuweisender vertragsmäßiger Erwerbungen der Gesellschaft oder ihrer Rechts nachfolger in jener Gegend, unter Unsern Kaiserlichen Schutz gestellt haben.
Wir verleihen der besagten Gesellschaft unter der Bedingung,
daß sie
eine deutsche Gesellschaft bleibt und daß die Mitglieder des Direktoriums
oder der sonst mit der Leitung betrauten Personen Angehörige des Deutschen Reiches sind,
sowie den Rechtsnachfolgern dieser
gleichen Voraussetzung, die Befugnis
vorgelegten Verträgen
Gesellschaft,
zur Ausübung
fließenden Rechte, einschließlich
aus
aller der
unter der den Uns
Gerichtsbarkeit,
gegenüber den Eingeborenen und den in diesen Gebieten sich niederlassenden oder zu Handels-
und
andern Zwecken
Reiches und anderer Nationen, unter
sich
aufhaltenden Angehörigen des
der Aufsicht Unserer Regierung und
vorbehaltlich weiterer von Uns zu erlassender Anordnungen und Ergänzungen
dieses Unseres Schutzbriefes. Zu Urkund dessen haben Wir diesen Schutzbrief Höchsteigenhändig voll
zogen und mit Unserem Kaiserlichen Jnsiegel versehen lassen. Gegeben Berlin, den 27. Februar 1885.
(L. S.)
Wilhelm.
von Bismarck.
149. Kaiserlicher Achuhbrief für die Neu-Guinea-Courpagnie. Wir Wilhelm,
von Gottes Gnaden deutscher Kaiser und König von
Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir im August
1884
gehörigen, welche inzwischen den
einer
Namen
Gemeinschaft
von
Reichsan
„Neu-Guinea--Compagnie"
an
genommen hat, für ein von derselben eingeleitetes Kolonialunternehmen auf
Jnselgebieten im westlichen Teile der Südsee, welche nicht unter der Ober
hoheit einer andern Macht stehen, Unsern Schutz verheißen hatten; nachdem diese Compagnie durch eine von ihr ausgerüstete Expeditton in jenen Gebieten
unter der Kontrolle Unseres dortigen Komnlissars Häfen und Küstenstrecken zum Zwecke
der Kultur und
der
Errichtung von
Handelsniederlassungen
279
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1885. und
erworben
in Besitz
genommen
und
hat,
demnächst
auf
Unsern
Befehl diese Gebiete durch Unsere Kriegsschiffe unter Unsern Schutz gestellt worden sind; nachdem die beiden deutschen Handelshäuser, welche in einem
Teile jener Gebiete schon früher Faktoreien errichtet und
Grundeigentum
erworben hatten, der Compagnie beigetreten sind, und nachdem die Compagnie,
rechtlich vertreten durch Unsern Geheimen Kommerzienrat Adolf von Hanse mann, nunmehr angezeigt hat,
daß sie
es übernehme, die zur Förderung
des Handels und der wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Grund und Bodens, sowie zur Herstellung und Befestigung
eines friedlichen Verkehrs
mit den
Eingeborenen und zu deren Civilisierung dienlichen staatlichen Einrichtungen
in dem Schutzgebiete auf ihre Kosten zu treffen und zu erhalten, auch damit den Antrag
verbunden hat, daß ihr zur Erreichung dieses Zweckes durch
einen Kaiserlichen
Schutzbrief das
Recht zur Ausübung landeshoheitlicher
Befugnisse unter Unserer Oberhoheit zugleich mit dem ausschließlichen Recht, unter der Oberaufsicht Unserer Regierung herrenloses Land in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen
und Verträge mit den Eingeborenen über Land
und Grundberechtigungen abzuschließen, verliehen werden möchte:
So bewilligen Wir der Neu-Guinea-Compagnie diesen Unseren Schutzbrief und bestätigen hiermit, daß Wir über die betreffenden
Gebiete die Oberhoheit übernommen haben.
Diese Gebiete sind die folgenden: 1. Der Teil des Festlandes von Neu-Guinea, welcher nicht unter eng
lischer
oder niederländischer Oberhoheit steht.
auf Antrag
Dieses Gebiet, welches Wir
der Compagnie „Kaiser Wilhelms-Land"
haben, erstreckt sich
an
zu
nennen gestattet
der Nordostküste der Insel vom 141. Grade öst
licher Länge (Greenwich) bis zu dem Punkte in der Nähe von Mitre Rock, wo der 8. Grad südlicher Breite die Küste schneidet, und wird nach Süden und
Westen durch eine Linie begrenzt, welche zunächst dem 8. Breitengrade bis zu dem Punkte folgt, wo derselbe vom 147. Grade östlicher Länge durch schnitten wird, dann in einer geraden Linie in nordwestlicher Richtung auf den Schneidepunkt des 5. Grades
südlicher Breite und des 141. Grades
östlicher Länge zuläuft und von hier ab nach Norden diesem Längengrade folgend wieder das Meer erreicht. 2. Die vor der Küste dieses Teiles von Neu-Guinea liegenden Inseln,
sowie die Inseln des Archipels, welcher bisher als der von Neu-Britannien bezeichnet worden ist und
auf Antrag
der Compagnie
mit Unserer Er
mächtigung den Namen „Bismarck-Archipel" tragen soll und alle
nordöstlich
von
Neu-Guinea zwischen dem
Äquator und dem
8.
andem
Grade
Viertes Buch. 1881-1888.
280
südlicher Breite und zwischen dem 141. und 154. Grade östlicher Länge
liegenden Inseln.
Jngleichen verleihen Wir der besagten Compagnie, gegen die Verpflichtung,
die von ihr übernommenen staatlichen Einrichtungen zu treffen und zu er
halten, auch die Kosten für eine ausreichende Rechtspflege zu bestreiten, hier mit die entsprechenden Rechte der Landeshoheit, zugleich mit dem ausschließ
lichen Recht, in dem Schutzgebiet herrenloses Land in Besitz
zu nehmen
und darüber zu verfügen und Verträge mit den Eingeborenen über Land
und
Grundberechtigungen abzuschließen, dies alles
unter der Oberaufsicht
Unserer Regierung, welche die zur Wahrung früherer wohlerworbener Eigen
tumsrechte und zum Schutz
der Eingeborenen erforderlichen Bestimmungen
erlassen wird.
Die Ordnung der Rechtspflege sowie die Regelung und Leitung der Beziehungen zwischen dem Schutzgebiete und den fremden Regierungen bleiben
Unserer Regierung Vorbehalten.
Wir verheißen und befehlen hiermit, daß Unsere Beamten und Offi
ziere durch Schutz und Unterstützung der Gesellschaft und ihrer Beamten in allen gesetzlichen Dingen diesen Unsern Schutzbrief zur Ausführung bringen
werden.
Diesen Unsern Kaiserlichen Schutzbrief gewähren Wir der „Neu-GuineaCompagnie" unter der Bedingung, daß dieselbe bis spätestens ein Jahr vom
heutigen Tage ab ihre rechtlichen Verhältniffe nach Maßgabe der deutschen Gesetze ordnet, daß die Mitglieder ihres Vorstandes oder der sonst mit der Leitung betrauten Personen Angehörige des Deutschen Reiches sind und unter dem Vorbehalt späterer Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes und der
von Unserer Regierung zu seiner Ausführung zu erlafienden Bestimmungen,
sowie der in Ausübung Unserer Oberhoheit über das Schutzgebiet ferner zu
treffenden Anordnungen, zu deren Befolgung die Compagnie bei Verlust des
Anspruchs auf Unseren Schutz verpflichtet ist. Zu Urkund dessen haben
Wir diesen Unsern Schutzbrief Höcksteigen-
händig vollzogen und mit Unserm Kaiserlichen Jnsiegel versehen lassen.
Gegeben Berlin, den 17. Mai 1885. (L. 8.)
Wilhelm, von Bismarck.
Sozialrcform und Kolonialpolitik 1885.
281
150.
Rede ;ur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 19. November 1885. Se. Majestät der Kaiser Sie in Seinem und der
hat mir *)
verbündeten
den Auftrag zu erteilen geruht.
Regiemngen
Namen
beim Wieder
beginn Ihrer Arbeiten zu begrüßen.
Der Entwurf zum Reichshaushalts-Etat wird Ihnen alsbald zugehen. Die Sorge für die Sicherheit des Reiches und für die Befestigung und Ent wickelung seiner Einrichtungen
veranlaßt die Verbündeten Regierungen, auf
dem Gebiete des Heerwesens, der Kriegsmarine und der Fürsorge für bisher unversorgte Invaliden beider eine Erhöhung der bisherigen Leistungen bei Ihnen in Antrag zu bringen. In den erheblich gesteigerten Überweisungen aus
den finanziellen
Ergebnissen
unseres
verbesserten Zolltarifs und
des
Gesetzes über die Reichsstempelabgaben werden die Bundesstaaten die Mittel
zur Deckung ihrer Mehrleistungen an das Reich finden.
Infolge der Not
wendigkeit, die vom Reich gewährten Mittel wiederum zu den Zwecken des Reiches
zu
verwenden, bleiben
aber eigne Bedürfnisse der Bundesstaaten
unbefriedigt, und es liegt dem Reich die Aufgabe ob, auf dem nur ihm zu
gänglichen Gebiete der indirekten Verbrauchsbesteuerung
quellen zu eröffnen.
weitere Einnahme
Demgemäß ist die baldige Einbringung eines Gesetzes
zur Reform der Zuckerbesteuerung in Aussicht genommen, da die Schwierig
keiten, welche während der Reform
mit Rücksicht auf
letzten
Session
dieser als dringlich erkannten
die Lage der beteiligten Industrie und Land
wirtschaft entgegenstanden, nicht mehr in derselben Stärke
vorliegen und
durch eine Verzögerung der Reform eher wieder verschärft werden könnten.
Auch in betreff der Branntweinsteuer sind zu gleichem Zweck Vorlagen in Vorbereitung, über welche zunächst die Verständigung unter den verbündeten
Regierungen herzustellen ist. In Übereinstimmung mit den wiederholt und feierlich kundgegebenen
Absichten Sr. Majestät des Kaisers auch diesmal auf Ihre Mitwirkung
rechnen die
verbündeten
Regierungen
für die schrittweise Weiterführung des
in Angriff genommenen sozialen Reformwerkes.
Dank dem verständnisvollen
Entgegenkommen der beteiligten Kreise ist es möglich gewesen, das Unfall-
versicherungs-Gesetz
vom 6. Juli 1884
und zum
Teil auch die Novelle
vom 28. Mai d. I. nach Abschluß der organisatorischen Vorarbeiten bereits
x) StaatS-Minister von Boetticher als Stellvertreter des Reichskanzlers.
Viertes Buch. 1881—1888.
282
am 1. Oktober d. I. in Wirksamkeit treten zu lassen.
In planmäßiger
Verfolgung des beschrittenen Weges wird Ihnen der in der vorigen Session unerledigt gebliebene Entwurf eines Gesetzes über die Ausdehnung der Unfall versicherung
und Forstwirtschaft mit einigen
auf die Arbeiter der Land-
Änderungen wieder vorgelegt werden, durch welche einer Anzahl von Vor schlägen Ihrer
zur Vorberatung
des
Entwurfs
gewählten
Kommission
Rechnung getragen wird. Schon bei der Beratung des Unfallversicherungsgesetzes wurde die Not
wendigkeit hervorgehoben, auch die Unfallfürsorge für die Beamten und für Personen des Soldatenstandes entsprechend zu regeln.
Es wird Ihnen ein
Gesetzentwurf zugehen, welcher dieser Aufgabe, soweit die Reichsgesetzgebung
sie zu lösen hat, gerecht zu werden bestimmt ist. Die von 5 zu 5 Jahren gesetzlich vorgesehene Revision des Servis
tarifs und der Klasseneinteilung der Orte ist der Gegenstand
Vorberatungen gewesen.
eingehender
Über das Ergebnis derselben wird Ihnen
eine
entsprechende Vorlage gemacht werden.
Im Jntereffe der wirksamen Verteidigung
unsere Marine ist die Herstellung
der deutschen Küste durch
eines Schiffahrtskanals
mündung nach der Kieler Bucht in Aussicht genommen,
welches
zugleich
wirklichung des
wirtschaftlichen Interessen dienen wird.
Plans
erforderliche Reichsgesetz
von der
Elb-
ein Unternehmen, Das zur Ver
wird Ihrer verfassungs
mäßigen Beschlußfassung unterliegen.
Die Rechtspflege in den unter den Schutz des Reiches gestellten über seeischen Gebieten bedarf der Regelung, behufs deren Ihnen die erforderliche
Vorlage gemacht werden wird. Über die Ausdehnung, in
welcher deutsche Unternehmungen und Er
werbungen in fremden Weltteilen ferner in den unmittelbaren Schutz und
unter die Aufsicht des Reiches zu nehmen sein werden, sind Verhandlungen mit den Regierungen von England, Spanien, Frankreich, Portugal und mit
dem Sultan von Zanzibar gepflogen worden, deren Ergebnisse Ihnen auf
Befehl Sr. Majestät des Kaisers mitgeteilt werden sollen, stehen.
sobald sie fest
Letzteres ist England gegenüber im wesentlichen schon jetzt der Fall,
und die Verhandlungen mit Spanien lassen, infolge der Vermittelung Sr. Heiligkeit des Papstes, die den freundschaftlichen Beziehungen beider Länder
entsprechende vergleichsweise Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheiten über
die Priorität der Besitzergreifung der Karolinen-Inseln in kurzem erwarten. Das Deutsche Reich erfreut sich
friedlicher und freundschaftlicher Be
ziehungen zu allen auswärtigen Regierungen.
Se. Majestät der Kaiser hegt
Sozialreform und Kolonialpolitik.
283
1885.
die zuversichtliche Hoffnung, daß die Kämpfe der Balkanstaaten untereinander
den Frieden der europäischen Mächte nicht stören werden, und daß es den Mächten, welche den für jede von ihnen gleich wertvollen Frieden Europas vor 7 Jahren durch
ihre Verträge besiegelt haben,
diesen Verträgen die Achtung
der durch
Volksstämme im Balkangcbiete zu sichern. dem Vertrauen beseelt,
daß
sie
auch
gelingen
werde,
zur Selbständigkeit berufenen
Se. Majestät der Kaiser ist von
Gottes Segen
den
bisher erfolgreichen Be
strebungen unserer Politik zur Erhaltung des europäischen Friedens auch in Zukunft nicht fehlen werde.
151. Allerhöchste Botschaft an den Bcichstag *), Montag, den 30. November 1885.
Wir Wilhelm,
von
Gottes
Gnaden deutscher Kaiser,
König
von
Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Den Verhandlungen des Reichstags mit Aufmerksamkeit folgend, haben Wir aus
der Tagesordnung des
pellation 2) in Aussicht steht,
1.
Dezember ersehen,
daß eine Inter
welcher die Ncchtsauffassung zu Grunde liegt,
als ob in Deutschland eine Neichsrcgierung bestände, die verfassungsmäßig
in der Lage wäre, Schritte zu thun, um die Durchführung von Maßregeln zu hindern, welche
von Uns in Unserm Königreich Preußen
Ausweisung ausländischer Unterthanen angeordnet worden sind.
bezüglich der
Die That
sache, daß diese rechtliche Voraussetzung nach Ausweis der Unterschriften der
Interpellation von der Mehrzahl der bisher anwesenden Mitglieder des Reichtags für richtig gehalten
wird, legt Uns die Verpflichtung auf, der
selben gegenüber Unsere Rechte im Königreich Preußen und die Rechte eines
Jeden Unserer Bundesgenossen in
betreff der Landeshoheit ausdrücklich zu
verwahren. ’) Verlesen von Fürst Bismarck in der Sitzung des Reichstags vom 1. Dezember 1885. 8) Die Interpellation, eingebracht von dem Abgeordneten Dr. von JazdzewSki und
der polnischen Fraktion, von zahlreichen Mitgliedern deS Centrums und der freisinnigen Partei, den Sozialdemokraten, den Elsaß-Lothringern und dem Dänen Junggreen unter
stützt, lautete:
In den letzten Monaten wurden viele Tausende von fremden Unter
thanen, namentlich anS den östlichen Provinzen des preußischen Staates, ausgewiesen
oder für die nächste Zukunft damit bedroht.
Wir richten an die Reichsregierung die
Anfrage, ob diese Thatsache und ihre Begründung zu ihrer Kenntnis gelangt ist, und
ob dieselbe bereits Schritte gethan hat oder noch zu thun beabsichtigt, um der weiteren Durchführung der verhängten Maßregel entgegenzuwirken.
Viertes Buch. 1881—1888.
284 Wir haben —
gleich Jedem der verbündeten Fürsten — wesentliche
nnd unbestrittene Hoheitsrechte der Einheit der deutschen Nation willig ge
opfert und dem Reichstage bezüglich Unserer Staaten
weitgehende Rechte
Wir bereuen die von Uns gebrachten Opfer nicht, Wir haben
eingeräumt.
die dadurch geschaffenen Rechte und Prärogative des Reichstags stets un
verbrüchlich geachtet und Unsere jederzeit bereitwillig erfüllt,
gegen
das Reich
übernommenen Pflichten
auch den Frieden des Reiches mit Erfolg ge
wahrt und seine Wohlfahrt nach Kräften gefördert,
aber
mit gleicher Ge
wissenhaftigkeit sind Wir auch entschlossen, die Rechte unserer angestammten Krone so,
wie sie nach den Bundesverträgen zweifellos in Geltung stehen,
nicht minder wie die
eines Jeden
Unserer Bundesgenossen, unverdunkelt
und unvermindert zu erhalten und sie zu schützen. Die in der gedachten Interpellation vertretene Rechtsauffassung findet in keiner Bestimmung der Bundesverträge, der Verfassung oder der Gesetze des Reiches einen Anhalt.
Es giebt keine Reichsregierung, welche bemfen
wäre, unter der Kontrolle des Reichstags, wie sie durch jene Interpellation versucht wird, die Aufsicht über die Handhabung der Landeshoheitsrechte der
einzelnen Bundesstaaten zu führen, soweit das Recht dazu nicht ausdrücklich dem Reiche übertragen
worden
ist.
Wir dürfen das Zeugnis der
durch
Uns und Unsere Bundesgenossen geeinigten Nation dafür Anrufen, daß die verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung von Uns und von den ver
bündeten Regiemngen jederzeit sorgfältig geachtet worden sind;
aber Wir
dürfen auch erwarten, daß der Reichstag mit gleicher Gewissenhaftigkeit die
Rechte eines Jeden der verbündeten Fürsten und freien Städte achten werde. Auf dieser Gegenseitigkeit beruht das Vertrauen, welches die deutschen Stämme und
ihre Fürsten
und Obrigkeiten der Reichsverfassung
entgegenbringen.
Es ist Unser ernstes Bemühen, dieses Vertrauen allerseits ungeschwächt zu erhalten, und deshalb fühlen Wir Uns bewogen, dem Reichstage Unsere Über
zeugung kund zu thun, daß die Rechtsauffaffung, zu welcher die Mehrzahl der anwesenden Abgeordneten durch ihre Unterstützung der gedachten Inter pellation sich bekannt hat, im Widerspruch mit dem deutschen Berfassungs
rechte
steht,
und
daß Wir etwaigen Versuchen
selben nicht nur Unsere Mitwirkung versagen, ute Rechte eines Jeden der
einer Bethätigung
der
sondem denselben gegenüber
verbündeten Regiemngen nach Maßgabe des
Bundesvertrags vertreten und schützen werden.
Gegeben Berlin, den 30. November 1885. Wilhelm. von Bismarck.
Sozialresorm und Kolonialpoliük.
1886.
285
152. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, Montag, den 4. Januar 1886.
Als Ich im Januar des Jahres 1861 durch Gottes Gnade dazu be rufen wurde, den Thron Meiner Väter zu besteigen, durfte Ich bei Meinem
schon damals vorgeschrittenen Lebensalter nach menschlicher Berechnung kaum
hoffen, daß Mir eine lange Dauer der Regierung beschieden sein würde. Jetzt blicke Ich in Gemeinschaft mit Meiner Gemahlin auf eine Reihe von 25 Jahren zurück, in denen es Mir vergönnt gewesen ist,
unter freud-
nnd leidvollen Erfahrungen Meines schweren, verantwortlichen Berufes mit ungeahnten glücklichen Erfolgen zu
wallen.
fürstlichen
Unerschöpflich ist
Mein Dank gegen den Allmächtigen, der Mich diesen Tag Meines Regierungs-
jubiläums noch erleben ließ, der Mein ganzes langes Leben hindurch, nament lich in dem letzten Vierteljahrhundert, mit Gnade Mich überhäuft, der im wcchselvollen Laufe der Geschicke
wie nach außen reich gesegnet hat. Ereignisses besonders erhebt, das
Meine Königliche Regierung im Jnnem Was Mich bei der Feier dieses frohen ist
das unerschütterliche Vertrauen, die
treue, unwandelbare Liebe Meines Volkes, welche Ich bei den verschiedensten
Gelegenheiten so oft erfahren, und welche sich
auch
bei dem gegenwärtigen
zwiefachen Anlasse der Jahreswende und Meines Jubiläums der mannigfaltigsten herzlichsten Weise bekundet hat.
Monarchie,
aus dem ganzen deutschen Vaterlande
wiederum in
Nicht bloß aus Meiner und weit über dessen
Grenzen hinaus, soweit die deutsche Zunge klingt, bin Ich von kommunalen und kirchlichen Verbänden, von anderen Körperschaften und Kollegien jeder
Art,
von Vereinen und
Anstalten in zum Teil kunstvoll
ausgestatteten
Adressen, sowie von einzelnen Personen in Zuschriften, poetischen wie musi kalischen Ergüssen und in Telegrammen beglückwünscht.
Auch in festlichen
Veranstaltungen und Versammlungen hat das Gefühl des Volkes zur Feier des Gedenktages sich kund gethan; und nicht minder sind Mir
Kreise Meiner
Menge
aus
dem
elemaligen braven Krieger Beweise der Treue in großer
zugegangen.
Solche
ungemein zahlreichen Zeugnisse
von Anhäng
lichkeit und Verehrung, welche dem Tage die rechte Weihe geben, erfüllen
Mein Herz mit tiefer Erkenntlichkeit und stärken Mich in Meinem hohen Alter zu weiterer Ausübung Meiner fürstlichen Pflicht für die Zeit, welche Mir
hienieden
noch
beschieden sein wird.
Aus
überströmendem Herzen
danke Ich Allen, Allen, welche Mich und ebenso Meine Gemahlin durch
ihre Teilnahme
beglückt
haben;
mit
ihnen vereinige ich
Mich in dem
286
Viertes Buch. 1881—1888.
gemeinsamen Wunsche:
Gott sei auch ferner mit unserem deutschen Bater-
lande!
Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Berlin, den 4. Januar 1886. Wilhelm. An den Reichskanzler und Präsidenten des Staats-Ministeriums.
153.
Thronrede;ur Eröffnung des Landtags, Donnerstag, den 14. Januar 1886.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Indem Ich Sie am kommen heiße,
Eingänge
einer neuen Legislaturperiode
will
ist es Meinem Herzen Bedürfnis, von dieser Stelle noch
mals Meinem Volke
Meinen
Königlichen
Dank
zu sagen
für den
mütigen und erhebenden Ausdruck der Liebe und Anhänglichkeit, an dem Tage entgegengebracht wurde,
Dauer einer durch
an
Gottes Gnade nach
ein
der Mir
welchem Ich auf die 25 jährige
innen und
außen reichgesegneten
Regierung zurückblicken konnte.
Zu gleicher Befriedigung hat es Mir gereicht, daß bei dieser Gelegenheit auch außerhalb der Grenzen des Vaterlandes ein Maß von
wohlwollender
Teilnahme an Unserer Feier zu Tage getreten ist, welches den freundlichen
Beziehungen des Reiches
zu
allen
auswärtigen Regierungen und Meinem
vollen Vertrauen auf die gesicherte Fortdauer des Friedens entspricht.
Im übrigen will Ich hiermit den Präsidenten Meines Staats-Mini steriums beauftragen, Ihnen weitere Mitteilungen über die Lage des Staats
haushalts und über die auf dem Gebiete der Gesetzgebung an Sie heran tretenden Aufgaben zu machens.
Die Finanzlage des Staates hat sich gegen das vorige Jahr, wo ihre Unzulänglichkeit angesichts einer notwendigen Erhöhung der Matrikularbeiträge
sich im erheblichen Maße geltend machte, wieder günstiger gestaltet.
Das letzte abgeschlossene Rechnungsjahr zeigt auf fast allen wichtigeren Verwaltungsgebieten erfreuliche finanzielle Ergebnisse.
Wenn dasselbe gleich
wohl keinen für das kommende Etatsjahr verfügbaren Überschuß hinterlassen
s) Das Weitere verlas Fürst Bismarck.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1886.
287
hat, so ist dies die Folge der gesetzlichen Vorschriften über die Verwendung der Jahresüberschüsse der Eisenbahn-Verwaltung, nach welchen
der beträchtliche,
über die Voranschläge erzielte Überschuß des Jahres auch in der Rechnung eben dieses Jahres schon zu entsprechender Mehrtilgung der Staatseisenbahn schuld hat in Ausgabe gestellt werden müssen.
Von dem laufenden Jahre sind nach den bisherigen Wahrnehmungen ganz so günstige Ergebnisse nicht zu erwarten, insbesondere wird der Über schuß der Eisenbahn-Verwaltung unter dem Einfluß einer verminderten Ver kehrsentwickelung den Voranschlag vielleicht nicht ganz voll erreichen.
ungeachtet erscheint die Hoffnung berechtigt, daß
Dessen
das Gesamtergebnis
auch
des laufenden Jahres kein ungünstiges sein werde.
Für das
gesetzliche
nächste Jahr fällt ins Gewicht, daß inzwischen durch
Überweisung
von Zollerträgen
an
die
die Kommunalverbände und
durch die Pensionierung der Lehrer an den Volksschulen die ersten Schritte gethan sind
zur Befriedigung der auf dem Gebiete der Kommunal- und
Schullasten seit Jahren
hervorgetretenen Bedürfnisse,
für welche
aus den
bisherigen Einnahmequellen des Staates die erforderlichen Mittel weder zu beschaffen waren noch in Aussicht stehen.
Die Mehrausgaben infolge jener
beiden Gesetze nehmen die Mehreinnahmen, welche der Staatskasse inzwischen durch die Reichsgesetzgebung neu zugeführt worden sind, zum größeren Teil
in Anspruch, während der Reichshaushalt eine erneute Steigerung ständen können auch die größeren Überschüsse,
Betriebsverwaltungen des Staates nach
der Ma-
Unter diesen Um
trikularbeiträge für das nächste Jahr vorzusehen nötigt.
auf welche bei den meisten
den sorgfältig
aufgestellten Voran
schlägen wiederum zu rechnen sein wird, und die beträchtliche Erleichterung der Zinslast des Staates, welche durch die Umwandlung bisher höher ver
zinslicher Schulden in vierprozentige gesichert ist, bei aller Sparsamkeit und
Beschränkung in der Berücksichtigung neuer Bedürfnisse nicht hinreichen, um das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben im nächstjährigen Staatshaus halts-Etat herzustellen.
Es
wird daher,
wenn
auch in geringerem
Umfange wie für das
laufende Jahr, abermals der Staatskredit zur Deckung des Fehlenden in
Anspruch zu nehmen sein. Die Regierung hat hierin und in der Überzeugung, geringen Anfängen einer Erleichterung
des
Schullasten und dem Aufschübe der Verbesserung nicht etwa
daß es bei
den
Druckes der Kommunal- und der Beamtenbesoldungen
sein Bewenden haben kann, erneuten Anlaß gefunden, auf die
Weiterfühmng der Reichssteuerreform hinzuwirken; insbesondere hat sie sich
Viertes Buch. 1881-1888.
288 angelegen sein lassen,
reichsgesetzliche
zur Einführung
Bestimmungen
des-
Branntwein-Monopols vorzubereiten und zu beantragen, von deren Annahme
sie ausreichende Erträgnisse zur Befriedigung der dringenden Bedürfnisse in. Staat und Reich und günstige Folgen für Moral und Gesundheit erhofft. Die Entwürfe des Staatshaushalts-Etats für das nächste Jahr und eines Gesetzes wegen Aufnahme einer Anleihe zur Ergänzung der nächst
jährigen Einnahmen des Staates werden Ihnen alsbald vorgelegt werden-
in einzelnen
Auf dem Gebiete der industriellen Thätigkeit macht sich
Betriebszweigen eine Stockung des Absatzes bemerkbar.
auf
Diese Erscheinung läßt sich
eine durch die bisherigen
Erfolge der gewerblichen Arbeit angeregte Steigerung
günstigen
der Betriebsamkeit
und auf den Wunsch zurückführen, dem deutschen Fabrikat im Wettbewerb mit den konkurrierenden Industriestaaten den Vorsprung zu
sichern.
Eine
Abhilfe hiergegen liegt außerhalb des Bereichs unserer Gesetzgebung.
Nur
die Zurückführung unserer Produktion auf das Maß des Bedürfnisses wird die ungünstigen
wirtschaftlichen Folgen fernzuhalten vermögen,
welche
eine
Anhäufung nicht absatzfähiger Erzeugnisse nach sich zieht.
Die
erfreulichen Ergebnisse unserer Eisenbahnpolitik gestatten.
Ihnen
auch in diesem Jahre die Herstellung einer Reihe von Schienenverbindungen
in
verschiedenen Teilen des Landes
Berkehrsgebiete erschlossen und
vorzuschlagen, durch
erhöhter
welche wichtige
wirtschaftlicher Entwickelung ent
gegengeführt werden sollen. Von der Fürsorge für die Fördemng der Binnenschiffahrt wird neben den weiteren beträchtlichen Forderungen für Stromregulierungen und Schiff
fahrtsanlagen in dem Staatshaushalts-Etat eine Vorlage Zeugnis
ablegen,
welche die im Jahre 1883 ohne Erfolg vorgeschlagene Anlage eines Kanals
von Dortmund nach den Ems-Häfen unter zweckmäßiger Erweiterung des Projektes
und
zugleich
den
dem
sprechenden Ausbau der Wasserstraße
gegenwärtigen
Verkehrsbedürfnis
ent
von der mittleren Oder nach Berlin
bezweckt. Nachdem infolge der jüngst ergangenen Kreis- und Provinzialordnungen
die Einführung der Verwaltungsreform sich in der Provinz Hannover in
erwünschter Weise vollzogen
hat
und für die Provinz Hessen-Nassau
nahe Aussicht gerückt ist, bleibt die Vollendung des in gesicherten
und
bewährten
Reformwerkes
für
noch
Monarchie eine wichtige Aufgabe der Gesetzgebung.
in
seinen Grundzügen
vier Provinzen
der
Zu diesem Behufe ist
zunächst der Entwurf einer Kreis- und Provinzialordnung für Westfalen
289
Sozialrcsorm und Kolonialpolitik. 1886.
ausgearbeitet
welcher
worden,
Ihrer
Beschlußnahme
verfaffungsmäßigen
unterbreitet werden wird.
Das Zurückdrängen des deutschen Elements durch einigen östlichen Provinzen legt der Regiemng zu treffen, welche
völkerung
das
polnische in
die Pflicht auf, Maßregeln
den Bestand und die Entwickelung der deutschen Be
sicherzustellen geeignet sind.
Die zu
diesem Zweck in Arbeit
befindlichen Vorlagen werden Ihnen seiner Zeit zugehen.
Geehrte Herren! x) Sie ersehen aus dem Verlesenen, daß der Landesvertretung wiederum
ein ausgedehntes Feld wichtiger Thätigkeit eröffnet ist.
Arbeit auf demselben und unter
sich auch in
Ich hoffe, daß Ihre
diesem Jahre zu einer fruchtbringenden
Gottes Segen für die Wohlfahrt des Landes förderlichen ge
stalten werde.
154. Allerhöchster Erlaß an de» Reichskanzler, Mittwoch, den 24. März 1886. Noch ist die freudige Bewegung, welche jüngst bei der Feier Meines
25jährigen Regiemngs-Jubiläums
durch das
ganze Land ging,
Mir in
lebendiger Erinnerung, noch ist der tiefe Eindruck, welchen Ich durch zahl
reiche Huldigungen zu jenem Tage empfunden, aus Meiner Seele nicht ent schwunden, und schon wieder nach Verlauf von nur wenigen Wochen
Ich vor einer Fülle Meinem
von
Glück-
geliebten deutschen Volke, von nah und fern,
Meines 89. Lebensjahres am 22. März bracht worden sind.
stehe
und Segenswünschen, welche Mir von zur Vollendung
in mannigfaltigster Weise darge
In Adressen und Telegrammen wird Mir von städtischen
und kirchlichen Gemeinden, Korporattonen und Vereinen, Verbänden und Anstalten jeglicher Art Liebe und Anhänglichkeit aufs neue bestätigt.
Poesie
und Musik, Malerei und Kunstgewerbe sind in den Dienst des Tages ge
stellt, um Mir auch sichtbare Zeichen treuer Ergebenheit zu gewähren. Überall im Lande ist die Wiederkehr Meines Geburtstages als ein nationales Fest
Inmitten eines reichen Blumenflors, welcher Mir von den ver
begangen.
schiedensten Seiten gespendet worden, schlägt Mein Herz in dankbarer Freude über
diese
erhebenden patriotischen Kundgebungen.
Aus
ihnen
schöpfe
Ich erneut Kraft und Vertrauen, trotz Meines Alters für des Volkes Wohl fahrt in Ernstem Bemühen
wirken.
auch ferner,
so
lange es Gottes Wille ist,
Tief gerührt von so vielen Beweisen
*) Worte des Kaisers.
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
zu
warmer Teilnahme drängt
Viertes Buch.
290
1881—1888.
es Mich, Allen, welche durch liebevolle Aufmerksamkeiten dazu beigetragen
haben, Mir den 90. Geburtstag zu einem weihevollen Festtage zu gestalten.
Meinen innigsten Dank dafür auszusprechen. Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.
Berlin, den 24. März 1886. Wilhelm. An den Reichskanzler.
155. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 16. September 1886.
Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser hat mich ') zu beauftragen geruht, den Reichs
tag zu eröffnen.
Die Berufung mit der Königlich
desselben ist zu dem Zwecke spanischen Regierung
erfolgt, um Ihnen das
vereinbarte Abkommen über die
am 12. Juli 1883 zwischen dem Deutschen Reich und
Verlängerung des
Spanien abgeschloffenen Handels- und Schiffahrtsvertrages vorzulegen, dessen
Geltung mit dem 30. Juni 1887 abläuft.
Die wegen Verlängerung dieses
Vertrages getroffene Vereinbarung wird Ihnen unverzüglich mit träge zugehen, derselben Ihre
verfassungsmäßige Zustimmung
Nach der übereinstimmenden Auffassung entspricht die Verlängerung des
Vertrages
der verbündeten Regierungen den Interessen und Wünschen
unseres Handels und unserer Gewerbthätigkeit.
aber wird im Interesse
dem An
zu erteilen.
In den
beteiligten Kreisen
der geschäftlichen Dispositionen Wert darauf ge
legt, sobald wie möglich jede Ungewißheit über die Fortdauer des Vertrages
ausgeschlossen zu sehen. längerung endgiltig
Um die rechtliche Geltung der vereinbarten Ver
sicher zu stellen, hat daher
die
Ratifikation derselben
ohne Verzug in Aussicht genommen werden müssen.
Die
verbündeten
Regierungen
würden,
ebenso
Jahre 1883 bereit waren, geneigt gewesen sein,
führen, ohne zuvor den Reichstag
wie sie
hierzu
im
die Ratifikation herbeizu
zu versammeln, in der Hoffnung, daß
ihnen für dies Verfahren die Indemnität ohne Anstand nachträglich bewilligt werden
würde.
Nach
obachtete Vorgehen
in
welche
das
damals be
Beurteilung
und
insbesondere
der Aufnahme indessen, der
publizistischen
’) StaatSminister v. Boetticher.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1886.
291
bei den darauf folgenden Verhandlungen des Reichstags gefunden hat, sind
sie der Meinung, daß es für sie geboten erscheint, den von der Verfaffung vorgezeichneten Weg
genau einzuhalten, den definitiven Abschluß des Ver
trags aber nicht bis zum nächsten regelmäßigen Zusammentritt des Reichs
tags in Unsicherheit lasten zu sollen. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers erlläre ich im Namen der ver
bündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.
156. Rede zur Eröffnung des deutschen Reichstags, Donnerstag, den 25. November 1886. Geehrte Herren!
Se. Majestät
der
Kaiser haben mich')
zu
geruht, den
beauftragen
Reichstag im Namen der verbündeten Regierungen zu eröffnen. Die wichtigste Aufgabe, welche den Reichstag beschäftigen wird, ist die Mitwirkung bei der ferneren Sicherstellung der Wehrkraft des Reiches.
Durch das Gesetz vom 6. Mai 1880 ist die Friedenspräsenzstärke des
Heeres bis zum 31. März 1888 festgestellt worden.
Der Bestand unseres
Heerwesens bedarf daher der Erneuerung seiner gesetzlichen Grundlage. der Armee liegt die Gewähr für den dauernden
Schutz
In
der Güter des
Friedens, und wenn auch die Politik des Reiches fortgesetzt eine friedliche ist, so darf Deutschland doch im Hinblick auf die Entwickelung der Heeres
einrichtungen unserer Nachbarstaaten
seiner Wehrkraft
auf eine Erhöhung
und insbesondere der gegenwärtigen Friedenspräsenzstärke nicht zichten.
Es
wird Ihnen
eine Gesetzvorlage
zugehen, nach
länger ver
welcher diese
Heeresverstärkung bereits mit dem Beginn des neuen Etatsjahres eintreten soll. Se. Majestät der Kaiser hegt in Übereinstimmung mit den verbündeten Regierungen die Zuversicht, daß die Notwendigkeit dieser im Interesse unserer
nationalen Sicherheit unabweislichen Fordemng
auch
von
der Gesamtheit
des deutschen Volkes und seiner Vertreter mit voller Entschiedenheit aner
kannt werden wird. Eine zweite Vorlage, welche Sie beschäftigen wird,
betrifft die Für
sorge für die Witwen und Waisen der Angehörigen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine. anerkannt worden.
Das Bedürfnis dieser Fürsorge ist bereits früher
Die verbündeten Regierungen glauben nunmehr auf das
') Staatsminister v. Boetticher.
292
Vierte- Buch. 1881-1888. um so sicherer rechnen zu dürfen, als die
Zustandekommen dieses Gesetzes
neue Vorlage den hinsichlich einzelner Modalitäten im Reichstage geäußerten Wünschen wesentlich entgegenkommt.
Bei der Bemessung der durch diese Vorlagen bedingten Mehrkosten, wie
des
im
Reichshaushalts-Etat
veranschlagten
Ausgabe-Erfordernisses
überhaupt sind die Rücksichten auf die finanzielle Lage nicht außer Acht ge
lassen.
Gleichwohl
wird sich
eine
Erhöhung der Matrikularbeiträge und
der int Wege des Kredits bereit zu stellenden Mittel nicht vermeiden lassen.
Neben
der durch die Verstärkung unserer Wehrkraft zu Wasser und
Lande gebotenen Vermehrung der Ausgaben und den auf
zu
rechtlicher Ver
pflichtung beruhenden Mehraufwendungen auf dem Gebiete der Rcichsschuld
und
des
Pensionswesens
bedarf ein bedeutender Ausfall an Zuckersteuer
aus dem Vorjahre der Deckung. Unter diesen Umständen dauert das dem Reichstage wiederholt darge legte Bedürfnis einer aitderweitcn Verteilung der Lasten durch Vermehrung
der indirekten Steuern nicht nur fort, sondern dasselbe wird infolge der Er höhung der Matrikulammlagen noch dringlicher empfunden werden als bis
her.
Gleichwohl haben die verbündeten Regiemngen aus den vom Reichs
age über ihre bisherigen Steuervorlagen abgegebenen Voten
den Eindruck
gewinnen müssen, daß ihre einstimmige Überzeugung von der Notwendig
keit einer Änderung in der Art der Beschaffung
des öffentlichen Geldbe
darfs von der Mehrheit der Bevölkerung und der Vertretung derselben zur Zeit nicht in dem Maße geteilt wird, daß übereinstimmende Beschlüsse der beiden gesetzgebenden Körperschaften des Reiches mit mehr Wahrscheinlichkeit
wie im Vorjahre in Aussicht genommen werden könnten.
In der Erwägung, daß die Regierungen kein anderes Interesse haben, als das der Nation, verzichtet Se. Majestät der Kaiser darauf, die eigne Überzeugung von der Notwendigkeit der bisher vergebens erstrebten Steuer reform von neuem zur Geltung zu bringen,
auch im Volke
so lange das Bedürfnis nicht
zur Anerkennung gelangt sein und bei den Wahlen seinen
Ausdruck gefunden haben wird. Die Weiterführung der auf Grund der Allerhöchsten Botschaft
17. November 1881 in Angriff genommenen
vom
sozialpolitischen Gesetzgebung
liegt Sr. Majestät dem Kaiser und Seinen hohen Bundesgenossen unab
lässig
am Herzen.
Mögen auch
Kranken- und Unfallversicherung
einzelne Bestimmungen
der über die
erlassenen Gesetze verbefferungsfähig sein,
so darf doch mit Genugthuung anerkannt werden, daß die Wege, welche das Deutsche Reich auf diesem Gebiete, andem Staaten voran, zuerst beschritten
293
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1886.
hat, sich als gangbar erweisen, und daß die neuen Einrichtungen im allgemeinen sich bewähren.
Die nächste Aufgabe
für die
Entwickelung dieser Ein
die Wohlthaten der Unfallversicherung auf weitere
richtungen besteht darin,
Kreise der arbeitenden Bevölkerung zu erstrecken. Ihnen zwei Gesetzentwürfe vorgelegt werden.
versicherung für die Seeleute,
der
Zu diesem Zwecke werden
Der
eine
regelt die Unfall
andere für die bei Bauten beschäftigten
Arbeiter, soweit dieselben von der bisherigen Gesetzgebung noch nicht erfaßt
worden sind.
Erst
die Unfallversichemng der Arbeiter hierdurch in
wenn
einem weiteren erheblichen Maße der Durchführung näher gebracht sein wird,
kann dazu übergegangen
werden,
auf der Grundlage der neu geschaffenen
Organisationen den arbeitenden Klassen ein entsprechendes Maß der Fürsorge auch für den Fall des Alters und der Invalidität zuzuwenden. reichung dieses
forderlich
Zur Er
Zieles aber werden Aufwendungen aus Reichsmitteln
werden,
welche bei
er
unserer derzeitigen Steuergesetzgebung nicht
verfügbar sind.
In voller Würdigung
der Bedeutung des Handwerkerstandes für die
allgemeine soziale Wohlfahrt sind die verbündeten Regierungen mit Interesse den Bestrebungen gefolgt, durch welche das deutsche Handwerk seine korpo
rativen Verbände zu stärken und seine wirtschaftliche Lage zu heben trachtet. Über die Wege, welche die Gesetzgebung in dieser Richtung einzuschlagen hat,
schweben Erwägungen, welche zur Zeit noch nicht zum Abschluß gelangt sind, welche
aber die Aussicht eröffnen,
daß
berechtigten Interessen dieses Standes
es
gelingen werde, zu einem den
entsprechenden Ergebnis zu kommen.
Die gesetzlich vorgeschriebene Revision des Servistarifs und der Klassen
einteilung der Orte ist
zum Abschluß gekommen.
in
der letzten Session des Reichstags nicht mehr Die darauf bezügliche Vorlage wird Ihnen daher
aufs neue zur Beschlußfassung zugehen. Auch der in der vorigen Session nicht zur endgiltigen Beratung gelangte
Gesetzentwurf über die Errichtung eines Seminars für orientalische Sprachen wird alsbald wieder eingebracht werden.
Der Reichstag hat seinen auf eine Ermäßigung der Gerichtsgebühren und eine Revision der Gebührenordnung für Rechtsanwälte gerichteten Wünschen wiederholt Ausdruck gegeben.
Die
angestellten
Ermittelungen haben,
ab
gesehen von einzelnen Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes über die Wert festsetzung, das Bedürfnis einer Änderung der bestehenden Gerichtskostensätze
nicht erkennen lassen.
Dagegen teilen die
verbündeten Regierungen die
Ansicht, daß die Gebührenordnung für Rechtsanwälte ohne Beeinträchtigung
der berechtigten Interessen dieses Standes in einigen
Ansätzen eine
Er-
Viertes Buch 1881—1888.
294 Mäßigung erfahren kann.
Es wird Ihnen daher ein entsprechender Gesetz
entwurf vorgelegt werden. Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu allen auswärtigen Staaten
sind freundlich und befriedigend.
Die Politik Sr. Majestät des Kaisers ist
unausgesetzt dahin gerichtet, nicht nur dem deutschen Volke die Segnungen des Friedens zu bewahren,
sondern auch
für die Erhaltung der Einigkeit
aller Mächte den Einfluß im Rate Europas
zu verwerten,
welcher der
deutschen Politik aus ihrer bewährten Friedensliebe, aus dem durch diese er langten Vertrauen anderer Regierungen, aus dem Mangel eigner Interessen
an schwebenden Fragen und insbesondere aus der engen Freundschaft erwächst, welche Se. Majestät den Kaiser mit den benachbarten beiden Kaiserhöfen
verbindet. Auf Allerhöchsten
Befehl Sr. Majestät des Kaisers erkläre ich
im
Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.
157. a.
Ansprache des Kronprinzen an Kaiser Wilhelm bei der Feier des achtzigjährigen Menstjubiläums, Sonnabend, den 1. Januar 1887.
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser, Allergnädigster Kaiser, König und Kriegsherr! Mit Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät begeht heute das Heer
die Erinnemng an den Tag, da Allerhöchstdieselben vor 80 Jahren durch
König Friedrich Wilhelm III.
in die Reihen der preußischen Armee aus
genommen wurden.
Wiederholt schon durfte
ich, wie im
gegenwärtigen Augenblicke, mit
Vertretern des Heeres vor unfern Kriegsherrn treten und ihm dafür danken,
daß er uns in gewaltigen Kämpfen zu herrlichen Siegen geführt hat Bei der heutigen Feier aber blicken Ew. Majestät auf 16 vom Frieden
reichgesegnete Jahre zurück, welche vor allem der ungestörten Entwickelung und der Kräftigung des nach Harren und
Kampf wieder aufgerichteten
Reiches gewidmet waren. Solche friedliche Arbeit konnte indes nur gedeihen, weil gleichzeitig
Ew. Majestät sachkundige und rastlose Leitung die Schlagfertigkeit des Heeres
295
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887.
zu der Vollkommenheit förderte, deren jeder deutsche Soldat sich mit Stolz bewußt ist.
Der preußische Grundsatz, daß
es keinen Unterschied giebt
zwischen Volk und Heer, weil beide eins und zu des Vaterlandes Ver teidigung jederzeit bereit sind,
ist durch Ew. Majestät Fürsorge Gemeingut
der ganzen Nation geworden.
In dieser Wehrhaftigkeit unseres gesamten
Volkes liegt die gewichtigste Bürgschaft für die Wahrung unseres Friedens.
So möge es mir heute wie vordem gestattet sein,
auszusprcchen, daß
unser wehrhaftes, einiges Volk in dankbarer Liebe und opferwilliger Treue
seinem Kaiser und Kriegsherrn vertraut, mit freudiger Zuversicht auf ihn
als den Wahrer des Friedens blickt und
den einmütigen Wunsch hegt, daß
Gottes Segen in Fülle auch ferner auf Ew. Majestät ruhen möge.
b. Allerhöchster Erlast an den Kronprinzen, als Antwort auf dessen Ansprache. Ew.
Kaiserliche und Königliche Hoheit haben Mir heute
Eigenschaft als rangältester General-Feldmarschall der Armee
in Ihrer
— umgeben
von einer die einzelnen Teile derselben repräsentierenden hohen Generalität — die Glückwünsche der Armee zu Meinem
80 jährigen militärischen Dienst
jubiläum ausgesprochen. Ich habe Ew. Kaiserliche und Königliche
Hoheit und den Sie um
gebenden Generalen aus warmem und tiefbewegtem Herzen gedankt, empfinde aber das Bedürfnis, Meinen Dank auch an die ganze Armee weitergehen zu laffen und an dem heutigen Tage
auch
an diese einige Worte zu richten.
Die Armee weiß, wie nahe sie Meinem Herzen immer gestanden hat, und sie wird verstehen, welche Empfindungen Mich heute in dem Gedanken
bewegen, ihr nun 80 volle Jahre angehört zu haben. Es ist eine lange und wahrlich
eine wechselvolle, ereignisreiche Zeit,
die heute an Meiner Erinnerung vorbei geht.
Beginnend in ernsten Tagen
schwerster Prüfung, habe Ich wohl auch in ihrem weiteren Verlauf mancher Sorge und manches Tages, wo Mir das Herz schwer war,
aber
es
zu gedenken,
sind deren doch nur sehr wenige gewesen im Vergleich zu den
vielen des Glücks und der Freude, die Mir zu erleben vergönnt war. Mein Blick kann sich nicht in die Vergangenheit richten,
ohne Mein
tief bewegtes Herz von Dank für die Gnade des allmächtigen Gottes über-
296
Viertes Buch. 1881—1888.
strömen zu lassen, die wahrlich Großes an Mir gethan, die Mich so lange erhalten und die Mir so viel des Glückes gegeben hat. Und welchen Wechsel hat die Armee in diesen 80 Jahren mit Mir erlebt!
Sie stand, als Ich in dieselbe trat, nach dem schwersten Schlage, der
Preußen jemals
getroffen, zurückgedrängt an die äußersten Grenzen des
Reiches, aber der Soldatensinn, den Meine glorreichen Vorfahren in sie gepflanzt, blieb ungebrochen und trieb bald neue Keime.
Das bethätigten —
die schönste Erinnerung Meiner Jugend — die Befreiungskriege, das erhielt sie sich in der treuen Arbeit einer langen Friedenszeit,
thaten der Armee in neuester Zeit bezeugen
wahrlich,
und die Ruhmes
daß dieser Sinn in
voller Kraft erhalten und weitergediehen ist.
Ich habe viele Veränderungen mit der Armee erlebt, in ihrer äußeren
Form, in ihrer Truppenzahl, Ich habe die Vereinigung mit den deutschen Kontingenten sich vollziehen und die Marine entstehen sehen —,
es
sind
unter Meinen Augen Generationen durch die Armee gegangen, aber inner lich in dem Herzen und dem Empfinden der Armee giebt
es keine Ver
änderung !
Den Sinn für Ehre und für Pflicht
über
alles hoch zu halten und
jederzeit bereit zu sein, das Leben dafür zu lassen — das ist das Land,
welches alle deutschen Stämme eng umschließt, welches Enkel und Urenkel fest wie früher die Vorfahren vereinigt, und welches Meine
jetzt ebenso Regiemng
mit Siegen
geschmückt
hat,
deren Ich
heute als
der hell
strahlendsten Stellen Meines militärischen Lebens in hochgehobenster Empfin dung gedenke.
Es ist wahrlich eine hohe Freude für Mich, an in solcher Weise zur Armee sprechen
dem heutigen Tage
zu dürfen und über diese 80 Jahre
sagen zu können, daß wir sicherlich, voll und ganz, fest zu einander gehört haben, Ich mit Meinem ganzen Herzen und Denken, die Armee mit vollster Treue, Hingebung und Pflichterfüllung, für welche Mein Dank und Meine Anerkennung
die
lebendigste Empfindung Meines Herzens bis zu Meinem
letzten Atemzuge bleiben wird.
Ew. Kaiserliche und Königliche Hoheit wollen diese Meine Worte durch
die hierher berufenen Generale zur Kenntnis der Armee bringen lassen.
Berlin, den 1. Januar 1887. Wilhelm. An den General-Feldmarschall, Kronprinzen
des Deutschen Reiches und Kronprinzen von Preußen, Kaiserliche und Königliche Hoheit.
Sozialreform und Kolonialpolitik.
1887.
297
158. Hebe zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, bett 15. Januar 1887.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich *) mit der Eröffnung des Landtags der Monarchie zu beauftragen geruht.
Die Finanzlage des Staates hat die mannigfach erstrebte und nament
lich im vorigen Jahre von einer Reform der Branntweinbesteuerung erhoffte weitere Besserung durch die Reichsgesetzgebung nicht erfahren. Das letzte abgeschlossene Rechnungsjahr vom 1. April 1885/86, für dessen Etat nach einmaliger Unterbrechung zuerst wiederum die Notwendigkeit einer Anleihe zur Herstellung des Gleichgewichts der Einnahmen und Aus
gaben hervorgetreten war, hat, abgesehen davon, ein befriedigendes Ergebnis geliefert.
Ungeachtet nicht unerheblicher Ausfälle bei der Bergwerksverwaltung und der Eisenbahnverwaltung hat dasselbe infolge reichlicher Mehrerträge anderer
Einnahmezweige und
größerer Überweisungen
aus dem Ertrage der Zölle
und der Reichsstcmpelabgaben einen Gesamtüberschuß von mehr als 7 Mil lionen Mark ergeben, lvelcher indessen den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen
gemäß auch bereits in der Rechnung jenes Jahres
einer Mehrtilgung
zu
der Staats-Eisenbahnschuld hat verwendet werden müssen. Das laufende Rechnungsjahr wird mit Hilfe der im Etat vorgesehenen ergänzenden Einnahmen des Staates insgesamt nur zu einem Betrage an
geschlagen werden,
welcher um
nahezu 2'/, Millionen Mark hinter dem
im Etat des laufenden Jahres ohne die ergänzende Anleihe angenommenen
Betrage der Einnahmen zurückbleibt.
Andererseits
ist, bei
aller Spar
samkeit und Beschränkung auf die dringendsten Bedürfnisse, eine Vermehrung
bei Ausgaben an vielen Stellen des Etats unvermeidlich und war nament
lich nach
dem
dem Reichstage vorgelegten Entwurf des Reichshaushalts-
Etats für das nächste Jahr eine abermalige Steigerung des Matrikularbeitrags Preußens um rund 19 Millionen Mark vorzusehen. Unter diesen Umständen erhöht sich der Anlcihebetrag, bessert der Staats
haushalts-Etat für das Jahr vom 1. April 1887/88
wiederum zur Er
gänzung der Einnahmen bedarf, auf nahezu 28 Va Millionen Mark. Daß bei einer solchen Finanzlage die Notwendigkeit vorliegt, die Art ’) Dicepräsident des Staats-Ministeriums, Staats-Minister v. Puttkamer.
298
Viertes Buch. 1881—1888.
der Beschaffung des öffentlichen Geldbedarfs zu ändern, werden Sie in Übereinstimmung mit der Staatsregiemng um so mehr anzuerkennen geneigt
sein,
als über die
gesicherte
dauernde Herstellung eines Gleichgewichts im
Staatshaushalts-Etat hinaus ein viel weitergehendes Bedürfnis nach besserer Verteilung der Lasten, namentlich der Kommunal- und Schullasten, obwaltet,
welches von der Bevölkemng immer drückender empfunden wird,
in Ihren
Verhandlungen als wiederholt als solches anerkannt ist und anders als auf dem Wege der weiteren Entwickelung der der Reichsgesetzgebung überwiesenen indirekten Steuern schwerlich jemals befriedigt werden kann. Wenn die Staatsregierung gleichwohl
durch
erneute Anträge beim Reich
hinzuwirken, so
hat sie sich
zur Zeit darauf verzichtet hat,
auf eine Förderung in dieser Hinsicht
hierzu durch
die abweisende Aufnahme ihrer
bisherigen Anträge und in der Erwägung genötigt gesehen, daß die Bedürf
nisse, um die es sich handelt, sich bei den Wählern und den Gewählten zum Reichstage nachdrücklicher werden
geltend machen müssen,
bevor
auf zum
Ziele führende Verhandlungen mit dem Reichstage gehofft werden kann.
Der Entwurf für den Staatshaushalts-Etat für das nächste Jahr und eines Gesetzes wegen Aufnahme
einer Anleihe
zur Ergänzung der nächst
jährigen Staatseinnahmen wird Ihnen alsbald vorgelegt werden.
Auch in diesem Jahre
werden Ihnen Vorlagen
zugehen,
welche die
Erweiterung und günstigere Gestaltung des Staats-Eisenbahnnetzes im Inter esse der Landeswohlfahrt durch Herstellung wichtiger neuer Linien, wie durch
Überführung noch einiger Privatbahnen in den Staatsbesitz zum Gegen
stände haben. Die Durchführung der Verwaltungsreform wird
stehenden Session Ihre Thätigkeit in Anspruch nehmen.
auch
in der bevor
Nachdem durch die
in der vorigen Session vereinbarte Kreis- und Provinzialordnung für die Provinz
Westfalen die neuere Verwaltungsgesetzgebung auf diese Provinz
ausgedehnt
worden ist, werden Ihrer Beschlußfassung zu dem gleichen Zwecke die Entwürfe
einer neuen Kreis-
und Provinzialordnung
für die Rheinprovinz,
deren
hierbei in Betracht kommende Verhältnisse mit denjenigen der Provinz West falen im wesentlichen gleichartige sind, unterbreitet werden.
Die Maßregeln, welche unter Ihrer Mitwirkung in den Landesteilen mit polnischer Bevölkerung ergriffen
worden
sind,
befinden sich
in Erfolg
verheißender Ausführung und lassen die Hoffnung berechtigt erftfieitteit, daß sie der Entwickelung
geben werden.
Um
der deutschen Bevölkerung einen kräftigen Aufschwung
diesen
Erfolg nach allen Seiten hin sicherzustellen,
und zugleich für die Erhaltung des
deutschen Bestandes wie für die För-
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887.
299
derung der deutschen Bestrebungen einen vermehrten Schutz
zu gewinnen,
erweist es sich als notwendig, die in ihrer gegenwärtigen Abgrenzung zum landrätlichen Kreise in diesen Landesteilen zu ver
Teil zu umfangreichen mehren.
Es
wird Ihnen daher
die Teilung von Kreisen
zu diesem Zwecke ein Gesetzentwurf über
in den Provinzen Westpreußen
und Posen vor
gelegt werden.
Durch die kirchenpolitische Novelle vom 21. Mai 1886
haben
die
freundlichen Beziehungen, welche sich zur lebhaften Befriedigung Sr. Majestät des Königs zwischen Allerhöchst Ihrer Regierung und der Rönnschen Kurie
eine Bethätigung gefunden,
immer mehr befestigt haben, desto
mehr auf vielen und
welche je länger
wichtigen Gebieten des kirchlichen Lebens für
die Interessen der katholischen Unterthanen Sr. Majestät sich als segen
bringend erweist.
Es ist damit der Weg geebnet, durch eine weitere Re
vision der kirchenpolitischen
Gesetze, über welche die vorbereitenden Ver
handlungen mit der Römischen Kurie schweben, das
Verhältnis
zwischen
dem Staate und der katholischen Kirche zu beiderseitiger Zufriedenheit aus
zugestalten.
Die Staatsregierung wird Ihnen eine entsprechende Vorlage
machen und Se. Majestät geben Allerhöchst Sich gern der Hoffnung hin, daß dieselbe gleich dem Ihnen
im
vergangenen Jahre unterbreiteten Rc-
visionsentwurfe Ihrer bereitwilligen Förderung begegnen wird. Es wird Ihnen ferner ein Gesetzentwurf zur Beratung vorgelegt werden,
welcher bezweckt,
bei der Feststellung der Leistungen für Volksschulen die
Mitwirkung der Selbstverwaltungsbehörden in erweitertem Umfange in An
spruch zu nehmen. Zur Durchführung der im Reichsgesetze
vom 5. Mai
v. I.
vorbe
haltenen landesgesetzlichen Regelung wird Ihnen eine Vorlage zugehen, nach
welcher die Unfallversicherung auch für die in land- und forstwirtschaftlichen
Betrieben beschäftigten Personen mittelst einer möglichst einfachen und die Steuerkraft der landwirtschaftlichen Bevölkerung schonenden Organisation und
Verwaltung alsbald in Wirksamkeit treten soll.
Um die Agrargesetzgebung ihrem Abschluffe entgegenzuführen, werden zwei Vorlagen erfolgen, von welchen die eine für die durch ein Auseinander setzungs-Verfahren
Vertretung
begründeten
ordnen soll,
gemeinschaftlichen
Anlagen
eine
dauernde
während die andere für die Güterkonsolidation! n
im Regierungsbezirk Wiesbaden Erleichterung der Kosten und Vereinfachung des Verfahrens anstrebt.
Meine Herren!
Indem ich Sie im Auftrage Sr. Majestät
begrüße,
lade ich Sie ein, Ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, und spreche im Namen
Viertes Buch. 1881—1888.
300
der Staatsregierung die Hoffnung aus, daß Ihre Thätigkeit auch in der neuen
Session unter Gottes Segen zu einer fruchtbringenden
Auf
gestalten wird.
sich
Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs
erkläre ich
den
Landtag der Monarchie für eröffnet.
159.
Antwort Kaiser Wilhelms auf die Adresse des Herrenhauses nach Ablehnnng der Alilitärvorlage im Reichstage, Donnerstag, den 20. Januar 1887. Ich danke Ihnen von
ganzem Herzen
mir im Namen des Herrenhauses durch
für die Kundgebung, die Sie
die eben verlesene Adresse haben
Sie hat Mich nicht überrascht, da Mir die Gefühle der
aussprechen wollen.
Treue und des Patriotismus des Herrenhauses bekannt sind.
Ich hatte geglaubt, nachdem
dem Reichstage eine so
detaillirte Dar
legung des Bedürfnisses gemacht worden war, wie sie sonst nicht üblich ist, zu der Ich Mich aber unter den Umständen bewogen fühlte,
nahme seitens des Reichstags rechnen zu können. Ereignis eingetreten, welches Mich nötigte,
rasch kund zu thun ’).
Es
auf die An
ist aber dann
Meine Stellung
öffentlich
ein
und
Hoffen wir, daß cs besser wird.
Ich danke Ihnen aus Grund der Seele, und hat Ihr Schritt Meinem Jede Kundgebung
Herzen wohl gethan.
ganz Deutschland zeigt Mir,
aus der Monarchie,
wie Recht ich hatte, und daß cs
auch
aus
große
und
tüchtige Teile des Landes giebt, in denen man die Notwendigkeit der Maß regel vollkommen anerkennt.
Das Herrenhaus hat Mir in schweren Zeiten so viel Beweise seiner hingehenden Treue gegeben, daß Ich auch jetzt nicht an ihm gezweifelt habe. Ich kann wohl sagen, daß Mich die erlebten Ereignisse tief geschmerzt haben. Wiederholen Sie dies überall.
Ich bin tief betrübt, Sie aber haben Balsam
in Mein Herz gegossen. Das
Vaterland
in dem Geiste sich
wird
erhält,
nicht
in
von dem
Gefahr sein, so
lange die
sie in den letzten Kriegen
Beweise der Treue und Aufopferung gegeben hat.
so
Armee
große
Die neuen Maßregeln,
durch welche die Armee gekräftigt wird, werden dazu dienen, jede Kriegs
gefahr zu mindem.
*) Durch Auflösung des Reichstags, 14. Januar 1887.
Sozialresorm und Kolouialpolitik. 1887.
301
Also nochmals meinen tiefgefühlten Dank für den Schritt, durch den Sie Meinem Herzen so Wohl gethan haben,
und bitte Ich,
daß Sie dies
dem Herrenhause aussprechen.
160. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Dienstag, den 3. März 1887.
Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mir *) den Auftrag zu erteilen geruht,
den neuegwählten Reichstag
in Allerhöchst Ihren» und der
verbündeten
Regierungen Namen willkommen zu heißen.
Ihre Thätigkeit in der bevorstehenden Session wird durch
wichttger Vorlagen in
Anspruch genommen
werden.
Der
eine Reihe
Gesetzentwurf
über die Friedenspräsenz-Stärke des deutschen Heeres, welcher zum Bedauem der verbündeten Regierungen in der vorgelegten Form die Zustimmung des
vorigen Reichstags nicht gefunden hat, wird Ihnen alsbald unverändert zugehen.
Im Zusammenhänge mit der Heeresvorlage steht die Ihnen obliegende
Aufgabe der schleunigen Beratung des Reichshaushalts-Etats.
des nahe lingen,
bevorstehenden Ablaufes des Etatsjahres
das Reichshaushalts-Gesetz rechtzeitig
welche das ctatsmäßige Ausgabcbedürfnis
bei
der Veranschlagung
desselben
Ungeachtet
wird es hoffentlich
zu vereinbaren.
ge
Die Opfer,
beansprucht, sind, ungeachtet der
beobachteten ^Sparsamkeit, nicht gering.
Unsere finanzielle Lage weist daher darauf hin, die eignen Einnahmen des Reiches durch die Beschaffung neuer Einnahmequellen
zu verstärken und
unsere Steuergesetzgebung im Sinne einer gerechten und der Leistungsfähig keit
der Lasten
auszugestalten.
der Hoffnung hin,
daß es ihnen
der Steuerzahler entsprechenden Verteilung
Die verbündeten Regierungen geben sich
gelingen werde, mit dem
neugewählten Reichstage zu
über die nötigen Reformen unseres Steuersystems
erforderlichen
Vorarbeiten
werden
ohne
Verzug
einer Verständigung
zu gelangen.
in
Angriff
Die dazu
genommen
werden. Die Thätigkeit der verbündeten Regierungen richtet sich unausgesetzt
auf den weiteren Ausbau der auf der Allerhöchsten Botschaft vom 17. No vember 1881 beruhenden sozialpolitischen Gesetzgebung.
*) Staatsminister v. Boetticher.
Dabei handelt
es
302
Viertes Buch. 1881—1888. die Erstreckung der Unfallversicherung
sich zunächst darum, durch
auf die
von derselbm noch nicht erfaßten Kreise der arbeitenden Bevölkerung einen für das weitere
genügend breiten und tragfähigen Untergrund schließende
gesetzgeberische
Vorgehen
gewinnen.
zu
und ab
diesem
Zu
Zwecke
werden Ihnen zunächst Gesetzentwürfe über die Unfallversicherung der See
leute und der bei Bauten beschäftigten Arbeiter zugehen.
Eine weitere Vorlage, welche den Interessen des Handwerkerstandes durch Erweiterung der den Innungen zu verleihenden Befugnisse dienen soll, ist in der Vorbereitung begriffen. Die Anwendung
des
Nahmngsmittel-Gesetzes
vom 14. März 1879
stößt in der Praxis auf mannigfache Schwierigkeiten; Gesetzentwurf zugehen, welcher zunächst auf dem
es
wird Ihnen ein
Gebiete der Verwendung
gesundheitsschädlicher Farben diese Schwierigkeiten zu beseitigen sucht. Die gesetzlich vorgeschriebene Revision des Servistarifs und der Klassen
einteilung der Orte wird durch Ihre Mitwirkung zum Abschluß zu bringen Ebenso werden die noch
sein.
unerledigt gebliebenen Gesetzentwürfe über
die Errichtung eines Seminars für orientalische Sprachen und über Änderung
der Gebührenordnung
Rechtsanwälte
für
in
Ihre Thätigkeit
Anspruch
nehmen.
Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den fremden Mächten heute noch dieselben, wie zur Zeit der Eröffnung der
session.
Auf Allerhöchsten Befehl habe ich
vorigen
sind
Reichstags
die Genugthuung Sr. Majestät
des Kaisers über die Kundgebungen des Papstes zum Ausdruck zu bringen,
durch welche das
wohlwollende Interesse Sr. Heiligkeit für das Deutsche
Reich und für dessen innern Frieden bethätigt worden ist.
Politik Sr. Majestät
des
Kaisers ist fortwährend
Die auswärtige
darauf gerichtet,
den
Frieden mit allen Mächten und besonders mit unsern Nachbarn zu erhalten
und zu pflegen.
Dieser friedliebenden Politik des Kaisers vermag der
Reichstag die sorgsamste Unterstützung zu gewähren, wenn er schnell, freudig
und einmütig den Vorlagen zustimmt, Stärkung unserer defensiven
Reichstag
ohne Zaudern
welche die sofortige und nachhaltige
Wehrkraft
Zweck haben.
zum
und ohne Spaltung
zum einmütigen Ausdruck bringt, gegen
den
Willen
Wenn der
der
Nation
jeden Angriff auf unsere Grenzen
heute und jeder Zeit die ganze Fülle unserer nationalen
Kraft in voller
Rüstung aufzubieten, so
seine Beschlüsse
wird der Reichstag
schon durch
allein und noch vor deren Ausführung die Bürgschaften des Friedens wesentlich verstärken und die Zweifel beseitigen, welche sich an die bisherigen parla-
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887.
303
mentarischcn Verhandlungen über die Vorlagen behufs Stärkung unserer Wehrkraft geknüpft haben können. Se. Majestät der Kaiser hegt zum gegenwärtigen Reichstag das Ver trauen, daß seine Beschlüsse der nationalen Politik der verbündeten Re
gierungen eine sichere Unterlage gewähren werden, und schöpft aus diesem Vertrauen die Zuversicht, daß die Bemühungen Sr. Majestät, den Frieden und die Sicherheit Deutschlands zu wahren, von Gott gesegnet sein werden. Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät
des Kaisers erkläre ich im
Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.
161. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, Mittwoch, den 23. März 1887.
Es ist eine wunderbare Fügung des Himmels, daß Mir nach so vielen
unvergeßlichen Erinnerungstagen auch noch vergönnt gewesen ist, am 22. März Mein 90. Lebensjahr zu vollenden.
In demütigem Ernste erkenne Ich die
Gnade Gottes, welche Mich diesen Tag hat erleben lassen, welche Mir in
so hohem Alter die Kraft zur Erfüllung Meiner fürstlichen Pflichten er
halten hat,
welche Mir das Glück gewährt, noch den Lebensabend mit
Meiner geliebten Gemahlin zu teilen und auf eine kräftig emporwachsende Nachfolge von Kindern, Enkeln und Urenkeln zu schauen. Neunzig Jahre ein menschliches Leben, welch eine lange Spanne Zeit! Wenn Ich sie im Geiste
an Mir vorübergehen lasse, so will es Mir oft
kaum faßlich erscheinen, was Ich alles erlebt, erfahren und errungen habe. Die göttliche Vorsehung hat Meine Wege, wenn auch nicht ohne schwere Prüfungen, sicher geleitet und zu glücklichen Zielen geführt.
Gottes reichster
Segen hat auf Meiner Arbeit geruht. In
frühester Jugend habe Ich die Monarchie Meines ttefgebeugten
Vaters in ihrer verhängnisvollen Heimsuchung gesehen.
Ich habe aber auch
die hingebendste Treue und Opferfreudigkeit, die ungebrochene Erhebung und
Kraft und den unverzagten Mut des Volkes in den Tagen seiner Erhebung und Befreiung kennen gelernt.
Jetzt in Meinem Alter blicke Ich, nach so
manchen Wechselfällen Meines Lebens, mit Stolz und Befriedigung auf die
großen Wandlungen, welche die ruhmvolle Vergangenheit der jüngsten Zeit,
304
Viertes Buch. 1881-1888.
ein unvergängliches Zeugnis deutscher Einigkeit und aufrichtiger Vaterlands
liebe in Deutschland geschaffen hat.
Möge unserm teuren Vaterlande die
lang ersehnte Errungenschaft, wie Ich es zuversichtlich hoffe, in ungestörter,
segensreicher Friedensarbeit zu stets wachsender Wohlfahrt aller Klaffen der Nation gereichen!
In wohlthuender Erinnerung an eine solche ereignisreiche Vergangenheit gewinnt die neunzigste Wiederkehr Meines Geburtstags für Mich eine besondere
Bedeutung, welche durch die allgemeine tiefempfundene Teilnahme
Meines
Reiches, aus fernen
Landen,
Volkes erhöht wird.
Aus
allen Teilen des
in denen Deutsche eine neue Heimat gefunden, selbst von jenseits des Ozeans her,
sind Mir Adressen
in zum Teil kunstvoller, gediegener Ausstattung,
Zuschriften und Telegramme, poetische
und musikalische Gaben,
spenden und Arbetten in überreicher Anzahl
Blumen
zu diesem seltenen Tage zu
Von Gemeinde-Verbänden, größeren wie kleineren Umfangs, von
gegangen.
Kollegien, Korporationen und Genossenschaften jeder Art, von wissenschaftlichen
und Kunstinstituten, von Anstalten und einzelnen Personen bin Ich in der
herzlichsten Weise beglückwünscht worden.
Künstler, bildende wie darstellende.
Studierende der deutschen Universitäten, Akademien und technischen Hochschulen, Krieger-, Turn-, Bürger- und andere Vereine, Gilden und Innungen haben
in der verschiedensten Weise ihre treue Anhänglichkeit an Mich
than.
aller Orten
verherrlicht
dieser beredten Beweise daß
kund ge
Durch festliche Veranstaltungen und Festversammlungen ist der Tag
sich
Der Umfang
worden.
und die Mannigfaltigkeit
von Liebe und Verehrung ist
die Feier des Tages zu
so
groß
einer nationalen Huldigung
gewesen, für Mich
gestaltet hat. Nicht vermag Ich
allen,
welche Mir so liebevolle Aufmerksamkeiten
erwiesen haben, im einzelnen dafür zu danken.
durch
alle Schichten der Bevölkerung
Tief ergriffen von solcher
gehenden Bewegung,
kann Ich nur
der Gesamtheit zu erkennen geben, welche ungemeine Freude Mir jeder an
seinem Teile bereitet hat, und wie tief Mein Herz von innigster Dankbar
keit für alle diese patriotischen Kundgebungen erfüllt ist. Es giebt wahrlich für Mich kein größeres
Glück,
kein erhebenderes
Bewußtsein, als zu wissen, daß in solcher Weise die Herzen Meines Volkes Mir entgegenschlagen. Möge Mir diese Treue
und
Anhänglichkeit
als
welches die letzten Jahre Meines Lebens hell erleuchtet,
ein
teures
Gut,
erhalten bleiben!
Mein Sinnen imb Denken aber soll wie bisher, so auch ferner für die Zeit,
Sozialresorm und Kolonialpolitik. 1887.
305
welche Mir zu wirken noch beschieden sein wird, darauf gerichtet sein, die
Wohlfahrt und Sicherheit Meines Volkes zu heben und zu fördern. Ich
diesen
Sie,
beauftrage
Erlaß
öffentlichen
zur
zu
Kenntnis
bringen.
Wilhelm.
Berlin, den 23. März 1837.
An den Reichskanzler.
162. Urkunde für den Grundstein des Uord-Ostsee-Lanals. Wilhelm
Wir
von Gottes
Gnaden
Deutscher
König
Kaiser,
von
Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen:
Die Herstellung
Meere durch
einer unmittelbaren Verbindung der beiden deutschen
eine für
den Verkehr der Kriegs-
reichende Wasserstraße ist seit langer Zeit das gewesen.
und Handelsflotte
aus
Ziel patriotischer Wünsche
So lange das Vaterland der Einigung entbehrte, lag dieses Ziel
in unerreichbarer Ferne.
Nachdem aber durch Gottes Fügung das Deutsche
Reich neu erstanden war, konnte der Plan zur Herstellung jener Verbindung
in der Uns seitdem beschieden gewesenen Zeit friedlicher Entwickelung festere Gestalt gewinnen. Durch das Reichsgesetz vom 16. März 1886 ist die Verbindung beider
Meere nunmehr sicher gestellt worden. Ein Bauwerk
von gewaltiger Ausdehnung soll damit unternommen,
ein bleibendes Denkmal deutscher Einigkeit und Kraft geschaffen und in den Dienst nicht nur der vaterländischen Schiffahrt und Wehrhaftigkeit,
auch des Weltverkehrs gestellt werden.
die zukünftige
sondern
Keine menschliche Voraussicht vermag
Bedeutung dieses Baues in vollem Umfange
zu ermessen;
die Wirkungen desselben ragen über das lebende Geschlecht und über das zur Rüste gehende Jahrhundert hinaus.
Im
Hinblick auf diese
Bedeutung des vaterländischen Unternehmens
haben Wir beschlossen, daß im Namen der Fürsten und freien Städte des
Reiches
in
Gemeinschaft
mit
den Vertretern
des Reichstags
und des
preußischen Landtags der Grundstein zum Bau des Nord-Ostsee-Kanals
und zwar an der Stelle gelegt werde, an welcher sich in Zukunft die Ein gangsschleuse bei Holtenau erheben wird. Möge der Bau dem deutschen Vaterlande, möge tümern zu Heil und Segen gereichen!
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
er den
Elbherzog-
Möge durch ihn das Gedeihen der
20
Viertes Buch.
206
1881-1888.
deutschen Schiffahrt und des deutschen Handels, die friedliche Entfaltung
des Weltverkehrs, die Stärkung der vaterländischen Seemacht und der Schutz unserer Küsten kräftig gefördert werden!
Das walte Gott in Gnaden!
Gegenwärtige Urkunde haben Wir in zwei Ausfertigungen mit Unserer
Allerhöchst eigenhändigen Namens-Unterschrift
vollzogen und mit Unserem
größeren Kaiserlichen Jnsiegel versehen lassen. Wir befehlen die eine Ausfertigung mit den dazu bestimmten Schriften und Münzen *) in den Grundstein der Schleuse bei Holtenau niederzulegen,
die andere in Unserem Archiv aufzubewahren. Gegeben Holtenau, den 3. Juni 1887.
Wilhelm, von Bismarck.
163. Worte des Staats-Ministers v. Doetticher beim Schluß des Deutschen Reichstags, Sonnabend, den 18. Juni 1887.
Meine geehrten Herren!
Bei dem Abschluß Ihrer Beratung habe ich
die angenehme Pflicht zu
erfüllen, auf besonderen Befehl Sr. Majestät des Kaisers den Gefühlen deS Dankes und der Anerkennung Ausdruck zu geben, mit denen der Allerhöchste
Herr die Arbeiten und Beschlüsse begleitet hat, durch welche Sie der vater ländischen Wehrkraft und den Finanzen des Reiches die Stärke und Festig
keit gegeben haben, welche die Vorbedingung für unseren Frieden und für die Entwickelung seiner Werke bilden. Sie haben in mühevoller und treuer Arbeit das Vertrauen des Volkes
gerechtfertigt, welches Sie entsandt hat, um sein Wohl und seinen Frieden im Verein mit den verbündeten Regierungen zu fördern und zu sichern. *) Mit dieser Urkunde waren zur Versenkung in den Grundstein bestimmt;
1. Das Reichsgcsetz, betreffend die Herstellung deS Nord-Ostsee-Kanals vom 16. MSrz 1886. 2. Das
preußische Gesetz, betreffend die Gewährung
eines besonderen Bei
trags von 50 Millionen Mark im Voraus zu den Kosten der Herstellung deS Nord-Ostsee-KanalS, vom 16. Juli 1886.
3. Eine Karte der Linie deS Nord-Ostsee-KanalS. 4. Die Baugeschichte des Nord-Ostsee-KanalS. 5. Ein vollständiger Satz der ReichSmüuzcn.
Sozialreform und Kolonialpolitik.
1887.
307
Sie wollen nunmehr neben der eignen Befriedigung, welche erfolgreiche
gewährt, den Dank Sr. Majestät
Thätigkeit im Dienste des Vaterlandes
und der verbündeten Regierungen mit in die
unseres allverehrten Kaisers
Heimat nehmen. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers erlläre ich im Namen der ver
bündeten Regierungen die Sitzungen des Reichstags für geschlossen.
164.
Rede des Staats-Ministers von Doetticher zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 24. November 1887.
Geehrte Herren!
Die Wiederaufnahme der Arbeiten des Reichstags fällt in eine ernste Zeit.
Das schwere Leiden, von welchem Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit
der Kronprinz heimgesucht ist, erfüllt
nicht nur Se. Majestät den Kaiser,
sondern auch Allerhöchst Desselben Hohe Verbündete und das ganze deutsche
Volk mit banger Sorge.
Was menschliche Wissenschaft und Kunst,
was
sorgsame Pflege zu thun vermögen, um die drohende Gefahr zu bekämpfen,
wird nicht versäumt werden.
Unsere Blicke und Gebete aber richten sich zu
Gott, nach dessen Ratschluß die
Geschicke der Völker, wie des einzelnen
Menschenlebens, sich erfüllen. Festes Gottvertrauen und treue Pflichterfüllung sind zu jeder und besonders in schwerer Zeit die bewährten Stützen unseres
Volkes gewesen.
Sie werden uns auch heute befähige», den Aufgaben, welche
den gesetzgebenden Körpem des Reiches bevorstchcn, gerecht zu werden. Voran steht unter diesen Ihre verfassungsmäßige Mitwirkung bei der Feststellung des Reichshaushalts-Planes.
Der Etat ist wiederum unter Be
thätigung strenger Sparsamkeit und Zurückstellung der nicht unaufschieblichen
Ausgaben aufgestellt worden. lage.
Er zeigt eine erfreuliche Besserung der Finanz
Obwohl die Wirkungen der in der vorigen Session des Reichstags
vereinbarten
ausgiebigeren Besteuerung des Zuckers und Branntweins in
vollen Umfange erst den späteren Etatsperioden zu
gut kommen werden, so läßt doch schon das nächste Rechnungsjahr einen Überschuß aus ihrem
dem Reichshaushalt
erwarten, welcher —
Matrikularbeiträge — sich
beziffert.
annähernd
auf
selbst nach Gegenrechnung der
etwa fünfzig Millionen Mark
Viertes Buch. 1881-1888.
308
Ergebnisses wird mit der Aufbesserung des
Angesichts dieses
kommens der im Dienste des Reiches stehenden Personen
Ein
ein Anfang zu
machen und zunächst der vom Reichstag befürwortete Wegfall der Witwen-
und Waisengeldbeiträge der Offiziere und Beamten in Aussicht zu nehmen sein.
Eine entsprechende Vorlage befindet sich in der Vorbereitung. Fehlt
es
auch auf einzelnen Gebieten des nationalen Erwerbslebens
nicht an Zeichen eines zu erhoffenden Aufschwungs, so befindet sich doch die wichtigste Quelle unseres wirtschaftlichen Wohlstandes, die Landwirtschaft, in einer bedrohlichen Notlage. Die Preise unserer landwirtschaftlichen Erzeugnisse,
namentlich des Getreides, sind unter dem Drucke des Angebotes aus fremden,
billiger produzierenden Wirtschaftsgebieten, obwohl wir uns reicher Ernten zu erfreuen gehabt haben,
so
tief gesunken, daß jede Ertragsfähigkeit der
Die bestehenden Ge
Arbeit des deutschen Landmannes gefährdet erscheint.
treidezölle haben diesem Drucke nicht ausreichend zu begegnen vermocht.
Die
bedrängte Lage unserer Landwirtschaft wirkt auf die wirtschaftliche Thätigkeit Unter diesen Umständen ist
der gesamten Bevölkerung ungünstig zurück.
der Getreidezölle von den verbündeten Regierungen
eine weitere Erhöhung
ins Auge gefaßt worden.
Ein dieses Ziel verfolgender Gesetzentwurf wird
dem Reichstag zugehen. Die Vorsorge Sr. Majestät des Kaisers und der verbündeten Regie
rungen ist unausgesetzt auf die weitere Entwickelung des Heerwesens gerichtet. Ein Ihnen
vorzulegender Gesetzentwurf, welcher die Landwehr und den
Landsturm betrifft, ist bestimmt,
eine wesentliche Erhöhung der Wehrkraft
des Reiches herbeizuführen. Schon in der Allerhöchsten Botschaft
vom
17. November 1881
ist
der dringende Wunsch Sr. Majestät des Kaisers ausgesprochen, den Ar
beitern, welche durch
Alter und Invalidität
erwerbsunfähig werden, das
berechtigte Maß staatlicher Fürsorge durch die Gesetzgebung zu sichern und damit eine weitere Gewähr für die Befestigung des
sozialen Friedens und
für die Stärkung der nationalen Arbeitskraft zu gewinnen.
Nach der schritt
weisen Weiterführung der für die genoffenschastliche Gliederung unseres Er
werbslebens grundlegenden Unfallversichemngs-Gesetzgebung ist es nunmehr
möglich geworden, die mit besonderen Schwierigkeiten ihrer Lösung
verknüpfte Aufgabe
soweit näher zu führen, daß die Ausarbeitung eines Gesetz
entwurfs über die Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter vorliegt. Se. Majestät der Kaiser hofft, daß der Entwurf,
nachdem die Grundzüge
für denselben der öffentlichen Erörterung unterstellt und der besonderen
Prüfung sachverständiger Kreise übergeben worden sind. Ihnen noch in dieser
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887. Session wird vorgelegt werden
können.
309
Daneben wird nicht verabsäumt,
die weitere Ausdehnung der, wie mit Genugthuung hervorgehoben werden darf, je länger desto segensreicher wirkenden Unfallversicherung auf die der
selben bedürftigen Teile der Bevölkerung im Auge zu behalten.
Das gegenwärtig geltende Gesetz über die Erwerbs- und Wirtschafts
genossenschaften beruht auf dem Grundsatz der vollen Gesamthast aller Mit Die Erfahrung hat ergeben, daß
glieder.
die Notwendigkeit, sich
dieser
Hastform zu unterwerfen, der wünschenswerten Fortentwickelung des Ge-
noffenschastswesens hinderlich ist und die beitretenden Mitglieder nicht selten einer
unverhältnismäßigen
Selbständigkeit aussetzt. des
Gefährdung
ihrer
wirtschaftlichen Lage
und
Demzufolge, und da auch die Einzelbestimmungen
Gesetzes in manchen Punkten
einer Änderung und Vervollständigung
bedürfen, wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen, welcher die Verhältnisse der freien Genossenschaften regeln und insbesondere die Bildung von Ge
nossenschaften mit beschränkter Haftpflicht der Mitglieder ermöglichen soll. Die Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes auf den Verkehr mit Wein
begegnet in der Praxis mannigfachen Schwierigkeiten.
Dieselben sind bereits
wiederholt im Reichstag Gegenstand der Verhandlungen gewesen.
Es wird
Ihnen ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, dessen Zweck es ist, diese Frage
in gesundheitspolizeilicher Hinsicht zu regeln.
Der
bevorstehende Ablauf
unseres
Handelsvertrags
mit Österreich-
Ungarn hat den verbündeten Regierungen Veranlassung geboten, der Frage
der Neugestaltung des Vertragsverhältnisses zuwenden.
nicht
ihre volle Aufmerksamkeit zu
Die verbündeten Regierungen können sich die Schwierigkeiten
verhehlen,
welche
noch entgegenstehen,
einer befriedigenden Lösung
glauben
sich
dieser Frage zunächst
aber zu der Hoffnung berechtigt, Ihnen
rechtzeitig ein Abkomnien mit der Kaiserlich und Königlich österreichisch-un garischen Regierung zur verfassungsmäßigen Zustimmung vorlcgen zu können,
durch welches der bestehende Handelsvertrag
vorläufig verlängert und der
Eventualität eines vertragslosen Zustandes vorgebeugt wird.
Verträge behufs Regelung der Handelsbeziehungen des Reiches mit
einigen amerikanischen Staaten werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Be schlußnahme vorgelegt werden.
Die auswärtige Politik Sr. Majestät des Kaisers
ist mit Erfolg be-
niüht, den Frieden Europas, dessen Erhaltung ihre Aufgabe ist, durch Pflege der freundschaftlichen Beziehungen zu allen Mächten, durch Verträge und durch Bündnisse zu befestigen, welche den Zweck haben, den Kriegsgefahren vorzubeugen und ungerechten Angriffen gemeinsam entgegenzutreten.
Das
Viertes Buch.
310
1881—1888.
Deutsche Reich hat keine aggressive Tendenzen «nd
durch siegreiche Kriege befriedigt werden könnten.
keine Bedürfnisse, die
Die unchristliche Neigung
zu Überfällen benachbarter Völker ist dem deutschen Charakter fremd, und
sind nicht
die Verfassung sowohl wie die Heereseinrichtungen des Reiches
darauf berechnet, den Frieden unserer Nachbarn durch willkürliche Angriffe zu stören.
Aber in der Abwehr solcher und
in der Verteidigung unserer
Unabhängigkeit sind wir stark und wollen wir mit Gottes Hilfe so stark werden, daß wir jeder Gefahr ruhig entgegensehen können.
165. Uede zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 14. Januar 1888.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich ') mit der Eröffnung
des Landtags der Monarchie zu beauftragen gemht.
Die Sorge um Se. Kaiserliche Kronprinzen hat Se.
und Königliche Hoheit unsern
teuren
Majestät den Kaiser und König, Sein Haus und
unser gesamtes Volk noch nicht verlassen.
Aber unsere Hoffnung auf Ge
nesung bleibt bestehen, und wir fahren fort, Gott um
die Erhörung aller
zu Ihm für den erlauchten Kranken cmporstcigenden Fürbitten anzuflchen. Die Finanzlage des Staates hat sich
günstiger gestaltet, als erwartet
werden konnte. Schon das Ergebnis des letzten abgeschlossenen Rechnungsjahres vom 1. April übertroffen.
1886/87
hat die Voraussetzungen des Voranschlages
erheblich
Während bei Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das
genannte Jahr sich die Ergänzung der Einnahmen durch eine Anleihe von rund 12 Millionen Mark nötig zeigte,
um den Ausgabebedarf zu decken,
haben sich die finanziellen Verwaltungsresultate des Jahres infolge
von
Mehreinnahmen und beträchtlichen Minderausgaben im ganzen um runb 32 Millionen Mark besser, als veranschlagt war, herausgestellt.
In solcher
Höhe hat daher den Bestimmungen des Eisenbahn-Garantiegesetzes gemäß
noch in der Rechnung eben dieses Jahres eine Mehrausgabe behufs Tilgung der Staatsschuld in Form der Verrechnung auf bewilligte Anleihen gemacht werden können und müssen. •) Vicepräsident des Staats-Ministeriums v. Puttkamer.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
311
Noch günstiger scheint sich das Ergebnis des laufenden Rechnungsjahres
vom 1. April 1887/88 zu gestalten.
Während bei Feststellung des Staats
haushalts-Etats für dasselbe zur Deckung des Ausgabebedarfs eine Anleihe
von mehr als vierzig Millionen Mark notwendig erschien, lassen die bis
jetzt vorliegenden finanziellen Verwaltungsresultate hoffen, daß wiedemm hervortretende Minderausgaben, überwiegend jedoch namhafte Mehreinnahmen
bei den Betriebsverwaltungen des
Staates, hauptsächlich bei der Staats-
Eisenbahnverwaltung, sowie Mehrüberweisungen vom Reich im ganzen einen Überschuß ergeben werden, welcher denjenigen des Vorjahres noch beträchtlich übersteigen und auch durch
die entsprechende Anwendung der Vorschriften
des Eisenbahn-Garantiegesetzes in der Rechnung des laufenden Jahres nicht
erschöpft werden wird. Die hierin wahrnehmbare erfreuliche Entwickelung der
quellen des Staates und die Erfolge der im Jahre 1887
eigenen Hilfs endlich möglich
gewordenen Weiterführung der Reichssteuerreform lassen, sofern nicht un
berechenbare Ereignisse störend dazwischen treten, für die kommenden Jahre die Wiedergewinnung und Erhaltung des Gleichgewichts der Einnahmen und Ausgaben des Staates auch bei freierer Bewegung als bisher gesichert er
scheinen.
Gleichwohl hat die Staatsregierung cs für ihre Pflicht gehalten
und sich angelegen sein lassen, den Ausgabebedarf des nächsten Jahres, wie in den voraufgegangenen Jahren, auf allen Staatsverwaltungsgebieten mit
Sparsamkeit und thunlichster Zurückhaltung zu
bemesien und die darüber
hinaus verfügbaren Mittel zusammen zu halten, um zwar nur schrittweise
und vorsichtig,
aber doch
wirksam und
sicher an die weitere Lösung der
Aufgaben herantreten zu können, welche, zn groß gegenüber der bisherigen Finanzlage, ihrer Dringlichkeit und allseitigen Anerkennung ungeachtet immer
wieder vertagt werden mußten. Nicht dem Geldbeträge nach, aber nach dem Anlaß der Bewilligung
und nach dem Maße, in welchem
sie von dem landesväterlichen Herzen
Sr. Majestät des Königs als eine besondere Verpflichtung empfunden wird, steht hierbei in
erster Linie eine dauemde Mehrausgabe zur Verbesserung
der äußern Lage der Geistlichen aller Bekenntnisie.
Der in dem Zivil
standsgesetz vom 9. März 1874 bestimmte Erlaß eines besonderen Gesetzes, welches die damals den Einkommcnsverhältnisien der kirchlichen Stellen er
wachsene Einbuße ausgleichen sollte, ist seither nicht erfolgt.
Die entgegen
stehenden Schwierigkeiten erscheinen auch jetzt und für die Folge unüber windlich.
Darum soll für den auf kirchlicher Seite eingetretenen Ausfall
durch die jetzt in Aussicht genommene Bewilligung ein wertvollerer Ersatz
312
Viertes Buch.
1881-1888.
gewährt werden, der es ermöglicht, die unzulänglichen Pfarrbesoldungen bis
zu einem für die heutigen Verhältnisse auskömmlichen Maße zu erhöhen.
Sodann mußte es nicht minder geboten erscheinen,
mit dem Verzicht
der Staatskasse auf die Witwen- und Waisengeldbeiträge der Beamten einen
dem Vorgänge beim Reich folgenden, in sich abgeschlossenen und nach jeder Richtung hin zweckmäßigen Anfang zur Verbessemng der Beamtenbesoldungen
zu machen. Im übrigen aber und zum bei weitem größeren Teile sind die ver
fügbaren Mittel für eine weitere allgemeine Erleichterung des Druckes der Kommunal- und Schullasten in Anspruch zu nehmen.
Zu diesem Behuf
empfiehlt es sich nach der Auffassung der Staatsregierung gegenwärtig am
meisten, einen dem erlangten Maße nachhaltig gesteigerter Leistungsfähigkeit der Staatskasse
entsprechenden Teil der
Besoldungen der Lehrer
an den
öffentlichen Volksschulen den Schulunterhaltungspflichtigen abzunehmen und als eine dauernde Ausgabeverpflichtung
in den Staatshaushalts-Etat ein
zustellen.
Der nach diesen Gesichtspunkten aufgestellte Entwurf des Staatshaus halts-Etats für das Jahr vom 1. April 1888/89 wird Ihnen zugleich mit
den wegen der Aufhebung der Witwen- und Waisengeldbeiträge der Beamten und wegen der bezeichneten Erleichterung der Volksschnllasten erforderlichen besonderen Gesetzentwürfen alsbald zugehen.
Auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens Jahre Vorschläge gemacht werden,
werden Ihnen auch in diesem
welche die
Herstellung einer weiteren
Reihe von wichtigen Schiencnverbindungen und
sonstigen Bauausführungen
zur Erweiterung und Vervollständigung des Staats-Eisenbahnnetzes bezwecken.
Eine auf die Regulierung des unteren Laufes
der Weichsel gerichtete
Vorlage wird Ihnen zugchen.
Zur Weiterführung der Verwaltungsreform werden Ihnen die Ent würfe einer Kreis- und Provinzialordnung für Schleswig-Holstein unterbreitet werden.
Es wird Ihnen ferner ein Gesetzentwurf vorgelcgt werden, welcher die
Bestreitung der Kosten
der Ortspolizei in Stadtgemeinden
mit königlicher
Polizeiverwaltung neu zu regeln bestimmt ist.
Die Durchführung der Gesetzgebung, betreffs der Fürsorge für die im land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verunglückten Arbeiter, vollzieht sich
— dank dem allseitigen verständnisvollen Entgegenkommen der Arbeitgeber
und der kommunalen Verbände —
ohne Störung.
Die konstituierenden
Versammlungen der versicherungspflichtigen Verbände haben stattgefunden und
Svzialreform und Kolonialpolitik. 1888.
313
in allen Provinzen zu gleichen Beschlüssen geführt in Bezug auf die Über tragung der Geschäfte auf die Organe der Selbstverwallung.
Eine an
nähernd gleiche Übereinstimmung ist hinsichtlich der Annahme des Maßstabs
hervorgetreten, nach welchem die entstehenden Lasten auf die einzelnen Ver pflichteten übertragen werden sollen.
Meine Herren!
Indem ich Sie im Auftrage Sr. Majestät willkommen
heiße, lade ich Sie zur Wiederaufnahme Ihrer Arbeiten in der Zuversicht ein, daß. Ihre Thätigkeit auch in der bevorstehenden Session von Gottes Segen
begleitet sein wird. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers
und Königs
erkläre ich
den
Landtag der Monarchie für eröffnet.
166. Ansprache des Fürsten v. Bismarck an den Reichstag nach dem Tode Kaiser Wilhelms, Freitag, den 9. März 1888.
Mir liegt die traurige Pflicht ob. Ihnen die amtliche Mitteilung von
-em zu machen, was Sie bereits thatsächlich wissen werden: daß Se. Majestät der Kaiser Wilhelm heute vormittag um Vs9 Uhr zu Seinen Vätern ent
schlafen ist.
Infolge dieses Ereignisses ist die preußische Krone und damit nach Artikel 11 der Reichsverfassung die deutsche Kaiserwürde auf Se. Majestät
Friedrich III.,
König von
Preußen,
übergegangen.
Nach den mir
zu
gegangenen telegraphischen Nachrichten darf ich annehmen, daß Se. Majestät
der regierende Kaiser und König morgen von San Remo abreisen und in der gegebenen Zeit hier in Berlin eintreffen wird. Ich hatte von dem
Hochseligen Herm
Bethätigung der Arbeitskraft,
in Seinen letzten Tagen in
die Ihn nur mit dem Leben verlaffen hat,
noch die Unterschrift erhalten, welche vor mir liegt, und
welche mich er
mächtigt, den Reichstag in der üblichen Zeit nach Abmachung seiner Geschäfte, das heißt also etwa heute oder morgen,
an Se. Majestät gerichtet, nur
zu schließen.
Ich hatte die Bitte
den Anfangsbuchstaben des Namens noch
zu unterzeichnen, Se. Majestät aber haben mir darauf erwidert, daß Sie
glaubten, den vollen Namen noch unterschreiben zu können.
Infolge dessen
liegt dieses historische Aktenstück der letzten Unterschrift Sr. Majestät vor mir.
314
Viertes Buch.
1881—1888.
Unter den obwaltenden Umständen nehme ich an, daß es dey Wünschen
der Mitglieder des Reichstags ebenso wie denen der verbündeten Regierungen entsprechen wird, daß der Reichstag noch nicht auseinandergeht, sondern zu
sammenbleibt bis nach Eintreffen Sr. Majestät des Kaisers, und ich mache deshalb von dieser Allerhöchsten Ermächtigung weiter keinen Gebrauch, als
daß ich dieselbe als historisches Dokument zu den Akten gebe und den Herrn Präsidenten bitte, die Entschlüsse, welche den Stimmungen und den Über
zeugungen des Reichstags entsprechen, in dieser Richtung herbeizuführen. Es steht mir nicht zu, meine Herren, von dieser amtlichen Stelle Ms den persönlichen Gefühlen Ausdruck zu geben, mit welchen
mich das Hin
scheiden meines Herm erfüllt, das Ausscheiden des ersten Deutschen Kaisers
aus unserer Mitte.
Es ist dafür auch kein Bedürfnis,
denn die Gefühle,
die mich bewegen, sie leben in dem Herzen eines jeden Deutschen;
es hat
deshalb keinen Zweck, sie auszusprechen. Aber das Eine glaube ich Ihnen doch nicht vorenthalten zu dürfen —
nicht von meinen Empfindungen,
sondern von meinen Erlebnissen —,
inmitten der schweren Schickungen, Seinem
Hause noch erlebt hat,
daß
welche der von uns geschiedene Herr in es
zwei Thatsachen waren, welche Ihn
mit Befriedigung und Trost erfüllten.
Die eine war die,
daß die Leiden
Seines einzigen Sohnes und Nachfolgers, unseres jetzigen regierenden Herrn, die ganze Welt — nicht nur Deutschland, sondern alle Wetttcile, kann man
habe noch heute
aus New-Jork in dieser
sagen —
ich
Beziehung
erhalten —, mit einer Teilnahme erfüllt haben, die beweist,
welches Vertrauen sich
Nationen erworben hat.
ein Telegramm
die Dynastie des Deutschen Kaiserhauses bei allen Es ist dies
ein Erbteil, kann ich
wohl sagen,
welches des Kaisers lange Regierung dem deutschen Volke hinterläßt.
Das
Vertrauen, das die Dynastie erworben hat, wird sich auf die Nation über
tragen trotz allem, was dagegen versucht wird.
Die zweite Thatsache, in der Se. Majestät einen Trost in manchen schweren Schickungen empfand, war die, daß der Kaiser auf die Entwickelung
Seiner Hauptlebensaufgabe, der Herstellung und Konsolidierung der Natio nalität des Volkes, dem Er als deutscher Fürst angehört hatte, — daß der Kaiser auf die Entwickelung, welche die Lösung
dieser Aufgabe inzwischen
angenommen hatte, mit einer Befriedigung zurückblickte, welche den Abend
Seines Lebens verschönt und beleuchtet hat.
Es trug dazu namenllich in
den letzten Wochen die Thatsache bei, daß mit einer seltenen Einstimmigkeit
aller Dynastieen, aller verbündeten Regienmgen, aller Stämme in Deutsch land, aller Abteilungen des Reichstags dasjenige beschlossen wurde, was für
Sozialreform und Kolonialpolitik.
1888.
Sie Sicherstellung der Zukunft des Deutschen Reiches
die uns bedrohen könnte, als Bedürfnis
315
auf jede Gefahr hin,
von den verbündeten Regierungen
empfunden wurde. Diese Wahrnehmung hat Se. Majestät mit großem Troste erfüllt, und noch in der letzten Beziehung, die ich zu meinem dahingeschie
denen Herrn gehabt habe —
es
gestern
war
— hat Er darauf Bezug
genommen, wie Ihn dieser Beweis der Einheit der
gesamten deutschen
Nation, wie er durch die Volksvertretung hier verkündet worden ist, gestärkt
und erfreut hat.
Ich glaube, meine Herren, es wird für Sie alle erwünscht sein, dieses Zeugnis, das ich
aus eigener Wahrnehmung für die letzten Stimmungen
unseres dahingeschiedenen Herrn
ablegen kann, mit in Ihre Heimat zu
nehmen, weil jeder einzelne von Ihnen
einen Anteil an dem Verdienste
hat, welches dem zu Grunde liegt.
Meine Herren, die heldenmütige Tapferkeit, das nationale hochgespannte
Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe zum Vaterlande,
dahingeschiedenen Herrn verkörpert waren, mögen sie Erbteil unserer Nation sein, welches
Kaiser uns hinterlassen hat!
von allen, die
wir an den
der aus
Das hoffe ich
die in unserem
ein unzerstörbares
unserer Mitte geschiedene
zu Gott, daß dieses Erbteil
Geschäften unseres Vaterlandes mitzuwirken
haben, in Krieg und Frieden, in Heldenmut, in Hingebung, in Arbeitsamkeit,
in Pflichttreue treu bewahrt bleibe.
167.
Ansprache des virepräsidenlen des Staats-Ministeriums StaatsMlnisters v. Puttkarner an das Abgeordnetenhaus, Freitag, den S. März 1888. Ich habe die traurige Pflicht, dem hohen Hause eine tief schmerzliche
Mitteilung zu machen.
Es
hat Gott
gefallen,
Se. Majestät den Kaiser
und König Wilhelm, unseren Allergnädigsten Herrn, heute morgen 81/, Uhr im achtundzwanzigsten
Jahre Seiner
glorreichen
sanften Tod aus dieser Zeitlichkeit heimzurufen.
Regierung —
durch
Meine Herren!
einen
Sie
werden von mir in diesem tiefernsten Augenblicke, in welchem unsere Herzen von Trauer und Sorge zugleich so schmerzlich berührt sind, eine Schilderung der Gefühle nicht erwarten, die uns alle, die das gesamte Volk und Vater-
Viertes Buch. 1881—1888.
316
land bei dem Hintritt, bei dem Verluste dieses allgeliebten, erhabenen, ehr
würdigen Herrschers erfüllen. versicht auch
an
diesem Tage
Das aber darf ich getrost und voller Zu schmerzlichster Prüfung
preußische Volk und seine Vertretung
Bewußtsein durchdrungen sein, daß
aussprechen:
das
werden heute mehr denn je von dem
das Leid unseres erhabenen Herrscher
hauses auch unser Leid ist, und daß, je tiefer der allgemeine Schmerz über
den Hintritt des ruhmreichen Königs, um so fester und unzerreißbarer das Band uns verbinden wird, welches Preußens Herrscherhaus und Preußens Volk in guten und bösen Tagen verknüpft.
Meine Herren!
Ich habe
Ihrer Weisheit anheimzustellen, denjenigen Beschluß zu fassen, welcher dem
Ernste der Lage entspricht.
168.
An Mein Volk! Aus Seinem glorreichen Leben schied der Kaiser. In den: vielgeliebten Vater, den Ich beweine, Mein
Königliches
Haus
in tiefsten!
und um den mit Mir
Schmerze trauert, verlor Preußens
Volk seinen ruhmgekrönten König, die
deutsche Nation den Gründer ihrer
Einigung, das wiedererstandene Reich den ersten Deutschen Kaiser!
Unzertrennlich Größe des
wird Sein hehrer Name
deutschen Vaterlandes, in dessen
verbunden bleiben mit aller
Neu-Begründung
die
aus
dauernde Arbeit von Preußens Volk und Fürsten ihren schönsten Lohn ge
funden hat. Indem König Wilhelm mit nie ermüdender landesväterlicher Fürsorge
das
preußische Heer
auf die Höhe seines ernsten Berufes
erhob, legte Er
den sicheren Grund zu den unter Seiner Führung errungenen Siegen der
deutschen Waffen, aus denen die nationale Einigung hervorging.
dadurch dem Reiche eine Machtstellung, wie sie bis
Er sicherte
dahin jedes deutsche
Herz ersehnt, aber kaum zu erhoffen gewagt hatte.
Und was Er in heißem, opfervollem Kampfe Seinem Volle errungen, das war Ihm beschieden durch lange Friedensarbeit mühevoller Regierungs jahre zu befestigen und segensreich zu fördern.
Sicher in seiner eigenen Kraft ruhend, steht Deutschland geachtet im
Rate der Völler und begehrt nur, wickelung froh zu werden.
des Gewonnenen in friedlicher Ent
Sozialreform und Kolomalpolitik.
1888.
317
Daß dem so ist, verdanken wir Kaiser Wilhelm, Seiner nie wanken den Pflichttreue, Seiner unablässigen nur dem Wohle des Vaterlandes ge
widmeten Thätigkeit, gestützt auf die von dem preußischen Volke unwandel
bar
bewiesene und
von
allen
deutschen Stämmen
opferfreudige
geteilte
Hingebung. Auf Mich sind nunmehr alle Rechte und Pflichten übergegangen, die
mit der Krone meines Hauses verbunden sind, und welche Ich in der Zeit, die nach Gottes Willen Meiner Regierung
beschieden sein mag, getreulich
wahrzunehmen entschlossen bin. Durchdrungen von der Größe Meiner Aufgabe, wird es Mein ganzes Bestreben sein, das Werk in dem Sinne fortzuführen, in dem es begründet wurde, Deutschland zu einem Horte des Friedens zu machen und in Über einstimmung
mit den verbündeten Regierungen sowie mit den verfassungs
mäßigen Organen des Reiches wie Preußens,
die Wohlfahrt des deutschen
Landes zu pflegen. Meinem getreuen Volke, das durch eine Jahrhunderte lange Geschichte
in
guten wie schweren Tagen
zu Meinem Hause gestanden,
Mein rückhaltloses Vertrauen entgegen.
bringe Ich
Denn Ich bin überzeugt, daß auf
dem Grunde der untrennbaren Verbindung
von Fürst und Volk, welche,
unabhängig von jeglicher Veränderung im Staatsleben, das unvergängliche
Erbe des Hohenzollernstammcs bildet, Meine Krone allezeit ebenso
ruht, wie das Gedeihen des Landes, rufen bin, und dem Ich gelobe,
sicher
zu dessen Regierung ich nunmehr be
ein gerechter und in Freud' wie Leid ein
treuer König zu sein. Gott wolle Mir Seinen Segen und Kraft zu diesem Werke geben, dem fortan Mein Leben geweiht ist! Berlin, den 12. März 1888.
Friedrich I. R.
169. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler. Mein lieber Fürst! Bei dem Antritt Meiner Regierung ist es Mir ein Bedürfnis,
an Sie, den langjährigen, vielbewährten ersten ruhenden Herrn Vaters
zu
wenden.
Diener
Sie sind der treue
Ratgeber gewesen, der den Zielen Seiner Politik die Form
deren erfolgreiche Durchführung gesichert hat.
Mich
Meines in Gott und mutvolle
gegeben und
318
Vierte- Buch
1881—1833.
Ihnen bin Ich und bleibt Mein Haus zu warmem Dank verpflichtet. Sie haben daher ein Recht, vor allem zu wissen, welches die Gesichts
punkte sind, die für die Haltung Meiner Regierung maßgebend sein sollen.
Die Berfaffungs- und Rechtsordnungen des Reiches und Preußens müssen vor allem in der Ehrfurcht und in den Sitten der Nation sich be festigen.
Es sind daher die Erschütterungen möglichst zu vermeiden, welche
häufiger Wechsel der Staatseinrichtungen und Gesetze veranlaßt.
der Aufgaben der Reichsregiemng muß die
festen
Gmndlagen unberührt lassen, auf denen bisher der preußische Staat
sicher
Die Fördemng gemht hat.
Im Reiche sind die verfassungsmäßigen Rechte aller verbündeten Re-
giemngen ebenso gewissenhaft zu achten, wie die des Reichstags; aber von
beiden ist eine gleiche Achtung der Rechte des Kaisers zu erheischen.
Dabei
ist im Auge zu behalten, daß diese gegenseitigen Rechte nur zur Hebung der
öffentlichen Wohlfahrt dienen sollen, welche das oberste Gesetz
bleibt, und
daß neu hervortretenden, unzweifelhaften nationalen Bedürfnissen stets in vollem Maße Genüge geleistet werden muß.
Die notwendige und sicherste Bürgschaft für ungestörte Fördemng dieser Aufgaben sehe Ich in der ungeschwächten
Erhaltung der Wehrkraft des
Landes, Meines erprobten Heeres und der aufblühenden Marine, der durch
Gewinnung überseeischer Besitzungen ernste Pflichten erwachsen sind. müssen jederzeit auf der Höhe
der Ausbildung
und
Beide
der Vollendung
der
Organisation erhalten werden, welche deren Ruhm begründet hat und welche
deren fernere Leistungsfähigkeit sichert.
Ich bin entschlossen, im Reiche und in Preußen die Regierung in ge wissenhafter Beobachtung der Bestimmungen von Reichs-
fassung zu führen. in
weiser
und Landesver
Dieselben sind von Meinen Vorfahren auf dem Throne
Erkenntnis
der unabweisbaren
Bedürfnisse
und
zu
lösenden
schwierigen Aufgaben des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens begründet worden und müssen allseitig
geachtet werden, um ihre Kraft und segens
reiche Wirksamkeit bethätigen zu können. Ich will, daß der
seit Jahrhunderten
in Meinem Hause heilig
ge
haltene Gmndsatz religiöser Duldung auch ferner allen Meinen Unterthanen, welcher Religionsgemeinschaft und welchem Bekenntnisse sie auch angehören,
zum Schutze gereiche.
Ein
jeglicher unter ihnen
steht Meinem Herzen
gleich nahe — haben doch alle gleichmäßig in den Tagen der Gefahr ihre volle Hingebung bewährt.
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
319
Einig mit den Anschauungen Meines Kaiserlichen Herrn Vaters, werde Ich warm
alle Bestrebungen unterstützen, welche geeignet sind, das wirt
schaftliche Gedeihen der verschiedenen Gesellschaftsklassen zu heben, wider
streitende Interessen zu versöhnen und unvermeidliche Mißstände nach Kräften
zu mildem, ohne doch die Erwartung hervorzurufen, als ob es möglich sei, durch Eingreifen des Staates allen Übeln der Gesellschaft ein Ende zu machen. Mit den sozialen Fragen enge verbunden erachte ich die der Erziehung
der Heranwachsenden Jugend zugcwandte Pflege.
Muß einerseits eine höhere
Bildung immer weiteren Kreisen zugänglich gemacht werden, so ist doch zu vermeiden, daß durch Halbbildung
ernste Gefahren geschaffen, daß Lebens
ansprüche geweckt werden, denen die wirtschaftlichen Kräfte der Nation nicht
genügen können, oder daß durch
einseitige Erstrebung
vermehrten Wissens
die erziehliche Aufgabe unberücksichtigt bleibe. Nur ein auf der gesunden Grundlage von Gottesfurcht in einfacher Sitte
aufwachsendes Geschlecht wird hinreichend Widerstandskraft besitzen, die Ge fahren zu überwinden, welche in einer Zeit rascher wirtschaftlicher Bewegung,
durch die Beispiele hochgesteigerter Lebensführung einzelner, für die Gesamt heit erwachsen.
Es ist Mein Wille, daß keine Gelegenheit versäumt werde,
in dem öffentlichen Dienste dahin einzuwirken, daß der Versuchung
zu un
verhältnismäßigem Aufwande entgegengetreten werde. Jedem Vorschläge finanzieller Reformen ist Meine vorurteilsfreie Er
wägung im voraus gesichert, wenn nicht die in Preußen altbewährte Spar samkeit die Auflegung neuer Lasten umgehen und eine Erleichterung bis
heriger Anforderungen herbeiführen läßt. Die größeren und kleineren Verbänden im Staate verliehene Selbst verwaltung halte ich für ersprießlich.
Dagegen stelle Ich es zur Prüfung:
ob nicht das diesen Verbänden gewährte Recht der Steuerauflagen, welches
von ihnen ohne hinreichende Rücksicht auf die gleichzeitig vom Reich und Staat ausgehende Belastung geübt wird, den einzelnen unverhältnismäßig beschweren kann.
In gleicher Weise wird zu erwägen sein, ob nicht in
der Gliedemng
der Behörden eine vereinfachende Änderung zulässig erscheint, in welcher die Vermindemng der Zahl der Angestellten eine Erhöhung
ihrer Bezüge er
möglichen würde.
Gelingt es, die Gmndlagen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens
kräftig zu erhalten, so wird es Mir zu besonderer Genugthuung gereichen.
Viertes Buch. 1881—1888.
320
die Blüte, welche deutsche Kunst und Wissenschaft in so reichem Maße zeigt, zu voller Entfaltung zu bringen.
dieser Meiner Absichten rechne Ich auf Ihre so
Zur Verwirklichung oft
bewiesene
Hingebung
und
auf
die
Unterstützung
Ihrer
bewährten
Erfahmng. Möge es Mir beschieden sein, dergestalt unter einmütigem Zusammen
wirken der Reichsorgane, der hingebenden Thätigkeit der Volksvertretung, wie aller Behörden, und durch vertrauensvolle Mitarbeit sämtlicher Klassen
der Bevölkerung Deutschland und Preußen zu neuen Ehren in friedlicher
Entwickelung zu führen. Unbekümmert um den Glanz ruhmbringender Großthaten, werde Ich
zufrieden sein, wenn dereinst von Meiner Regierung gesagt werden
sie sei Meinem Volke wohlthätig, Meinem Lande nützlich
kann,
und dem Reiche
ein Segen gewesen! Berlin, den 12. März 1888.
Ihr wohlgeneigter
Friedrich I. R.
170. Allerhöchster Erlaß an die Bewohner der Beichslande. Wir, Friedrich,
von Gottes
Gnaden Deutscher Kaiser, König
Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen:
Nachdem Unseres
von
ge
liebten Herrn Vaters Majestät, weiland Kaiser Wilhelm, nach Gottes Rat schluß aus dieser Zeitlichkeit geschieden, ist die deutsche Kaiserwürde und
damit in Gemäßheit der Reichsgesetze die Regierung der Reichslande auf Uns übergegangen.
Wir haben dieselbe im Namen des Reiches übernommen.
Entschlossen, die Rechte des Reiches über diese deutschen, nach langer Zwischen zeit wiedemm mit dem Vaterlande vereinigten Gebiete zu wahren, sind Wir
Uns der Aufgabe bewußt, in denselben deutschen Sinn und
deutsche Sitte
zu pflegen, Recht und Gerechtigkeit zu schirmen und die Wohlfahrt und das
Gedeihen der Bewohner
zu fördern.
Bei Unserem Bestreben,
dieser Auf
gabe gerecht zu werden, zählen Wir auf das Vertrauen und die Ergebenheit
der Bevölkerung, sowie auf die treue Pflichterfüllung Beamten. setze,
aller Behörden und
Wir fordem und erwarten die gewissenhafte Beachtung der Ge
dagegen werden auch Wir jedermanns Rechten Unsern Kaiserlichen
Schutz gewähren.
Durch unparteiische Rechtspflege und eine gesetzmäßige
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
wohlwollende und umsichtige, aber mit fester
Hand
321 geführte Verwaltung
wird die unverjährbare Verbindung Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reiche wieder eine so innige werden, wie sie in den Zeiten Unserer Vor
fahren gewesen ist, bevor diese deutschen Lande aus der uralten und ruhm
vollen Verbindung mit ihren Stammesgenossen und Landsleuten losgerifsen wurden.
Wir befehlen, diesen Erlaß durch
das Gesetzblatt zu
verkünden.
Gegeben Charlottenburg, den 15. März 1888.
gez. Friedrich.
gegengez. Fürst von Hohenlohe."
171. Allerhöchste Botschaft an den Deutschen Reichstag, Montag, den 19. März 1888.
Wir Friedrich
von
Gottes
Gnaden
Deutscher Kaiser, König
von
Preußen rc. rc. rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Durch den nach Gottes Ratschlüsse erfolgten Hintritt Unseres geliebten
Herm Vaters ist mit der preußischen Krone die deutsche Kaiserwürde auf Uns übergegangen.
Wir haben die mit derselben verbundenen Rechte und
Pflichten mit dem Entschlüsse übernommen, die Reichsverfassung unverbrüch
lich zu beobachten und aufrecht zu erhalten und demgemäß die verfassungs mäßigen Rechte der einzelnen Bundesstaaten und des Reichstags
gewissen
haft zu achten und zu wahren. Im Bewußtsein der mit der Kaiserlichen Würde Uns
überkommenen
Vorbilde Unseres
unvergeßlichen
hohen Aufgabe
werden Wir nach
dem
Herm Vaters jederzeit darauf bedacht sein, in Gemeinschaft mit den Uns verbündeten Fürsten und freien Städten, unter der verfassungsmäßigen Mit
wirkung des Reichstags Recht und Gerechtigkeit,
Freiheit und Ordnung im
Vaterlande zu schirmen, die Ehre des Reiches zu wahren, den Frieden nach
außen und im Innern zu erhalten
und
die Wohlfahrt des
Volkes
zu
pflegen.
Durch
die einmütige Bereitwilligkeit, mit welcher der Reichstag den
auf die Fortbildung der
vaterländischen Wehrkraft
behufs Sicherstellung
des Reiches gerichteten Vorschlägen der verbündeten Regierungen zugestimnit
hat, ist des Hochseligen Kaisers Majestät noch in den letzten Tagen Seines
Lebens hoch erfreut und gestärkt worden.
Ihm ist es nicht mehr vergönnt
gewesen, dem Reichstage Seinen Kaiserlichen Dank für diese Beschlüsse aus-
Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
21
322
Viertes Buch. 1881-1888.
zudrücken.
Um so mehr ist es
Uns Bedürfnis, dieses Vermächtnis des in
Gott ruhenden Kaiserlichen Herm dem Reichstage zu übermitteln und letzteren auch Unseren Dank und Unsere Anerkennung
dem
für die bei diesem
Anlaß aufs neue bewiesene patriotische Hingebung auszusprechen.
In zuversichtlichem Vertrauen auf Vaterlandsliebe des gesamten
diese Hingebung und die bewährte
Volkes und seiner Vertreter legen Wir die
Zukunft des Reiches in Gottes Hand. Gegeben Charlottenburg, den 15. März 1888.
(L. 8.)
Friedrch.
von Bismarck.
172. Allerhöchste Botschaft au -en Landtag, Montag, den 19. März 1888. Wir Friedrich von Gottes Gnaden König von Preußen rc. thun kund
und fügen hiermit zu wißen: Nachdem es Gott gefallen hat, nach dem Hinscheiden Sr. Majestät des
Kaisers und Königs Wilhelm, Unseres vielgeliebten Herm Vaters, Uns auf
den Thron Unserer Vorfahren an der Krone zu berufen, entbieten Wir dem Landtage Unserer Monarchie hierdurch Unseren Gruß.
und Absichten, in welchen Wir Unsere Regiemng Gmndsätze, nach denen Wir Unseres
Die Gesinnungen
angetreten haben,
die
Königlichen Amtes walten wollen,
haben Wir Unserem getreuen Volke verkündet.
In den Wegen Unseres glorreichen Herm Vaters wandelnd, werden Wir kein anderes Ziel Unseres Strebens kennen, als das Glück und die Wohlfahrt des Vaterlandes.
In gewissenhafter Beobachtung der Verfassung, unter Wahrung der Machtfülle der Krone, im vertrauensvollen Zusammenwirken mit der Landes vertretung hoffen Wir dieses Ziel unter Gottes Beistände zum Heile des Vaterlandes zu erreichen.
Wir sind Uns der
Pflichten voll bewußt.
nach
Art 54
der Verfassung Uns obliegenden
Da jedoch Unser Gesundheitszustand Uns zur Zeit
nicht gestattet, dieser Verpflichtung persönlich nachzukommen, Wir aber das Bedürfnis fühlen, unverweilt Unsere ohnehin keinem Zweifel unterworfene Stellung zu ben] Verfassungsordnungen
des
Landes
vor der Volksver
tretung zu bekunden, so geloben Wir hiermit schon jetzt, daß Wir die Ver-
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
323
fassung Unseres Königreichs fest und unverbrüchlich halten und in Über
einstimmung mit derselben und den Gesetzen regieren wollen. Charlottenburg, den 17. März 1888. gez. Friedrich,
(ggz.) Fürst v. Bismarck, v.
v.
Friedberg,
v. Maybach.
v. Puttkamer.
Boetticher.
v.
Goßler.
v.
Lucius.
Scholz.
Bronsart v. Schellendorff.
173.
Armeebefehl. Während die Armee soeben erst die äußeren Trauerzeichen für ihren auf
alle Zeiten in den Herzen fortlebenden Kaiser Wilhelm I., Meinen hochver ehrten Großvater, ablegte, erleidet sie
5
Minuten
erfolgten Tod Meines
durch den heute vormittag
teuren innig
Kaisers und Königs Friedrich III. Majestät, Es sind wahrlich
des
einen neuen schweren Schlag.
ernste Trauertage, in denen Mich Gottes
an die Spitze der Armee stellt, und
11 Uhr
geliebten Vaters,
Fügung
es ist in der That ein tiefbewegtes
Herz, aus welchem Ich das erste Wort an Meine Armee richte.
Die Zuversicht aber, mit welcher Ich an die Stelle trete, in die Mich Gottes Wille beruft, ist unerschütterlich fest, denn Ich weiß,
welchen Sinn
für Ehre und Pflicht Meine glorreichen Vorfahren in die Armee gepflanzt haben, und Ich weiß, in wie hohem Maße sich dieser Sinn immer und
zu allen Zeiten bewährt hat.
In der Armee ist die feste unverbrüchliche Zugehörigkeit zum Kriegs herm das Erbe, welches
vom Vater auf den Sohn, von Generation zu
Generation geht, — und ebenso verweise Ich auf Meinen Euch Allen vor
Augen
stehenden
Kriegsherm,
wie
Großvater, das es
schöner
werden kann, — auf Meinen
Bild
des glorreichen und ehrwürdigen
und 'zum Herzen sprechender
nicht
gedacht
teuren Vater, der sich schon als Kronprinz
eine Ehrenstelle in den Annalen der Armee erwarb, — und auf eine lange Reihe nchmvoller Vorfahren, deren Namen
hell in der Geschichte leuchten
und deren Herzen warm für die Armee schlugen.
So gehören wir zusammen — Ich und die Armee, — so sind wir
für einander geboren und so wollen wir unauflöslich fest zusammenhalten, möge nach Gottes Willen Friede oder Sturm sein.
324
Viertes Buch. 1881—1888. Ihr werdet Mir jetzt den Eid der Treue und des Gehorsams schwören —
und Ich gelobe, stets dessen eingedenk zu sein, daß die Augen Meiner Vor fahren aus jener Welt auf Mich Hemieder sehen und daß Ich ihnen der
maleinst Rechenschaft über den Ruhm und die Ehre der Armee abzulegen haben werde!
Schloß Friedrichskron, den 15. Juni 1888.
Wilhelm.
174. Marinebefehl. An die Marine!
Ich mache der Marine mit tiefbewegtem Herzen bekannt,
daß Mein
geliebter Vater, Se. Majestät der Deutsche Kaiser und König von Preußen Friedrich III., heute Vormittag 11
Uhr 5 Minuten
sanft in dem Herm
entschlafen ist und daß Ich, an die Mir durch Gottes Willen bestimmte Stelle tretend, die Regierung der Mir angestammten Lande und somit auch
den Oberbefehl über die Marine übernommen habe. Es ist wahrlich eine tiefernste Zeit, in der Ich das erste Wort an die
Marine richte.
Soeben erst sind die äußeren Trauerzeichcn für Meinen unvergeßlichen,
teuren Großvater,
den Kaiser Wilhclni I., abgelegt worden, der noch im
vorigen Jahre bei Seiner Anwesenheit in Kiel Seine lebhafte Befriedigung
und Anerkennung über die Entwickelung der Marine unter Seiner glor reichen Regierung in den wärmsten Worten aussprach — und schon senken
sich die Flaggen wieder für Meinen
vielgeliebten Vater, welcher so
große
Freude und so lebhaftes Interesse an dem Wachsen und den Fortschritten
der Marine hatte.
Die Zeit ernster und wahrhafter Trauer Sinn und die Herzen der Menschen, und Meines
Großvaters
und Meines
Vaters
so
stärkt und festigt aber den
wollen
treu
wir — das
im Herzen haltend
Bild
—
getrost in die Zukunft sehen.
Die Marine weiß, daß es Mich nicht nur mit großer Freude erfüllt hat, ihr durch
frühester
ein äußeres Band anzugehören, sondern daß Mich seit voller Übereinstimmung mit Meinem lieben Bmder,
Jugend in
dem Prinzen Heinrich von Preußen,
mit ihr verbindet.
ein lebhaftes und
warmes Interesse
Sozialreform und Kolonialpolmk. 1888.
Ich habe den hohen Sinn für Ehre kennen gelernt, der in der Marine lebt.
und
Ich
für
325
treue Pflichterfüllung
weiß, daß jeder bereit ist,
mit seinem Leben freudig für die Ehre der deutschen Flagge
einzustehen,
wo immer es sei. Und so
kann Ich es
in
dieser
ernsten Stunde mit voller Zuversicht
aussprechen, daß
wir fest und sicher zusammenstehen werden in guten und
in bösen Tagen,
im Sturm
wie im Sonnenschein,
immer
eingedenk des
Ruhmes des deutschen Vaterlandes und immer bereit, das Herzblut für die
Ehre der deutschen Flagge zu geben. Bei solchem Streben wird Gottes Segen mit uns sein.
Schloß Friedrichskron, den 15. Juni 1888. Wilhelm. Indem Ich Ihnen
kanntmachung
den
anliegenden Marinebefehl
zugehen lasse, bestimme Ich
miralität, sowie sämtliche der
Marine
hierdurch:
etatsmäßig
zur sofortigen Be
Der Chef der Ad
angehörige oder dazu
kommandierte Admirale, Offiziere, Ärzte, Beamte und Mannschaften haben, wie dieselben zur Treue des verewigten Kaisers Majestät eidlich verpflichtet gewesen sind, Mir unverzüglich den Eid der Treue zu leisten.
Das gesamte
Personal des Beurlaubtenstandes der Marine ist bei der nächsten Kontroll versammlung bezw. bei der nächsten Einziehung zu Übungen entsprechend neu zu vereidigen.
Über
die Ausführung
vorstehender Bestimmungen sehe
Ich Ihrem Berichte entgegen.
Schloß Friedrichskron, den 15. Juni 1888. Wilhelm. An den Chef der Admiralität.
175. An Mein Volk! Gottes Ratschluß hat über uns
verhängt.
Nachdem
aufs
neue die schmerzlichste Trauer
die Gruft über der sterblichen Hülle Meines unver
geßlichen Herrn Großvaters sich kaum geschlossen hat, ist auch Meines heiß geliebten Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit zum ewigen Frieden abgerufen worden.
Die heldenmütige, aus christlicher Ergebung erwachsende
Thatkraft, mit der Er Seinen Königlichen Pflichten ungeachtet Seines Leidens
326
Viertes Buch. 1881—1888.
gerecht zu werden wußte, schien der Hoffnung Raum zu geben, daß Er
dem Vaterlande noch länger erhalten bleiben werde. beschlossen.
Gott hat es anders
Dem Königlichen Dulder, dessen Herz für alles Große und
Schöne schlug, sind nur wenige Monate beschieden gewesen, um auch auf dem Throne die edlen Eigenschaften des Geistes und Herzens zu bethätigen, welche Ihm die Liebe Seines Volkes
gewonnen haben.
Der Tugenden,
die Ihn schmückten, der Siege, die Er auf den Schlachtfeldern einst errungen hat, wird dankbar gedacht werden, so lange deutsche Herzen schlagen,
und
unvergänglicher Ruhm wird Seine ritterliche Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären.
Auf den Thron Meiner Väter berufen, habe Ich die Regierung im Aufblick zu dem Könige aller Könige
übernommen und Gott gelobt, nach
dem Beispiel Meiner Väter Meinem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu Pflegen, den Frieden zu schirmen,
die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein.
Wenn Ich Gott um Kraft bitte, diese Königlichen Pflichten zu erfüllen,
die Sein Wille Mir auferlegt, so bin Ich dabei von dem Vertrauen zum preußischen Volle getragen, welches der Rückblick auf unsere Geschichte Mir
gewährt.
In guten und in bösen Tagen hat Preußens Volt stets treu zu
seinem Könige gestanden; auf diese Treue, deren Band sich Meinen Vätern gegenüber in jeder schweren Zeit und Gefahr als unzerreißbar bewährt hat, zähle
auch Ich in dem Bewußtsein, daß Ich sie
aus
als treuer Fürst eines treuen Volkes, beide gleich
für das gemeinsame Vaterland.
vollem Herzen erwidere, stark in der Hingebung
Diesem Bewußtsein der Gegenseitigkeit der
Liebe, welche Mich mit Meinem Volke verbindet, entnehme Ich die Zuver
sicht, daß Gott Mir Kraft und Weisheit verleihen werde, Meines König lichen Amtes zum Heile des Vaterlandes zu walten. Potsdam, den 18. Juni 1888.
Wilhelm.
327
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
176. Erklärung des Fürsten v. Msmarck in der Plenarsitzung des Dundesrats, Donnerstag, den 21. Juni 1888. Nachdem Se. Majestät der Kaiser und König von Preußen Friedrich
am 15. d. M. aus diesem Leben abgerufen worden, hat Se. Majestät der Kaiser Wilhelm als Allerhöchst
Dessen
Nachfolger in der Regierung des
Königreichs Preußen die Kaiserwitrde mit allen verbundenen Rechten und Pflichten übernommen.
damit verfassungsmäßig
In tiefem Schmerze über
den doppelten Verlust, den das Königliche Haus und die Nation innerhalb
weniger Monate erlitten haben, hat Se. Majestät der Kaiser mir den Auf trag zu erteilen geruht, dem Bundesrate hiervon Kenntnis zu geben.
Se. Majestät der Kaiser, durchdrungen von der Größe der auf Aller
höchst Dessen Schustern gelegten Verantwortung, übernimmt dieselbe in dem Pflichtgefühl des von Gott berufenen Nachfolgers Seines Hochseligen Groß vaters und Vaters in dem Vertrauen auf den Beistand, den Er in der
Erfüllung der kaiserlichen Pflichten bei Allerhöchst Seinen hohen Bundes genossen zn finden sicher ist.
Sc. Majestät
rechnet bei der Erfüllung der
Ihm durch die Reichsverfassung gestellten Aufgaben mit Zuversicht auf die
stets bewährte bundcsfreundliche
Gesinnung und
der verbündeten Fürsten und freien Städte.
bereitwillige Mitwirkung
Als die oberste dieser Auf
gaben betrachtet der Kaiser die Aufrechterhaltung der Reichsverfassung und Schutz des Reichsgebiets wie eines jeden innerhalb desselben geltenden Rechts.
Dieser verfassungsmäßige Schutz deckt die vertragsmäßigen Rechte der ein zelnen Bundesstaaten mit der gleichen Wirkung wie die der Gesamtheit, und Se. Majestät der Kaiser erblickt in der gewissenhaften Handhabung desselben
eine Vertragspflicht Preußens und eine der Ehrenpflichten, die dem Kaiser obliegen.
Das
bundcsfeste
Vertrauen der deutschen
Fürsten und freien
Städte zu einander und ihre im Bundesrate bethätigte Einigkeit haben das
Reich gefestigt und stark und die gemeinsamen Bestrebungen aller Bundes
glieder für die Wohlfahrt Deutschlands
fruchtbar gemacht.
Se. Majestät
der Kaiser werden dieses Vertrauen und diese Einigkeit unter den verbündeten Regierungen mit der gleichen Sorgfalt zu pflegen bemüht sein,
Seinen in Gott ruhenden Vorgängern gelungen ist.
wie dies
In der inneren, wie
in der auswärtigen Politik will Se. Majestät Sich an die Wege halten, auf
denen Seine verewigten Vorgänger in der Kaiserwürde neben der Liebe
Ihrer Reichsgenofien das Vertrauen der auswärtigen Mächte dahin
ge-
328
Viertes Buch. 1881-1888.
Wonnen haben, daß dieselben in der Stärke des Deutschen Reiches eine Bürg schaft des europäischen Friedens erblicken.
Se. Majestät hat, um diese Seine
Absichten zu verkünden, und um allen darüber verbreiteten Zweifeln persönlich
entgegenzutreten, den Reichstag auf den 25. d. Mts. berufen und mich be
auftragt, der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck zu geben, daß Se. Majestät
für die weitere Durchführung der Absichten, von denen
Seine verewigten
Väter seit der Herstellung des Reiches geleitet wurden, auf die bundes
freundliche Unterstützung des Bundesrats werde rechnen dürfen.
177. Thronrede jur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 25. Juni 1883. Geehrte Herren!
Mit tiefer Trauer im Herzen begrüße Ich Sie und weiß, daß Sie mit Mir trauern.
Die frische Erinnerung an die schweren Leiden Meines
Hochseligen Herm Vaters, die erschütternde Thatsache, daß Ich drei Monate
nach dem Hintritt weiland Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm berufen war,
den Thron
zu besteigen,
üben die gleiche Wirkung
in den Herzen aller
Deutschen, und unser Schmerz hat warme Teilnahme in allen Ländern der
Welt gefunden.
Unter dem Drucke desselben bitte ich Gott, Mir Kraft
zur Erfüllung der hohen Pflichten zu verleihen, zu denen Sein Wille Mich berufen hat.
Dieser Berufung folgend, habe Ich das Vorbild vor Augen, welches Kaiser Wilhelm, nach schweren Kriegen,
Nachfolgern hinterlassen, und dem
in friedliebender Regierung seinen
auch Meines Hochseligen Herrn Vaters
Regierung entsprochen hat, soweit die Bethätigung Seiner Absichten nicht
durch Krankheit und Tod verhindert worden ist. Ich habe Sie, geehrte Herren, berufen, um vor Ihnen dem deutschen
Volke zu verkünden, daß Ich entschlossen bin, als Kaiser und König dieselben
Wege zu wandeln, auf denen Mein Hochseliger Herr Großvater das Ver trauen seiner Bundesgenossen, die Liebe des deutschen Volkes und die wohl wollende Anerkennung
des Auslandes gewonnen hat.
Daß auch Mir dies
gelinge, steht bei Gott, erstreben will Ich es in ernster Arbeit.
Die wichtigsten Aufgaben des Deutschen Kaisers liegen auf dem Gebiete der militärischen und politischen Sicherstellung des Reiches nach außen, und
Sozialreform und Kolomalpolitik. 1888.
329
im Innern in der Überwachung der Ausführung der Reichsgesetze.
oberste dieser Gesetze bildet die Reichsverfaffung; sie zu aber
wahren und zu
beiden gesetzgebenden Körpern der
schirmen, in allen Rechten, die sie den
Nation und jedem Deutschen,
Das
auch
in denen,
welche sie dem Kaiser
und jedem der Verbündeten Staaten und deren Landesherren verbürgt, ge
hört zu den vornehmsten Rechten und Pflichten des Kaisers.
An der Gesetzgebung des Reiches habe Ich nach der Verfassung mehr
in Meiner Eigenschaft als König von Preußen, Kaisers mitzuwirken;
aber in beiden wird
wie in der des deutschen
es Mein Bestreben sein, das
Werk der Reichsgesetzgebung in dem gleichen Sinne fortzuführcn, wie Mein
Hochseliger Herr Großvater es begonnen hat. Insbesondere eigne Ich Mir die von
ihm "am 17. November 1881
erlassene Botschaft ihrem
vollen Um
fange nach an, und werde int Sinne derselben fortfahren, dahin zu wirken, daß die Reichsgcsetzgebung für die arbeitende Bevölkening auch
Schutz
erstrebe, den sie,
an die Grundsätze der
im Anschluß
ferner den christlichen
Sittenlehre, den Schwachen und Bedrängten im Kampfe um das Dasein ge währen kann.
Ich
hoffe, daß
es gelingen
werde, auf diesem Wege der
Ausgleichung ungesunder gesellschaftlicher Gegensätze näher zu kommen, und
hege die Zuversicht, daß Ich zur Pflege unserer inneren Wohlfahrt die ein
hellige Unterstützung aller treuen Anhänger des Reiches und der Verbündeten Regierungen finden werde,
ohne Trennung nach gesonderter Parteistellung.
Ebenso aber halte Ich für geboten,
unsere staatliche und gesellschaft
liche Entwickelung in den Bahnen der Gesetzlichkeit zu erhalten und allen Bestrebungen, welche den Zweck und die Wirkung haben, die staatliche Ord nung zu untergraben, mit Festigkeit entgegenzutreten.
In der auswärtigen Politik bin Ich mit jedermann, soviel an Mir liegt.
und Meine Stellung zu demselben
entschlossen,
Frieden zu halten
Meine Liebe zum deutschen Heere
werden Mich
niemals in Versuchung
führen, dem Lande die Wohlthaten des Friedens zu verkümmern, wenn der Krieg
nicht
eine, durch
den Angriff auf das Reich oder auf dessen Ver
bündete uns aufgedrungene Notwendigkeit ist.
Unser Heer soll uns den
Frieden sichern und, wenn er uns dennoch gebrochen wird,
ihn mit Ehren zu erkämpfen.
Das wird
im stände sein,
es mit Gottes Hilfe vermögen
nach der Stärke, die es durch das von Ihnen einmütig beschlossene jüngste Wehrgesetz erhalten hat.
Meinem Herzen fern.
Diese Stärke zu Angriffskriegen zu benutzen, liegt
Deutschland bedarf weder neuen Kriegsruhmes, noch
irgend welcher Eroberungen, nachdem es
sich die Berechtigung, als einige
und unabhängige Nation zu bestehen, endgültig erkämpft hat.
Viertes Buch. 1881—188s.
330
Unser Bündnis mit Österreich-Ungarn ist öffentlich bekannt; Ich halte an demselben in deutscher Treue fest, nicht bloß,
sondern,
weil Ich in diesem
päischen Gleichgewichtes
schichte,
weil es geschlossen ist,
defensiven Bunde eine Grundlage
euro
des
erblicke, sowie ein Vermächtnis der deutschen Ge
dessen Inhalt heut
öffentlichen Meinung des
von der
gesamten
deutschen Volkes getragen wird, und dem herkömmlichen europäischen Völker rechte entspricht,
Gleiche
wie es bis 1866 in unbestrittener Geltung war.
geschichtliche Beziehungen und
gleiche nationale Bedürfnisse der Gegenwart
verbinden uns
Beide
Friedens
mit Italien.
festhalten,
um in Ruhe
Länder wollen die
und Italien
gewonnenen
und der Förderung
Einheit, der Ausbildung ihrer nationalen Institutionen ihrer Wohlfahrt zu leben. Unsere mit Österreich-Ungarn
Segnungen des
der Befestigung ihrer neu
bestehenden Verabredungen
gestatten Mir zu Meiner Befriedigung die sorgfältige Pflege Meiner sönlichen Freundschaft für den Kaiser
von Rußland und
per
der seit hundert
Jahren bestehenden friedlichen Beziehungen zu dem russischen Nachbarreiche, welche Meinen eigenen Gefühlen
ebenso
wie den Interessen Deutschlands
entspricht.
In der gewissenhaften Pflege des
Friedens
bereitwillig in den Dienst des Vaterlandes,
wie
stelle in
Ich
Mich
ebenso
der Sorge für unser
Kricgsheer, und freue Mich der traditionellen Beziehungen zu
auswärtigen
Mächten, durch welche Mein Bestreben in ersterer Richtung befördert wird. die Wehrhaftigkeit unseres Volkes hege
Im Vertrauen auf Gott und
Ich die Zuversicht, daß es uns für absehbare Zeit vergönnt sein werde, in
friedlicher Arbeit zu wahren
und
zu
beiden in Gott ruhenden Vorgänger
festigen,
was unter Leitung Meiner
auf dem Throne kämpfend
erstritten
wurde.
178.
Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, Dienstag, den 26. Juni 1888. Schwere Tage sind über Mich und Mein Haus gekommen, von neuem
ist Mein
kaum beruhigtes
Sr. Majestät des Kaisers
Großvater so
und Königs Friedrich,
Mit dem Heimgänge
welcher Meinem teueren
bald in die Ewigkeit folgen mußte,
liebevollste Vater, worden.
Gemüt tief erschüttert.
dem Lande der treueste und
ist Mir der beste und
edelste Herrscher entrissen
Nur auf all zu kurze Zeit war es Ihm durch ein hartes Geschick
331
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
vergönnt, zum Heile Seines Volkes, das Er mit voller Liebe umfaßte, zu wirken.
Die ganze deutsche Nation in erhabener Einmütigkeit trauert mit
Mir um einen solchen Verlust, und fremde Völker nehmen teil an unserem Prachtvolle Blumen und Kränze,
gemeinsamen Schmerze.
welche von nah
und fern dem Hohen Entschlafenen gewidmet worden, zahlreiche Zuschriften und Telegramme, in denen Mir herzliches Beileid ausgedrückt wird,
geben
Zeugnis von der reichen Liebe und Verehmng, welche der Verewigte Sich Gemeinden, Vereine und einzelne Personen aus
im Leben erworben hatte.
allen Teilen Deutschlands, insbesondere auch aus Elsaß-Lochringen, Deutsche
auf fremdem Boden, selbst in fernen Weltteilen, soweit nur die Trauerkunde drang, haben in solcher Weise ihr warmes Mitgefühl zum Ausdruck gebracht.
Es ist wahrlich rührend für Mich und gewährt Mir erhebenden Trost, Meinen geliebten Vater noch über das Grab hinaus so treu und innig geehrt zu sehen.
Aus der Tiefe Meines Herzens
sage Ich daher für alle diese
Zeichen wahrer Teilnahme, welche Mich
in den Tagen der Trübsal auf
gerichtet haben, Meinen herzlichsten und
aufrichtigsten Dank mit der Vcr-
sichenmg, daß
gleich Meinen Vorfahren auch Mein
ernstes Bestreben nur
darauf gerichtet sein wird, in ungestörter friedlicher Arbeit das Wohl des
Landes
zu fördern
und
zu
befestigen.
Möge Gott Mir Seinen Segen
dazu geben!
Ich ersuche Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Berlin, den 26. Juni 1888. Wilhelm. An den Reichskanzler.
179. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Mittwoch, den 27. Ium 1888.
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags!
In trüber Zeit heiße Ich Sie zum erstenmal von dieser Stelle aus willkommen.
Nur wenige
Monate hat das
Szepter in Meines dahin-
gtschiedenen Vaters Hand geruht, aber lange genug, um zu erkennen, welchen Herrscher das Vaterland in Ihm verloren hat. Die Hoheit Seiner Erscheinung,
ter Adel Seiner Gesinnung, Sein ruhmvoller Anteil an den großen Geschicken
tes Vaterlandes und der Heldenmut christlicher Ergebung, mit dem Er gegen die Todeskrankheit kämpfte, haben Ihm im Herzen Seines Volkes ein un-
332
Viertes Buch. 1831—1888. Für die ungezählten Beweise treuen Gedenkens
vergängliches Denkmal gesetzt.
und liebevoller Teilnahme, welche Mir in diesen für Mich so schweren Tagen
zugegangen sind,
sage Ich
allen,
mit ihrem Troste genaht sind,
die Mir
Meinen Königlichen Dank.
Meines
Nachdem durch
Herrn
Vaters Heimgang
die Krone Meiner
Vorfahren auf Mich übergegangen ist, war es Mir ein Bedürfnis, bei dem Beginne Meiner Regierung Sie um Mich zu versammeln und unverweilt vor Ihnen das eidliche Gelöbnis
abzulegen,
welches die Verfassung vorschreibt.
Ich gelobe, daß Ich die Verfassung des Königreichs fest unverbrüchlich
und
mit derselben und
in der Übereinstimmung
halten und den Gesetzen
regieren
will,
so wahr
mir Gott helfe! Geehrte Herren!
Kaiser
Wilhelm
Seiner
hat in
ruhmreichen,
von
großen Thaten in Krieg und Frieden erfüllten Regierung das heutige Preußen
geschaffen und
das Streben unseres Volkes
Mein in Gott ruhender Vater
wirklicht. Mich Ihm
gegenüber beseelt,
öffentlichen Urkunden,
welche
nach
nach
nationaler Einheit ver
hat mit derselben Pietät,
Seiner
Thronbesteigung Sich
Sein politisches
Vermächtnis
welche in
den
darstellen, die
Politik und die Werke Meines verewigten Großvaters angeeignet,
und Ich
bin entschlossen, Ihm auf diesem Wege zu folgen, auf dem Gebiete der Re gierung Preußens
wie auf dem der Reichspolitik.
Wie König Wilhelm I.
werde Ich, Meinem Gelöbnis entsprechend, treu und gewissenhaft die Gesetze und die Rechte der Volksvertretung
die
Gewissenhaftigkeit
achten und
verfassungsmäßigen
schützen und
der Krone
Rechte
mit
gleicher
wahren
und
ausüben, um sie dereinst Meinem Nachfolger auf dem Throne unverkümmert zu überliefern.
Es liegt Mir fern, das Vertrauen des Volkes auf die Stetig
keit unserer gesetzlichen Zustände durch Bestrebungen nach Erweiterung der
Der gesetzliche Bestand Meiner Rechte, so lange
Kronrechte zu beunruhigen. er nicht in Frage
gestellt
monarchischer Einwirkung lichen Entwickelung,
wird,
genügt,
um
dem Staatsleben das Maß
zu sichern, dessen Preußen nach seiner geschicht
nach seiner heutigen Zusammensetzung, nach seiner Stel
lung im Reich und nach den Gefühlen und Gewohnheiten des eigenen Volkes bedarf.
Ich
bin der Meinung,
daß unsere Verfassung
eine
gerechte und
nützliche Verteilung der Mitwirkung der verschiedenen Gewalten im Staats leben enthält, und werde sie auch deshalb,
und
nicht nur Meines Gelöb
nisses wegen, halten und schützen. Dem Vorbilde
Meiner
erhabenen Ahnherren
folgend,
werde Ich es
jederzeit als eine Pflicht erachten, allen religiösen Bekenntnissen in Meinem
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
333
Lande bei der freien Ausübung ihres Glaubens Meinen Königlichen Schutz angedeihen zu lassen.
Mit besonderer Befriedigung habe Ich es empfunden, daß die neuere kirchenpolitische Gesetzgebung dazu geführt hat, die Beziehungen des Staates
zu der katholischen Kirche und deren geistlichem Oberhaupte in
einer fiir
beide Teile annehmbaren Weise zu gestalten; Ich werde bemüht sein, den kirchlichen Frieden im Lande zu erhalten.
Die Reform der inneren Verwaltung Landtags in der Hauptsache zum Abschluß
ist in der letzten Session des Die Durch
gebracht worden.
führung der neuen Gesetzgebung hat den Beweis dafür geliefert, daß der
Gedanke der ehrenamtlichen Selbstverwaltung in
das lebendige Bewußtsein
der Bevölkerung übergegangen ist, und daß sich die geeigneten Kräfte bereit willig in den Dienst des
öffentlichen Wohls
gestellt haben.
Wille, an dieser wertvollen Errungenschaft festzuhalten
Es ist Mein
und durch Aus
gestaltung und Festigung der neuen Institutionen dazu beizutragcn, daß die selben in ihrer erfolgreichen Wirksamkeit dauernd erhalten bleiben. Ich halte in dem Finanzwesen
an den altpreußischen Überlieferungen
fest, welche den Wohlstand des Landes schweren Zeiten zur Erfüllung
begründet und den Staat auch in
seiner Aufgaben befähigt haben.
Mit Be
friedigung darf Ich auf die Finanzlage des Staates blicken, wie Ich dieselbe, Dank der Fürsorge Meiner Vorfahren an der Krone, bei Meinein Regierungs antritte vorfinde. Diese günstige Lage des Staatshaushalts hat gestattet, mit
der Erleichterung
der Steuern der Gemeinden und der minder begüterten
Volksklaffen einen erfolgreichen Anfang zu machen; es ist Mein Wille, daß
dieses Ziel weiter verfolgt werde, und daß i» gleicher Weise dringliche Be
dürfnisse, welche bisher wegen der Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel haben zurückgestellt werden müssen, demnächst ihre Befriedigung finden. Die verheerenden Überschwemmungen, von welchen in diesem Frühjahre
weite und fruchtbare Teile des Landes heimgesucht worden sind, beanspmchen Meine volle Teilnahme.
Durch die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie reiche
Mittel bewilligt haben, ist Meine Regierung in den Stand gesetzt worden,
viele der geschlagenen Wunden
zu heilen und neue Vorkehrungen zur Ab
wehr ähnlicher Katastrophen zu treffen.
Wenn den hartgeprüften Bewohnern
der betroffenen Gegenden ein Trost in ihrem Unglück gewährt werden konnte,
so ist derselbe in dem edlen Wetteifer mit der staatlichen Fürsorge zu finden, welcher von allen Ständen und allen Klassen der Bevölkerung und Deutschen auch im fernen Auslande bethätigt worden ist.
der
Es drängt Mich,
Viertes Buch. 1881—1888.
334
allen, die zur Linderung der Not beigesteuert haben, von dieser Stelle aus Meinen Dank auszusprechen. Geehrte Herren!
Sie können am Schlüsse einer Legislaturperiode mit
Befriedigung auf die wichtigen Ergebnisse zurückblicken, welche dank Ihrem
einträchtigen Zusammenwirken mit der Regierung erzielt worden sind.
Im
Rückblick hierauf vertraue Ich, daß es uns auch in Zukunft gelingen werde,
in gemeinschaftlicher, von gegenseitigem Vertrauen getragener und durch die Verschiedenheit prinzipieller Grundanschauungen nicht gestörter
Arbeit
die
Wohlfahrt des Landes zu fördern. Geehrte Herren!
In bewegter Zeit habe Ich die Pflichten Meines
Königlichen Amtes übernommen, aber Ich trete an die Mir nach Gottes
Fügung gestellte Aufgabe mit der Zuversicht des Pflichtgefühls heran und
halte Mir dabei das Wort des großen Friedrich gegenwärtig, daß in Preußen „der König des Staates erster Diener ist".
Wilhelm.
180. Allerhöchste Ordre an den Chef der Admiralität, Dienstag, den 31. Juli 1888.
Ich habe bei Meiner Reise nach Rußland, Schweden und Dänemark Veranlassung genommen,
einen größeren Teil Meiner in Dienst gestellten
Schiffe und Fahrzeuge zu besichtigen und zur Begleitung auf diesen Fahrten heranzuziehen.
Mit lebhafter Befriedigung habe Ich hierbei
gesehen,
daß
Führung, Dienstbetrieb und Mannszucht in Meiner Marine mit vollster Hingebung gehandhabt werden, und daß die Erscheinung Meiner Schiffe in
fremden Häfen geeignet war,
landes finden zu laffen.
sie die anerkennende Beurteilung des Aus
Gern spreche Ich daher Meinen Kaiserlichen Dank
aus den Admiralen, Kommandanten, Offizieren und Mannschaften Meiner Manöverflotte, im besonderen auch dafür, daß bei der Zusammengehörigkeit von 10 Schiffen zu fast dreiwöchentlicher Fahrt keinerlei Zwischenfälle ein getreten sind, welche die gestellte Aufgabe in ihrer gewiffenhaften Ausführung
hätten beeinträchtigen können.
Ich vertraue daher, daß die Schiffe
und
Fahrzeuge, welche unter Meinen Augen einen Teil ihrer Übungsperiode mit fo gutem Erfolge absolviert haben, auch allen ferneren Aufgaben derselben bis zum Schluffe zu Meiner Zufriedenheit entsprechen werden.
An Bord Meiner Jacht „Hohenzollern".
Kiel, den 31. Juli 1888. Wilhelm.
335
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
181. Erwiderung des Kaisers auf die Ansprache des Oberbürgermeisters von Frankfurt a,O. beim Festmahle ;u Ehren -er Enthüllung des Friedrich-Karl-Denkmals, Donucrstag, den 16. August 1888.
Mein Herr Oberbürgermeister!
Ich spreche Ihnen Meinen herzlichsten
Dank aus für die Worte, die Ich soeben vernommen und bitte Sie zugleich wärmsten Dankes für den so herzlichen Empfang
der Übermittln Meines
an die Stadt zu sein.
Ich weiß sehr wohl, daß, wie Sie eben erwähnten,
die Bande inniger treuer Ergebenheit Frankfurt seit Jahrhunderten mit Meinem Hause verbunden haben.
und erwählte
Mein Herr Großvater wußte dies wohl
deshalb die Stadt zum Orte sdes Standbildes.
Sein Wille
übertrug dem hochseligen Prinzen das Kommando des 3. Armeekorps.
Der
eiserne, gewaltige Charakter, der mächtige Wille und das strategische Genie des Prinzen befähigten ihn besonders, an der Spitze des Armeekorps zu stehen und
Brandenburgs Söhne in harter schwerer Schule heranzubilden, wie sic sich später
in den Schlachten bei Vionville gezeigt haben. Es ist eine ernste Zeit, in der wir stehen. Die großen Heerführer, die unsere Armee zum Siege geleitet haben,
die beiden
großen Vettern, der Kronprinz und der Prinz Friedrich Karl,
sind dahin. . So lange die Geschichte bestehen
wird,
als der deutsche Kronprinz und Mein Oheim
als der Feldmarschall
werden Mein Vater par
excellence als die Hauptvorkämpfer und Stifter des Reiches gefeiert werden.
Wie das
Brandenburger
Volk
mit
eiserner Energie
und
unermüdlicher
Thätigkeit dem sandigen Boden seinen Erwerb abringt, so rang das 3. Armee korps heute vor 18 Jahren dem Feinde den Sieg ab.
Die Leistungen aber,
welche das Armeekorps vollbrachte, hat es dem Prinzen und seiner Schule zu verdanken.
Ich trinke auf das Wohl der Stadt Frankfurt und trinke
auf das Wohl des
Arnieekorps.
Doch
Eins
will
ich
noch hinzufügen.
Meine Herren, im Hinblick auf den großen Tag, den wir feiern: Es giebt
Leute, die sich nicht entblöden, zu behaupten, daß Mein Vater das, was er
mit dem seligen Prinzen gemeinsam herausgeben wollte.
mit
dem Schwert erkämpfte, wieder
Wir alle haben ihn zu gut gekannt, als daß
wir
einer solchen Beschimpfung seines Andenkens nur einen Augenblick ruhig zusehen könnten.
Er hatte denselben Gedanken als
wir, daß nichts von
den Errungenschaften der großen Zeit aufgegebcn werden kann.
Ich glaube,
daß wir sowohl im 3. Armeekorps, wie in der gesamten Armee wissen, daß
darüber nur eine Stimme sein kann, daß wir lieber unsere gesamten 18 Armee-
336
iertes Buch. 1881—1888.
korps und 42 Millionen Einwohner auf der Wahlstatt liegen lassen,
daß wir einen einzigen Stein von dem,
Friedrich Karl
errungen haben,
als
was Mein Vater und der Prinz
abtreten.
In diesem
Sinne
erhebe Ich
Mein Glas und trinke auf das Wohl Meiner braven Brandenburger, der Stadt Frankfurt und des 3. Armeekorps."
182. Ansprachen -es Kaisers bei der Aufnahme in den Johanniterorden zu Sonnenburg, Donnerstag, den 23. August 1888.
I. nach Empfang der Insignien: Ich
erfülle einen
Meiner Herzenswünsche, indem Ich die äußeren
Zeichen des Ordens anlege.
Ich kenne die Aufgaben des Ordens und die
hohen Ziele, die derselbe verfolgt, und wünsche als Protektor des Ordens nicht nur über ihm zu stehen, sondern als Ritter desselben an seinem heil
samen Wirken thätig teilzunehmen.
II. am Altar: Wie vor
fünf Jahren an dieser Stätte Mein Hochseliger Vater im
Auftrage des Hochseligen Königs Wilhelm der Einführung des Durchlauch
tigsten Herrenmeisters beiwohnte und dem Orden Schutz und Schirm ver sprach, so
gelobe auch Ich an dieser Altarstätte als
und als Protektor
dem Orden
und
König
von Preußen
allen seinen Angehörigen in Meinen
Landen Meinen Königlichen Schutz; so wahr Mir Gott helfe.
III.
bei Tafel:
Ew. Königlichen Hoheit spreche Ich Meinen tiefgefühltesten Dank für die so herzlichen Worte aus, die wir soeben vernommen.
Es war Mir in
der That schon immer ein Herzensbedürfnis, auch durch ein äußeres Zeichen
dem hohen Orden anzugehören, welches leider erst durch Meine Thron besteigung für Mich zur Thatsache werden sollte. sicht, daß der König
von Preußen
Orden angehören muß.
auch durch
Ich bin der festen An ein äußeres Zeichen dem
Die großen Aufgaben, welche Mir auf dem Ge
biete der inneren Entwickelung Meines Volkes obliegen, vermag Ich nicht
allein durch die staatlichen Organe zu lösen.
sowie religiösen Kräftigung
Zur Hebung und moralischen,
und Entwickelung des Volkes brauche Ich die
Unterstützung der Edelsten desselben, Meines Adels, und die sehe Ich im
Orden St. Johannis in stattlicher Zahl vereint.
Ich hoffe von Herzen,
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.
337
daß es mir gelingen möge im Verein mit der liebesthätigen Unterstützung
des Johanniterordens, die Ausfühmng und Fortbildung der Hebung des Sinnes für Religion und christliche Zucht und Sitte im Volke zu bewirken und so die hohen Ziele zu erreichen, welche Ich Mir als Ideale gestellt Wir aber, die wir miteinander das schlichte weiße Kreuz heute er
habe.
hielten, sowie die, welche es schon besitzen, wir wollen unsere Gläser erheben und auf dessen Wohl trinken,
der in alter Hohenzollernscher Pflichttreue,
gepaart mit hingebender Aufopferung und christlichem Sinne, den Orden zu der Höhe gebracht hat, auf welcher er sich nunmehr befindet.
Se. König
liche Hoheit der Durchlauchtigste Herrenmeister des Ordens von St. Johann
vom Spital zu Jerusalem — Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, — Hurrah!
183. Kaiser Wilhelm II. und Feldmarschall Graf v. MoltKe. Kreisau, den 3. August 1888.
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König,
Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Ew. Kaiserlichen und
Königlichen Majestät bin ich anzuzeigen ver
pflichtet, daß ich bei meinem hohen Alter nicht mehr ein Pferd zu besteigen
vermag. Ew. Majestät brauchen jüngere Kräfte und ist mit einem nicht mehr
felddienstfähigen Chef des Generalstabes nicht gedient. Ich werde es
als
eine Gnade erkennen,
dieser Stellung entheben und mir huldreich
wenn Ew. Majestät mich
gestatten wollen, den kurzen
Rest meiner Tage in ländlicher Zurückgezogenheit zu verleben. Nur mit meinen innigsten Wünschen kann ich die Erfolge begleiten,
welche Ew. Majestät glorreichen Zukunft Vorbehalten sind. In treuester Ergebenheit
mir zu
und aufrichtigster Dankbarkeit für so viele
teil gewordenen Auszeichnungen und Wohlhaten verharre ich
Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allerunterthänigster Diener
Graf Moltke,
Feldmarschall. Potsdam, den 9. August 1888. Mein lieber Feldmarschall! Obwohl Ich Mich den in Ihrem Briefe an Mich aufgeführten Gründen
nicht zu verschließen vermag, so hat Mich doch derselbe mit Schmerz beDreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.
22
Viertes Buch. 1881-1888.
338
Es ist ein Gedanke, an welchen Ich Mich so wenig wie die Armee,
wegt.
deren Sein so
viel Ihrer Person verdankt, gewöhnen können.
unendlich
Sie nicht mehr an dem Posten sehen zu sollen, auf welchem Sie das Heer
zu den
wunderbarsten Siegen führten, die je die Kämpfe eines
Heeres
krönten. Doch will Ich unter keinen Umständen, daß Sie Ihre uns teure Ge
sundheit überanstrengen; dämm werde Ich, wenn auch schweren Herzens, Ihrem Wunsch willfahren. Dennoch weiß Ich
Mich mit Meinem Heere eins in dem Wunsch,
Sie um das Wohl und Wehe des Vaterlandes und seiner Verteidigung be
schäftigt zu wissen.
Seit dem Heimgang Meines teuren Vaters ist das
Amt des Präses der Landesverteidigungs-Kommission unbesetzt geblieben. Ich kann gewissenhaft dasselbe in keine besseren und berufeneren Hände
legen als in die Ihrigen. Damm bitte Ich Sie, dasselbe Mir und
dem Vaterlande,
sowie
Meiner Armee zu Liebe anzunehmen. Möge der Herr uns Ihre unschätzbare Kraft und Ratschläge auch in dieser Stelle noch lange zum Heile unserer Nation erhalten. Eine diesbezügliche Ordre werde Ich Ihnen noch zugehen lassen.
In treuester Dankbarkeit und Anhänglichkeit verbleibe Ich Ihr wohlaffektionierter König
Wilhelm. Marmor-Palais, den 10. August 1888.
Sie legen Mir in Ihrem Schreiben vom 3. d. M. mit der Klarheit und Selbstlosigkeit, die leuchtend durch Ihr ganz Leben geht, die Notwendig
keit eines Entschlusses dar, dessen Begründung Ich ja leider nicht verkennen
darf, dessen Bedeutung aber eine so schwer wiegende ist, daß Ich Ihrem
Anträge nur teilweise entsprechen kann.
In dem Alter,
welches Gottes
gnädige Fügung Sie zur höchsten Freude Meines teuren Großvaters, zum Segen für die Armee und zum Heile des Vaterlandes bisher hat erreichen
lassen, darf Ich die unvermeidlichen Anstrengungen des
Dienstes Ihrer
Stellung nicht mehr länger von Ihnen beanspruchen — aber Ich kann
Ihren Rat nicht entbehren,
so lange Sie leben, und Ich muß Sie der
Armee erhallen, die mit dem unbegrenztesten Vertrauen auf Sie blicken wird,
so lange Gottes Wille dies gestattet.
Wenn Ich Sie daher Ihrem Anträge
entsprechend von der Stellung als Chef des Generalstabes der Armee hier-
1888.
339
dem Ausdruck des
warmen Wunsches
Sozialreform und Kolonialpolitik.
durch entbinde, so geschieht es unter
und in der Erwartung, daß Sie sich auch ferner mit den wichtigeren An gelegenheiten des Generalstabes in Verbindung halten und daß Sie Ihrem Nachfolger — den Ich hiernach angewiesen habe — gestatten werden, Ihren
Rat in allen Fragen von Bedeutung zu erbitten. Maße erhaltenen geistigen Frische
Bei Ihrer in so hohem
wird es Ihnen auch möglich
sein, hier
als Präses der Landesverteidigungs-Kommission
mit die Stellung
einigen, welche Ich Ihnen hierdurch übertrage. in Gott ruhenden
fehlt den
Vaters
Kommission die Leitung ganz,
Geschäften
und eine
zu ver
Seit der Erkrankung Meines Landesverteidigungs
der
solche wird
immer
mehr so
sehr
wichtig, daß es Mir ganz besondere Beruhigung gewährt, sie in Ihre Hände legen zu können.
den
In betreff Ihrer
künftigen Gehaltsverhältniffe habe Ich
zur ferneren Zahlung Ihres bisherigen
Kriegsminister
Gehalts
und
ebenso auch dahin angewiesen, daß Ihnen Ihre bisherige Dienstwohnung verbleibt. Über Ihre Wünsche bezüglich Zuweisung eines persönlichen Ad jutanten sehe Ich Ihrer Äußerung
entgegen.
So
denke Ich
ein Dienst
verhältnis für Sie festgestellt zu haben, in dem Sie hoffentlich noch längere Zeit segensreich
zu wirken im
stände
sein
Bestehen bleibt ja
werden.
immer der tiefe Kummer, Sie von der Stelle scheiden zu sehen, auf welcher Sie Ihren Namen
obenan
geschrieben und ihn
auf die Ruhmestafeln der
zu einem
hochgefeierten in der
preußischen Armee
ganzen Welt
gemacht
haben.
Aber die Macht der Zeit ist stärker wie die der Menschen, und ihr
müssen
auch Sie
sich beugen,
Hand gehabt haben.
der Sie
sonst überall
den Sieg
in
Ihrer
Einen besonderen Dank für alles, was Sie als Chef
des Generalstabes der Armee gethan, in dieser Stunde
in Worten
auszu
drücken — davon trete Ich zurück. Ich kann nur auf die Geschichtsbücher der letzten 25 Jahre weisen und kann mit vollster Überzeugung aussprechen, daß Sie
als Chef des Generalstabes der Armee
denken stehen werden,
so
in
hochgeehrtestem
lange es einen deutschen Soldaten,
An
ein deutsches
schlagendes Herz und Soldaten-Empfindung in der Welt giebt.
In hoher Wertschätzung und Dankbarkeit Ihr König
Wilhelm R. An den General-Feldmarschall Grafen von Moltke, Chef des
Generalstabes der Armee.
340
Viertes Buch. 1881—1888. Kreisau, den 10. August 1888.
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König,
Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Ew. Majestät huldvolles Handschreiben vom 9. d. M. hat mich mit innigster Dankbarkeit erfüllt.
Es macht mich glücklich, auch femer noch der
Armee angehören und derselben in der ehrenvollen Stellung dienen zu dürfen, welche Ew. Majestät die Gnade haben wollen, mir zu übertragen. In den anerkennenden Worten Ew. Majestät gnädigen Schreibens sehe
ich den höchsten Lohn für alles, was ich je habe leisten können, und ver harre, der weiteren Befehle gewärtig, in ehrfurchtvollster Ergebenheit und
Dankbarkeit Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allemnterthänigster Diener Graf Moltke,
Feldmarschall.
Kreisau, den 12. August 1888. Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König, Allergnädigster Kaiser, König und Herr!
Ew. Majestät haben mein allerunterthänigstes Gesuch in so huldvoller
Weise genehmigt, daß mir die Worte fehlen, um meine» innigen Dank aus
zusprechen.
Es macht mich glücklich, Ew. Majestät in einer neuen ehren
vollen Stellung noch ferner dienen zu dürfen, und bitte ich, mir in derselben meinen bisherigen Adjutanten, den Hauptmann von Moltke, vom General stab, belassen zu wollen.
Die gnädige Ordre vom 10. d. M. wird in meiner Familie als ein unschätzbares Andenken aufbewahrt werden, und in unwandelbarer Treue und
tiefster Ehrfurcht verharre ich Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allemnterthänigster Dimer Graf Moltke,
Feldmarschall.
184. Vermächtnis Kaiser Wilhelms I. a. Allerhöchster Erlaß.
Die letztwilligen Aufzeichnungen Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I., Meines in Gott mhenden Herm
341
Sozialreform und Kolonialpolitik 1888.
Großvaters,
enthüllen ein herrliches Zeugnis erhabener Seelengröße und
edlen frommen Sinnes, dessen Kenntnis Ich Meinem Bolle nicht vorent
halten will.
Ich habe deshalb
an dem heutigen, für Mein Haus bedeuaus diesen Auf
tnugsvollen Tage beschlossen, den beikommenden Auszug
zeichnungen bekannt zu geben, als ein Denkmal zur Ehre des Entschlafenen, als ein Vorbild für Mein Haus und für Mein Voll.
Sie haben hiernach das Weitere zu veranlassen. Potsdam, den 31. August 1888.
Wilhelm R.
An den Minister des Königlichen Hauses.
b. Auszug
aus den
letztwilligen Aufzeichnungen Sr. Majestät des
in Gott ruhenden Kaisers und
I.
Königs Wilhelm.
Koblenz, den 10. April 1857.
Im Glauben ist die Hoffnung! Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe
auf Ihn, Er wird es wohl machen!
Herr, Dein Wille geschehe int Himmel wie auf Erden! —
Wenn diese Schrift in die Hände der Meinigen fällt, gehöre ich zu den Abgeschiedenen! Möchte
es
mir vergönnt
sein,
in
meinen
letzten Lebens-Stunden,
meinen Geist den Händen meines Gottes zu emfehlen! Möchte es mir vergönnt sein, von meinen Teueren, mich Ueberlebenden, Abschied nehmen zu können!
Sollte ein jäher Tod mich
ereilen, so möge mein ganzes Leben eine
Vorbereitung für das Jenseits gewesen sein! Möge Gott mir ein barmherziger Richter sein! Ein viel bewegtes Leben liegt hinter mir!
Nach Gottes unerforschlicher Fügung haben Leid und Freude in stetem Wechsel mich begleitet.
Die schweren Verhältnisse, die ich in meiner Kind
heit über das Vaterland einbrechen sah, der so
geßlichen teuren geliebten Mutter,
Ernst.
frühe Verlust der unver
erfüllte von früh
an mein Herz mit
Die Teilnahme an der Erhebung des Vaterlandes war der erste
Lichtpunkt für mein Leben.
342
Viertes Buch. 1881—1888.
Wie kann ich danken,
Heeres!
er
zu
heißgeliebten König
und
Vater
genugsam
teil nehmen ließ an der Ehre und dem Ruhm des
seinem
Gnade
seiner
Führung, Liebe,
Seiner
mir bis
es meinem
er mich
daß
danke ich ja
erwies!
Tode vertrauensvoll
alles, was
Die treuste Pflicht
war meine Aufgabe in liebender Dankbarkeit, sie war mein Glück.
erfüllung
Dem Könige, meinem Bruder, der mir zugleich vertrauensvoller Freund ist, kann ich nie hinreichend für diese Stellung zu ihm dankbar sein! Wir haben schöne,
aber auch schwere Zeiten zusammen
durchlebt,
die
uns aber nur immer enger verbunden haben, vor allem die jüngsten Jahre,
wo Verrat und Irrungen das teure Vaterland dem Abgrund nahe brachten, Gnade und
seiner
land
seinem Vertrauen danke ich
auf seinen Befehl Ordnung
es,
ich
daß
in Deutsch
und Zucht herstellen konnte, nachdem Er
im eigenen Lande dies Beispiel gegeben hatte.
Alle, die mit mir durch Freundschaft und Wohlwollen in Verbindung
traten, — und ihre Zahl ist nach Gottes Weisheit nicht gering gewesen, — finden
hier
heißen Dank und
meinen
Liebe, mit der sie mir begegneten.
den letzten Dank für ihre
zugleich
Viele sind mir in das Jenseits voran
gegangen — wie wird unser Wiedersehen sein?
Du
Allmächtiger! hienieden Teueres
meine
kennst
und Schmerzliches
Dankbarkeit
begegnete!
für
alles,
was mir
In Deine Hände befehle
Amen!
ich meinen Geist!!
Wilhelm.
Berlin, den 31. Dezember 1866.
II. Seitdem
ich
am 10. April
Hinterlassenden niederschrieb,
griffen.
Die Vorsehung
1857
meinen Abschiedsgruß meinen zu
hat das Schicksal mächtig in mein Leben ein
bestimmte
in
einer ungeahnten Weise über
die
letzten Lebensjahre meines teuren Bruders und berief mich noch bei seinem Leben Bruder
zu
seinem
Nachfolger.
von seinem
der Väter
Gott
den
Gegen meine Neigung
besteigen.
tiefster Demut,
Als
um Preußen
mit seinen
gewissenhafte Ueberzeugung
schweren Kämpfen,
die
König
und
mußte ich den Thron
schritt ich
zur Krönung,
in
neuen Institutionen die irdische
Macht zu vergegenwärtigen, die zu dessen Heil meine
vielgeprüften
schweren Leiden gnädig erlöste,
hat mich
fest bestehen
geleitet und
müsse.
Diese
gestählt in
ich mit jenen neuen Institutionen Jahre lang
den
zu
bestehen hatte.
Diese Kämpfe haben mich tief erschüttert, weil ich Stand halten mußte gegen ein wirres Andrängen
gegen jene irdische Macht,
die ich nicht aus
343
Sozialresorm und Kolomalpolitik. 1888.
-en Händen geben durfte, werden sollte.
Ich vergebe allen,
die wiffentlich und unwissentlich
sich
Absichten zum Wohle
des
begründeten
meinen auf Gewissensüberzeugung
Vaterlandes
nicht aufgegeben
wenn Preußens Geschichte
entgegensetzten, um die
Macht der Krone zu schmälem und
die Herzen der Preußen derselben zu entfremden. Vergessen mögen
meine
Nachkommen
es
aber
nicht, daß
Zeiten
möglich waren, wie die von 1861 — 66!
In dem Jahre, welches heute schließt, hat sich Gottes Gnade in einer Art über Preußen ergossen, die für so viel Erduldetes reichlich entschädigt.
In Demut erkenne ich diese
göttliche Gnade, die mich ausersehen hat, in
meinem vorgerückten Alter eine Wendung der Verhältnisse herbeizuführen,
die zum Heil des engeren und weiteren Vaterlandes bestimmt zu sein scheint.
Das Werkzeug so Großes zu erreichen, die Armee, steht unübertroffen in diesem Augenblick vor der Welt. druck der Gesittung, die
Der Geist, der sie beseelt,
ist der Aus
eine sorgliche Hand meiner erhabenen Vorfahren Die Armee
der Nation anerzogen hat.
finde in allen ihren Teilen in
dieser ernsten Scheidestunde des Jahres meinen Herzensdank für die Hin gebung und Aufopferung, mit der sie meinem Rufe folgte und vor meinen
Augen siegte —
ein Erlebnis, für das ich Gott meinen demütigen Dank
stammle! Aber ganz Preußen finde hier meinen Königlichen Dank für die Ge sinnung, die es in diesem denkwürdigen Jahre an den Tag legte!
Wo solche Vaterlandsliebe sich
handen,
der
Nationen groß macht,
zeigt, da ist der gesunde Sinn und darum
segnet
vor
sie Gott sichtlich!
meinen heißesten Dank finden alle hier, die mir halfen durch schwere Zeiten
zu dem Lichtpunkte dieses Jahres zu gelangen! Möge
Gottes Segen
immer
auf Preußen
ruhen
und Preußen sich
dieses Segens würdig zeigen!
Möge mein
Sohn
und
seine Nachkommen
solches
Volk und solche
Armee um sich sehen, und durch besonnenes, zeitgemäßes Fortschreiten, das Wohl und Gedeihen beider sorglich fördern und Preußen die Stellung
sichern, die ihm von der Vorsehung sichtlich angewiesen ist!
Das walte Gott in Seiner Gnade!!!
Mitternacht 66—67.
Wilhelm.
344
Viertes Buch. 1881—1888. 81. Dezember 1871.
HL
1870—1871.
Gott war mit uns! Ihm sei Lob, Preis, Ehre, Dank!
Ms
ich
am Schluß des Jahres
1866
mit Dank erfülltem Herzen
Gottes Gnade dankend preisen durste für so unerwartet glorreiche Ereignisse,
die sich
zum Heile Preußens
Einigung Deutschlands nach
gestalteten
und den Anfang zu
einer Neu-
sich zogen, mußte ich glauben, daß das von
Gott mir aufgetragene Tagewerk
vollbracht sei, und ich dasselbe
Ruhe und
Frieden
dereinst meinem
hinterlaffen
würde, voraussehend, daß ihm
fortbildend,
Sohne
Glück
nun
in
bringend
es beschieden sein werde, die
südliche Hälfte Deutschlands mit der nördlichen zu einem Ganzen zu einen.
Aber nach Gottes unerforschlichem Ratschluß sollte ich berufen werden, selbst noch diese Einigung herbeizuführen, wie sie sich nach dem von Frank
reich
auf das
frivolste
herbeigeführten
ebenso
7 monatlichen Kriege — nunmehr darstellt!
glorreichen
als
Mutigen
Wenn je in der Geschichte sich
Gottes Finger sichtlich gezeigt hat, so ist dies in den Jahren 1866, 1870
und 1871 geschehen. Der deutsch-französische Krieg, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel herabfiel, einte ganz Deutschland in wenigen Tagen, und seine Heere schritten
von Sieg zu Sieg und erkämpften mit schmerzlichen Opfern Ereignisse, die nur durch Gottes Willen möglich waren.
Dieser Wille stellte mir Männer
zur Seite, um so Großes vollbringen zu sollen.
Dieser Wille stähtte die
Gesinnung der Kämpfenden in Hingebung und Ausdauer kannter Tapferkeit, so
bündeten sich unvergänglicher Ruhm und neue Ehre knüpfte. begeisterte das
und nie
ge
daß an Preußens Fahnen und an die seiner Ver
Dieser Wille
Volk zu nie gekannter Opferwilligkeit, zur Linderung der
Leiden, die der Krieg unvermeidlich schlägt! Mü demütig dankerfülltem Herzen preise ich Gottes Gnade, die uns
würdig befunden hat, so Großes nach seinem Willen vollbringen zu sollen!
Möge diese Gnade ferner uns zur Seite stehen beim Auf- und Ausbau des .neu geeinten Deutschlands,
zu dem erst der Grund gelegt ist und Frieden
Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888. uns
beschieden
sein
345 die in blutigen,
„die Güter in Demut zu genießen",
heißen Kämpfen errungen wurden!! —
Herr Dein Wille geschehe im Himmel, also auch auf Erden!!!
Amen!
Wilhelm.
Berlin, den 31. Dezember 1878,
IV.
’/a 11 Uhr Abends.
Es gehet ein Jahr zu Ende, welches
sein sollte!
Ereignisse
von
für mich ein
erschütternder Art trafen
verhängnisvolles
mich
am 11. Mai
und am 2. Juni!
Die körperlichen Leiden traten zurück gegen den Schmerz, daß preußische Landeskinder eine That vollbrachten, die
doppelt schwer zu
überwinden
am
Schluß
meiner Lebenslage
war und mein Herz und Gemüt für
Rest meiner Tage finster erscheinen
lassen!
Doch muß ich
den
mich ergeben
in den Willen Gottes, der dies alles zuließ, aber zugleich seine Gnade und
Barmherzigkeit walten ließ, da Er mir nicht nur das Leben erhielt, sondern mich in
einer Weise gesunden ließ, die mich zu
wieder fähig machte. ich
zugleich
meinen Berufsgeschäften
So preise ich Gott für diese Seine Führung, in der
erkenne,
eine Mahnung
mich
Richterstuhl des Allmächtigen erscheinen soll!
zu Prüfen,
ehe
ich
vor
dem
Daher erkenne ich in den so
sichtbar gewordenen Ereignissen eine gnadenvolle Führung Gottes, die zum Guten führen soll, wie alles, was von Ihm in Leid und Freude uns trifft.
Darum preise ich die Vorsehung für ablaufenden Jahres.
die schmerzensvollen Ereignisse des
Sie haben mir aber auch Erhebendes gebracht, durch
'.die Teilnahme, welche mir von allen Seiten zu teil wurde.
Zunächst
findet hier meine Gemahlin meinen heißen Dank für ihre
'Liebe und Teilnahme,
die sie mir, selbst leidend, schenkte, demnächst meine
'.Tochter, die mit kindlicher Liebe mich Pflegte und mir so wohl that.
Alle
'.Familienglieder nah und fern finden hier meinen liebevollen Dank für alles,
;was sie mir Teilnehmendes
in der Schmerzenszeit bewiesen.
Allen denen,
>die in so überraschender Weise meiner gedachten, gebührt hier mein inniger
Dank.
Und woher kam diese Teilnahme?
Von wo anders als vom All-
^mächtigen, dessen Führung es wollte, daß ich in der Welt so gestellt ward, .daß Seine Gnade sich jedermann einprägte, die über mir waltete.
Und in
ibiefer Waltung erkenne ich wiederum Seine Liebe und Barmherzigkeit, daß Er
:mich ausrüstete, Seinen Willen hier auf Erden zu vollführen und Er mich mnd mein Volk würdig
fand,
das übertragene Pfund zu verwalten.
Also
346
Viertes Buch.
1881—1888.
was mir von Menschen
wiederum nur Gottes Gnade preise ich in allem,
in der Leidenszeit Gutes zu teil ward.
Aber nicht bloß in dieser Leidenszeit
zeigte sich diese Teilnahme, sondem jederzeit habe ich dieselbe in einem Maße empfangen,
die
weit über das Verdienst
Pfund verwalten konnte.
übersehen
wollen;
ging,
mit dem ich jenes
Die Menschen haben meine Schwächen und Fehler
aber Der,
welcher sie kennt,
barmherziger Richter sein, wo ich
wolle mir dereinst
ein
die Lehren und Weisungen des Einge
borenen Sohnes des Himmlischen Vaters nicht achtete! Herr Dein Wille geschehe im Himmel also auch auf Erden! Im Glauben dahin!
ist
die Hoffnung, und die himmlische Liebe der Weg
Amen!
Wilhelm.
Berichtigung. Seite 3 Überschrift lies: Dienstag, den 9. November 1858.
Druck von Oskar Bonde in Altenburg.