Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte 1858–1888 in amtlichen Kundgebungen [Reprint 2020 ed.]
 9783112331668, 9783112331651

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Dreißig Jahre

preußisch-deutscher Geschichte.

Dreißig Jahre

preußisch-deutscher Keschichte 1858—1888 in

amtlichen Kundgebungen.

Von

Dr. Horst Kohl, Oberlehrer am Kgl. Gymnasium zu Chemnitz.

Gießen. I. Ricker'sche Buchhandlung (F. H. Reimer).

1888.

Vorwort der Geschichte des Deutschen Reiches wird das Jahr 1888 immer von hervorragender Bedeutung sein. Zwei Kaiser, Vater und Sohn, sanken ins Grab, der eine, an Siegen und Ehren reich, nach einem Leben voll Kampf und Arbeit, in einem Alter, wie es die Vorsehung nur selten dem Menschen beschieden, der andere, noch in den Jahren der Kraft, von einer tückischen Krankheit gepackt, die stetig fortschreitend, ihn, den Liebling der deutschen Nation, einem qualvollen Tode ent­ gegenführte. Ein tiefer Ernst lagerte sich über All-Deutschlands Gaue, als nach Jahren reichen Glücks und gedeihlichen Fortschritts so tiefes

Leid auf uns sich herabsenkte, und bange Zweifel wurden laut, ob auch das junge Reich fest genug gegründet sei, um den zwiefachen Schlag ohne Erschütterung zu ertragen. Seitdeni ist die Nacht des Zweifels von uns gewichen, im rosigen Schimmer freudiger Hoffnung liegt die

Zukunft vor uns, die erfüllen soll, was die Vergangenheit versprach: „Deutschland groß zu machen, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." Was der Großvater begann, wird der Enkel mit Gottes Hilfe vollenden, wenn das deutsche Volk sich vertrauensvoll der weisen Führung seines Kaisers überläßt und die hohen Ziele, welche Kaiser Wilhelm I. ihm gesteckt, fest im Auge be­ hält, ohne sich den Blick trüben zu lassen durch die Engherzigkeit des Parteigeistes, der so oft über den kleinlichen Bestrebungen des Ehrgeizes

und der Herrschsucht die großen nationalen Bedürfnisse und die hohen sittlichen Aufgaben der Gegenwart vergißt. Das Bewußtsein dieser Forderungen unserer Zeit lebendig zu erhalten, dazu will dies Buch an seinem Teile beitragen. An der Hand amtlicher Kundgebungen gewährt es einen Rückblick in die Zeit des Werdens und einen Aus­ blick in die Zeit der Vollendung. Dreißig Jahre! — wie kurz dünkt die Spanne Zeit, und doch welchen Reichtum von Ereignissen birgt sie in sich. Wir sehen Preußen den unseligen Dualismus lösen und die führende Stellung in Deutschland gewinnen, die es nach seiner Geschichte

VI

Vorwort.

und der ihm innewohnenden Kraft zu fordern berechtigt war, wir sehen den Süden und Norden Deutschlands, nachdem der Kitt des gemein­

sam

vergossenen

die

Blutes

auseinanderstrebenden Teile

mit un­

löslichem Bande aneinander gefesselt, zu wirtschaftlicher und staat­

licher Einheit zusammenwachsen und unter dem Scepter des greifen

Preußenkönigs, den der übereinstimmende Ruf der deutschen Fürsten und Völker zum Kaiser erkoren, jenes mächtige Reich entstehen, das, trotz des ehernen Panzers seiner Heerverfassung niemand bedrohend, in unfern

Tagen als der festeste Hort des Weltfriedens erscheint.

Wahrlich ein

Deutscher verdient nicht zu heißen, wer nicht mit Stolz des Erreichten

sich freut und den Zoll heißer Dankbarkeit den Männern zahlt, die in selbstloser Hingabe an ihr Vaterland, der Mühen und Gefahren nicht

achtend und oft genug gehemmt durch den Widerspruch verblendeter Thoren,

den Eckstein legten zu Deutschlands Größe. Und an alle, die ihr deutsches Vaterland lieben und bereit sind mitzuarbeiten an dem Werke, zu dem sie berufen sind, wendet sich dies Buch, vornehmlich aber an die reifere Jugend unseres Volkes, die es bei Zeiten erwärmen möchte für Ideale,

deren Verwirklichung der Zukunft vorbehalten bleibt, aber nur ge­ lingen kann, wenn schon die Jugend gelernt hat, das Vaterland höher zu achten als die Partei. — Die Sammlung amtlicher Kundgebungen, aus denen das Buch sich zusammensetzt, ist vollständig hinsichtlich der Thronreden bez. Reden

der Minister, die bei Eröffnung oder Schluß der Sitzungen der parla­

mentarischen

Körperschaften

in

Preußen

gehalten wurden; von Armeebefehlen,

und

im

Deutschen Reiche

Allerhöchsten Erlassen, König­

lichen bez. Kaiserlichen Botschaften, Ansprachen und Urkunden fanden nur die für die Erkenntnis der geschichtlichen Entwickelung der letzten

dreißig Jahre

wichtigsten Aufnahme;

amtliche Feststellung, wie Reichsanzeiger erfolgte.

Verfasser des Buches

zu Grunde

liegt zumeist die

sie im preußischen Staats- und deutschen

Einen verbindenden Text zu geben, hat der absichtlich vermieden; die Stücke selbst erzählen

in ihrer Unmittelbarkeit lauter und überzeugender, als das Wort des

Historikers vermag, von dem Ringen und Streben, den Hoffnungen und Erfolgen, den Leiden und Freuden der vergangenen dreißig Jahre. Möchte

ihre Sprache in die Herzen dringen und überall den Entschluß wecken, nicht müde zu werden im Dienste am Vaterlande. Chemnitz, am 31. Oktober 1888.

Dr. Horst Kohl

Inhaltsverzeichnis. Erstes Buch. Die Zeil der Regentschaft und des VerfastungskonMktes. 1858-1866. Seite

1. Thronrede des Prinzregenten zur Eröffnung 20. Oktober 1858

des außerordentlichen Landtags,

....................................................................................................................1

2. Ansprache des Prinzregenten an den Landtag vor der Eidesleistung, 26. Oktober 1858

............................................................................................................................................2

3. Ansprache des Prinzregenten an das neue Staats-Ministerium, 9. November 1858 4. Thronrede

des Prinzregenten zur Eröffnung des Landtags,

5. Thronrede

des Prinzregenten zum Schluß des Landtags, 14. Mai 1859

6. Armeebefehl des Priuzregenten, 16. Juli 1859

3

12. Januar 1859

.

6 .

......................................................

9 11

7. Thronrede

des Prinzregenten zur Eröffnung des Landtags, 12. Januar 1860

.

12

8. Thronrede

des Prinzregenten zum Schluß des Landtags, 23. Mai 1860

.

16

.

9. Proklamation des Königs „An Mein Volk", 7. Januar 1861..............................18

10. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1861................................... 20 11. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, 28. Januar 1861 .

.

12. Antwort des Königs auf die Adresse des Abgeordnetenhauses, 12. Februar 1861

23 24

13. Thronrede zum Schluß des. Landtags, 5. Juni 1861............................................... 25

14. Allerhöchster Erlaß, betr. die Krönung, 3. Juli 1861......................................... 27 15. Ansprache des Königs an die Deputationen der Armee, 16. Oktober 1861 17. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, 31. Oktober 1861

.

....

30

31

19. Allerhöchster Erlaß, die Wahlen zum Landtage betr., 19. März 1862

...

20. Rede bei Wiedereröffnung des Landtags, 19. Mai 1862

35 36

21. Rede zum Schluß des Landtags, 13. Oktober 1862

40

an das Staats-Ministerium, 6. Dezember 1862

...

23. Rede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1863

24. Allerhöchster Erlaß an das Abgeordnetenhaus, 3. Februar 1863

29 29

18. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1862

22. Allerhöchster Erlaß

.

...

16. Ansprache nach erfolgter Krönung und Huldigung, 18. Oktober 1861

43

44 ........................

48

25. Worte des Königs bei Entgegennahme der Adresse des Herrenhauses, 8. Februar 1863

....................................................................................................................................

51

26. Urkunde für den Grundstein zum Denkmal Friedrich Wilhelms III., 17. März

1863

52

VIII

Inhaltsverzeichnis.

Seite 54

27. Allerhöchste Botschaft an das Abgeordnetenhaus, 20. Mai 1863 ........................ 28. Allerhöchste Botschaft an das Abgeordnetenhaus, 26. Mai 1863

....

29. Rede zum Schluß des Landtags, 27. Mai 1863 30. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 9. November 1863

31. Allerhöchster Erlaß

in Beantwortung

27. Dezember 1863

der

55

59

Adresse

des

.................................

......................................................................................................

32. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, 13. Januar 1864 33. Rede zum Schluß des Landtags, 25. Januar 1864

60

Abgeordnetenhauses, 65

.

67

..........................................

68

34. Ansprache des Königs an die Offiziere und dekorierten Unteroffiziere bei der

Parade im Sundewitt, 22. April 1864 ..................................................................

70

35. Antwort des Königs auf die Adresse des Grafen Arnim-Boitzenburg, 23. Mai 1864 ....................................................................................................................................

71

36. Armeebefehl, 7. Dezember 1864 ....................................................................................

72

37. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1865

73

..............................

38. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, 26. Januar 1865

.

77

39. Urkunde für den Grundstein des Siegesdenkmals zu Berlin, 18. April 1865

78

40. Rede zum Schluß des Landtags, 17. Juni 1865

................................................

80

41. Patent, betr. die Besitznahme des Herzogtums Lauenburg, 13. September 1865

82

42. Rede zur Eröffnung des Landtags, 15. Januar 1866

83

43. Rede zum Schluß des Landtags, 23. Februar 1866

87

44. Allerhöchster Erlaß auf die patriotische Adresse der Stadt Breslau, 19. Mai 1866

89

...

90

45. Preußische Proklamation „An das deutsche Volk", 16. Juni 1866 46. Aufruf an das preußische Volk, 18. Juni 1866

91

47. Armeebefehl, 29. Juni 1866 ..........................................................................................

93

48. Armeebefehl, 4. Juli 1866

93

49. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 5. August 1866

94

50. Königliche Botschaft betr. die Vereinigung

des

Königreichs

Hannover, des

Kurfürstentums Hessen, des Herzogtums Nassau und der freien Stadt Frank­

furt mit der preußischen Monarchie, 16. August 1866

....................................

96

51. Patent und Proklamation, betr. die Besttznahme der Herzogtümer Holstein und

Schleswig, 12. Januar 1867 .....................................................................................

97

52. Patent und Proklamation, betr. die Besitznahme vormals Großherzogl. hessischer

Landesteile, 12. Januar 1867 ..................................................................................... 53. Thronrede zum Schluß des Landtags, 9. Februar 1867

....................................

100 102

Zweites Buch. Die Zett des Norddeutschen Bundes.

1867—1870.

54. Thronrede zur Eröffnung des verfassunggebenden Reichstags des Norddeuffchen

Bundes, 24. Februar 1867

....................................................................................

105

55. Thronrede zum Schluß deS verfassunggebenden Reichstags des Norddeutschen

Bundes, 17. April 1867

.

.

...............................................................................

56. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 29. April 1867

57. Rede zum Schluß des Landtags, 24. Juni 1867

108

..............................

110

................................................

111

Inhaltsverzeichnis.

IX Seite

58. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 10. Sep­ tember 1867

............................................................................................................ H3

59. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 26. Okt. 114

1867 .............................................................................................................................

60. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 15. November 1867 61. Thronrede zum Schluß des Landtags, 29. Februar 1868

.......................

116

.............................

119

62. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 23. März 1868 ............................................................................................................................. 63. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Zollparlaments, 27. April 1868

120

.

122

64. Thronrede zum Schluß des Deuffchen Zollparlaments, 23. Mai 1868 . . 65. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 20. Juni

124

126

1868

66. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 4. November 1868 .............................

127

67. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 4. März 129

1869

68. Rede zum Schluß des Landtags, 6. März 1869 .............................................. 69. Rede zur Eröffnung des Deutschen Zollparlaments, 3. Juni 1869 ....

131 133

70. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 22. Juni 1869 ............................................................................................................................. 71. Thronrede zum Schluß des Deutschen Zollparlaments, 22. Juni 1869 . .

134 137

72. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 14. No­

vember 1869 ............................................................................................................ 73. Rede zur Eröffnung des Deuffchen Zollparlaments, 21. April 1870 . . .

138 141

74. Thronrede zum Schluß des Deutschen Zollparlaments, 7. Mai 1870 .

143

.

.

75. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeuffchen Bundes, 26. Mai

1870 ............................................................................................................................. 76. Thronrede zur Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichstags deS

Norddeutschen Bundes, 19. Juli 1870

...............................................................

144

147

77. Allerhöchster Erlaß, betr. die Abhaltung eines allgemeinen Bettages, 21. Juli

1870

149

78. An das deutsche Volk, 25. Juli 1870 .....................................................................

150

79. Armeebefehl deS Kronprinzen, 30. Juli 1870

...................................................

150

80. An Mein Volk, 31. Juli 1870 ................................................................................

151

81. An die Armee, 2. August 1870

151

82. Armeebefehl des Königs, 8. August 1870 ....................................................................151 83. Armeebefehl deS Kronprinzen, 11. August

1870

152

84. Proklamation an das französische Volk, 11.August 1870 ....................................

152

85. Armeebefehl deS Königs, 28. Oktober 1870

.........................................................

153

86. Rede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 24. No­ vember 1870 ............................................................................................................

154

87. Armeebefehl deS Königs, 6. Dezember 1870 .........................................................

157

88. Ansprache deS Königs an die Deputation des Reichstags, 18. Dezember 1870

158

X

Inhaltsverzeichnis.

Drittes Buch. 1871—1881.

Gründung und Ausbau des Deutschen Reiches.

Seite

89. An das deutsche Volk, 18. Januar 1871...................................................................... 160 90. Armeebefehl des Königs, 18. Januar 1871................................................................ 161

91. Armeebefehl des Kronprinzen, 14. März 1871...........................................................161 92. Armeebefehl des Kaisers, 15. März 1871......................................................... 162

.

.

163

94. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 16. Oktober 1871 .

.

165

93. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 21. März1871.

95. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 27. November 1871........................168 96. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 8. April 1872

....

171

....

175

97. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 12. November 1872

173

98. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 12. März 1873 99. Rede zum Schluß deS Landtags, 20. Mai 1873

................................................

100. Worte deS Kaisers bei der Festtafel, 2. September 1873

..............................

101. Schreiben des Kaisers an Papst PiuS IX;, 3. September 1873

177

179

....

180

102. Rede zur Eröffnung des Landtags, 12. November 1873 ....................................

181

103. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 5. Februar 1874 .

.

.

.

184

104. Thronrede zum Schluß deS Deutschen Reichstags, 26. April 1874.

.

.

.

186

105. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 29. Oktober 1874 .

.

188

106. Rede zur Eröffnung

deS Landtags, 16. Januar 1875

191

107. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 27. Oktober 1875

108. Rede

zur Eröffnung

.

. .

193

.

. .

200

.

202

deS Landtags, 16. Januar 1876

197

109. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 30. Oktober 1876

110. Thronrede zum Schluß des Deutschen Reichstags, 22. Dezember 1876

111. a) Ansprache des Kronprinzen an den Kaiser bei der Feier des 70jährigen DienstjubiläumS, 1. Januar 1877

.................................................................

204

b) Antwort des Kaisers....................................................................................................206

112. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 12. Januar 1877 .............................. 113. Thronrede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 22. Februar 1877 114. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 24. März 1877

206

.

208

..............................

210

.

115. Rede zur Eröffnung de§ Landtags, 21. Oktober 1877

211

116. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 6. Februar 1878

117. Schreiben deS Kaisers an Papst Leo XIII., 24. März 1878

. .

.

.

213

........................

215

118. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 14. Mai 1878

216

119. Schreiben deS Kronprinzen an Papst Leo XIII., 10. Juni 1878

.... 217

120. Erlaß des Kronprinzen an den Reichskanzler, 11. Juni 1878

....

121. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 9. September 1878

218

.

.

219

123. Thronrede zur Eröffnung deS Deuffchen NeichStags, 12. Februar 1879

.

225

..........................................

227

122. Rede zur Eröffnung des Landtags, 19. November 1878

124. Rede zum Schluß des Landtags, 21. Februar 1879

221

125. Deutsch-österreichischer Bündnisvertrag, 7. Oktober 1879 ....................................

229

126. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 28. Oktober 1879 ..............................

231

127. Rede zur Eröffnung deS Deutschen NeichStags, 12. Februar 1880-

234

.

.

.

XI

Inhaltsverzeichnis.

Seite

128. Armeebefehl, 1. September 1880

.........................................................................

237

.

238

..................................

240

131. Rede zur Eröffnung des preußischen Volkswirtschaftsrates, 27. Januar 1881 132. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 15. Februar 1881 . . .

242 245

129. Ansprache des Kaisers beim Kölner Dombaufest, 15. Oktober 1880 . 130. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 28. Oktober 1880

.

Viertes Buch.

SoMlreform und Nolonialpolitik.

1881—1888.

133. Allerhöchste Botschaft zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags,

17. No­

vember 1881 .......................................................................................................... 134. Allerhöchster Erlaß an daS Staats-Ministerium, 4. Januar 1882 ...

248 251

135. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 14. Januar 1882

253

..................................

136. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 27. April 1882

....

256

137. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. November 1882 ....................... 138. Allerhöchste Botschaft an den Reichstag, 14. April 1883 ..................................

258 260

139. Rede zur Eröffnung der außerordentlichen Session des Deutschen Reichstags, 29. August 1883 ..................................................................................................... 140. Worte des Kaisers bei der Einweihung deS Niederwald-Denkmals, 28. Sep­

262

tember 1883 .......................................................................................................... 141. Rede zur Eröffnung deS Landtags, 20. November 1883 ..................................

264 264

142. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 6. März 1884 ....................... 143. Urkunde über die Legung des Grundsteins zum NeichStagsgebäude, 9. Juni

267

1884 ........................................................................................................................... 144. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, 11. Juni 1884 .... 145. Ansprache deS Kronprinzen zur Eröffnung der Sitzungen deS Staatsrates,

270 271

25. Oktober 1884 ..................................................................................................... 146. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 20. November 1884 .

271 273

147. Rede zur Eröffnung des Landtags, 15. Januar 1885 .................................. 148. Kaiserlicher Schutzbrief für die Gesellschaft für deutsche Kolonisation, 27. Fe­

274

bruar 1885 ................................................................................................................ 149. Kaiserlicher Schutzbrief für die Neu-Guinea-Kompagnie, 17. Mai 1885 . .

276 277

150. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 19. November 1885 . .

.

281

151. Allerhöchste Botschaft an den Reichstag, 30. November 1885 ....................... 152. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 4. Januar 1886 ............................ 153. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1886 ............................

283 285 286

154. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 24. März 1886

289

............................

155. Rede zur Eröffnung deS Deutschen Reichstags, 16. September 1886

.

290

156. Rede zur Eröffnung des Deuffchen Reichstags, 25. November 1886 ... 157. a) Ansprache deS Kronprinzen an den Kaiser bei der Feier deS 80jährigen

291

Dienstjubiläums, 1. Januar 1887

.

..............................................................

294

b) Allerhöchster Erlaß an den Kronprinzen, 1. Januar 1887 .......................

295

158. Rede zur Eröffnung des Landtags, 15. Januar 1887

..................................

297

Inhaltsverzeichnis.

XII

Seite

159. Antwort des Kaisers auf die Adresse des Herrenhauses, 20. Januar 1887 .

300

160. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 3. März 1887 .......................

301

161. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 23. März 1887

303

.............................

162. Urkunde für den Grundstein deS Nord-Ostsee-Kanals, 3. Juni 1887 .

.

305

.

163. Worte des Staats - Ministers von Boetticher bei Schluß des Reichstags,

18. Juni 1887 ....................................................................................................... 164. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, 24. November 1887 . .

306 307

165. Rede zur Eröffnung des Landtags, 14. Januar 1888 .................................. 166. Ansprache des Fürsten v. BiSnlarck an den Reichstag, 9. März 1888 . .

310 313

167. Ansprache

des Staats-Ministers v. Puttkamer an das Abgeordnetenhaus,

9. März 1888

.......................................................................................................

168. An Mein Volk, 12. März 1888

..........................................................................

169. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 12. März 1888

............................

170. Allerhöchster Erlaß an die Bewohner der Reichslande, 15. März 1888 .

317

320

...

321

..................................

322

173. Armeebefehl Kaiser Wilhelms II., 15. Juni 1888

174. Marinebefehl Kaiser Wilhelms II., 15. Juni 1888

316

.

171. Allerhöchste Botschaft an den Deutschen Reichstag, 15. März 1888 172. Allerhöchste Botschaft an den Landtag, 17. März 1888

315

323 ........................................

324

75. An Mein Volk, 18. Juni 1888 .......................................................................... 176. Erklärung des Reichskanzlers in der Sitzung des Bundesrates, 21. Juni 1888

325 327

.

328

............................. .............................

330 331

180. Allerhöchste Ordre an den Chef der Admiralität, 31. Juli 1888 .... 181. Ansprache des Kaisers bei der Festtafel zu Frankfurt a. O., 16. Aug. 1888

334 335

177. Thronrede zur Eröffnung des Deuffchen Reichstags, 25. Juni 1888 178. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, 26. Juni 1888 179. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, 27. Juni 1888

.

182. Ansprachen des Kaisers bei der Aufnahme in den Johanniter-Orden, 23. Aug.

1888 .............................................................................................................................

336

183. Kaiser Wilhelm II. und Feldmarschall Graf Moltke, 3.—12. August 1888 .

337

184. Vermächtnis Kaiser Wilhelms I.

a) Allerhöchster Erlaß, 31. August 1888 ......................................................... b) Auszug aus den letziwilligen Aufzeichnungen Kaiser Wilhelms I. . .

340 341

Erstes Buch. Die Zeit der Regentschaft und des Verfassungskonfliktes

1858—1866. 1. Thronrede des prinzregenten zur Eröffnung des außerordentlichen Landtags, Mittwoch, den 20. Oktober 1858. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusem des Landtags!

In tiefer und schmerzlicher Bewegung, aber mit fester Zuversicht trete Ich in

Ihre

Mitte.

brünstigen Gebete

schwere Leid,

Das

Allergnädigsten König und

welches seit Jahresfrist unsern

Herrn getroffen hat, ist, ungeachtet der in­

seines treuen Volkes,

nach

dem unerforschlichen Willen

des allmächtigen Lenkers unserer Geschicke noch nicht von ihm gewichen.

Mein Königlicher Bruder hat sich demzufolge, und da von den Ärzten

ein längerer Aufenthalt im Auslande für notwendig erachtet worden ist, be­ wogen gefunden, Mich zur Übernahme der Regenffchaft aufzufordern, bis ihm

durch Gottes Gnade gestattet sein wird, das Königliche Amt Allerhöchstselbst wieder auszuüben, was Meine Wünsche und Gebete — deß ist Gott mein Zeuge — unablässig erflehen. Daß

des

Königs

Majestät

Allerhöchstselbst

Fürsorge für das Landeswohl Mich

in Ihrer Weisheit

und

zur Übernahme der Regentschaft be­

rufen haben, das gereicht Mir zur besondern Beruhigung.

In

Befolgung

dieser Allerhöchsten

Willensäußerung

habe

Ich

mit

Rücksicht auf die thatsächlich bestehenden Umstände und die landesgesetzlichen

Vorschriften die schwere Last und Verantwortlichkeit der Regentschaft

auf

Mich genommen, des ernsten Willens, fernerweit dasjenige zu thun,

was

die Landesverfassung und die Gesetze von Mir erheischen.

Ich erwarte von Ihnen, Meine Herren, daß Sie Ihrerseits das Gleiche thun werden.

Es werden Ihnen mittelst einer besondern Botschaft in ver-

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

1

Erstes Buch.

2

1858—1866.

einigtet Sitzung beider Häuser die Dokumente,

welche sich auf die Regent­

schaft beziehen, vorgelegt, und es wird Ihnen auf Verlangen jede sonst noch etwa nötige Auskunft erteilt werden.

Meine Herren! Je trüber im Hinblick auf den fortdauemden Krankheits­

zustand unsers Königs und Herrn die Gegenwart ist, um so höher lassen

Sie uns die Fahne Preußens in gewissenhafter Pflichterfüllung,

in gegen­

seitigem Vertrauen und in Einigkeit tragen.

Mit dem Rufe, der sonst in diesem Saale so freudig erschallte, schließe Ich diese feierliche Handlung, mit dem Rufe:

Es lebe der König!

2. Ansprache des priryregenten an den Landtag vor der Eidesleistung, Dienstag, den 26. Oktober 1858.

Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!

Ich sehe in dieser ernsten Stunde vor Mir die vereinigten Häuser des Landtags der Monarchie zu einer feierlichen Handlung versammelt. vor Ich dazu schreite,

Herren,

Meinen

Dank

Be­

ist es Meinem Herzen Bedürfnis, Ihnen, Meine auszusprechen

für

die

patriotische

Einmütigkeit,

mit welcher Sie Mir Ihre Mitwirkung zur Einrichtung der Regentschaft gewährt haben.

Sie haben dadurch einen erhebenden Beweis gegeben, was preußische Vaterlandsliebe in verhängnisvollen Augenblicken vermag.

Sie haben durch

Einstimmigkeit Ihres Beschlusses — davon bin Ich überzeugt — das Herz unseres teuern Königs und Herrn in der Feme erquickt.

In Mir aber

haben Sie die schmerzlichen Gefühle, mit welchen Ich die Regentschaft über­

nahm, wesentlich gemildert und die Zuversicht gestärkt, daß es Mir gelingen

werde, während der Dauer Meiner Regentschaft die Ehre und das Wohl des teuern Vaterlandes zu dessen Heil und Segen zu fördem.

Das walle Gott!

Und nun, Meine Herren, will Ich die Versichemng, welche Ich Ihnen bereits bei Eröffnung Ihrer Sitzungen erteilt habe, mit Meinem Eide bekräftigen:

„Ich Wilhelm, Prinz von Preußen, schwöre hiermit als Regent vor

Gott dem Allwissenden, daß Ich die Verfaffung des Königreichs fest und unverbrüchlich halten und in Übereinsttmmnng mit derselben und den Ge­

setzen regieren will.

So wahr Mir Gott helfe!"

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1858.

3

3.

Ansprache des Prinzregenten an das neue Staatsministerium (Präsident: Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen),

Montag, den 8. November 1858. eine ernste Krisis gegangen sind,

Nachdem wir durch

die Mein Vertrauen

erstenmale um

sehe Ich Sie,

zu den ersten Räten der Krone berufen

Mich

Augenblicke der

versammelt.

zum

hat,

Art gehören

den

zu

schwersten im Leben des Monarchen, und Ich als Regent habe sie nur noch tiefer empfunden, weil ein unglückliches VerhälMis Mich in Meine Stellung

berufen hat.

Die Pietät

gegen Meinen schwer heimgesuchten König und

Herrn ließ Mich lange schwanken,

wie manche Erlebnisse, die Ich

unter

seiner Regierung wahrnahm, in eine bessere Bahn wieder überzuleiten seien,

ohne Meinen brüderlichen Gefühlen und der Liebe, Sorgfalt und Treue, mit

welcher unser Allergnädigster König seine Regierung führte, zu nahe zu treten. Wenn Ich Mich jetzt entschließen konnte, einen Wechsel in den Räten der Krone eintreten zu lassen,

so geschah es, weil Ich bei allen von Mir

Erwählten dieselbe Ansicht traf, welche die Meinige ist,

einem Bruche mit der Vergangenheit soll.

daß nämlich von

nimmermehr die Rede sein

nun und

Es soll nur die sorgliche und bessernde Hand

angelegt werden,

sich Willkürliches oder gegen die Bedürfnisse der Zeit Laufendes zeigt.

wo Sie

alle erkennen es an, daß das Wohl der Krone und des Landes unzertrenn­

lich ist, daß die Wohlfahrt beider auf gesunden, kräftigen, konservativen Grund­ lagen beruht.

Diese Bedürfnisse richtig zu erkennen,

zu erwägen und ins

Leben zu rufen, das ist das Geheimnis der Staatsweisheit, wobei von allen Extremen sich fern zu halten ist.

Unsere Aufgabe wird in dieser Beziehung

keine leichte sein, denn im öffentlichen Leben zeigt sich seit kurzem eine Be­

wegung, die, wenn sie teilweise erklärlich ist, doch andererseits bereits Spuren von absichtlich überspannten Ideen zeigt, denen durch unser ebenso besonnenes als gesetzliches und selbst energisches Handeln entgegengetreten werden muß.

Versprochenes muß man treu halten,

ohne sich

der bessernden Hand dabei

zu entschlagen, nicht Versprochenes muß man mutig verhindern.

warne Ich vor der stereotypen Phrase, von selbst Bahn brächen.

Vor allem

die Regierung sich

liberale Ideen zu entwickeln,

fort treiben lassen müsse, Staatsweisheit nannte.

daß

Gerade hierauf bezieht

sich,

weil

fort und

sie sich sonst

was Ich vorhin

Wenn in allen Regierungshandlungen sich Wahr­

heit, Gesetzlichkeit und Konsequenz ausspricht, so ist ein Gouvernement stark,

1*

4

Erstes Buch. 1858—1866.

weil es ein reines Gewissen hat, und mit diesem hat man ein Recht, allem Bösen kräftig zu widerstehen.

In der Handhabung unserer innern Verhältniffe, die zunächst vom Ministerium des Innern und der Landwirtschaft ressortieren, sind wir von einem Extreme zum andern seit 1848 geworfen worden.

Bon einer Kommunalordnung, die ganz unvorbereitet Selfgovemment einführen sollte, sind wir zu den alten Verhältnissen zurückgedrängt worden, ohne den Forderungen der Zeit Rechnung zu tragen, was sonst ein richtiges

Mittehalten bewirkt haben würde.

Hieran die beffernde Hand dereinst zu

legen, wird erforderlich sein; aber vorerst müssen wir bestehen lassen, was eben erst wieder hergestellt ist, um nicht neue Unsicherheit und Unmhe zu

erzeugen, die nur bedenklich sein würde. Die Finanzen haben sich in acht Jahren von einem sehr unglücklichen Stande so gehoben, daß nicht nur das Budget gut balanciert, sondern Über­ schüsse sich ergeben.

Aber noch

kann bei weitem nicht allen Bedürfnissen

entsprochen werden, die sich in allen Branchen und Administrationen kund­

geben.

Hätte man vor zwei Jahren

in den Steuervorlagen richtiger ope­

riert, so würden wir durch Bewilligung derselben jetzt auf viele Jahre hinaus drängenden Bedürfnissen haben gerecht werden können.

Wie zu diesen Be-

dürfniffen die Mittel zu schaffen sein werden, wird eine Hauptaufgabe der

Zukunft sein.

Die

wahre Besteuerungsfähigkeit des Landes ist

dabei vor

allem ins Auge zu fassen.

Handel, Gewerbe und die damit eng verbundenen Kommunikations­ mittel haben einen niegeahnten Aufschwung genommen, doch muß auch hier

Maß und Ziel gehalten werden, damit nicht der Schwindelgeist uns Wunden schlage.

Den Kommunikationswegen müssen nach wie vor bedeutende Mittel

zu Gebote gestellt werden; aber sie dürfen nur mit Rücksicht auf alle Staats­ bedürfnisse bemessen, und dann müssen die Etats innegehalten werden.

Die Justiz hat sich in Preußen immer Achtung zu erhalten gewußt. Aber wir werden bemüht sein müssen, bei den veränderten Prinzipien der

Rechtspflege das Gefühl der Wahrheit und Billigkeit in alle Klassen der

Bevölkerung eindringen zu lassen, damit Gerechtigkeit durch Geschworene wirklich gehandhabt werden kann. Eine der schwierigsten und zugleich

zartesten Fragen, die ins Auge

gefaßt werden muß, ist die kirchliche, da auf diesem Gebiete in der letzten Zeit viel vergriffen worden ist.

lichen Konfessionen eine

Zunächst muß zwischen beiden christ­

möglichste Parität obwalten.

In beiden

Kirchen

muß aber mit vollem Ernste den Bestrebungen entgegengetreten werden.

5

Regentschaft und Berfafsungskonflikt. 1858.

die dahin abzielen, die Religion zum Deckmantel politischer Bestrebungen zu machen.

In der evangelischen Kirche, wir können es nicht leugnen, ist

eine Orthodoxie eingekehrt, die mit ihrer Grundanschauung nicht verträglich

ist und die sofort in ihrem Gefolge Heuchler hat.

Diese Orthodoxie ist

dem segensreichen Wirken der evangelischen Union hinderlich in den Weg

getreten, und wir sind nahe daran gewesen,

sie zerfallen zu sehen.

Die

Aufrechterhaltung derselben und ihre Weiterbeförderung ist Mein fester Wille und Entschluß, mit aller billigen Berücksichtigung des konfessionellen Stand­

wie dies die dahin einschlagenden Dekrete vorschreiben.

punktes,

Um diese

Aufgabe lösen zu können, müssen die Organe zu deren Durchfühmng ge­

wählt und

teilweise

gewechselt werden.

Alle Heuchelei,

Scheinheiligkeit,

kurzum alles Kirchenwesen als Mittel zu egoistischen Zwecken, ist zu ent­ larven, wo cs nur möglich ist.

Verhalten

Die wahre Religiosität zeigt sich im ganzen

des Menschen; dies ist immer ins Auge zu

äußerem Gebühren und Schaustellungen zu unterscheiden.

fassen und

von

Nichtsdestoweniger

hoffe ich, daß, je höher man im Staate steht, man auch das Beispiel des Kirchenbesuchs geben wird.

Der katholischen Kirche sind ihre Rechte verfassungsmäßig festgestellt. Übergriffe über diese hinaus sind nicht zu dulden.

Das Unterrichtswesen muß in dem Bewußtsein geleitet werden, daß Preußen durch seine höheren Lehranstalten an der Spitze geistiger Intelligenz stehen soll,

und durch seine Schulen die den verschiedenen Klassen der Be­

völkerung nötige Bildung gewähren, zu heben.

ohne diese Klassen über ihre Sphäre

Größere Mittel werden hierzu nötig werden.

Die Armee hat Preußens Größe geschaffen und dessen Wachstum er­ kämpft; ihre Vernachlässigung hat eine Katastrophe über sie und auch über den Staat gebracht, die glorreich verwischt worden ist durch die zeitgemäße

Reorganisation des Heeres, neten.

welche die Siege des Befreiungskrieges bezeich­

Eine vierzigjährige Erfahrung und zwei kurze Kriegsepisoden haben

uns indes auch jetzt aufmerksam gemacht,

daß manches, was sich nicht be­

währt hat, zu Änderungen Veranlassung geben wird.

Dazu gehören ruhige

politische Zustände und — Geld, und es wäre ein schwer sich bestrafender Fehler, wollte man mit einer wohlfeilen Heeresverfaflung prangen, die des­ halb

im Momente der Entscheidung

den Erwartungen

nicht

Preußens Heer muß mächtig und angesehen sein, um, wenn es

entspräche.

gilt, ein

schwerwiegendes politisches Gewicht in die Wagschale legen zu können.

Und so kommen wir zu Preußens politischer Stellung nach außen, — Preußen muß mit allen

Großmächten im freundschaftlichsten Vernehmen

6

Erstes Buch. 1858-1866.

stehen, ohne sich

fremden Einflüssen hinzugeben und ohne sich die Hände

frühzeitig durch Traktate

Mit allen übrigen Mächten ist das

zu binden.

freundlichste Verhältnis gleichfalls geboten.

In Deutschland muß Preußen

moralische Erobemngen machen durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch

Hebung aller

sittlichen Elemente und

durch

Ergreifung von Einigungs­

elementen, wie der Zollverband es ist, der indes einer Reform wird unter­

worfen werden müssen. — Die Welt muß wissen, daß Preußen überall das Recht zu schützen bereit ist.

Ein festes, konsequentes und, wenn es

sein muß, energisches Verhalten in der Politik, gepaart mit Klugheit und Besonnenheit, muß Preußen das politische Ansehen und die Machtstellung verschaffen, die es durch seine materielle Macht allein nicht zu erreichen im­

stande ist. Auf dieser Bahn Mir zu folgen, um sie mit Ehren gehen zu können, dazu bedarf Ich Ihres Beistandes, Ihres Rates, den Sie Mir nicht ver­

sagen werden.

Mögen wir uns immer verstehen zum Wohle des Vater­

landes und des Königtums von Gottes Gnaden!

4. Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 12. Januar 1859. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Stunde, in welcher Ich Sie um den Thron vereinigt sehe und

mit herzlichem Gruß wMommen heiße, erfüllt Mich mit tiefem Ernste.

Die Ausübung des königlichen Rechtes die schmerzvolle

ruft noch lebhafter als sonst

Erinnerung in Mir wach an das schwere Leiden, von

welchem nach Gottes unerforschlichem Rate unser Allergnädigster König und Herr noch fortdauernd heimgesucht ist.

Mit Mir sendet sein treues Voll

innige Gebete zu dem Allmächtigen, daß Er in seiner Gnade unsern König unter einem mildern Himmel stärken und genesen lassen möge. Meine Herren!

Berufs

In voller Anerkennung der hohen Bedeutung Ihres

fordere Ich Sie

auf, durch Ihre Einsicht und Hingebung Meine

Regierung auf dem Wege zu unterstützen,

welchen Ich int Hinblick auf

Preußens Aufgabe, seine glorreiche Geschichte und die vaterländischen Tradi­

tionen betreten habe, und den Ich unter Gottes Beistand mit Festigkeit in

den von Mir unverrückbar gezogenen Grenzen zu verfolgen entschlossen bin. Hierbei dem Könige die Rechte seiner Krone ungeschwächt zu erhalten, ist eine der Hauptaufgaben Meiner Regierung.

7

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1859. Den als

allgemeinen Zustand

des

Landes kann Ich mit Genugthuung Das Ergebnis

einen befriedigenden bezeichnen.

der letzten Ernte ist

zwar in einigen Provinzen hinter den davon gehegten Erwartungen zurück­ geblieben.

Gleichwohl ist nirgends

ein bedrohlicher Mangel an den not­

wendigen Nahrungsmitteln zu besorgen und die Preise der Lebensbedürfnisse stehen nicht im Mißverhältnis zum Arbeiterverdienst.

Der Sinn für Hebung der Landeskultur ist in erfreulicher Weise rege

geblieben und

hat

in

umfassenden Meliorationsunternehmungen

thätigt, welchen der Schutz

sich

be­

und die Unterstützung der Regierung gebühren.

Die Handelskrisis, mit welcher das verflossene Jahr begann, hat durch

die ungeahnte Ausdehnung und Dauer ihrer Wirkungen den Handel und die Gewerbthätigkeit schwer betroffen, zugleich aber von der Tüchtigkeit der Grundlagen Zeugnis gegeben, auf welchen beide bei uns ruhen.

Die meisten

Zweige des Verkehrs haben angefangen, sich von den Folgen der überstan­ denen Erschütterung zu erholen, und versprechen, unter fernerem Schutze des

Friedens, ein fortschreitendes Gedeihen. Wegen weiterer Ausdehnung und Vervollkommnung des vaterländischen

Eisenbahnnetzes werden Ihnen Vorlagen zur Beschlußnahme zugehen.

Ebenso

wird Ihnen die Übereinkunft, welche infolge der nahen Vollendung des Baues der Rheinbrücke bei Köln mit den übrigen Rheinuferstaaten geschlossen worden

ist, vorgelegt werden. Auf dem Gebiete der Rechtspflege hat sich die erfreuliche Erscheinung einer

erheblichen Abnahme der Untersuchungen

gefangenen gezeigt.

und der Zahl der Straf­

Ich sehe darin mit Befriedigung nicht nur den Beweis

einer fortschreitenden Hebung der allgemeinen Sittlichkeit,

fonbem auch ein

Zeichen des wachsenden Wohlstandes und eines heilsamen Einflusses der be­ stehenden Strafgesetze.

Meine Regierung wird auf weitere Verbefferungen

derselben, sowie auf genaue, den Mißbrauch möglichst ausschließende Fest­ setzung über zweifelhafte Berwaltungsnormen Bedacht nehmen.

Ich sehe

es

als

eine Meiner wichtigsten Pflichten an, auf die Er­

haltung der althergebrachten guten Ordnung in den Finanzen Meine eifrige Sorge zu richten, um allen Zweigen des öffentlichen Dienstes die für die

Wohlfahrt und Machtstellung des Landes erforderlichen Mittel zu sichern. Mit Genugthuung werden Sie aus den Vorlagen über den Staats­ haushalt, welche Ihnen unverzüglich zugehen werden, den günstigen Zustand

der Finanzen

ersehen, welchen wir einer gewissenhaften Verwaltung der

Finanzen zu danken haben. des Jahres

In den mit Vorsicht veranschlagten Einnahmen

und in den Überschüssen aus den abgeschlossenen Rechnungs-

8

Erst-S Buch. 1858—1866.

Perioden sind die Mittel dargeboten, nicht nur den laufenden Bedürfnissen der Verwaltung zu begegnen und mit der allgemein als wünschenswert an­

erkannten Erhöhung des Amtseinkommens der Staatsdiener fortzuschreiten, sondern auch auf

andern Gebieten neuen oder gesteigerten Anforderungen

Genüge zu leisten.

Ich vertraue daher auf Ihre bereitwillige Zustimmung

zu dem Mehraufwande, welchen Ich zur Aufrechterhaltung der Würde der Krone, zur Kräftigung des Heeres und der im Aufblühen begriffenen Marine und

zu einer nach

allen Richtungen gedeihlichen Entwickelung des Wohles

des Vaterlandes für geboten erachte. Sie werden aus dem Staatshaushalts-Etat ersehen, welche Fürsorge Ich

unausgesetzt der Verwaltung

unserer Armee widme, die mit unerschütter­

licher Treue und Ergebenheit im Kriege wie im Frieden die Ehre Preußens

aufrecht zu erhalten und zu erkämpfen gewußt hat.

In der friedlichen Natur unserer Beziehungen zum Auslande ist keine Veränderung eingetreten.

Insbesondere bestehen zu den andern Großmächten

unsere freundschaftlichen Verhältnisse ungetrübt fort. übrigen deutschen Bundesregierungen

folg gebliebenen Bemühungen

Im Verein mit den

sind die schon bisher nicht ohne Er­

Meiner Regierung fortdauemd darauf ge­

richtet, die unter dem Szepter des Königs von Dänemark stehenden deutschen

Herzogtümer endlich in der vollen Übung derjenigen Rechte zu sehen, auf

welche ihnen die Gesetze des Bundes und die seinerzeit zwischen dem Deutschen Bunde und dem Kopenhagener Kabinet getroffenen Vereinbarungen einen

wohlbegründeten Anspruch verleihen. Meine Herren!

Als Ich vor wenigen Monaten von dieser Stelle zum

erstenmale als Regent zu den Vertretern des Vaterlandes sprach, forderte Ich dieselben auf,

mit Mir die Fahne Preußens

dieser Fahne steht:

Königtum

hoch

zu tragen.

Auf

von Gottes Gnaden, Festhalten an Gesetz

und Verfassung, Treue des Volkes und des siegbewußten Heeres, Gerechtigkeit, Wahrheit, Vertrauen, Gottesfurcht. Meine Herren!

Helfen Sie Mir diese Fahne hoch tragen.

Wer ihr folgt, der folgt Mir.

Dann werden wir auf Preußens Gegen­

Wohlan!

wart mit demselben Stolz wie auf seine glorreiche Vergangenheit blicken können, und auf spätere Geschlechter den altpreußischen Geist vererben, welcher

in dem, wenn auch mit Wehmut gemischten, dennoch begeistertm einmütigen

Rufe seinen Ausdruck findet: Se. Majestät der König lebe hoch!

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1859.

9

5.

Thronrede zum Schluß des Landtags, Sonnabend, den 14. Mai 1859. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

In wenigen Tagen werden wir unserm Könige und Herrn bei Seiner Rückkehr in die Heimat mit tiefbewegtem Gemüte unser herzliches Willkommen zurufen.

Der Aufenthalt Sr. Majestät in einem

südlichen Klima ist be­

Wie wohlthätig auch dessen Wirkungen auf das Befinden des Königs

endet.

waren — unsere Gebete,

unsere Hoffnungen, unsere heißen Wünsche für

Seine völlige Genesung warten noch immer der Erfüllung.

Mit Meinem Dankgebet

für die Geburt Meines Enkels *) haben sich

Ihre treuen Wünsche vereinigt. erkennen in

diesem

Das Königliche Haus ebenso wie das Land

glücklichen Ereignis

ein neues Unterpfand,

eine

neue

Bürgschaft ihrer unauflöslich verbundenen Geschicke. Die Berathungen der diesjährigen Sitzungsperiode sind in wegten Zeit zum Abschluß gelangt. von feiten der

Regiemng

einer be­

Sie haben, Meine Herren, die Ihnen

zugegangenen Vorlagen

einer sorgfältigen Er­

wägung unterzogen. Auf

dem Gebiete der Rechtspflege wird

durch

das Gesetz,

betr. die

Abänderung einiger Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, mehreren bei An­ hervorgetretenen Härten und Lücken Abhilfe

wendung

desselben

werden.

Die im rheinischen Handelsgesetzbuche getroffenen

verschafft

Abänderungen

werden für den Geltungsbereich desselben im Anschlüsse an die Vorschriften

der Konkursordnung

mehrere

dringend

gewünschte Verbesserungen herbei­

führen.

Das Gesetz

zur Regelung der

Fischerei für das Oderhaff und die

angrenzenden Gewässer, sowie das Gesetz wegen Beschaffung der Vorflut in der

Rheinprovinz und in den

Hohenzollernschen Landen haben die Zu-

sfimmung beider Häuser erhalten. Ebenso

Bedürfnissen

wird durch

andere Gesetze von provinzieller Bedeutung den

der Landesteile abgeholfen werden, für welche diese Gesetze

bestimmt sind. Zu Meinem lebhaften Bedauern haben die wichttgen Gesetzentwürfe

zur Reform des Eherechts und zur Regulierung der Grundsteuer wegen Ab­ laufs der Sitzungszeit nicht zum Abschluß gelangen können.

*) Friedrich Wilhelm, geb. den 27. Januar 1859.

Es muß vor-

10

Erstes Buch. 1858—1866.

behalten bleiben,

zukommen.

auf die legislative Regelung beider Gegenstände zurück­

Dasselbe gilt von dem Gesetzentwürfe über das eheliche Güter­

recht in der Provinz Westfalen.

Meine Herren!

Für die einhellige und entgegenkommende Weise, mit

welcher Sie zur Erhaltung der Würde der Krone auf die Erhöhung

der

Kronfideikommißrente eingegangen sind, spreche Ich Ihnen Meinen Dank aus.

Nach sorgfältiger Beratung der Ihnen vorgelegten Finanzgesetze haben Sie die Mittel gewährt, nicht nur die laufende Verwaltung nach allen Rich­ tungen angemessen fortzuführen, sondern auch mannigfachen außerordent­

lichen Bedürfnissen in befriedigendem Maße zu genügen.

Es wird die Auf­

gabe Meiner Regierung sein, bei der Verwendung dieser Mittel die gegen­ wärtigen politischen Verhältnisse so zu berücksichtigen, daß sie dabei Ihrer

Zustimmung gewiß sein darf.

Der Handel und die Gewerbsamkeit, welche sich von den Rückwirkungen einer schweren Krisis zu erholen begannen, sind von neuem erschüttert worden. Die Gelegenheiten zu lohnender Arbeit haben abgenommen und durch Ab­

lehnung der von Meiner Regiemng

für die Vollendung der Rhein-Nahe-

Bahn vorgeschlagenen Maßregeln eine noch

weitere Beschränkung erfahren.

Die Regiemng wird bemüht sein, die Wirkungen dieser Mißstände nach

Kräften zu mildem.

In der Auffassung einzelner Bestimmungen der Verfassungsurkunde und der Landesgesetze

sind

zwischen Meiner Regiemng und dem Herren­

hause, sowie zwischen beiden Häusem des Landtags Meinungsverschieden­

heiten hervorgetreten.

Ich habe die feste Zuversicht, daß der in der ge­

samten Landesvertretung lebendige altpreußische Sinn diese Gegensätze zum

Heile der Krone und des Landes überwinden und alle Gemüter immer fester in den Geist der Treue und Hingebung für König und Vaterland

einigen werde, welcher in den Beschlüssen der letzten Tage auf eine Meinem Herzen wohlthuende Weise sich unzweideutig kundgegeben hat.

Der Krieg, den die angestrengten und loyalen Bemühungen Meiner Regiemng vergebens zu

verhüten trachteten, ist in Italien zum Ausbmch

gekommen.

Der Emst dieser Lage erforderte die Kriegsbereitschaft der Armee. Dieselbe hat auch

auf die Marine ausgedehnt werden müssen, zu deren

weiterer Entwickelung Sie die nötigen Mittel gewährt haben.

Die Einhelligkeit, mit welcher Sie die großen, für den Fall der Mobil­ machung

des gesamten Heeres erforderlichm Summen bewilligt haben, ist

ein neues Zeugnis für die bewährte patriotische Gesinnung des Landes.

Empfangen

Sie Meinen

treten.

Die Nation ist hinter

wärmsten Dank dafür!

Freudig sind die gesamten Re­

Ihrer Bereitwilligkeit nicht zurückgeblieben. serven und

die Landwehrmannschaften

11

1859.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

der Artillerie unter die Waffen ge­

Die Haltung und der Geist der Armee erfüllen Mich — was auch

die Zukunft bringen mag — mit das Vaterland

ruft — Ich

weiß

Sie

fester Zuversicht. es — hinter

wird — wenn

den Thaten,

hinter dem

Waffenruhm der Väter nicht zurückbleiben.

Preußen ist entschlossen, die Grundlagen des euro­

Meine Herren!

päischen Rechtszustandes, das Gleichgewicht Europas

zu

wahren.

Es ist

sein Recht und seine Pflicht, für die Sicherheit, den Schutz und die natioDie Obhut dieser Güter wird

nalen Interessen Deutschlands einzustehen. es nicht aus der Hand geben.

Preußen erwartet,

daß alle deutschen Bundesgenossen ihm bei Lösung

dieser Aufgabe fest zur Seite stehen und seine Bereitwilligkeit, für das ge­

meinsame Vaterland einzutreten, mit Vertrauen erwidern werden. Es ist ein ernster Augenblick, in welchem Ich Sie, meine Herren, zu Ihrem heimatlichen Herde entlaffe.

Hand über dem

Möge der Allmächtige Seine schirmende

teuern Vaterlande halten,

möge Er unsere Wünsche für

unsern geliebten König und Herrn erhören. Vereinigen Sie Sich mit Mir in dem Rufe:

Es lebe der König!

6. Armeebefehl. In dem Augenblicke, daß nachbarten Mächten

der Krieg zwischen zwei großen uns be­

ausbrach, habe Ich

die Kriegsbereitschaft der Armee

angeordnet, um die Machtstellung zu wahren, welche dem preußischen Staate

zukommt.

Die Gefahr, die damals drohte, ist vorüber.

auf dem Marsche wäret,

um

Während Ihr noch

die vorgeschriebenen Stellungen einzunehmen,

haben die kriegführenden Mächte plötzlich Frieden geschlossen *). rücken hat gezeigt,

daß es

unser fester Entschluß war,

Euer Vor­

wie auch die Lose

des Krieges fallen möchten, unsere Grenzen und die Marken Deutschlands unverletzt zu behaupten.

Ihr habt die Bereitwilligkeit an den Tag gelegt,

*) Friede von Villafranca, 11. Juli 1859.

12

Erstes Buch. 1858-1866.

die Ich von Euch erwartet habe, und eine des preußischen Namens würdige Haltung bewährt.

Viele von Euch haben persönliche Opfer gebracht.

Ich

spreche Euch Meine volle Anerkennung aus.

Schloß Babelsberg, den 16. Juli 1859.

Wilhelm, Prinz von Preußen, Regent.

7. Thronrede;ur Eröffnung des LandtagsFreitag, den 12. Januar 1860. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Als Ich Sie im vorigen Jahre in Ihre Heimat entließ, flehten wir zu Gott um die Genesung unseres geliebten Königs und Herrn.

Es hat

zu Meinem und des Landes tiefem Schmerze dem Ratschluß des Allmäch­

tigen nicht gefallen, das schwere Leiden Sr. Majestät zu mildern.

Bedeutungsvolle Ereignisse haben sich in Europa vollendet. Der damals schon in Italien ausgebrochene Krieg näherte sich in rascher

Entwickelung den deutschen Grenzen. Ernst unserer Haltung entsprechen. Armeekorps.

Dem Ernste dieser Lage mußte der

Ich befahl die Mobilmachung von sechs

Die Aufstellung derselben in Verbindung mit den Truppen

der nicht am Kampfe beteiligten deutschen Bundesgenossen hatte bereits be­ gonnen, als der Krieg ein plötzliches Ende erreichte.

Den zu Villafranca vereinbarten Präliminarien ist der Abschluß des Friedens gefolgt. Auf die gemeinschaftliche Einladung Österreichs und Frank­ reichs hat Meine Regierung sich bereit erklärt, an einem europäischen Kon­

greß teilzunehmen, welcher die geeignetsten Mittel für die Beruhigung Italiens

und die dauernde Konsolidierung seiner staatlichen Zustände in Erwägung ziehen soll. Der Wunsch nach

einer Reform der deutschen Bundesverfassung hat

neuerlich sich wieder vielfach kundgegeben.

Preußen wird

sich

stets als

natürlicher Vertreter des Strebens ansehen, durch zweckentsprechende In­

stitutionen die Kräfte der Nation zu heben und zusammenzufassen, sowie

überhaupt durch Maßregeln von wahrhaft praktischer Bedeutung die Ge­ samtheit der deutschen Interessen wirksam zu fördern. Meine Regierung wird von dem Wunsche geleitet, die Thätigkeit der

deutschen Bundesversammlung in ihrem Verhältnisse zu den Verfassungen der Einzelstaaten auf das genaueste Maß ihrer kompetenzmäßigen Wirksamkeit

Regentschaft und Perfassungskonflikt.

Sie hat daher

sich beschränken zu sehen.

am Bunde schwebenden

13

1860.

auch in der bereits seit Jahren

kurhessischen Verfassungsangelegenheit sich für ver­

pflichtet erachtet, das Zurückgehen auf die Verfassung von 1831 unter Be­ seitigung der darin enthaltenen bundeswidrigen Bestimmungen als den Weg zu bezeichnen, der jenem Grundsatz entspricht.

Im Verein mit Meinen deutschen Bundesgenossen bin Ich fortgesetzt

bestrebt, daß den unter dänischem Scepter gesicherte, den

vereinten deutschen Landen eine

bestehenden Vereinbarungen und

entsprechende Verfassung

anerkannten Landesrechten

Nicht minder werden Meine Be­

gewährt werde.

mühungen am deutschen Bunde darauf gerichtet sein, daß der bis zu endgiltiger Regulierung derselben unvermeidliche Zwischenzustand in befriedigender Weise geordnet werde.

Die Ereignisse des verflossenen Jahres des Verkehrs

konnten nicht ohne Störungen

Meine Regierung

vorübergehen.

ist bemüht gewesen, den

Wirkungen derselben so viel als möglich zu begegnen. beiten sind

fast ohne Beschränkung

Die öffentlichen Ar­

fortgeführt und die aus Privatmitteln

unternommenen Eisenbahnbauten vor Stockungen thunlichst bewahrt worden; Handel und Störungen

Gewerbe fangen zu überwinden.

an, die schwer

Zur Förderung

empfundenen Folgen jener

des

Gewerbfleißes

und der

Schiffahrt wird — Ich hoffe es — eine Mission nach dem östlichen Asien

beitragen, welche vertragsmäßige Beziehungen mit diesen, dem Verkehr zum

Teil erst seit kurzem eröffneten Ländern begründen soll. Ein Geschwader unserer Marine,

welche durch

die von Ihnen be­

willigten außerordentlichen Mittel einen nicht unerheblichen Zuwachs erhalten

wird, begleitet diese Mission.

Mit Sardinien

ist

am 28. Oktober vorigen Jahres eine Additional-

Konvention zu dem Handels- und Schiffahrtsvertrage vom 23. Juni 1845 abgeschlossen worden,

welche Ihnen

zur

verfassungsmäßigen Zustimmung

vorgelegt werden wird.

Mit Befriedigung dürfen kriegerischen Ereignisse des

des Landes blicken.

wir,

trotz der nachteiligen Rückwirkung der

abgelaufenen Jahres,

auf die

finanzielle Lage

Die Ausführung des vorjährigen Staatshaushalts-Etats

mittelst der laufenden Einnahmen und

ohne Rückgriff auf extraordinäre

Deckungsmittel läßt sich mit Zuversicht erwarten; auch für dieses Jahr war

es möglich, den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben so aufzustellen,

daß neben den Anforderungen

Verbesserungen fortgefahren, werden kann.

des

öffentlichen

Dienstes

mit begonnenen

und neuen dringenden Bedürfnissen abgeholfen

14

Erstes Buch. 1858—1866. Die nach Maßgabe Ihrer Bewilligungen für müitärische Zwecke unter

allgemeiner Beteiligung aufgenommene Staatsanleihe hat ohne Schwierigkeit

dieser um­

Das befriedigende Ergebnis

flüssig gemacht werden können.

fassenden Operationen giebt Zeugnis sowohl von dem Patriotismus des

Landes als von dem Vertrauen, dessen unsere Finanzen sich erfreuen. Über die Benutzung des von Ihnen bewMgten Kredits wird Ihnen unverweilt Rechenschaft gegeben werden.

licher Bestand verblieben.

Der Staatskasse ist ein ansehn­

Ein Gesetzentwurf über die Verwendung desselben

wird Ihnen vorgelegt werden.

Vorläufig ist eine Summe von 12 Millionen

Thalern an den Staatsschatz abgeliefert worden.

des Staates

erheischen dringender als je

eine baldige Erledigung der Grundsteuerfrage.

Die im vorigen Jahre un­

Die allgemeinen Interessen

erledigt gebliebenen Gesetzentwürfe werden Ihnen wiederum vorgelegt werden.

Ich empfehle dieselben Ihrer gewissenhaften Prüfung.

Meine Regierung hat die städtischen und ländlichen Kommunalverhält-

niffe, sowie den Zustand der ländlichen Polizei-Verwaltung und die durch die Gesetzgebung des Jahres 1853

verheißene Fortbildung der Kreis- und

Provinzialverfassung in ernste Erwägung genommen.

Umfassende Vorarbeiten

es die Bewegungen des

vorigen Jahres irgend

sind soweit gediehen, gestatteten.

als

Der Entwurf eines Gesetzes über die Kreisverfassung wird vor­

aussichtlich zur Vorlage gelangen können.

Ein zur Ausfühmng des Art. 69 der Verfassung ausgearbeiteter Gesetz­ entwurf über die Feststellung der Bezirke für die Wahlen zum Hause der

Abgeordneten ist bestimmt, mannigfachen Beschwerden abzuhelfen.

Der Gesetzentwurf über das Eherecht wird Ihnen wiederum vorgelegt werden.

Ich wünsche lebhaft, daß es gelingen möge, diese so wichtige und

dringende Reform endlich zu einem Abschlüsse zu bringen. Lange

empfundene

Bedürfnisse

einzelner

Landesteile

sollen

durch

mehrere Gesetzentwürfe, welche Ihnen zugehen werden, eine erwünschte Be­

friedigung erfahren. Meine Fürsorge ist unausgesetzt der geistigen Bildung der Natton zu­

gewendet.

Auf die Gewinnung neuer Lehrkräfte und die Vervollständigung

der wissenschaftlichen Institute der Universitäten

wird nach Maßgabe der

verfügbaren Mittel auch ferner eifrig Bedacht genommen werden.

Neben

den Gymnasien haben die Realschulen durch eine neue, ihren wissenschaftlichen Charatter wie ihren Nutzen für das Leben sichernde Lehrordnung ihre an­

gemessene Stellung erhalten.

Für die Elementarschulen ist mit der Ver-

bessemng der Lehrerbesoldungen fortgefahren worden.

Zur Whilfe des noch

Regentschaft nnd Verfassungskonflikt.

15

1860.

immer fühlbaren Mangels an Lehrern ist die Gründung neuer Seminarien

vorbereitet. Meine Herren!

Eine Frage

von tiefgreifender

die Fürsorge Meiner Regierung und die Ihrige.

Wichtigkeit

erheischt

Als Ich im vergangenen

Jahre genötigt war, die Entfaltung unserer Kriegsmacht anzuordnen, eilten die einberufenen Mannschaften mit Eifer und Hingebung

zu

den Fahnen,

und ich bin stolz darauf, diesem sich nie verleugnenden Patriotismus Meine Anerkennung zu zollen.

Wenn unsere Heeresverfassung dennoch einer Reform bedarf, so findet

diese weder im Mangel

ihren Grund.

einer

an mutiger Streitbarkeit

schweren Zeit wurde unsere Heeresver-

Der damaligen Volkszahl und Finanzkraft des Staates

fasiung geschaffen.

entsprechend,

an Opferfreudigkeit noch

Im Drange

ist sie im Gefühl ruhmreicher Erfolge festgehalten worden.

Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre, in denen die Wehrkraft des Volkes mehrfach aufgeboten werden mußte,

haben jedoch verschiedenartige,

pfundene Übelstände immer klarer herausgestellt.

tief em­

Die Beseitigung derselben

ist Meine Pflicht und Mein Recht, und Ich nehme Ihre verfassungsmäßige

Mitwirkung für Maßregeln in Anspruch, welche die Wehrkraft steigern, der Zunahme der Bevölkerung

entsprechen

und

der Entwicklung unserer indu­

striellen und wirtschaftlichen Verhältnisse gerecht werden.

Zu diesem Zwecke

wird Ihnen der Entwurf eines Gesetzes über die allgemeine Wehrpflicht mit

den nötigen finanziellen Vorlagen zugehen. Es ist nicht die Absicht, mit dem Vermächtnis brechen.

einer großen Zeit zu

Die preußische Armee wird auch in Zukunft das preußische Volk

in Waffen fein.

Es ist die Aufgabe, innerhalb der durch die Finanzkräste

des Landes gezogenen Grenzen die überkommene Heeresverfassung durch Ver­ jüngung ihrer Formen mit neuer Lebenskraft zu erfüllen.

einer reiflichst erwogenen,

die bürgerlichen

Gewähren Sie

wie die militärischen Gesamt­

interessen gleichmäßig umfassenden Vorlage Ihre vorurteilsfreie Prüfung und Beistimmung.

Sie

wird nach

allen Seiten hin Zeugnis

geben von dem

Vertrauen des Landes in Meine redlichen Absichten. Meine Herren!

Der Vertretung

des Landes

ist eine Maßregel von

solcher Bedeutung für den Schutz und den Schirm, für die Größe und die Macht des Vaterlandes noch nicht vorgelegt worden.

Es gilt, die Geschicke

des Vaterlandes gegen die Wechselfälle der Zukunft sicher zu stellen. Das walte Gott!

Er

segne den König,

welchem dieses Werk am

Herzen lag, und halte Seine Hand über den Tagen unseres Königs und

Herrn.

Es lebe der König!

Erstes Buch. 1858—1866.

16

8.

Thronrede ;um Schluß des Landtags, Mittwoch, den 23. Mai 1860. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Die Beratungen der diesjährigen Sitzungsperiode sind zum Schlüsse gelangt.

In den Fragen, welche die Thätigkeit der europäischen Kabinette in Anspruch nehmen, ist Meine Regierung mit vollem Ernste bemüht, auf

Lösungen hinzuwirken, welche den Anforderungen des politischen Gleichgewichts entsprechen.

Die Gmndsätze, welche Meine Regierung im Verhältnis zum deutschen Bunde und zu den der Bundesversammlung vorliegenden hochwichtigen An­ gelegenheiten leiten, sind Ihnen im Laufe der Session dargelegt worden. Meine

Regierung wird auch femerhin an denselben festhalten, und Ich werde fort­

fahren, in der Wahrung anerkannter Rechte Andrer die Wahrung des eignen Rechtes zu erblicken. Wenn auch Meinungsverschiedenheiten über wichtige Fragen stattfinden,

in Einem Gefühle sind — Ich spreche es mit hoher Genugthuung aus —

alle deutschen Regierungen und alle deutschen Stämme mit Mir und dem preußischen Volke einig, in der unerschütterlichen Treue gegen das gemeinsame Vaterland und in der lebendigen Überzeugung, daß die Unabhängigkeit der

Natton und die Integrität des vaterländischen Bodens Güter sind, vor deren

Bedeutung alle inneren Fragen und Gegensätze weit zurücktreten. Mehrere Gesetze, welche den Landbau fördern, den Verkehr und die Industrie heben und wohlthättge Folgen für das Land herbeiführen werden,

haben Ihre

verfassungsmäßige Zustimmung erhalten.

Die Ablösung der

Reallasten ist in einigen Punkten erleichtert, das Postregal zu gunsten des freien Gewerbebetriebs beschränkt, der Bergbau von jeder durch das öffent­

liche Interesse nicht gebotenen Einwirkung befreit worden. Die Ausführung der Rhein-Nahe-Bahn

und der Rheinbrücke bei

Koblenz ist durch Ihre Beschlüsse gesichert. Ebenso haben mehrere den Bedürfnissen entsprechende finanzielle Vor­ lagen Ihre Zustimmung gefunden.

Die Verbesserung des ehelichen Güterrechts in der Provinz Westfalen

ist in der Hauptsache erreicht worden. Der Gesetzentwurf zur Feststellung der Wahlbezirke für das Haus der

Abgeordneten ist in beiden Häusern angenommen worden. Die verfassungsmäßige Freiheit der Presse hat durch das Gesetz vom

21. April d. I. eine neue Gewähr erhalten.

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1860.

17

Da der Entwurf der Kreisordnung nicht mehr zum Abschlüsse gelangen

konnte, so wird vorbehalten bleiben müssen, auf diesen wichtigen Gegenstand in der nächsten Session zurückzukommen. Die dringend gebotene Verbesserung

des Eherechts

ist

abermals nicht

zustande gekommen und damit Mein lebhafter Wunsch, welchen Ich Ihnen

ausgesprochen habe, nicht in Erfüllung

gegangen.

Ich gebe gleichwohl die

Erwartung nicht auf, daß die Ansichten über diesen Gegenstand reifen, daß die Überzeugung von der Notwendigkeit und Heilsamkeit dieser Reform durch­ dringen und das Gesetz in der nächsten Session zur Annahme gelangen werde.

wegen

Die Gesetzentwürfe

anderweiter Regulierung

der Grundsteuer

und Einführung einer allgemeinen Gebäudesteuer haben leider die verfassungs­ mäßige Zustimmung nicht in beiden Häusern erhalten. Meine Regierung wird das Ziel, welches die Ihnen vorgelegten vier

Die erforderlichen Vorlagen

Entwürfe erreichen sollten, unbedingt festhalten.

werden Ihnen in der nächsten Session wieder zugehen.

Nach sorgfältiger Prüfung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr

1860 haben Sie Meiner Regierung

die zur Fortführung der Verwaltung

nötigen Geldmittel bereitwillig zur Verfügung gestellt.

Zu Meinem tiefen Bedauern hat eine Beschlußnahme über das Gesetz der allgemeinen Wehrpflicht,

die bedeutungsvollste der Ihnen

überwiesenen

Vorlagen, rechtzeitig nicht herbeigeführt werden können. Die große Tragweite dieser Frage, die Schwierigkeit ihrer unbefangenen Würdigung hat in die betreffenden Verhandlungen eine

Verzögerung ge­

bracht, welche angesichts der allgemeinen Verhältnisse bedenklich werden konnte,

wenn Sie, Meine Herren,

nicht die Mittel

gewährt hätten, durch welche

Meine Regierung die nötige Steigerung der vaterländischen Wehrkraft in Aus­

führung bringen kann. Für die Einmütigkeit dieser Bewilligung sage Ich Ihnen Meinen Dank.

Sie giebt Mir ein Pfand

dafür, daß die Notwendigkeit der Heeresreform

endlich richtig gewürdigt und die Lösung der zurückgestellten Frage, deren

Erledigung als ein unerläßliches Bedürfnis anerkannt ist, in kürzester Frist gelingen werde.

Muß auch die Steuerkraft des Landes durch die Forterhebung des bis­ herigen Steuerzuschlags

ferner in Anspruch

es Mir doch zu besonderer Befriedigung,

genommen werden,

deckende Teil des Bedarfs aus den Überschüssen

Jahres 1859

vollständig entnommen

der Finanzverwaltung des

werden kann,

ohne den Staatsschatz

für diesen Zweck anzugreifen.

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

so gereicht

daß der durch denselben nicht zu

2

Erstes Buch.

18

1858-1866.

Wie viel die Ergebnisse der abgelaufenen Sitzungsperiode zu wünschen

übrig lassen, — Ich baue unbeirrt auf die patriotische Gesinnung des Landes, auf das volle und ungetrübte Vertrauen zwischen Fürst und Volk. Auf dieses einmütige Vertrauen, auf den alten treuen Sinn des Volkes, auf die erhöhte Streitbarkeit des Heeres, auf die Ordnung unserer Finanzen

gnädigem Beistände den kommenden

gestützt, kann Preußen unter Gottes

Ereignissen getrosten Mutes entgegen sehen.

So entlasse Ich

Sie

in Ihre Heimat, indem Ich Gottes Segen für

unsern schwergeprüften König anflehe, mit dem Rufe:

Es lebe der König!

9.

An Mein Volk! König Friedrich Wilhelm der Vierte ruht in Gott. den schweren Leiden, die er mit frommer Ergebung trug. wolle der Herr

die in gerechter Trauer fließen,

Er ist erlöst von Unsere Thränen,

in Gnaden trocknen; des

Entschlafenen gesegnetes Andenken wird in Meinem, in Euren Herzen nicht erlöschen.

Niemals hat eines Königs

schlagen.

Herz

treuer für seines Volkes

Wohl ge­

Der Geist, in welchem Unseres Hochseligen Vaters Majestät,

der

Heldenkönig — so nannte ihn der nun Heimgegangene Königliche Sohn — nach

den Jahren des Unheils,

Kämpfen stählte,

sein Volk wieder aufrichtete und zu den

verklärter Bruder hochherzig teilnahm,

an welchen Mein

war König Friedrich Wilhelm dem Vierten ein heiliges Erbteil, welches Er treu zu pflegen wußte.

Überall gewährte Er edlen Kräften Anregung und

Mit freier Königlicher Hand gab Er dem Lande

förderte deren Entfaltung.

Institutionen, in deren Ausbau sich die Hoffnungen desselben erfüllen sollten.

Mit treuem Eifer war

Er bemüht, dem

höhere Ehre und festere Einigung

gesamten deutschen Vaterlande

zu gewinnen.

Als eine unheilvolle Be­

wegung der Geister alle Gmndlagen des Rechts Meines in Gott

ruhenden

Bruders

Majestät die

erschüttert hatte, Verwirrung

wußte

zu enden,

durch eine neue politische Schöpfung die unterbrochene Entwickelung herzustellen und ihrem Fortgänge feste Bahnen anzuweisen.

Dem Könige, der so Großes zu begründen wußte, dessen unvergeßliches

Wort:

„Ich und Mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen", auch Meine

Seele erfüllt,

gebührt ein

hervorragender Platz in der glorreichen Reihe

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1861. welchen Preußen seine Größe

der Monarchen,

19

verdankt, welche es

zum

Träger des deutschen Geistes machten. Dies hohe Vermächtnis

Meiner Ahnen,

welches

sie in unablässiger

Sorge, mit ihrer besten Kraft, mit Einsetzung ihres Lebens gegründet und gemehrt haben, will Ich getreulich wahren.

Mit Stolz sehe Ich Mich von

einem so treuen und tapferen Volke, von einem so ruhmreichen Heere um­

geben. Meine Hand soll das Wohl und das Recht

aller in

allen Schichten

der Bevölkerung hüten, sie soll schützend und fördernd über diesem reichen

Es ist Preußens Bestimmung nicht, dem Genuß der erwor­

Leben walten.

In der Anspannung seiner geistigen und sittlichen

benen Güter zu leben.

Kräfte, in dem Ernst und der Aufrichtigkeit seiner religiösen Gesinnung, in

der Vereinigung von Gehorsam und Freiheit, in der Stärkung seiner Wehr­ kraft liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen Rang

unter den Staaten Europas zu behaupten.

Ich halte fest an den Traditionen Meines Hauses, wenn Ich den vater­ ländischen Geist

Meines

Volkes zu heben und

zu stärken

Mir vorsetze.

Ich will das Recht des Staates nach seiner geschichtlichen Bedeutung be­ festigen und ausbauen und die Jnstituttonen, welche König Friedrich Wilhelm der Vierte ins Leben

gerufen hat, aufrecht erhalten.

Treu dem Eide, mit

welchem Ich die Regentschaft übernahm, werde Ich die Verfassung und die Gesetze des

Königreichs schirmen.

Möge es Mir unter Gottes

gnädigem

Beistände gelingen, Preußen zu neuen Ehren zu führen!

Meine Pflichten für Preußen fallen mit Meinen Pflichten für Deutsch­ land zusammen.

Als deutschem Fürsten liegt Mir ob, Preußen in derjenigen

Stellung zu kräftigen, welche es vermöge seiner ruhmvollen Geschichte, seiner

entwickelten Heeresorganisation

unter

den

deutschen

Staaten

zum Heile

aller einnehmen muß. Das Vertrauen auf die Ruhe Europas ist erschüttert, Ich werde Mich

bemühen, die Segnungen des Friedens

zu erhalten.

fahren für Preußen und Deutschland Heraufziehen.

Dennoch können Ge­

Möge dann jener Gott

vertrauende Mut, welcher Preußen in seinen großen Zeiten beseelte, sich an Mir und Meinem Volke

bewähren und dasselbe Mir auf Meinen Wegen

in Treue, Gehorsam und Ausdauer

Segen

auf

den

Aufgaben

ruhen,

Möge Gottes

fest zur Seite stehen!

welche

Sein

Ratschluß

Mir

über­

geben hat.

Berlin, am 7. Januar 1861.

Wilhelm.

Erstes Buch.

20

1858—1866.

10.

Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 14. Januar 1861.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

In tiefer Bewegung heiße Ich Sie willkommen.

Die Hoffnungen und

Wünsche, welche Ich von dieser Stelle zu Ihnen aussprach, sind nach Gottes Mit Mir und Meinem

unerforschlichem Willen nicht in Erfüllung gegangen.

Hause beweinen Sie den König, welcher nach schweren Leiden von uns ge­

nommen ist. Was die Regierung Meines in Gott

Preußen war, was das Land daran habe Ich

ruhenden Bruders Majestät für

seiner großherzigen Führung

die Vertretung

des

preußischen Volkes,

zu danken hat,

welche von dem

Heimgegangenen Monarchen ins Leben gerufen wurde, nicht zu erinnern.

König Friedrich

Wilhelm

Eine schwere Aufgabe ist Mir

der Vierte ist in

zugefallen.

schwerer Zeit geschieden.

Unter

stände gedenke Ich dieselbe glücklich hinauszuführen. treu zur Seite stehen.

gnädigem Bei­

Gottes

Sie werden Mir dabei

Das Vaterland bedarf einsichtigen Rates und selbst­

vergessener Hingebung. Nachdem Ich es angesichts hervorragender Fürsten des deutschen Bundes

für die erste Aufgabe Meiner deutschen, Meiner europäischen Politik erklärt

hatte, die Integrität des deutschen Bundes zu wahren, war es erforderlich, zu welcher Sie die Mittel einstimmig ge­

die Verstärkung unseres Heeres,

währt hatten, in der Weise zu ordnen, daß nicht bloß die Zahl der Truppen gesteigert, sondern auch der innere Zusammenhalt, die Festigkeit und Zuver­ lässigkeit der neuen Bildungen gesichert wurden. troffenen Anordnungen

bewegen

sich innerhalb

Die zu diesem Zwecke ge­

der gesetzlichen Grundlagen

unserer Heeresverfassung.

Aus den Ihnen

vorzulegenden Voranschlägen

daß für das nächste Jahr

werden Sie entnehmen, welche Ihnen

Einschränkungen angeordnet sind,

verbürgen, daß für die Kriegstüchtigkeit

des Heeres

stets nur

das Unent­

behrliche beansprucht werden wird.

Preußen

hat

über ausreichende Hilfsquellen

Armee auf einem Achtung

gebietenden Fuße

zu

verfügen, um seine

zu erhalten.

Der gegenwär­

tigen Lage Deutschlands und Europas gegenüber wird die Landesvertretung Preußens

sich der Aufgabe nicht versagen,

das Geschaffene

zu bewahren

und in seiner Entwickelung zu fördern; sie wird sich der Unterstützung von

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1861. Maßnahmen nicht entziehen,

auf welchen die Sicherheit

21 Deutschlands und

Preußens beruht. Trotz

des Druckes

der

politischen Verhältnisse

friedigung auf die Lage der Finanzen sehen.

dürfen

wir

mit Be­

Es steht zu hoffen,

daß die

dem verwichenen Jahre zur Last fallenden Ausgaben in den laufenden Ein­ nahmen

desselben ihre

vollständige Deckung

finden.

aus

Die

schüssen des Jahres 1859 vorsorglich reservierten Mittel

den Über­

werden somit an

den Staatsschatz abgeführt werden können. Der Staatshaushalts-Etat ist unter der bisherigen bewährten Vorsicht

in der Veranschlagung der Einnahmen, wie unter sorgfältiger Beschränkung der Verwaltungsausgaben aufgestellt

Er

worden.

weist

abermalige

eine

Steigerung der Erträge und die Mittel nach, allen berechtigten Anforderungen gerecht zu werden, nützliche Unternehmungen und Einrichtungen zu fördern,

neue Bedürfnisse zu befriedigen zu vermindern,

und

diejenigen

außerordentlichen Zuschüsse Wenn auch

welche die Verstärkung des Heeres erfordert.

zur Durchführung dieser großen Maßregel diese Zuschüsse neben den

einst­

weilen fortzuerhebenden Steuerzuschlägen für jetzt noch in erheblichem Maße in Anspruch genommen werden, so ist doch der Besorgnis, daß die Ordnung

unseres Staatshaushaltes gestört werden könne, nicht Raum zu geben.

Viel­

mehr darf von der naturgemäßen Zunahme der Einnahmequellen wie von

der Reform der Grundsteuergesetzgebung die Entbehrlichkeit außerordentlicher Hilfsmittel zur Deckung

des Staates

der Gesamtausgaben

eine nahe

für

Zukunft in Aussicht genommen werden.

Ich zähle auf Ihre Zustimmung zu den Gesetzentwürfen,

welche die

endliche Erledigung der Grundsteuerfrage herbeizuführen bestimmt sind.

und Land können auf einen erhöhten Ertrag der Grundsteuer

Krone

nicht länger

verzichten, und die Verstärkung unseres Heeres wird erst dann gesichert sein, wenn alle Stände und Landesteile,

wie

sie

die

Wehrpflicht gleichmäßig

tragen, so auch zu dem Aufwande, welchen die Armee erfordert,

im Ver­

hältnis ihrer Steuerkraft beitragen werden.

Der Verkehr

des Landes,

wenn

auch

noch nicht zu der Regsamkeit

zurückgeführt, welche den finanziellen und politischen Krisen der letzten Jahre vorherging, zeigt eine vermehrte Lebendigkeit.

Die Förderung desselben in

seinen verschiedenen Zweigen hat nicht aufgehört, einen Gegenstand

der be­

sonderen Fürsorge Bkeiner Regierung zu bilden.

Eine weitere Ausdehnung des vaterländischen Eisenbahnnetzes geleitet.

absetzung

ist ein­

Die Aufhebung der Durchgangsabgaben und eine beträchtliche Her­

der Rheinzölle

ist

mit

den

beteiligten Regierungen vereinbart.

22

Erstes Buch. 1858—1866.

Meine Regierung steht im Begriff, mit der Kaiser!, französischen Regierung

über die vertragsmäßige Gestaltung der Verkehrsbeziehungen zwischen dem Zollverein und Frankreich in Unterhandlung zu treten.

Die Reform des Eherechts wird, wie Ich Ihnen bereits des vorigen Landtags

am Schluffe

verkündet habe, wiedemm zu Ihren Aufgaben ge­

hören. Ich erwarte die endliche Erledigung dieser Frage mit Zuversicht. Über andere wichtige Vorlagen wird Ihnen Meine Regierung Mit­ teilung machen. Im Laufe des verfloffenen Jahres ist es Mir gelungen, die Beziehungen zu den Großstaaten durch persönliche Begegnungen mit den Monarchen der­

selben

immer erfreulicher

zu gestalten,

und es sind dies Bürgschaften für

die Erhaltung des europäischen Friedens gewesen. Von dem Emst der allgemeinen Lage Europas durchdrungen, ist Meine

Regierung fortgesetzt bestrebt, eine Revision der Kriegsverfassung des Bundes herbeizuführen, wie sie die gesteigerten militärischen Anfordemngen der Gegen­

wart unabweisbar erheischen.

Ich gebe Mich der zuversichtlichen Hoffnung

hin, daß diese Bemühungen endlich

zum Ziele führen werden, da

alle

deutschen Regiemngen und alle deutschen Stämme ein einmütiges Zusammen­

gehen als das dringendste Bedürfnis des Gesamtvaterlandes anerkennen.

In Kurhessen währt ein Zwist fort, welchen Meine treuen, wohlge­ meinten und gemäßigten Ratschläge nicht zu beseitigen Die Bemühungen Meiner Regiemng

vermocht

haben.

sind unausgesetzt auf die Wiederher­

stellung des verfassungsmäßigen Zustandes gerichtet. Zu Meinem lebhaften Bedauem haben die Schritte, welche Preußen in Übereinstimmung mit den übrigen deutschen Bundesstaaten seit Jahren

gethan hat, um die unter der Herrschaft des Königs von Dänemark ver­ einigten deutschen Herzogtümer in den Genuß eines den bestehenden Vereinbamngen entsprechenden geregelten Verfaffungszustandes treten bisher zu keinem Resultate geführt.

zu sehen,

Mit seinen deutschen Verbündeten er­

kennt Preußen es als eine nationale Pflicht an, nunmehr endlich die ge­

bührende Lösung dieser Frage herbeizuführen. Meine Regiemng hat in bewegter Zeft begonnen. Was uns beschieden

sein möge, Ich werde feststehen auf den Gmndsätzen, mit welchm Ich die Regentschaft übemommen habe. wendung gemacht, hat Mich

überzeugt.

Die Erfahrung, welche Ich in deren An­ von dem Werte derselben nur noch inniger

Entschlossen, die Wirksamkeit unserer Institutionen und unserer

Gesetze zu kräftigen, die nationalen Interessen Preußens und Deutschlands

mit Emst und Rachdmck zu fördem,

erblicke Ich in dem unbeirrten Fest-

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

1861.

23

halten dieses Weges die sicherste Bürgschaft gegen den Geist des Umsturzes, welcher sich in Europa regt. Ich

vertraue, daß Preußen unter Meinem

bleiben wird.

Ich vertraue,

Scepter sich selbst treu

daß Preußen im Rate seiner Vertreter,

wie

in den Thaten seines Volkes beweisen wird, daß es nicht gemeint ist, hinter der Eintracht, der Kraft und dem Ruhme seiner Väter zurückzubleiben.

Ich

vertraue, daß das Land in unverbrüchlicher Treue zu Mir stehen wird in guten und bösen Tagen.

Das walte Gott!

Bei der Übernahme der Regentschaft

gemäß üben zu wollen.

Ich Sie auf,

habe Ich

und

Gott verliehene Macht der Verfassung

gelobt,

die Mir von

den Gesetzen des

Königreichs

auf jenes Gelübde verweise,

Indem Ich

Mir die Treue zu geloben,

welche Sie Meinem

fordere

verklärten

Bruder geschworen und gehalten haben.

So werden Sie Mir denn jetzt

vor Gott dem Allmächtigen einen

feierlichen Eid schwören, daß Sie Mir in Treue Unterthan sein wollen, daß Sie Mir in der Ausübung Meiner Rechte und Pflichten mit

Gut und

Blut beistehen wollen. Nach der Eidesleistung schloß der König mit den Worten:

An Gottes Segen ist alles gelegen.

Gott segne Ihren Schwur! Er segne und schütze das Vaterland!

11.

Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, Montag, den 28. Januar 1861.

Die Worte, mit welchen Sie Mir die Adresse des Herrenhauses über­ geben, sind Meinem Herzen teuer, da Ich in denselben die Treue und Er­

gebenheit für Mich, Ihren nunmehrigen König, in erfreulicher Art ausge­

sprochen finde.

Der Inhalt der Adresse und die darüber

im Herrenhause

gepflogenen Verhandlungen sind Mir nach dem Geschäftsgänge bekannt; der

dabei dargelegte Ausdruck des tiefen Schmerzes über den Verlust des Heim­ gegangenen Königs, sowie die Gesinnungen für Mich sind ganz so, wie Ich

sie von dem Herrenhause erwartet habe, durch Sie Meinen Dank.

Übernahme der Regentschaft dargelegt.

bestimmt

ausgesprochen.

und Ich

sage

demselben dafür

Die Grundsätze Meiner Regierung habe Ich bei Ich

will

Was Ich will, habe Ich offen und

keinen Bruch

mit der Vergangenheit;

Erstes Buch. 1858-1866.

24

aber Ich will, wo Meine Überzeugung es Mir eingiebt, die bessernde Hand

an unsere Landesinstitutionen legen, wie dies der König, Mein Hochseliger

Vater, auch

that,

bei dem man gewiß kein Vergessen der Vergangenheit

Preußens erkennen kann, der aber aus den Erfahmngen Seiner verhängnis­

vollen Zeit die Überzeugung schöpfte, stitutionen des Landes zu legen sei,

hervorging.

daß die bessernde Hand an die In­

woraus

die Gesetzgebung

von

1808

Ebenso ist auch der König, Mein Hochseliger Bmder, verfahren,

als er aus Erlebnissen Seiner Epoche die durchgreifendsten Reformen vor­ nahm.

Ich habe Mir vorgezeichnet, wie weit Ich gehen kann, und werde

diese Linie bestimmt innehalten, da jede Regierung ihre eigene Aufgabe hat.

Ich erwarte zuversichtlich von dem Herrenhause, daß es Mir auf Meinem Wege folgen werde.

Wir können uns nicht verhehlen, daß wir vielleicht

schweren Zeiten entgegengehen.

Mit Rücksicht darauf wird alles darauf an­

kommen, daß das Land in seinen Vertretern mit Mir einig

sei.

Das

wünsche, das hoffe, das erwarte Ich von den bevorstehenden Verhandlungen. Nur so

werden wir nach innen und außen stark und getrost der Zukunft

entgegensehen können; dann werden wir, auch wo sich abweichende Ansichten im Laufe der Verhandlungen geltend machen, bei deren Schluffe als Freunde scheiden können.

12. Antwort des Königs auf die Adresse des Abgeordnetenhauses, Dienstag, den 12. Februar 1861. Der Ausdruck der Trauer,

welchen Mir das Haus der Abgeordneten

um den Hintritt des Hochseligen Königs Majestät, Meines geliebten Bmders, darbringt, nehme Ich mit bewegtem Herzen entgegen. Ihr Blick wendet sich trostvoll und, wie Ich erwarten kann, mit Vertrauen zu Mir. Über

die Grundsätze, nach

welchen Ich die Mir von Gott

ferner zu üben entschlossen bin, habe Ich Mich

Das Land

ist darüber nicht

in Zweifel.

anvertraute Macht

wiederholt

ausgesprochen.

Ich baue fest darauf, daß die

Vertretung desselben Mir bei der Durchführung Meiner Absichten im Sinne der ungeschmälerten Erhaltung der Machtstellung Meiner Krone zur Seite

stehen wird, denn dies ist zum wahren Wohl des Vaterlandes notwendig.

In Bezug auf die Fragen der inneren und der auswärtigen Politik, die in Ihrer Adresse — welche Mir nach dem bestehenden, von Ihnen selbst be­ dauerten Geschäftsgänge bereits bekannt war — von dem Ich mit Ihnen

hoffe, daß er sich künftig wird verbessem lassen, — berührt sind, hat Ihnen

25

1861.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

Meine Regierung die Gesichtspunkte klar hervorgehoben, welche nach Meinen

dieselbe maßgebend sind und bei denen sie beharren wird.

Intentionen für Ich erwarte,

der Abgeordneten

daß das Haus

dieselben

durch seine Zu­

Ich hoffe, daß Ihre nun beginnenden Arbeiten

stimmung unterstützen wird.

die bedeutsamen Vorlagen, die Ihnen von Meiner Regierung gemacht sind,

zu

einer befriedigenden Lösung

führen

Wir legen die bessernde

werden.

Hand an mancherlei Einrichtungen — auf gesetzlichem Boden, darüber darf Einigkeit macht stark, und da wir stark sein müssen,

kein Zweifel bestehen.

so müssen wir auch

Dies

einig sein.

Stellung zu Deutschland. dem günstigsten Erfolg

gilt

für Preußen,

gekrönt

guten wie in bösen Tagen in

worden.

wie für dessen

in dieser Hinsicht sind mit

Meine Bemühungen Ich

weiß,

daß

Mein Volk in

unverbrüchlicher Treue Mir zur Seite steht;

das erneute Gelöbnis dieser Treue durch das Haus der Abgeordneten nehme

Ich gern entgegen.

13. Thronrede;um Schluß des LandtagsMittwoch, den 5. Juni 1861.

Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags! Das Vertrauen, mit welchem Ich Sie beim Beginne Ihrer diesjährigen Beratungen begrüßte, ist nicht getäuscht worden. Die nun beendete Session hat zu bedeutenden Ergebnissen geführt.

Sie

sind geeignet, Meine Regierung in der Richtung zu unterstützen und zu be­ festigen, welche

dieselbe bisher verfolgt hat.

Sie werden heilsame Folgen

für den inneren Frieden, für die gesunde Entwickelung unseres Staatslebens

herbeiführen und

das Gewicht Preußens in Deutschland und Europa ver­

stärken. Verträge und Gesetze, welche dem Handel neue Wege öffnen, den Ver­ kehr von Belästigungen, den Betrieb des Gewerbes von Beschränkungen be­

freien, sind unter Ihrer Zustimmung ins Leben getreten. Das Netz der vaterländischen Eisenbahnen ist durch Ihre bereitwilligen

Gewährungen wesentlich erweitert worden, und die Verbindung mit unseren westlichen Provinzen wird bald durch eine neue Bahn nicht bloß abgekürzt, sondern auch besser gesichert sein.

Dem Vertrage, welcher

die Wasserstraßen Preußens und Frankreichs

näher zu vereinigen bestimmt ist, haben Sie Ihre Genehmigung erteilt.

Erstes Buch. 1858-1866.

26

Die Rheinzölle sind erheblich gehoben.

ermäßigt, die Durchgangsabgaben auf­

Die Abgaben, welche den Aufschwung

eines immer bedeutsamer

werdenden Zweiges unserer Industrie, des Bergbaues, verzögern konnten, sind wiederum vermindert, und die Aufsicht über denselben ist vereinfacht worden. Die Erschwerungen,

welche dem Gewerbebetriebe der Ausländer ent­

gegenstanden, sind beseitigt, und die Ergänzung des Gewerbesteuergesetzes ver­

bürgt die Umlegung dieser Steuer nach zweckmäßigeren und gerechteren Normen.

Die Ungleichheiten in der Besteuerung des Bodens, welche die Pro­ vinzen der Monarchie und die verschiedenen Klaffen des Grundbesitzes so lange getrennt haben, sind

endlich durch die Vorlagen Meiner Regierung,

denen Sie Ihre Zustimmung erteilt haben, beseitigt.

Durch

diese Gesetze

ist dem Lande ein großer Dienst erwiesen, den Ich mit um so aufrichtigerem Dank erkenne, als Ich die Opfer zu würdigen weiß, welche gebracht werde».

Ich freue Mich der einmütigen Zustimmung, welche Sie dem deutschen Handelsgesetz entgegengebracht haben. Damit ist ein tüchtiges Werk deutschen

Geistes zum Eigentum unseres preußischen Vaterlandes geworden, damit ist ein neues Zeugnis unseres eifrigen Strebens abgelegt, die deutschen Staaten

durch das Band gemeinsamer Gesetze enger zu verbinden. Das Gesetz über die Erweiterung des Rechtsweges dehnt die richter­

liche Entscheidung über Gebiete aus, welche derselben bisher entzogen waren. Es wird dazu beitragen, die Herrschaft des Gesetzes zu erweitem und das Ansehen Meiner

Gerichtshöfe zu

Meine Herren!

erhöhen.

Sie haben Meiner Regierung die Mittel

gewährt,

welche zur Aufrechterhaltung der von Mir angeordneten, für die Größe und Machtstellung Preußens unerläßlichen Organisation des

reichen.

Heeres

hin­

Ich danke Ihnen dafür.

Da Meine Regierung

weder die Herbeiführung entsprechender gesetz­

licher Normen noch die Herstellung regelmäßig

geordneter Etatsverhältnisse

im Ressort der Militärverwaltung aus dem Auge verlieren wird, kann Ich

über die Form der Bewilligung hinwegsehen, die das Lebensprinzip der großen Maßregel nicht berührt.

Die nunmehr erreichte feste und starke Gliederung Meiner trefflichen, aus unserem streitbaren Volke hervorgehenden Armee, die von Ihnen durch

die Erhöhung der (Steuern zu diesem Endzweck bewiesene Opferwilligkeit geben Preußen die Kraft, für den eigenen, wie für den Schutz des gesamten

deutschen Vaterlandes gerüstet dazustehen. Die Durchführung der Reorganisation der preußischen Heeresmacht ist

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

für die Sicherung

der deutschen Grenzen um so

1861.

27

unentbehrlicher,

als

es

gelungen ist,

Meinen ernsten und unausgesetzten Bemühungen bisher nicht

eine den Anforderungen der Gegenwart entsprechende Revision der Wehr­ verfassung des deutschen Bundes herbeizuführen und praktische Vorkehrungen

zum Schutze Deutschlands gegen künftige Gefahren zu fördern. Die lebendige Teilnahme, welche Sie der Entwickelung unserer jungen

Kriegsmarine gewidmet des preußischen

haben,

deren Fortbildung

ebensosehr im Interesse

des deutschen Vaterlandes geboten ist,

als

hat Mich mit

Genugthuung erfüllt. Die Königl. dänische Regierung

ist den von der deutschen Bundes­

versammlung gestellten Anforderungen nicht vollständig nachgekommen.

Auch

die danach von derselben Regierung gemachten Anerbietungen stellen die ge­

bührende Lösung der am Bunde schwebenden Angelegenheit

der unter dem

Scepter des Königs von Dänemark vereinigten deutschen Herzogtümer noch immer nicht in sichere Aussicht.

Aber der Charakter

zu den Großmächten Europas gewährt

unserer Beziehungen

ausreichende Bürgschaft, daß

die­

selben durch ernste Maßnahmen nicht getrübt werden würden, welche inner­ halb der Grenzen des deutschen Bundesgebietes

notwendig

werden können.

Wenn die Vertretung des Landes in redlichem Eifer und einträchtigem

Streben

an dem Wohle des Vaterlandes mit Mir weiter arbeitet, wenn

wir die Schranken

inne

nur der in Europa

halten, deren Überschreitung

regen Partei des Umsturzes Vorschub leisten könnte, Gottes gnädigem Beistände

einem

dann darf Ich unter

gesegneten Fortgänge Meiner Regierung

entgegensehen. Gedenken Sie, Meine Herren, Meines Wahlspruches: Gottes Gnaden,

Festhalten

an Gesetz und Verfassung,

Königtum von

Treue des Volkes

und des siegbewußten Heeres, Gerechtigkeit, Wahrheit, Vertrauen, Gottes­ furcht!

Folgen Sie stets mit Mir diesem Wahlspruch,

eine glückliche und hoffnungsreiche Zukunft

dann können Wir

für unser teures Vaterland er­

warten.

Das walte Gott!

14.

Allerhöchster Erlaße betreffend die Krönung, Dienstag, den vom 3. Juli 1861.

Wir Wilhelm,

von Gottes Gnaden König von Preußen u. s. w.,

thun kund und fügen zu wissen:

Erstes Buch. 1858—1866.

28

Nach Gottes Ratschlüsse haben Wir den Königlichen Thron Preußens bestiegen und Unsern Willen

feierlich kund

gegeben, nach der Verfassung

und den Gesetzen des Königreichs die Uns durch die göttliche Gnade an­ vertraute Regierung zu führen.

Unsere Vorfahren in der Krone haben

Uns das ehrwürdige Herkommen überliefert, daß den Königen Preußens

beim Regierungsantritt von dem Lande die Erbhuldigung geleistet worden.

Wir halten dieses Herkommen

als

ein unverbrüchliches

Anrecht Unserer

Krone fest und wollen es ebenso Unsern Nachfolgern in der Regierung ge­ wahrt wissen.

In Betracht der Veränderungen aber,

fassung der Monarchie

welche in der Ver­

unter der reich gesegneten Regierung Unseres viel­

geliebten Bruders, Königs Friedrich Wilhelm des Vierten Majestät Hoch­

seligen Andenkens, eingetreten sind, haben Wir beschlossen, an Statt der Erbhuldigung die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche von Unserm

erhabenen Ahnherrn König Friedrich dem Ersten die erbliche Königswürde

in Unserem Hause begründet worden. Indem Wir Uns im Angesichte Gottes in

Demut beugen und den

Segen des Allmächttgen für Uns und Unser geliebtes Vaterland erflehen, wollen Wir durch die Feier der Krönung in Gegenwart der Mitglieder der

beiden Häuser des Landtags und der sonst von Uns zu entbietenden Zeugen aus allen Provinzen Unseres Königreichs von dem geheiligten und in allen

Zeiten unvergänglichen Rechte der Krone, zu der Wir durch Gottes Gnade berufen worden, Zeugnis ablegen und von neuem das durch eine glorreiche

Geschichte geknüpfte Band zwischen Unserem Hause und dem Volke Preußens befestigen.

Wir werden

demnach in Gemeinschaft mit der Königin, Unserer Ge­

mahlin, Unsere feierliche Krönung im Monat Oktober dieses Jahres

in

Unserer Haupt- und Residenzstadt Königsberg vollziehen und behalten Uns vor, über den bei Unserer Rückkehr

in Unsere Haupt- und Residenzstadt

Berlin zu haltenden feierlichen Einzug die weiteren Bestimmungen zu erlassen.

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin, am dritten des

Monats Juli Eintausend Achthundert Ein und Sechzig.

Wilhelm. (Gegenzeichnung des gesamten Ministeriums.)

Regentschaft und Berfassungskonflikt.

1861.

29

15.

Ansprache des Königs an die Deputationen der Armee, gehalten zu Königsberg, Mittwoch, den 16. Oktober 1861.

Ich habe Sie hier versammelt,

um einer Feier beizuwohnen, die zu

den seltensten in der Geschichte gehört.

Ein solcher Moment tritt nur dann

ein, wenn tiefe Trauer ihm vorhergegangen ist,

im tiefsten Herzen

Jetzt

bewegt hat.

richten

eine solche uns alle

daß er Preußen segnen und schützen möge,

Himmel, hoffend,

Ein Anblick, wie wir ihn hier soeben gehabt, kehrt so leicht nicht wieder. als die

wie

wir den Blick getrost zum ist

wie bisher.

noch nie dagewesen und

Ich habe die Fahnen und Sie, Meine Herren,

höchstgestellten Generale

der Armee

und sämtliche Regimentskom­

mandeure versammelt, um im Namen der Armee Zeugen der hochwichtigen

Feier zu sein,

welcher

die Krone zugefallen,

entgegengehen.

wir

und

Von Gottes Händen ist Mir

wenn Ich Mir dieselbe von Seinem geweihten

Tische auf das Haupt setzen werde, so ist es Sein Segen, der sie Mir er­

halten wolle!

Sie

zu

ist die Armee berufen,

verteidigen

Könige haben die Treue derselben

noch nie wanken sehen.

und Preußens Sie ist es ge­

wesen, welche den König und das Vaterland in den unheilvollsten Stürmen

Auf diese Treue

erst vor kurzem gerettet und seine Sicherheit befestigt hat.

und Hingebung rechne auch Ich, wenn Ich sie aufrufen müßte gegen Feinde, von welcher Seite sie

auch kommen mögen.

Mit diesem unerschütterlichen

Vertrauen sehe Ich als König und Kriegsherr auf Meine Armee.

Ihnen,

die Hand,

für Sie

Herr Feldmarschall 2), reiche Ich für alle Anwesenden alle, die Ich in Mein Herz schließe.

16.

Ansprache des Königs nach erfolgter Krönung und HuldigungFreitag, den 18. Oktober 1861.

Von Gottes Gnaden tragen Preußens Könige seit Krone.

Nachdem

besteige Ich

als

durch

zeitgemäße Einrichtungen

erster König

nur von Gott kommt,

denselben.

habe Ich

durch

160

Jahren die

der Thron umgeben ist,

Aber eingedenk,

daß die Krone

die Krönung an geheiligter Stätte

bekundet, daß Ich sie in Demut aus seinen Händen empfangen habe. *) Wrangel.

Die

30

Erstes Buch.

Ich

Gebete Meines Volkes,

weiß

1858—1866.

haben Mich bei diesem feierlichen

es,

Akte umgeben, damit der Segen des Allmächtigen auf Meiner Regierung ruhe. Die Liebe und Anhänglichkeit, welche Mir seit Meiner Thronbesteigung

wurde

erwiesen

und

sind Mir Bürge,

die Mir soeben

in

erhebender Weise bekundet wird,

daß Ich unter allen Verhältnissen auf die Treue,

gebung und Opferfreudigkeit Meines Volkes rechnen

darauf habe Ich

den

Meinem treuen Volke

und Unterthaneneid

althergebrachten Erbhuldigungs -

erlassen

können.

wohlthuenden Beweise

Die

jener

bei einem verhängnisvollen Ereignis

Anhänglichkeit, die Mir jüngst

teil wurden, haben dies Vertrauen

bewährt.

dem teueren

Segnungen des Friedens

Hin­

Im Vertrauen

kann.

Gottes Vorsehung

Vaterlande

äußeren Gefahren wird Mein tapferes Heer dasselbe schützen. Gefahren wird Preußen bewahrt bleiben,

Vor

erhalten.

lange

denn der Thron

zu

wolle die

Vor inneren

seiner

Könige

steht fest in seiner Macht und in seinen Rechten, wenn die Einheit zwischen König und Volk, die Preußen groß gemacht hat, bestehen bleibt. den wir auf

dem Wege

beschworener Rechte

So wer­

den Gefahren einer bewegten

Zeit, allen drohenden Stürmen widerstehen können.

Das walte Gott!

17.

Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, Donnerstag, den 31. Oktober 1861.

Die Feier, welche Ich am 18. d. M. vollzog,

Berufe die Weihe gegeben. wesen,

der

hat Meinem irdischen

Diese Feier ist eine wahrhaft vaterländische ge­

indem sie den alten, unauflöslichen Banden des Königshauses und

Nation

ein

verjüngter Kraft

Unterpfand

freudig hingebende Gesinnung,

verlieh.

füllt.

Solche Erfahmngen

warme und

die sich in allen Teilen des Landes und in

allen Klassen des Volkes so unverkennbar kundgegeben, Königin, Meine Gemahlin,

Die

hat Mich

und die

auf das tiefste bewegt und Uns mit Dank er­

sind

herzerhebend!

Vor

allem aber wird die

großartige Weise, zu welcher sich jene Gesinnung beim Krönungsakte selbst, wie auch

bei Unserem Einzuge

in Königsberg

und Berlin

steigerte,

als

auf dessen bewährte Gesinnung

und

bleibende Erinnerung in Uns und bei allen Zeugen fortleben.

Das Vertrauen Meines Volkes,

*) Anspielung auf den Mordversuch des Leipziger Studenten Oskar Becker aus

Odessa zu Baden-Baden, Sonntag, den 14. Juli 1861.

Hingebung Ich zu

allen Zeiten rechne,

31

1862.

Regentschaft und Berfassungskonflikt.

erwidere Ich durch

die innigste

Liebe zum Vaterlande,

dessen Wohl und dessen Macht Mein Streben ist.

Treu Meinem Berufe,

erkenne Ich in der unausgesetzten Beförderung der

gesetzlichen Entwickelung

die Bürgschaft weiterer Erfolge unter

des Volkes

dem Beistände der Vorsehung. Am Schluffe der

Krönungszeit diesen

Meinen

Gesinnungen,

Meinem und der Königin, Meiner Gemahlin, tiefgefühlten Dank

sowie

allseitigen

Ausdruck zu geben, ist Mein Staats-Ministerium beauftragt. Berlin, den 31. Oktober 1861.

An das Staats-Ministerium.

Wilhelm.

18. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 14. Januar 1862.

Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!

Ihre Thätigkeit beginnt in

ernster Zeit.

Nachdem Gottes Ratschluß

die Krone mit der Bürde ihrer Pflichten und Rechte auf Mein Haupt ge­

legt, habe Ich diesem Meinem Weihe gegeben.

königlichen Rechte

Die Teilnahme Meines Volkes

an heiliger Stätte die

an dieser Feier hat be­

wiesen, daß seine Liebe und Treue, welche der Stolz und die Kraft Meiner

Vorfahren waren, mit der Krone auch auf Mich übergegangen sind.

Solche

Kundgebungen konnten Meinen festen Vorsatz nur stärken, Meine Königlichen Pflichten im Geiste Meiner Ahnen für das Wohl und die Größe Preußens zu üben. Mit Mir hat Preußen

Hand den Frevel gnädig

dem Allmächtigen

abwendete,

gedankt,

als Seine starke

der Mein Leben bedrohte *).

Mit

Mir beklagen Sie heute den unersetzlichen Verlust, den die Vorsehung über ein großes befreundetes Reich und über ein Königshaus verhängt hat, welches

dem Meinigen durch die teuersten Bande der Verwandtschaft verbunden ist2).

Die Lage des Landes ist im allgemeinen befriedigend: werbe und Handel zeigen Meinem Bedauern

eine

Ackerbau, Ge­

fortschreitende Regsamkeit, wenn auch zu

einzelne Zweige

des Verkehrs durch Störungen in den

gewohnten Beziehungen zum Auslande leiden. *) S. S. 30 Amn. *). ') Herzog Albert von Sachsen, Gemahl der Königin Victoria von Großbritannien,

gest. 14. Dezember 1861.

Erstes Buch. 1858-1866.

32

Eisenbahnen haben wesentlich dazu beigetragen,

Die

und

Überfluß

Mangel an Bodenerzeugnissen in den verschiedenen Landesteilen auszugleichen.

Auf ihre weitere Ausdehnung bleibt die Fürsorge Meiner Regiemng

ge­

richtet.

Die nach dem östlichen Asien entsendete Mission hat den größten Teil ihrer Aufgabe

den Abschluß

durch

von Verträgen mit China

und Japan

Ich hoffe, daß unser Seehandel die ihm durch diese

bereits glücklich gelöst.

Verträge eröffneten und gesicherten Bahnen mit Erfolg betreten wird. Sowohl diese beiden Verträge als der zur Erleichterung der Schiffahrt

über Ablösung

des Stader Zolles

geschlossene Vertrag

werden Ihnen

zu

verfassungsmäßiger Zustimmung vorgelegt werden.

wird bald — Ich erwarte

Das deutsche Handels - Gesetzbuch

Zuversicht — Gemeingut des

Anschlüsse

an dasselbe

von Deutschland

größten Teiles

werden Ihnen

einige

Gesetzentwürfe

es mit

sein. zu

Im

weiterer

Förderung der Interessen des Handels wie zur Regelung der Rechtsverhält­ nisse der Seeleute zugehen.

Von größerem Gewicht sind andere Entwürfe, welche Meine Regierung vorlegen wird.

Sie werden Ihnen beweisen, daß Ich, Meinen Grundsätzen

getreu, den Ausbau unserer Verfassung vor Augen habe.

Die Vorlagen,

die Umbildung

welche

gegenwärtig bestehender

Ein­

richtungen bezwecken, geben Zeugnis, daß Meine Regierung die Reformen

nicht zurückhält, welche durch thatsächliche Verhältnisse und

das gleichmäßig

zu berücksichtigende Wohl aller Stände begründet sind.

Die Ausführung des Gesetzes vom 29. Mai v. I. wegen anderweiter

Regelung der Grundsteuer hat unter entgegenkommender und loyaler Mit­

wirkung der Grundbesitzer ungeachtet der großen zu überwindenden Schwierig­

keiten so erfreuliche Fortschritte gemacht, daß die rechtzeitige Beendigung des Veranlagungswerks erwartet werden darf.

Die Finanzen

des

Staates

sind in

befriedigender Lage.

Der ge­

steigerte Ertrag verschiedener Einnahmezweige begründet die Hoffnung, daß ein erheblicher Teil des

zu den Kosten

für das verflossene Jahr erforderlichen Zuschusses

der Heeresorganisation seine

Deckung

in Mehreinnahmen

finden wird.

Der mit gewissenhafter Sorgfalt aufgestellte Staatshaushalts-Etat giebt für das laufende Jahr eine weitere Steigerung der Einnahmen.

durch sind die Mittel gewährt, Ausgaben Zuschuß

zu zu

bestreiten und

vermindern.

neue

den

Soweit

als nützlich

er-

Da­

oder notwendig erkannte

durch die Reform des Heeres bedingten derselbe

für diesen Zweck

neben

den

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

33

1862.

Steuerzuschlägen erforderlich bleibt, welche bis zur Erhebung der regulierten

Grundsteuer nicht entbehrlich sein werden,

sich die Mittel dazu in

finden

1860.

dem noch unverwendeten Überschüsse des Jahres

wird daher

Es

voraussichtlich so wenig im laufenden Jahre wie in den beiden vorhergehenden

Jahren eine Verminderung des Staatsschatzes eintreten. Bei der Feststellung

finanziellen Bedarfs worden.

für die reorganisierte Armee

des

sind die Rücksichten

erforderlichen

strengster Sparsamkeit beobachtet

Eine weitere Ausdehnung derselben würde die Schlagfertigkeit und

Kriegstüchtigkeit des Heeres,

folglich

dessen Lebensbedingungen

und damit

die Sicherheit des Vaterlandes gefährden.

In Verfolg

der Reorganisation

wird Meine Regierung Ihnen

Entwurf in betreff einiger Abänderungen

des Gesetzes

vom 3. September

1814 über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vorlegen. bestimmt,

den seit Erlaß jenes Gesetzes unabweislich

dürfnissen

unseres Kriegswesens

Derselbe ist dazu

hervorgetretenen Be­

abzuhelfen, sowie den

nungen über die Verpflichtung zum Seedienst eine

einen

geltenden Verord­

gesetzliche Grundlage zu

geben.

In Bezug auf die nunmehr glücklich beseitigten Verwickelungen zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika hatte Ich

Meinen Gesandten in Washington

versehen lassen,

mit Weisungen

ihn in den Stand setzten, die Rechte

der neutralen Schiffahrt

welche

zu wahren

und der Sache des Friedens kräftig das Wort zu reden.

Meine Begegnung mit dem Kaiser der Franzosen im Laufe flossenen Herbstes hat nur dazu beitragen

können,

die bereits

des ver­

bestehenden

freundnachbarlichen Beziehungen zwischen Unseren beiderseitigen Staaten noch günstiger

zu

gestalten.

Die

Verhandlungen

Regelung der Verkehrsverhältnisse

über

eine

vertragsmäßige

zwischen dem Zollverein und Frankreich

dauern fort.

eine

Meine ernsten und unausgesetzten Bemühungen,

zeitgemäße Re­

vision der Wehrverfassung des deutschen Bundes

herbeizuführen, haben zu

ein befriedigendes Ergebnis

bisher noch nicht gewährt.

Meinem Bedauern

Inzwischen ist Meine Regierung bestrebt,

im Wege

der Vereinbarung mit

einzelnen deutschen Staaten eine größere Gleichmäßigkeit in den militärischen Einrichtungen

anzubahnen

und dadurch die Wehrhaftigkeit Deutschlands zu

erhöhen. Die in diesem Sinne mit der Herzoglich Sachsen-Koburg-Gothaischen Regierung

abgeschlossene Konvention

wird Ihnen

zur

verfassungsmäßigen

Zusümmung vorgelegt werden.

In gleicher Weise widmet Meine Regierung der wichtigen Angelegen-

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

3

Erstes Buch. 1858—1866.

34

heit der Verteidigung der deutschen Küsten und der Entwickelung unserer Flotte, für welche sich überall ein so erfreuliches Streben kundgegeben

und

durch patriotische Beiträge innerhalb und außerhalb Preußens bethätigt hat, ihre unausgesetzte Sorgfalt.

Wir bellagen die Verluste,

jungen Marine hoffnungsvolle Kräfte entrissen haben.

welche

unserer

Aber solche Unfälle,

die keiner Flotte erspart bleiben, können das Gewicht der Gründe,

welche

eine rasche Erhöhung unserer Wehrkraft zur See verlangen, nur vermehren.

Der zur Regelung dieser beschleunigten Entfaltung bestimmte Gründungsplan unterliegt der abschließenden Beratung Meiner Regierung. Das Bedürfnis

einer allgemeinen Reform der Bundesverfassung hat

neuerlich auch im Kreise der deutschen Regierungen von verschiedenen (Seiten Anerkennung

ausdrückliche

Preußens,

gefunden.

Treu

den nationalen

Traditionen

wird Meine Regiemng unablässig zu gunsten solcher Reformen

zu wirken bemüht sein, welche den wirllichen Machtverhältnissen entsprechend,,

die Kräfte des

zusammenfassen

und Preußen

in den Stand setzen, den Interessen des Gesamt-Vaterlandes

mit erhöhtem

deutschen Volkes energischer

Nachdruck förderlich zu werden. Zu Meinem lebhaften Bedauern ist der Verfassungsstreit in Kurhessen

noch nicht geschlichtet.

Ich will jedoch, selbst den letzten Ereignissen gegen­

über, an der Hoffnung festhalten, daß den Bemühungen Meiner Regierung, welche fortwährend auf Wiederherstellung der Verfassung von 1831, unter Abänderung der den Bundesgesetzen widersprechenden Bestimmungen der­ selben, gerichtet sind, der endliche Erfolg nicht fehlen wird.

Meine und die Kaiserl. österreichische Regierung

sind mit der Königl.

dänischen Regierung auf deren Wunsch in vertrauliche Unterhandlungen ein­

getreten, um

vorläufige Grundlage für eine Verständigung zwischen

eine

dem deutschen Bunde und Dänemark über die Frage der Herzogtümer zu gewinnen. Wir halten dabei sowohl an dem Bundesrecht als an bestimmten

internafionalen Vereinbarungen fest, und es gereicht Mir zur lebhaften Ge­ nugthuung, daß hierin das vollste Einverständnis

nicht nur zwischen Mir

und dem Kaiser von Österreich, sondern auch zwischen Uns und allen Unsern übrigen deusschen Bundesgenossen besteht.

Meine Herren!

Sie sind berufen, im Verein mit Meiner Regierung

die Gesetzgebung, welche in einer großen Zeit begonnen wurde, weiter zu führen. Wie jene Reformen bestimmt waren, dem Patriotismus des preußischen Volkes

ein größeres Feld der Bethätigung zu eröffnen und dadurch

dessen Aufschwung

vorzubereiten, so

erwarte Ich von der gegenwärtigen

Fortführung jener Gesetzgebung die gleiche Wirkung.

1862.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

Die Entwickelung und der Größe

unserer Institutionen muß

stehen.

unseres Vaterlandes

im Dienste

Niemals

der Kraft

kann Ich

zulassen,

inneren Staatslebens das Recht

daß die fortschreitende Entfaltung unseres

der Krone,

35

in Frage stelle oder ge­

die Macht und Sicherheit Preußens

fährde. Die Lage

fordert einträchtiges

Europas

Zusammenwirken

zwischen

Mir und Meinem Volke. Ich zähle auf die patriotische Unterstützung seiner Vertreter.

19.

Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium'), Mittwoch, den 19. März 1862.

Ich beauftrage das Staats-Ministerium, wegen Ausführung der Wahlen

der Abgeordneten zum Landtage lichen Anordnungen zu treffen.

der Monarchie unverzüglich Es wird hierbei

die erforder­

die Aufgabe Meiner Be­

hörden sein, ebenso die gesetzlichen Vorschriften gewissenhaft zur Anwendung zu bringen, als auch den Wählern über

einen unzweideutigen Aufschluß dächtigungen

entgegenzutreten,

und

die

welche

Urteils zu verwirren bezwecken,

die Grundsätze Meiner Regierung

geben

zu

wie

sich

dem

Einflüsse von

Unbefangenheit

des

Ver­

öffentlichen

dies bei den letzten Wahlen ge­

zeigt hat. Ich

halte unabänderlich

an

fest

den

Grundsätzen,

welche Ich

am

8. November 1858 dem Staats-Ministerium eröffnet und seitdem wiederholt

vor dem Lande kundgegeben habe; sie werden, richtig aufgefaßt, auch ferner die Richtschnur Meiner

Regierung

irrtümlichen Auslegungen

Aber die daran geknüpften

bleiben.

haben Verwickelungen

erzeugt,

deren

glückliche

Lösung die nächste Aufgabe Meiner gegenwärtigen Regierung ist.

In weiterer Ausführung gebung und Verwaltung von

der

bestehenden Verfassung

aber ein heilbringender Fortschritt nur

gedacht werden,

besonnener und ruhiger Prüfung der Zeitlage,

zu befriedigen und

tungen zu

soll die Gesetz­

freisinnigen Grundsätzen ausgehen.

Es

kann

wenn man,

nach

die wirklichen Bedürfnisse

die lebensfähigen Elemente in den bestehenden Einrich­

benutzen weiß.

Dann

werden

die Reformen der Gesetzgebung

’) Das Ministerium Hohenzollern-Sigmaringen war am 11. März aufgelöst und durch

ein Ministerium

worden.

unter Vorsitz

des Prinzen

zu Hohenlohe-Ingelfingen ersetzt

36

Erstes Buch.

1858—1866.

einen wahrhaft konservativen Charakter tragen, während sie bei Übereilung,

und Überstürzung nur zerstörend wirken. Es ist Meine Pflicht und Mein ernster Wille, der von Mir be­

schworenen Verfaffung und den Rechten der Landesvertretung ihre volle Geltung zu sichern, in gleichem Maße aber auch die Rechte der Krone zu wahren und sie in der ungeschmälerten Kraft zu erhalten, welche für Preußen zur Erfüllung seines Berufes notwendig ist und deren Schwächung dem Vaterlande zum Verderben gereichen würde. Diese Meine Überzeugung ist, — Ich weiß es — auch in den Herzen Meiner Unterthanen lebendig,

und es kommt nur darauf an, denselben Meine wahre Gesinnung für deren

Wohl klar und offen darzulegen. In Bezug auf Meine auswärtige und insbesondere Meine deutsche

Politik halte Ich an dem bisherigen Standpunkte unverändert fest.

Das Staats-Ministerium hat dafür Sorge zu tragen, daß die vorstehend von Mir ausgesprochenen Grundsätze bei den bevorstehenden Wahlen zur

Geltung gebracht werden.

Dann darf Ich mit Zuversicht erwarten, daß

alle Wähler, welche Mir und Meinem Hause in Treue anhängen, Meine

Regierung in vereinigter Kraft unterstützen werden. Ich beauftrage das Staats-Ministerium, hiernach die Behörden mit An­

weisung zu versehen und allen Meinen Beamten ihre besondere Pflicht in

Erinnerung zu bringen. Berlin, den 19. März 1862. Wilhelm.

A. Prinz zu Hohenlohe, Graf v. Jtzenplitz.

von der Heydt,

v. Mühler.

v. Roon.

Graf v. Bernstorff.

Graf zur Lippe,

v. Jagow.

An das Staats-Ministerium.

20. Rede ;ur Eröffnung des Landtags, Montag, den 19. Mai 1862.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häufem des Landtags! Seine Majestät der König haben mir ’) den Auftrag erteilt, den Land­ tag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen. *) Ministerpräsident Prinz zu Hohenlohe-Jagelfingen.

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1862.

37

Die Regierung Sr. Majestät hält es für ihre Pflicht, Ihre Thätigkeit

in der heute

beginnenden

nehmen,

es

als

zur

Sitzungsperiode

nicht länger in

Anspruch

zu

Angelegenheiten

not­

gestalten sich fortschreitend günstiger.

Zu

der

Erledigung

dringendsten

wendig ist. Die Finanzen des Staates

den Kosten der Heeresorganisation hat es des in dem Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1861 in Aussicht genommenen Zuschusses aus

schätze nach

dem

inzwischen

dem Staats­

erfolgten Jahresabschlüsse nicht bedurft;

die

Mehreinnahmen dieses Jahres haben den Bedarf noch überstiegen.

Des Königs Majestät haben

zur

daß

genehmigt,

Erleichterung

des

Landes die Steuerzuschläge vom 1. Juli d. I. ab nicht weiter in Anspruch

genommen werden.

Aus den Ihnen ungesäumt vorzulegenden Staatshaus­

halts-Etats für die Jahre 1862 und 1863 werden Sie

hierdurch

im

entstehende Einnahme-Ausfall durch

Bereiche der

ersehen, daß der

zeitweilige

Einschränkungen

den Ausgaben

durch Ersparnisse an

Militärverwaltung,

für die Staatsschulden und durch höhere Einnahmen vollständig gedeckt wird

und daß

daneben noch Mittel zu nützlichen Verwendungen auf allen Ge­

bieten der Staatsverwaltung verfügbar bleiben. Die größere Spezialisierung

der

Einnahmen und Ausgaben

Staatshaushalts-Etats und die zeitige Vorlegung des Etats

werden Ihnen die Überzeugung

1863

gewähren,

in

den

für das Jahr

daß die Regierung Sr.

Majestät ausführbaren Anträgen der Landesvertretung

gern zu entsprechen

bereit ist. Die Ausführungsarbeiten

zur

anderweiten Regelung

der Grundsteuer

sind bis zum Abschluß des ersten wichtigen Stadiums, der vorläufigen Fest­

stellung des Klassifikationstarifes durch die Centralkommission, gelangt. Wiederholte Erwägungen haben haushalt

letzung

zwar

der

vorübergehend

weitere Ersparnisse in dem Militär­

ausführbar

Lebensbedingungen der

erscheinen

lassen.

Heeresorganisation können

schränkungen jedoch nur so lange stattfinden,

bis in

Ohne diese

Ver­ Be­

der Grundsteuer eine

neue Einnahmequelle sich eröffnet haben wird. Giebt die Regierung Sr. Majestät hierdurch Zeugnis, daß sie die Er­

ledigung der in früheren Sessionen erhobenen Bedenken bereitwillig anstrebt, so ist sie auch zu erwarten berechtigt, daß bei Beurteilung

unserer Armee-

Einrichtung und unserer Armee-Bedürfnisse die Rücksichten für die

auf der

ungeschmälerten Tüchtigkeit der Armee beruhende Unabhängigkeit und Sicher­

heit des Vaterlandes maßgebend sein werden.

Das auf die Verteidigung der deutschen Küsten gerichtete Streben Sr.

Erstes Buch. 1858-1866.

38

Majestät wird in den jetzt schwebenden kommissarischen Beratungen von Vertretern fast aller deutscher Staaten hoffentlich eine wesentliche Förderung.

finden.

Mit gleichem Interesse bleibt das

eifrige Bemühen der Königl.

Regierung der weiteren Entwickelung unserer Flotte zugewandt.

Die Eisenbahnen erfreuen sich eines steigenden Verkehrs. Die Regierung Sr. Majestät wird bestrebt sein, in denjenigen Teilen des Landes, welche

dieses Kommunikationsmittels noch entbehren, den Eisenbahnbau zu fördern. Es

wird Ihnen

eine

auf die Erweiterung des vaterländischen Eisenbahn­

netzes bezügliche Vorlage zugehen.

Die Landwirtschaft und der Gewerbfleiß werden auf der internationalen Ausstellung in London

den

ehrenvollen Rang behaupten, welchen

sie in

früheren Ausstellungen erworben haben. Die Verhandlungen über eine vertragsmäßige Regelung der Verkehrs­

verhältnisse

zwischen dem Zollverein und Frankreich

haben zu einer Ver­

ständigung geführt. Die Regierung Sr. Majestät ist dabei, im Einver­ ständnisse mit ihren Zollverbündeten, von der Überzeugung geleitet worden,

daß es nicht bloß darauf ankomme, dem Zollverein für seine Erzeugnisse, seine Schiffahrt und seinen Handel die Rechte der am meisten begünstigten

Nation in Frankreich zu sichern, sondem daß die Fortschritte der wirtschaft­ lichen Entwickelung und Erkenntnis

es erheischen, den Zollvereinstarif im

ganzen im Sinne der Verkehrsfreiheit umzugestalten. Daß die Aussicht auf eine solche Umgestaltung manche Besorgnisse er­

regen werde, war zu erwarten.

Es ist aber erfreulich,

daß diese Besorg­

nisse schon jetzt einer richtigen Erkenntnis der Vorteile, welche die Erweite­ rung des Marktes darbietet, zu weichen beginnen.

regiemngen

haben ihr Einverständnis bereits zu

damnter die Königl. sächsische

Mehrere Zollvereins-

erkennen gegeben, und

Regierung, welche durch den Umfang und

die Vielseitigkeit des eigenen Gewerbfleißes auf die Würdigung der gewerb­

lichen Interessen

vorzugsweise hingewiesen ist.

Wir zählen darauf, daß

auch die übrigen Zollvereinsregierungen, indem sie dem Gesichtspunkte der

Förderung der materiellen Interessen des Zollvereins treu bleiben, einem Werke ihre Zustimmung erteilen

werden, welches der Ausgangspunkt für

einen neuen Aufschwung in der wirtschaftlichen Entwickelung des Vereins

zu werden verspricht.

Außer den Verträgen mit Frankreich werden Ihnen Handels- und Schiffahrtsverträge mit der Pforte, mit Japan, China,

Siam und Chile,

sowie der Vertrag über Ablösung des Stader Zolles und einige mit deutschen

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

Regierungen

abgeschlossene

Militärkonventionen

1862.

zur

39 verfassungsmäßigen

Zustimmung vorgelegt werden. Die Unterhandlungen mit der Königl. dänischen Regierung haben noch

Ihr Erfolg wird davon abhängen, ob Däne­

zu keinem Ergebnis geführt. mark die Deutschland

gegenüber

durch

von

das Abkommen

1852

über­

nommenen Verpflichtungen zu erfüllen sich entschließen wird.

In der Frage der deutschen Bundesreform hält die Könrgl. Regiemng an dem Standpunkte fest, welchen sie eingenommen hat. In der kurhessischen

Verfassungsfrage

ist

es

unablässigen

den

Be­

mühungen der Regierung Sr. Majestät gelungen, bei fast allen deutschen Regierungen endlich der Überzeugung Anerkennung zu verschaffen, daß die Verfassung von 1831, ausschließlich der bundeswidrigen Bestimmungen der­ selben, wiederhergestellt werden muß, und Österreich hat sich zu diesem

Zwecke zu einem gemeinsamen Anträge am Bunde mit ihr vereinigt, dessen nunmehrige unverweilte Annahme zu erwarten steht. direkt

entgegentretende,

das Rechtsgefühl

diesem Anträge

Das

des Landes tief verletzende

neue

Wahlverfahren wird, dem ausdrücklichen Verlangen Preußens und dem von der Bundesversammlung an die Kurfürstliche Regierung gerichteten Ersuchen

gemäß, nicht scheidung

zur Durchführung

nunmehr

kommen.

Daß

auch die schließliche Ent­

zu gunsten der Verfassung von

ohne weitere Zögerung

1831 erfolge, dafür wird die Regierung Sr. Majestät Sorge tragen.

In

Bezug auf einen hierbei eingetretenen Jncidenzfall sieht die Regierung Sr. Majestät noch bestimmten Erklärungen der Kurfürstlichen Regierung entgegen

und wird in jedem Falle die Würde Preußens zu wahren wissen.

Für Wissenschaft und Kunst

werden

größere Mittel in Anspruch ge­

nommen, welche Sie gern bewilligen werden.

Die

organischen Gesetze,

Monarchie vorgelegt waren,

deren Entwürfe dem

letzten

Landtage

der

werden erst während der im nächsten Winter

zu eröffnenden Sitzungsperiode des Landtags zur Erledigung gelangen können.

Die Regiemng Sr. Majestät

hält

fest

an

den prinzipiellen Grund­

lagen, auf welchen jene Gesetzentwürfe beruhen, und wird dieselben in diesem

Sinne durchzuführen bestrebt sein.

wortlichkeit der Minister und

Die Gesetzentwürfe,

die Kreisordnung,

betr.

werden

die Verant­

der bereits

be­

gonnenen Beratung nicht entzogen werden. Meine Herren! Die Regiemng wird, unbeirrt durch den Drang wechseln­ der Parteiungen

mit

kannten Gmndsätze,

Regentschaft und

Ernst und

Eifer bemüht sein,

welche Se. Majestät

der

König

die

allgemein

be­

bei Übemahme

der

seitdem wiederholentlich den Räten der Krone als Richt-

40

Erstes Buch. 1858-1866.

schnür für die Verwaltung des Landes bezeichnet haben,

betretenen Wege durchzuführen.

die Rechte der Krone,

auf dem

bisher

Sie wird, diesen Grundsätzen gemäß, wie

so auch die verfassungsmäßigen Rechte der Landes­

vertretung gewissenhaft wahren.

Sie giebt sich aber auch der Hoffnung hin,

daß Sie, meine Herren, ihr bei den zur Aufrechterhaltung der Ehre und

Würde Preußens, sowie zur Förderung aller Zweige

friedlicher Thätigkeit

nötigen Maßregeln Ihre patriotische Unterstützung nicht versagen werden.

Auf Befehl Sr. Majestät des Königs erkläre ich nunmehr den Land­ tag der Monarchie für eröffnet und ersuche die Mitglieder des Herrenhauses,

ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, die Mitglieder des Abgeordnetenhauses

aber, zur Konstituierung ihrer Versammlung zu schreiten.

21. Hebex) ;um Schluß des Landtags, Montag, den 13. Oktober 1862.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Regierung Sr. Majestät des Königs hat Ihnen bei dem Beginn

Ihrer Berathungen die Gründe dargelegt, welche sie bewegen mußten, Ihre Thätigkeit nur für die Erledigung der dringendsten Angelegenheiten in An­ spruch zu nehmen.

Die Ihnen gemachten Vorlagen haben sich daher vor­

nehmlich auf die Finanzgesetze für die lanfende Verwaltung, auf eine Reihe

von Staatsverträgen und mehrere Gesetzentwürfe beschränkt, deren baldige

Genehmigung im Interesse der materiellen Wohlfahrt des Landes wünschens­ wert erschien.

Unter den vorgelegten Verträgen ist der mit Frankreich

abgeschlossene

Handels- und Schiffahrtsvertrag von hervorragender Wichtigkeit.

In der

einmütigen Zustimmung, welche Sie demselben, sowie dem Gesetze über die Eingangs- und Ausgangsabgaben erteilt haben,

erkennt die Regierung Sr.

Majestät des Königs eine Bürgschaft dafür, daß die wirtschaftlichen Gmndsätze, auf welchen der Vertrag beruht, fortan die Grundlage der Handels­

politik Preußens bilden werden.

Diese in der

Notwendigkeit der Ent­

wickelung des freien Verkehrs begründete Politik ist dem preußischen Staate durch

seine Interessen und seine Traditionen

vorgezeichnet und auch

von

einem Teile seiner Zollverbündeten als dem Bedürfnisse des gesamten Zoll­

vereins entsprechend bereits anerkannt. *) Ministerpräsident v. Bismarck.

1862.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

41

Zur Sicherung und Erweiterung unseres Handels mit dem Auslande

werden die

von Ihnen

genehmigten Verträge mit Japan,

der Pforte und Chile beitragen,

China, Siam,

die Ablösung des Stader Zolles

während

und die Einstellung der Erhebung der Mosel-Schiffahrts-Abgaben dem innern

wie dem äußern Verkehr zum Vorteil gereichen.

Durch das Gesetz

wegen Aufhebung des Orts-Brief-Bestellgeldes ist

dem brieflichen Verkehr eine erwünschte Erleichterung zugewendet worden. Das Gesetz über die Bergwerksabgaben gewährt dem inländischen Berg­

bau eine wesentliche Unterstützung, und es steht zu erwarten, daß derselbe mit dieser Aushilfe

eine

gewinnen und damit die Be­

erhöhte Kräftigung

sorgnisse wegen einer erweiterten Konkurrenz der

ausländischen Berg- und

Hüttenindustrie sich zerstreuen werden.

Durch die Bewilligung von Küstrin nach Berlin und

der Mittel zur

Herstellung der Eisenbahnen

von Kohlfurt und Görlitz nach Waldenburg,

sowie durch die Gewähmng der Zinsgarantie für die Anlage

einer Eisen­

bahn von Halle nach Heiligenstadt und Kassel ist die Ausführung wichtiger Eisenbahnverbindungen

ermöglicht,

welche den allgemeinen Verkehr fördem

und zur Hebung des Wohlstandes

in mehreren, der Aufschließung

neuer

Erwerbsquellen bedürftigen Landesteilen beitragen werden.

Den mit den

Regierungen

der Herzogtümer

Sachsen-Koburg-Gotha

und Sachsen-Altenburg und des Fürstentums Waldeck abgeschlossenen Militär­

konventionen haben Sie Ihre Zustimmung

gewährt, indem Sie sich

mit

dem Bestreben der Regierung einverstanden erklärten, auf diesem Wege den

Mängeln der deutschen Bundes-Kriegs-Verfassung wenigstens zu einem Teile

abzuhelfen. Wenn dagegen bei dem Gesetzentwurf über das Paßwesen eine Über­

einstimmung der

beiden Häuser des

können, so bleibt zu bedauern,

schub erleidet.

Landtags nicht

hat erreicht

werden

daß die damit bezweckte Reform einen Auf­

Die Regierung Sr. Majestät wird jedoch im Verwaltungs­

wege die zulässigen, den gegenwärtigen Verhältnissen des Reiseverkehrs ent­

sprechenden Erleichterungen herbeiführen. Die Regierung

Sr. Majestät

des Königs

hat zu beklagen, daß die

Beratungen über den Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1862 zu einer ge­ setzlichen Feststellung desselben nicht geführt haben.

Sie

glaubt seit dem

Beginn der Session ihre Bereitwilligkeit bethätigt zu haben, ans alle An­

träge der

Landesvertretung,

welche sie

ohne Benachteiligung

Staatsinteressen für ausführbar halten durfte,

einzugehen.

wesentlicher

In diesem Be­

streben wurde der Staatshaushalts-Etat für das laufende Jahr in einer sehr

42

Erstes Buch. 1858-1866.

ausgedehnten Spezialität

der Titel und

1863, damit auch

dieser noch

könnte,

Durch

vorgelegt.

des Landes

auf das

zugleich

der Etat für

das Jahr

vor Ablauf des Jahres festgestellt werden

den Fortfall der Steuerzuschläge sind die Lasten

frühere Maß

zurückgeführt und

dieser Ausfall der

Staatseinnahmen vornehmlich durch eine erhebliche Ermäßigung der Militär­

ausgaben ausgeglichen worden. Dagegen hat die Regierung Sr. Majestät des Königs den Beschlüssen des Hauses

der Abgeordneten, nach

wendeten Kosten

welchen die

Ausgaben für das laufende Jahr abgesetzt

können.

größtenteils

bereits ver­

der Reorganisation des Heeres und andere unentbehrliche

Sie würde sich

einer

werden sollten,

schweren Pflichtverletzung

nicht beitreten

schuldig

machen,

wenn sie die auf Grund der früheren Bewilligungen der Landesvertretung

der Heeresverfassung unter Preisgebung der dafür

ausgeführte Umformung

gebrachten beträchtlichen Opfer

und

mit Beeinträchtigung der Machtstellung

Preußens, dem Beschüsse des Hauses gemäß, rückgängig machen wollte. Nachdem der Gesetzentwurf über den Staatshaushalts-Etat für das Jahr

1862 in

der von dem Abgeordnetenhause

beschlossenen Feststellung

seiner Unzulänglichkeit von dem Herrenhause verworfen worden,

wegen

findet sich

die Regierung Sr. Majestät des Königs in der Notwendigkeit, den Staats­

haushalt

ohne die in

müssen.

Sie ist sich

der Verfassung vorausgesetzte Unterlage

führen zu

der Verantwortlichkeit in vollem Maße bewußt,

für sie aus diesem beklagenswerten Zustande erwächst;

der Pflichten eingedenk,

welche ihr gegen

das Land

sie

ist

obliegen,

aber

die

ebenso

und findet

darin die Ermächtigung, bis zur gesetzlichen Feststellung des Etats die Aus­ gaben zu bestreiten, welche zur Erhaltung der bestehenden Staatseinrichtungen

und zur Förderung der Landeswohlfahrt notwendig sind, indem sie die Zu­ versicht

hegt, daß dieselben seiner Zeit die nachträgliche Genehmigung

halten werden. Die Regierung durchdrungen,

Sr. Majestät des

Königs

ist

von

er­

der Überzeugung

daß eine gedeihliche Entwickelung unserer Verfassungsverhält­

nisse nur dann erfolgen kann, wenn jede der gesetzlichen Gewalten ihre Be­ fugnisse mit derjenigen Selbstbeschränkung ausübt, welche durch die Achtung

der gegenüberstehenden Rechte und durch das verfassungsmäßige Erfordernis der freien Übereinstimmung der Krone und eines jeden der beiden Häuser des Landtags geboten ist.

Die Regierung Sr. Majestät zweifelt nicht, daß

die Entwickelung unseres Verfassungslebens an der Hand der Erfahrung auf diesem Wege fortschreiten und daß auf dem Grunde der gemeinsamen Hin­ gebung für die Macht und Würde der Krone und für das Wohl des Vater-

43

1862.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

landes auch die jetzt hervorgetretenen Gegensätze

ihre Ausgleichung finden

werden. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier­ mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.

22.

Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium. Sonnabend, den 6. Dezember 1862.

Es sind Mir aus

den verschiedenen Teilen

der Monarchie zahlreiche

Adressen zugekommen, welche aus dem Wunsche und Bedürfnisse vieler her­ vorgegangen sind, Mir von den im Lande fortdauernden Gesinnungen un­ geschwächter

Treue und

Deputationen

zu

Ergebenheit Zeugnis

überreichten Adressen

geben.

Mir

Die

von

habe Ich unmittelbar beantwortet;

in

betreff der übrigen aber beauftrage Ich das Staats-Ministerium, den Teil­

nehmern

kundzuthun,

daß

Herzen wohlgethan hat,

es Meinem

Erklärungen ebensosehr den lebendigen Ausdruck

in

ihren

der Anhänglichkeit an das

angestammte Herrscherhaus und eine vertrauensvolle Würdigung Meiner seit fünf Jahren dem Volke vorliegenden landesväterlichen Absichten zu erkennen, als die Überzeugung von der Notwendigkeit der Erhaltung des verfassungs­

mäßigen Königlichen Regiments besondere

mit

Befriedigung

ausgesprochen

wahrgenommen,

zu

finden.

Ich

habe ins­

die Reorganisation

daß

der

Armee, welche lediglich in der gesetzlichen allgemeinen Wehrpflicht begründet ist, als eine zweckmäßige, die ältern Wehrpflichtigen erleichternde und dennoch

für die dauernde und

größere

Kriegsbereitschaft

Maßregel eine zunehmende Anerkennung

gewinnt.

des Landes

Es

unerläßliche

bestärkt Mich

dies

in der Hoffnung, daß eine richtige Auffassung Meiner, nur der Wohlfahrt

Meines Volkes

gewidmeten

Bestrebungen

zu

einer

baldigen

Lösung

der

schwebenden Verwickelungen führen und das gegenseitige Vertrauen befestigen

wird, in

welchem Preußen die Kraft

gefunden

hat,

unter der Führung

Meiner Vorfahren auch die schwersten Kämpfe ruhmvoll zu bestehen. Berlin, den 6. Dezember 1862.

Wilhelm. An das Staats-Ministerium.

v. Bismarck.

44

Erster Buch. 1858-1866.

23. Rede ptr Eröffnung -es Landtags, Mittwoch, den 14. Januar 1863.

Erlauchte, edle und geehrte Herrm von beiden Häusern des Landtags. Se. Majestät der König haben mir *) den Auftrag zu erteilen gemht,

den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.

Die Regierung Sr. Majestät begrüßt Sie mit dem lebhaften Wunsche, daß es in dieser Sitzungsperiode des Landtags gelingen möge, über die im

vorigen Jahre ungelöst gebliebenen Fragen eine dauemde Verständigung

herbeizuführen.

Es wird dieses Ziel erreicht werden,

fassung der Stellung der Landesvertretung

wenn in der Auf­

unsere Verfassung

als die ge­

gebene Grundlage festgehalten wird, und wenn die gesetzgebenden Gewalten unter gegenseitiger Achtung ihrer verfassungsmäßigen Rechte in der Förderung der Macht und Wohlfahrt des Vaterlandes ihre gemeinsame Aufgabe finden.

Unter den Gegenständen, welche Sie beschäftigen werden, tritt die Fest­

stellung des Staatshaushalts-Etats in den Vordergrund.

Die Lage der Finanzen darf als eine durchaus befriedigende bezeichnet

werden. Die Staatseinnahmen sind im verflossenen Jahre so ergiebig gewesen,

daß sie den Voranschlag bei den meisten Verwaltungszweigen ansehnlich

überstiegen haben und die Mittel darbieten werden, die Staatsausgaben des

vorigen Jahres mit Einschluß aller außerordentlichen Bedürfnisse vollständig zu decken. Das in dem Entwürfe zum Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1862 veranschlagte Defizit wird daher, wie schon bei der Beratung dieses

Etats in Aussicht gestellt wurde, in der Wirklichkeit nicht Eintreten.

In Ermangelung eines gesetzlich festgestellten Staatshaushalts-Etats für das Jahr 1862 hat die Königliche Regiemng in erhöhtem Maße ihr Augen­

merk darauf gerichtet, die Verwaltung mit Sparsamkeit zu führen; sie hat

jedoch nicht unterlassen dürfen, alle diejenigen Ausgaben zu bestreiten, welche zur ordnungsmäßigen Fortführung der Verwaltung, sowie zur Erhaltung

und Fördemng der bestehenden Staatseinrichtungen und der Landeswohl­ fahrt notwendig gewesen sind.

Sobald der Rechnungsabschluß gefertigt ist,

wird die Regiemng eine Vorlage über die Staatseinnahmen und Ausgaben des

abgelaufenen Jahres

einbringen und

die nachträgliche

Genehmigung,

beider Häuser des Landtags zu den geleisteten Ausgaben beantragen.

*) Ministerpräsident von Bismarck.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

45

1863.

Der Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1863 wird Ihnen von neuem

Die Ansätze desselben sind nach den inzwischen gemachten

vorgelegt werden.

Erfahrungen anderweitig geprüft und

in einzelnen Positionen den Verhält­

nissen entsprechend berichtigt worden.

Infolgedessen hat das Defizit, welches

der frühere Etatsentwurf ergiebt, angemessen vermindert werden können.

Im

Hinblick auf die Ergebnisse des Staatshaushalts im verflossenen Jahre und bei der Vorsicht, mit welcher die Staatseinnahmen veranschlagt sind, erscheint

die Hoffnung Wohl begründet,

daß

dieses Defizit, wie in

auch

den Vor­

jahren, durch Mehreinnahmen über den Etat seine vollständige Ausgleichung finden werde.

Die Aufstellung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr 1864 ist so­ weit vorgeschritten, daß der Abschluß in kurzem bevorsteht, und die Staats­ regierung wird denselben alsbald zu Ihrer Beratung gelangen lassen. Die Ausführung des Gesetzes wegen anderweiter Regelung der Grund­

steuer ist in

erfreulicher Weise vorgeschritten

Hälfte der Gesamtfläche des

und es hat bereits etwa die

preußischen Staates zur Einschätzung gebracht

Ebenso ist auch inzwischen die Veranlagung der Gebäude­

werden können.

steuer in Angriff genommen worden.

in Erfüllung

Die Regierung Sr. Majestät wird sicherung Ihnen

der gegebenen Zu­

einen Gesetzentwurf zur Abänderung und Ergänzung des

Gesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. September 1814 vorlegen.

Sie giebt sich

Heeres, zu

deren

durch die

die

Machtstellung Preußens

Interesse der

hin, daß die Reorganisation des

der Hoffnung

Aufrechterhaltung

gesetzliche Feststellung

der

Regierung Sr. Majestät sich im

einmütig

verpflichtet

erachtet,

auch

zu ihrer Durchführung erforderlichen

Ausgaben nunmehr ihren vollständigen Abschluß gewinnen werde. Die nahe bevorstehende Wiederkehr des Jahrestages, an dem vor fünfzig

Jahren der

denkwürdige

Aufruf des in Gott ruhenden Königs Friedrich

Wilhelm des ®ritten Majestät an Sein Volk zur Verteidigung des Vater­ landes ergangen ist, enthält eine dringende Mahnung, der Hilfsbedürftigsten unter den noch lebenden Mitkämpfern jener

glorreichen Zeit zu gedenken

und es werden Ihnen deshalb entsprechende Vorlagen zugehen. Die angemessene

dringendes Interesse Sr. Majestät wird

sichtigung

der

Erweiterung des

der

Marine

zur Bewilligung der

allgemeinen

muß fortgesetzt als

Landes angesehen werden, Finanzlage

und

die

ein

Regierung

für diesen Zweck unter Berück­

aufzuwendenden

Mittel Ihre Zu­

stimmung in Anspruch nehmen. Mit dankbarer Erhebung haben wir es

zu

erkennen, daß durch die

Erstes Buch. 1858—1866.

46

Gnade des Allmächtigen das Land mit einer befriedigenden Ernte gesegnet

Worden ist.

völlig

Die wirtschaftlichen Zustände deS Landes würden demnach ein

befriedigendes Bild darbieten, wenn nicht einzelne Industriezweige

unter den Wirkungen des Krieges in den Bereinigten Staaten von Nord­ amerika zu leiden hätten.

Der Gewerbfleiß und der Handel müssen zwar noch der Vortelle entbehren, welche sie infolge der Handelsverträge mit Frankreich zu erwarten

berechtigt waren; es steht jedoch für die Regierung Sr. Majestät der Ent­ schluß fest, daß denselben diese Vorteile nicht über den Zeitpunkt hinaus vorenthalten bleiben sollen, zu welchem die Verpflichtungen lösbar werden,

die gegenwärtig noch der Ausführung jener Verträge entgegenstehen. Die Regierung Sr. Majestät ist mit Eifer und Nachdruck dahin zu

wirken bemüht,

versehen werden,

daß allmählich auch diejenigen Landesteile mit Eisenbahnen

welche dieses wichtigen Kommunikationsmittels noch nicht

teilhaftig geworden

sind.

Sie hat die Privatunternehmungen,

dieser Richtung in Anregung

auch

welche in

gekommen, nach Kräften gefördert und hofft

in dieser Sitzungsperiode Ihnen wegen Herstellung

neuer Schienen­

verbindungen, die in der Vorbereitung begriffen sind, Vorlagen machen zu

können.

Durch Verbesserung der Deichanlagen und durch

Entwässerung von

Mederungen ist die Regierung Sr. Majestät fortgesetzt bemüht gewesen, die nutzbare Bodenfläche zu vermehren und cs

sind auch

im einzelnen erfreu­

liche Erfolge erzielt worden. Nicht minder hat die Königliche Regierung der Förderung der Wissen­

schaft und Kunst ihre angelegentliche Fürsorge gewidmet und bezweifelt nicht, daß Sie die für diese Zwecke

im Etat ausgesetzten Mittel

gem bewilligen

werden.

Es werden mehrere Gesetzentwürfe Ihrer Prüfung übergeben werden, welche teils provinzielle Interessen betreffen, teils die Abänderung der Ge­ setzgebung für einzelne besondere Rechtsgebiete bezwecken, und unter letzteren auch

ein Gesetzentwurf zur Ergänzung der deutschen Wechselordnung und

der Entwurf eines Gesetzes über die Gerichtsbarkeit der Konsuln, für welche

von dem Hause der Abgeordneten in der letzten Sitzungsperiode eine gesetz­

liche Regulierung beantragt worden. Die Lage der Verhandlungen über den Entwurf einer Kreisordnung,

welcher im vorigen Jahre dem Landtage der Monarchie vorgelegt wurde, hat es ratsam erscheinen lassen, zur näheren Erörterung provinzieller Ver­

hältnisse auf

diesem Gebiete zuvörderst noch die Provinzialstände zu ver-

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

nehmen.

An diese Gutachten

1863.

47

werden sich weitere Vorberatungen knüpfen,

welche es jetzt nicht übersehen lassen, ob ein Gesetzentwurf über diesen wich­

tigen Gegenstand die nach

alsbald

werde vorgelegt

Desgleichen ist

werden können.

dem bisherigen Gange der legislativen Verhandlungen für not­

wendig erachtete anderweitige sorgfältige Prüfung des Bedürfnisses zur Ab­

änderung

der

Gesetze

über

die ländliche Polizeiverfassung und

über die

Kommunalverfassungen in den verschiedenen Provinzen der Monarchie noch

nicht soweit zum Abschluß gelangt,

daß

gegenwärtige Sitzung

Vorlagen für die

die dem Landtage

zu machenden

mit Sicherheit in Aussicht gestellt

werden könnten.

Die Regierung Sr. Majestät wird jedoch die erforderliche Fortbildung

den bezeichneten weitgreifenden Gebieten zum Gegen­

der Gesetzgebung auf

stände ihrer unausgesetzten Thätigkeit machen.

Die

Beziehungen

der

Sr. Majestät zu den auswärtigen

Regierung

Mächten sind im allgemeinen befriedigende. Den nachhaltigen Bemühungen der Königlichen Regierung ist

es ge­

lungen, die von ihr in Hessen vertretene Politik sowohl bei der Kurfürstlichen

als bei den andern deutschen Regierungen zur Geltung zu bringen und so dem benachbarten Kurstaate Aussichten auf eine geordnete Entwickelung seines

Verfassungslebens zu gewähren,

auch durch die neuesten aus Kassel

welche

gemeldeten Vorgänge nur vorübergehend getrübt werden können. In Verfolg der von einer Anzahl deutscher Bundesregierungen an das

Königliche Kabinet gerichteten identischen Noten vom Monat Februar v. I.

sind von denselben Regierungen in der Bundesversammlung Anträge gestellt

worden,

welche

weniger durch

ihren Inhalt,

als

die auf sie an­

durch

gewandte Auslegung der Bundesverträge eine prinzipielle Bedeutung für die Stellung Preußens

gierung ist

auch

zum

Bundestage

ihrerseits

von

erlangt haben.

der Überzeugung

Die Königliche Re­

durchdrungen, daß

die

Bundesverträge in der Gestalt,

wie sie 1815 geschlossen wurden, den ver­

änderten Zeitverhältnissen nicht

entsprechen.

der Pflicht bewußt und entschlossen, dieser Pflicht als Vorbedingung

Vor

allem

aber ist sie

sich

die volle Gegenseitigkeit in Erfüllung

des Fortbestandes

solcher Verträge zu be­

handeln. Die Regierung Sr. Majestät wird

ratungen von dem

ernsten Bestreben

in der Teilnahme

an Ihren Be­

das

einmütige Zu­

geleitet

werden,

sammenwirken mit den beiden Häusern des Landtags zu erreichen,

welches

als eine wesentliche Bedingung für die lebensvolle Entwickelung aller staat­ lichen Verhältnisse

betrachtet werden

muß.

Ein segensreicher Erfolg

der

Erstes Buch. 1858-1866.

48

gemeinschaftlichen Thätigkeit wird von

der

allseitigen Hingebung für das

Wohl des Landes und die Ehre der Krone erwartet werden dürfen. Auf Befehl Sr. Majestät des Königs

erkläre

ich

den Landtag der

Monarchie für eröffnet.

24. Allerhöchster Erlaß an das Abgeordnetenhaus, Dienstag, den 8. Februar 1863. Ich habe die Adresse, 29. v. M. an Mich

zu

welche das Haus der Abgeordneten unter dem

richten

beschlossen hat,

empfangen.

Ihr Inhalt

sowohl als der Weg, auf welchem dieselbe Mir zugegangen ist, lassen Mich

glauben,

es

daß

denr Hause darum

zu

thun ist,

schauung und Willensmeinung kennen zu lernen. Vermittelung Meiner Minister,

Meine persönliche An­

Deshalb richte Ich, ohne

Mein königliches Wort

an das Haus

der

Abgeordneten. Die Adresse des

Hauses

bekundet

einen tiefgreifenden Gegensatz in

zu Meiner Regierung.

wird

Es

der Stellung

die Anschuldigung

gegen

Meine Minister erhoben, daß sie nach dem Schluß der letzten Sitzungs­ periode des

Landtags

verfassungswidrig

die Verwaltung ohne gesetzlichen

Etat fortgeführt, daß sie auch solche Ausgaben, welche durch Beschlüsse des

Hauses ausdrücklich abgelehnt worden seien,

Verletzung des Artikel 99

verfügt und sich dadurch einer

der Verfassungsurkunde schuldig gemacht hätten.

Zwar hat das Haus der Abgeordneten mit Recht jeden Zweifel an Meinem ernsten und gewiffenstreuen Willen,

erhalten, ausgeschlossen,

die Verfassung des Landes aufrecht zu

dasselbe hat aber Anordnungen Meiner Regiemng,

welche mit Meiner Genehmigung getroffen worden, als Thatsachen zur Be­ gründung der Beschwerde über Verfassungsverletzung angeführt. Ich würde jene Anordnungen nicht zugelassen haben, wenn Ich darin

eine Verfassungsverletzung hätte erkennen können, und muß die gegen Meine

Regierung erhobene Beschuldigung als unbegründet aus voller Überzeugung

zurückweisen. Das

Haus der Abgeordneten hatte von

seinem

verfassungsmäßigen

Rechte der Mitwirkung bei Feststellung des Staatshaushalts in einer Weise Gebrauch gemacht, daß es Meiner Regierung, wie dieselbe dies ohne Rück­

halt wiederholl

ausgesprochen

hatte,

unmöglich

war, den unausführbaren

Beschlüssen des Hauses ihre Zustimmung zu erteilen.

Sein gleichfalls ver-

1863.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

49

fassungsmäßiges Recht ausübend, hatte das Herrenhaus den vom Hause der Abgeordneten

bis

zur Unausführbarkeit abgeänderten Staatshaushalts-Etat

für das Jahr 1862 abgelehnt. Da nun die Feststellung

dieses Etats

nach der Vorschrift der Ver­

fassung für die vorjährige Sitzungsperiode des Landtags unmöglich geworden war, und

da die Verfassung

enthält, so

ist

es

für

unverständlich,

einen solchen Fall keine Bestimmungen

wenn das Haus

der Abgeordneten eine

Verfassungsverletzung darin erkennen will, daß Meine Regierung waltung ohne gesetzlich festgestellten Etat fortgeführt hat.

die Ver­

Ich muß es viel­

mehr als eine Überschreitung der verfassungsmäßigen Befugnisse des Hauses

der Abgeordneten

bezeichnen,

wenn das

Haus seine einseitigen Beschlüsse

über Bewilligung oder Verweigerung von Staatsausgaben als definitiv maß­ betrachten will.

gebend für Meine Regierung Recht der Ausgabebewilligung

als

Die Adresse

das oberste Recht

bezeichnet das

der Volksvertretung.

Auch Ich erkenne dies Recht an und werde es achten und wahren, soweit es in der Verfassung

seine Begründung findet.

Ich muß aber das Haus

darauf aufmerksam machen, daß nach der Verfassung die Mitglieder beider

Häuser des Landtags das Volk vertreten und der Staatshaushalts-Etat nur durch Gesetz, nämlich durch einen von Mir genehmigten, übereinstimmenden Beschluß beider Häuser des Landtags der Monarchie festgestellt werden kann. War eine solche Übereinstimmung nicht zu erreichen,

so war es die Pflicht

der Regierung, bis zur Herbeiführung derselben die Verwaltung ohne Stö­

rung fortzuführen.

Sie hätte unverantwortlich

gehandelt,

hätte

sie

dies

nicht gethan. Wenn die Adresse aber ausführt, daß die neue Session begonnen habe,

ohne daß Meine Regierung die Aussicht

eröffnet

zurückzukehren und

habe,

die

durch thatsächliches Entgegenkommen auch nur zu einer

geregelten Handhabung der Finanzen

Heereseinrichtungen

auf

gesetzliche Grundlagen

stützen, so muß Mich das im höchsten Grade befremden.

zu

Denn es ist dabei

gänzlich mit Stillschweigen übergangen, daß in der Eröffnungsrede des all­ gemeinen Landtags der Monarchie die Vorlage des Budgets pro 1863 und

1864, die Vorlage einer Ergänzung zum Gesetze vom 3. September 1814 über die Verpflichtung zum Kriegsdienste angekündigt worden und außerdem

behufs nachträglicher Genehmigung

durch

das Haus der Abgeordneten die

Vorlegung der Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben

pro 1862 zu­

gesagt worden ist, welche zu dem von Meinem Finanzminister angegebenen

Zeitpunkte erfolgen wird.

Wie kann das Haus der Abgeordneten sich danach

der Einsicht verschließen, daß Meine Regierung es Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

sich dringend angelegen

4

Erstes Buch. 1858-1866.

50

sein läßt, die Finanzverwaltung des Staates sobald als möglich wieder auf eine gesetzliche Basis zu stellen?

Konflikts

von

Veranlassung

des

eingetretenen

städtischen Korporationen und

aus

der Mitte der Bewohner vieler Kreise

Wenn

in

mehreren

des Landes Mir zahlreiche Adressen überreicht worden sind, in denen die Unterzeichner Mir ihre persönliche Ergebenheit und ihre Zustimmung zu den

Anordnungen Meiner Regierung ausgedrückt haben, so hat.es Mich unan­ genehm berührt, dieselben in der Adresse des Hauses der Abgeordneten als

eine kleine, der Station seit lange entfremdete Minderheit bezeichnet zu sehen. Ich habe diese Kundgebungen aus

allen Ständen und Klassen Meiner ge­ empfangen und

treuen Unterthanen mit Befriedigung

muß

den Vorwurf,

daß die Teilnehmer in Treue und Hingebung für ihr preußisches Vaterland gegen andere zurückstehen, als ungerechtfertigt um so mehr zurückweisen, als

dem Hause der Abgeordneten nicht unbekannt geblieben sein kann, was Ich

auf jene Adressen

geantwortet und

wie Ich Meinen Dank persönlich aus­

gesprochen habe.

Das Haus der Abgeordneten

hat ferner eine Beschwerde über Miß­

brauch der Regierungsgewalt vorgetragen und zur Begründung derselben auf die Maßregeln Meiner Regierung

männer und auch

gegen einzelne Beamte und

gegen die Presse Bezug

genommen.

Landwehr­

Da hierbei jedoch,

wie

nicht behauptet worden, die gesetzlichen Befugnisse der Behörden in

Übung der Disziplin nicht überschritten worden sind und da über die vor­ gekommenen Ausschreitungen der Presse lediglich Unsere Gerichte zu erkennen

haben, so war der Landesvertretung keine hinreichende Veranlassung gegeben, sich mit den berührten Vorgängen zu beschäftigen und sie zum Gegenstand

ihrer Beschwerde zu machen.

Das Haus

der Abgeordneten

wird die in der

Verfassung

den ver­

schiedenen Gewalten gesetzten Schranken anzuerkennen haben; denn nur auf

dieser Grundlage ist eine Verständigung hinsichtlich derjenigen Gebiete mög­ lich,

auf welchen ein Zusammenwirken Meiner Regierung mit der Landes­

vertretung erforderlich ist.

Ich

beklage tief den Widerstreit der Ansichten,

der in betreff der Festsetzung des Staatshaushalts-Etats sich entwickelt hat. Es kann aber

eine Vereinbarung über den Etat nicht durch Preisgebung

der verfassungsmäßigen Rechte der Krone und des Herrenhauses erwirkt, es kann nicht,

weigerung

der Verfassung entgegen, das Recht der Bewilligung und Ver­ der Staatsausgaben ausschließlich

neten übertragen werden. Mich

vererbten und

Es ist

auf das Haus der Abgeord­

Meine landesherrliche Pflicht, die auf

verfassungsmäßigen

Machtbefugnisse der Krone

un-

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

geschmälert zu

bewahren,

1868.

51

weil Ich darin eine notwendige Bedingung für

die Erhaltung des inneren Friedens, für die Wohlfahrt des Landes und für das Ansehen Preußens in seiner europäischen Stellung erkenne. Nachdem Ich

seit

einem Jahre durch verminderte Anforderungen an

die Leistungen des Volkes, von nahezu vier Millionen, williges Eingehen auf

sowie durch bereit­

die ausführbaren Wünsche der Vertretung desselben

bewiesen habe, daß es Mir wahrhaft darum zu thun ist, eine Ausgleichung des Widerspruchs herbeizuführen, den Meine Regierungsmaßregeln im großen

wie im kleinen gefunden haben, erwarte Ich,

neten diese

Beweise des

daß das Haus der Abgeord­

nicht ferner unbeachtet lassen

Entgegenkommens

wird, und fordere dasselbe nunmehr auf, seinerseits Meinen landesväter­ lichen Absichten sein Entgegenkommen in

einer Art zu beweisen, daß das

Werk der Verständigung ermöglicht wird,

welches Meinem Herzen ein Be­

dürfnis ist, Meinem Herzen, dessen einziges Verlangen darauf gerichtet ist, das Wohl des preußischen Volkes zu fördern und dem Lande die Stellung zu erhalten, die eine glorreiche Geschichte durch treues Zusammenhalten von

König und Volk demselben angewiesen hat.

Berlin, den 3. Februar 1863.

Wilhelm.

25.

Worte des Königs bei Entgegennahme der Adresse des Herrenhauses, Sonntag, den 8. Februar 1863.

Es muß Meinem Herzen wohlthun, in der loyalen Adresse des Herren­ hauses, welche Sie Mir verlesen haben, die volle Übereinstimmung mit Meinen Gesinnungen

zu finden.

Ich erkenne mit Ihnen in der Rechts­

sicherheit und dem gleichen Rechtsschutze für alle die Grundlage des Staates

und aller öffentlichen Verhältnisse und werde die Wahrung des Rechts, un­

beschadet seiner nach

den Bedürfnissen des Staates

fortschreitenden Ent­

wickelung, stets als Meine erste und heiligste Pflicht betrachten.

dieser Grundlage in dem Widerstreit der Ansichten, Faktoren der Gesetzgebung hervorgetreten ist,

darf Ich erwarten, daß die Krisis, hinweist, ihre Lösung

auf

allseitig festgehalten wird,

fördern wird,

so

welche der Schluß Ihrer Adresse

zum Wohle des Vaterlandes

das Verständnis der Wege

Wenn an

welcher zwischen den

finden und gleichzeitig

auf welchen unser Verfassungs­

leben in regelmäßiger und gedeihlicher Entwickelung fortschreiten kann.

Es

wird dies Ziel von Meiner Regierung erstrebt werden, indem sie mit Festig4*

52

Erstes Buch.

1858—1866.

leit auf dem von ihr vertretenen Standpunkte beharrt, aber jeder persön­

lichen Annähemng, welche die Machtstellung Preußens im Auge behält, zu­

gänglich bleibt.

Ich danke dem Herrenhause für die Unterstützung,

welche

dasselbe Meiner Regierung zugesichert hat, und für die Hingebung und das

Vertrauen, von welchem das Haus in der Adresse Mir hat Zeugnis geben wollen.

26. Urkunde für den Grundstein ;um Denkmal Friedrich Wilhelms III. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc. rc. rc., thun

hierdurch kund und fügen zu wissen, daß Wir beschlossen haben, Unserem in

Gott ruhenden Herrn Vater, des Königs Friedrich Wilhelm III. Majestät, in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin ein Reiterstandbild in Erz zu errichten *).

Wir führen damit aus, was schon Unseres vielgeliebten Bmders und Vorgängers in der Krone, des weiland König Friedrich Wilhelm IV. Ma­ jestät, Absicht und Wunsch war, und danken Gott, daß es Uns vergönnt

ist, den unvergeßlichen Vater zu ehren, der mit Unserer verklärten Mutter heute segnend auf Uns und Unser Haus, auf Unser Land und Volk herabblickt.

Wir legen den Gmndstein zu des Königs Denkmal heute am 17. März

im Jahre des Heils 1863 als an dem Tage, wo Friedrich Wilhelm vor fünfzig Jahren Sein Volk „zum letzten entscheidenden Kampfe für sein

Dasein und seine Unabhängigkeit" in die Waffen rief.

Es ziemt sich dieser

Tag, um in dem Heimgegangenen Heldenkönig auch Sein Volk zu ehren, das,

von Ihm neben dem stehenden Heere in Landwehr und Landsturm orga­ nisiert, sich wie

ein Mann

erhob und mit seinem Blute den Wahlspruch

besiegelle, den ihm sein König gegeben: land!"

„Mit Gott für König und Vater­

Gott hat Unseres Königlichen Vaters und Seines Volkes Helden­

kampf mit Sieg und Frieden gekrönt.

Preußen und mit ihm Deuffchland

wurden frei von schmachvoller Abhängigkeit, und

auf dem festen Funda­

mente dieser selbstermngenen Unabhängigkeit, getragen von der einmütigen Liebe und

dem Vertrauen Seines Volkes, war Friedrich Wilhelm in den

Ihm dann noch beschiedenen langen Friedensjahren ein Vater Seines Landes.

Schon in den Zeiten der schwersten Bedrängnis hatte er, unterstützt von der Weisheit treuer Räte, die noch gebundenen Kräfte in der Ration frei *) Enthüllt wurde dasselbe am 16. Juni 1871.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

53

1863.

zu machen und zum selbstbewußten und selbständigen Dienst für gemeinsame

Zwecke des Vaterlandes heranzubilden und zu beleben gewußt.

nachdem der Bauernstand die Städteordnung

der

Jetzt wurden,

der Erbunterthänigkeit frei gemacht, durch

von

Bürgerstand

zur Selbstverwaltung seines Gemein­

wesens berufen war und in dem Kriege das Volk in Waffen die allgemeine

Wehrpflicht als seine Ehre anerkannt hatte, die gesamte Administration des Staates, die Heeresverfassung, die Abgaben- und Steuerverhältnisse mit dem dem Könige eigenen einfachen und praktischen Sinne neu und besser gestaltet.

die Stämme der

Unter der gemeinsamen großen Gesetzgebung lernten sich der wieder- und

alten,

der neueroberten Provinzen

Eines Reiches und Regiments

kennen und

als

lebendige Glieder

fühlen und

berechtigten landschaftlichen Besonderheiten durch

sahen doch ihre

die neu verliehenen

pro­

vinzialständischen Verfassungen gewahrt und berücksichtigt, der Zeit entgegen­ wartend, wo nach des Königs Absicht auch eine Gesamtverfassung des Staates eine gesegnete Wirklichkeit

werden könnte.

Weise Sparsamkeit seitens des

Königs, intelligentes Schaffen des Volkes in Ackerbau, Gewerbe und Handel ließen bald

die Wunden,

schlagen, vergessen; eröffnet;

die der Krieg

dem Wohlstand

neue Quellen des Erwerbs

und

des Absatzes wurden

der Zollverein, des Königs eigenster Gedanke,

strebungen für die materielle Wohlfahrt des Volkes

des Landes ge­

krönte Seine Be­

und war die Freude

und Ehre des Königs, der Sich als deutscher Fürst stolz fühlte und Seines Volkes Beruf für Deutschland nicht aus dem Auge ließ. Er wußte, daß des Volkes ganzer Beruf nur auf der Grundlage wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit und umfassender echter Bildung erfüllt werden

konnte.

Friedrich Wilhelm,

dessen Zeit mit Unruhe, dessen

Hoffnung in

Gott war, gab Gott die Ehre in Seiner Ehrfurcht und Seiner Liebe für

die Kirche.

Für die evangelische Kirche war Seines Herzens Wunsch Einig­

keit und Liebe auf dem Grunde des Wortes Gottes und des Bekenntnisses der Väter.

Die nachkommenden Geschlechter werden Ihm noch danken für

den Grund, den Er zur wahren Union gelegt. Landes fundierte Er fest in ihrem Bestände.

Die katholische Kirche Seines

Unter Seiner Regierung wurde

es erstrebt und zum großen Teil erreicht, daß keinem im Volke die Gelegen­

heit zur notwendigsten Bildung

Vaterlandes

gründete

Er in

fehlte;

in der Zeit der tiefsten Not des

der Universität

zu

deutscher Wissenschaft und in den ersten Jahren

Berlin

eine Pflanzstätte

des Friedens

eine gleiche

an der westlichen Grenze des gemeinschaftlichen Vaterlandes *).

Die Kunst

J) Bonn, gestiftet am 18. Oktober 1818.

Erstes Buch. 1858-1866.

54 verdankt

Ihm

Denkmäler,

großartige

reichliche

treffliche

Sammlungen,

Schulen.

Friedrich Wilhelm regierte ein wehrhaftes, treues und glückliches Volk.

Heute legen Wir, in Gemeinschaft mit der Königin, Unserer Gemahlin, umgeben von Unsern Brüdern und Schwestern und Unserem reichgesegneten

Königlichen Hause, umgeben

von den aus

dem

ganzen Lande zur Feier

Seines Gedächtnisses herbeigeeilten Rittern des Eisernen Kreuzes und anderen Waffengefährten

des Heldenkönigs, die,

von Ihm

geführt,

mit Ihm die

heißen Schlachten zur Befreiung des Vaterlandes geschlagen, umgeben

von

den Räten Unserer Krone, von den Vertretern Unseres Volkes und Heeres, in tiefem Dank für die große Vergangenheit und in festem Wollen und in ge­

wisser freudiger Zuversicht für die Zukunft Unseres Vaterlandes Stein

zu

dem Standbild

des

edlen Königs, welches,

den ersten

gerichtet gegen das

Schloß Seiner Ahnen, dereinst umgeben von den Bildsäulen Seiner treuesten Diener, in Unserer Haupt- und Residenzstadt auf

als

ein Denkmal Unserer Liebe

alle Zeiten dastehen soll

und Verehrung, dem Volke geweiht zur

Erinnerung und zur Mahnung, wie Gott Großes gethan durch Unseres in

Gott ruhenden Vaters Majestät und wie das Haus der Hohenzollern fest­

stehen wird zu Seinem Volk, Sein Volk zu Ihm. Gegenwärtige Urkunde haben Wir in zwei gleichlautenden Ausfertigungen mit Unserer Allerhöchsteigenhändigen Namensunterschrift

vollzogen und mit

Unserem größeren Königlichen Jnsiegel versehen lassen und befehlen Wir, die

eine in den Gmndstein des Denkmals niederzulegen, die andere in Unserem Staatsarchive aufzubewahren.

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin am siebenzehnten

März des Jahres Eintausendachthundertdreiundsechzig. (L. S.)

Wilhelm.

27. Allerhöchste Botschaft an das Abgeordnetenhaus, MitNvoch, dm 20. Mai 1863. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc., thun kund

und fügen hiermit zu wissen: Nachdem in der Sitzung vom 11. d. M. das Präsidium des Hauses

der Abgeordneten

den Anspruch erhoben hat,

ziplinargewalt zu unterwerfen und

Unsere Minister seiner Dis­

ihnen Schweigen zu gebieten,

sind da-

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1863.

55

durch die Rechte verletzt und in Frage gestellt worden, welche nach Art. 60

der Verfassungsurkunde Unseren Ministern zustehen.

Unser Staats-Ministerium hat, 11. und 16. d. M. gegen zu werden verlangte,

indem es durch

seine Schreiben

vom

ähnlicher Vorgänge sichergestellt

die Wiederkehr

dem Hause der Abgeordneten zugleich die wiederholte

Gelegenheit geboten, dem Vorgänge vom 11. d. M. jede störende Einwirkung

auf die gegenseitigen Beziehungen zu nehmen und ihn auf die Bedeutung eines vereinzelten Falles

zurückzuführen.

Das Haus

der Abgeordneten ist

diesem versöhnlichen Schritte seinerseits nicht entgegengekommen, sondern hat versagt und sich indirekt den von

die erbetene Erklärung

sidiums

am

11. d. M.

bethätigten

auf

Anspruch

eine

feiten des Prä­

Disziplinargewalt

über Unsere Minister angeeignet.

Ein solcher Anspruch entbehrt

können daß

der gesetzmäßigen Grundlage, und Wir

der Würde Unserer Regierung

es

Unsere

Minister

als

Vertreter

Hauses, unter Verzichtleistung

der

nicht

für entsprechend

Krone den

erachten,

Verhandlungen

des

auf die ihnen rechtlich zustehende und ver­

fassungsmäßig verbriefte selbständige Stellung gegenüber dem Hause der Ab­ geordneten und dem Präsidium desselben, beiwohnen.

Wir können

Lage der Dinge, leiden,

ein Ende

daher das Haus der Abgeordneten nur ermahnen,

unter welcher die

wesentlichsten

Interessen

des

einer

Landes

indem das Haus der Abgeordneten Unseren

zu machen,

Ministern die von denselben verlangte Anerkennung ihrer verfassungsmäßigen

Rechte gewährt und möglicht,

dadurch das

ohne welches

fernere

geschäftliche Zusammenwirken er­

ein Ergebnis der Verhandlungen des Landtags sich

nicht in Aussicht nehmen läßt.

Gegeben Berlin, den 20. Mai 1863. Wilhelm. (Mit der Gegenzeichnung sämtlicher Minister.)

28.

Allerhöchste Botschaft an das AbgeordnetenhausDienstag, den 26. Mai 1863.

Ich habe die Adresse des Hauses der Abgeordneten

vom

22. d. M.

erhalten. Wenn die Erwiderung auf Meine Botschaft vom

20. d. M. nur der

bereits zur Beratung gestellten Adresse einleitend hinzugefügt worden ist, so

56

Erstes Buch. 1858—1866.

steht dies Verfahren mit den früher und jetzt wiederholten Versicherungen

ehrfurchtsvoller Gesinnungen gegen Mich nicht im Einklänge. Eine Bethätigung dieser Gesinnungen kann Ich in der vom Hause aus­

gesprochenen Voraussetzung nicht finden, daß Mir die Absichten des Hauses

und die Wünsche des Landes nicht der Wahrheit getreu vorgetragen wären.

Das Abgeordnetenhaus

sollte

es

wissen, daß Mir die Lage des Landes

wohl bekannt ist, daß Preußens Könige in und mit ihrem Volke leben und

daß sie ein klares Auge und ein warmes Herz für die wahren Bedürfnisse des Landes haben.

Auch über die Vorgänge in der Sitzung vom 11. d. M. war Ich

genau und wahrheitsgetreu unterrichtet.

Es hätte deshalb der Einreichung

des stenographischen Berichts über dieselbe nicht bedurft. Die Thatsache steht fest, daß das Präsidium einen Meiner Minister nicht nur unterbrochen und ihm Schweigen geboten, sondem ihm auch durch

Vertagung

der

Sitzung

das

wieder

erteilte

Wort

sofort

Diesem Akte konnte keine andere Deutung gegeben werden,

entzogen

hat.

als daß es sich

um eine Anwendung der Disziplinargewalt des Präsidiums gehandelt habe.

In seinen Rückäußerungen auf die Schreiben des Staats-Ministeriums vom 11. und 16. d. M. hat das Haus der Abgeordneten sich über den Hauptpunkt auszusprechen.

umgehen.

es

vermieden,

Auch die Adresse versucht, ihn zu

Wenn es in derselben jedoch heißt:

„Das Haus hat von den Ministem keine Verzichtleistung auf ihre

verfassungsmäßige selbständige Stellung gefordert", so sehe Ich hierin neben

dem Anerkenntnis, daß die Vertreter der Krone — wie selbstverständlich — der

Disziplinargewalt des Präsidiums überhaupt nicht unterworfen sind,

insbesondere die Zusichcmng, daß auch das Haus einen unberechtigten Anspmch in dieser Beziehung nicht ferner erhebt. Hätte das Haus eine solche Äußerung rechtzeitig gethan, so würde es keine Veranlassung

zu der gmndlosen Beschuldigung gefunden haben, daß

Meine Minister durch das Abbrechen der persönlichen Verhandlung mit dem Hause die Erfüllung des Zweckes dieser Session vereitelt hätten.

Darnach

würde Ich Meine Minister haben veranlassen können, die

Verhandlungen mit dem Hause wieder aufzunehmen und

versuchen,

von neuem zu

ob und inwieweit dieselben einem befriedigenden Abschlüsse ent­

gegengeführt werden konnten.

Allein das Haus hat in seiner Adresse selbst

jede Hoffnung auf ein ersprießliches Resultat der fortgesetzten Verhandlungen abgeschnitten. Die Adresse bellagt, daß in den letzten drei Monaten die Rückkehr zu

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

nicht erfolgt sei.

verfassungsmäßigen Zuständen

1863.

57

Meine Minister haben es

an den zur Erzielung eines geordneten Staatshaushalts erforderlichen Vor­

Sie tragen nicht

lagen nicht fehlen lassen.

die Verantwortung dafür, daß

die Beschlußnahme über dieselben bisher nicht erfolgt ist,

Haus Zeit und Kräfte

vielmehr hat das

auf Beratungen und Diskussionen verwendet, deren

Tendenz und Form schon seit längerer Zeit Zweifel an einem die Landes­

interessen fördernden Resultat der Verhandlungen erwecken mußten. Die Behauptung, ausgesprochen und

daß Meine Minister verfassungswidrige Grundsätze

bethätigt haben,

sowie

daß

die

wichtigsten Rechte der

Volksvertretung mißachtet und verletzt worden seien, entbehrt jeder thatsäch­

lichen Begründung.

Es wäre Sache

des

Hauses

gewesen,

den

Nachweis

dieser Behauptung wenigstens zu versuchen und die vermeintlich mißachteten Vorschriften der Verfassungsurkunde zu bezeichnen.

jedoch nichts

weiter angeführt,

In dieser Hinsicht wird

daß Meine Minister ihre Mitwirkung

als

zur Vereinbarung eines Gesetzes über die Ministerverantwortlichkeit für jetzt

abgelehnt haben. gegenwärtigen

Ebensowenig

wie den früheren Ministern kann aber den

eine Verfassungsverletzung

gemacht werden, daß

sie

dem Grunde zum

aus

Vorwurf

eine weitere Vertagung dieser Gesetzgebung, für

welche ein bestimmter Zeitpunkt nicht vorgeschrieben ist, den Interessen des

Landes für entsprechend halten.

Die Haltung, welche die Mehrheit des Hauses beobachtet hat,

so oft

die Beziehungen Preußens zum Auslande in den Kreis seiner Erörterungen

gezogen worden sind, die

hat Mich

mit

tiefem Leidwesen erfüllt.

Man hat

auswärtige Politik Meiner Regierung aus dem schroffsten Standpunkt

des inneren Parteiinteresses beurteilt, und einzelne Mitglieder des Hauses

haben sich so weit vergessen,

mit Verweigerung der Mittel selbst zu einem

gerechten Kriege zu drohen.

Dieser Haltung entsprechen die Behauptungen

der Adresse über

die auswärtigen Verhältnisse Preußens

geknüpften Anschuldigungen gegen Meine Regierung. sprechen sie nicht.

und die daran

Der Wirklichkeit ent­

Die Stellung Preußens ist nicht isolierter als die anderer

europäischer Staaten;

ebensowenig

aber,

wie die übrigen Mächte,

kann

Preußen sich unter den gegebenen Verhältnissen der Notwendigkeit entziehen,

den gegenwärtigen Bestand seiner Wehrkraft ungeschwächt aufrechtzuerhalten. Wenngleich Ich nicht gesonnen bin, patriotischen Beirat, auch in Fragen der auswärtigen Politik, von der Hand zu weisen, so kann ein solcher doch

nur dann von Wert sein,

wenn er sich auf volle Kenntnis

genden Verhältnisse und Verhandlungen stützt.

dieses

Rates aber Beschwerde

erhoben,

so

Wird

aller einschla­

über Nichtbefolgung

liegt darin ein unberechtigter

58

Erstes Buch.

Versuch

des

Hauses,

1858-1866.

Kreis seiner

den

verfassungsmäßigen

Befugnis

zu

erweitern.

Unter

allen Umständen ist und bleibt

ausschließlich Mein durch

es

Artikel 48 der Verfassungsurkunde verbrieftes Königliches Recht, über Krieg und Frieden zu befinden. In dieser wie in jeder anderen Beziehung ist es Meine Pflicht, den

auf

Gesetz

und

beruhenden

Verfassung

Umfang

Königlicher

Gewalt un­

geschmälert zu wahren und das Land vor den Gefahren zu behüten, welche eine

Verlegung des

Schwerpunktes

unseres

bestandes in ihrem Gefolge haben würde.

Bestreben des

Hauses

gesamten öffentlichen

Rechts­

Mit allem Ernst muß Ich dem

der Abgeordneten entgegentreten,

sein

verfassungs­

mäßiges Recht der Teilnahme an der Gesetzgebung als ein Mittel zur Be­

schränkung

verfassungsmäßigen Freiheit Königlicher Entschließungen zu

der

Ein solches Bestreben giebt

benutzen.

Abgeordneten

seine Mitwirkung

zu der

gierung ablehnt und einen Wechsel in Meines

Regierungssystems

verlangt.

sich darin kund,

daß das Haus der

gegenwärtigen Politik Meiner Re­

den Personen Meiner Ratgeber und Dem

Artikel

45

der

Verfassungs­

urkunde entgegen, wonach der König die Minister ernennt und entläßt, will

das Haus Mich nötigen, Mich mit Ministern zu umgeben,

welche ihm ge­

nehm sind; es will dadurch eine verfassungswidrige Alleinherrschaft des Ab­ Dies Verlangen weise Ich zurück.

geordnetenhauses anbahnen.

Meine Mi­

nister besitzen Mein Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen sind mit Meiner

Bewilligung geschehen, und Ich weiß es ihnen dank, daß sie sich angelegen

sein lassen,

dem verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses nach

Machterweiterung entgegenzutreten. Unter der Mitwirkung,

weigern erklärt,

kann Ich

welche das Haus Meiner Regierung zu ver­

nur diejenige

verfassungsmäßig berufen ist,

da

verstehen,

eine andere

zu welcher das Haus

weder von ihm

beansprucht

werden kann, noch von Meiner Regierung verlangt worden ist.

Angesichts einer solchen Weigerung, welche überdies durch den Gesamt­

inhalt und die Sprache der Adresse, sowie durch das Verhalten des Hauses während der verflossenen vier Monate in ihrer Bedeutung klargestellt wird,

läßt eine fernere Dauer der gegenwärtigen Session keine Resultate erwarten;

sie würde den Interessen

des Landes weder seiner Lage noch seinen aus­

wärtigen Beziehungen nach entsprechen.

Auch Ich suche, die

Sicherheit Meiner

wie Meine Vorfahren, Regierung in

dem

den Glanz, die Macht und gegenseitigen Bande

trauens und der Treue zwischen Fürst und Volk.

des Ver­

Mit des Allmächtigen Hilfe

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

wird es Mir gelingen,

die sträflichen Versuche

Lockerung dieses Bandes gerichtet sind.

59

1863.

zu

vereiteln,

welche

auf

In Meinem Herzen steht das Ver­

trauen auf die treue Anhänglichkeit des preußischen Volkes an sein Königs­ haus zu fest,

als daß es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordneten­

hauses erschüttert werden sollte.

Berlin, den 26. Mai 1863.

Wilhelm.

29. Rede;um Schluß des Landtags, Mittwoch, den 27. Mai 1863.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König haben mir') den Auftrag zu erteilen geruht,

die Sitzungen

der Monarchie in Aller­

beiden Häuser des Landtags

der

höchst Ihrem Namen zu schließen. Die Regierung Sr. Majestät hatte bei der Eröffnung dieser Sitzungs­

periode den Wunsch und

das Bestreben

kundgegeben,

einmütiges Zu­

ein

sammenwirken mit den beiden Häusern des Landtags herzustellen.

stehende Verfassung

und die

gemeinsame Hingebung

für

das

Die be­

Wohl des

Landes und die Ehre der Krone war als die Grundlage bezeichnet worden,

auf welcher dieses Ziel

Nach dem Ergebnis der

zu erreichen sein werde.

Thätigkeit des Landtags in den verflossenen vier Monaten ist dieser Wunsch

jedoch im wesentlichen unerfüllt geblieben. gesetze, welche zwecken,

Es

sind zwar

einige Spezial­

erwünschte Verbesserungen der bestehenden Gesetzgebung be­

zur Erledigung gekommen.

Auch

haben die Vorschläge

zur Ver­

besserung der Lage der hilfsbedürftigen Invaliden die Zustimmung des Land­ tags erhalten.

Ebenso kann

mit Befriedigung

hervorgehoben werden, daß

die Übereinstimmung der Elbuferstaaten über die Regulierung des Elbzolles, und Schiffahrtsverträge mit der

sowie die

Handels-

Regierung

eine bereite Aufnahme

gefunden.

Königlich belgischen

Dagegen ist

die

Beratung

des Staatshaushalts-Etats für das laufende Jahr, obwohl derselbe sogleich

mit dem Beginne der

Sitzungen

vorgelegt worden,

nicht

zum Abschluß

gebracht. Das Haus

der Abgeordneten ist schon durch die Kundgebungen,

welchen der Beginn seiner Arbeiten begleitet war,

*) Ministerpräsident v. Bismarck.

insbesondere

von

aber durch

60

Erstes Buch. 1858-1866.

die an des Königs Majestät gerichtete Adresse vom

29. Januar d. I. in

einen schroffen Gegensatz zu der Regiemng getreten,

und obgleich an das­

selbe durch den Allerhöchsten Erlaß vom 3. Februar d. I. die ernste Auf­

forderung ergangen war, sowohl durch Anerkennung der in der Verfassung

den verschiedenen Gewalten gesetzten Schranken, als durch bereitwilliges Ein­

gehen

auf die landesväterlichen Absichten Sr. Majestät des Königs das

Werk der Verständigung zn ermöglichen, so ist doch das Haus in seiner dieser

Verständigung widerstrebenden Haltung verblieben, namenllich

hat dasselbe

durch weitgreifende Verhandlungen über die auswärtige Politik die Wirksam­

keit der Regiemng Sr. Majestät zu lähmen gesucht und dadurch die Aufregung in den an Polen

grenzenden Provinzen wesentlich gesteigert.

Das Haus

der Abgeordneten hat nicht Bedenken getragen, den Entstellungen und An­ griffen der Gegner der preußischen Regierung Ausdmck

sorgnisse wegen äußerer Gefahren und

zu geben und Be­

kriegerischer Verwickelungen zu er­

regen, zu denen die Beziehungen der Regiemng Sr. Majestät zu den aus­

wärtigen Mächten keine begründete Veranlassung gaben. das Haus

Schließlich hat

in der Adresse vom 22. d. M. der Regiemng die ihm ver­

fassungsmäßig obliegende Mitwirkung überhaupt zu versagen erklärt; hier­ mit ist der Schluß seiner Beratungen unvermeidlich geboten. Die Regierung Sr. Majestät kann cs nur tief beklagen, daß die Er­ ledigung der

dem Landtage

vorgelegten Finanzgesetze und namentlich

die

zeitige Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr 1863 auf diese Weise vereitelt worden ist, und behält sich die Entschließung über die Wege vor, auf welchen dieselben zum Abschluß zu bringen sein werden. Die Regiemng Sr. Majestät erkennt den vollen Emst ihrer Aufgabe und die Größe der Schwierigkeiten, welche ihr entgegentreten; sie fühlt sich

aber stark in dem Bewußtsein, daß es die Bewahmng der wichtigsten Güter des Vaterlandes gilt, und wird daher auch das Vertrauen fcsthalten, daß

eine besonnene Würdigung dieser Interessen schließlich zu einer dauernden

Verständigung

mit der Landesvertretung führen und eine gedeihliche Ent­

wickelung unseres Verfassungslebens ermöglichen werde. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier­

mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.

61

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1863.

30. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 9. November 1863. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!

Der Landtag der Monarchie ist in seiner letzten Sitzungsperiode vor Beendigung der Beratung über den Staatshaushalts-Etat geschlossen und dem­

nächst *) das Haus der Abgeordneten aufgelöst worden, weil ein befriedigendes

Ergebnis weiterer Verhandlungen nach den an Mich gerichteten Erklärungen nicht mehr erwartet werden konnte.

Es ist Mein dringender Wunsch, daß den zwischen Meiner Regierung und einem Teile der Landesvertretung entstandenen Zerwürfnissen ein Ende gemacht werde.

Meine Königliche Pflicht gebietet Mir, die Macht und die

Rechte Meiner Krone nicht minder wie die verfassungsmäßigen Befugnisse

der Landesvertretung hochzuhalten und zu schützen. Über den Umfang und die Grenzen des an sich unbestrittenen Rechts

der Landesvertretung

zur Mitwirkung bei der gesetzlichen Feststellung des

Staatshaushalts-Etats haben sich entgegengesetzte Auffassungen geltend gemacht. Um zur Ausgleichung derselben zu gelangen, wird Ihnen eine Vorlage ge­ macht werden,

welche bestimmt ist,

die Befugnisse der Regierung für den

Fall, daß der Staatshaushalts-Etat nicht zur gesetzlichen Feststellung gelangt, zu regeln und der Befürchtung entgegenzutreten, daß Meine Regienmg in solchem Falle eine unbeschränkte Verfügung über die Staatsfonds ohne Rück­

sicht auf das Recht der Landesvertretung in Anspruch zu nehmen beabsichtige.

Ich habe eben nicht allein für die innere Wohlfahrt, sondern auch für

die äußere Sicherheit des Staates Sorge

zu

tragen und muß in beiden

Beziehungen auf Ihre Mitwirkung rechnen können.

Die neue Formatton des Heeres ist aus dem unabweislichen Bedürfnis

hervorgegangen, mit der gesteigerten Wehrkraft der Nachbarländer gleichen Schritt zu halten und den wirtschaftlichen Interessen der eignen Bevölkerung

durch gerechtere Verteilung der gesetzlichen Wehrpflicht Rechnung zu tragen. Das Heer ist auch nach der Reorganisatton, wie Ich dies schon im Jahre 1860 an dieser Stelle ausgesprochen,

das preußische Volk in Waffen, und

zwar in größerer Wahrheit wie zuvor;

denn während die verstärke Or­

ganisation der Linie eine Erleichterung der älteren Landwehrklassen möglich

macht, ist die

Gesamtstärke der Landwehr unverändert geblieben.

Diese

Formation hat sich in den verflossenen Jahren auf Gmnd der Bewilligungen

*) 2. September.

Erstes Buch. 1858—1866.

62

des Landtags während der Sitzungsperioden von 1860 und 1861 zu einer dauernden

Staatseinrichtung ausgebildet,

deren

ohne

Bestand

bedenkliche

Gefährdung der wichtigsten Interessen des Landes nicht mehr in Frage ge­ stellt werden kann.

Die Erkenntnis dieser Gefahr legt Mir die Pflicht auf,

Meine nach der Verfassung

erforderliche Zustimmung

nur einem solchen

Staatshaushalts-Etat zu erteilen, durch welchen die Erhaltung der bestehenden

Heereseinrichtungen sichergestellt wird.

Um den gesetzlichen Abschluß dieser

Angelegenheit endlich herbeizuführen, wird Ihnen der umgearbeitete Entwurf eines Gesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienst vorgelegt werden.

Es ist seither die Erwartung in Erfüllung gegangen, daß die Durch­ führung der Reorganisation des Heeres in

den Finanzkräften des Staates

kein Hindernis findet.

Die Einnahmen sind, wie bekannt, im vorigen Jahre so ergiebig ge­ wesen, daß sie nicht nur zur vollständigen Deckung der Staatsausgaben aus­ gereicht, sondern auch noch einen beträchtlichen Überschuß geliefert haben,

über

dessen Verwendung Ihnen Vorschläge zugehen werden.

Zu gleichen

Hoffnungen berechfigen auch die diesjährigen Staatseinnahmen; sie werden,

soweit dies jetzt zu übersehen ist, ausreichende Mittel bieten, sämtliche Staats­

ausgaben dieses Jahres ohne Rückgriff auf den Staatsschatz zu decken. Meine Regierung wird Ihnen den Staatshaushalts-Etat für das lau­

In dem Staats­

fende Jahr mit einem Nachtrage unverzüglich vorlegen.

haushalts-Etat für das Jahr 1864, welcher Prüfung

gelangen wird,

nicht beseitigt.

ist

zwar

alsbald

zu Ihrer

das scheinbar vorhandene Defizit noch

Derselbe liefert jedoch

Staatseinnahmen,

ebenfalls

den erfreulichen Beweis, daß

ohne die bewährten Grundsätze

die

bei der Veranschlagung

zu verlassen, in erheblichem Maße haben höher angenommen werden können

und

die Mittel darbieten werden, in allen Verwaltungszweigen zahlreiche

neue Bedürfnisse zu befriedigen. Die Veranlagung

der

neuen

Grund- und Gebäudesteuer ist gegen-

wärfig soweit gefördert, daß der Abschluß derselben bis Jahres 1865

sicher in Aussicht genommen

erwartenden Mehreinnahmen werden

werden darf.

zum Anfang des

Die hieraus zu

demnächst die Mittel gewähren,

den

Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1865 ohne Defizit abzuschließen.

Die allgemeinen Rechnungen über den Staatshaushalt der Jahre 1859, 1860 und 1861 werden Ihnen zur Genehmigung der Etatsüberschreitungen

und Erteilung der Decharge und

ebenso ein Gesetzentwurf zur Feststellung

der Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1862

als Gmndlage

allgemeine Rechnung dieses Jahres vorgelegt werden.

für die

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1863.

63

Der wirtschaftliche Zustand des Landes ist befriedigend.

Durch eine

gesegnete Ernte wird die Lage der arbeitenden Klaffen erleichtert, und die

Bodenkultur ist bei der zunehmenden Strebsamkeit der Landwirte in erfreu­ lichem Fortschreiten begriffen.

Die Gewerbthätigkeit hat sich gehoben, und

an Gelegenheit zu lohnender Arbeit hat es nicht gefehlt. kehr

auf den Eisenbahnen ist in stetiger Entwickelung

Auch der Ver­

geblieben.

Meine

Regierung ist unablässig bemüht, für die weitere Ausdehnung dieses Kom­ munikationsmittels Sorge zu tragen.

Während die Schienenverbindung mit

Neu-Vorpommern kürzlich eröffnet worden, sind andere gleich wichtige Linien

in baulichen Angriff genommen, und es werden Ihnen

wegen Herstellung

neuer Bahnen Vorlagen gemacht werden.

Die Verhandlungen über die Fortsetzung des Zollvereins sind zwischen den Vereinsregierungen eröffnet worden.

Meine Regierung, festhaltend an der Handelspolitik, welche sie in vollem

Einklänge mit der Landesvertretung befolgt, ist in diese Verhandlungen mit dem ernsten Bestreben eingetreten, das Band, welches die materiellen In­ teressen des

größten Teiles

von Deutschland umschließt, unter Aufrecht­

haltung des mit Frankreich geschlossenen Vertrages von neuem zu befestigen

und demnächst, sobald der Zollverein in seinem Fortbestand

gesichert sein

wird, seine Beziehungen zu dem österreichischen Kaiserstaate zu regeln. Die Genossenschaften,

welche die Fördemng der wirtschaftlichen Ver­

hältnisse der Arbeiter bezwecken, bedürfen

zur vollen Entwickelung ihrer

gemeinnützigen Wirksamkeit der gesetzlichen Feststellung ihrer Rechtsverhält­

nisse.

Meine Regierung ist mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Ge­

setzentwurfs beschäftigt. Die in der letzten Sitzungsperiode unerledigt gebliebenen Entwürfe von

Gesetzen über

die Rechtsverhältnisse gewisser Aktiengesellschaften und der

Seeleute, sowie die provisorisch erlassenen Verordnungen wegen Abändemng des Zolltarifs und

zur Verhütung des Zusammenstoßens

der Schiffe auf

der See werden Gegenstand Ihrer Beratungen werden.

Um der von der Tagespreffe in gefahrdrohender Weise geförderten Aufregung im Lande entgegen zu wirken, hat eine provisorische Verordnung')

gegen derartige Ausschreitungen auf Grund des Art. 63 der Verfassungs­ urkunde erlassen werden müssen.

Diese Verordnung

wird mit einem Ge­

setzentwürfe wegen Abändemng einiger Bestimmungen des Preßgesetzes und

*) Die sog. Preßverordnungen vom 1. Juli.

64 des

Erstes Buch. 1858—1866.

Strafgesetzbuchs

Ihnen

zur

verfassungsmäßigen Beschlußnahme

vor­

gelegt werden. Die auf Wiederherstellung des früheren Königreichs Polen gerichteten aufständischen Bewegungen haben die Ruhe unserer Grenzprovinzen bedroht.

Wir dürfen uns Glück wünschen, daß die von Mir angeordnete Truppen­ aufstellung

und

das

kräftige

Auftreten

Meiner

Behörden

Preußen

vor

ernsteren Nachteilen behütet haben.

Der Deutsche Bund hat beschlossen, im Wege der Exekution diejenigen bundesrechllichen Fordemngen zur Geltung zu bringen, welchen die Regierung Sr. Majestät des Königs von Dänemark in betreff der Herzog­

tümer Holstein und Lauenburg bisher nicht genügt hat oder bis zum Eintritt der Exekution nicht genügen wird.

truppen

überlegenen

Widerstandes

ist

Im Falle eines den Exekutions-

die Mitwirkung

österreichischer Streitkräfte in Aussicht genommen.

preußischer

und

Sollte dieser Fall ein­

treten und die Verwendung außerordentlicher Mittel

erheischen,

so wird

Meine Regierung dem Landtage deshalb die erforderlichen Vorlagen machen.

Von dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen über die von der Kaiserlich

österreichischen Regierung

angeregte Bundesreform wird Meine

Regierung dem Landtage Mitteilung zugehen lassen.

Ich habe die Mängel

der bestehenden Bundesverfassung niemals verkannt, aber zu ihrer Um­

gestaltung weder den gegenwärtigen Moment noch die eingeschlagenen Wege für richttg gewählt halten können.

Tief werde Ich es bedauern,

wenn die

von Mir gegen Meine Bundesgenossen ausgesprochene Befürchtung sich be­ wahrheiten sollte, daß die Schwächung des Vertrauens, dessen die Bundes­

einrichtungen zur Erfüllung ihrer Zwecke bedürfen, und die Unterschätzung der Vorteile,

welche sie den Mitgliedern des Bundes in der gegenwärttgen

Lage Europas gewähren, das alleinige Ergebnis von Reformversuchen sein würden, welche ohne Bürgschaft des Gelingms unternommen wurden.

Diese

Bürgschaft aber kann nur solchen Reformen beiwohnen, welche, in gerechter Verteilung des Einflusses nach dem Verhältnis der Macht und der Leistungen,

dem preußischen Staate die ihm in Deutschland gebührende Stellung sichern.

Dies gute Recht Preußens und mit ihm die Macht und Sicherheit Deutschlands zu wahren, sehe Ich als Meine heilige Pflicht an.

Meine Herren!

Wir stehen in einer bewegten Zeit,

Schwelle einer bewegteren Zukunft.

vielleicht an der

Um so dringender richte Ich

an Sie

die Aufforderung, an die Lösung unserer inneren Fragen mit dem ernsten Willen der Verständigung heranzutreten. — Das Ziel kann aber nur dann

erreicht werden, wenn die für die preußische Monarchie unentbehrliche Macht

Regentschaft und DerfaffungSkonflikt.

1863.

65

des Königlichen Regiments ungeschlacht erhalten wird und Ich von Ihnen

bei Ausübung Ihrer verfassungsmäßigen Rechte in der Erfüllung Meiner landesherrlichen Pflichten unterstützt werde.

Gemeinsam haben wir für die Ehre und das Wohl des Vaterlandes zu

Dieser Aufgabe sind

wirken.

ausschließlich

gewidmet,

und in

Meine Bestrebungen unwandelbar und

rrnerschüttertem Vertrauen auf die Treue

Meines Volkes hoffe Ich dieselbe so zu lösen, wie Ich es vor Gott ver­

antworten kann.

31.

Allerhöchster Erlaß an Las Abgeordnetenhaus, Sonntag, den 27. Dezember 1863.

Ich habe den Inhalt der Adresse, welche das Haus der Abgeordneten in betreff der dänischen Angelegenheit an Mich gerichtet hat, mit der Sorg­ falt erwogen, welche Ich bereitwillig den Wünschen und Ansichten des Hauses zuwende.

Wenn an die Spitze der Adresse der Satz gestellt worden ist, daß das Haus der Abgeordneten bereits die Richtung bezeichnet habe, welche einzu­ halten Deutschlands Ehre und Interessen gebieten, so will Ich

daß damit der Mir nach der Verfassung und

zustehenden Entscheidung über die Beziehungen

annehmen,

den Gesetzen des

Landes

der Monarchie zum Aus­

lande nicht hat vorgegriffen werden sollen.

Mit diesem Meinem Rechte ist die Königliche Pflicht untrennbar ver­ bunden,

die Ehre und

die Interessen Preußens

zu vertreten und zu schützen,

dem Auslande gegenüber

und Ich weiß, daß Ich Mich in der Aus­

übung dieser Pflicht auf die bewährte Hingabe Meines Volkes stützen kann;

Ich

weiß aber

auch,

daß Ich die Frage, wann Ich dieses Volk zum

Kampfe aufzurufen und Gut und Blut von seiner Opferbereitschaft zu fordern habe, mit landesväterlicher Sorgfalt erwägen muß.

Ich würde es mit der Gewissenhaftigkeit in Erfüllung Meines König­

liches Bemfes nicht

vereinbar finden,

wenn Ich den höchsten Aufgaben,

welche Recht und Verfassung dem Könige stellen, nicht Meine volle und leitende Thätigkeit widmen wollte.

Das Haus der Abgeordneten kann daher

überzeugt sein, daß die Richtung,

in welcher Meine Regierung die aus­

wärtige Politik geführt hat, das Ergebnis Meiner reiflich erwogenen Ent­ schließungen ist.

Ich habe die letzteren

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

gefaßt mit Rücksicht auf die von 5

66

Erstes Buch. 1858-1866. geschlossenen

Preußen

unsere Stellung

derselben,

in

deutsche Recht in

auf die

und

auf

aber zugleich mit dem festen Willen,

das

Verträge,

Europas

Gesamtlage

wahren und für die berechtigten

den Herzogtümern zu

Ziele, welche Preußen zu erstreben hat, erforderlichen Falles mit den Waffen

in der Hand

In welcher Form

einzustehen.

und zu

welchem Zeitpunkte

jedes einzelne zur Erreichung dieser Ziele führende Mittel zur Anwendung zu bringen sein wird, darüber

kann die Mir verfassungsmäßig

zustehende

Bei derselben werde

Entscheidung nur von Mir selbst getroffen werden.

Ich Mich von dem unwandelbaren Entschlüsse leiten lassen,

die Sache der

Herzogtümer so zu führen, wie es Preußens und Deutschlands

würdig ist,

gleichzeitig aber den Verträgen die Achtung zu bewahren, welche das Völker­ Das Haus der Abgeordneten kann nicht von Mir erwarten,

recht fordert.

daß Ich

und

willkürlich

Preußens

ohne Beachtung

von den 1852

Die Successionsfrage wird

geschlossenen

durch

der internationalen Beziehungen

europäischen Verträgen zurücktrete.

den deutschen Bund unter Meiner Mit­

wirkung geprüft werden, und dem Ergebnis dieser Prüfung kann Ich nicht vorgreifen.

Bevor dasselbe feststeht, handelt es sich um die Beschaffung der

Mittel für die vom deutschen Bunde beschlossenen Exekutionsmaßregeln und

für die im Gefolge derselben etwa nötig werdenden Verteidigungsanstalten.

Die Vollziehung des Bundesbeschlusses und vertragsmäßig obliegende Pflicht,

derselben leicht und schnell entwickeln können, vorbereitet treffen.

Unter

ist

eine

dem Staate rechtlich

und die Gefahren,

sich aus

welche

dürfen das Land

diesen Umständen kann das Haus

nicht

un­

die schwere

Verantwortlichkeit nicht auf sich nehmen wollen, diese ganz unentbehrlichen

Mittel zu versagen,

oder ihre Bewilligung

an Bedingungen

welche in die zweifellosen Rechte Meiner Krone eingreifen.

nicht verstehen,

wenn dasselbe Haus,

zu knüpfen,

Ich

würde es

welches Meine Regierung so lebhaft

zur Aktion drängt, in dem Augenblicke und auf dem Felde, wo diese Aktion

eintreten kann und muß, die Mittel zu derselben versagte.

um so

weniger verstehen, als Meine Gesinnung

Ich würde es

und Mein Wort dafür

bürgen, daß die Mittel, welche Ich zum Schutze des Rechts und der Ehre des Landes fordere, auch diesem Zwecke entsprechend werden verwandt wer­ den. Jeder Zweifel daran widerspricht dem Vertrauen, welches das preußische

Volk in das Wort seiner Könige zu setzen gewohnt ist.

Ich muß das Haus, unter mahnender Hinweisung auf den Ernst des Momentes und auf die Wichtigkeit der Entscheidung

Vaterlandes, zu und, im Hinblick

vertrauensvoller Beratung

für die Zukunft des

der Vorlage vom

8.

d. M.

auf die unaufhaltsame Entwickelung der Thatsachen,

zu

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

67

1864.

beschleunigter Bewilligung der für die Erfüllung der Bundespflichten und für die Sicherstellung der Landesverteidigung unabweislich notwendigen An­ leihe auffordern. Berlin, den 27. Dezember 1863.

Wilhelm.

32. Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, Donnerstag, den 13. Januar 1864.

Ich habe die Adresse des Herrenhauses "empfangen und mit Befriedigung von

vom 21.

Dezember v.

ihrem Inhalte Kenntnis

Der Zweck der Fordemng, welche Meine Regiemng

I.

genommen.

an die Landes­

vertretung gestellt hat, ist, wie die Adresse mit Recht bemerkt, einesteils die Erfüllung bestimmter bundesrechtlicher Verpflichtungen, zu welcher die Mittel

nicht versagt werden können, anderenteils die Wahrung von Preußens Macht­ stellung und Ehre gegen jeden Angriff bei dieser Erfüllung.

Daß das

Herrenhaus die Lösung der Aufgabe, welche Preußens Politik zur Zeit ge­

stellt ist, mit voller Zuversicht in der Hand seines Königs sieht, daran habe

Ich nie gezweifelt;

aber der

erneute Ausdruck dieses Vertrauens ist Mir

erfreulich gewesen in einer Zeit, welche ernste und folgenschwere Entschlüsse

von Mir fordert.

Ich bin überzeugt, daß das Land, welches Meine Ge­

sinnungen kennt, dieses Vertrauen teilt. Das Herrenhaus

ist von der richtigen Erkenntnis geleitet, daß an­

gesichts der drohenden Verwickelungen die Wege der Politik sich nicht im voraus

bestimmen lassen, und daß

ziehungen nicht durch Wünsche

auch sein mögen,

und

Rechtsfragen und völkerrechtliche Be­

Sympathieen, so

natürlich dieselben

entschieden werden können, daß aber, wenn jenes Ziel,

über welches alle einig sind, nämlich der Weg der Wahrung der Rechte

Deutschlands, sowie der Ehre und Macht Preußens erreicht werden soll, es

unumgänglich nötig ist, für alle Fälle gerüstet zu sein.

Ich spreche dem Herrenhause für das Zusagen seiner vertrauensvollen Unterstützung Meinen Dank aus und mag der Hoffnung nicht entsagen, daß

in beiden Häusern des Landtags sich die Hingebung Aufgabe kräftig genug

an des Vaterlandes

erweisen werde, um jede Rücksicht auf schwebende 5*

Erstes Buch. 1858—1866.

68

den Hintergrund

Differenzen in

treten zu lassen und Meiner Regiemng

durch einmütigen Beschluß die Mittel zur Verfügung zu stellen, welche für die Lösung jener Aufgabe erforderlich sind. Berlin, den 13. Januar 1864.

Wilhelm. (Mit Gegenzeichnung sämtlicher Minister.)

33. Rede beim Schluß des Landtags, Dienstag, den 25. Januar 1864. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Se. Majestät der König haben mir ’) den Auftrag zu erteilen geruht,

die Sitzungen

der beiden Häuser des Landtags

der Monarchie in Aller­

höchst Ihrem Namen zu schließen.

Bei der Eröffnung der Sitzungsperiode wurde von des Königs Majestät der dringende Wunsch kundgegeben, die zwischen Allerhöchst Ihrer Regierung

und

Zerwürfnisse

ausge­

Dieser Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen,

obwohl

einem Teile der

glichen zu sehen.

Landesvertretung

die Regierung Sr. Majestät

entstandenen

es an entgegenkommenden Schritten nicht hat

fehlen lassen.

Das Haus halten,

der Abgeordneten

angeblicher Verteidigung Beschlüssen

hat

an

demselben Standpunkte festge­

des letzten Hauses vor Ihnen führte.

welcher zur Auflösung

verfassungsmäßiger Rechte

In

hat es eine Reihe von

unverkennbaren Stempel des Strebens an

gefaßt, welche den

sich tragen, diese Rechte ohne Rücksicht auf die Gleichberechtigung der übrigen

Staatsgewalten und

ohne Rücksicht auf das Wohl und die Interessen des

Landes auszuüben.

Durch Ablehnung des Gesetzentwurfes behufs Ergänzung des Art. 99

der Verfaffungs - Urkunde hat

das Abgeordnetenhaus

den Versuch

zurück­

gewiesen, der Wiederkehr eines budgetlosen Zustandes ohne Beeinträchtigung

der Rechte der Krone wie der Landesvertretung vorzubeugen.

Dasselbe Haus hat den Staatshaushalts-Etat für das Jahr

1863,

wenngleich ihm zur verfassungsmäßigen Prüfung und Beschlußfassung über

denselben bis

zum Ablaufe des verflossenen Jahres noch eine ausreichende

") Ministerpräsident v. Bismarck.

Zeil zu Gebote stand, gar nicht in Beratung gezogen;

dem Etat für das

69

1864.

Regentschaft und Verfassnngskonslikt.

dagegen hat es in

eben begonnene Jahr nicht bloß mehrere für die Be­

dürfnisse der Verwaltung unentbehrliche Dispositionsfonds gestrichen, sondern

es hat auch in Bezug auf den Militär-Etat diejenigen Beschlüsse des früheren

Hauses erneuert, mit deren Ausführung das preußische Heer der Schwächung und Zerrüttung preisgegeben sein wurde.

Es hat diese Beschlüsse gefaßt,

ohne Vorberatung des Gesetzentwurfes über die Verpflichtung

zum Kriegs­

dienste, dessen Vorlegung das frühere Haus zur Vorbedingung seiner Be­ ratung des Militär-Etats gemacht hatte.

Durch diese Beschlußnahmen ist das Herrenhaus von neuem veranlaßt worden, in Ausübung seines verfassungsmäßigen Rechtes, den ganzen Staats­

haushalts-Etat für das Jahr 1864, wie er aus den Beratungen des Ab­ geordnetenhauses hervorgegangen war, zu verwerfen. Dem Beschlusse des Hauses der Abgeordneten wegen Aufhebung der

gegen einzelne Mitglieder desselben

verhängten gerichtlichen Untersuchungs­

haft hat die Regierung im Hinblicke auf die betreffenden Bestimmungen der

Verfassungsurkunde Folge gegeben.

Es kann

aber nicht die Meinung der Regierung sein,

daß es dem

Ansehen der öffentlichen Rechtspflege und der Würde des Hauses entspreche, wenn dasselbe solchen Abgeordneten,

gegen

welche schon vor ihrer Wahl

wegen hochverräterischer Unternehmungen die Untersuchungshaft vor dem zu­

ständigen Gerichtshöfe verfügt worden ist, die Teilnahme an den Beratungen des Hauses ermöglicht und dadurch den Schein

einer Parteinahme für die

gegen die äußere und innere Sicherheit des Staates gerichteten Bestrebungen der polnischen Jnsurrektton auf sich ladet.

Zur Ausfühmng der vom deutschen Bunde beschlossenen Exekutton

Holstein und zur Wahrung

weiteren Entwickelung

in

der Machtstellung und Ehre Preußens in der

dieses Streites

Sr. Majestät außerordentlicher Mittel

bedurfte

und bedarf die

Regierung

für die Militär- und Marinever­

waltung. Während das Herrenhaus in einer Adresse an des Königs Majestät

seine vertrauensvolle Bereitwilligkeit zur Unterstützung der Krone in dieser ernsten Frage ausgesprochen hat, ist von dem Hause der Abgeordneten die erforderte Genehmigung einer Anleihe versagt, desjenigen Geldbedarfes verweigert worden,

und sogar die Bewilligung

welchen Preußen als Mitglied

des deutschen Bundes beizutragen verpflichtet ist.

Indem das Haus diesen

Beschluß faßte, ist es um so entschiedener mit der vertrauensvollen Ge­ sinnung in Widerspruch getreten, von welcher das preußische Volk für seine

Könige jederzeit beseelt war, als des Königs Majestät in der Allerhöchsten

70

Erstes Buch. 1858—1866.

Antwort vom 27. v. M. auf die Adreffe des Hauses seine Gesinnung und

sein königliches Wort

als Bürgschaft dafür hingestellt hat,

daß

die be­

antragten Geldmittel zum Schutze des Rechts und der Ehre des Landes verwendet werden würden.

Der feindselige Charakter dieser Beschlüsse,

in

welchen sich das Be­

streben ausdrückt, die auswärtige Politik der Regiemng

einem verfassungs­

widrigen Zwange zu unterwerfen, ist durch Resolutionen erhöht worden,

durch welche die Mehrheit des Hauses der Abgeordneten in der von ihr willkürlich

aufgestellten Voraussetzung kriegerischer Verwickelungen zwischen

Preußen und

anderen deutschen Staaten im

voraus gegen das preußische

Vaterland Partei nimmt. Ein solches Auftreten des Hauses der Abgeordneten kann auf die Be­ festigung und Entwickelung unserer Verfassungszustände nur verderblich ein­ wirken, und es muß einstweilen auf die Hoffnung einer Verständigung ver­

zichtet werden.

Die Regierung Sr. Majestät wird sich

aber unter allen

Umständen für verpflichtet halten müssen, mit ganzer Kraft und Ausübung der königlichen Rechte

das Wohl und die Ehre Preußens zeugung fest,

daß sie

in voller

für die Erhaltung des Staates und für

einzustehen.

Sie hält an der Über­

hierbei in der patriotischen Gesinnung

des Landes

eine ausreichende und wachsende Unterstützung finden werde. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier­

mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.

34. Ansprache des Lönlgs an die Offiziere und dekorierten Unter­ offiziere gelegentlich der Parade im Aundewttt, Freitag, den 22. April 1864. Meine Herren, Ich bin hierher gekommen, um der tapferen Armee

persönlich Meinen

herzlichen Dank

auszusprechen für die außerordentlichen

Leistungen, für die bewundemswerte Ausdauer bei den gehabten unendlich großen Strapazen, für die umsichtige vorzügliche Führung der Truppen, für

den großen herrlichen Sieg l).

Gern, Meine Herren, wäre Ich in diesem

Feldzuge mitten unter Ihnen gewesen, leider aber gestattet dies zur Zeit

die Stellung, die Ich jetzt einzunehmen bemfen bin, nicht; andere Berhält') Bei Düppel, 18. April.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

nisse bedingen Meine Abwesenheit von den im Felde und dies,

71

1864.

stehenden Truppen,

versichere Ich Ihnen, thut Meinem Soldatenherzen wehe.

Sie

haben die Augen von ganz Europa auf sich gezogen und überall, wo man

hinhört, das größte Lob eingeerntet.

Das, Meine Herren,

des guten Geistes, der, wie allbekannt,

ist die Frucht

die ganze preußische Armee beseelt

und gewiß nie in derselben erlöschen wird. Ich sage Ihnen allen nochmals tiefgefühltesten Dank.

Meinen

Den Sturmkolonnen

werde Ich für die in

welcher sie

höchstem Maße bewiesene Bravour und Unerschrockenheit, mit

den großartigen Sieg herbeiführten, leihen.

ein ganz besonderes Denkzeichen ver­

Adieu, Meine Herren! Teilen Sie allen Mannschaften Meine Aller­

höchste Anerkennung

mit und sagen Sie Ihnen Meinen Königlichen Dank.

35.

Antwort des Königs auf die Adresse des Grafen Arnim-Boitzenburg und Genossen, Montag, den 23. Mai 1864.

Ich

habe

gern die Adresse entgegengenommen,

Zeugnis geben

von

in

welcher Sie Mir

der Bereitwilligkeit des preußischen Volkes,

einer Lösung der schleswig-holsteinschen Frage zu unterstützen,

Mich bei

die für den

Preis des Mir teuren Blutes so vieler Landeskinder einen würdigen Lohn gewähre.

für

Diesen Lohn

welche Ich

griffen habe.

werden

wir in

der Erreichung

der Ziele

im Bunde mit dem Kaiser von Österreich

finden,

die Waffen er­

In Gemeinschaft mit Meinem erhabenen Verbündeten

werde

Ich, soweit Gott es in Unsere Macht gestellt hat, dafür Sorge tragen, daß

unseren Landsleuten in den Herzogtümern volle Sicherheit gegen die Wieder­ kehr der Bedrückung durch dänische Herrschaft gewährt werde, und daß wir wirksame und dauernde Bürgschaften gegen die Gefahren fernerer Störungen

des Friedens an der deutschen Nordgrenze gewinnen.

Für dieses Ziel haben die verbündeten Mächte gekämpft, und

auf der Konferenz ’) erstreben

auf dem Schlachtfelde

wir es gegenwärtig mit der

vollständigen Freiheit der Entschließung, zu welcher wir durch das Verhalten

Dänemarks und durch die Ereignisse berechtigt sind.

Welche Form wir der

Lösung unserer Aufgabe zu geben gedenken, darüber werden Sie, während

die Verhandlungen

schweben,

keine Äußerung

*) Zu London, seit dem 25. April.

von

Mir

erwarten.

Aber

72

Erstes Buch. 1858—1866.

Wie Sie die Gewißheit haben müssen, daß Ich Preußens Ehre unter allen wollen Sie

Verhältnissen wahren werde, so

trauen festhalten, haben,

daß die Opfer,

auch mit Mir

an dem Ver­

welche wir der deutschen Sache gebracht

auch für die Interessen unseres engeren Vaterlandes fruchtbringend

sein werden. Dieses Vertrauen wird in Mir durch die Worte gekräftigt, welche Sie

an Mich gerichtet haben, und für welche Ich Ihnen von Herzen danke, in­

dem Ich denselben einen neuen Beweis

der warmen und

einmütigen Hin­

gebung entnehme, auf welche Ich bei dem preußischen Volke in allen Fällen

rechnen darf, wo es sich um die Größe und die Wohlfahrt des gemeinsamen Vaterlandes handelt.

36. Armeebefehl. gegen Dänemark ist beendigt.

Der glorreiche Krieg

Friede ist ihm

Seit fast

gefolgt.

ehrenvoller

einem

Unterbrechung

Ein ehrenvoller

halben Jahrhundert haben mit

Preußens

geruht.

Ihr,

Soldaten Meines Heeres, die Ihr bevorzugt wäret, die Thaten des

letzten

kurzer, Krieges

aber

zu

vollbringen, habt den

Waffen

preußischen Waffenruhm

erneut.

Die

Tage von Düppel und Alsen sind durch Euren Heldenmut auf ewige Zeiten

in

der Kriegsgeschichte verzeichnet.

Meine neubegründete Flotte hat sich

angeschlossen und

den Landtruppen würdigst

nicht die Zahl der feindlichen Schiffe.

zählte in ihrem

Erstkampfe

Vereint mit den tapferen Truppen

Meines erhabenen Verbündeten, des Kaisers von Österreich Majestät, habt

Ihr den Feind überall besiegt. geruht, weil Ihr gottesfürchtig,

hat auf Euch

Der Segen der Vorsehung

pflichtgetreu,

gehorsam und tapfer wäret.

Aber auch die anderen Teile Meines Heeres haben sich Meine Zufriedenheit

erworben.

Bedeutende Streitkräfte desselben haben in schwerem Dienst die den andringenden Aufruhr

östlichen Grenzen des Staates gegen

geschützt;

die übrigen Abteilungen haben durch unverdrossene Übung den Ruf unserer Kriegsbereitschaft

welche Ich

aufrecht erhalten.

der Armee

Somit hat sich die neue Organisation,

gegeben habe,

glänzend

bewährt.

In Stolz

Freude blicke Ich auf Meine ruhmreiche gesamte Kriegsmacht. in

des Vaterlandes Namen

Meinen Königlichen Dank

spreche

aus.

Ich Euch

Gott

Berlin, den 7. Dezember 1864.

und

In Meinem,

allen Meine Anerkennung,

walte ferner gnädig über Preußen.

Wilhelm.

Regentschaft und Verfassungskonflikt

1865.

73

37.

Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 14. Januar 1865.

Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags! Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter uns.

gelungen, im Bunde

mit Sr. Majestät dem

Ehrenschuld Deutschlands,

deren Mahnungen

In demselben ist es Mir Kaiser

von Österreich

wiederholt

und unter tiefer

Erregung des nationalen Gefühls an das gesamte Vaterland

durch die siegreiche Tapferkeit der vereinten Heere

waren,

Friedens

ehrenvollen

einzulösen.

Gehoben

durch

die

eine

herangetreten

vermittelst eines

Genugthuung,

mit

welcher unser Volk auf diesen Preußens würdigen Erfolg zurückblickt, wenden wir unsere Herzen in Demut zu Gott,

durch

dessen Segen

es Mir

gönnt ist, Meiner Kriegsmacht im Namen des Vaterlandes für Thaten danken, die

der ruhmreichen Kriegsgeschichte Preußens ebenbürtig

sich

ver­ zu

an­

reihen. Nach einer halbhundertjährigen,

kürzerer Dauer

nur durch ehrenvolle Kriegszüge von

unterbrochenen Friedensperiode haben

die Ausbildung

sich

und Mannszucht Meines Heeres, die Zweckmäßigkeit seiner Verfassung und

seiner Ausrüstung durch

in

dem

vorjährigen durch Ungunst der Witterung und

den tapferen Widerstand des Feindes denkwürdigen Kriege

bewährt.

Es ist der jetzigen Organisation des Heeres

zu

glänzend

verdanken, daß

der Krieg geführt werden konnte, ohne die Erwerbs- und Familienverhält­ nisse der Bevölkerung

der Landwehr

durch Aufbietung

zu

beeinträchtigen.

Nach solchen Erfahrungen ist es um so mehr Meine landesherrliche Pflicht,

die bestehenden Einrichtungen Grundlage

aufrecht

zu

zu höherer Vollkommenheit

erhalten und auf der

gegebenen

darf

erwarten,

Ich

auszubilden.

daß beide Häuser des Landtags Mich in der Erfüllung dieser Pflicht durch

ihre verfassungsmäßige Mitwirkung unterstützen werden. Besondere Pflege erfordert die Entwickelung der Marine.

Sie hat im

Kriege durch ihre Leistungen sich einen gerechten Anspruch auf Anerkennung erworben und ihre hohe Bedeutung für das Land dargethan.

Soll Preußen

der ihm durch seine Lage und politische Stellung zugewiesenen Aufgabe ge­

nügen, so muß für eine entsprechende Ausbildung der Seemacht Sorge ge­ tragen und dürfen bedeutende Opfer für dieselbe nicht gescheut werden.

dieser Überzeugung

wird Ihnen

weiterung der Flotte vorlegen.

Meine

Regierung

einen Plan

zur

In

Er­

74

Erstes Buch. 1858-1866. Die Verpflichtung zur Fürsorge für die im Dienste und auf dem

Felde der Ehre an Gesundheit und Leben geschädigten Krieger und

deren

Hinterbliebene wird in der Vorlage eines Jnvaliden-Pensionsgesetzes einen wahlberechtigten Ausdruck finden, und Ich hoffe, daß Sie

derselben eine

bereitwillige Aufnahme zuwenden werden.

Die Aufstellung der Truppen an der polnischen Grenze hat nach dem

Erlöschen können.

der Insurrektion im

wieder

Nachbarlande

aufgehoben

werden

Durch die gemäßigte, aber feste Haltung Meiner Regiemng wurde

Preußen gegen Übergriffe des Aufstandes sichergestellt, während gegen einzelne Teilnehmer

an

Bestrebungen,

die Losreißung

welche

eines

Teiles

-er

Monarchie zum Endziele hatten, von den zuständigen Gerichten auf Strafe erkannt worden ist. Daß die günstige Finanzlage des Staates es gestattet hat, den dänischen Krieg ohne Anleihe durchzuführen, muß eine große Genugthuung gewähren. Es

ist dies mit Hilfe einer sparsamen und umsichtigen Verwaltung, vor­

nehmlich durch die beträchllichen Überschüsse der Staatseinnahmen in den

beiden letzten Jahren möglich

geworden.

Über die durch den Krieg ver­

anlaßten Kosten und die zu ihrer Bestreitung verwendeten Geldmittel wird

Ihnen nach dem Finalabschluß für das

verflossene Jahr Meine Negierung

vollständige Vorlagen machen.

Der Staatshaushalts-Etat für das laufende Jahr wird Ihnen unver­

In demselben sind die aus der neuen Grund-

züglich vorgelegt werden.

und Gebäudcsteuer zu erwartenden Mehreinnahmen in Ansatz gebracht, und

auch die sonstigen Einnahmen haben unter Festhaltung der bewährten Grund­

sätze einer vorsichtigen Veranschlagung werden können.

Es

zu erhöhten Beträgen

ergaben sich dadurch

die

Mittel,

angenommen

nicht allein das

Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben auch in dem Etat wiederher­

zustellen, sondern auch

eine beträchtliche Summe

Bedürfnisse in allen Verwaltungszweigen zu

zur Befriedigung neuer

bewilligen.

Außer den all­

gemeinen Rechnungen über den Staatshaushalt der drei Jahre von 1859 bis 1861, deren Vorlage von neuem stattgefunden hat,

wird Ihnen nun­

mehr auch die Rechnung für das Jahr 1862 zur Entlastung der Staatsregicrung übergeben werden.

Die Arbeiten zur anderweiten Regelung der Grundsteuer sind in der vorgeschriebenen Zeit und in befriedigender Weise zum Abschluß gebracht.

Daß dieses Ziel erreicht worden, ist, wie Ich gern anerkenne, wesentlich den eifrigen

Bemühungen

zu

danken,

mit

welchen von

allen

Seiten

Lösung der schwierigen und mühsamen Aufgabe angestrebt wurde.

die

75

1865.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

Auch die Veranlagung der Gebäudesteuer ist soweit gediehen,

daß sie

nur noch der schließlichen Berichtigung bedarf.

die Fortschritte in den ver­

Meine Regierung ist unablässig bestrebt,

schiedenen Zweigen der Landeskultur zu befördern und für eine Vermehrung

und Verbesserung der Kommunikationsmittel Sorge wnrf einer

allgemeinen

Wegeordnung

von

wird

Der Ent-

tragen.

zu

neuem

einen

wichtigen und

Ver­

vollständigung des Eisenbahnnetzes werden Ihnen mehrere Vorlagen

über­

Gegenstand Ihrer Beratung

bilden.

wegen

Auch

Erweiterung

geben werden.

Zur Anlage einer für Handels- und Kriegsschiffe jeder Art nutzbaren

Schleswig

und

Holstein hat Meine Regierung technische Vorarbeiten ausführen lassen.

Bei

der Wichtigkeit dieses

des

Kanalverbindung

zwischen

Ost-

der

großartigen

und Nordsee

durch

für

Unternehmens

die Interessen

Handels und der preußischen Marine wird Meine Regierung die Ausführung

durch

eine

bemüht sein,

angemessene Beteiligung des Staates sicher zu

stellen und Ihnen nach Abschluß der vorbereitenden Verhandlungen darüber

nähere Mitteilungen machen. Der Bergbau, befreit von lästigen Beschränkungen, erleichtert in seinen Abgaben und

gefördert durch

die Vermehrung

sich zu einem erfreulichen Aufschwung.

der Absatzwege,

entwickelt

Sie werden den Entwurf eines all­

gemeinen Berggesetzes zur Prüfung empfangen,

welches

die Rechtsverhält­

nisse des Bergbaus zu ordnen bestimmt ist.

Die im Interesse des Handels Krieges

erlassene Verordnung

unserer Seehäfen für die Dauer des

in betreff

der

extraordinären Flaggengelder

wird Ihnen zur nachträglichen Genehmigung zugehen.

Es ist Meiner Regierung gelungen, die Hindernisse, welche die Fort­

dauer des

deutschen Zollvereins

fährden drohten, zu beseitigen.

nach Ablauf der Vertragsperiode zu ge­ Die mit der Regierung Sr. Majestät

Kaisers der Franzosen abgeschlossenen Verträge haben

des

die Zustimmung der

sämtlichen Vereinsregierungen erhalten, und die Zollvereinsverträge sind mit

einigen, durch die Erfahrung gerechtfertigten Abänderungen erneuert worden. Diese Verträge, sowie ein nachträglich mit Frankreich getroffenes Abkommen

in betreff der von unseren Zollverbündeten geltend gemachten Wünsche, wer­

den behufs Ihrer Zustimmung

vorgelegt

werden.

Die infolge jener Ver­

träge in Gemeinschaft mit den Regierungen von Bayern und Sachsen

ein­

geleiteten Verhandlungen mit Österreich zur Erleichterung und Beförderung

der beiderseitigen

wärtigen.

Verkehrsbeziehungen lassen

ein

baldiges

Ergebnis

ge­

76

Erstes Buch. 1858—1866. Das Werk, welches durch die Verträge mit Frankreich

im August

1862 eingeleitet und dessen Durchführung seitdem von Meiner Regierung, wie von der Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen mit gleicher Be­

harrlichkeit gefördert wurde, nähert sich somit einem Abschlüsse,

welcher in

weiten Gebieten dem Handel eine freiere Bewegung gestatten und den freund­ schaftlichen Beziehungen benachbarter Stationen durch die Gemeinsamkeit der Entwickelung ihrer Wohlfahrt eine neue Bürgschaft verleihen wird. Ich habe der Thaten Meines Kriegsheeres

reichische Heer mit einzubegreifen.

Wie die Krieger beider Heere in Waffen­

brüderschaft den Lorbeer geteilt haben, tretenen Verwickelungen

gegenüber

seine feste und dauernde

so

gegen

hat die beiden Höfe den einge­

ein enges Bündnis

Grundlage

verknüpft, welches

in Meinen und Meines

Verbündeten deutschen Gesinnungen fand. der Treue

gedenken können,

nicht

freudige und herzliche Anerkennung für das öster­

ohne darin die gleiche

erhabenen

In diesen Gesinnungen und in

die Verträge liegt die Bürgschaft für die Erhaltung des

Bandes, welches die deutschen Staaten umschlingt und ihnen den Schutz des

Bundes sichert.

Der Friede mit Dänemark hat Deutschland marken

seine bestrittenen Nord­

und diesen die Möglichkeit der lebendigen Beteiligung an unserem

nationalen Leben zurückgegeben.

Es wird die Aufgabe Meiner Politik sein,

diese Errungenschaft durch Einrichtungen

sicher zu stellen,

welche uns die

Ehrenpflicht des Schutzes jener Grenzen erleichtem und die Herzogtümer

in den Stand setzen, ihre

reichen Kräfte

für die Entwickelung der Land-

und Seemacht wie der materiellen Interessen des gemeinsamen Vaterlandes wirksam zu verwerten.

Unter Aufrechterhaltung

dieser

berechtigten Forde­

rungen werde Ich die Erfüllung derselben mit allen begründeten Ansprüchen, so des Landes wie der Fürsten, in Einllang zu bringen suchen.

Ich habe

daher, um einen sicheren Anhalt für Meine Beurteilung der streitigen Rechts­

fragen zu gewinnen, die Syndici Meiner Krone, ihrem Berufe entsprechend, zu einem Rechtsgutachten aufgefordert. Meine rechtliche Überzeugung und

die Pflichten gegen

Mein Land werden Mich leiten

Mich mit Meinem hohen Verbündeten zu inzwischen den Besitz

bei dem Bestreben,

verständigen, mit

und die Sorge für eine

welchem Ich

geordnete Verwaltung der

Herzogtümer teile.

Es gereicht Mir zur lebhaften Befriedigung, daß die kriegerischen Ver­ wickelungen auf den engsten Kreis beschränkt geblieben und die naheliegenden

Gefahren, welche daraus für den europäischen Frieden hervorgehen konnten, abgewendet worden sind.

Die Wiederherstellung der

diplomatischen

Ver-

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1865.

77

bindung mit Dänemark ist eingeleitet, und es werden sich, wie Ich fest ver­ traue,

freundlichen und

die

gegenseitig

fördernden Verhältnisse ausbilden,

welche so sehr dem natürlichen Interesse beider Länder entsprechen.

Meine

Beziehungen zu allen übrigen Mächten sind in keiner Weise gestört worden

und fahren fort, die glücklichsten und erfreulichsten zu sein. Es ist Mein dringender Wunsch, daß der Gegensatz,

Meine Herren!

welcher in den letzten Jahren zwischen Meiner Regierung und

der Abgeordneten obgewaltet hat, seine Ausgleichung finde.

dem Hause

Die bedeutungs­

vollen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit werden dazu beigetragen haben, die Meinungen über das Bedürfnis der verbesserten Organisation des Heeres,

die sich in einem siegreich geführten Kriege bewährt hat,

aufzuklären.

Die

Rechte, welche der Landesvertretung durch die Verfassungsurkunde eingeräumt worden sind,

bin Ich

auch

ferner

zu achten und zu wahren entschlossen.

Soll aber Preußen seine Selbständigkeit und die ihm unter den europäischen

Staaten gebührende Machtstellung behaupten, so muß seine Regierung eine

feste und starke

sein,

vertretung nicht

anders

erstreben,

welche

und als

kann

sie das Einverständnis mit der Landes­

unter Aufrechthaltung der Heereseinrichtungen

die Wehrhaftigkeit und

damit die Sicherheit des Vater­

landes verbürgen.

Der Wohlfahrt Preußens und seiner Ehre Mein Leben

gewidmet.

Mit dem gleichen Ziel

ist Mein ganzes Streben,

vor Augen,

werden Sie,

wie Ich nicht zweifle, den Weg zur vollen Verständigung mit Meiner Re­ gierung zu finden wissen, und werden Ihre Arbeiten dem Vaterlande

zum

Segen gereichen.

38. Antwort des Königs auf die Adresse des HerrenhausesDonnerstag, den 26. Januar 1865. Ich danke dem Herrenhause für die erneuerte Kundgebung seiner Ge­ sinnungen,

welche

in der Mir von Ihnen überreichten Adresse einen nach

Form und Inhalt so

Waffenthaten Meines

selbst;

es

ist aber

Meiner Regierung

schönen Ausdruck Kriegsheeres

gefunden haben.

dankbar anerkenne,

auch auf anderen Gebieten in dem

verflossenen Jahre

Daß versteht

Ich sich

die

von

der Staatsverwaltung von Vieles

geschehen,

wodurch

Preußen auf die Stufe des Ansehens in Europa gehoben worden ist, welche

Erstes Buch. 1858-1866.

78 seiner Macht entspricht.

Ich habe es gern vernommen, daß das Herren­

haus auch diese Thätigkeit Meiner Regiemng dankbar gewürdigt hat. Dieser Dank, sowohl für die ruhmreiche Haltung des Heeres, wie für die erfolg­ reichen Bestrebungen Meiner Regierung, lebt aber auch — Ich bin davon überzeugt — in Meinem Volke, und diese Überzeugung ist es, welche Meinem Herzen so wohlthut.

aber ist es, daß

Das Beste dabei

alles,

was geschehen, auf der Grundlage geschehen ist, welche allein durch Gottes

Segen Bestand und Dauer gewährt,

auf der Grundlage der Gottesfurcht.

Die Gottesfurcht ist in dem Heere lebendig gewesen, aus ihr ist die opfer­ willige Teilnahme hervorgegangen, welche das Volk dem kämpfenden Heere so warm und eifrig bewiesen hat.

Es ist Mein sehnlicher Wunsch, daß

der zwischen Meiner Regierung und einem Teile der Landesvertretung be­

stehende

Gegensatz ausgeglichen werde.

Landesvertretung

Ich bin in der Thronrede

entgegengekommen, nun ist

der

es an der Landesvertretung,

An dem aber, was Ich in Beziehung auf

auch Mir entgegenzukommen.

diese Ausgleichung vom Throne herab ausgesprochen habe,

werde Ich un­

erschütterlich festhalten, indem Ich gewissenhaft bemüht bin, alles zu thun,

was mit der Wohlfahrt des Landes vereinbar ist.

Bei dieser Meiner Ge­

sinnung darf Ich das Vertrauen hegen, daß die Mißtöne, welche allerdings noch vorhanden sind, bald

beseitigt werden.

Sprechen Sie dem Herren­

hause, insbesondere den Antragstellern, Meinen Königlichen Dank für die Mir überreichte Adresse aus.

39.

Urkunde für den Grundstein des Siegesdenkmals in Berlin. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen u. s. w., thur kund und fügen zu wissen, daß Wir beschlossen haben, zum bleibenden Ge­

dächtnis an die Thaten Unseres Heeres in dem im verflossenen Jahre geger

Dänemark geführten Kriege in Unserer Haupt- und Residenzstadt

Berlir

den Trophäen dieses Feldzuges ein Monument errichten zu

lassen

aus

Wir haben diesen Krieg in Gemeinschaft mit Unserm erhabenen Verbündeten

dem

Kaiser

von

Österreich,

unternommen,

deutsches Recht und deutsche Ehre zu schirmen. füllung Unserer Pflicht gnädig beigestanden.

eingedenk

Unseres

Bemfes

Gott hat Uns in der Er­ Er hat den Geist Unsere!

Volles wach werdm lassen in der Erinnerung an die Heldenthaten feine:

Väter.

79

Regentschaft und BerfassnngSkonslikt. 1865.

Deutschlands Nordmarken sind durch die Siege Unseres Heeres wieder

deutsch und verbürgen die Zukunft Unserer jungen Flotte, die ihre Feuer­

probe ehrenvoll bestanden hat.

Was Preußens Schwert befreit hat, wird

Preußens Schwert mit Gottes Hilfe auch schützen. Unserem Volke

Gott Dank und

Wir opfern heute mit

bezahlen dem Höchsten Unsere Gelübde,

heute am 18. April int Jahre des Heils 1865, heute in dieser Stunde, wo vor Jahresfrist Unsere Armee unter dem Oberbefehl Unseres bewährten

und tapferen

Generalfeldmarschalls, Grafen v. Wrangel, unter spezieller

Leitung des kommandierenden Generals, Prinzen Friedrich Karl von Preußen,

im Beisein der Prinzen Unseres Königlichen Hauses, in mutigem

die

letzten

Bollwerke

des

Feindes

auf

deutschem

Preußens Söhne, dem Rufe ihres Königs folgend,

Blute besiegelten.

Festlande

Sturm

nahm,

wo

ihre Treue mit ihrem

Wir werden den Gefallenen auf dem Schauplatze ihres

Ruhmes, auf dem Boden, den sie mit ihrem Blute gewinnen halfen, Denk­ mäler ihres Heldenmutes setzen lassen; hier aber legen Wir heute, in Ge­

meinschaft mit der Königin, Unserer Gemahlin, umgeben von Unserem reich­

Königlichen Hause,

gesegneten

von Unseren Generalen,

geführt und ihr in Tapferkeit vorgeleuchtet,

welche die Armee

von Offizieren und Mann­

schaften aller Truppenteile, welche am Kriege teilnahmen, von den Räten

Unserer Krone, den Gmndstein zu einem Denkmal, welches den kommenden

Geschlechtern bezeugen soll, wie in Unserem Volke auch nach langem Frieden der Geist seiner Väter lebte, wie Unser Heer, das Volk in Waffen, mutig

und wohlgeübt, die ererbte kriegerische Tüchtigkeit in Zucht und Ordnung bewährend,

zu Wasser und zu Lande die Ungunst der Elemente und den

töpfern Widerstand der Feinde überwunden hat, dem Könige die Treue

haltend bis in den Tod.

Gegenwärtige Urkunde haben Wir in zwei gleichlautenden Ausfertigungen mit Unserer Allerhöchst eigenhändigen Namensunterschrift vollzogen und mit

Unserem größeren Königlichen Jnfiegel versehen lassen, und befehlen Wir,

die eine in den Gmndstein des Denkmals niederzulegen, die andere in Unserem Staatsarchiv aufzubewahren. Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin,

am 18. April

des Jahres 1865. (L. 8.)

Wilhelm.

Erste- Buch.

80

1858—1866.

40.

Rede beim Schluß des Landtags, Sonnabend, den 17. Juni 1865.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Des Königs Majestät haben mir *) den Auftrag zu erteilen geruht,

die Sitzungen der beiden Häuser des Landtags der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.

In der abgelaufenen Sitzungsperiode verdankt das Land dem Zu­ sammenwirken des Landtags mit der Regierung die Erneuerung des deutschen Zollvereins, den Abschluß der Zollverträge mit Frankreich

und Österreich,

mit England und Belgien, das neue Berggesetz, die Regulierung der schlesi­ schen Zehntverfassung, die bessere Versorgung der Militärinvaliden,

die

Eisenbahnanlage an der Jade, in der Eifel und in Thüringen, sowie eine

Anzahl anderer nützlicher und heilsamer Gesetze.

Aber zu vollen und durchgreifenden Resultaten hätte das Zusammen­

wirken der Volksvertretung mit der Regierung nur dann führen können,

gegenüber, das Wohl des

wenn, auch

den politischen Meinungskämpfen

Vaterlandes

oberstes Gesetz und höchste Richtschnur für alle Parteien ge­

blieben

wäre.

So ist es nicht gewesen.

Die deutlich ausgesprochene Ab­

sicht der Mehrheit des Abgeordnetenhauses, den gegenwärtigen Ratgebern

der Krone Schwierigkeiten zu bereiten, hat zur Verwerfung der Wegcordnung, des Bankgesetzes, der Eisenbahnanlagen in Ostpreußen und dadurch zur

Schädigung des materiellen Wohls des Landes geführt.

Durch die Verwerfung des Militärgesetzes hat die unter der

Mit­

wirkung früherer Landtage in das Leben gerufene und durch die kriegerischen

Ereignisse des vorigen Jahres bewährte neue Heereseinrichtung, unter Ge­ fährdung der äußeren Sicherheit des Landes, aufs neue in Frage werden

sollen.

gestellt

Das Haus der Abgeordneten versagt der Regierung

die

Mittel zur Herstellung einer den gegenwärtigen Verhältnissen und Bedürf­ nissen entsprechenden Kriegsflotte; es versagt ihr den von ihm verlangten

Beistand zur Gewinnung

der Früchte der mit so

errungenen Siege des verflossenen Jahres.

vielem, teueren

Blute

Ja, es hat sich von den glänzen­

den Thaten und Erfolgen der Armee losgesagt, indem es,

wie früher die

geforderte Anleihe, so jetzt die nachträgliche Genehmigung der verausgabten Kriegskosten verweigert hat. *) Ministerpräsident v. Bismarck.

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1865.

81

Das Staatshaushaltsgesetz, dessen Zustandekommen nach Art. 62

und

der Verfassungsurkunde

99

von dem Zusammenwirken aller

setzgebung beteiligten Faktoren erwartet wird,

bei der Ge­

ist auch in diesem Jahre an

der Weigerung des Abgeordnetenhauses, die zur Aufrechthaltung des Heer­

wesens unerläßlichen Mittel zu bewilligen, gescheitert. Das Abgeordnetenhaus hat Forderungen verweigert, welche die Staats­

stellen mußte;

regierung

nicht ausführen kann.

Sitzung

abermals

es

hat Beschlüsse

die Regierung

welche

gefaßt,

der

ersehnten Verständigung schließt die

unter dem Eindruck

gegenseitiger Entfremdung der zum

Statt mit

Zusammenwirken berufenen Kräfte. Sr. Majestät Regierung

hat

nur ein Ziel im Auge: die Wahrung

der Rechte und der Ehre des Königs und des Landes, so wie sie verbrieft

sind,

so wie sie nebeneinander bestehen können und

müssen.

Dem Lande

ist nicht gedient, wenn seine gewählten Vertreter die Hand nach Rechten

ausstreckcn, die ihre gesetzliche Stellung im Verfassungsleben ihnen

versagt.

Rur wenn sie diese Stellung dazu benutzen, mit zu arbeiten an dem von unseren

Fürsten begonnenen und

bisher durchgeführten Werke, Preußen,

unter starken Königen, groß und glücklich zu machen,

nur dann werden sie

das Mandat erfüllen, welche des Königs Unterthanen in ihre Hände legen.

Die Regiemng Sr. Majestät ist bestrebt, das in gleichem Sinne ihr erteilte Mandat ihres Königlichen Herrn nach Kräften auszuführen.

wird, unbeirrt durch feindseligen

Schrift,

und

Sie

maßlosen Widerstand in Rede und

stark im Bewußtsein ihres guten Rechts und guten Willens, den

geordneten Gang der öffentlichen Angelegenheiten aufrecht erhalten und die

Interessen des Landes nach außen wie nach innen lebt der Zuversicht, daß der Weg,

kräftigst vertreten.

den sie bisher inne gehalten,

Sie

ein ge­

rechter und heilsamer gewesen ist, nnd daß der Tag nicht mehr sein sein kann, an welchem die Nation, wie

bereits durch Tausende aus freier Be­

wegung kund gewordener Stimmen

geschehen, so

auch durch

den Mund

ihrer geordneten Vertreter ihrem Königlichen Herm Dank und Anerkennung

aussprechen werde.

Dem Herrenhause habe ich im Namen Sr. Majestät Allerhöchst Dessen Dank

für

die

auch

in dieser Session

bewiesene

Treue

und Hingebung

zu sagen.

Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier­

mit die Sitzung der beiden Häuser des Landtags für geschlossen.

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

6

Erstes Buch. 1858—1866.

82

41.

Patent, lietr. die Besitznahme des Herzogtums Lauenburg. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen u. s. w., thun hiermit jedermann kund und zu wissen:

Nachdem Se. Majestät König Christian IX.

von Dänemark in dem

zu Wien am 30. Oktober 1864 abgeschlossenen Friedenstraktat Seine Rechte

an Se. Majestät den Kaiser

und

an das Herzogtum Lauenburg

an Uns

von Österreich

abgetreten, und

gemeinschaftlich

Kaiser Franz Joseph I.

nachdem Se. Majestät der

von Österreich Seinen Anteil an diesen Rechten am 20. des­

durch die am 14. August d. I. zu Gastein verabredete und

selben Monats zu Salzburg zwischen Uns abgeschlossene Vereinbarung Uns

überlassen hat: so nehmen Wir, in Erfüllung des von der lauenburgischen

Landesvertretung ausgesprochenen Wunsches, dieses Herzogtum in Kraft des

Patents

gegenwärtigen

mit

Rechten

allen

Landeshoheit

der

herrlichkeit in Besitz, fügen Unseren Titeln den

und

Ober­

eines Herzogs von Lauen­

burg bei und wollen, daß das Herzogtum Lauenburg in Unserm König­ lichen Hause

den

nach

für die Erbfolge in der Krone Preußens bestehen­

den Grundsätzen vererben soll.

Wir entbieten allen Einwohnern des Herzog­

gebieten ihnen, Uns fortan als

tums Unsern landesväterlichcn Gruß und

ihren rechtmäßigen Landesherrn anzuerkennen, Uns und Unsern Nachfolgern

den Eid der Treue zu leisten und Unsern Gesetzen und Anordnungen nach­

zuleben,

wogegen Wir sie Unseres landesherrlichen Schutzes versichern und

versprechen,

daß Wir sie gerecht regieren, das Land und

seine Bewohner

bei ihren wohlerworbenen Rechten schützen und Unsere landesväterliche Für­

sorge auf die Wohlfahrt derselben richten wollen. Zu Unserm Minister für Lauenburg haben Wir Unsern

Minister­

präsidenten und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, von BismarckSchönhausen, ernannt und demselben befohlen, die Regierung nach Maßgabe

der im Herzogtum bestehenden

Gesetze und

Landesordnungen zu führen,

wollen auch alle Beamte des Herzogtums, nachdem Uns dieselben den Eid

der Treue

geleistet haben werden,

in ihren Anstellungen

bestätigen

und

belassen.

Wir beauftragen Unsern Staatsminister,

burg,

von dem

Auftrag Besitz

Herzogtum Lauenburg

zu

ergreifen, die

und Pflicht für Uns

obersten

zu nehmen und

Grafen

hiemach

v.

Arnim-Boitzen-

in Unserm

Behörden des

Namen und

Landes

in

Eid

ihnen den Auftrag zur Vereidigung

Regentschaft und VerfafsungSkonslikt. 1866.

83

der übrigen Beamten zu erteilen, indem Wir die Erbhuldigung des Landes

wo Uns möglich sein wird, dieselbe in

bis zu dem Zeitpunkte Vorbehalten,

eigner Person entgegenzunehmen *). So geschehen Berlin, den 13. September 1865.

Wilhelm Rex. von Bismarck.

42.

Hebe zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 15. Januar 1866. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König haben mir2) den Auftrag zu erteilen geruht,

den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.

In der letzten Sitzungsperiode ist, wie in ben Vorjahren, in Erman­ gelung der notwendigen Übereinstimmung der Häuser des Landtags unter­ einander und mit der Krone, das in Artikel 99 der Verfassungsurkunde vor­ gesehene Etatsgesetz nicht zu stände gekommen.

gelaufenen Jahre die

Staatsverwaltung

ohne

Es hat daher auch im ab-

ein

solches

Gesetz

geführt

werden müssen. Die Nachweisung

der Einnahmen und Ausgaben,

welche der Finanz­

verwaltung des verflossenen Jahres als Richtschnur gedient hat, ist amtlich znr öffentlichen Kenntnis gebracht worden.

Der Staatshaushalts-Etat für das laufende Jahr wird dem Landtage unverweilt vorgelcgt werden. Aus demselben werden Sie die Überzeugung gewinnen, daß unsere Finanzen sich fortdauernd in günstiger Lage befinden.

Bei den meisten Verwaltungszweigen ist nach

den bisherigen Erfah­

rungen eine Erhöhung der Einnahmesätze zulässig gewesen, welche die Mittel

geboten hat, im Etat die zusehen und zur

Befriedigung zahlreicher Mehrbedürfnisse vor­

weiteren Verbesserung des Diensteinkommens

der gering­

besoldeten Beamtenklassen eine angemessene Summe zu bestimmen, ohne das Gleichgewicht zwischen Einnahme und Ausgabe zu stören.

Den Häusern des Landtags wird, dem Vorbehalt im § 8 des Grund­ steuergesetzes vom 21. Mai 1861 gemäß, der Entwurf eines das Werk der Veranlagung abschließenden Gesetzes

wegen definitiver Unterverteilung und

*) Dieselbe erfolgte am 26. September in der St. Petrikirche zu Ratzeburg. a) Ministerpräsident Graf v. Bismarck.

84

Erstes Buch. 1858—1866.

Erhebung der Grundsteuer in den sechs östlichen Provinzen zur verfassungs­ mäßigen Beschlußnahme vorgelegt werden.

Die Arbeiten zur Ausführung

des Gmndsteuer-Entschädigungsgesetzes sind im eifrigsten Betriebe, und steht zu erwarten, daß die Auszahlung der Entschädigungskapitalien noch im Laufe dieses Jahres wird erfolgen können.

Die Lage der

Finanzen gestattet es, den Gerichtskostenzuschlag all­

mählich zu ermäßigen, um ihn nach Verlauf weniger Jahre ganz wegfallen zu lassen.

Die wirtschaftlichen Zustände des Landes sind im allgemeinen als be­

friedigend zu bezeichnen.

Allerdings ist die letzte Ernte teilweise ungenügend

ausgefallen; wenn aber einzelne Lebensbedürfnisse im Preise gestiegen sind,

so genügt doch die freie Thätigkeit des Handels, mit Hilfe

der erweiterten

Kommunikationsmittel den in einigen Gegenden fehlenden Getreidebedarf zu ergänzen.

Auch zeugt die Frequenz der Eisenbahnen, die Thätigkeit des

Bergbaues, die Regsamkeit in den Gewerben und die durchweg den arbei­

tenden Klassen sich

für eine rüstig

bietende Gelegenheit zur Beschäftigung

fortschreitende Entwickelung.

Im Interesse derselben wird Ihre Mitwirkung

in Anspruch genommen werden. welche den Zweck haben,

Es

werden Ihnen Vorlagen

zugehen,

die Leistungsfähigkeit einiger Staatsbahnen durch

außerordentliche Verwendungen sicherzustellen, den Wirkungskreis der preußi­ schen Bank zu erweitem und Beschränkungen aufzuheben,

welche der freien

Verwertung der Arbeitskraft noch im Wege stehen. Die Handels- und Zollverträge,

welche in der verflossenen Sitzung

einen Gegenstand Ihrer Beratungen bildeten, sind seitdem durch Erneuerung

der Verträge mit Luxemburg, Anhalt und Bremen ergänzt worden. Mit Großbritannien ist ein Schiffahrtsvertrag, mit Italien ein Handels­ vertrag abgeschlossen, auf dessen Ratifizierung von feiten aller Zollvereins­

staaten die Regiemng mit Zuversicht hofft.

Die genannten Verträge werden

Ihnen vorgelegt werden. Durch die Verordnung

vom 10. November v. I. ist

die Königliche

Anordnung, durch welche die Bildung der Ersten Kammer zu erfolgen hatte, zum Abschluß gebracht und sind dem Herrenhause die seiner Stellung im

Staatsorganismus entsprechenden festen und

nicht anders als durch Gesetz

abzuändemden Gmndlagen gegeben worden.

Nach mehrjährigen fruchtlos gebliebenen Verhandlungen über Gesetzes­ vorschläge, welche eine Erleichterung und Abkürzung der Dienstzeit in der

Landwehr, sowie eine gerechtere Verteilung der Kriegsdienstpflicht überhaupt

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

85

1866.

bezweckten, kann die Regierung Sr. Majestät des Königs von der Wieder­

holung solcher Vorschläge für jetzt ein ersprießliches Resultat nicht erwarten.

Sie

die

wird

es

bei den geltenden

daher

Verpflichtung

zum Kriegsdienste

gesetzlichen

Bestimmungen

einstweilen belassen müflen.

über

Indem

die Regierung diese ihr abgedrungene Entschließung bedauert, bleibt sie von der Notwendigkeit durchdrungen, die jetzige, unter Mitwirkung der früheren

Landesvertretung den

ins Leben gerufene, seitdem praktisch bewährte und nach

bestehenden Gesetzen zulässige Einrichtung des Heerwesens aufrecht zu

erhalten und die dazu nötigen Geldmittel auch ferner zu fordern. Wie im Vorjahre, so hält auch jetzt die Regierung Sr. Majestät an dem Bestreben fest, die schnelle und kräftige Entwickelung der preußischen

Für die Gründung angemessener Hafenetablissements,

Seemacht zu fördern.

für

die Beschaffung

und deren Bewaffnung bleibt die Ver­

von Schiffen

wendung außerordentlicher Mittel unerläßlich.

Ein desfallsiger Gesetzentwurf

wird daher dem Landtage von neuem vorgelegt werden, zumal durch die

inzwischen erfolgte Regelung der Besitzverhältnisse von Kiel die wesentlichsten der

im vorigen Jahre der Vorlage entgegengestellten Bedenken ihre Er­

ledigung gefunden haben.

Tie Beziehungen

Preußens

zu allen auswärtigen Staaten sind be­

friedigender und freundschaftlicher Natur. Nachdem durch

den in Gastein und Salzburg abgeschlossenen Vertrag

Se. Majestät der Kaiser

von Österreich Seinen Teil an

den Souveräne-

tätsrechten über das Herzogtum Lauenburg an Se. Majestät den König ab­

getreten hat, ist dasselbe mit der Krone Preußen vereinigt worden, uub es ist

der Wille Sr. Majestät, dieses Herzogtum alle Vorteile des Schutzes

und der Pflege, welche diese Vereinigung ihm bietet, unter Schonung seiner

Eigentümlichkeit genießen zu lassen.

Die schließliche Entscheidung über die Zukunft der anderen beiden Elbherzogtümer ist in demselben Vertrage einer weiteren Verständigung Vor­ behalten; Preußen aber hat in dem Besitz Schleswigs und der in Holstein gewonnenen Stellung ein ausreichendes Pfand dafür erhalten, daß diese Ent­

scheidung nur in einer den deutschen Nationalinteressen und den berechtigten Ansprüchen Preußens entsprechenden Weise erfolgen werde.

Gestützt auf die eigene, durch das Gutachten der Kronsyndici bestärkte

rechtliche Überzeugung ist Se. Majestät der König entschlossen, dieses Pfand bis zur Erreichung des angedeuteten Zieles unter allen Umständen festzuhalten, und

weiß Sich in diesem Entschlüsse von der Zustimmung Seines Volkes

getragen.

Erstes Buch. 1858—1866.

86

Um die Ausführung des Kanals vorzubereiten, welcher die Ostsee mit der Nordsee verbinden soll, beabsichtigt die Staatsregiemng durch eine be­

sondere Vorlage nehmen.

die Mitwirkung

der Landesvertretung

in Anspruch

zu

Die Bedeutung, welche dieses Werk und mit ihm die Entwickelung

der vaterländischen Seemacht für die Stellung Preußens und für deren Ver­

wertung int Gesamtinteresse Deutschlands hat, verleiht der Regierung Sr. Ma­

jestät des Königs von neuem die Zuversicht, daß

bei Erwägung der be­

treffenden Vorlagen die Meinungsverschiedenheiten über innere Fragen und die Parteistellungen sich der Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland unter­ ordnen und daß beide Häuser des Landtags der Krone einmütig und recht­

zeitig die Hand bieten werden, um die Lösung der nationalen Aufgaben fördem zu helfen, welche dem preußischen Staate vermöge seiner Beziehungen zu den Elbherzogtümern in verstärktem Maße obliegen.

Durch die den Hafen von Kiel betreffenden Bestimmungen des Gasteiner Vertrags ist der künftigen deutschen Flotte der bisher mangelnde Hafen ge­

sichert, und wird es die Aufgabe der preußischen Landesvertretung sein, die Staatsregierung in die Lage zu versetzen, Verhandlungen mit ihren Bundes­

genossen auf einer Preußens würdigen Unterlage eröffnen zu können. Im Laufe des verflossenen Jahres haben Se. Majestät der König in

vier Provinzen die erneute Huldigung der Bewohner solcher Landesteile entgegengenommen, welche vor einem halben Jahrhundert mit der preußischen

Monarchie vereinigt oder ihr wiedergewonnen wurden.

Der Geist, in welchem überall diese Jubelfeier begangen worden ist, hat Zeugnis

gegeben von dem erhebenden Bewußtsein unseres Volkes, wie

Großes Gott an dem

preußischen Staate gethan,

wie viel fortschreitende

Entwickelung, wie viel Segen und Gedeihen auf allen Gebieten der öffent­

lichen Wohlfahrt unserm Vaterlande in jenem Zeitraume beschieden war. Mit Begeisterung hat die Bevölkerung jener Provinzen ihre Dankbarkeit für das treue, landesväterliche Walten unserer Fürsten bekundet und von neuem

gelobt, auch ihrerseits die Treue zu halten. dem

Gelöbnis, die

glücklichen Zustände aller Landesteile

fördem zu wollen, haben Se. Majestät die

gesprochen, daß

In Dank gegen Gott und mit

ein Band

auch

fernerhin

erneute volle Zuversicht aus­

des Vertrauens Fürst und Volk für jetzt und

für alle Zukunft umschließen, und daß über Preußen Gottes segnende Hand

auch ferner walten werde. Die Regiemng Sr. Majestät trägt das Bewußtsein in sich, daß ihr der Wille nicht fehlt, ihrem Königlichen Herm nach diesem Seinem Sinne

zu dienen.

Sie lebt der Überzeugung, daß bei einer unbefangenen, leiden-

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

schaftslosen und rein sachlichen Prüfung dessen,

1866.

87

was ihr zu erreichen ver­

gönnt gewesen, wie dessen, was sie mit Hilfe der Landesvertretung noch er­ strebt, genug der Zwecke und Ziele gefunden werden müßten, in denen alle

Parteien sich eins wissen. Werden Sie, meine Herren, von dem Wunsche getragen, diese Einigungs­

punkte zu suchen und hochzuhalten, so wird Ihren Beratungen Segen und Erfolg nicht fehlen. Und so erlläre ich im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs

den Landtag der Monarchie für eröffnet.

43.

Ne-e des Ministerpräsidenten Grafen von Bismarck ;um Schluß des Landtags, Freitag, deu 23. Februar 1866.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Regierung Sr. Majestät des Königs hatte den diesjährigen Land­

tag

nicht in der Erwartung

einer unmittelbaren Lösung

des

schwebenden

Berfassungsstreitcs, aber doch in der Hoffnung eröffnet, daß das im preußi­ schen Volke lebende Verlangen nach einer Ausgleichung auch in der Landes­ vertretung hinreichenden Wiederhall finden werde, um das Zusammenwirken

der Staatsgewalten

zur Herstellung nützlicher Gesetze zu ermöglichen und

durch gemeinsame Thätigkeit im Dienste des Vaterlandes die Schroffheit des Gegensatzes zu niilderrt, in welchen das Haus der Abgeordneten zur Krone

und zum Herrenhause geraten war.

In dieser Hoffnung hat die Staatsregierung den Landtag nach dem Willen Sr. Majestät des Königs eröffnet,

neue Nahrung

zu geben oder

ohne ihrerseits dem Zerwürfnis

die Grundlagen künftiger Verständigung zu

beeinträchtigen.

Die erste Kundgebung, welche darauf aus dem Hause

der Abgeord­

neten erfolgte, war eine Rede seines Präsidenten *), in welcher derselbe der

feindseligen Stimmung der Mehrheit des Hauses durch grundlose und heraus­

fordernde Vorwürfe gegen die Regiemng

Sr. Majestät des Königs Aus­

druck gab. Diesem Vorgänge entsprach die fernere Thätigkeit des Hauses; sie war

’) Grabow.

88

Erstes Buch. 1858—1866.

nicht dem

Frieden,

sondern

dem Streite zugewandt, nicht den

Gesetzes­

vorlagen, sondern dem Bestreben gewidmet, zu Angriffen auf die Regierung den Anlaß auf solchen Gebieten zu suchen, welche die Landesverfassung dem

Wirkungskreise der Volksvertretung

die Thätigkeit der Abgeordneten

nicht überwiesen hat und auf welchen

deshalb

unfruchtbare bleiben mußte.

eine

In diesem Sinne wurde die vom ganzen Lande mit Freuden begrüßte Ver­ einigung des Herzogtums Lauenburg mit der

preußischen Krone und

durch das verfassungsmäßige Recht des Königs angefochten,

zu schließen, welche dem Staate keine Lasten auferlegen.

da­

Staatsverträge

In diesem Sinne

erfolgte, durch den Beschluß vom 10. Februar, ein verfassungswidriger An­ griff auf die durch Artikel 86

der

Verfassungsurkunde verbürgte Unab­

hängigkeit der Gerichte, in Verbindung mit dem Versuche, das wohlbegründete

Ansehen preußischer Rechtspflege im eines Richterstandes wie

seit Jahrhunderten, unserm

einen weiteren Beschluß

und

erschüttern

Volke zu

öffentlich anzutasten,

die Ehre

dessen Unparteilichkeit noch heute,

Vaterlande zum Ruhme gereicht.

hat das Haus

der Abgeordneten

Durch

den Artikel 45

der Verfassungsurkunde verletzt und sich die Sr. Majestät dem Könige allein

zustehenden Befugnisse

der

vollziehenden Gewalt

beigelegt,

indem

es

den

Beamten derselben Vorschriften in betreff ihrer dienstlichen Pflichten zu er­

teilen unternahm.

Angesichts dieser Übergriffe mußte die Staatsregierung sich die Frage vorlegen,

ob von der Fortsetzung der Verhandlungen des Landtags gedeih­

liche Ergebnisse

für die Wohlfahrt und den inneren Frieden

überhaupt zu erwarten ständen.

Se. Majestät der König

des Landes

hat die Beant­

wortung dieser Frage ausgesetzt wissen wollen, bis die Beratungen des Hauses der Abgeordneten

über einen Antrag

erfolgt sein würden,

welchem die

in

vermittelnden Bestrebungen einer Minderheit ihren Ausdruck gefunden hatten.

Der Verlauf dieser Beratungen hat bei der Staatsregierung die Be­ sorgnis nicht zu heben vermocht,

daß auf dem

vom Hause

der Abgeord­

neten eingeschlagenen Wege das Land ernsteren Zerwürfnissen entgegengeführt

und

die

Ausgleichung

der

bestehenden

auch

für

die Zukunft

erschwert

werden würde. Um dies

zu

verhüten, haben Se. Majestät der König

befohlen, die

Sitzungen des am 15. Januar eröffneten Landtags zu schließen.

Im Aller­

höchsten Auftrage erkläre ich den Landtag der Monarchie für geschlossen.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

89

1866.

44. Allerhöchster Erlaß auf die patriotische Adresse der Stadt Breslau, Sonnabend, den 19. Mai 1866.

Die Worte, welche Magistrat und Stadtverordnete der Stadt Breslau in der Vorstellung vom 15. d. M. an Mich richten, habe Ich gern ver­ nommen.

Ich erkenne in ihnen den Ausfluß desselben Geistes, welcher im

Jahre 1813 die Väter der heutigen Bewohner Breslaus beseelte;

es hat

Mir wohlgethan, daß die Vertreter der Stadt diesem Geiste mit Ernst und Niemand kann die Schwere

Wärme Ausdruck gegeben haben.

der Opfer,

welche der Krieg dem Vaterlande auferlegen würde, schmerzlicher empfinden,

als Ich, niemand das Bedürfnis lebhafter fühlen, daß dieselben von Herrscher

und Volk in ungetrübter Eintracht getragen der Stadt Breslau

als

werden.

Bürgschaft dienen, daß

Möge Mein Wort

kein ehrgeiziges Streben,

selbst nicht dasjenige, welches im Interesse des großen, gemeinsamen Vater­

landes berechtigt genannt werden könnte, sondem nur die Pflicht, Preußen

und seine heiligsten Güter zu verteidigen,

Mich Mein Volk hat

zu den

Mögen die Einwohner der Stadt überzeugt sein, daß

Waffen rufen lassen.

die Verständigung über die zwischen Meiner Regierung und dem Landtage streitigen Fragen das Ziel Meiner Wünsche und Meines eifrigen Strebens

ist.

In der Hoffnung, diesem Ziele näher zu treten, in der Hoffnung, daß

angesichts

der Gefahren,

welche

Preußen

bedrohen, die einander wider­

streitenden Rechtsansichten und Stimmungen ihre Vermittelung in der ge­ meinsamen Hingebung

für das

Vaterland

Landtag der Monarchie einberufen. —

finden werden,

werde ich den

Durch Anordnung von Neuwahlen

ist den Wählern und den Gewählten die Möglichkeit gewährt, frei von den Beziehungen, welche in der Vergangenheit wurzeln, die Gesinnung zum Aus­

druck zu bringen, welche Mein Volk in der gegenwärtigen bedrohten Lage des Landes erfüllt.

In diesem Sinne hoffe Ich, auf dem bevorstehenden

Landtage Meine getreue Stadt Breslau vertreten und

ihre Abgeordneten

zur Herbeiführung der von Mir erstrebten Verständigung mitwirken zu sehen. Berlin, den 19. Mai 1866.

Wilhelm. Graf zu Eulenburg.

Erstes Buch. 1858—1866.

90

45.

Preußische Proklamation „An das deutsche Volk", Sonnabend, den 16. Juni 1866. Nachdem

der Deutsche Bund

Einheit, sondern die Zerrissenheit

ein

halbes Jahrhundert

Deutschlands

lang nicht die

dargestellt und

gefördert,

dadurch längst das Vertrauen der Nation verloren hatte und dem Auslande als die Bürgschaft der Fortdauer deutscher Schwäche und Ohnmacht galt,

hat er in den letzten

Deutschland

Tagen dazu mißbraucht werden sollen,

gegen ein Bundesglied in die Waffen zu rufen, welches durch den Vorschlag der Berufung

eines

deutschen Parlaments

den

ersten und entscheidenden

Schritt zur Befriedigung der nationalen Forderungen gethan hatte.

Für

den von Österreich erstrebten Krieg gegen Preußen fehlte jeder Anhalt in

der Bundesverfassung, wie jeder Grund oder auch nur scheinbare Vorwand. Mit dem Beschluß

vom 14. Juni, durch

Bundesglieder beschloß, sich zum Kriege

welchen

gegen Preußen

die Mehrheit der zu rüsten,

ist der

Bundesbruch vollzogen und das alte Bundesverhältnis zerrissen. Nur die Grundlage des Bundes,

die lebendige Einheit

der deutschen

Nation, ist geblieben, und es ist die Pflicht der Regierungen und des Volkes,

für diese Einheit einen neuen lebenskräftigen Ausdruck zu finden.

Für Preußen verbindet sich damit die Pflicht jenen Beschluß und durch

durch

Unabhängigkeit.

Indem

einzelner

seiner Gegner bedrohten

das preußische Volk zur Erfüllung

seine Gesamtkraft aufbietet,

Interesse

die Rüstungen

zur Verteidigung seiner dieser Pflicht

bekundet es zugleich den Entschluß, für die im

bisher

gewaltsam

gehemmte

nationale

Entwickelung

Deutschlands den Kampf aufzunehmen.

In diesem Sinne hat Preußen sofort nach Auflösung des Bundes den Regierungen ein neues Bündnis auf

seitigen Schutzes geboten.

die einfachen Bedingungen des gegen­

und der Teilnahme an den nationalen Bestrebungen an­

Es verlangte nichts

als Sicherung des Friedens und

zu diesem

Behufe sofortige Berufung des Parlaments. Seine Hoffnung

auf

Erfüllung

langens ist getäuscht worden.

dieses

gerechten und

mäßigen Ver­

Das Anerbieten Preußens ist abgelehnt, und

letzteres damit genötigt worden, nach der Pflicht der Selbsterhaltung zu ver­

fahren.

Feinde oder zweifelhafte Freunde kann Preußen an seiner Grenze

und zwischen seinen Grenzen in einem solchen Augenblick nicht dulden.

Indem die preußischen Truppen die Grenze überschreiten, kommen sie

nicht als Feinde der Bevölkerung, deren Unabhängigkeit Preußen achtet, und

mit deren Vertreten! es

91

1866.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

in der deutschen Nationalversammlung gemeinsam

die künftigen Geschicke des deutschen Vaterlandes zu beraten hofft. Möge das deutsche Volk im Hinblick auf dieses hohe Ziel Preußen mit Vertrauen entgegenkommen und die friedliche Entwickelung des gemein­

samen Vaterlandes fördem und sichern helfen!

46. Aufruf an -as preußische Volk, Montag, den 18. Juni 1866.

An Mein Volk!

In dem

Augenblicke,

wo

Kampfe auszieht, drängt es

Preußens

Heer

zu

einem entscheidenden

Mich, zu Meinem Volke, zu den Söhnen

und Enkeln der tapfern Väter zu reden, zu denen vor einem halben Jahr­

hundert Mein in Gott ruhender Vater unvergessene Worte sprach. Das Vaterland ist in Gefahr!

Österreich und ein großer Teil Deutschlands

steht gegen dasselbe in

Waffen!

Nur wenige Jahre sind es her, seit Ich

aus freiem Entschlüsse und

ohne früherer Unbill zu gedenken, dem Kaiser von Österreich die Bundes­

hand reichte, als cs galt, ein deutsches Land befreien.

Aus dem

von

fremder Herrschaft zu

gemeinschaftlich vergoffenen Blute, hoffte Ich, würde

eine Waffenbrüderschaft erblühen, die zu fester,

auf gegenseitiger Achtung

und Anerkennung beuchender Bundesgenossenschaft und mit ihr zu all dem gemeinsamen Wirken führen würde, aus welchem Deutschlands innere Wohl­

fahrt und

äußere Bedeutung als Frucht hervorgehen sollte.

Hoffnung ist getäuscht worden.

Österreich

Aber Meine

will nicht vergessen, daß seine

Fürsten einst Deutschland beherrschten; in dem jüngeren,

aber kräftig sich

entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenossen, sondem

nur einen feindlichen Nebenbuhler erkennen. muß in allen seinen Bestrebungen

frommt, Österreich schade.

Preußen — so meint es —

bekämpft werden, weil, was Preußen

Die alte unselige Eifersucht ist in hellen Flammen

wieder aufgelodert: Preußen soll geschwächt, vernichtet, entehrt werden.

Ihm

gegenüber gelten keine Verträge mehr, gegen Preußen werden die deutschen

Bundesfürsten nicht bloß aufgemfen,

sondem zum Bundesbruch

verleitet.

Wohin wir in Deutschland schauen, sind wir von Feinden umgeben, deren

Kampfgeschrei ist: „Emiedrigung Preußens!"

Erstes Buch. 1858-1866.

92

Aber in Meinem Volke lebt der Geist von 1813.

Wer wird uns

einen Fuß breit preußischen Bodens rauben, wenn wir ernstlich entschlafen sind, die Errungenschaften unserer Väter zu wahren, wenn König und 8olk,

durch die Gefahren des Vaterlandes fester als je geeint,

an die Ehre >es-

selben Gut und Blut zu setzen für ihre höchste und heiligste Aufgabe haten-

In sorglicher Voraussicht dessen,

was nun eingetreten ist, habe Ich es seit

Jahren für die erste Pflicht Meines Königlichen Amtes

Preußens streitbares Volk für Befriedigt und zuversichtlich

erkennen missen,

eine starke Machtentwickelung vorzuberetem

wird mit Mir jeder Preuße auf die Wafen-

macht blicken, die unsere Grenzen deckt.

Mit seinem Könige an der Sitze

wird sich Preußens Volk ein Volk in Waffen fühlen.

Unsere Gegner Räu­

schen sich, wenn sie wähnen, Preußen sei durch innere Streitigkeiten gelchmt.

Dem Feinde gegenüber ist es einig und stark; dem Feinde gegenüber gdicht

sich aus, was sich entgegenstand, um demnächst im Glück und Unglück ver­ eint zu bleiben.

Ich habe alles gethan, um Preußen die Lasten und Opfer eines Kreges zu ersparen, das weiß Mein Volk,

das weiß Gott, der die Herzen feilst.

Bis zum letzten Augenblicke habe Ich, in Gemeinschaft mit Frankreich, kngland und Rußland, die Wege für eine gütliche Ausgleichung gesucht und offengehalten. Österreich hat nicht gewollt und andere deutsche Stcaten

haben sich offen auf seine Seite gestellt.

So sei es denn!

Nicht Men ist

die Schuld, wenn Mein Volk schweren Kampf kämpfen und vielleicht jarte Bedrängnis wird erdulden müssen: aber

blieben!

es ist uns keine Wahl mehr ge­

Wir müssen fechten um unsere Existenz, wir müssen in anen

Kampf auf Leben und Tod großen Kurfürsten,

des

gehen gegen diejenigen,

die das Preußen des

großen Friedrich, das Preußen, wie

Freiheitskriegen hervorgegangen ist,

die seiner Fürsten Geist und

es aus den

von der Stufe herabstoßen wollen, auf

Kraft,

seines Volkes Tapferkeit, Hingebung

und Gesittung es emporgehoben haben. Flehen

wir den Allmächtigen, den Lenker der Geschicke der Vilker,

den Lenker der Schlachten an, daß Er unsere Waffen segnet.

Verleiht uns Gott den Sieg, dann werden wir auch stark genug sein, das lose Band, welches

That nach

die deutschen Lande

zusammenhielt und welches

jetzt

mehr dem Namen, als der

durch diejenigen zerrisse: ist,

die das Recht und die Macht des nationalen Geistes

fürchten, in awerer

Gestalt fester und heilvoller zu erneuen.

Gott mit uns! Berlin, den 18. Juni 1866.

Wilhelm

Regentschaft und Berfassungskonflikt. 1866.

93

47. Armeebefehl, Freitag, den 29. Juni 1866.

Soldaten Meiner Armee!

Ich begebe Mich heute zu Euch, Meinen im Felde stehenden braven Truppen, und biete Euch Meinen Königlichen Gruß.

In wenigen Tagen

sind durch Eure Tapferkeit und Hingebung Resultate erfochten worden, welche

sich würdig anreihen an die Großthaten unserer Väter.

Mit Stolz blicke

ich auf sämtliche Abteilungen Meines treuen Heeres und sehe den nächsten Kriegsereignissen mit freudiger Zuversicht entgegen. Feinde stehen gegen uns im Kampf.

Soldaten!

Zahlreiche

Laßt uns indes auf Gott den Herrn,

den Lenker aller Schlachten, und auf unsere gerechte Sache bauen. Er wird

durch Eure Tapferkeit und Ausdauer die sieggewohnten preußischen Fahnen zu neuen Siegen führen.

-------------------

Wilhelm.

48. Armeebefehl nach dem Siege von Königgrätz. Soldaten Meiner in Böhmen versammelten Armeen! Eine Reihe blutiger und ruhmreicher Gefechte hat die rechtzeitige Ver­

einigung unserer sämtlichen Streitkräfte in Böhmen möglich gemacht.

Aus

den Mir vorliegenden Berichten ersehe Ich, daß das Resultat durch die sichere Führung Meiner Generale und durch die Hingebung und Tapferkeit sämtlicher Truppen erreicht worden ist.

Unmittelbar darauf hat die Armee,

trotz aller Anstrengungen und Entbehrungen der vorhergehenden Tage, unter Meiner Führung den Feind in einer festen Stellung bei Königgrätz energisch angegriffen, die gut verteidigte Position nach heißem Kampfe genommen und

einen glorreichen Sieg erkämpft.

Viele Trophäen, über hundert eroberte

Kanonen, Tausende von Gefangenen geben aufs neue Zeugnis von der

Tapferkeit und Hingebung, in welcher alle Waffen miteinander gewetteifert

haben.

Der Tag von Königgrätz hat schwere Opfer gefordert, aber er ist

ein Ehrentag für die ganze Armee, auf welche das Vaterland mit Stolz und Bewunderung blickt.

Ich weiß, Ihr werdet auch ferner Meinen Er­

wartungen entsprechen, denn preußische Truppen wußten stets mit dem

Heldenmut diejenige Mannszucht zu vereinigen, ohne welche große Erfolge nicht erkämpft werden können.

Hauptquartier Horicz, den 4. Juli 1866.

Wilhelm.

Erstes Buch. 1858-1866.

94

49.

Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Sonntag, den 5. August 1866. Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!

Indem Ich die Vertretung

des Landes um Mich

versammelt sehe,

drängt Mich Mein Gefühl, vor allem auch von dieser Stelle Meinen und

Meines Volkes Dank für Gottes Gnade auszusprechen, welche Preußen ge­ holfen hat, unter schweren, aber erfolgreichen Opfern nicht nur die Ge­ fahren feindlicher Angriffe

raschem Siegeslauf des

von unseren Grenzen abzuwenden,

vaterländischen Heeres dem

sondern in

ererbten Ruhme neue

Lorbeeren hinzuzufügen und der nationalen Entwickelung Deutschlands die Bahn zu ebnen. Unter dem sichtbaren

Segen Gottes

folgte die

waffenfähige Nation

mit Begeisterung dem Rufe in den heiligen Kampf für die Unabhängigkeit des Vaterlandes, und schritt unser heldenmütiges Heer,

unterstützt von

wenigen, aber treuen Bundesgenossen, von Erfolg zu Erfolg, Sieg, im Osten

wie

im Westen.

Viel teueres

Blut ist

von Sieg zu

geflossen,

viele

Tapfere betrauert das Vaterland, die siegcsfroh den Heldentod starben, bis unsere Fahnen sich in einer Linie von den Karpaten bis zum Rheine ent­

falteten.

In einträchtigem Zusammenwirken

werden Regierung und Volks­

vertretung die Früchte zur Reife zu bringen haben, die aus

der blutigen

Saat, soll sie nicht umsonst gestreut sein, erwachsen müssen. Liebe Herren von beiden Häusern des Landtags!

Auf die Finanzlage des Staates kann Meine Regierung den Blick mit

Befriedigung wenden.

Sorgliche Vorsicht und gewissenhafte Sparsamkeit

haben sie in den Stand gesetzt, die großen finanziellen Schwierigkeiten zu

überwinden, welche die gegenwärtigen Zeitvcrhältnisse in naturgemäßem Ge­ folge haben.

Obwohl schon in den letzten Jahren, durch den Krieg mit Dänemack,

der Staatskasse beträchtliche Opfer auferlegt worden sind, ist es

lungen, die bisher erwachsenen Kosten

des

doch ge­

gegenwärtigen Krieges aus dm

Staatseinnahmen und vorhandenen Beständen,

ohne andere Belastung des

Landes, als die durch die gesetzlichen Naturalleistungen für Kriegszwecke er­ wachsenden, bereit zu stellen.

Um so zuverlässiger hoffe Ich, daß die Mittcl,

welche zur erfolgreichen Beendigung des Krieges und zur Bezahlung

d:r

Naturalleistungen, bei Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in

Regentschaft und Berfassungskonflikt. 1866. den Finanzen, erforderlich sind,

95

von Ihnen bereitwillig werden gewährt

werden. Über die Feststellung des Staatshaushalts-Etats hat eine Vereinbamng

mit der Landesvertretung in den letzten Jahren nicht herbeigeführt werden können.

Die Staatsausgaben,

welche in dieser Zeit geleistet worden sind,

entbehren daher der gesetzlichen Grundlage,

welche der Staatshaushalt, wie

Ich wiederholt anerkenne, nur durch das nach Artikel 99 der Verfassungs­

urkunde alljährlich zwischen Meiner Regiemng und den beiden Häusern des Landtags zu vereinbarende Gesetz erhält.

Wenn Meine Regierung

gleichwohl

den Staatshaushalt ohne diese

gesetzliche Grundlage mehrere Jahre geführt hat, so ist dies nach gewissen­ hafter Prüfung in der pflichtmäßigen Überzeugung geschehen, daß die Fort­

führung einer

geregelten Verwaltung, die Erfüllung der

pflichtungen gegen die Gläubiger haltung

des

gesetzlichen Ver­

und die Beamten des Staates, die Er­

Heeres und der Staatsinflitute Existenzfragen

des Staates

waren, und daß daher jenes Verfahren eine der unabweisbaren Notwendig­ keiten wurde, denen sich eine Negierung im Interesse des Landes nicht ent­ Ich hege das Vertrauen, daß die jüngsten Ereig­

ziehen kann und darf.

nisse

dazu

erzielen,

beitragen

werden, die unerläßliche Verständigung insoweit zu

daß Meiner Regierung in Bezug

auf die ohne Staatshaushalts­

gesetz geführte Verwaltung die Indemnität, um welche die Landesvertretung angegangen werden soll, bereitwillig erteilt und damit der bisherige Konflikt

für alle Zeit um so sicherer zum Abschluß gebracht werden wird,

als er­

wartet werden darf, daß die politische Lage des Vaterlandes eine Erweite­ rung

der Grenzen des

Staates und die Einrichtung

eines

einheitlichen

Bundcsheercs unter Preußens Führung gestatten werde, dessen Lasten von

allen Genossen des Bundes gleichmäßig werden getragen werden. Die Vorlagen, welche in dieser Beziehung behufs Einberufung einer

Volksvertretung der Bundesstaaten erforderlich sind, werden dem Landtage unverzüglich zugehcn. Meine Herren! große Wichtigkeit des

Mit Mir fühlen Sie, fühlt das ganze Vaterland die

Augenblicks,

der Mich in die Heimat

zurückführt.

Möge die Vorsehung ebenso gnadenreich Preußens Zukunft segnen, wie sie sichtlich die jüngste Vergangenheit segnete.

Das walte Gott!

1858—1866.

Erstes Buch.

96

50.

Königliche Botschaft, bett, die Vereinigung des Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen, des Herzogtums Nassau und der freien Stadt Frankfurt mit der preußischen Monarchie, Donnerstag, den 16. August 1866.

Wir, Wilhelm,

von Gottes Gnaden König

von Preußen re., thun

kund und fügen hiermit zu wissen: Die Regierungen des Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen und des Herzogtums Nassau, sowie die freie Stadt Frankfurt haben sich

durch ihre Teilnahme an dem feindlichen Verhalten des ehemaligen Bundes­ tags in offenen Kriegszustand mit Preußen versetzt.

Sie haben sowohl die

Neutralität als das von Preußen unter dem Versprechen der Garantie ihres

Territorialbestandes ihnen wiederholt und noch in letzter Stunde angebotene Bündnis abgelehnt, haben an dem Kriege Österreichs mit Preußen thätigen Anteil genommen und die Entscheidung des Krieges über sich und ihre

Waffen angerufen. Diese Entscheidung ist nach Gottes Ratschluß gegen sie ausgefallen.

Die politische Notwendigkeit zwingt Uns, ihnen die Regierungsgewalt, deren sie durch das siegreiche Vordringen Unserer Heere entkleidet sind, nicht wieder zu übertragen.

Die genannten Länder würden, falls sie ihre Selbständigkeit bewahrten,

vermöge ihrer geographischen Lage

bei

einer feindlichen oder

auch

nur

zweifelhaften Stellung ihrer Regierungen der preußischen Politik und mili­

tärischen Aktion Schwierigkeiten und Hemmnisse bereiten können, welche weit über das

Maß ihrer thatsächlichen Macht und Bedeutung hinausgingen.

Nicht in dem Verlangen nach Ländererwerb, sondern in der Pflicht, Unsere ererbten Staaten vor wiederkehrender Gefahr zu schützen, der nationalen Neugestaltung Deutschlands eine breitere und festere Grundlage zu geben,

liegt für Uns die Nötigung, das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau und die freie Stadt Frankfurt auf immer

mit Unserer Monarchie zu vereinigen.

Wohl wissen Wir, daß nur ein Teil der Bevölkerung jener Staaten mit Uns die Überzeugung von dieser Notwendigkeit teilt. Wir achten und ehren die Gefühle der Treue und Anhänglichkeit, welche die Bewohner der­ selben an ihre bisherigen Fürstenhäuser und an ihre selbständigen politischen Einrichtungen knüpfen.

Allein Wir vertrauen, daß die lebendige Beteiligung

Regentschaft und DerfassungSkonslikt. 1867.

97

an der fortschreitenden Entwickelung des nationalen Gemeinwesens in Ver­

bindung mit einer schonenden Behandlung berechtigter Eigentümlichkeiten den unvermeidlichen Übergang in die neue größere Gemeinschaft erleichtern werde.

Die beiden Häuser des Landtags fordern Wir auf, die zur beabsich­ verfassungsmäßige Einwilligung zu erteilen

tigten Vereinigung erforderliche

und lassen ihnen zu diesem Behufe den beikommenden Gesetzentwurf zugehen. Gegeben Berlin, den 16. August 1866. (L. 8.)

v. Bismarck,

Wilhelm.

v. d. Heydt,

Graf zur Lippe,

v. Roon.

v. Selchow.

v. Mühler.

Jtzenplitz.

Graf Eulenburg.

51.

Patent und Proklamation, betr. die Besitznahme der Herzogtümer Holstein und Schleswig. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden König

von

Preußen re., thun

jedermann hiermit kund: Nachdem in dem Wiener Frieden vom

von Dänemark allen seinen Rechten

30. Oktober 1864 der König

auf die Herzogtümer Holstein und

Schleswig zu Unsern und des Kaisers von Österreich Gunsten entsagt und

in dem Prager Frieden vom

23. August 1866

der Kaiser von Österreich

alle seine im Wiener Frieden erworbenen Rechte auf die gedachten Herzog­

tümer Uns übertragen hat, so haben Wir beschlossen, dieselben, mit Aus­ schluß des dem Großherzog von Oldenburg mittelst Vettrages vom 27. Sep­ tember 1866

abgetretenen Anteils, mit Unserer Monarchie zu

vereinigen

und zu diesem Behufe mit Zustimmung beider Häuser des Landtags das Gesetz vom 24. Dezember v. I. erlassen und verkündigt.

Demzufolge nehmen Wir durch gegenwärttges Patent die gedachten Herzogtümer Holstein und Schleswig mit allen Rechten der Landeshoheit und Oberherrlichkeit in Besitz und einverleiben dieselben Unserer Monarchie mit sämtlichen Zubehörden und Ansprüchen.

Wir werden Unserem Königlichen Titel die entsprechenden Titel hin­ zufügen.

Wir befehlen, die preußischen Adler an den Grenzen zur Bezeichnung

Unserer Landesherrlichkeit aufzurichten, statt der bisher angehefteten Wappen Unser Königliches Wappen anzuschlagen und die öffentlichen Siegel mit dem

preußischen Adler zu versehen. Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

7

Erstes Buch. 1858—1866.

98

Wir gebieten allen Einwohnem der nunmehr mit Unserer Monarchie

vereinigten Herzogtümer Holstein und Schleswig, fortan Uns als ihren

rechtmäßigen König und Landesherrn zu erkennen und Unseren Gesetzen, Verordnungen und Befehlen mit pflichtmäßigem Gehorsam nachzuleben.

Wir werden jedermann im Besitze und Genusse seiner wohlerworbenen

Privatrechte schützen und die Beamten, welche für Uns in Eid und Pflicht zu nehmen sind, bei vorausgesetzter treuer Verwaltung im Genusse ihrer

Diensteinkünste belassen.

Die gesetzgebende Gewalt werden Wir bis

zur

Einfühmng der preußischen Verfassung allein ausüben. Wir wollen die Gesetze und Einrichtungen der Herzogtümer erhalten,

soweit sie der Ausdruck berechtigter Eigentümlichkeiten sind und in Kraft bleiben können, ohne den durch die Einheit des Staates und seiner Interessen

bedingten Anforderungen Eintrag zu thun.

Unser Oberpräsident, Baron von Scheel - Plessen, ist von Uns an­ gewiesen, hiernach die Besitznahme auszuführen.

Hiernach geschieht Unser Wille. Gegeben Berlin, den 12. Januar 1867.

Wilhelm.

(L. 8.)

Graf v. Bismarck-Schönhausen. Graf v. Jtzenplitz.

v. Mühler.

Frhr. v. d. Heydt, Graf zur Lippe,

v. Roon.

v. Selchow.

Graf zu Eulenburg.

Proklamation. Durch das Patent, welches Ich heute vollzogen habe, vereinige Ich

Euch, Einwohner der Herzogtümer Holstein und Schleswig, mit Meinen

Unterthanen, Euren Nachbarn und deutschen Brüdern. Durch die Entscheidung des Kriegs, durch völkerrechüiche Verträge und

durch die Neugestaltung des aus Verbindungen gelöset,

gemeinsamen deutschen Vaterlandes nunmchr

die Ihr schon lange nur mit Widerstreben ge­

tragen, tretet Ihr. jetzt in den Verband eines großen Staates, dessen Be­

völkerung Euch durch Stammesgemeinschast und Sitte verwandt und durch Gemeinsamkeit der Interessen befreundet ist.

Wenn manche unter Euch sich nicht ohne Zögern von anderen Be-

ziehungen losgesagt haben, so chre Ich auch hierin die bewährte Festigkeit Eures Stammes und würdige dieselbe als

eine Bürgschaft, daß Ihr und

Eure Kinder auch Mir und Meinem Hause mit Treue angchören werdet. Ihr werdet die Notwendigkeit des Geschehenen erkennen; denn sollen die

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

99

1867.

Früchte des schweren Kampfes und der blutigen Siege für Deutschland nicht verloren sein, so gebietet es ebenso die Pflicht der Selbsterhaltung als die

Sorge für die Förderung der nationalen Interessen, die Herzogtümer mit Preußen fest und dauernd zu vereinigen.

Und wie schon Mein in Gott

ruhender Herr Vater es ausgesprochen — nur Deutschland hat gewonnen,

was Preußen erworben.

Dieses werdet Ihr mit Emst erwägen, und so vertraue Ich Eurem

deutschen und redlichen Sinn, daß Ihr Mir Eure Treue ebenso aufrichtig

geloben werdet, wie Ich zu Meinem Volke Euch aufnehme. Euren Gewerben und Eurer Landwirtschaft, Eurem Handel und Eurer

Schiffahrt eröffnen sich durch die Vereinigung mit Meinen Staaten reichere Quellen.

Meine Vorsorge wird Eurem Fleiße wirksam entgegenkommen.

Eine gleiche Verteilung der Staatslasten, eine zweckmäßige, energische

Verwaltung, sorgsam erwogene Gesetze, eine gerechte und pünktliche Justiz­ pflege, kurz alle die Garantieen, welche Preußen zu dem gemacht, als was es sich jetzt in harter Probe bewährt hat, werden Euch fortan gemeinsame

Güter sein.

Eure kriegstüchtige Jugend wird sich ihren Brüdern in Meinen andem Staaten zum Schutze des Vaterlandes treu anschließen, und mit Freude wird die

preußische

Armee

und

Marine die tapferen und

seetüchtigen

Schleswig-Holsteiner empfangen, denen in den Jahrbüchern deutschen Ruhmes nunmehr ein neues Blatt eröffnet ist.

Die Diener der Kirchen werden auch femerhin die Bewahrer des väterlichen Glaubens sein. Euren Lehranstalten, den vieljährigen Pflegerinnen deutscher Kunst und Wissenschaft, werde Ich Meine besondere Aufmerksamkeit widmen, und wenn

der preußische Thron, je länger, desto mehr, als der Hort der Freiheit und der Selbständigkeit des deutschen Vaterlandes erkannt und gewürdigt wird, dann wird auch Euer Name unter denen seiner besten Söhne verzeichnet

werden, dann werdet auch Ihr den Augenblick segnen, der Euch mit einem größeren Vaterlande vereinigt hat.

Das walte Gott!

Berlin, den 12. Januar 1867.

Wilhelm.

Anmerkung: Fast toörtlidj gleichlautend sind die Besitzergreifungs-Patente und Proklamationen für das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Heffen, das Herzogtum Nassau und die freie Stadt Frankfurt vom 3. Oktober 1866.

Erstes Buch. 1858—1866.

100

52.

Patent und Proklamation, brtr. die Besitznahme vormals Großherzoglich hessischer Landesteile. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen re., thun gegen jedermann hiermit kund:

Nachdem Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein rc. Uns in dem Friedensvertrage vom 3. September 1866 die nach­

stehend bezeichneten, bis

dahin

Großherzoglich hessischen Gebietsteile: die

Landgrafschast Hessen-Homburg, den Kreis Biedenkopf, den Kreis Vöhl, den

nordwestlichen Teil des Kreises Gießen, den Ortsbezirk Rödelheim, den bis­ her unter Großherzoglich

hessischer Souveränetät stehenden Teil des Orts­

bezirks Nieder-Ursel abgetreten hat, haben Wir beschlossen, diese Gebietsteile mit Unserer Monarchie zu vereinigen und zu diesem Behufe mit Zustimmung

beider Häuser des Landtags das Gesetz

vom

24. Dezember v. I. erlassen

und verkündigt. Demzufolge nehmen Wir die vorstehend genannten bisher Großherzog­ lich hessischen Gebietsteile durch gegenwärtiges Patent mit allen Rechten der Landeshoheit und Oberherrlichkeit in Besitz und einverleiben dieselben Unserer

Monarchie mit sämtlichen Zubehörden und Ansprüchen.

Wir befehlen, die preußischen Adler an den Grenzen zur Bezeichnung Unserer Landesherrlichkeit aufzurichten, statt der bisher angehesteten Wappen

Unser Königliches Wappen anzuschlagen und die öffentlichen Siegel mit dem preußischen Adler zu versehen.

Wir gebieten allen Einwohnern der nunmehr mit Unserer Monarchie vereinigten ehemaligen Großherzoglich hessischen

Gebietsteile,

als ihren rechtmäßigen König und Landesherm

zu erkennen und Unseren

fortan Uns

Gesetzen, Verordnungen und Befehlen mit pflichtmäßigem Gehorsam nach­

zuleben. Wir werden jedermann im Besitze und Genuffe seiner wohlerworbenen

Privatrechte schützen und die Beamten, welche in Unsere Dienste zu treten gewillt sind, auf ihren Posten und im Genuffe ihrer Diensteinkünfte belasten. Die gesetzgebende Gewalt werden Wir bis zur Einführung der preußischen Verfassung allein ausüben.

So lange bis

Wir eine andere Einrichtung zu treffen

zweckmäßig

finden, wird jede öffentliche Stelle in der bisherigen Art verwaltet.

Regentschaft und Verfassungskonflikt. 1867.

101

Unsere Kommiffarien zur Ausführung des Friedensvertrags mit dem

Großherzogtum Hessen sind von Uns angewiesen, hiernach die Besitznahme

auszuführen. Hiernach geschieht Unser Wille.

Gegeben Berlin, den 12. Januar 1867. Wilhelm.

(L. 8.)

(Gegenzeichnung sämtlicher Minister, w. o.)

Proklamation. Durch das Patent, welches Ich heute vollzogen habe, vereinige Ich

Euch, Einwohner bisheriger Großherzoglich hessischer Lande, mit Meinen Unterthanen, Euren Nachbarn und deutschen Brüdern.

Durch die Entscheidung des Kriegs, durch den Friedensvertrag mit Eurem bisherigen Großherzog und durch die Neugestaltung des gemeinsamen

deutschen Vaterlandes nunmehr von einem Fürstenhause getrennt, dem Ihr in treuer Ergebenheit angehangen, tretet Ihr jetzt in den Verband des Nachbarlandes, dessen Bevölkerung Euch durch Stammesgemeinschaft, durch Sprache und Sitte verwandt und durch Gemeinsamkeit der Interessen be­

freundet ist.

Ich vertraue Eurem deutschen und redlichen Sinn, daß Ihr Mir Eure Treue ebenso aufrichtig geloben werdet, wie Ich zu Meinem Volke

Euch aufnehme. Euren Gewerben, Eurem Handel und Eurer Landwirtschaft eröffnen sich durch die Vereinigung mit Meinen Staaten reiche Quellen.

Meine

Vorsorge wird Eurem Fleiße wirksam entgegenkommen.

Eine gleiche Verteilung der Staatslasten, eine zweckmäßige energische

Verwaltung, sorgsam erwogene Gesetze, eine gerechte und pünktliche Justiz­ pflege, kurz alle die Garantieen, welche Preußen zu dem gemacht, als was

es sich jetzt in harter Probe bewährt hat, werden Euch fortan gemeinsame

Güter sein. Eure Religion werde Ich ehren und schützen.

Die Diener der Kirchen

werden auch fernerhin die Bewahrer des väterlichen Glaubens sein.

Euren

Lehranstalten werde Ich Meine besondere Aufmerksamkeit widmen. Eure kriegstüchtige Jugend wird sich ihren Brüdern in Meinen andern

Staaten zum Schutze des Vaterlandes treu anschließen, und mit Freude wird

die preußische Armee die tapfern Hessen empfangen, und, gemeinschaftlich

Erstes Buch. 1858-1866.

102

mit Meinem Heere und Meinen andern Völkern vereinigt, werdet Ihr

Teilnehmer an dem Ruhme, die Unabhängigkeit und Freiheit des deutschen

Vaterlandes dauernd gegründet zu haben. Das walte Gott.

Berlin, den 12. Januar 1867.

Wilhelm.

53.

Thronrede;um Schluß des Landtags, Sonnabend, den 9. Februar 1867.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Am Schluß

einer inhaltreichen Sitzungsperiode spreche

Ich Ihnen

Meinen Dank aus, daß Sie Meiner Regierung geholfen haben, die Hoff­

nungen zur Erfüllung zu bringen, welche Ich an diese Session knüpfte. Durch Erteilung der Indemnität für die ohne Staatshaushaltsgesetz geführte Finanzverwaltung der letzten Jahre haben Sie die Hand zur Aus­

gleichung des Prinzipienstreites geboten, welcher seit Jahren das Zusammen­ wirken Meiner Regierung mit der Landesvertretung gehemmt hatte. Ich hege die Zuversicht, daß die gewonnenen Erfahrungen und ein allseitig richtiges Verständnis der Grundbedingungen unseres Verfassungs­

lebens dazu helfen werden, die Erneuerung ähnlicher Zustände in der Zu­ kunft zu verhüten.

Durch die Gewährung der außerordentlichen Mittel für die Bedürf­ nisse des Heeres und der Flotte haben Sie in Anerkennung dessen, was die

Politik Meiner Regiemng, gestützt auf die erprobte Schlagfertigkeit und

Tapferkeit Meines Heeres, bisher geleistet hat, den Entschluß kundgegeben, das Errungene zu wahren. In der Feststellung des Staatshaushalts-Etats vor dem Eintritt des

gegenwärtigen Etatsjahres ist eine weitere Bürgschaft für die feste Gestaltung

der verfassungsmäßigen Zustände gewonnen. Meine Regierung hat durch den zeitweiligen Verzicht auf einige Aus­ gabepositionen, welche bei Forfführung der Verwaltung schwer entbehrt werden,

einen neuen Beweis dafür gegeben, welchen Wert sie auf die Verständigung mit der Landesvertretung

legt.

Sie darf um so zuversichtlicher hoffen,

daß den in Rede stehenden Bedürfnissen Anerkennung und Befriedigung

künftig nicht versagt werden wird.

Regentschaft und Verfassungskonflikt.

1867.

103

Mit besonders lebhaftem Danke erkenne Ich die Bereitwilligkeit an, mit welcher die Landesvertretung

Meiner Regierung die Mittel gewährt

hat, die Lage der im Kampfe für das Vaterland erwerbsunfähig gewordenen

Krieger, sowie der Witwen und Kinder der Gefallenen zu erleichtem. Nachdem die Landesvertretung bei der Ausführung der Veränderungen,

welche die erhebliche Erweiterung des

preußischen Staatsgebiets notwendig

macht, ihre eingehende Mitwirkung gewährt und die Überleitung der bis­

herigen Zustände der neuerworbenen Landesteile in die volle Gemeinschaft mit den älteren Provinzen vertrauensvoll in Meine Hände gelegt hat, darf

Ich mit Zuversicht erwarten, daß

die Bewohner aller jetzt mit Preußen

vereinigten Länder sich mehr und mehr in dem großen Gemeinwesen ihrer

Landsleute und bisherigen Nachbarn heimisch

fühlen und an den Aufgaben

desselben mit wachsender Hingebung beteiligen werden.

Die bereits vorbereitete Heranziehung von Vertretern derselben zu bot beiden Häusern des Landtags

wird dazu beitragen, das Bewußtsein der

Zusammengehörigkeit mit den älteren Teilen

der Monarchie zu befestigen

und zu beleben. Vornehmlich aber wird die

sorgliche und gewissenhafte Pflege aller

Keime öffentlicher Wohlfahrt, wie sie das gienmg

zu erfahren gewohnt ist

des Landtags mit Meiner Regierung

Session wesentlich Provinzen mehr

gefördert

preußische Volk von seiner Re-

und wie sie durch das Zusammenwirken

worden ist,

in der soeben zu

Ende gehenden

auch die Bevölkerung der neuen

und mehr die Segnungen der

neuen Gemeinschaft em­

Auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens

konnte Meine Regierung,

pfinden lassen.

gestützt ans das Einverständnis mit der Landesvertretung,

wesentliche Er­

leichterungen und Verbesserungen ins Leben rufen.

Die Anbahnung der Aufhebung des Salzmonopols und des Gerichts­

kostenzuschlags, die Regelung der Verhältnisse der Erwerbs- und Wirtschafts­

genossenschaften, die Aufhebung der Beschränkungen des Zinsfußes, die Postund Handelsverträge, die Umwandlung der pommerschen Lehne, die Be­ seitigung der Rheinschiffahrtsabgaben, die Verbesserung der Besoldungen der

niedern Beamten und der Lehrer,

sowie die Bewilligung der Mittel zur

Ausführung und Vervollständigung wichttger Eisenbahnen werden in weiten

Kreisen als dankenswerte Früchte dieser Session begrüßt werden. Während die spezielle Entwickelung des preußischen Staatswesens durch

das

einheitliche Zusammenwirken

der Landesvertretung mit Meiner Re­

gierung eine erfreuliche Förderung erfahren hat, berechtigt Mich

die That-

104

Erstes Buch. 1858—1866.

fache, daß der Entwurf der Verfassung des Norddeutschen Bundes von allen mit Preußen verbündeten Regiemngen angenommen worden ist, zu der Zu­

versicht, daß auf der Grundlage einer einheitlichen Organisation, wie Deutsch­ land sie in Jahrhunderten des Kampfes bisher vergeblich erstrebt hatte, dem

deutschen Volke die Segnungen werden zu teil werden, zu welchen es durch die Fülle der Macht und Gesittung, die ihm beiwohnt, von der Vorsehung berufen ist, sobald es seinen Frieden im Innern und nach außen zu wahren versteht.

Ich werde es als den höchsten Ruhm Meiner Krone ansehen,

Gott Mich berufen hat, die Kraft Meines Bildung starken Volkes

wenn

durch Treue, Tapferkeit und

zur Herstellung dauernder Einigkeit der deutschen

Stämme und ihrer Fürsten zu verwerten.

Auf Gott, der uns so gnädig geführt hat,

dieses Ziel wird erreichen lassen.

vertraue Ich, daß er uns

Zweites Buch. Die Zeit des Norddeutschen Bundes.

1867—1870.

54. Thronrede zur Eröffnung des verfassunggebenden Reichstags des Norddeutschen Rundes, Sonntag, den 24. Februar 1867.

Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Es ist ein erhebender Augenblick, in welchem Ich in Ihre Mitte trete;

mächtige Ereignisse haben ihn herbeigefithrt, große Hoffnungen knüpfen sich an denselben.

sammlung,

Daß es mir vergönnt ist, in Gemeinschaft mit einer Ver­

wie sie seit Jahrhunderten keinen deutschen Fürsten

umgeben

hat, diesen Hoffnungen Ausdruck zu geben, dafür danke Ich der göttlichen

Vorsehung, welche Deutschland dem von seinem Volke ersehnten Ziele auf Wegen zuführt, die wir nicht wählen oder voraussehen.

Im Vertrauen

auf diese Führung werden wir jenes Ziel um so früher erreichen, je klarer wir die Ursachen, welche uns und unsere Vorfahren von demselben entfernt

haben, im Rückblick auf die Geschichte Deutschlands erkennen.

Einst mächtig, groß und geehrt, geleitet, sank das Deutsche Reich

weil einig und von starken Händen

nicht ohne Mitschuld von Haupt und

Gliedern in Zerrissenheit und Ohnmacht.

des Einfluffes

auf die eignen

Des Gewichtes im Rate Europas,

Geschicke beraubt,

ward

Deutschland zur

Wahlstatt der Kämpfe fremder Mächte, für welche es das

Blut seiner

Kinder, die Schlachtfelder und die Kampfpreise hergab.

Niemals

aber hat die Sehnsucht des

deutschen Volkes

nach seinen

verlorenen Gütern aufgehört, und die Geschichte unserer Zeit ist erfüllt von

den Bestrebungen,

Deutschland und dem deutschen Volke die Größe seiner

Vergangenheit wieder zu erringen.

Wenn diese Bestrebungen bisher nicht zum Ziele geführt,

wenn sie

die Zerrissenheit, anstatt sie zu heilen, nur gesteigert haben, weil man sich

106

Zweites Buch. 1867—1870.

durch Hoffnungen oder Erinnerungen über den Wert der Gegenwart, durch Ideale über die Bedeutung der Thatsachen täuschen ließ, so erkennen wir

daraus die Notwendigkeit, die Einigung des deutschen Volkes an der Hmd der Thatsachen zu suchen und nicht wieder das Erreichbare dem Wünschms-

werten zu opfern.

In diesem Sinne haben die

verbündeten Regierungen im Anschüsse

an gewohnte frühere Verhältnisse sich über eine Anzahl bestimmter und be­

grenzter, aber praktisch bedeutsamer Einrichtungen verständigt, welche ebmso im Bereiche der unmittelbaren Möglichkeit, wie des zweifellosen Bedtrf-

niffes liegen.

Der Ihnen vorzulegende Verfassungsentwurf mutet der Selbständickeit der Einzelstaaten

zu

gunsten der

Gesamtheit nur

diejenigen Opfer zu,

welche unentbehrlich sind, um den Frieden zu schützen, die Sicherheit des

Bundesgebietes und die Entwickelung der Wohlfahrt seiner Bewohner zu

gewährleisten. Meinen hohen Verbündeten habe Ich für die Bereitwilligkeit zu danken, mit welcher sie den Bedürfnissen des gemeinsamen Vaterlandes entgecen-

gekommen sind.

Ich spreche diesen Dank in dem Bewußtsein aus, daß Ich

zu derselben Hingebung für das Gesamtwohl Deutschlands auch dann bereit

gewesen sein würde,

wenn die Vorsehung Mich

mächtigsten und aus

diesem Grunde zur Leitung des Gemeinwesens be­

rufenen Bundesstaates gestellt hätte.

nicht an die Spitze des

Als Erbe der preußischen Krone cber

fühle Ich Mich stark in dem Bewußtsein, daß alle Erfolge Preußens zu­ gleich Stufen zur Wiederherstellung und Erhöhung der deutschen Macht und Ehre geworden sind. Ungeachtet des

allgemeinen Entgegenkommens,

und

obschon die ge­

waltigen Ereignisse des letzten Jahres die Unentbehrlichkeit einer Neubiltung der deutschen Verfassung

müter

zu

allseitiger Überzeugung

gebracht und die Ge­

für die Annahme derselben empfänglicher gemacht hatten, alt sie

früher waren und später vielleicht wiederum sein würden,

haben wir roch

in den Verhandlungen von Neuem die Schwere der Aufgabe empfinden, eine volle Übereinstimmung zwischen so vielen unabhängigen Regiermgen zu erzielen, welche bei ihren Zugeständnissen obenein die Stimmungen ihrer

Landstände zu beachten haben. Je mehr Sie, meine Herren,

Sich diese Schwierigkeiten vergezen-

wärtigen, um so vorsichtiger werden Sie, davon bin Ich überzeugt, bei Prüfung des Verfassungsentwurfs die schwer wiegende Verantwortung für

die Gefahren im Auge behalten, welche für die friedliche und gesetzmäßige

107

Norddeutscher Bund. 1867.

Durchführung des begonnenen Werkes entstehen könnten, wenn das für die jetzige Vorlage hergestellte Einverständnis der Regierungen für die vom

Reichstag begehrten Änderungen nicht wiedergewonnen würde.

Heute kommt

es vor allem darauf an, den günstigen Moment zur Errichtung des Ge­

bäudes

nicht zu versäumen; der vollendetere Ausbau desselben kann als­

dann getrost dem ferneren vereinten Wirken

der deutschen Fürsten und

Volksstämme überlassen bleiben.

Die Ordnung

der nationalen Beziehungen des Norddeutschen Bundes

zu unseren Landsleuten im Süden des Main ist durch die Friedensschlüsse

des

vergangenen Jahres dem freien Übereinkommen beider Teile anheim­

gestellt.

Zur Herbeiführung dieses Einverständnisses wird unsere Hand den

süddeutschen Brüdem offen und entgegenkommend dargereicht werden, so­ bald der Norddeutsche Bund in Feststellung seiner Verfaffung weit genug vorgeschritten sein wird, um zur Abschließung von Verträgen befähigt zu sein.

Die Erhaltung des Zollvereins, die gemeinsame Pflege der Volks­ wirtschaft, die gemeinsame Verbürgung für die Sicherheit des deutschen Ge­ bietes werden Grundbedingungen der Verständigung bilden, welche voraus­

sichtlich von beiden Teilen angestrebt werden.

Wie die Richtung des deutschen Geistes im allgemeinen dem Frieden

und seinen Arbeiten zugewandt ist, so

wird die Bundesgenossenschaft der

deutschen Staaten wesentlich einen defensiven Charakter tragen.

liche Tendenz gegen unsere Nachbarn, kein Streben nach

Keine feind­

Erobemng hat

die deutsche Bewegung der letzten Jahrzehnte getragen, sondern lediglich das Bedürfnis, den weiten Gebieten

von den Alpen bis zum Meere die

Grundbedingungen des staatlichen Gedeihens zu gewähren, welche ihnen der

Entwickelungsgang früherer Jahrhunderte verkümmert hat.

Nur zur Ab­

wehr, nicht zum Angriff einigen sich die deutschen Stämme, und daß ihre Verbrüdemng

auch

von den Nachbarvölkem in

diesem Sinne aufgefaßt

wird, beweist die wohlwollende Haltung der mächtigsten europäischen Staaten, welche ohne Besorgnis und ohne Mißgunst Deutschland von denselben Vor­

teilen eines großen staatlichen Gemeinwesens Besitz ergreifen sehen, deren

sie sich ihrerseits bereits seit Jahrhunderten erfreuen. unserer Einigkeit,

Nur von uns,

von unserer Vaterlandsliebe hängt es

von

daher in diesem

Augenblicke ab, dem gesamten Deutschland die Bürgschaften einer Zukunft zu sichern, in welche es, frei von der Gefahr, Ohnmacht zu

wieder in Zerrissenheit und

verfallen, nach eigener Selbstbestimmung seine verfassungs­

mäßige Entwickelung und seine Wohlfahrt pflegen und in dem Rate der Völker seinen friedliebenden Beruf zu erfüllen vermag.

Zweites Buch. 1867—1870.

108

Ich hege das Vertrauen zu Gott, daß die Nachwelt im Rückblick auf unsere gemeinsamen Arbeiten nicht sagen werde, die Erfahrungen der früheren

mißlungenen Versuche seien ohne Nutzen für das deutsche Volk geblieben, daß vielmehr unsere Kinder mit Dank auf diesen Reichstag als den Be­

gründer der deutschen Einheit, Freiheit und Macht zurückblicken werden. Meine Herren!

Bundes hinaus,

Ganz Deutschland, auch über die Grenzen unseres

harrt der Entscheidungen, die hier getroffen werden sollen.

Möge durch unser gemeinsames Werk der Traum von Jahrhunderten, das Sehnen und Ringen der jüngsten Geschlechter der Erfüllung

entgegen­

geführt werden.

Im Namen

aller verbündeten Regiemngen, im Namen Deutschlands

fordere Ich Sie vertrauensvoll auf: helfen Sie uns

die große nationale

Arbeit rasch und sicher durchführen.

Der Segen Gottes aber, an welchem alles gelegen ist, begleite und fördere das vaterländische Werk!

55.

Thronrede jtitn Schluß des verfassunggebenden Reichstags des

Norddeutschen Bundes, Mittwoch, den 17. April 1867. Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstag des Norddeutschen Bundes!

Mit dem Gefühle aufrichtiger Genugthuung sehe Ich Sie am Schluffe

Ihrer wichtigen Thätigkeit wiederum um Mich versammelt.

Die Hoffnungen, die Ich jüngst von dieser Stelle zugleich im Namen der verbündeten Regierungen ausgesprochen habe, sind seitdem durch Sic

zur Erfüllung gebracht. Mit patriotischem Ernste haben Sie die Größe Ihrer Aufgabe erfaßt, mit freier

Selbstbeherrschung die gemeinsamen Ziele im

Auge

behalten.

Damm ist es uns gelungen, auf sicherem Gmnde ein Verfassungswerk auf­

zurichten, dessen weitere Entwickelung wir mit Zuversicht der Zukunft über­ lassen können.

Die Bundesgewalt ist mit den Befugnissen ausgestattet, welche für die Wohlfahrt und die Macht des Bundes unentbehrlich, aber auch ausreichend sind, — den Einzelstaaten ist, unter Verbürgung ihrer Zukunft durch die Gesamtheit des Bundes, die freie Bewegung auf allen den Gebieten ge­

blieben, auf welchen die Mannigfaltigkeit und Selbständigkeit der Entwickelung

Norddeutscher Bund.

zulässig und ersprießlich ist.

1867.

109

Der Volksvertretung ist diejenige Mitwirkung

an der Verwirklichung der großen nationalen Aufgaben gesichert, welche dem

Geiste der bestehenden Landesverfassungen

und dem

Bedürfnis der

Regierungen entspricht, ihre Thätigkeit von dem Einverständnis des deutschen

Volkes getragen zu sehen. Wir alle, die wir zum Zustandekommen des nationalen Werkes mit­ gewirkt, die verbündeten Regierungen ebenso wie die Volksvertretung, haben

bereitwillig Opfer unserer Ansichten, unserer Wünsche gebracht; wir durften

es in der Überzeugung thun, daß diese Opfer für Deutschland gebracht sind und daß unsere Einigung derselben wert war.

In diesem allseitigen Entgegenkommen, in der Ausgleichung und Über­ windung der Gegensätze, ist zugleich die Bürgschaft für die weitere frucht­ bringende Entwickelung des Bundes gewonnen, mit dessen Abschluß

auch

die Hoffnungen, welche uns mit unseren Brüdern in Süddeutschland ge­ meinsam sind, ihrer Erfüllung näher gerückt werden.

gekommen, wo unser deuffches Vaterland durch

Die Zeit ist herbei­

seine Gesamtkraft

seinen

Frieden, sein Recht und seine Würde zu vertreten int stände ist.

Das nationale Selbstbewußtsein, welches im Reichstage zu erhebendem

Ausdruck gelangt ist, hat in allen Gauen des deutschen Vaterlandes kräftigen Wiederhall

gefunden.

Nicht minder aber ist ganz Deutschland in seinen

Regierungen und seinem Volke darüber

einig,

daß die wiedergewonnene

nationale Macht vor allem ihre Bedeutung in der Sicherheit des Friedens zu bewähren hat. Geehrte Herren! Das große Werk, an welchem mitzuwirken

wir von

der Vorsehung gewürdigt sind, geht seiner Vollendung entgegen. Die Volks­

vertretungen der einzelnen Staaten werden dem, was Sie in Gemeinschaft mit den Regierungen geschaffen haben, ihre

nicht versagen.

Derselbe Geist,

verfassungsmäßige Anerkennung

welcher die Aufgabe hier gelingen ließ,

wird auch dort die Beratungen leiten.

So darf denn der erste Reichstag des Norddeutschen Bundes von seiner Thätigkeit mit dem erhebenden Bewußtsein scheiden, daß der Dank

des Vaterlandes ihn begleitet und daß das Werk, welches er aufgerichtet hat, sich unter Gottes Beistand segenbringend entwickeln wird für uns und

für künftige Geschlechter.

Gott aber wolle uns alle und unser teures Vaterland segnen!

Zweites Buch. 1867—1870.

110

56. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 29. April 1867.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Aus den Beratungen des Reichstags, zu welchem das preußische Volk

auf Gmnd des von Ihnen genehmigten Gesetzes seine Vertreter entsandt hat, ist eine Verfassungsurkunde des Norddeutschen Bundes hervorgegangen,

durch welche die einheitliche und lebenskräftige Entwickelung der Nation ge­ sichert erscheint.

Ich habe Sie um Meinen Thron versammelt, um diese

Verfassung Ihrer Beschlußnahme zu unterbreiten.

Das Werk nationaler Einigung, welches die Staatsregierung unter Ihrer Mitwirkung begonnen hat, soll jetzt durch Ihre Zustimmung seinen

Abschluß finden. Auf dieser Grundlage wird der Schutz des Bundesgebietes, die Pflege des gemeinsamen Rechts und der Wohlfahrt des Volkes fortan

von der

gesamten Bevölkerung Norddeutschlands und von den Regierungen in fester Gemeinschaft wahrgenommen werden. Durch die Einführung der Bundesverfassung werden

die

Befugnisse

der Vertretungen der Einzelstaaten auf allen denjenigen Gebieten,

welche

hinfort der gemeinsamen Entwickelung unterliegen sollen, eine unvermeidliche

Einschränkung erfahren.

herigen Rechte zu

Das Volk selbst aber wird auf keines seiner bis­

verzichten haben;

selben nur seinen Vertretern

es überträgt die Wahrnehmung der­

in dem

erweiterten Gemeinwesen.

Die Zu­

stimmung der freigewählten Vertreter des gesamten Volkes wird auch im

Norddeutschen Bunde zu jedem Gesetze erforderlich sein.

verfassung ist

Durch die Bundes­

in allen Beziehungen dafür gesorgt, daß diejenigen Rechte,

auf deren Ausübung die einzelnen Landesvertretungen zu gunsten der neuen Staatsgemeinschast zu verzichten haben,

vertretung übertragen werden.

in demselben Umfange der Reichs­

Die sichere Begründung nationaler Selb­

ständigkeit, Macht und Wohlfahrt soll mit der Entwickelung dmtschen Rechts

und verfassungsmäßiger Institutionen Hand in Hand gehen. Meine Regierung giebt sich der Zuversicht hin, daß die beiden Häuser

des Landtags in richtiger Würdigung des dringenden nationalen Bedürf­

nisses zur schleunigen Erledigung der vorliegenden Aufgabe bereitwillig die Hand bieten werden. Meine Herren!

Der neu errichtete Bund umfaßt zunächst nur die

Staaten Norddeutschlands;

aber eine innige nationale Gemeinschaft wird

Norddeutscher Bund.

111

1867.

dieselben stets mit bett süddeutschen Staaten vereinigen.

Die festen Be­

ziehungen, welche Meine Regierung bereits im Herbst vorigen Jahres zu

Schutz und Trutz mit diesen Staaten geschlossen hat, werden durch besondere

Verträge auf die erweiterte Norddeutsche Gemeinschaft zu übertragen sein. Das lebendige Bewußtsein der süddeutschen Regierungen und Bevölke­

rungen von den Gefahren deutscher Zerrissenheit, das Bedürfnis einer festen

nationalen Vereinigung, welches in ganz Deutschland immer entschiedener Ausdruck findet, wird die Lösung jener bedeutsamen Aufgabe beschleunigen

helfeu. Die geeinte Kraft der Nation wird berufen und befähigt sein, Deutsch­

land die Segnungen des Friedens und einen wirksamen Schutz seiner Rechte

und seiner Interessen zu verbürgen.

In diesem Vertrauen wird Meine Regierung sich angelegen sein lassen, jeder Störung des emopäischen Friedens durch welche

alle Mittel vorzubeugen,

mit der Ehre und den Interessen des Vaterlandes verträglich sind.

Das deutsche Volk aber, stark durch seine Einigkeit, wird getrost den

Wechselfällen der Zukunft entgegensehen können, wenn Sie,

meine Herren,

mit dem Patriotismus, der sich in Preußen in ernsten Stunden stets be­

währt hat, das große Werk der nationalen Einigung vollenden helfen.

57. Nede ;um Schluß des Landtags, Montag, den 24. Juni 1867.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König haben mir') den Auftrag zu erteilen geruht, die Sitzungen der beiden Häuser des Landtags der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.

Die Regiemng Sr. Majestät erkennt es mit lebhaftem Danke an, daß das Herrenhaus mit Einstimmigkeit, das Abgeordnetenhaus mit weit über­

wiegender Mehrheit die Zustimmung zu der Verfassung des Norddeutschen Bundes erteilt haben.

In der Bereitwilligkeit, mit der die beiden Häuser dabei unter Über­ windung entgegenstehender Bedenken auf einen Teil ihrer bisherigen Rechte

verzichtet haben, ehrt die Regiemng Sr. Majestät eine neue Bewähmng ’) Staatsminister Frhr. v. b. Heydt.

112

Zweites Buch. 1867—1870.

des deutschen Sinnes und der patriotischen Hingebung, welche das Erbteil des preußischen Volkes sind, und auf welchen Preußens Beruf für Deutsch­ land begründet ist. Durch die Zustimmung der preußischen Landesvertretung zur Errich­

tung des Norddeutschen Bundes sind nunmehr alle Vorbedingungen für die

Geltung der Verfassung desselben in Preußen erfüllt.

Die Verkündigung

der Bundesverfassung wird unverweilt und gleichzeitig in allen verbündeten Staaten erfolgen. Somit wird der nationalen Entwickelung Deutschlands der neue Boden bereitet sein, den fruchtbringend zu machen sich alle patriotischen Kräfte

vereinigen werden. Das preußische Volk aber wird auf die Neugestaltung Deutschlands

um so mehr mit Genugthuung blicken können, als dieselbe den Keimen ent­ sprossen ist, welche in Preußen in Gemeinschaft zwischen Fürst und Volk fort und fort gepflegt worden sind.

Während Norddeutschland nunmehr einen eng verschmolzenen Staaten­

verein bilden wird, soll die nationale Gemeinschaft, welche zum Schutze

deutschen Gebietes bereits gesichert war, auch auf das wirtschaftliche Leben des deutschen Volles ausgedehnt und der Zollverein, dessen Gründung einst den Beginn der einheitlichen Entwickelung Deutschlands bezeichnete, mit den Lebensbedingungen des Norddeutschen Bundes in Einklang gesetzt werden.

Dank der Mäßigung und Friedensliebe aller Mächte ist es gelungen, die friedliche Entwickelung der europäischen Verhältnisse vor Störungen zu bewahren; die freundschaftlichen und vertrauensvollen Beziehungen

zwischen

Sr. Majestät dem Könige und den Monarchen mächtiger Nachbarstaaten gewähren der allseitigen Zuversicht auf die Dauer eines segenbringenden

Friedens ein gewichtiges Unterpfand.

Der Wunsch und das Streben der Regierung Sr. Majestät wird fort und fort darauf gerichtet sein, die Bedeutung und die Macht des neu ge­ kräftigten Staatswesens vornehmlich in der Sicherung der Segnungen des

Friedens zu bewähren.

Im Namen Sr. Majestät des Königs erkläre ich die Sitzungen beider

Häuser des Landtags für geschloffen.

Norddeutscher Bund.

1867.

113

58. Thronrede ;ur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, Dienstag, den 10. September 1867.

Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Bei dem Schlüsse des

ersten

Reichstags

des Norddeutschen Bundes

konnte Ich die Zuversicht aussprechen, daß die Volksvertretungen der einzelnen

Bundesstaaten dem, was der Reichstag in Gemeinschaft mit den Regiemngen geschaffen hatte, ihre verfassungsmäßige Anerkennung nicht versagen würden. Es gereicht mir zu großer Genugthuung, Mich

getäuscht zu haben.

in dieser Zuversicht nicht

In allen Bundesstaaten ist die Verfassung des Nord­

deutschen Bundes auf verfaffungsmäßigem Bundesrat hat seine Thätigkeit

Wege

Gesetz

begonnen, und somit

Meinem und Meiner hohen Verbündeten Namen

geworden.

kann Ich

Der

heute in

mit steudiger Zuversicht

den ersten, auf Grund der Bundesverfassung versammelten Reichstag will­

kommen heißen. Für die Ordnung

der nationalen Beziehungen des Bundes

zu den

süddeutschen Staaten ist unmittelbar nach Verkündigung der Bundesverfaffung ein

wichtiger Schritt geschehen.

Die deutsche Gesinnung der

verbündeten

Regierungen hat für den Zollverein eine neue, den veränderten Verhältniffen entsprechende

Grundlage geschaffen und dessen

Fortdauer

gesichert.

Der

deshalb abgeschlossene, von dem Bundesrat genehmigte Vertrag wird Ihnen

vorgelegt werden.

Der HaushaÜs-Etat des Bundes stand Ihrer Beratungen bilden.

wird

einen hervorragenden Gegen­

Die sorgfältige Beschränkung der Ausgaben

auf den notwendigen Bedarf wird es gestatten,

beinahe drei Vierteile der­

selben durch die eigenen Einnahmen des Bundes zu bestreiten, und die vor­ sichtige Veranschlagung dieser Einnahmen leistet dafür Gewähr, daß die im

Etat vorgesehenen Beiträge

der

einzelnen Bundesstaaten

zur Deckung der

Gesamtausgaben vollständig genügen werden. Dem Bundesrate sind Gesetzentwürfe vorgelegt und verheißen, welche den Zweck haben, auf den verschiedenen Gebieten der Bundesgesetzgebung

das zu ordnen,

stattete.

deffen Ordnung der Augenblick erfordert und die Zeit ge­

Ein Gesetz über

des durch

die Verfassung

die Freizügigkeit soll

die weitere

Entwickelung

begründeten gemeinsamen Jndigenats

anbahnen.

Ein Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienste soll dieses gemeinsame

Jndigenat für das Heer zur Geltung bringen und zugleich die Bestimmungen

übersichtlich zusammenfaffen, welche in der Verfassung teils selbständig, teils Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

8

114

Zweite- Buch. 1867—1870.

durch Hinweisung auf die Gesetzgebung Preußens über die Dienstpflicht ge­ troffen sind.

Ein Gesetz über das Paßwesen ist dazu bestimmt, veraltete

Beschränkungen deS Verkehrs aus dem Wege zu räumen und die Grundlage

zu einer, dem nationalen Interesse entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Bunde und den süddeutschen Staaten zu bilden.

Eine Maß- und

Gewichtsordnung hat die Aufgabe, das Maß- und Gewichtswesen des Buides

übereinstimmend und in einer für den internationalen Verkehr förderlihen Weise zu

regeln.

Die Eigenschaft der Post,

als

eines

Bundesinstituts,

wacht gesetzliche Anordnungen über das Postwesen und den Portotarif not­ wendig.

Die Errichtung von Bundes-Konsulaten

erfordert die gesetzliche

Feststellung der mit Ausübung dieses Amtes verbundenen Rechte und Pflichten.

Die Einheit der Handelsmarine bedarf einer Gmndlage durch

ein Gesetz

über die Nationalität der Kauffahrteischiffe.

Ich hoffe, daß diese Gesetze,

welche einen ersten, aber entschieknen

Schütt zum Ausbau der Bundesverfassung bezeichnen, Ihre und des Bürdes­ rates Zustimmung finden werden. Die Überzeugung, daß die große Aufgabe des Bundes nur zu lösen ist, wenn durch allseitiges Entgegenkommen die besonderen mit dem allge­

meinen und nationalen Interesse vermittelt werden, hat die Beratungen ge­ leitet, aus welchen die Bundesverfassung hervorgegangen ist.

Sie hat in

den Verhandlungen des Bundesrates von neuem ihren Ausdruck gesunken, und sie wird, wie Ich zuversichtlich

erwarte,

auch die Grundlage Ihrer

Beratungen bilden.

In diesem Sinne, geehrte Herren,

legen Sie Hand an den Ausbau

des durch die Bundesverfassung begründeten Werkes.

Es

ist eine Arbeit

des Friedens, zu welcher Sie bemfen sind, und Ich vertraue, daß unter

Gottes Segen das Vaterland sich der Früchte Ihrer Arbeit in Frieden er­

freuen werde.

59. Thronrede ;um Schluß des Reichstags des Norddeutschen Lundes, Sonnabend, dm 26. Oktober 1867.

Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bunde-! Die Hoffnungen, mit welchen Ich Sie bei dem Beginn Ihrer Thätig-

keft hier willkommen hieß, sind im vollsten Maße in Erfüllung gegangen. Derselbe patriottsche Ernst, mit welchem in klarer Erkenntnis

der ge­

meinsamen Ziele die Bundesverfassung begründet wurde, hat Ihre Beratungen

115

Norddeutscher Bund. 1867.

über die ersten Schritte zum Ausbau derselben geleitet

In einer kurzen,

aber an Ergebniffen reichen Session haben Sie auf den verschiedensten Ge­

bieten der Gesetzgebung Einrichtungen festgestellt, welche uicht bloß in sich

selbst eine hohe Bedeutung haben, sondern auch die leitenden Gesichtspunkte für

ferner zu schaffende Einrichtungen

strengende Thättgkeit, deren es

deutlich vorzeigen.

zur Erreichung

Für die an­

dieser Ergebniffe bedurfte,

danke Ich Ihnen in Meinem und Meiner hohen Berbündeten Namen. Die von Ihnen beratenen Gesetze über den Bundeshaushalts-Etat,

über die Verpflichtung zum Kriegsdienste, über die Freizügigkeit, das Post­

wesen, die Besteuerung des Salzes, die Nationalität der Kauffahrteischiffe, die Ausbildung der Kriegsmarine und der Küstenverteidigung, über die ver­ tragsmäßigen Zinsen und die Bundeskonsulate haben in der Form, welche

sie durch Ihre Beschlüffe erhielten, die Zustimmung des Bundesrates sunden.

In der Thatsache,

daß alle diese wichttgen Gesetze,

ge­

wenn auch

einzelne ihrer Bestimmungen einen lebhaften Kampf der Meinungen hervor­

riefen, doch im ganzen stets die große Mehrzahl Ihrer Stimmen vereinigten, erblicke Ich mit lebhafter Befriedigung einen Beweis des gegenseitigen Ver­

ständnisses , in welchem die Volksvertretung Hand in Hand mit den ver­ bündeten Regierungen ihre gemeinsamen Ziele erstrebt.

Der von Ihnen

genehmigte Vertrag über die Fortdauer des Zoll­

vereins ist im Verhältnis zu allen süddeutschen Staaten noch nicht gesichert.

Die verbündeten Regierungen würden es mit Ihnen beklagen, wenn

eine

Einrichtung, deren segensreiche Wirkungen allen dazu gehörenden Ländem zu gute gekommen sind,

strecken sollte.

sich

fortan nicht mehr

auf alle diese Länder er­

Sie sind sich aber mit Ihnen bewußt, daß die unentbehr­

lichen Reformen der Verfassung des Zollvereins vorübergehenden Schwierig­ keiten

nicht geopfert werden dürfen, und daß die Gemeinschaft der wirt­

schaftlichen Interessen die nattonale Verpflichtung zum gemeinsamen Schutze

derselben zur vertragsmäßigen Voraussetzung hat. Der Schiffahrtsvertrag mit Jtalim, welchem Sie Ihre Genehmigung erteilt haben, wird dazu beitragen, die Beziehungen

zu einem Lande zu

befestigen, mit welchem uns große gemeinsame Interessen verbinden. So kehren Sie denn, geehrte Herren, zurück in Ihre Heimat mit dem

Bewußtsein, unser nattonales Werk thatkräftig

gefördert zu

haben.

Ich

hoffe, Sie in nicht langer Zeit hier wieder versammelt zu sehen, und zwar

in Gemeinschaft mit Abgeordneten aus Süddeutschland zum Zollparlamente.

116

Zweites Buch.

1867—1870.

60. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Freitag, den 15. November 1867.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags! Zum erstenmal begrüße Ich heute an dieser Stelle die Vertreter bei neuen Landesteile, welche durch die Ereignisse einer großen Zeit mit Meinen

Staate vereinigt worden sind. Mit Zuversicht erneuere Ich den Ausdruck des Vertrauens, daß di: Bewohner dieser Landesteile, so wie Ich dieselben von ganzem Herzen zr Meinem Volke

ausgenommen habe, Mir und dem

erweiterten Vaterland:

auch ihrerseits redliche Treue widmen werden. Die Vollmacht, welche die Landcsvertretung Meiner Regierung erteil

hatte, um den Eintritt der neuen Provinzen in die verfassungsmäßigen Zu stände Preußens

vorzubereiten, ist in der Richtung

benutzt worden, un

eine vorläufige Ausgleichung auf denjenigen Gebieten herzustellen, auf welcher eine solche durch das gemeinsame Staatsinteresse unbedingt geboten erschien

Im möglichst engen Anschlüsse an die Vorgefundenen, den Bevölkerunger lieb gewordenen Einrichtungen sind in den neuen Landesteilen nach Au

hörung von Vertrauensmännem Kreis-

und

Provinzialverfaffungen

iw

Leben gerufen worden, deren Ausfühmng und weitere Entwickelung geeignt

sein

wird, die Teilnahme der Eingesessenen an der Regelung ihrer wirt­

schaftlichen Interessen

zu beleben und die wünschenswerte Selbstverwalturg

auch der größeren kommunalen Körperschaften anzubahnen. Während die Heereseinrichtungen des Norddeutschen Bundes durch de

Verfassung desselben und durch das Gesetz

über die Wehrpflicht auf bet

bewährten Grundlagen der preußischen Einrichtungen festgestellt worden sinh

ist die Organisation der Wehrkräfte des gesamten Vaterlandes in den Grund zügen vollendet worden.

Nachdem so der Boden für eine gemeinsame Thätigkeit der Vertretmy Meiner gesamten Monarchie bereitet ist, wird

es unserer

vereinten und

wie Ich zu Gott hoffe, einmütigen Thätigkeit gelingen, diesen Boden frucht-

bringend zu machen. Der Entwurf zu dem Staatshaushalls - Etat für das Jahr

186t,

welcher Ihnen unverzüglich vorgelegt werden wird, unterscheidet sich wesentliy

von den früheren Etats. not hinzugetretenen

Während derselbe

Landesteile

mit umfaßt,

einerseits die der Monarche sind

andererseits

wichtig

117

Norddeutscher Bund. 1867.

Kategorieen von Einnahmen und Ausgaben ausgeschieden und auf den Etat

des Norddeutschen Bundes übergegangen. Aus den Vorlagen über den Staatshaushalt werden Sie ersehen, daß

die mit Vorsicht veranschlagten Einnahmen nicht nur die Mittel darbieten, um die laufenden Bedürfnisse der Verwaltung zu decken, sondem daß es

auch möglich gewesen ist,

auf vielen Gebieten der Staatsverwaltung neuen

und gesteigerten Anforderungen Genüge zu leisten. Indem Ich voraussetze, daß die Lage des Staatshaushalts Ihnen zur

Genugthuung gereichen wird, vertraue Ich

zugleich

auf Ihre bereitwillige

Zusttmmung zu dem Mehraufwande, welchen Ich zur Aufrechterhaltung der

Würde der Krone unter den veränderten Umständen für geboten erachte.

Es werden Ihnen verschiedene Gesetzesvorlagen

zugehen, welche be­

stimmt sind, das Staatsschuldenwesen der neu erworbenen Lande zu regeln, ferner die für dieselben festgestellten Finanzetats auf das Jahr 1867 durch

die für das vierte Quartal vorbehaltene nachträgliche Zustimmung zu ergänzen und für die Behandlung

der danach zu legenden Rechnungen Normen zu

geben. Nachdem als oberster Gerichtshof für die neuen Landesteile das Ober-

Appellationsgericht errichtet worden ist, wird Ihnen ein Gesetzentwurf vor­

gelegt werden, um die Vereinigung dieses Gerichtshofes mit dem Obertribunal herbeizuführen.

Meine Regierung wendet der Fortbildung der Kreis- und Provinzial­

verfassungen ihre besondere Aufmerksamkeit zu, und forderlichen Vorbereitungen beendet sind,

wird, sobald die er­

Ihnen darauf bezügliche

Gesetz­

entwürfe zugehen lassen.

Leider hat die Ernte dieses Jahres in einem Teile des Staates dem Bedürfnisse nicht entsprochen, so daß in einigen besonders schwer heimge­

suchten Bezirken außerordentliche Maßregeln haben getroffen werden müssen, oder noch zu treffen sein werden. veranlaßt gesehen,

Zufuhr

Einstweilen hat sich die Staatsregierung

durch Herabsetzung der Tarife auf den Eisenbahnen die

zu erleichtern, und durch Beförderung

von

Straßenbauten und

Meliorationen Arbeit und Verdienst zu schaffen. Der Druck der Unsicherheit, welcher als Wirkung verschiedener, großen­

teils beseitigter Ursachen auf dem Verkehre lastet, wird, wie Ich zuversichtlich

hoffe,

infolge friedlicher Gestaltung der Lage Europas

einem lebhafteren

Aufschwünge weichen, um so mehr, als durch Emeuerung der Zolleinigung

mit den süddeutschen Staaten, unter zweckmäßiger Veränderung der inneren

Organisation des Zollvereins, durch den heute erfolgenden Eintritt der

118

Zweite- Buch. 1867—1870.

Provinz Schleswig-Holstein in den letzteren,

durch

erhebliche Herabsetzung

von Hafengeldern und sonstigen auf der Schiffahrt lastenden Mgaben, Gewerbthätigkeit und

der

dem Handel wesentliche Erleichterungen zugewendet

worden sind.

Geehrte Herren! Das Werk nationaler Einigung, welchem die preußische

Landesvertretung durch ihre Zustimmung den Abschluß zu war, ist seitdem ins Leben getreten.

geben bemfen

Wenn Sie eingewilligt haben, einen

Teil Ihrer Befugnisse auf den Norddeutschen Bund zu übertragen, so ver­

kündet schon jetzt das Zeugnis der Geschichte, daß Sie damit das Rechte zu rechter Zeit gethan haben.

des Norddeutschen Bundes

Das preußische Volk hat in der Gestaltung

vermehrte Bürgschaften der Sicherheit und ein

erweitertes Feld organischer Entwickelung gewonnen; gleichzeitig ist mit den

süddeutschen Stammgenossen die Gemeinschaft der wirtschaftlichen Interessen und der thatkräftigen Verteidigung

aller höchsten

Güter des

nationalen

Lebens gesichert.

Die Verträge, auf welchen diese Gemeinschaft beruht, haben in jüngster Zeit eine erhöhte Bedeutung dadurch

gewonnen, daß

auch

bei ihrer Be­

ratung in den Bollsvertretungen das nationale Bewußtsein sich

siegreich

bewährt hat.

Die Beziehungen Meiner Regierung zu den auswärtigen Mächten sind durch die neuen Verhältnisse, in welche Preußen inmitten des Norddeutschen

Bundes

gestellt ist, nicht

verändert worden.

Mit dem freundschaftlichen

Charakter derselben sind die persönlichen Begegnungen mit der Mehrzahl der Souveräne Deutschlands und des Auslandes, zu welchen Mir im ver­ gangenen Sommer Gelegenheit gegeben war, in vollem Einklänge.

Das friedliche Endziel der deutschen Bewegung wird von allen Mächten

Europas erkannt und gewürdigt, und die Friedensbestrebungen der Fürsten werden getragen von den Wünschen der Völker, welchen die wachsende Ent­

wickelung und Verschmelzung der geistigen und materiellen Interessen den

Frieden zum Bedürfnis macht.

Die jüngsten Besorgnisse wegen einer «Störung des Friedens in einem Teile Europas, wo zwei große Nationen,

beide uns eng befreundet, von

einer ernsten Verwickelung bedroht erschienen, darf Ich als beseitigt ansehen. Den schwierigen Fragen gegenüber, welche dort noch einer Lösung harren,

wird das Bestreben Meiner Regiemng dahin gerichtet sein, einerseits

dem

Ansprüche Meiner katholischen Unterthanen auf Meine Fürsorge für

die

Würde und Unabhängigkeit des Oberhauptes ihrer Kirche gerecht zu werden,

und andererseits den Pflichten zu genügen, welche für Preußm aus den

119

Norddeutscher Bund. 1868.

politischen Interessen und den internationalen Beziehungen Deutschlands er­ wachsen.

In beiden Richtungen

sehe Ich

in Erfüllung der Aufgaben,

welche Meiner Regierung gestellt find, keine Gefährdung des Friedens.

So lassen Sie «ns um so zuversichtlicher an die Lösung der Aufgaben innerer Entwickelung gehen.

Mögen Ihre Arbeiten für das Wohl des

Staates reich gesegnet sein!

61. Thronrede;um Schluß des Landtags, Sonnabend, den 29. Februar 1868.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Die Sitzungsperiode, welche mit dem heutigen Tage zu Ende geht,

war reich an wichtigen Aufgaben. Es wird Sie ebenso wie Mich mit Genugthuung erfüllen, daß diese Aufgaben in wesentlicher Übereinstimmung

zwischen Meiner Regierung und

der Landesvertretung

gelöst

oder einer

baldigen Lösung entgegengeführt worden sind. Ich danke Ihnen für die Bereitwilligkeit, mit welcher von beiden

Häusern des Landtags dem Mehraufwande,

welchen Ich zur Aufrecht­

erhaltung der Würde der Krone in Anspruch genommen habe, die Zu­

stimmung erteilt worden ist. Durch den Staatshaushalts-Etat und andere von Ihnen gutgeheißene

Finanzgesetze sind Meiner Regierung die Mittel gewährt, die Verwaltung

der

erweiterten Monarchie in allen Zweigen ersprießlich fortzuführen und

mannigfache außerordentliche Bedürfnisse, sowie berechtigte Wünsche der neu­ erworbenen Lande zu befriedigen.

Meine Regiemng wird es als ihre Auf­

gabe ansehen, diese Mittel mit Umsicht und Sparsamkeit zu verwenden.

Die zur Linderung des Notstandes in Ostpreußen mit Ihrer Zu­ stimmung getroffenen Anordnungen werden, wie Ich zuversichtlich hoffen

darf, im Vereine mit den allseitigen Erweisen der öffentlichen Wohlthätigkeit

und der bewährten Fürsorge Meiner Behörden genügen, um die nächsten

Gefahren von der schwer betroffenen Provinz abzuwenden.

Die mit Ihnen

vereinbarten weiteren Maßregeln werden dazu beitragen, jene Landesteile mehr und mehr mit dem vaterländischen Gesamtverkehr in Verbindung zu

setzen und einer hoffnungsvollen Entwickelung entgegenzuführen. Eine Reihe wichtiger Gesetzvorlagen von allgemeiner oder provinzieller Bedeutung hat Ihre Zustimmung erhalten.

Zweites Buch.

120 In betreff

1867—1870.

der von Mir erstrebten Fortbildung

richtungen haben in dieser Sitzungsperiode nur

der Verwaltungsein»

vorläufige Erörterungen

innerhalb der Landesvertretung stattfinden können; die hierbei geäußerten Auffassungen und Wünsche werden bei den im Gange befindlichen legisla­

torischen Vorarbeiten eingehende Beachtung finden.

Durch die Bewilligung des Provinzialfonds für Hannover haben Sie nicht bloß den Rücksichten der Billigkeit und des Wohlwollens, von welchen Meine Entschließungen den neugewonnenen Provinzen

gegenüber

geleitet

werden, Ihre Zustimmung erteilt, sondem zugleich thatsächlich den Boden betreten, auf welchem nach der Absicht Meiner Regiemng

auch für alle

anderen Provinzen eine erfolgreiche Selbstverwaltung erwachsen soll. Mit Befriedigung erkenne Ich es an, daß Sie denjenigen politischen

Gesichtspunkten und Erwägungen beigetreten sind, von welchen Meine Re­ gierung

bei dem

Abschluffe der Ausgleichungsverträge mit den früheren

Landesherren von Hannover und Nassau ausgegangen ist.

Sie haben dadurch auch Ihrerseits dazu beigetragen, den neuen Ver­

hältnissen

eine feste Grundlage

zu geben und ihre friedliche und ruhige

Entwickelung zu sichern. Meine Regiemng ist in ihren auswärtigen Beziehungen unausgesetzt

bestrebt

gewesen,

ihren Einfluß

für die Erhaltung

und Befestigung des

europäischen Friedens zu verwerten, und kann Ich mit Genugthuung be­

kunden, daß

diese Bestrebungen, da sie von feiten der auswärtigen Re-

giemngen in freundschaftlicher und wohlwollender Gesinnung geteilt werden,

die Bürgschaft des Erfolges in sich tragen. aussprechen, daß

Ich darf daher die Zuversicht

das fester begründete allgemeine Vertrauen für die Ent­

wickelung der geistigen und materiellen Güter und des Wohlstandes der

Nation die erwünschten Früchte tragen werde.

62. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Lundes, Montag, den 23. März 1868.

Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!

Zum drittenmal begrüße Ich Sie im Namen der verbündeten Regiemngen, um in Gemeinschaft mit Ihnen den Ausbau der Verfassung des

Norddeutschen Bundes fortzusetzen.

In Ihrer letzten Session haben Sie durch Herstellung organischer Ein-

121

Norddeutscher Bund. 1868.

richtungen die Grundlagen geschaffen, auf welchen nunmehr die Gesetzgebung

des Bundes diesen

weiteren Ausbau seiner inneren Einrichtungen

zu be­

Die Gesetzentwürfe, welche zu diesem Zwecke Ihrer verfassungs­

wirken hat.

sind dem Bundesrate

mäßigen Beschlußnahme unterbreitet werden sollen,

vorgelegt und zum Teil schon von demselben beraten worden.

Das in Ihrer letzten Session begründete Institut der Freizügigkeit soll durch eine, auf dem Grundsätze der Gewerbefreiheit

beruhende Gewerbe­

ordnung weiter entwickelt und durch Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung von einem, seine Verwirklichung lähmenden Hemmnis be­

Ein Gesetz über die Quartierleistung im Frieden ist bestimmt,

freit werden.

die Militärgesetzgebung des Bundes nach einer, für die Interessen der Be­

völkerung besonders wichtigen Seite zum Abschluß zu bringen. Die Regelung des Maß- und Gewichtswesens, welche in der vorigen Session dringenderen Aufgaben weichen mußte, wird in der

gegenwärtigen zu Ihrer Beratung

Die Verhältnisse der Bundesbeamten bedürfen der gesetzlichen

gelangen.

Regelung und werden den Gegenstand von Vorlagen bilden.

Ein Gesetz­

entwurf über das Schuldenwesen des Bundes wird Ihnen wiederum vor­ gelegt werden.

Ich vertraue, daß die Bereitwilligkeit, mit welcher die ver­

bündeten Regierungen in diesem Entwürfe den von Ihnen bei der früheren Beratung gefaßten Beschlüssen entgegengekommen sind, von Ihrer Seite ein

gleiches Entgegenkommen finden werde. Über die Lage der vormals Schleswig - Holstcinschen Offiziere,

in der letzten Session Ihre Teilnahme in Anspruch

nahm,

und

welche

über die

Unterstützung hilfsbedürftiger Familien der Ersatzreserve werden Ihnen Vor­

lagen

zugehen.

Die Besteuerung des Branntweins

in den

hohenzollern-

schen Landen und in dem zum Bunde gehörenden Teile Hessens bedarf der

Regelung, und mit dieser Regelung steht ein Vertrag in Verbindung, durch welchen

der freie Verkehr mit Branntwein und Bier zwischen dem Bunde

und dem übrigen Teile Hessens hergestellt werden soll.

Der Haushalts-Etat des Bundes für 1869 werden.

wird Ihnen

vorgelegt

Die Schwierigkeiten, welche seiner Aufstellung in den ersten Monaten

des Jahres

entgegenstehen, haben dem Wunsche

weichen müssen, Sie zu

einer Zeit zu berufen, in welcher Sie sich Ihrer gewohnten Berufsthätigkeit mit den geringsten Opfern entziehen können.

Die Regelung des internationale« Postverkehrs auf Gmndlage der in Ihrer letzten Session beschlossenen Gesetze ist weit vorgeschritten, Postverträge mit den süddeutschen Staaten, mit Österreich, mit Luxemburg, mit Nor­ wegen und mit den Bereinigten Staaten von Amerika sind abgeschlossen und

122

Zweites Buch. 1867—1870.

werden Ihnen

vorgelegt

werden;

mit

anderen Staaten sind sie dem Ab­

schlüsse nahe und werden, wie Ich hoffe, noch zu Ihrer Beratung gelangen. Ein mit den Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossener Vertrag ist dazu bestimmt, die Staatsangehörigkeit der gegenseitigen Einwanderer zu

regeln und damit aus den Beziehungen zweier, durch Verkehrsinteressen und

Familienbande

eng

den Keim

verbundenen Nationen

von Zwistigkeiten zu

entfernen. Im Einverständnis mit Meinen Verbündeten habe Ich behufs Unter­

handlung

dieser Verträge und um die völkerrechtliche Stellung des Nord­

deutschen Bundes

zur Geltung

zu bringen,

die in

der Verfassung vorge­

sehene Vertretung des Bundes im Auslande hergestellt, und ist dieser Schritt zu Meiner lebhaften Genugthuung

allseitig

in

dem Geiste

erwidert worden, aus welchem er hervorgegangen war.

schaftlichen Beziehungen gefördert und befestigt, deutschen Bunde

und

aufgefaßt und

Er hat die freund­

welche zwischen dem Nord­

den auswärtigen Mächten bestehen und deren Pflege

und Erhaltung der Gegenstand Meiner unausgesetzten Sorgfalt bleiben wird. Ich darf daher der Überzeugung Ausdruck geben, Friedens auf den Anstrengungen ruhen

der nationalen Interessen

werde,

widmen wollen,

daß der Segen des

welche Sie der Fördemng

zu deren Pflege und

zu deren

Schutz das gesamte deutsche Vaterland sich verbündet hat.

63. Thronredezur Eröffnung des Deutschen IollparlamentsMontag, den 27. April 1868. Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Vierzig Jahre sind verflossen seit der Begründung des Vereins, welcher heute

in

bedeutungsvolle

eine

Epoche seiner

Entwickelung

eintritt.

Von

kleinen Anfängen ausgehend, aber getragen von dem Bedürfnisse des deutschen Volkes

nach

der Freiheit

inneren Verkehrs,

hat der Zollverein

mählich, durch die Macht des nationalen Gedankens, gab,

über

den

seinen Gliedern

größten Teil

Deutschlands

eine Gemeinsamkeit

der

welchem

ausgedehnt.

Interessen

Er

sich

all­

er Ausdruck

hat

geschaffen,

zwischen

welche ihn

schwere Proben siegreich hat bestehen lassen, und im Weltverkehr nimmt er eine Stellung ein, auf welche jeder Deutsche mit Befriedigung blickt.

Die ihm bei seiner Gründung gegebenen Einrichtungen haben im Laufe der Zeit durch die Sorgfalt der Vereinsregierungen einen hohen Grad

der

123

Norddeutscher Bund. 1868.

Sie vermochten jedoch

Ausbildung erhalten.

auf die Dauer weder den

Anforderungen zu genügen, welche die rasche Entwickelung und die zu­ nehmende Vielseitigkeit des Verkehrs

an die Gesetzgebung stellt, noch dem

berechtigten Verlangen des deutschen Volkes nach einer wirksamen Teilnahme an dieser Gesetzgebung

zu entsprechen.

Die Veränderungen, welche das

wirtschaftliche und politische Leben Deutschlands erfahren hat, erheischten die

Fortbildung

der dem Zollverein

bei seiner Gründung gegebenen Organe,

und es ist die Frucht einer naturgemäßen Entwickelung,

wenn heute Ver­

treter der ganzen Nation sich zur Beratung der gemeinsamen wirtschaftlichen

Interessen Deutschlands vereinigen. Diese Beratung wird fich auf fast alle Gebiete der nach dem Vertrage

vom 8. Juli v. I. gemeinschaftlichen Gesetzgebung erstrecken und kann da­

bei die Ausdehnung des Vereins auf Mecklenburg und Lübeck als nahe be­

vorstehend ins Auge fassen.

Sie wird zunächst die dauernde Regelung der

Berkehrsbeziehungen zu einem Nachbarlande zum Gegenstände haben, welches

durch Stammesverwandtschast und die mannigfaltigsten materiellen Jntereffen eng mit Deutschland verbunden ist. Der mit Österreich

am 9. März d. I. abgeschlossene Handels-

Zollvertrag wird dem gegenseitigen Verkehr umfassende,

seit Jahren ange­

strebte Erleichterungen gewähren und Anknüpfungspunkte zu bildung darbieten.

und

weiterer Fort­

Ein Gesetz über Abänderung der Zollordnung soll durch

Beseitigung der mit den Formen

des Verkehrs

nicht mehr verträglichen

Formen des Zollverfahrens die Gmndlage für eine der Zollgesetzgebung feststellen.

allgemeine Revision

Eine gleichmäßige Besteuerung

des Tabaks

und eine durchgreifende Abänderung des Zolltarifs sind dazu bestimmt, die Freiheit des Verkehrs im Jnnem des Vereins und mit dem Auslande zu

fördern und den finanziellen Interessen der Vereinsstaaten gerecht zu werden. Ein Handels-

und Schiffahrtsvertrag mit Spanien ergänzt

die Reihe der

Verträge, durch welche der Zollverein im Laufe der letzten Jahre die Rechte der meistbegünstigten Nation erworben und zugestanden hat. Ich bin gewiß, daß Sie, geehrte Herren, an die Lösung dieser wichtigen

Fragen mit demselben Geiste herantreten werden,

welcher die Regiemngen

beseelte, als sie sich über den Vertrag vereinigten,

auf Grund dessen Ihre

Berufung

erfolgt ist und welcher seither die Beratungen des Bundesrates

geleitet hat.

Halten Sie das

vermitteln Sie von

gemeinsame deutsche Jntereffe fest im Auge,

diesem Gesichtspunkte aus die Einzelintereffen, und ein

Erfolg, der Ihnen den Dank der Nation gewinnt, wird Ihre Anstrengungen

krönen.

Die freundschaftlichen Beziehungen, welche die deutsche Regierung

Zweites Buch. 1867—1870.

124

mit allen auswärtigen Mächten unterhalten, berechtigen zu dem Vertrauen, deren Pflege heute

daß der Entwickelung nationaler Wohlfahrt,

die Ver­

treter der deutschen Stämme vereinigt, die Segnungen des Friedens gesichert

bleiben, zu deren Beschützung die deutschen Staaten sich untereinander

bündet haben, und mit Gottes Beistand jederzeit auf die

ver­

geeinte Kraft des

deutschen Volkes werden zählen können.

64.

Thronrede;um Schluß des Deutschen Iollparlamertts, Sonnabend, den 28. Mai 1868. Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente!

Die wenigen Wochen,

welche verflossen sind,

kommen hieß, werden für die Freiheit des Verkehrs Innern

und

für

die Entwickelung

der

nationalen

seit Ich Sie hier will­

wie im

nach Außen,

Wohlfahrt nicht

ohne

Segen bleiben. Durch den von Ihnen genehmigten Vertrag mit Österreich ist die Ein­ fuhr von wichtigen Materialien für die Fabrikation und

von Gegenständen

des Verbrauchs erleichtert, die Ausfuhr zahlreicher Erzeugnisse

und der Gewerbe

gefördert und die sofortige Ausdehnung

des Bodens

des Zollvereins

auf Mecklenburg ermöglicht. Das im Zusammenhänge mit diesem Vertrage stehende Tarifgesetz dehnt die an Österreich eingeräumten Verkehrserleichte­

rungen

fast

ausnahmslos

auf

Kirchenstaat und mit Spanien

aus.

alle Länder sichern

Die Verträge mit dem

dem Zollvereine in beiden Ländern

die Rechte der meistbegünstigten Nation und werden dem Verkehr mit den­

selben einen

neuen Aufschwung

geben.

Die größere Einfachheit und Be­

weglichkeit in den Formen des Zollverfahrens wird dem Verkehr mit allen Ländern und allen Teilen des Vereins

der Gleichmäßigkeit in

der Besteuerung

zu gute kommen. des Tabakbaues

Die Herstellung endlich

wird die

Aufhebung einer, den Verkehr im Innern des Vereins belästigenden Schranke gestatten.

Den günstigen Wirkungen auf die Entwickelung des Verkehrs,

diese Maßregeln versprechen, steht jedoch, die Besorgnis

gegenüber.

welche

wenigstens für die nächste Zeit,

einer nicht unwesentlichen Verminderung der Zolleinnahmen

Einer glücklichen Verschmelzung des finanziellen mit dem wirt­

schaftlichen Interesse

verdankt der Zollverein

seine Entstehung

und

seinen

Norddeutscher Bund.

Aufschwung.

125

1868.

Die ausschließliche Wahmng des einen von beiden Interessen

müßte seine Entwickelung lähmen.

Sie alle, geehrte Herren, haben den ernsten Willen, diese Entwickelung fördem zu helfen, und wenn es bisher nicht gelungen ist, eine Verständigung

über den Weg, auf welchem jene beiden berechtigten Interessen auszugleichen sind, herbeizuführen, so vertraue Ich, daß bei Ihrem nächsten Zusammen­

treten den vereinten Bemühungen

der verbündeten Regierungen und des

Zollparlamentes der Erfolg auch nach dieser Seite hin nicht fehlen werde.

Nicht minder darf Ich

parlaments, welche Ich

hoffen, daß die Session des Deuffchen Zoll­

heute schließe, dazu gedient hat, das gegenseitige

Vertrauen der deutschen Stämme und ihrer Regierungen zu kräftigen und manche Vorurteile zu zerstören oder doch zu vermindern, die der einmütigen

Bethätigung der Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande, welche das gleiche Erbteil aller deutschen Stämme ist,

haben; Sie daß in der Ge­

etwa im Wege gestanden

werden alle die Überzeugung in die Heimat mitnehmen,

samtheit des deutschen Volkes ein brüderliches Gefühl der Zusammengehörig­

keit lebt, welches von der Form, die ihm zum Ausdrucke dient, nicht ab­ hängig ist, und welches gewiß in stätigem Fortschreiten an Kraft zunehmen

wird, wenn wir allseitig bestrebt bleiben, in den Vordergrund zu stellen,

was uns eint, und zurücktreten zu lassen, was uns trennen könnte. Nachdem Ich durch den übereinstimmenden und vertragsmäßig be­ kundeten

Willen

der

deutschen Vaterlandes

dazu

berechtigten

gesetzgebenden

Gewalten

unseres

zu dieser hervorragenden Stellung in demselben be­

rufen bin, betrachte Ich es als Ehrenpflicht, vor den zu diesem Parlamente

gewählten Vertretern des deutschen Volkes zu bekunden, daß Ich die Mir

übertragenen Rechte als ein heiliges,

von der deutschen Nation und ihren

Fürsten Mir anvertrautes Gut in gewissenhafter Achtung

Verträge und der geschichtlichen Berechtigungen, ländisches

Gemeinwesen beruht, handhaben und

der geschlossenen

auf welchen unser vater­

verwerten werde.

die Macht, welche Gott in Meine Hand gelegt, sondern die Rechte, welche Ich mit Meinen Bundesgenossen und den

Nicht über

verfassungsmäßigen Ver­

tretungen ihrer Unterthanen in freien Verträgen übereingekommen bin, wer­

den Mir jetzt und in Zukunft zur Richtschnur Meiner Politik dienen.

In dieser Richtung und in fester Zuversicht auf Gottes Beistand die Lösung unserer gemeinsamen Aufgaben erstrebend, sehe Ich der Wiederver­

einigung des Deuffchen Zollparlaments entgegen, sobald neue Arbeiten das­ selbe zu erneutet Thätigkeit berufen werden.

Zweiter Buch. 1867—1870.

126

65. Thronrede ;urn Schluß des Reichstags des Norddeutschen Rundes, Sonnabend, den 20. Juni 1868. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!

Sie stehen am Schlüsse einer Session, welche reich an Mühen, ober

auch reich an Ergebnissen war.

In hingebender Thätigkeit haben Sie im Verein mit den verbündeten und befestigt, anb

Regierungen die Einrichtungen des Bundes ausgebaut

wichtige Reformen der gemeinsamen Gesetzgebung teils eingeleitet, teils zum Abschluß gebracht.

Die finanziellen Verträge, welche einen hervorragenden Gegenstand Ihrer Beratungen bildeten, sind in befriedigender Weise gelöst.

Indem Sie

die Verwaltung der in der vorigen Session für die Entwickelung der Manne

und die Vervollständigung der Küstenverteidigung beschlossenen Anleihe der bewährten Verwaltung der preußischen Staatsschulden

anvertrauten, haben

Sie die Fortbildung dieses Zweiges unserer Wehrkraft

gesichert,

welchem

ebensosehr Meine eingehende Sorgfalt, als die Sympathieen der Nation zu­

gewendet sind.

Die Verständigung über die Verwaltung dieser Anleihe hat

es gestattet, in dem von Ihnen angenommenen Bundeshaushalts-Etat, ohne

eine wesentliche Erhöhung der fortdauernden Ausgaben, für die Förderung der Aufgaben des Bundes in ausreichendem Maße Fürsorge zu treffen.

Die Einrichtungen,

deren es bedarf, um

über die Verwendung der

Einnahmen des Bundes die verfaffungsmäßige Rechnung zu legen, sind vor­ läufig geordnet.

Durch das Gesetz über die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Befugnis

zur Eheschließung

ist die durch vieljährige Erfahmng in

Preußen bewährte Freiheit in der Begründung eines Hausstandes und einer Familie verallgemeinert und das in Ihrer letzten Session begründete Institut

der Freizügigkeit ergänzt.

Dieses Gesetz, sowie die Gesetze über die Auf­

hebung der Schuldhast und die Schließung der öffentlichen Spielbanken be­

weisen, daß die sittlichen und die wirtschaftlichen Momente in den Aufgaben des Bundes Hand in Hand gehen.

Durch eine Reihe von Postverträgen, welche Ihre Zusttmmung erhalte»

haben, ist die in der vorigen Session geordnete Ermäßigung der Portotaxe

auf die auswärttge Korrespondenz ausgedehnt. Das Gesetz über die Quartierleistungen im Frieden sichert eine ge­

rechtere Verteilung und innerhalb der

durch die unerläßlichen Rücksichten

127

Norddeutscher Bund. 1868.

auf die Finanzlage gebotenen Grenzen eine angemessenere Vergütung dieser

Leistung. Durch die den Angehörigen der vormaligen schleswig-holsteinischen Armee bewilligten Pensionen und Unterstützungen wird eine Schuld getilgt,

in deren Anerkennung Sie sich mit den verbündeten Regierungen vereinigten. Die Maß- und Gewichtsordnung eröffnet die Aussicht auf die Her­ stellung eines einfachen und einheitlichen Systems für ganz Deutschland und

führt einer Einigung aller zivilisierten Nationen auf diesem Gebiete näher. Die Bildung des deutschen Volkes bürgt dafür,

daß die von der Aus­

führung dieses Systems unzertrennlichen Schwierigkeiten in nicht allzu langer Zeit zu überwinden sein werden. Auf dem Gebiete des Steuerwesens ist die Gleichmäßigkeit der Be-

fteuerung der wichtigsten Artikel des Verbrauchs innerhalb des Bundes her­

gestellt und der letzte Schritt geschehen,

welcher für den Eintritt Mecklen­

burgs und Lübecks in die gemeinsame Zolllinie erforderlich war. Und so entlasse Ich Sie, geehrte Herren, mit Meinem und Meiner hohen

Verbündeten Danke für die Mitwirkung, welche Sie sowohl Unserem gemein­ samen Werke als auch den großen Interessen zugewendet haben, zu deren Pflege Wir mit den süddeutschen Staaten verbunden sind.

Ich entlasse Sie

mit der Zuversicht, daß die Früchte Ihrer Arbeiten bei uns und in ganz

Deutschland unter dem Segen des Friedens gedeihen werden!

66.

Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Mittwoch, dm 4. November 1868. Erlauchte, edle und geehtte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Die heute beginnende Sitzungsperiode eröffnet Ihnen ein wetteS Feld wichttger gesetzgeberischer Thätigkeit.

Ich vertraue, daß derselbe Geist bereit­

williger Zusammenwirkung mit Meiner Regierung, welchem die günstigen

Erfolge der letzten Session zu danken waren, auch bei den diesmaligen Be­

ratungen maßgebend sein werde.

Der Staatshaushalts-Etat für das nächste Jahr wird Ihnen unver­ züglich vorgelegt werden.

Infolge des Zusammenwirkens verschiedener un­

günstiger Umstände ist es notwendig gewesen, zur Deckung der Staats-

ausgaben, obwohl dieselben khunlichst beschränk worden sind, außerordentliche

128

Zweites Buch. 1867—1870.

Einnahmen in Ansatz

zu bringen.

Die dauernde Stockung des Verkehrs

und die Folgen einer nicht günstigen Emte im vorigen Jahre haben die

sonstige naturgemäße Steigerung der Einnahmen mit der unvermeidlichen Zunahme der Staatsbedürfniffe nicht gleichen Schritt halten lassen. Durch die im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse beschlossenen

Herabsetzungen der Zölle und anderer Einnahmen sind Ausfälle von erheb­

lichem Umfange herbeigeführt worden, in deren Voraussicht zu Anfang dieses Jahres dem Zollparlamente Vorlagen gemacht wurden,

welche jedoch die

Zustimmung desselben nicht erlangt haben.

Ich hoffe zuversichtlich, daß die Vermehrung

der eigenen Einnahmen

des Bundes als notwendig anerkannt und nicht weiter versagt werden wird. SBemt ferner nach Lage der Verhältnisse in nächster Zeit ein lebendiger Auf­

schwung von Handel und Verkehr und ein

günstiger Einfluß desselben auf

die Erhöhung der Staatseinnahmen erwartet werden darf, so knüpft sich hieran auch die Hoffnung, daß demnächst die Mittel vorhanden

sein werden, das

Gleichgewicht zwischen den ordentlichen Staats-Einnahmen und -Ausgaben her­

zustellen und für die Staatsbedürfnisse ausgiebiger zu sorgen,

als gegen­

wärtig möglich gewesen ist.

In Würdigung dieser Verhältnisse werden Sie keinen Anstand nehmen, den Vorschlägen Meiner Regierung wegen Deckung des Ausgabebedarfs für

das nächste Jahr Ihre Zustimmung zu geben.

Die Beziehungen Meiner Regierung zu den auswärtigen Mächten sind nach allen Seiten hin befriedigend und freundschaftlich.

Die Ereignisse auf der westlichen Halbinsel Europas können uns zu

keinem anderen Gefühle veranlassen, als zu dem Wunsche und zu dem Ver­

trauen, daß es der spanischen Nation gelingen werde, in der unabhängigen Gestaltung ihrer Verhältnisse die Bürgschaft ihres Gedeihens und ihrer Macht zu finden. Eine erfreuliche Übereinstimmung in wachsender Bildung und Humanität

hat der internationale Kongreß bewährt, welcher soeben in Genf die Auf­ gabe gelöst hat, die früher festgestellten Gmndsätze für die Behandlung und

Pflege der Verwundeten im Kriege zu vervollständigen und auf die Marine

auszudehnen.

Wir dürfen hoffen, daß der Augenblick fem sei, der die Er­

gebnisse zur Anwendung berufen werde.

Die Gesinnungen der Souveräne und das Friedensbedürfnis der Völker begründen die Zuversicht, daß die fortschreitende Entwickelung des allgemeinen

Wohlstandes nicht nur keine materielle Stömng erleiden, sondern auch von jenen Hemmungen und Lähmungm wird befreit werden, welche grundlose

Norddeutscher Bund.

1869.

129

Befürchtungen und deren Ausbeutung durch die Feinde des Friedens und

der öffentlichen Ordnung ihm nur zu ost bereiten. Möge der Landtag,

durchdrungen von jener Zuversicht,

an

seine

Friedensarbeit gehen!

67. Thronrede ;ur Eröffnung des Reichstags des Norddeutsche» Rundes, Mittwoch, den 4. März 1869.

Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Als Ich Sie zum letztenmal um Mich versammelt sah, sprach Ich

die Zuversicht aus, daß die Früchte Ihrer Arbeiten in unserem Vaterlande

unter dem Segen des Friedens

Ich freue Mich, daß

gedeihen werden.

diese Zuversicht nicht getäuscht worden ist, und indem Ich Sie heute im

Namen der verbündeten Regierungen begrüße, blicke Ich mit Genugthuung auf einen Zeitraum zurück, in dessen Verlauf die Einrichtungen des Bundes

in friedlicher Entwickelung erstarkt und befestigt sind. Im Innern des Landes haben die Freiheit der Niederlassung, der

Eheschließung und des Gewerbebetriebs den dem Bunde zu Gmnde liegenden nationalen Gedanken in das Leben des Volkes eingeführt.

ordnung,

welche Ihnen

vorgelegt werden

Unterstützungswohnsitz, welches der

Eine Gewerbe­

wird, und ein Gesetz über den

Beratung des Bundesrates unterliegt,

sollen diesem Gedanken eine weitere Entwickelung sichern.

In gleicher Richtung wird Ihre Mitwirkung für gemeinsame Rechts­ institute in Anspruch genommen werden.

Ihrem Wunsche entsprechend wird

Ihnen ein Gesetz über die Beschränkung des Lohnarrestes und ein Gesetz

über die Einfühmng des Handelsgesetzbuches und der Wechselordnung als

In Verbindung mit dem letzteren steht

Bundesgesetze vorgelegt werden.

ein von der Königlich sächsischen Regierung dem Bundesrate vorgelegter Gesetzentwurf wegen Errichtung sachen.

eines

obersten Gerichtshofes in Handels­

Ein Gesetz über gegenseitige Rechtshilfe soll, soweit dies vor Erlaß

einer gemeinsamen Zivil- und Strafprozeßordnung möglich ist, eine in der

Bundesverfassung ausgesprochene Verheißung erfüllen. Ein Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes ist dazu bestimmt, dem Artikel 20 der Bundesverfassung gemäß, die einzelnen Wahl­ gesetze durch ein gemeinschaftliches

Wahlverfahren im ganzen

zu ersetzen und

Gebiete des Bundes

• Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

ein übereinstimmmdes

Die Rechts-

zu sichem.

9

130

Zweite- Buch. 1867—1870.

Verhältnisse der Bundesstaaten,

deren

Regelung bereits in

Ihrer letzten

Session in Aussicht genommen war, werden Gegenstand einer Vorlage bilden.

Die Ausführung

von Gesetzen, welche im Laufe der letzten Session

zu stände gekommen sind, und einige seit Aufstellung des Bundeshaushalts-

Etats für 1869 hervorgetretene Bedürfnisse haben einen Nachtrag zu diesem

Etat

notwendig

gemacht,

welcher

Ihnen

zur

Genehmigung

vorgelegt

werden wird.

Der Bundeshaushalls-Etat für 1870,

welcher einen hervorragenden

Gegenstand Ihrer Beratungen bilden wird, fordert dazu auf, eine Erhöhung der eignen Einnahmen des Bundes ins Auge zu fassen.

Die Erleichterungen,

welche der Verkehr durch Aufhebung und Ermäßigungen von Zöllen und

durch Herabsetzung des Briefporto erfahren hat, haben Ausfälle an den

Einnahmen zur Folge gehabt, deren Ersatz notwendig ist, wenn die Schwierig­ keiten überwunden werden sollen, welche dem Haushalt der einzelnen Bundes­ staaten durch die ungleichmäßige Wirkung des Maßstabes für die Matri-

kularbeiträge bereitet werden.

Ich

rechne auf Ihre Mitwirkung bei den

Vorlagen, welche Ihnen zur Abwendung dieser Gefährdung gemacht werden.

In den Beziehungen des Bundes zum Auslande hat die Regelung des Postverträge mit

internationalen Postverkehrs weitere Fortschritte gemacht. den Niederlanden, Italien, Schweden und

den

vereinigten Donaufürsten­

tümern werden Ihnen vorgelegt werden.

Die Organisation der Bundeskonsulate

auf Grundlage des in Ihrer

ersten Session beratenen Bundesgesetzes nahet ihrer Vollendung.

Eine Kon­

sularkonvention mit Italien soll im Anschlüsse an dieses Gesetz die Befug­

nisse der beiderseitigen Konsuln vertragsmäßig sicherstellen. Um der Konsularverwaltung des Bundes den geschäftlichen Zusammen­ hang mit der Fühmng der auswärtigen Angelegenheiten

um die politische Einheit Norddeutschlands in

seiner internationalen Bedeutung

zu erhalten und

der seiner Verfassung und

entsprechenden Form

zum Ausdruck zu

bringen, sind in den Etat für 1870, Ihren Anträgen entsprechend, die Aus­ gaben ausgenommen worden,

welche

durch

die Leitung der auswärtigen

Politik des Bundes und durch deren Vertretung im Auslande bedingt sind. Die erste Aufgabe dieser Vertretung wird auch in Zukunft die Er­

haltung des Friedens mit allen Völkern bilden, welche gleich uns die Wohl­ thaten desselben zu schätzen wissen.

Die Erfüllung dieser Aufgabe wird

erleichtert werden durch die freundschaftlichen Beziehungen, welche zwischen dem Norddeutschen Bunde und allen auswärtigen Mächten bestehen

und

welche sich vor kurzem durch die friedliche Lösung der die Ruhe des Orients

Norddeutscher Bund.

bedrohenden Spannung von neuem

1869.

bewährt haben.

131 Die Verhandlungen

und der Erfolg der Pariser Konferenz haben Zeugnis abgelegt von dem aufrichtigen Streben der europäischen Mächte, die Segnungen des Friedens als ein wertvolles Gemeingut unter gemeinsame Obhut zu nehmen.

An­

gesichts dieser Wahrnehmung ist eine Station, welche sich des Willens und der Kraft bewußt ist, fremde Unabhängigkeit zu achten und die eigene zu

schützen, zum Vertrauen auf die Dauer eines Friedens berechtigt, den zu stören auswärtigen

Mächten die Absicht, den Feinden der Ordnung die

Macht fehlt. Mit diesem Vertrauen, geehrte Herren,

wollen Sie an Ihre Arbeiten

gehen in dem Sinne, welcher Ihre Beratungen bisher geleitet hat, in dem

Bewußtsein der großen nationalen Aufgabe des Bundes und in der Zu­ versicht, daß

die verbündeten Regierungen an der Lösung

dieser Aufgabe

freudig mitwirken.

68.

Nede;um Schluß des Landtags, Sonnabend, den 6. März 1869.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der König habm mir') den Auftrag zu erteilen geruht,

die Sitzungen des Landtags der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.

Durch die Beratungen und Erlebnisse dieser Session ist das Vertrauen, welches Se. Majestät beim Beginne derselben aussprachen, gerechtfertigt worden. Die Staatsregierung darf der Überzeugung Ausdruck geben, daß

die Vermittelung widersprechender

gleichberechtigter Meinungen und damit

die Überwindung einer vom parlamentarischen Leben unzertrennlichen Schwierig­ keit in der gegenwärtigen Sitzung in einem Maße gelungen ist, welches einen

entschiedenen Fortschritt unserer verfassungsmäßigen Entwickelung bedeutet. Es gereicht der Regierung Sr. Majestät zur Genugthuung, daß der

Landtag den Staatshaushalts-Etat nach eingehender Prüfung fast unverkürzt genehmigt und

die zur vollständigen Deckung der Ausgaben erforderlichen

außerordentlichen Mittel bewilligt hat.

Sie wird bei der Ausführung des

Etats mit gewissenhafter Sorgfalt und Sparsamkeit zu Werke gehen und

*) Ministerpräsident Graf v. Bismarck.

Zweites Buch. 1867—1870.

132

die Notwendigkeit der Wiederherstellung

des Gleichgewichts

der

Staats-

Einnahmen und Ausgaben zur Richtschnur ihrer künftigen Vorlagen machen.

Den Dank Sr. Majestät des Königs spricht Ihnen die Staatsregierung

dafür aus, daß Sie dem Gesetze, durch welches die Auseinandersetzung mit der Stadt Frankfurt a. M. angeordnet wird, bereitwillig Ihre Zustimmung

erteilt und die Regierung dadurch in den Stand gesetzt haben, diese An­

gelegenheit auf einem den landesväterlichen Gefühlen Sr. Majestät ent­ sprechenden, von

der (Erörterung streitiger Rechtsfragen absehenden

Wege

zum Abschluß zu bringen. Die Vorlagen behufs Förderung der Rechtspflege

und der Rechts­

gemeinschaft in allen Teilen der Monarchie haben teilweise die Zustimmung

der beiden Häuser gefunden.

In betreff weiterer gleich wünschenswerter

Reformen darf die Regierung für die nächste Session die Erzielung eines allseitigen Einvemehmens hoffen.

Durch Ihre angestrengte Thätigkeit ist es ferner möglich gewesen, nam­

hafte Verbesserungen in der Gesetzgebung für einzelne Provinzen herbei­ zuführen.

Das Bestreben der Staatsregierung, hierbei den Wünschen dieser

Provinzen eine mit dem allgemeinen Interesse

zu vereinbarende Rücksicht­

nahme zu teil werden zu lassen, hat seitens beider Häuser des Landtags

bereitwillige Unterstützung gefunden. Wenn die Beratungen auf dem Gebiete des Unterrichtswesens zu einem abschließenden Ergebnisse nicht geführt haben, so wird die Staatsregiemng sich hierdurch um so mehr veranlaßt finden, die Zeit bis zur nächsten Session

zur weiteren Klämng der Frage zu benutzen, um demnächst mit einer um­

fassenden Vorlage vor den Landtag treten zu können.

In betreff der Fortbildung unserer korporativen Organisationen hat die Staatsregiemng die beabsichtigte Vorlage im Laufe dieser Session noch nicht an den Landtag zu bringen vermocht.

Die vertraulichen Beratungen

aber, welche mit Rücksicht auf die Bedeutung und die mannigfachen Schwierig­

keiten einer befriedigenden Lösung dieser Aufgabe wünschenswert erschienen, berechtigen zu der Hoffnung, daß die Verständigung über dieselbe in der

nächsten Session in einer den Interessen des Landes

entsprechenden Weise

gelingen werde.

Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs erkläre ich hier­ mit die Sitzungm des Landtags für geschlossen.

133

Norddeutscher Bund. 1869.

69. Rede;ur Eröffnung des Deutschen Iollparlaments, Donnerstag, den 3. Juni 1869.

Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Se. Majestät der König von Preußen haben mir') den Auftrag zu

erteilen geruht, das Deutsche Zollparlament im Namen der zum Deutschen Zoll- und Handelsverein verbundenen Regierungen zu eröffnen.

Seit

Sie

zum

letztenmal

hier versammelt

waren,

ist

die

Gesetz­

gebung des Zollvereins in Mecklenburg, in Lübeck und in einem Teile deS

Gebietes von

Hamburg in Wirksamkeit getreten.

Mit der nahe bevor­

stehenden Einführung dieser Gesetzgebung in andern hamburgischen und in

einigen preußischen Gebietsteilen wird die Abgrenzung des Zollgebietes für die nächste Zukunft ihren Abschluß erhalten.

Der Verkehr mit dem Frei­

hafengebiete Hamburgs hat jede, mit den vorhandenen Einrichtungen ver­ einbarte Erleichtemng erfahren und wird durch die bereits cingeleitete Ver­

vollkommnung dieser Einrichtungen noch

weitere Erleichterungen erhalten.

Die Maßregeln, welche gegenüber diesen Erleichterungen zur Sicherung der gemeinschaftlichen Zollgrenze im Freihafengebiete erforderlich sind, bilden den Gegenstand einer Vorlage, welche Ihrer Beratung unterworfen werden wird.

Dem in der vorjährigen Session von Ihnen wie von

den Vereins­

regierungen anerkannten Bedürfnis einer durchgreifenden Revision der Zoll­

gesetzgebung soll ein neues Vereins-Zollgesetz gerecht werden, dessen Entwurf

Ihnen vorgelegt werden wird.

Dieser Entwurf will die Zollgesetzgebung

sowohl materiell durch Vereinfachung der Zollkontrolen und Erleichtemng

des Abfertigungsvcrfahrens der stattgefundenen Entwickelung des Verkehrs

anpassen,

als

auch formell die in verschiedenen Gesetzen zerstreuten Be­

stimmungen übersichtlich zusammenfassen.

Der Entwurf eines Gesetzes

über die Besteuemng des Zuckers soll,

dem von Ihnen ausgesprochenen Wunsche gemäß, die Zollsätze für den aus­ ländischen Zucker ohne Rücksicht auf dessen Bestimmung zur Fabrikation oder

zum Verbrauch regeln und die Steuer vom inländischen Zucker in ein rich­ tiges Verhältnis zu diesen Zollsätzen bringen.

Die Revision des Vereins-Zolltarifs wird wiedemm einen Gegenstand Ihrer Beratungen bilden.

So lebhaft die Bereinsregiemngen wünschen, durch

Zollbefreiungen und Zollermäßigungen den Verkehr zu fördem und den *) Präsident bc5 Bundeskanzleramts Wirkt. Geh. Rat Delbrück.

Zweites Buch. 1867—1870.

134

Verbrauch zu erleichtern, so gebieterisch erheischt die Rücksicht auf den Staats­ haushalt, die von solchen Befreiungen und Ermäßigungen unzertrennlichen

Ausfälle in den Zolleinnahmen durch Erhöhung dieser Einnahmen bei cmbem

Gegenständen auszugleichen.

Ein Handels- und Zollvertrag mit der Schweiz wird Ihnen zur Zu­ stimmung vorgelegt werden.

Sie werden die Befriedigung teilen, mit welcher

die Vereinsregierungen den Abschluß der wiederholt versuchten Regelung der Verkehrsverhältniffe zwischen dem Zollverein und einem Nachbarlande be­

grüßt haben, welches durch die mannigfachsten Beziehungen mit Deutschland

verbunden ist. Ein Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Japan, welcher Ihnen vor­ gelegt werden wird, sichert die Rechte, welche ein früherer Vertrag nur an

Preußen gewährte, dem Gesamtverein und verheißt dem in erfreulicher Ent­ wickelung begriffenen Verkehre mit diesem Lande weitere Erleichterungen. Die Aufgaben, zu deren Lösung Ihre Mitwirkung, geehrte Herren, in

Anspmch genommen wird, sind wichtig und mannigfaltig. regierungen sind gewiß, daß Sie an die Lösung Ernste und der Hingebung

treten,

Die Vereins­

dieser Aufgaben mit dem

welche die großen Ihnen anvertrauten

Interessen der Nation erheischen, und daß Ihre Beratungen, getragen von

dem Bewußtsein der Gemeinsamkeit der Interessen, das Gefühl nationaler

Gemeinschaft kräftigen werden.

Und so erkläre ich, im Namen der verbündeten Regierungen, auf Aller­ höchsten Präsidialbefehl das Parlament des Deutschen Zollvereins für eröffnet.

70. Thronrede ;um Schluß des Reichstags des Norddeutschen Dundes, DimStag, den 22. Juni 1869. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!

Sie stehen am Schluffe einer Session voll angestrengter Thätigkeit, deren Ergebnisse für die Fortbildung der Bundesverhältnisse und für die

Entwickelung der Wohlfahrt Norddeutschlands segensreich sein werden.

Durch das Wahlgesetz vertretung des

für den Reichstag ist die Bildung der Volks­

Norddeutschen Bundes auf der Grundlage der Verfassung

endgiltig und gleichmäßig geregelt.

Der Entwurf einer Gewerbeordnung ist von Ihnen mit der eingehenden Sorgfalt beraten worden, welche der Wichtigkeit und Vielseitigkeit seines

135

Norddeutscher Bund. 1869.

Inhalts

entsprach.

Nachdem der Bundesrat Ihren Beschlüssen seine Zu­

stimmung erteilt hat, ist durch allseitiges Entgegenkommen in den zahlreichen

Einzelheiten, welche zu Meinungsverschiedenheiten Veranlassung geben konnten,

ein Werk zu stände gebracht, welcher der freien Bewegung gewerblicher

Thätigkeit neue, und der gesamten Bevölkerung des Bundesgebietes gemein­ same Bahnen eröffnet. Die Übereinstimmung der Heereseinrichtungen im Norddeutschen Bunde

und im Großherzogtum Baden hat den Abschluß eines Vertrages gestattet, welcher

durch

Herstellung der militärischen Freizügigkeit zahlreichen An­

gehörigen des Bundes sowie des Großherzogtums wesentliche Erleichtemngen

in der Erfüllung ihrer Wehrpflicht darbietet. Die von Ihnen genehmigten Postverträge mit Schweden, den Nieder­ landen, Italien, dem Kirchenstaat und Rumänien bilden eine wertvolle Er­

gänzung der Verbesserungen des

internationalen Postverkehrs,

welche sich

an die Reformen unserer Portotaxe angeschlossen haben. Ebenso sind den mit Italien und der Schweiz abgeschlossenen Handels­

verträgen die

von Ihnen genehmigten Litterar- und Konsularkonventionen

ergänzend hinzugetreten.

Das Gesetz über die Beschlagnahme der Arbeits- und Dienstlöhne hat

in der von Ihnen beschlossenen Fassung

die Zustimmung der verbündeten

Regierungen erhalten.

Das Gesetz über die Gewährung der Rechtshilfe bezeichnet einen ent­

scheidenden Schritt zur

Erfüllung

einer verfassungsmäßigen Aufgabe des

Bundes, deren vollständige Lösung durch die Arbeiten

zur Herstellung der

gemeinsamen Zivil- und Strafprozeßordnung und des

gemeinsamen Straf­

gesetzbuches erstrebt wird.

Die Erhebung der deutschen Wechselordnung und des deutschen Handels­

gesetzbuches zu Bundesgesetzen und die Einrichtung eines obersten Gerichts­ hofes für Handelssachen

sichern die einheitliche Fortentwickelung des den

Bundesangehörigen früher schon thatsächlich gemeinsamen Handelsrechtes.

In

dem Oberhandelsgerichte begrüße Ich zugleich eine Erweitemng der Bundes­

einrichtungen,

welche

eine neue Bürgschaft dafür gewährt, daß der Nord­

deutsche Bund die gemeinsamen Institutionen, deren er zur Erfüllung seiner nationalen Aufgaben bedarf, zu schaffen und auszubllden Wohl befähigt ist, wenn das bundestreue Zusammenwirken der Regierungen unter sich und mit

der Volksvertretung von gegenseitigem Vertrauen getragen wird. Der

aus Ihrer Initiative hervorgegangene Gesetzentwurf, betreffend

die Gleichberechtigung der Konfessionen

in

bürgerlicher und staatsbürger-

136

Zweites Buch. 1867—1870.

licher Beziehung,

begegnete den übereinstimmenden Absichten des Bundes­

rates und hat dessen Zustimmung gefunden.

Die Umwandlung der in einzelnen Bundesstaaten bestehenden Stempel­ abgabe für Wechsel in eine Bundessteuer vollendet durch Beseitigung

der

mehrfachen Besteuerung der im Bundesgebiete umlaufenden Wechsel die Ein­

heitlichkeit des Verkehrsgebietes und

sichert ebenso wie das Gesetz über die

Portofreiheiten dem Bunde eine Steigerung seiner eigenen Einnahmen.

Gesetze bedingen

aber

eine

Beide

der Erweiterung der Bundeseinnahmen gleich­

kommende Beschränkung der den Landesfinanzen zu Gebote stehenden Mittel und

führen deshalb nicht zu einer wirksamen Ermäßigung der Matrikularbeiträge.

Über anderweite, von den verbündeten Regierungen zur Verminderung der Matrikularbeiträge vorgeschlagene Maßregeln ist zu Meinem Bedauern

eine Einigung nicht erzielt worden.

Es wird daher zunächst den Landes­

vertretungen die Aufgabe zufallen, die Ausfälle, welche durch Ermäßigungen

der Abgaben vom Verkehr entstanden sind, durch Einschränkung der Staats­

ausgaben

oder durch Bewilligung solcher Abgaben zu decken,

welche der

Gesetzgebung der Einzelstaaten unterliegen. Durch

die Genehmigung des Bundeshaushalts-Etats

und die Erwei­

terung der Marineanleihe haben Sie dem Bunde die zur Erfüllung seiner

Aufgabe im nächsten Jahre nötigen Mittel gesichert und zugleich der Durch­ führung des Planes für die Entwickelung der Bundesmarine die finanzielle

Gewährleistung für die Zukunft gegeben. Vor wenigen Tagen war Ich Zeuge der nahezu erreichten Vollendung

des ersten deutschen Kriegshafens, eines Denkmals, welches vor Europa die Thatkraft und Einsicht bekundet, mit welcher deutscher Fleiß in dreijährigem Kampfe den Elementen die Erfüllung einer großen nationalen Aufgabe ab­

gerungen hat.

In der lebendigen und werkthätigen Teilnahme, mit welcher

die Bevölkerung der deutschen Küstengebiete die Entwickelung des Bundes in der Richtung unserer maritimen Interessen

begleitet und fördert, habe Ich

mit freudiger Genugthuung den Ausdruck des

nationalen Bewußtseins er­

kannt, welches mit wachsender Kraft alle Teile des gemeinsamen Vaterlandes durchdringt und

die Keime, welche wir in der Bundesverfassung

gemein­

schaftlich gelegt haben, zur Entwickelung bringt.

Gern gebe Ich Mich

daher der Zuversicht hin, daß die verbündeten

Regierungen in ihrem Streben nach Befestigung und Vervollkommnung der

gemeinsamen Einrichtungen auch ferner die Ermutigung finden werden, welche ihnen bisher die entgegenkommende Förderung ihrer Bemühungen von feiten

des Reichstags gewährt hat.

Norddeutscher Bund.

1869.

137

Das einmütige Zusammenwirken der verbündeten Regierungen und der Volksvertretung in der ihnen obliegenden gemeinsamen Arbeü an Deutsch­ lands Wohlfahrt wird mit Gottes Hilfe auch ferner wie bisher die Zuver­

sicht stärken, mit welcher Deutschland auf die Erhaltung und Befestigung seines inneren wie äußeren Friedens rechnet.

In dieser Zuversicht, Meine Herren, spreche Ich die Hoffnung Sie im

aus,

nächsten Jahre, und zwar bald nach dem Beginn desselben, an

dieser Stelle wieder zu begrüßen.

71. Thronrede pittt Schluß des Deutschen Iollparlaments, Dienstag, den 22. Juni 1869.

Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente!

Ihrer angestrengten Thätigkeit ist es gelungen, die Beratung der Ihnen

von den verbündeten Regierungen gemachten Vorlagen in kurzer Zeit zu Ende zu führen.

Die Handelsverträge mit der Schweiz und mit Japan haben Ihre Zustimmung

erhalten.

Die Einmütigkeit, mit welcher dieselbe erteilt ist,

beweist, daß auch Sie in diesen Verträgen, deren einer die auf nachbarlichen

Verhältnissen beruhenden Beziehungen des kehrs

und

mannigfaltigsten

täglichen Ver­

zu erleichtem bestimmt ist, während der andere für die Schiffahrt den Handel im fernen Osten

eine breitere Grundlage schafft, weitere

Fortschritte in der Ausbildung der internationalen Beziehungen des Zoll­ vereins erkannt haben.

Mit nicht minderer Einmütigkeit haben Sie dem Vereinszollgesetze und

dem damit in Verbindung stehenden Gesetze über den Schutz der Zollgrenze im Hamburger Freihafengebiete Ihre Genehmigung gegeben.

Die von Ihnen

beschlossenen Abänderungen beider Gesetze haben die Zustimmung des Bundes­

rats

gefunden.

Es hat den verbündeten Regierungen zur lebhaften Be­

friedigung gereicht, sich mit Ihnen sowohl über die Richtungen, in welchen

die Zollgesetzgebung des Vereins der Reform bedurfte, als über die Mittel, durch

welche diese Reform zur Ausführung zu bringen ist, durchweg in

vollem Einverständis zu finden.

Gesetz, welches

Ich hoffe,

daß das

wichtige organische

an die Stelle einer dreißig Jahre alten Gesetzgebung zu

treten bestimmt ist, in befriedigender und dauernder Weise die Anforderungen

vermitteln werde, welche die rasche und vielseitige Entwickelung des Verkehr-

138

Zweites Buch. 1867—1870.

und die

finanziellen Interessen

des Vereins

an

die

Zollverwaltung

zu

stellen haben.

Die Änderungen, welche Sie aus Rücksicht auf eine für die wirtschaft­ lichen Verhältnisse deS Vereins in hohem Grade wichtige Industrie in dem Gesetze über die Besteuerung des Zuckers beschlossen haben, entfernen sich nicht von den Gesichtspunkten, welche die verbündeten Regierungen bei der Vorlegung dieses Gesetzes im Auge hatten.

Die Besteuerung des Zucker­

verbrauchs im ganzen wird eine Ermäßigung und die Einnahme des Vereins

auS diesem Verbrauche wird eine Erhöhung erfahren, welche einen Teil der in den letzten Jahren durch

zahlreiche Zollbefreiungen und Ermäßigungen

veranlaßten Einnahmeausfälle decken wird. Die Revision des Vereins-Zolltarifs ist zu Meinem Bedauem nicht

zum Abschluß gelangt.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Verschieden­

heit der Meinungen über die finanziellen Aufgaben des Vereins, welche

diesen Abschluß verhindert hat, mit der Zeit ihre Ausgleichung finden werde, und Ich entlasse Sie, geehrte Herren, mit dem Wunsche und der Zuversicht, daß auch in diesem Jahre Ihre Vereinigung

dazu beigetragen habe, das

Band zu befestigen, welches die gemeinsamen Institutionen um alle deutschen

Länder knüpfen.

72. Thronrede zur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes, Montag, den 14. November 1869.

Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Im Namen der verbündeten Regierungen heiße Ich Sie zur letzten

Session der Legislaturperiode willkommen. Sie werden in dieser Session berufen sein, die unter Ihrer Mitwirkung geschaffenen und durch

einmütiges Zusammenwirken der

verbündeten Re­

gierungen ins Leben getretenen Institutionen zu ergänzen und fortzubilden. Zu Meiner lebhaften Beftiedigung

ist es

der hingebenden Thätigkeit

der zur Vorbereitung eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund berufenen Männer gelungen, den Abschluß dieses umfangreichen Werkes der­

gestalt zu fördem, daß dasselbe,

heute vorgelegt werden kann.

tigsten Gebiete des

vom Bundesrate genehmigt, Ihnen schon

Indem dieses Gesetzbuch auf einem der wich­

öffentlichen Rechtes die nationale

Einheit im Nord­

deutschen Bunde zum Abschluß bringen will, enthält es

zugleich eine den

139

Norddeutscher Bund. 1869.

Forderungen der Wissenschaft und den Ergebnissen reicher Erfahrungen ent­ sprechende Fortbildung des im Bundesgebiete bestehenden Strafrechts.

Dasselbe Ziel soll auf verwandtem

Gebiete durch

ein Gesetz

zum

Schutze der Autorenrechte angestrebt werden.

Das in

der Bundesverfassung begründete, in den Gesetzen über die

weiter ausgebildete gemeinsame

Freizügigkeit sowie in der Gewerbeordnung

Jndigenat wird in den Ihnen zugehenden Gesetzvorlagen nach verschiedenen

Richtungen eine

Entwickelung

abschließende

erhalten.

Eine Gesetzvorlage

den Erwerb und Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit wird

über

dem von Ihnen in der vorigen Session ausgesprochenen Wunsche entgegen­

kommen.

Bei der Verschiedenartigkeit der landesgesetzlichen Bestimmungen

über Heimatsrechte und Armenpflege hat das Institut der Freizügigkeit Un­ gleichheiten hervorgerufen, deren auch von Ihnen angeregte Beseitigung nicht länger verschoben werden darf.

hilfe zu schaffen.

Eine Ihnen über den Unterstützungswohnsitz

bestimmt, den empfindlichsten Übelständen Ab­

zugehende Gesetzvorlage ist

Die Hemmnisse, welche der vollen Entfaltung der Frei­

zügigkeit durch die Landesgesetze über die direkte Besteuerung noch entgegen­

stehen, sollen durch ein dem Bundesrate vorliegendes Gesetz beseitigt werden.

Den wiederholt kundgegebenen Wünschen nach einer der Billigkeit ent­ sprechenden Ausgleichung der Beschränkungen, welchen die in den Bereich

neuer oder

erweiterter Festungsanlagen gezogenen Grundstücke unterworfen

werden müssen, soll durch eine Gesetzvorlage entsprochen werden. Die Lage der zu den Unterklassen der vormaligen schleswig-holsteinischen

Armee gehörigen Personen nimmt dieselbe Teilnahme in Anspruch, welche

in Ihrer vorletzten Session den Offizieren gegenüber zum Ausdruck gelangt

ist.

Es wird Ihnen hierüber eine Vorlage zugehen. Über die in dem Bundeskonsulatsgesetze vorbehaltene Regelung der Be­

fugnis

der Bundeskonsuln

zu Eheschließungen und zur Beurkundung des

eine Vorlage gemacht,

Personenstandes

wird Ihnen

die Verhältnisse

der Bundesbeamten wird

und ein Gesetz

über

wiedemm Ihrer Beschlußfassung

unterbreitet werden. Die Steigerung des Verkehrs und

die Reform der Besteuerung des

Zuckers haben es gestattet, in dem Ihnen vorzulegenden Bundeshaushalts-

Etat für das Jahr 1871, unter Aufrechterhaltung der bewährten Gmndlagen vorsichtiger Veranschlagung, die Einnahmen an Zöllen und Verbrauchs­ steuern sowie an Postüberschüffen höher auszubringen als im laufenden Etat.

Es ist dadurch die Aussicht gewahrt, daß

der größere Teil der laufenden

Mehrausgaben für die Fortentwickelung der Bundeseinrichtungen, namentlich

140

Zweites Buch. 1867—1870.

für die planmäßige Ausbildung der Bundesmarine,

in

eigenen Einnahmen

des Bundes seine Deckung findet.

Die Anbahnung der im Artikel 4 des Prager Friedens Verständigung über mit

die nationale

den süddeutschen

Verbindung

Staaten ist

der

vorgesehenen

des Norddeutschen Bundes

Meiner unausgesetzten

Gegenstand

Aufmerksamkeit.

Ein

mit

Baden

Großherzogtum

dem

abgeschlossener

der

Gemeinsamkeit des

welche

Rechtsschutzes,

Gewährung der Rechtshilfe für

Jurisdiktions­

dehnt die Grundsätze

vertrag, der Ihnen zur Genehmigung zugehen wird, durch

das Gesetz

den Norddeutschen Bund

über die

zur Geltung ge­

langt sind, in nationalem Sinne über die Grenzen des Bundesgebietes aus.

Durch eine Ergänzung der Maß- und Gewichtsordnung wird die Möglich­ keit

gewonnen

mit andern

werden,

deutschen

der Gemeinsamkeit des Maß- und Gewichtswesens Staaten

durch

gegenseitige Zulassung der

geeichten

Maße und Gewichte Ausdruck zu geben.

Zur Herstellung der süddeutschen

Festungskommission hat der Bund

Meine Vermittelung

willigung

in

durch

den ungeteilten Fortbestand

des

unter Ein­

gemeinsamen Festungseigen­

tums bereitwillig mitgewirkt. Die Gesamtheit

der Verträge,

welche den

Norden Deutschlands

mit

dem Süden verbinden, gewähren der Sicherheit und Wohlfahrt des gemein­

samen deutschen Vaterlandes die zuverlässigen Bürgschaften, welche die starke

und geschlossene Organisation des Nordbundes in sich trägt.

Das Vertrauen,

welches unsere süddeutschen Verbündeten in diese Bürgschaften setzen, beruht

auf dem

voller

Das

Gegenseitigkeit.

Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit,

die bestehenden Verträge ihr Dasein

pfändete Wort deutscher

Fürsten,

verdanken, das gegenseitig ver­

die Gemeinsamkeit

ländischen Interessen verleihen unsern Beziehungen von

der wechselnden Woge politischer Leidenschaften

der höchsten

vater­

zu Süddeutschland eine

unabhängige Festigkeit.

Als Ich im vorigen Jahre von dieser Stelle zu Ihnen sprach, habe

Ich

dem Vertrauen Ausdruck

gegeben,

daß Meinem

aufrichtigen Streben,

den Wünschen der Völker und den Bedürfnissen der Zivilisation durch Ver­ hütung jeder Störung des Friedens zu entsprechen, der Erfolg unter Gottes

Beistand nicht fehlen würde. Stelle bekunden zu

können,

Es thut Meinem Herzen wohl, heut an dieser daß Mein Vertrauen seine volle Berechtigung

hatte. Unter den Regierungen wie unter den Völkern der heutigen Welt ist die Überzeugung im siegreichen Fortschreiten begriffen, daß einem jeden

politischen Gemeinwesen die unabhängige Pflege der Wohlfahrt, der Freiheit

und der Gerechtigkeit im eignen Hause

zustehe und obliege,

und daß

die

Norddeutscher Bund.

1870.

141

Wehrkraft eines jeden Landes zum Schutze eigener, nicht zur Beeinträch­

tigung fremder Unabhängigkeit berufen sei. Die Legislaturperiode des

gegenwärtigen Reichstags naht sich ihrem

Schluffe, durch ihre bisherige, an Erfolgen reiche Thätigkeit und die frucht-

bare Wechselwirkung, mit welcher die Arbeiten der verbündeten Regiemngen und des Reichstags ineinander gegriffen haben, sind die Bundeseinrichtungen fest begründet und ist die Richtung ihrer Entwickelung zum Heile des Vater­

landes

bestimmt worden.

bevorstehenden Session

nehmen.

In diesem Sinne werden die Beratungen der

erneut

Ihre

angestrengte

Thätigkeit in Anspruch

Aber Sie werden durch die Lösung der Ihnen vorliegenden Auf­

gaben die Erfolge des gegenwärtigen Reichstags zu einem Abschlüsse bringen, welcher die damit verbundenen Mühen durch den Dank der Nation lohnen und diesem Reichstage eine hervorragende Stellung in der Geschichte der vaterländischen Institutionen sichern wird.

73. Nede zur Eröffnung des Deutschen Zollparlaments, Donnerstag, den 21. April 1870.

Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Se. Majestät der König von Preußen hat mir1) den Auftrag zu er­

teilen geruht, das Deutsche Zollparlament im Namen der zum Deutschen Zoll-

und Handclsvereine verbundenen Regierungen zu eröffnen. Das von

Ihnen

im

vorigen Jahre genehmigte Vereinszollgesetz ist

nach Feststellung der zur Ausführung desselben nötigen Anordnungen durch

den Bundesrat des Deutschen Zollvereins in Wirksamkeit getreten. Verkehr dadurch

gewährten Erleichterungen haben

dankbare

Die dem

Anerkennung

gefunden.

Die Wirksamkeit des Gesetzes über die Besteuerung des Zuckers, welcheim Hörigen Jahre Ihre Genehmigung erhalten hat, ist noch von zu kurzer

Dauer, um über deffen Erfolg schon jetzt mit Sicherheit zu urteilen. falls beweist der trotz der Verzollung

Jeden­

der Ermäßigung des Zolles eingetretene Rückgang

von ausländischem Rohrzucker, daß die inländische Zucker­

erzeugung durch die neue Regulierung des Verhältnisses zwischen dem Ein­ gangszolle und der Rübenzuckersteuer in keiner Weise geschädigt worden ist.

’) Präsident des Bundeskanzleramts, StaatSminister Delbrück.

142

Zweite» Buch. 1867—1870.

Eine Ergänzung der durch dieses Gesetz eingeleiteten Reform der Zucker­ besteuerung

soll durch

einen der Beratung deS Bundesrats unterliegenden

Gesetzentwurf herbeigeführt werden.

Die Fabrikation von Zucker und S;ruP

aus Stärke hat im Zollvereine eine Ausdehnung erreicht, welche die Stmerfreiheit dieser Artikel zu einer mit dem Interesse der Zuckerindustrie wie

der Staatsfinanzen unvereinbaren Vergünstigung macht. Die schon im Arti^l 3 des Zollvereinsvertrags vorbehaltene und der

Gerechtigkeit entsprechende Abstellung dieser Begünstigung soll durch eine Besteuerung des aus Stärke bereiteten Zuckers und Syrups nach den für

die Rübenzuckersteuer festgestellten Grundsätzen erreicht werden. Ein zweiter, denselben Zweig der Steuergesetzgebung betreffender Ent­

wurf ist bestimmt, eine der Rübenzuckerindustrie lästige Kontrollevorschrift zu beseitigen, nachdem aus der Erfahrung sich deren Entbehrlichkeit ergeben hat. Seit Jahren fehlte es in Mexiko dem deutschen Handel und der deut­ schen Schiffahrt an einer vertragsmäßigen Sicherung ihrer Interessen und

den zahlreichen dort wohnenden Deutschen an einer vertragsmäßigen Garantie

ihrer Rechte.

Ein nach Überwindung

zahlreicher Schwierigkeiten zu stände

gekommener Handelsvertrag zwischen dem Zollvereine und Mexiko, welcher Ihnen vorgelegt werden wird, soll diese Lücke in den vertragsmäßigen Be­

ziehungen des Zollvereins zum Auslande ausfüllen und den umfangreichen

Berkehrsbeziehungen zwischen beiden Ländem eine gesicherte Gmndlage und damit die Vorbedingung kräftigen Aufschwungs gewähren.

Gleiche Zwecke verfolgt ein Vertrag mit dem Königreich der Hawaiischen

Inseln, dessen Genehmigung bei Ihnen beantragt wird. Die Revision des Bereinszolltarifs wird Sie von

Der sorgfältig revidierte Entwurf verfolgt

neuem beschäftigen.

wie früher den Zweck, neben

einer wesmtlichen Vereinfachung des Tarifs und Erleichterung des Verkehrs

und Verbrauchs die finanzielle Grundlage unseres Tarifffystems zu kräftigen, damit nicht die durch zahlreiche Zollbefreiungen und Zollermäßigungen in

den letzten Jahren herbeigeführte Verminderung der Zolleinnahmen die wirt-

schafliche Gestaltung der Steuersysteme in den Vereinssbaaten gefährde. den Verändemngen, welche der Entwurf erfahren hat,

welchen

einzelne der im

In

haben die Bedenken,

vorigen Jahre gemachten Vorschläge begegneten,

thunlichste Berücksichtigung gefunden.

Insbesondere ist fiilt die Herbeiführung

eines Mehrertrags ein Verbrauchsgegenstand ins Auge (gefaßt, dessen höhere Belastung die schon früher im Zollverein gemachten (Erfahrungen als zu­

lässig darstellen.

Eine Verständigung auf dieser neuen Grundlage wird,

indem sie die Ausführung einer den Verkehrsinteressen erwünschten Reform

Norddeutscher Bund. 1870.

143

-es Tarifs ermöglicht, dem nachteiligen Zustande der Ungewißheit über dessen weitere Gestaltung ein Ende machen.

Mit dieser Tarifreform werden Sie, geehrte Herren, die letzte Session

einer Legislaturperiode würdig schließen, welche durch die Erweiterung des

Bereinsgebietes nach der Ostsee und Nordsee, durch Herstellung des freien

Verkehrs mit Tabak, durch eine der Entwickelung des Handels entsprechende Umgestaltung der Zollgesetzgebung und durch die Reform der Zuckerbefleuerung Zeugnis abgelegt hat für den Erfolg der Institutionen, welche in dem Zoll­

vereinsvertrag vom 8. Juli 1867 geschaffen sind.

74. Thronrede;um Schluß des Deutschen Iollparlaments, Sonnabend, bett 7. Mai 1870.

Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente! Als Ich Sie bei Eröffnung der ersten Session der Legislaturperiode

willkommen hieß, deren letzte Session Ich heute schließe, sprach Ich die Zuversicht aus, daß Sie,

das gemeinsame deutsche Jntereffe fest im Auge

haltend, die Einzelintereffen zu vermitteln wiffen würden. bedeutungsvolle Session,

Die kurze, aber

welche heut zu Ende geht, hat diese Zuversicht

gerechtfertigt.

Die Revision des Vereins-Zolltarifs, welche den Schwerpunkt Ihrer Thätigkeit bildete, berührte zahlreiche und wichtige Interessen und mußte deshalb zu

gelungen,

einem lebhaften Kampfe der Ansichten führen.

Es ist Ihnen

aus diesem Kampfe zu einem Abschluß zu gelangen, welcher die

großen, für die verbündeten Regierungen leitend

festhält und die streitenden Interessen versöhnt.

gewesenen Gesichtspunkte

Sie verdanken dieses Er­

gebnis dem nationalen Geiste, welcher lieb gewordene Wünsche und lebhaft empfundene Besorgnisse zurücktreten ließ vor der Erkenntnis, daß ohne ein Opfer

von

jeder

Seite die

Vollendung des Ihnen

im Interesse unseres

vorliegenden

Vaterlandes

Werkes unerreichbar sei.

gebotene Die ver­

bündeten Regierungen sind Ihnen in demselben Geiste entgegen gekommen,

und so ist bei allseftigem ernsten Bemühen die Feststellung einer Reform gelungen, welche durch die Beratungen dreier Sessionen gereist war.

Diese

Reform, indem sie den Tarif vereinfacht und die Beschaffung von Gegen­ ständen des unmittelbaren Verbrauchs, von Hilfsmitteln für die Arbeit unb von Materialien

für die Gewerbe in

ausgedehntem Maße

erleichtert, er-

144

Zweites Buch. 1867—1870.

öffnet der Produktion neue Bahnen, sichert dem Verkehr einen weiten Auf­ schwung und verheißt dem Wohlstände im Deutschen Zollverein eine steigende

Entwickelung,

während

sie durch

geringe Mehrbelastung eines Verbrauchs­

gegenstandes die finanziellen Gmndlagen des Tarifsystems wahrt.

Die mit den vereinigten Staaten von Mexiko und mit dem Königreich der Hawaiischen

Inseln abgeschlossenen

mütige Genehmigung gefunden.

Handelsverträge haben Ihre

ein­

Ich vertraue, daß die durch diese Verträge

gewonnene Sicherung der Rechte des deutschen Handels, der deutschen Schiff­ fahrt und der in jenen ferttett Landen wohnenden Angehörigen Deuffchlands

nicht nur die wirffchaftlichen Beziehungen zu jenen Ländern fördern, sondern

auch ein Pfand der Anhänglichkeit unserer

auswärts weilenden Landsleute

an das gemeinsame Vaterland bilden werde. Im Laufe der dreijährigen Thätigkeit, welche Sie heute beenden, haben

Sie, geehrte Herren, im Zusammenwirken mit den verbündeten Regierungen zu dem Abschluß der räumlichen Ausdehnung des Zollvereins den Grund gelegt, die Beziehungen des Zollvereins zu zweien durch Stammesverwandt­

schaft mit ihm verbundenen Nachbarstaaten und zu anderen für seinen Ver­ kehr

wichtigen Ländern

geordnet,

heimischer Erzeugnisse geregelt und

die ^Besteuerung

die Gesetzgebung

dem Auslande in allen ihren Teilen neu gestaltet.

zweier

wichtiger ein­

für den Verkehr mit

Die segensreichen Früchte

dieser Thätigkeit sind zum Teil mit Sicherheit zu erwarten.

Der Dank des

deutschen Volkes, dessen Gedeihen Ihre Thätigkeit gewidmet war, wird Ihnen nicht fehlen.

So entlasse Ich Sie, geehrte Herren, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß auch die künftigen Versammlungen des Zollparlaments unserem gemein­

samen Vaterlande zum Segen gereichen werden.

75. Thronrede zum Schluß des Reichstags des Norddeutschen Bundes, Donnerstag, dm 26. Mai 1870. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Dem ersten ordentlichen Reichstage des Bundes war die Aufgabe ge­

stellt, die wesentlichsten Bestimmungen der Verfassungsurkunde in Gestalt organischer Gesetze

in dem politischen und

zur Geltung zu bringen.

bürgerlichen Leben des Volkes

Sie haben die Lösung dieser Aufgabe in vier

Norddeutscher Bund. 1870.

arbeitsvollen Sessionen dergestalt gefördert, daß

145 es Ihnen wie Mir zur

Genugthuung gereichen wird, am Schluß der Legislaturperiode einen Rück­ blick auf die Erfolge Ihrer hingebenden Thätigkeit zu werfen.

Norddeutschland verdankt derselben die Verwirklichung der wichtigsten

Konsequenzen des gemeinsamen Jndigenats, der Freiheit der Niederlassung, des Erwerbs von Grundbesitz und des Betriebes der Gewerbe, die Regelung der Bedingungen für den Erwerb und Verlust der Bundesangehörigkeit und

der Staatsangehörigkeit, die Beseitigung der mehrfachen Besteuerung des­ selben Einkommens, die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Ehe­ schließung und die Beseitigung der Abhängigkeit staatsbürgerlicher Rechte

von konfessionellen Unterschieden. Die Fühmng der Bundesflagge, der Schutz der deutschen Schiffahrt

durch Gesandtschaften und Konsulate des Bundes, die Wirksamkeit der Kon­

suln, die den Organen des Bundes zustehenden Befugnisse im Interesse des Zivilstandes der Bundesangehörigcn sind unter Ihrer Mitwirkung durch

Gesetz und Vertrag geregelt worden. Durch die Abschaffung der Elbzölle und die Regelung der Flößerei wurde die langerstrebte Freiheit der deutschen Ströme verwirklicht.

Die Reihe der Verträge, durch welche die internationalen Beziehungen

des Bundes-Postwesens auf der Grundlage der Reform geordnet sind, hat neuerdings durch die von Ihnen genehmigten Verträge mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika wichtige Ergänzungen erfahren.

Die Organisation des Bundesheeres ist abgeschlossen und die Bundes-

Kriegsmarine ist, dank der von Ihnen gewährten Mittel, in einer Ent­ wickelung begriffen, welche diesem Zweige der nationalen Wehrkraft eine den

berechtigten Anfordemngen der deutschen Nation entsprechende Bedeutung

verheißt.

Der Bundeshaushalt ist auf fester Grundlage geordnet. Bunde vorbehaltene Besteuerung

Die dem

von Verbrauchsgegenständen ist einheitlich

geregelt und durch die Stempelabgabe von Wechseln ist eine im Interesse der Verkehrsfreiheit liegende Bundessteuer geschaffen.

Die Herstellung der gemeinsamen Rechtsinstitutionen, welche die Bundesverfaffung verheißt, ist in einem Maße gefördert worden, welches wir vor

drei Jahrm kaum in so nahe Aussicht zu nehmen wagten.

Das Gesetz

über die Rechtshilfe und die auf diesem Gesetze beruhenden Verträge mit Baden und Heffen haben, der ihrem Abschluß nahm gemeinsamen Prozeß­ ordnung vorgreifend, die Schranken beseitigt, welche die Landesgrenzen der

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

10

146

Zweites Buch. 1867—1870.

Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidung entgegensetzten.

Die Aufhebung der

Zinsbeschränkungen, der Schuldhast und des Lohnarrestes hat in wichtigen Beziehungen des volkswirtschaftlichen Verkehrs gleiches Recht geschaffen. Das Handelsgesetzbuch und die Wechselordnung sind zu Bundesgesetzen erhoben worden, und beide, ebenso wie die von Ihnen beschlossenen Gesetze über die Aktiengesellschaften und das Urheberrecht an geistigen Erzeugnissen,

unter den Schutz eines obersten Bundesgerichtshofes gestellt worden, dessen Wirksamkeit in nächster Zukunft beginnen wird. Die erste Stelle in dieser Reihe wichtiger Gesetze nimmt aber das

gestem von Ihnen und

vom Bundesrate genehmigte Strafgesetzbuch

ein.

Die Vereinbarung dieses Gesetzes, durch welche uns das große Ziel dmtscher Rechtseinheit so wesentlich genähert ist, konnte nur gelingen, wenn von Ihnen, wie von den verbündeten Regierungen, der Vollendung eines großen

nationalen Werkes Opfer an Überzeugungen gebracht wurden, welche um so

schwerer, aber auch um so fmchtbarer waren, je tiefer die Fragen, um deren Lösung es sich handelte, das Rechtsbewußtsein ergriffen.

Ich danke Ihnen,

daß Sie in der Bereitwilligkeit, diese Opfer zu bringen, den verbündeten

Regiemngen entgegengekommen sind. Geehrte Herren, Ich darf die Überzeugung kundgeben, daß die Be­ friedigung, mit welcher wir in diesem Saale die reichhaltigen Ergebnisse gemeinsamer Thätigkeit überblicken, im ganzen deutschen Lande und außer­

halb der Grenzen desselben geteilt wird.

Die großen Erfolge, welche im

Wege freier Verständigung der Regierungen und der Volksvertreter, unter sich und mit einander, in verhältnismäßig kurzer Zeit gewonnen wurden,

geben dem deutschen Volke die Bürgschaft der Erfüllung der Hoffnungen,

welche sich an die Schöpfung des Bundes knüpfen, denn sie beweisen, daß

der deutsche Geist, ohne auf die

freie Entwickelung zu verzichten,

in

der

seine Kraft beruht, die Einheit in der gemeinsamen Liebe aller zum Vater­

lande zu finden weiß.

Dieselben Erfolge, gewonnen durch treue und an­

gestrengte Arbeit auf dem Gebiete der Wohlfahrt und der Bildung, der Freiheit und der Ordnung im eignen Lande, gewähren auch dem Auslande

die Gewißheit, daß der Norddeutsche Bund in der Entwickelung seiner inneren Einrichtungen und seiner vertragsmäßigen nationalen Verbindung mit Süddeutschland die deutsche Bolkskrast nicht zur Gefährdung, sondem

zu einer starken Stütze des

allgemeinen Friedens

ausbildet, welcher die

Achtung und das Vertrauen der Völker wie der Regiemngen des Auslandes zur Seite stehen.

Wenn wir der deutschen Nation mit Gottes Hilfe die Weltstellung

147

Norddeutscher Bund. 1870.

geteiltsten, zu der ihre geschichtliche Bedeutung, ihre Stärke und ihre fried­ fertige Gesittung sie berufen und befähigen, so wird Deutschland dm Anteil

nicht vergessen, den dieser Reichstag an dem Werke hat und für den Ich

Ihnen, geehrte Herren, wiederholt Meinen Dank ausspreche.

76.

Thronrede;ur Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichstags des Norddeutschen Dundes, Dienstag, den 19. Juli 1870. Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!

Als Ich Sie bei Ihrem letzten Zusammentreten Namen

an dieser Stelle im

der verbündeten Regierungen willkommen hieß, durste Ich es mit

freudigem Danke bezeugen, daß Meinem aufrichtigen Streben, den Wünschm

der Völker und den Bedürfnissen

Störung des Friedens

der Zivilisation durch Verhütung jeder

zu entsprechen, der Erfolg unter Gottes Beistand

nicht gefehlt habe. Wenn

nichtsdestoweniger Kriegsdrohung und Kriegsgefahr den ver­

bündeten Regierungen die Pflicht auferlegt habm, Sie zu einer außerordent­ lichen Session zu berufen, so wird in Ihnen tote in uns die Überzeugung lebendig sein, daß der Norddeutsche Bund die deutsche Volkskrast nicht zur

Gefährdung, fottbem zu einer starken Stütze des allgemeinen Friedens aus­ zubilden bemüht war und daß, wmn wir gegenwärtig diese Volkskrast zum Schutze

unserer Unabhängigkeit aufmfen, wir nur dem Gebote der Ehre

und der Pflicht gehorchen. Die spanische Thronkandidatur eines deutschen Prinzen, deren Auf­

stellung

und Beseitigung

die verbündeten Regierungen gleich femstandm

und die für den Norddeutschen Bund nur insofern von Interesse war, als

die Regierung jener uns befreundeten Nation daran die Hoffnung zu knüpfen

schien, einem vielgeprüften Lande die Bürgschaften einer geordneten und friedliebenden Regierung zu gewinnen, hat dem Gouvernement des Kaisers

der Franzosen den Vorwand geboten, in einer dem diplomatischen Verkehr seit langer Zeit unbekannten Weise den Kriegsfall zu stellen und denselben

auch nach Beseitigung des Vorwandes mit jener Geringschätzung des An­ rechts der Völker auf die Segnungen des Friedens festzuhalten, von welcher die Geschichte früherer Beherrscher Frankreichs analoge Beispiele bietet.

10*

148

Zweites Buch. 1867—1870. Hat Deutschland derartige Vergewaltigungen seines Rechts und

Ehre in früheren Jahrhunderten schweigend ertragen,

wie stark es war.

weil es in seiner Zerrissenheit nicht wußte,

das Band geistiger und rechtlicher Einigung,

zu knüpfen begannen,

bindet,

bietet, trägt Deutschland in sich

Heute,

wo

welches die Befreiungskriege

länger, desto inniger ver­

die deutschen Stämme je

heute, wo Deutschlands Rüstung

seiner

so ertrug es sie nur,

dem Feinde

selbst den Willen

keine Öffnung

mehr

und die Kraft der Ab­

wehr erneuter französischer Gewaltthat.

Es ist keine Überhebung, welche Mir diese Worte in den Mund legt.

Die verbündeten Regierungen, Bewußtsein,

daß

Sieg

Schlachten ruhen.

messen,

und

wie Ich selbst, Niederlage

Wir handeln in dem vollen

in

der

Hand

Lenkers

des

der

Wir haben mit klarem Blicke die Verantwortlichkeit er­

welche vor den Gerichten Gottes und der Menschen den trifft,

zwei große und friedliebende Völker

im Herzen Europas

der

zu verheerenden

Kriegen treibt.

Das

französische Volk,

deutsche und das

licher Gesittung und steigenden Wohlstandes

beide die Segnungen christ­

gleichmäßig genießend und be­

gehrend, sind zu einem heilsameren Wettkampf berufen als zu dem blutigen

der Waffen.

durch

die Machthaber Frankreichs haben es verstanden,

Doch

wohlberechtigte,

aber

Selbstgefühl unseres

das

großen

Nachbarvolkes

berechnete Mißleitung für persönliche Interessen und

Leidenschaften

reizbare

auszubeuten.

Je mehr die

verbündeten Regierungen

sich bewußt sind,

alles, was

gethan zu haben, um Europa die Segnungen

Ehre und Würde gestatten,

des Friedens zu bewahren, und je unzweideutiger es vor aller Augen liegt, daß man uns das Schwert in die Hand gezwungen hat, mit um so größerer

Zuversicht wenden Wir Uns, gestützt auf den einmütigen Willen der deutschen Regierungen

des Südens

Opferfreudigkeit des

wie des

Nordens,

deutschen Volkes

an die Vaterlandsliebe und

mit dem Aufrufe

zur Verteidigung

seiner Ehre und seiner Unabhängigkeit. Wir werden nach dem Beispiele unserer Väter für unsere Freiheit und

für unser Recht gegen die Gewaltthat fremder Eroberer kämpfen, und in diesem Kampfe, in dem wir kein anderes Ziel verfolgen,

Europas dauernd zu sichern,

Vätern war.

als

den Frieden

wird Gott mit uns sein, wie er mit unsern

Norddeutscher Bund. 1870.

149

77.

Allerhöchster Erlaß, betr. die Abhaltung eines allgemeinen Dettags. Ich bin gezwungen, infolge eines

willkürlichen Angriffs das Schwert

zu ziehen, um denselben mit aller Deutschland abzuwehren.

zu Gebote stehenden Macht

Es ist Mir eine große Beruhigung vor Gott und den Men­

schen, daß Ich dazu in keiner Weise Anlaß gegeben habe.

Ich bin reinen

Gewissens über den Ursprung dieses Krieges und der Gerechttgkeit unserer

Sache vor Gott gewiß.

Es ist ein ernster Kampf, den es gilt, und er

wird Meinem Volke und ganz Deutschland schwere Opfer auflegen. Aber Ich ziehe zu ihm aus

und mit Anmfung Seines

im Aufblicke zu dem allwissenden Gott

allmächttgen Beistandes.

Schon jetzt darf Ich

Gott dafür preisen, daß vom ersten Gerüchte des Krieges an durch

deutschen Herzen nur ein Gefühl

alle

rege wurde und sich kundgab, das der

Entrüstung über den Angriff und der freudigen Zuversicht, daß Gott der gerechten Sache den Sieg verleihen werde.

Mein Volk wird auch in diesem

Kampfe zu Mir stehen, wie es zu Meinem in Gott ruhenden Vater ge­ standen hat.

Es wird mit Mir alle Opfer bringen, um den Böllern den

Frieden wieder zu gewinnen.

Von Jugend auf habe Ich vertrauen gelernt, daß an Gottes gnädiger Hilfe alles gelegen ist.

Auf Ihn hoffe Ich,

auf zu gleichem Vertrauen.

und fordere Ich Mein Voll

Ich beuge Mich vor Gott in Erkenntnis Seiner

Barmherzigkeit und bin gewiß, daß Meine Unterthanen und Meine Lands­ leute es mit Mir thun.

Demnach besttmme Ich, daß am Mittwoch, den 27. Juli, ein außer­ ordentlicher allgemeiner Bettag gehalten und mit Gottesdienst in den Kirchen,

sowie mit Enthaltung von öffenllichen Geschäften und Arbeiten, soweit die dringende Not der Zeit es gestattet, begangen werde. Zugleich bestimme Ich, daß während der Dauer des Krieges in allen

öffentlichen Gottesdiensten dafür besonders gebetet werde, daß Gott in diesem

Kampfe uns zum Siege führe, daß Er uns Gnade gebe, auch gegen unsere Feinde uns

als Christen

zu

verhallen, und

daß Er uns zu einem die

Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands dauemd verbürgenden Frieden in

Gnaden gelangen lasse. Berlin, den 21. Juli 1870.

Wilhelm.

Zweites Buch. 1867—1870.

150

78. Süt das deutsche Volk. Aus allen Stämmen des deutschen Vaterlandes, aus allen Kreisen des

deutschen Bolles, selbst von jenseits des Meeres sind Mir aus Anlaß des bevorstehenden Kampfes für die Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands von

Gemeinden und Korporationen,

von Vereinen und Privatpersonen so zahl­

reiche Kundgebungen der Hingebung und Opferfreudigkeit für das gemein­ same Vaterland zugegangen, daß es Mir ein unabweisliches Bedürfnis ist,

diesen Einklang des deutschen Geistes öffentlich zu bezeugen und dem Ausdruck Meines Königlichen Dankes die Versicherung hinzuzufügen, daß Ich

dem deutschen Volke Treue um Treue entgegenbringe halten werde.

und

unwandelbar

Die Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande, die einmütige

Erhebung der deutschen Stämme und ihrer Fürsten hat alle Unterschiede

und Gegensätze in sich geschloffen und versöhnt, und einig, wie kaum jemals zuvor, darf Deutschland in seiner Einmütigkeit wie in seinem Recht die

Bürgschaft finden, daß der Krieg ihm den dauernden Frieden bringen und daß aus der blutigen Saat eine von Gott gesegnete Ernte deutscher Freiheit

und Einigkeit sprießen werde.

Wilhelm.

Berlin, den 25. Juli 1870.

79.

Armeebefehl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen.

Hauptquartier Speier, 30. Juli 1870. Soldaten der III. Armee!

Bon Sr. Majestät dem König von Preußen zum Oberbefehlshaber der

III. Armee ernannt,

entbiete ich den von heute ab unter meinem Befehle

vereinigten Königl. preußischen, Königl. bayerischen, König!. Württembergischen

und Großherzogl. badischen Truppen meinen Gruß.

Es erfüllt mich mit

Stolz und Freude, an der Spitze der aus allen Gauen des deutschen Vater­ landes vereinten Söhne für die gemeinsame nattonale Sache, für deutsches Recht, für deutsche Ehre gegen den Feind zu ziehen.

Wir gehen einem

großen und schweren Kampfe entgegen, aber in dem Bewußtsein unseres

guten Rechts und im Vertrauert auf Eure Tapferkeit, Ausdauer und Manns­ zucht ist uns der siegreiche Ausgang gewiß.

So wollen wir denn festhalten

in treuer Waffenbrüderschaft, um mit Gottes Hilfe unsere Fahnen zu neuen Siegen zu entfalten für des geeinigten Deutschlands Ruhm und Friede.

Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preußen.

Norddeutscher Bund.

1870.

151

80. Air Mein Volk.

Indem Ich heute zur Armee abgehe, um mit ihr für Deutschlands Ehre und für Erhaltung unserer höchsten Güter zu kämpfen, will Ich, im

Hinblick auf die einmütige Erhebung Meines Volkes, eine Amnestie für poli­

tische Verbrechen und Vergehen erteilen.

Ich habe das Staats-Ministerium

beauftragt, Mir einen Erlaß in diesem Sinne zu unterbreiten.

Mein Volk weiß mit Mir, daß Friedensbruch und Feindschaft wahr­ haftig nicht auf unserer Seite war.

Wer herausgefordert, sind wir ent­

schlossen, gleich unsem Vätern und in fester Zuversicht auf Gott den Kampf zu bestehen zur Errettung des Vaterlandes.

Berlin, den 31. Juli 1870.

Wilhelm.

81.

5lit die Armee I Ganz Deutschland steht einmütig in den Waffen gegen einen Nachbar­ staat, der uns überraschend und ohne Grund den Krieg erklärt hat.

Es

gilt die Verteidigung des bedrohten Vaterlandes, unserer Ehre, des eignen Herdes.

Ich übernehme heute das Kommando über die gesamten Armeeen

und ziehe getrost in einen Kampf, den unsere Väter in gleicher Lage einst

ruhmvoll bestanden.

auf Euch.

Mit Mir blickt das ganze Vaterland vertrauensvoll

Gott der Herr wird mit unserer gerechten Sache sein.

Mainz, den 2. August 1870.

Wilhelm.

82.

Armeebefehl des Königs.

Soldaten!

Die Verfolgung des nach blutigen Kämpfen zurückgedrängten Feindes hat bereits einen großen Teil unserer Armee über die Grenze geführt. Mehrere Korps werden heute und morgen den französischen Boden betreten.

Ich erwarte, daß die Mannszucht, durch welche Ihr Euch bisher aus­

gezeichnet habt, sich auch besonders auf feindlichem Gebiete bewähren werde. Wir führen keinen Krieg gegen die friedlichen Bewohner des Landes; es

ist vielmehr die Pflicht jedes ehrliebenden Soldaten, das Privateigentum zu

152

Zweites Buch. 1867—1870.

schützen und nicht zu dulden, daß der gute Ruf unseres Heeres auch nur durch einzelne Beispiele von Zuchtlosigkeit angetastet werde.

Ich baue auf

den guten Geist, der die Armee beseelt, zugleich aber auch auf die Strenge

und Umsicht aller Führer. Hauptquartier Homburg, den 8. August 1870.

Wilhelm.

83.

Armeebefehl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen. Soldaten der III. Armee! Nachdem wir mit dem

siegreichen Gefecht von Weißenburg die fran­

zösische Grenze überschritten und darauf durch den herrlichen Sieg von Wörth

den Feind gezwungen haben, den Elsaß zu räumen, sind wir heute bereits

über das Gebirge der Vogesen hinaus weit nach Frankreich hineingedrungen

und haben die Verbindung mit der I. und II. Armee erreicht, vor deren Erfolg der Feind ebenfalls weichen mußte.

Eurer bewundemngswürdigen Tapferkeit und Hingebung, Eurer Aus­

dauer im Ertragen aller Schwierigkeiten und Anstrengungen verdanken wir die bedeutungsvollen Ereignisse.

Ich danke Euch im Namen des Königs

von Preußen, unseres Oberfeldherrn, sowie in dem der verbündeten deutschen

Fürsten, und ich bin stolz, mich an der Spitze eines Heeres zu befinden,

welchem der Feind bisher nicht standzuhalten vermochte und auf dessen Thaten unser deutsches Vaterland mit Bewunderung blickt.

Hauptquartier Petersbach, am Fuße der Vogesen, den 11. August 1870.

Der Oberbefehlshaber der III. Armee. Friedrich

Wilhelm,

Kronprinz von Preußen.

84. Proklamation an das französische Volk. St. Avold, 11. August 1870.

Wir Wilhelm, König von Preußen, thun den Bewohnem der durch die

deutschen Ärmeren besetzten französischen Gebietsteile zu wissen, was folgt: Nachdem der Kaiser Napoleon die deutsche Nation,

welche wünschte

und noch wünscht, mit dem französischen Volke in Frieden

Wasser und zu Land

zu leben, zu

angegriffen hatte, habe Ich den Oberbefehl über die

Norddeutscher Bund.

1870.

153

deutschen Armeeen übernommen, um diesen Angriff zurückzuweisen; Ich bin durch die militärischen Ereigniffe dahin gekommen, die Grenzen Frankreichs

zu überschreiten. Ich führe Krieg mit den französischen Soldaten und nicht mit den Bürgem Frankreichs.

Diese werden demnach fortfahren, einer vollkommenen

Sicherheit ihrer Person und ihres Eigentums zu

genießen und

zwar so

lange, als sie Mich nicht selbst durch feindliche Unternehmungen gegen die

deutschen Truppen des Rechts berauben werden, ihnen Meinen Schutz anqedeihen zu laffen.

Die Generale, welche die einzelnen Korps kommandieren, werden durch besondere Bestimmungen, welche

bracht werden,

zur Kenntnis des Publikums werden ge­

die Maßregeln festsetzen, welche gegen die Gemeinden oder

gegen einzelne Personen, die sich in Widerspruch mit den Kriegsgebräuchen fetzen, zu ergreifen sind;

sie werden in gleicher Weise alles, was sich auf

die Requisitionen bezieht, festsetzen, welche durch die Bedürfnisse der Truppen als nötig erachtet werden, sie werden auch die Kursdifferenz zwischen deutscher und französischer Währung feststellen, um so den Einzelverkehr zwischen den

Druppen und den Bewohnem zu erleichtern.

Wilhelm.

85.

Armeebefehl. Hauptquartier Versailles, 28. Oktober 1870.

Soldaten der verbündeten deutschen Armeeen! Als wir vor drei Monaten ins Feld rückten gegen einen Feind, der uns zum Kampf herausgefordert hatte, sprach Ich Euch die Zuversicht aus, daß Gott mit unserer gerechten Sache sein würde.

Diese Zuversicht hat sich erfüllt. Seit dem Tage von Weißenburg, wo Ihr zum erstenmal dem Feinde entgegentratet, bis heute,

wo Ich die Meldung der Kapitulatton von Metz

erhalte, sind zahlreiche Namen von Schlachten und Gefechten in die Kriegs­

geschichte unvergänglich eingetragen worden.

Ich erinnere an die Tage von

Wötth und Saarbrücken, an die blutigen Schlachten um Metz, an die Kämpfe bei Sedan, Beaumont, bei Straßburg und Paris rc.; jeder ist für unS ein

Sieg gewesen. Wir dürfen mit dem stolzen Bewußtsein auf diese Zeit zurückblicken, daß noch

nie ein ruhmreicherer Krieg geführt worden ist, und Ich spreche

Zweites Buch. 1867—1870.

154

es Euch gern aus, daß Ihr Eures Ruhmes würdig seid.

Ihr habt alle

die Tugenden bewährt, die den Soldaten besonders zieren: den höchsten Mut im Gefecht, Gehorsam, Ausdauer, Selbstverleugnung

bei Krankheit und

Entbehrung.

Mit der Kapitulation von Metz ist Mnmehr die letzte der feindlichen Ärmeren, welche uns beim Beginn des Feldzugs entgegengetreten, vernichtet

worden.

Diesen Augenblick benutze Ich, um Euch allen und jedem einzelnen,

vom General bis zum Soldaten, Meinen Dank und Meine Anerkennung auszusprechen.

Ich wünsche Euch alle auszuzeichnen und zu ehren, indem

Ich heute Meinen Sohn, den Kronprinzen von Preußen, und den General der Kavallerie, Prinzen Friedrich Karl von Preußen, die in dieser Zeit Euch

wiederholt zum Siege geführt haben, zu Generalfeldmarschällen befördere. Was auch die Zukunft bringen möge, — Ich sehe dem

ruhig ent­

gegen, denn Ich weiß, daß mit solchen Truppen der Sieg nicht fehlen kann

und daß wir unsere bis hierher so ruhmreich geführte Sache auch ebenso

zu Ende führen werden.

Wilbelm.

86. Redezur Eröffnung des Reichstags des Norddeutschen Sundes, Montag, den 24. November 1870.

Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes! Se. Majestät der König von Preußen hat mit1) den Auftrag zu er­

teilen geruht, den Reichstag des Norddeutschen Bundes im Namen der ver­ bündeten Regierungen zu eröffnen.

Es würde Sr. Majestät zu hoher Befriedigung gereicht haben, heute

in Ihrer Mitte zu sein, um an dieser Stelle Gott für die Erfolge zu danken, mit welchen die Waffen der deutschen Heere gesegnet worden sind, um Ihnen

auszusprechen, welchen Anteil die nationale

Haltung und die

Einmütigkeit des Reichstags bei Bereitstellung der zur Führung des Krieges

erforderlichen Mittel an diesen Erfolgen gehabt haben.

Durch die in der

Kriegsgeschichte beispiellosen Siege, welche nach Gottes Willen die heldenmüttge Tapferkeit und die einsichttge Führung der deutschen Heere erfochten haben, ist der Angriff, den Frankreich im Juli auf Deutschland unternahm, zurückgeworfen worden.

Das französische Volk muß die Überzeugung ge­

wonnen haben, daß seine jetzige Kriegsmacht, nach der Vernichtung der gegen *) Präsident des Bundeskanzleramts, StaatSminister Delbrück.

Norddeutscher Bund.

155

1870.

uns aufgestellten Heere, der geeinten Wehrkraft Deutschlands nicht gewachsen

ist.

Wir könnten daher den Abschluß des Friedens als gesichert betrachten,

wenn unser unglückliches Nachbarland eine Regiemng hätte, deren Träger ihre eigne Zukunft als untrennbar von der ihres Landes betrachteten.

Eine

solche Regierung würde jede Gelegenheit ergriffen haben, die Nation, an deren Spitze sie sich aus eigner Machtvollkommenheit gestellt hat, zur Wahl

einer Volksvertretung und durch

diese zur Aussprache über die Gegenwart

und die Zukunft des Landes in den Stand zu setzen.

Aber die Menstücke,

welche Ihnen,

meine Herren, von dem Präsidium des Bundes

werden sollen,

werden Ihnen den Beweis liefern, daß die jetzigen Macht­

vorgelegt

haber in Frankreich es vorziehen, die Kräfte einer edlen Nation einem aus­

sichtslosen Kampfe zu opfern. Die unverhältnismäßige Erschöpfung und Zerrüttung, welche für Frank­ reich

die Folgen der Fortsetzung dieses Kampfes

unter den gegenwärtigen

Umständen sind, müssen zwar die Kraft des Landes in dem Maße schwächen, daß dasselbe zu seiner Erholung längerer Zeit bedürfen wird, als bei einem regelmäßigen Verlaufe des Krieges der Fall gewesen wäre.

Die verbündeten

Regierungen haben aber mit Bedauern der Überzeugung Ausdnlck zu geben,

daß der Friede zwischen den beiden großen Nachbarvölkern, auf dessen un-

getrübte Dauer sie noch vor weniger als einem halben Jahre zählten, durch die Erinnerungen, welche die Eindrücke dieses Krieges in Frankreich hinter­ lassen werden, nur um so sicherer gefährdet sein wird von dem Augenblicke an, wo Frankreich durch die Erneuerung der eignen Kraft oder durch Bünd­

nisse mit andern Mächten sich stark genug fühlen wird, den Kampf wieder aufzunehmen.

Die Bedingungen, Frieden bereit

unter welchen die verbündeten Regierungen zum

sein würden, sind in der Öffentlichkeit besprochen worden.

Sie müssen zu der Größe der Opfer, welche dieser ohne jeglichen Gmnd, aber mit Zustimmung der gesamten französischen Nation unternommene Krieg unserem Vaterlande auferlegt

hat, im Verhältnis stehen; sie müssen vor

allen Dingen gegen die Fortsetzung der von allen Machthabern Frankreichs seit Jahrhunderten geübten Eroberungspolitik eine verteidigungsfähige Grenze Deutschlands dadurch herstellen, daß sie die Ergebnisse der. unglücklichen

Kriege, welche Deutschland in der Zeit seiner Zerrissenheit nach Frankreichs Willen führen mußte, wenigstens teilweise rückgängig machen und unsere

süddeutschen Brüder von dem Drucke der drohenden Stellung befreien, welche

Frankreich seinen früheren Eroberungen verdankt.

Die verbündeten Regie­

rungen haben das Vertrauen zu dem norddeutschen Reichstage, daß derselbe

156

Zweites Buch. 1867—1870.

ihnen die Mittel, welche zur Erreichung dieses Zieles noch erforderlich sind,

nicht versagen werde.

Sie sind gewiß, jetzt, wo es gilt, die erlangten Er­

folge zu sichern, bei Ihnen der

nämlichen patriotischen Hingebung zu be­

gegnen, welche sie fanden, als es darauf ankam, die heute gewonnenen Er­ folge zu erreichen.

Es ist ihr lebhafter Wunsch, daß es möglich werde, jene

Mittel nicht in vollem Umfange zu verwenden.

Um Ihnen

einen vollständigen Überblick der politischen Lage zu ge­

währen, werden Ihnen die Mitteilungen vorgelegt werden, welche dem auswärttgen Amte bezüglich des Pariser Friedensvertrages vom 30. März 1856

neuerdings zugegangen sind,

und an

welche die verbündeten Regierungen

den Ausdruck ihrer Hoffnungen knüpfen, daß die Wohlthaten des Friedens den Völkem erhalten bleiben werden, welche sich derselben bisher erfreut haben. Die Fortdauer des Krieges hat eine friedliche Arbeit nicht verhindert.

Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, welches durch gemeinsame Gefahr und durch gemeinsam erkämpfte Siege belebt ist, das Bewußtsein der Stellung, welche Deutschland zum erstenmal seit Jahrhunderten durch seine Einig­

keit errungen hat, die Erkenntnis, daß nur durch Schöpfung dauernder In­ stitutionen der Zukunft Deutschlands das Vermächtnis dieser Zeit der Opfer

und der Thaten gesichert werden könne, haben schneller und allgemeiner, als noch vor kurzem denkbar erschien, das deutsche Volk und seine Fürsten mit der Überzeugung

erfüllt, daß es

zwischen dem Süden und Norden eines

festem Bandes bedürfe als der völkerrechtlichen Verträge.

Diese unter den

Regiemngen einhellige Überzeugung hat zu Unterhandlungen geführt, als deren erste, auf dem Felde des Krieges erwachsene Fmcht Ihnen eine zwischen

dem Norddeutschen Bunde, Baden und Hessen vereinbarte, vom Bundesrate

einstimmig angenommene Verfassung eines Deutschen Bundes zur Genehmigung vorgelegt werden wird.

Die auf gleichen Gmndlagen mit Bayem getroffene

Verständigung wird ebenfalls Gegenstand Ihrer Beratungen werden, und die Übereinstimmung der Ansichten, welche mit Württemberg über das zu

erstrebende Ziel besteht, läßt hoffen, daß eine gleiche Übereinstimmung über

den Weg zum Ziele nicht ausbleiben werde. Sie werden, geehrte Herren, mit diesem Werke eine Thättgkeit würdig

abschließen, wie solche wenigen gesetzgebenden Versammlungen vergönnt ge­ wesen ist. Reihe

In wenig mehr als drei Jahren haben Sie durch eine lange

wichttger, in die verschiedensten Verhältniffe des

Volkslebens tief

eingreifender Gesetze den Ihrer Mitwirkung anvertrauten ersten Ausbau der

Bundesverfassung fördem helfen, und durch die letzte, vor dem Ablaufe Ihrer

Amtsdauer Ihnen zugehende Vorlage soll diese Verfaffung und sollen die

Norddeutscher Bund.

157

1870.

auf derselben beruhenden Gesetze über die Grenze ausgedehnt werden, welche bisher unsere süddeutschen Brüder von uns schied.

Der große nationale

Gedanke, welcher Sie stets bei Ihren Beratungen leitete, wird durch die letzte Beratung, zu welcher Sie zusammentreten, so Gott will, um

einen ent­

scheidenden Schritt seiner vollen Verwirklichung näher geführt werden. Und so erkläre ich, auf Allerhöchsten Präsidialbefehl, im Namen der

verbündeten

Regierungen

den

Reichstag

des

Norddeutschen

Bundes

für

eröffnet.

87. Armeebefehl. Soldaten der verbündeten deutschen Ärmeren! Wir stehen abermals an einem Abschnitt des Krieges. Als Ich zuletzt zu Euch sprach, war mit der Kapitulation von Metz

die letzte der feindlichen Armeeen

vernichtet worden, welche uns bei dem

Beginn des Feldzugs gegenüberstanden. Seitdem hat der Feind durch die außerordentlichsten Anstrengungen uns neugebildete Truppen entgegengestellt, ein großer Teil der Bewohner Frankreichs hat seine friedlichen,

von uns nicht gehinderten Gewerbe ver­

lassen, um die Waffen in die Hand zu nehmen.

Der Feind war uns an Zahl oft überlegen,

aber dennoch habt Ihr

ihn wiederum geschlagen; denn Tapferkeit und Mannszucht und das Ver­

trauen auf eine gerechte Sache sind mehr wert wie die Überzahl. Alle Versuche des Feindes, die Zernierungslinie von Paris zu durch­ brechen, sind mit Entschiedenheit zurückgewiesen worden, ost zwar mit vielen

blutigen Opfern — wie bei Champigny und Le Bourget — aber auch mit

einem Heldenmut, wie Ihr ihn überall beweiset.

Die Armeeen des Feindes, welche zum Entsatz

von Paris

von allen

Seiten heranrückten, sind sämtlich geschlagen. Unsere Truppen, die zum Teil noch vor wenigen Wochen vor Metz

und Straßburg standen, sind heute schon über Rouen, Orleans und Dijon hinaus, und neben vielen kleinen siegreichen Gefechten sind zwei neue große

Ehrentage — Amiens

und die mehrtägige Schlacht von Orleans — den

früheren hinzugetreten.

Mehrere Festungen sind erobert und vieles Kriegs­

material ist genommen worden; somit habe Ich nur Anlaß zur größten

Zufriedenheit, und es ist Mir eine Freude und ein Bedürfnis, auszusprechen.

Euch dies

Zweites Buch.

158

1867—1870.

Ich danke Euch allen, vom General bis zum gemeinen Soldaten. Beharrt der Feind bei einer weiteren Fortsetzung des Kriegs, so weiß Ich, daß Ihr fortfahren werdet,

thätigen,

dieselbe Anspannung aller Kräfte

zu be-

welcher wir unsere bisherigen großen Erfolge verdanken, bis wir

einen ehrenvollen Frieden erringen, der würdig der

großen Opfer ist, die

an Blut und Leben gebracht worden.

Hauptquartier Versailles, den 6. Dezember 1870.

Wilhelm.

88.

Ansprache des Königs an die Deputation des Reichstags, Sonntag, den 18. Dezember 1870. Geehrte Herren!

Indem Ich Sie hier Grenze,

empfange, ist

auf

fremdem Boden,

es Mir das

fern

erste Bedürfnis,

von der deutschen Meiner Dankbarkeit

gegen die göttliche Vorsehung Ausdruck zu geben, deren wunderbare Fügung uns hier in der allen französischen Königstadt') zusammenführt.

Gott hat uns Sieg verliehen in einem Maße, wie Ich es kaum zu hoffen und zu bitten wagte, als Ich im Sommer dieses Jahres zuerst Ihre

Unterstützung für diesen schweren Krieg in Anspruch nahm. Diese Unterstützung

ist Mir in vollem Maße zu teil geworden, und

Ich spreche Ihnen den Dank dafür aus

in Meinem Namen, im Namen

des Heeres, im Namen des Vaterlandes.

Die siegreichen deutschen Heere,

in deren Mitte Sie Mich ausgesucht haben, fanden in

der Opferwilligkeit

des Vaterlandes, in der treuen Teilnahme und Fürsorge des Volkes in der Heimat,

in der Einmüttgkeit des Volles und

des Heeres ihre Ermuttgung

in schweren Kämpfen und Entbehrungen.

Die Gewährung der Mittel, welche die Regierungen des Norddeutschen Bundes noch in der eben geschlossenen Session des Reichstags für die Fort­

setzung des Krieges verlangten, hat Mir einen neuen Beweis gegeben,

daß

die Nation entschlossen ist, ihre volle Kraft dafür einzusetzen, daß die großen

und schmerzlichen Opfer, welche Mein Herz

wie das Ihrige tief bewegen,

nicht umsonst gebracht sein sollen, und die Waffen nicht aus der Hand zu legen, bis Deutschlands Grenze gegen künfttge Angriffe sichergestellt ist.

Der norddeutsche Reichstag, dessen Grüße und Glückwünsche Sie Mir

überbringen, ist berufen gewesen, noch vor seinem Schluß zu dem Werke ’) Versailles.

159

Norddeutscher Bund. 1870.

-er Einigung

Deutschlands entscheidend mitzuwirken.

Ich bin demselben

dankbar für die Bereitwilligkeit, mit welcher er fast einmütig

seine Zu­

stimmung zu den Verträgen ausgesprochen hat, welche der Einheit der Nation einen organischen Ausdmck geben werden.

Der Reichstag hat,

gleich

den verbündeten Regierungen, diesen Ver­

trägen in der Überzeugung zugestimmt, daß das gemeinsame staatliche Leben

der Deutschen sich um so

segensreicher entwickeln werde, als die für das­

selbe gewonnenen Gmndlagen von unsern süddeutschen Bundesgenossen aus freier Entschließung, nach Maßgabe ihrer eignen Würdigung des nationalen Bedürfnisses, bemessen und dargeboten

worden sind.

Ich hoffe, daß die

Vertretungen der Staaten, denen jene Verträge noch vorzulegen sind, ihren

Regiemngen auf dem betretenen Wege folgen werden. Mit tiefer Bewegung hat Mich die durch Se. Majestät den König von Bayern an Mich

gelangte Auffordemng

des alten deutschen Reichs erfüllt.

zur Herstellung der Kaiserwürde

Sie, Meine Herren, bringen Mir im

Namen des norddeutschen Reichstags die Bitte, daß Ich Mich dem an Mich

ergehenden Rufe nicht entziehen möge.

Ich nehme gern aus Ihren Worten den Ausdmck des Vertrauens und der Wünsche des norddeutschen Reichstags entgegen.

Aber Sie wissen, daß

in dieser so hohe Interessen und so große Erinnemngen der deutschen Natton berührenden Frage nicht Mein eignes Gefühl, auch nicht Mein eignes Urteil

Meinen Entschluß bestimmen kann.

Nur in der einmütigen Stimme der deutschen Fürsten und freien Städte

und in dem

damit übereinstimmenden Wunsche der deutschen Natton und

ihrer Vertreter werde Ich den Ruf der Vorsehung erkennen, dem Ich mit Verträum auf Gottes Segen folgen darf.

Es wird Ihnen wie Mir zur Genugthuung gereichen, daß Ich durch Se. Majestät den König von Bayem die Nachricht erhalten habe, daß das Einverständnis aller deutschen Fürsten und freien Städte gesichert ist und

die amtliche Kundgebung desselben bevorsteht.

Drittes Buch. Gründung und Ausbau des Deutschen Reiches.

\87\—\88\. 89.

Sin das deutsche Volk! Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen,

nachdem die deutschen Fürsten und freien Städte den einmütigen Ruf an Uns gerichtet haben, mit Herstellung des Deutschen Reiches die seit mehr

denn sechzig Jahren ruhende deutsche Kaiserwürde zu erneuern und zu über« nehmen, und nachdem in der Verfassung des Deutschen Bundes die ent­ sprechenden Bestimmungen vorgesehen sind, bekunden hiermit, daß Wir es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben, diesem

Stufe der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten und

die deutsche Kaiserwürde anzunehmen.

Demgemäß werden Wir und Unsere

Nachfolger an der Krone Preußen fortan den Kaiserlichen Titel in allen Unseren Beziehungen und

Angelegenheiten des

Deutschen Reiches führen,

und hoffen zu Gott, daß eS der deutschen Nation gegeben sein werde, unter dem Wahrzeichen ihrer allen Herrlichkett das Vaterland einer segensreichen

Zukunft entgegenzuführen.

Wir übernehmen die Kaiserliche Würde in dem

Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutsch­

lands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volles, zu verteidigen.

Wir

nehmen sie an in der Hoffnung, daß dem deutschen Volle vergönnt sein

wird, den Lohn seiner heißen und

opfermütigen Kämpfe in dauerndem

Frieden und innerhalb der Grenze» zu genießen, welche dem Baterlande die fett Jahrhunderten entbehrte Sicherung gegen reichs gewähren.

erneute Angriffe Frank­

Uns aber und Unseren Nachfolgem an der Kaiserkrone

161

Deutsches Reich. 1871.

wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer deS Deutschen Reiches zu sein, nicht

an kriegerischen (Eroberungen,

sondern an

den Gütern und Gaben des

Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.

Gegeben Hauptquartier Versailles, den 18. Januar 1871. Wilhelm.

90.

Armeebefehl. Mit dem

heuttgen, für Mich und

Mein Haus

denkwürdigen Tage

nehme Ich im Einverständnis mit allen deutschen Fürsten und unter Zu­ stimmung aller deutschen Völker neben der von Mir durch Gottes Gnade

ererbten

Stellung

des

Königs

von

Preußen

auch

die

eines

deutschen

Kaisers an. Eure Tapferkeit und Ausdauer in diesem Kampfe, für welche Ich Euch

wiederholt Meine vollste Anerkennung aussprach, hat das Werk der inneren

Einigung Deutschlands

beschleunigt,

ein Erfolg,

den Ihr mit Einsetzung

Eures Blutes und Eures Lebens erkämpft habt.

Seid stets eingedenk, Tapferkeit und Gehorsam

daß der Sinn für Ehre, treue Kameradschaft,

eine Armee groß und siegreich macht; erhaltet

Euch diesen Sinn, dann wird das Vaterland immer, wie heute, mit Stolz auf Euch blicken und Ihr werdet immer sein starker Arm sein.

Hauptquartier Versailles, 18. Januar 1871.

Milbelm

91.

Armeebefehl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen. Soldaten der III. Armee! Als ich im Juli v. I. den Oberbefehl übernahm, sprach ich die Hoff­

nung aus, daß es der Tapferkeit und Hingebung der geeinten deutschen

Stämme gelingen werde, den gemeinsamen Feind, welcher uns übermütig zum Kampfe herausgefordert, zu besiegen.

glänzend gerechtferttgt,

Dieses Vertrauen habt Ihr

denn die III. Armee hat in diesem thatenreichen

Feldzuge ebenso viele Siege als Kämpfe aufzuweisen. Nachdem Ihr in raschem Anlauf das Thor des Feindes bei Weißen­

burg erbrochen und damit die Reche der Siege eröffnet, wurde der starke Gegner zwei Tage darauf in der Mutigen Schlacht bei Wörth geschlagen;

in

schnellen Märschen folgtet Ihr seinen rückgängigen Bewegungen und an

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

11

162

Drittes Buch. 1871—1881.

dem denkwürdigen Tage von Sedan nahmt Ihr einen ruhmvollen und ent­ scheidenden Anteil.

Unaufhaltsam drangt Ihr vorwärts in das Herz des

Landes, warst den vor Euch fliehenden Feind hinter die Mauem seiner

Hauptstadt und hieltet ihn beinahe fünf Monate — allen Gefahren und den Unbilden eines strengen Winters mit unvergleichlicher Ausdauer Stand

haltend — eng umschlossen.

Während sodann ein Teil von Euch in ununterbrochenen, gegen große

Überzahl geführten Mutigen Gefechten den zum Entsatz des bedrängten Paris von allen Seiten anrückenden Feind zurückwarf, wurden von den Zernierungs­ truppen alle gegen sie unternommenen Ausfälle energisch und erfolgreich ab­ gewiesen, so daß endlich dem Gegner keine Wahl blieb, als die Waffen zu strecken und Euch die Thore seiner stolzen, als unüberwindlich und unver­

letzlich gepriesenen Hauptstadt zu öffnen. Solche Thaten gehören auf

ewig der Geschichte an,

blickt das Vaterland auf Euch als seine würdigen Söhne.

und mit Stolz Wohl konnten so

große Erfolge nicht ohne die schmerzlichsten Verluste errungen werden und mit Wehmut gedenken wir der zahlreichen gefallenen Kameraden, ein ehren­

volles Gedächtnis ihnen für alle Zeiten bewahrend.

Indem ich Euch nunmehr auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers nach

glücklich und ruhmvoll erkämpftem Frieden verlasse, spreche ich Euch allen meine höchste Anerkennung und meinen Dank aus; ich scheide von Euch —

Ihr preußischen und bayerischen Korps, Ihr Württembergischen und badischen Truppen — mit dem Wunsche und in der Zuversicht, daß die auf blutigen

Schlachtfeldem geschloffene Waffenbrüderschaft und Einigkeit nimmer zer­

reißen werde, sondem mächtig erstarke, zur Ehre, zum Ruhme und zum Segen des wiedererstandenen gemeinsamen deutschen Vaterlandes. Nancy, den 14. März 1871.

Der Oberbefehlshaber der III. Armee. Friedrich Wilhelm,

Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen.

92. Armeebefehl. Soldaten der deutschen Armee! Ich verlasse an dem heutigen Tage den Boden Frankreichs, auf welchem

dem deutschen Namen so viel neue kriegerische Ehre erwachsen, auf dem aber auch

so viel teures Blut geflossen ist.

Ein ehrenvoller Frieden ist jetzt

Deutsches Reich. 1871. gesichert und der Rückmarsch begonnen.

163

der Truppen in die Heimat hat zum Teil

Ich sage Euch Lebewohl und Ich danke Euch nochmals mit

warmem und erhobenem Herzen für alles, was Ihr in diesem Kriege durch Tapferkeit und Ausdauer geleistet habt.

Ihr kehrt mit dem stolzen Be­

wußtsein in die Heimat zurück, daß Ihr einen der größten Kriege siegreich

geschlagen habt, den die Weltgeschichte je gesehm, — daß das teuere Vater­ land vor jedem Betreten durch den Feind geschützt worden ist und daß dem Deutschen Reiche jetzt Länder wiedererobert worden sind, die es vor langer

Zeit

verloren hat.

Möge die Armee des nunmehr geeinten Deutschlands

dessen stets eingedenk sein, daß sie sich nur bei stetem Streben nach Ver­ vollkommnung auf ihrer hohen Stufe erhalten kann, dann können wir der

Zukunft getrost entgegensehen.

Nancy, den 15. März 1871.

Wilhelm.

93. Thronrede ;ur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Dienstag, den 21. März 1871. Geehrte Herren! Wenn Ich nach dem glorreichen, aber schweren Kampfe, den Deutsch­

land für seine Unabhängigkeit siegreich geführt hat, zum erstenmal den Deutschen Reichstag um Mich versammelt sehe, so drängt es Mich, vor allem

Meinem demütigen Danke gegen Gott Ausdruck zu geben für die welt­ geschichtlichen Erfolge,

mit

denen

seine

Gnade die treue Eintracht

der

deutschen Bundesgenossen, den Heldenmut und die Mannszucht unserer Heere

und die opferfreudige Hingebung des deutschen Volkes gesegnet hat. Wir haben erreicht, was seit der Zeit unserer Väter für Deutschland

erstrebt wurde: die Einheit und deren organische Gestaltung, die Sicherung

unserer Grenzen, die Unabhängigkeit unserer nationalen Rechtsentwickelung. Das Bewußtsein seiner Einheit war in dem deutschen Volke, wenn auch verhüllt, doch stets lebendig; es hat seine Hülle gesprengt in der Be-

geisterung, mit welcher die gesamte Nation sich zur Verteidigung des bedrohten Vaterlandes

erhob und in unvertilgbarer Schrift auf den Schlachtfeldern

Frankreichs ihrm Willen verzeichnete, ein einiges Volk zu sein und zu bleiben.

Der Geist, welcher in dem deutschen Volke lebt und seine Bildung und Gesittung durchdringt, nicht minder die Verfassung des Reiches und seine

Heereseinrichtungen bewahren Deutschland inmitten seiner Erfolge vor jeder

11*

Drittes Buch. 1871—1881.

164

Versuchung zum Mißbrauche seiner, durch seine Einigung gewonnenen Kraft.

Die Achtung, welche Deutschland für seine eigne Selbständigkeit in Anspruch nimmt, zollt es bereitwillig der Unabhängigkeit aller anderen Staaten und

Völker, der schwachen wie der starken.

Das neue Deutschland, wie es aus

der Feuerprobe des gegenwärtigen Krieges hervorgegangen ist, wird ein zu­

verlässiger Bürge des europäischen Friedens sein, weil es stark und selbst­ bewußt genug ist, um

ein ausschließliches,

sich die Ordnung seiner eignen Angelegenheiten als

aber auch ausreichendes und zufriedenstellendes Erbteil

zu bewahren. Es hat Mir zur besonderen Genugthuung gereicht, in

diesem Geiste

des Friedens inmitten des schweren Krieges, den wir führten, die Stimme

Deutschlands bei den Verhandlungen geltend durch die vermittelnden

zu machen, welche auf der

Bestrebungen Meines auswärtigen Amtes herbei­

geführten Konferenz in London ihren befriedigenden Abschluß gefunden haben. Der ehrenvolle Seros des ersten Deutschen Reichstags wird es zunächst

sein, die Wunden nach Möglichkeit zu heilen, welche der Krieg geschlagen hat, und den Dank des Vaterlandes denen zu bethätigen, welche den Sieg

mit ihrem Blut und Leben bezahlt haben;

gleichzeitig werden Sie, geehrte

Herren, die Arbeiten beginnen, durch welche die Organe des Deutschen Reiches zur Erfüllung der Aufgabe zusammenwirken, welche die Verfassung Ihnen stellt: „zum Schutze des in Deutschland gütigen Rechts und zur Pflege der

Wohlfahrt des dmtschen Volkes." Die Vorarbeiten für die regelmäßige Gesetzgebung haben leider durch

den Krieg Verzögerungen und Unterbrechungen erlitten; die Vorlagen, welche Ihnen zugehen werden, leiten

sich daher unmittelbar aus der neuen Ge­

staltung Deutschlands ab. Die in den einzelnen Verträgen vom November v. I. zerstreuten Ber­

fassungsbestimmungen sollen in einer neuen Redaktton der Reichsverfassung ihre geordnete Zusammenstellung und Die Beteiligung

der

ihren gleichmäßigen Ausdruck finden.

einzelnen Bundesstaaten an den laufenden Ausgaben

des Reiches bedarf der gesetzlichen Regelung.

Für die von der Königlich

bayerischen Regierung beabsichtigte Einführung norddeutscher Gesetze in Bayern

wird Ihre Mitwirkung in Anspruch

genommen werden.

Die Verfügung

über die von Frankreich zu leistende Kriegsentschädigung wird nach Maß­ gabe der Bedürfnisse des Reiches und der berechttgten Ansprüche seiner Mit­

glieder mit Ihrer Zustimmung getroffen, und die Rechenschaft über die zur Kriegführung verwandten Mittel Ihnen so schleunig vorgelegt werden, als es die Umstände gestatten.

Deutsches Reich. 1871.

165

Die Lage der für Deutschland rückerworbenen Gebiete wird eine Reihe von Maßregeln erheischen, für welche durch die Reichsgesetzgebung die Grund­ lagen zu schaffen sind.

Ein Gesetz

über die Pensionen der Offiziere und

Soldaten und über die Unterstützung ihrer Hinterbliebenen soll für das ge­ samte deutsche Heer die Ansprüche

gleichmäßig regeln, welche der gleichen

Hingebung für das Vaterland an den Dank der Nation zustehen.

Geehrte Herren, möge die Wiederherstellung des Deutschen Reiches für die deutsche Nation auch nach

innen das Wahrzeichen neuer Größe sein,

möge dem deutschen Reichskriege,

den wir so ruhmreich geführt, ein nicht

minder glorreicher Reichsfrieden folgen, und möge die Aufgabe des deutschen Volkes fortan darin beschlossen sein, sich in dem Wettkampfe um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen.

Das walte Gott!

94. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 16. Oktober 1871. Geehrte Herren! Als Ich Sie im März d. I. zum erstenmal begrüßte, hatten die Vor­

arbeiten

für die regelmäßige Gesetzgebung

und Unterbrechungen

erlitten.

durch den Krieg Verzögerungen

Ihre Thätigkeit war vorzugsweise für die­

jenigen Fragen in Anspruch zu nehmen, welche sich unmittelbar aus der

neuen Gestaltung Deutschlands herleiteten. Gegenwärtig wird die Ordnung des Reichshaushalts Ihre hauptsäch­

lichste Aufgabe sein.

Es kommt darauf an, durch Verwendung eines Teiles

der Mittel, welche wir den Erfolgen des Krieges verdanken, die einzelnen Bundesstaaten von den Vorschüssen

Zwecke des Reiches zu leisten hatten,

Verhältnis

zu entlasten, welche sie bisher für die

und auf diesem Wege ein normales

zwischen dem Haushalt des Reiches und dem Haushalt seiner

Glieder herzustellen.

Es kommt darauf an, die für Deutschland erworbenen

Gebiete mit denjenigen Einrichtungen in den Haushalt des Reiches einzu­ fügen, welche

ihnen mit dem Reiche gemeinsam sind oder ihnen von letz­

terem gewährt werden.

Es kommt darauf an, dafür Sorge zu tragen, daß

die äußere Lage der Beamten des Reiches den Anforderungen entspreche, welche im öffentlichen Interesse an sie gestellt werden müssen.

Ich hatte

gehofft, daß Ihnen auch ein Etat für die Verwaltung des deutschen Heeres,

Drittes Buch. 1871—1881.

166

wie er den dauemden Bedürfnissen desselben genügt, würde vorgelegt werden können.

Der Umfang, in welchem die durch dm Krieg veranlaßten Arbeiten

alle Kräfte der Verwaltung auch über die Dauer des Krieges hinaus in

Anspmch genommen haben, und die Umgestaltung, in welcher ein Teil des Heeres begriffen ist, haben leider die rechtzeitige Aufstellung dieses Etats Ich bin daher genötigt, Ihre Zustimmung dafür in Anspruch

verhindert. zu nehmen,

daß die Übergangszeit, welche die Reichsverfassung bis

zum

Schluß des laufenden Jahres für den Militäretat bestimmt, noch auf das kommende Jahr ausgedehnt werde.

Der Ihnen

vorzulegende Etat verlangt von den Bundesstaaten keine

höheren Beiträge für die Zwecke des Reiches, als der jetzt geltende.

Der

Haushalt des Jahres 1870 hat, ungeachtet der Wirkungen des Krieges, einen Überschuß

gelaffen, wegen dessen Verwendung Ihnen eine Gesetz­

vorlage zugeht.

Die

Ordnung

des Münzwesens,

welche

die Verfassung dem Reiche

überweist, hat seit Jahren die Sorge der Regiemngen in nommen und das Interesse des Volkes beschäftigt.

Anspruch

ge­

Ich habe den Augenblick

für gekommen gehalten, um den Grund für diese Ordnung zu legen, nach­

dem eine ganz Deutschland umfassende Regelung des Münzwesens möglich geworden

ist und die

wirtschaftlichen

günstiger waren, als jetzt. Gesetzvorlage beschäftigt,

Verhältnisse

für dieselbe

niemals

Der Bundesrat ist mit der Beratung einer

welche

zunächst

eine umlaufsfähige

Goldmünze

schaffen und die Gmndzüge eines gemeinsamen deutschen Münzwesens fest­ stellen soll. Die Sicherung

einer Eisenbahnverbindung

Italien durch die Schweiz,

zwischen Deutschland und

welche bereits in dem verflossenen Jahre von

dem norddeutschen Reichstage beschlossen wurde, wird Gegenstand Ihrer Be­

ratungen werden.

Die Regierungen und die Volksvertretungen Italiens

und der Schweiz haben die Ausfühmng dieses großen Unternehmens bereit­ willig unterstützt, und Ich bin gewiß, daß die mit demselben verbundenen

wirtschaftlichen und politischen Jntereffen von den deutschen Regiemngen

und dem Deutschen Reichstage nicht geringer werden gewürdigt werden, als

dies in den beiden andem Ländem geschehen ist. Die Gewährung einer billigen Ausgleichung für die Beschränkungen,

welchen die in den Bereich neuer oder erweiterter Festungsanlagen gezogenen Gmndstücke unterworfen werden müssen, ist von den verbündeten Regie­ mngen von neuem zum Gegenstände der Beratungen gemacht worden. Ergebnis derselben wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen.

Als

Auch der Ent-

167

Deutsches Reich. 1871.

Wurf eines Gesetzes über die Reichsbeamten wird, wie Ich hoffe, Ihnen

vorgelegt werden können.

Die von Frankreich

bisher gezahlte und in den ersten Monaten des

künftigen Jahres zu zahlende Kriegsentschädigung wird zu einem wesentlichen

Teile zur Tilgung der Anleihen verwendet werden, welche der Norddeutsche Bund für die Kriegfühnmg

Für einen Teil dieser Anleihe

gemacht hatte.

ist die Tilgung bereits erfolgt, für einen Teil bedarf sie Ihrer Zustimmung. Es wird Ihnen deshalb eine Vorlage zugehen.

Im Vertrauen auf eine stetige Fortentwickelung der inneren Zustände

Frankreichs im Sinne der Beruhigung und Befestigung habe Ich es für thunlich

gehalten, die Räumung der Departements, deren Besetzung nach

den Friedensbedingungen bis zum Mai künftigen Jahres in Aussicht ge­ nommen war,

schon jetzt eintreten zu lassen.

Die Bürgschaften, welche an

Stelle des aufgegebenen Pfandes treten, werden Sie aus dem am 12. d. M.

darüber

ersehen, und mit demselben wird Ihnen

geschlossenen Abkommen

zu Ihrer Prüfung und verfassungsmäßigen Genehmigung eine Konvention über die Zugeständnisse vorgelegt werden,

welche von Deutschland für die

zu sichernden Erleichterungen zu machen

der Industrie Elsaß-Lothringens

sein werden. Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik hat Meine Aufmerksamkeit

der Ausbildung und Befestigung des mit Frankreich neugeschlossenen Friedens um so ungeteilter gewidmet sein können, als die Beziehungen Deutschlands

zu allen auswärtigen Regierungen

friedliche und von gegenseitigem Wohl­

gerichtet, das

wollen getragene sind.

Meine Bemühungen

berechtigte Vertrauen zu

stärken, daß das neue Deutsche Reich ein zuver­

lässiger Hort des Friedens sein will.

sonders wichtige, aber Mir auch

bleiben dahin

In dieser Richtung ist cs

eine

be­

besonders willkommene Aufgabe, mit den

nächsten Nachbarn Deutschlands, den Herrschern der mächtigen Reiche, welche

dasselbe von der Ostsee bis zum Bodensee unmittelbar begrenzen, freund­ schaftliche Beziehungen von solcher Art zu pflegen, daß ihre Zuverlässigkeit auch in der öffentlichen Meinung Gedanke, daß die Begegnungen,

aller Länder außer Zweifel stehe.

Der

welche Ich in diesem Sommer mit den

Mir persönlich so nahestehenden Monarchen dieser Nachbarreiche gehabt habe, durch Kräftigung des allgemeinen Vertrauens

auf eine friedliche Zukunft

Europas, der Verwirklichung einer solchen förderlich sein werden, ist Meinem Herzen besonders wohlthuend.

Das Deutsche Reich und der österreichisch­

ungarische Kaiserstaat find durch ihre geographische Lage und ihre geschicht­ liche Entwickelung so zwingend und so mannigfaltig

auf freundnachbarliche

168

Drittes Buch. 1871—1881.

Beziehungen angewiesen, daß die Befreiung der letzteren von jeder Trübung

durch die Erinnemng an Kämpfe, welche eine unerwünschte Erbschaft tausend­

jähriger Vergangenheit waren, dem ganzen deutschen Volke zur aufrichtigen

Befriedigung gereichen wird. Daß

eine solche Befriedigung der Gesamtentwickelung des Deutschen

Reiches gegenüber von der großen Mehrheit der Nation

empfunden wird,

dafür bürgt Mir der herzliche Empfang, der Mir in Meiner dieses Reich vertretenden Stellung in

allen Gauen des großen Vaterlandes kürzlich zu

teil geworden ist und der Mich mit freudiger Genugthuung, vor allem aber mit Dank gegen Gott für den Segen erfüllt hat, der unserem gemeinsamen

redlichen Streben auch in der Zukunft nicht fehlen wird.

95. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Montag, den 27. November 1871. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Indem Ich zum erstenmal nach den großen Ereignissen der jüngsten

Vergangenheit den Landtag der Monarchie wieder Selbst begrüße, darf Ich

vor allem

der hohen Genugthuung darüber Ausdruck

Ehren und Erfolgen dieser denkwürdigen Zeit dem

so

hervorragender Anteil zugefallen ist.

geben, daß an den

preußischen Volke ein

Die Wehrkraft Preußens, deren

Ausbildung Ich seit dem Beginn Meiner Regierung

als eine der höchsten

Aufgaben Meines Königlichen Berufs erkannt habe, sowie der altpreußische

Geist sittlicher Zucht, fester Treue und patriotischer Hingebung haben eine glänzende Probe bestanden. Vertretern nochmals Meinen

Es drängt Mich,

Meinem Volke vor seinen

freudigen Dank für seine erhebende Haltung

auszusprechen.

Während dem neuerstandenen Reiche, dessen Kaiserwürde mit Meiner

und Meiner Nachfolger Krone verbunden ist, fortan die Pflege der nationalen

Macht und Sicherheit zufällt, wird sich die Vertretung des preußischen Volkes in Gemeinschaft mit Meiner Regierung um so zuversichtlicher der heilsamen

Ausbildung der inneren Einrichtungen der Monarchie widmen können. Aus dem Entwurf zum Staatshaushalts-Etat für 1872

ersehen, daß

werden Sie

die Finanzlage Preußens, ungeachtet der Opfer, welche der

gewaltige Krieg erheischt hat, eine in hohem Maße befriedigende ist.

Die Schwierigkeiten,

mit welchen die Finanzverwaltung vor einigen

169

Deutsches Reich. 1871.

Jahren zu kämpfen hatte, sind beretts im Jahre 1870 überwunden worden. Einer weiteren günstigen Entwickelung geht die Finanzlage unter der Ein­ wirkung der Kriegserfolge entgegen.

Die

durch

Reichsgesetz

geordnete

Bildung

eines

Reichskriegsschatzes

überhebt Preußen der Notwendigkeit, noch ferner einen Staatsschatz zu unterchalten.

Es werden Ihnen Gesetzentwürfe zugehen, wonach der hierdurch

verfügbar werdende Bestand des Staatsschatzes, sowie einige außerordentliche

Einnahmen zur Tilgung von Staatsschulden verwendet werden sollen.

Die in solcher Weise für den Staatshaushalt erwachsende Entlastung, ferner die mit dem lebhaften Aufschwungs des

Verkehrs Hand in Hand

gehende Steigerung der Erträge aus wichttgen Einnahmequellen des Staates,

endlich das Vorhandensein eines erheblichen Überschusses aus dem abgelau­ fenen Finanzjahre werden es möglich machen, im Jahre 1872 den Bedürf­

nissen auf allen Gebieten der Staatsverwaltung in weitem Umfange gerecht

zu werden. Vorzugsweise hat Meine Regierung der Thatsache Ihre Aufmerksamkeit

zuwenden müssen, daß die Besoldungen der Staatsbeamten in ein von Jahr

zu Jahr steigendes Mißverhältnis zu den Anforderungen getreten sind, welche bei dem Stande aller Preisverhältnisse die Befriedigung der Bedürfnisse des Lebens und der Stellung an sie richtet.

Es wird Ihnen der Plan zu einer

umfassenden Erhöhung der Beamtenbesoldungen vorgelegt werden.

traue, daß Sie bereit sein

Ich ver­

werden, durch Bewilligung der dazu nötigen

Mittel einem Zustande Abhilfe zu schaffen, aus dessen Fortdauer ernste Ge­

fahren und Schäden für die Staatsverwaltung entstehen müßten.

Sie werden Vorlagen erhalten, welche bei

einzelnen Steuern Erleich­

terungen herbeizuführen bestimmt sind, und es wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen, durch

welchen die Einrichtungen und die Befugnisse der

Ober­

rechnungskammer gesetzlich geregelt werden sollen.

Der nach dem Abschluß des Friedens cingetretene überaus lebhafte Aufschwung des Handels und der Gewerbe

erheischt die Herstellung neuer

Verkehrswege, insbesondere eine weitere Ausbildung der Eisenbahnen.

Bau einiger

Der

als notwendig erkannten Bahnen für Rechnung des Staates

und eine Vermehrung des Betriebsmaterials auf den Staatsbahnen ist in Aussicht genommen, ebenso

die Gewähmng reichlicherer Mittel für Land-

und Wasserwege und für Landesmeliorationen aller Art. Wiederholt werden Ihnen Vorlagen über den Erwerb des Gmndeigentums und über das Hypothekenrecht gemacht werden.

Finanzlage

Nachdem die

es gestattet hat, die Kostenansätze für die Geschäfte bei dem

170

Drittes Buch. 1871—1881.

Grundbuche zu ermäßigen, ist zu hoffen, daß es jetzt gelingen werde, diese wichtige, seit lange angestrebte Reform nunmehr zum Abschluß zu bringen.

Die Aufgaben der innern Berwaltungsreform werden erneut den Gegen­ stand Ihrer Beratungen bilden.

Es wird Ihnen der Entwurf der Kreis­

ordnung für die östlichen Provinzen, nachdem derselbe mit Rücksicht auf die

früheren Erörterungen in mehreren Teilen Abänderungen und Ergänzungen

erhallen hat, wieder vorgelegt werden.

Hoffnung hin, daß es dem

Meine Regierung giebt sich der

gemeinsamen ernsten Willen gelingen werde,

über das wichtige Organisationsgesetz, welches zugleich die Grundlagen weiterer Reformen enthält, zur Verständigung zu gelangen.

Inzwischen ist die kommunale Selbstverwaltung der Provinzen in einer erfreulich fortschreitenden Entwickelung begriffen; die zur Führung einer ein­

heitlichen Verwaltung der provinziellen Angelegenheiten

geeigneten Organe

sind auf Grund der bestehenden Gesetze bereits in der Mehrzahl der Pro­

vinzen geschaffen. Gegenüber den Bewegungen, welche auf dem Gebiete der Kirche statt­

gefunden haben,

hält Meine Regierung daran fest, der Staatsgewalt ihre

volle Selbständigkeit in Bezug auf die Handhabung des Rechts und der

bürgerlichen Ordnung zu wahren und zugleich neben der berechllgten Selb-

ständigkell

der Kirchen und Religionsgesellschasten die Glaubens- und Ge­

wissensfreiheit der Einzelnen zu schützen.

Behufs verfaffungsmäßiger Durch­

führung dieser Grundsätze werden Ihnen besondere Vorlagen zugehen, welche die Eheschließung, die Regelung der Zivilstandsverhältnisse und die recht­ lichen Wirkungen des Austritts aus der Kirche zum Gegenstand haben.

Einen Gesetzentwurf, betr. die Aufbringung der Synodalkosten, empfehle

Ich Ihrer Aufmerksamkeit um so mehr, als

der Staat der evangelischen

Kirche noch immer die Ausführung des Arttkel 15 der Verfassungsurkunde,

verbunden mit den dazu nötigen Einrichtungen, schuldet und dieses Gesetz

nur eine notwendige Vorbedingung dazu ist. Auf dem Gebiete des

öffentlichen Unterrichts wird die Verwendung

sehr beträchtlicher Mittel in Anspruch genommen, um viele

bisher zurück­

gestellte Bedürfniffe nunmehr zu befriedigen. Die von der Verfassungsurkunde geforderte Vorlage eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes wird auch in dieser Session erneuert werden, nachdem die

bei bei den früheren Beratungen stattgehabten Erwägungen und die Erfahrungen der letzten Jahre bei der Revision des Entwurfs eingehende Be­

rücksichtigung gefunden haben.

Ein Spezialgesetz über die Beaufsichttgung

Deutsches Reich. 1872.

171

der Schulen bezweckt die beschleunigte Abhilfe eines als vorzugsweise dringend

erkannten Bedürfnisses.

Meine Herren!

Die Aufgaben, welche Ihrer harren, sind umfassend

und von hoher Bedeutung für die Entwickelung

unserer inneren Zustände.

Ihre Arbeiten werden segensreich sein, wenn sie von dem Geiste des Ver­

trauens und willigen Zusammenwirkens geleitet werden, welcher Mein Volk

in der jüngsten großen Zeit erfüllt hat.

96.

Rede zur Eröffnung des ventschrn Reichstage, Montag, den 8. April 1872').

Geehrte Herren! Ihre Thätigkeit wird in der bevorstehenden Session in erster Linie

durch die Fortführung der

im Vorjahre begonnenen gesetzlichen Regelung

und Ausbildung der gemeinschaftlichen Einrichtungen des

Reiches

in An­

spruch genommen werden.

Durch ein Gesetz über die Einrichtung und

die Befugnisse des Rech­

nungshofes soll die Kontrolle der Erhebung und der Verwendung der Ein­ nahmen des Reiches definitiv

geordnet und die Behörde,

welche mit der

Handhabung dieser Kontrolle sowie mit der Vorbereitung der durch den

Bundesrat und den Reichstag auszusprechenden Entlastung zu betrauen ist, mit den dazu erforderlichen Befugnissen ausgestattet werden.

Der Entwurf eines Militärstrafgcsetzbuches für das Deutsche Reich wird Ihnen vorgelegt werden, um die Einheitlichkeit der Heereseinrichtungen auf dem Gebiete des Strafrechts zum Abschluß zu bringen und der bereits ge­ wonnenen Einheit des Strafrechts für das bürgerliche Leben, den vom Reichs­

tage geäußerten Wünschen entsprechend, als Ergänzung hinzuzutreten.

Der Entwurf eines zur Regelung der Verhältnisse der Reichsbeamten bestimmten Gesetzes, welcher dem Reichstage bereits vorgelegen hat, ist unter Beachtung des Gutachtens der Kommission des Reichstags und der inzwischen

eingetretenen

politischen Veränderungen

einer neuen Prüfung

unterzogen

worden und wird in der danach veränderten Gestalt Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden.

Die einheitliche Regelung der Bierbesteuerung innerhalb der Gebiete,

’) Verlesen vom Reichskanzler Fürsten von Bismarck.

172

Drittes Buch. 1871—1881.

welchen die Abgabe von Bier gemeinschaftlich ist, hat Ihre Thätigkeit schon

mehrfach in Anspruch genommen, ohne daß es bis dahin gelungen wäre,

die derselben entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Eine Ihnen

zugehende Gesetzvorlage wegen der Erhebung der Brau­

steuer im Deutschen Reiche hat den Zweck, diese Aufgabe zu lösen und zu­

gleich durch Mitbesteuerung der Malzsurrogate eine dem Interesse der Finanzen sowohl wie des Verbrauchs entsprechende Reform der Braumalzsteuer durch­

zuführen. Die erfreuliche Steigemng des Verkehrs und Verbrauchs hat die Mög­

lichkeit geboten, in dem Ihnen vorzulegenden Reichshaushalts-Etat für das Jahr 1873

die Einnahme aus

den gemeinschaftlichen Verbrauchsabgaben

und die Überschüsse der Postverwaltung unter Beachtung der bewährten Grundsätze vorsichtiger Veranschlagung höher auszubringen, so daß trotz des

in

verschiedenen Zweigen der Ausgabeverwaltung hervorgetretenen Mehr­

bedarfs eine Verminderung der Matrikularbeiträge in Aussicht zu nehmen ist.

Ein Nachtrag zum Reichshaushalts-Etat für das Jahr 1872

ist be­

stimmt, neben der Befriedigung einiger anderer nachträglich hervorgetretener

Bedürfnisse, die Mittel zur Begründung eines statistischen Amtes aufzubringen,

welches im stände sein würde, durch einheitliche wissenschaftliche Bearbeitung der Ergebnisse statistischer Erhebungen im Reiche der Gesetzgebung und Ver­ waltung, sowie der wissenschaftlichen Erkenntnis der staatlichen und gesell­ schaftlichen Zustände wesentliche Dienste zu leisten.

Die Verwaltung des Jahres 1871

hat

erhebliche finanzielle Über-

schüffe sowohl bei den Steuern als auch bei der Postverwaltung ergeben. Über die Verwendung derselben wird Ihnen ebenso wie über die gesetzliche Regelung der Verwendung und Verteilung der

französischen Kriegsentschä­

digung eine Vorlage zugehen. Über die durch den Krieg mit Frankreich veranlaßten Ausgaben der

Staaten des

wird Ihnen, den Bestim­

vormaligen Norddeutschen Bundes

mungen der in den Jahren 1870 und 1871

erlassenen Kreditgesetze ent­

sprechend, ein Rechenschaftsbericht erstattet werden.

Die mit der Regierung des Königreichs Portugal seit Jahren ge­ pflogenen Verhandlungen haben

am

2. März d. I. zum Abschluß eines

Vertrags geführt, welcher nach dem Vorbilde der mit anderen Staaten ab­ geschlossenen Handels- und Schiffahrtsverträge die gegenseitigen Verkehrs­

beziehungen

auf

wie zu hoffen,

dem

Fuße

der meistbegünstigten

die Grundlage

für die

Nationen

regell

und,

Anknüpfung intimerer und aus-

Deutsches Reich.

gedehnterer Handelsverbindungen

1872.

173

zwischen Deutschland und Portugal bilden

Der Vertrag wird Ihnen zur Genehmigung vorgelegt werden.

wird.

Ebenso

eine mit den Bereinigten Staaten von Amerika abgeschlossene

Konsularkonvention und ein mit Frankreich abgeschlossener Postvertrag, welcher

die gegenseitigen postalischen Beziehungen unter Berücksichtigung der Bedürf­

nisse des in stetem Wachstum begriffenen Korrespondenzverkehrs regelt. Die Neuordnung und Befestigung der Verhältnisse von Elsaß-Lothringen schreitet in erwünschter Weise vor.

Die Schäden des Krieges gehen mit

Hilfe der Unterstützung, welche nach dem Gesetz vom 14. Juni 1871 aus Reichsmitteln gewährt werden darf, allmählich der Heilung entgegen.

Die

Gmndlagen für die deutsche Verwaltung sind gelegt, die Rechtspflege ist gesichert und

treten.

die Universität Straßburg

soll am 1. Mai d. I. ins Leben

Für den außerordentlichen Aufwand,

welchen die Einrichtung der

damit zu verbindenden wissenschaftlichen Institute erheischt, wird auf die Hilfe des Reiches gerechnet werden dürfen. Eine Übersicht der bisher er­

lassenen Gesetze und allgemeinen Anordnungen, sowie über den Gang der Verwaltung des Landes wird, entsprechend der Vorschrift des Gesetzes vom

9. Juni v. I., Ihnen zugehen. Sie werden, geehrte Herren, die Befriedigung teilen, mit welcher die ver­

bündeten Regiemngen auf die Ergebnisse des ersten Jahres des neubegründeten Deutschen Reiches zurückblicken und der femeren staatlichen und nationalen Ent­ wickelung unserer inneren Einrichtungen mit freudiger Zuversicht näher treten.

Mit derselben Genugthuung werden Sie die Versicherung entgegen­ nehmen, daß es der Politik Sr. Majestät des Kaisers und Königs gelungen

ist, bei allen auswärtigen Regierungen das Vertrauen zu erhalten und zu befestigen, daß die Macht, welche Deutschland durch seine Einigung

zum

Reiche gewonnen hat, nicht nur dem Vaterlande eine sichere Schutzwehr,

sondern auch dem Frieden Europas eine starke Bürgschaft gewährt.

97. Rede zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, dm 12. November 1872.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich') zu beauftragen ge­

ruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen. *) Staats- und Kriegsminister Gras v. Roon.

Drittes Buch. 1871—1881.

174

.

Da die Hoffnung gescheitert ist, die Reform der Kreisverfaffungen,

nach Wiederaufnahme der im Juni vertagten Session, zum Abschluß zu

bringen, hat die Regierung Sr. Majestät es für geboten erachtet, die in

dieser Beziehung fruchtlos gebliebene Session zu schließen, um in einer neuen jene wichtige und dringende Aufgabe zur Lösung

zu bringen und Ihnen

neben denjenigen Gesetzentwürfen, welche Ihnen bereits in der eben ver-

floffenen Session zugegangm sind, andere gesetzgeberische Aufgaben von Be­ deutung zu unterbreiten.

Sie wissen bereits aus der früheren Vorlage des Staatshaushalts-Etats

für 1873, daß die Finanzlage Preußens

eine durchaus befriedigende ist,

daß nicht allein die Mittel vorhanden sind, um den auf dem Gebiete der

gesamten Staatsverwaltung hervorgetretenen Ausgabebedürfniffen in weitem Umfange gerecht zu werden, sondem auch, um erhebliche Summen zur Bil­

dung von Provinzialfonds, zur Gewährung an

Staatsbeamte und zur außerordentlichen

von Wohnungsgelderzuschüffen

Tilgung

von Staatsschulden

zur Verfügung zu stellen. Zugleich gestattet die Finanzlage,

an der

Absicht festzuhalten, den

weniger wohlhabenden Einwohnerklassen eine umfassende Steuererleichterung zu teil werden zu lassen: ein Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes vom 1. Mai 1851, betr. die Einfühmng einer Klaffen- und klassifizierten

Einkommensteuer, wird Ihnen unverzüglich zugehen. Es

werden Ihnen Vorlagen

gemacht werden, welche bestimmt sind,

die Beziehungen des Staates zu den Religionsgesellschaften nach verschiedenen Richtungen hin klarzustellen.

Vor allem werden Sie wiederum mit der Umgestaltung der bisherigen

Kreiseinrichtungen befaßt werden. Die Regierung Sr. Majestät ist fest durchdrungen von der Notwendig­ keit, die Reform, deren Ausfühmng durch die Bereitstellung der dazu er­ forderlichen Geldmittel erleichtert wird, als Grundlage der Lösung mannig­

facher anderer Aufgaben des Staates ins Leben zu rufen. Es wird Ihnen ein Entwurf der Kreisordnung vorgelegt werden, in

welchem unter Festhaltung der wesentlichen Grundlagen des früheren Ent­ wurfs eine Reihe von solchen Verändemngen vorgeschlagen ist, deren Not­ wendigkeit oder Zweckmäßigkeit sich aus den bisher stattgefundenen eingehenden

Beratungen ergeben hat.

Die Regierung Sr. Majestät hofft zuversichtlich, eine allseitige Ver­ einbarung über diesen Entwurf zu erreichen und ist entschlossen, die Durch-

Deutsches Reich. 1873.

175

führung der bedeutsamen Aufgabe durch alle Mittel, welche die Verfassung

der Monarchie an die Hand giebt, zu sichern. Im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet.

98.

Thronrede ;«r Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 12. März 1873.

Geehrte Herren! Im Namen der verbündeten Regierungen heiße Ich Sie zur letzten

Session der Legislaturperiode willkommen. Während dreier Sessionen haben Sie in Gemeinschaft mit dem Bundes­

rate eine doppelte Aufgabe zu bildung

der durch

erfüllen gehabt, die Befestigung und Aus­

die Reichsverfassung geschaffenen Institutionen und die

Ordnung und Regelung der durch einen großen Krieg herbeigeführten außer­

ordentlichen Verhältnisse. wiedemm

in Anspruch

In beiden Beziehungen wird Ihre Thätigkeit

genommen werden, teils für den Abschluß der in

ihren Grundlagen bereits festgestellten, teils für die Schöpfung neuer Ein­

richtungen. Das Eigentumsverhältnis an den aus den Verwaltungen der einzelnen Bundesstaaten an die Reichsverwaltung übergegangenen Grundstücken bedarf der gesetzlichen Regelung, um die immer mehr hervortretenden Schwierig­ keiten zu beseitigen, welche von der über diesem Verhältnis ruhenden Un­ klarheit unzertrennlich sind.

Das deutsche Festungssystem erheischt eine Umgestaltung, welche, indem sie die Verteidigungsfähigkeit

der großen Waffenplätze erhöht, den Verzicht

auf die Erhaltung anderer Befestigungen gestattet.

Die Ansprüche, welche

den Invaliden aus dem letzten Kriege und deren Hinterbliebenen gesetzlich

zustehen, erfordern

Einrichtungen, welche Gewähr dafür leisten, daß die

Deckung dieser Ansprüche aus der Kriegsentschädigung bestritten werden wird,

ohne auf die regelmäßigen Einnahmen des Reiches zurückzugehen. Der vor sechs Jahren für die Entwickelung der Kriegsmarine fest­

gestellte, seiner Ausführung nahegebrachte Plan wird in Betracht der seitdem eingetretenen Verhältnisse und gewonnenen Erfahrungen einer, in Ihrer letzten

Session auch von Ihnen angeregten Umgestaltung zu unterwerfen sein.

Drittes Buch. 1871—1881.

176

Ein allgemeines Militärgesetz ist in der Verfassung verheißm und durch

die Erweitemng des deutschen Heeres

zu einer Notwendigkeit geworden.

Auf der Gmndlage des Gesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienste und der erprobten Einrichtungen der Armee wird es

der Wehrkraft der

Nation die Ausbildung sichern, um welche uns das Ausland beneidet, und welche die Bürgschaft dafür bietet,

daß Deutschland

sich in Frieden der

geistigem und wirtschaftlichem Gebiete erwirbt.

Güter erfreue, die es auf

Die Leistungen, welche vom Lande im Falle eines Krieges zu fordern, und

die Grundsätze, nach welchen diese Leistungen zu vergüten sind, werden eben­ falls, unter Beachtung der im letzten Kriege gemachten Erfahmngen, neu

und gleichmäßig zu ordnen sein. Durch die Beschlüsse in Ihrer vorletzten Session haben Sie die äußere

Lage der Reichsbeamten günstiger gestaltet.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß

die damals von Ihnen verlangten und bereitwillig gewährten Bewilligungen

nicht ausreichen, um das Einkommen der Beamten so zu regeln, wie das öffentliche Interesse

gleicher Dringlichkeit Unteroffiziere.

es

erfordert.

Dieselben Erfahmngen

eine Verbessemng des Einkommens

erheischen

mit

der Offiziere und

Die günstige Lage der Einnahmen des Reiches wird es ge­

statten, diese Zwecke

ohne Erhöhung der Matrikularbeiträge zu erreichen.

Um so mehr vertraue Ich, daß den Vorlagen, welche für diese Zwecke nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats

Ihnen zugehen werden, Ihre Ge­

nehmigung nicht fehlen wird. Die in Ihrer Gmndlage festgestellte Neugestaltung des deutschen Münz­

wesens soll durch einen Ihnen Abschluß erhalten.

zugehenden Gesetzentwurf ihren

endgiltigen

Für die Befördemng von Palleten und Wertsendungen

durch die Post wird Ihnen ein neuer Tarif vorgelegt werden, welcher den

doppelten Zweck hat,

die bestehenden Sätze wesmtlich

zu vereinfachen und

in den meisten Fällen erheblich zu ermäßigen. Infolge der während Ihrer letzten Session über die Salzsteuer statt­

gefundenen Verhandlungen

hat der Bundesrat eine eingehende Erörtemng

der Frage eingeleitet, auf welchem Wege

die bei Aufhebung dieser Steuer

ausfallende Einnahme anderweit zu beschaffen sei. ihrem Abschluß nahe, und

Diese Erörtemng ist

eS wird ihr Ergebnis einen Gegenstand Ihrer

Beratungen bilden.

Wenige Tage nach dem Schluß Ihrer letzten Session wurde mit Frank­ reich eine Übereinkunft getroffen, welche die Fristen für die Zahlung des letzten Teiles der Kriegskostenensschädigung und im Zusammenhänge damit

für die Räumung der von unseren Tmppen besetzten Gebietsteile regelt.

Deutsches Reich.

177

1873.

Die Ihnen über diese Übereinkunft und deren Ausführung

zu machenden

Mitteilungen werden zeigen, daß Frankreich mit seinen Zahlungen den ver­

abredeten Terminen weit vorausgeeilt und daß daher der Zeitpunkt gekommen ist, um die in dem vorjährigen Gesetze über die Kriegskostenentschädigung

noch vorbehaltenen Fragen zu entscheiden.

Auch über diese Fragen werden

Ihnen Vorlagen gemacht werden.

Das von Mir int vergangenen Jahre an dieser Stelle ausgesprochene Vertrauen auf eine Entwickelung der innern Zustände Frankreichs im Sinne der Beruhigung und der wirtschaftlichen Fortschritte ist nicht getäuscht worden.

Ich begründe hierauf die Hoffnung, daß der Augenblick nicht mehr fem

sein werde, wo die vollständige Abwickelung unserer finanziellen Auseinander­ setzung mit der französischen Regierung

die gänzliche Räumung des fran­

zösischen Gebietes früher, als in Aussicht genommen war, herbeifiihren wird. Die Beziehungen des Reiches zu allen

auswättigen Staaten recht-

ferttgen das volle Vertrauen, mit welchem Ich auf die Erhaltting und die

fortschreitende Befestigung

des

Friedens

rechne.

Dieses

Mein Vertrauen

schöpft seine volle Berechtigung aus Meinen freundschaftlichen Beziehungen zu den Herrschern der mächtigen Nachbarreiche Deutschlands,

Bestätigung und Bekräftigung durch

welche ihre

den Besuch erhalten haben, der Mir

von feiten der Mir so nahe befreundeten mächtigen Monarchen vor wenig Monaten zu teil geworden ist.

Diese den

Frieden

verbürgenden Beziehungen

zu

unsern Nachbam

zu pflegen werde Ich fortgesetzt als Meine erwünschte und mit Gottes Hilfe erfüllbare Ausgabe ansehen.

99. Rede ;«m Schluß des Landtags, Dienstag, den 20. Mai 1873 *).

Erlauchte, edle und geehtte Herren von beiden Häusern des Landtags I Mit dem von Sr. Majestät dem Kaiser und König befohlenen Schluß

des Landtags der Monarchie erreicht die gegenwärtige Session ihr Ende. Wir können auf dieselbe mit großer Genugthuung blicken.

Reich an mühsamer Arbeit, aber auch

an wertvollen Resultaten auf

fast allen Gebieten der Gesetzgebung, nimmt sie einen hervorragenden Platz in der Reihe der Sessionen des preußischen Landtags ein. *) Verlesen von dem Präsidenten des Staats-Ministeriums, Grafen v. Roon.

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

12

Drittes Buch. 1871-1881.

178 Die Reform

der innern Verwaltung, feit Jahren erstrebt, aber durch

tiefgehende Meinungskämpfe aufgehalten, ist in ihrem legenden Teile zum Abschluß gelangt.

ersten und

gmnd-

Schon jetzt scheint sich die Erwartung

zu erfüllen, daß bei der Ausfühmng derselben die zuvor streitenden Kräfte

gemeinsam und patriotisch Hand anlegen werden, um das Werk segenbringend für das Land zu gestalten.

Nicht minder lebhafte Kämpfe haben die Beratungen

wichtiger Gesetze

begleitet, durch welche die Beziehungen des Staates zu den großen Kirchen­ gemeinschaften klarer und fester als

bisher geregelt worden sind; die Re-

giemng Sr. Majestät beharrt in dem festen Vertrauen, daß

diese Gesetze

den wahren Frieden unter den Angehörigen der verschiedenen Bekenntnisse

fördern und die Kirche dahin führen werden,

dem lauteren Dienste des

göttlichen Wortes allein ihre Kräfte zu weihen. Dank der glücklichen Finanzlage des Staates und der Bereitwilligkeit der Häuser des Landtags

ist durch den Staatshaushalts-Etat den Bedürf­

nissen der Bevölkemng und der Verwaltung nach allen Seiten hin reichere Befriedigung als seither gewährt worden. der Klassensteuer, die anderwcite

Die Gesetze über die Umgestaltung

Regelung der Erbschastsstcner und die

neben einer

Aushebung oder Ermäßigung gewisser Stempelabgaben werden,

beträchtlichen Erleichterung namentlich der weniger bemittelten Bevölkerungs­

schichten, eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten sichern. Durch die erhebliche Verbesserung der Lage der Staatsbeamten gewinnt

die ersprießliche Entwickelung des Staatswesens eine erneute Bürgschaft. Die von Ihnen der Staatsregiemng erteilte Ermächtigung zur Aus­ führung einer umfassenden Erweiterung des Eisenbahnnetzes

wird dem in

erfreulichem Aufschwünge begriffenen Verkehrsleben und der Verteidigungs­

fähigkeit des Landes in allen seinen Teilen zu statten kommen. Meine Herren!

Die gegenwärtige Session ist voraussichtlich die letzte

einer Legislaturperiode, welche inmitten einer denkwürdigen,

und

Deutschland

für Preußen

hochbedeutungsvollen Zeit begann und welcher es Vor­

behalten war, die reichen Erfolge und Früchte jener Epoche auch

besonderen Aufgaben der preußischen Monarchie zu verwerten.

für die

Wenn die

Arbeiten dieser Legislatur auf allen Gebieten der Gesetzgebung einen erfolg­

reichen Verlauf gehabt haben, so

trauensvollen Zusammenwirkens

ist

dies vor allem dem Geist des ver­

zwischen Staatsregierung und Landesver­

tretung zu danken, welcher durch die erhebenden Ereignisse jener gewaltigen

Zeit mächtig belebt und gestärkt worden ist. Je erfreulicher die Früchte sind, welche das Walten dieses Geistes in

Deutsches Reich. 1873.

179

der nunmehr beendigten Legislaturperiode gebracht hat, desto berechtigter ist

die Hoffnung, daß das preußische Volk bei den bevorstehenden Wahlen der künftigen Landesvertretung

lassen werde,

von demselben patriotischen Sinne leiten

sich

von dem Sinne fester und vertrauensvoller Gemeinschaft mit

der Regierung Sr. Majestät zur allseitigen Förderung des wahren Wohles

und Gedeihens unseres Vaterlandes. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers, unseres Aller­ gnädigsten Königs und Herrn, erkläre ich

die Session des Landtags der

Monarchie für geschlossen.

100.

Worte des Kaisers bei der Festtafel;u Ehren der Enthüllung des Siegesdenkmals. Dienstag, den 2. September 1873.

Am Denkmal auf dem Kreuzberge treten uns

„Den

Gefallenen zum

künftigen

die Worte

entgegen:

Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den

Geschlechtern zur Nacheiferung".

Kriege werden nicht geführt,

große Opfer.

Die letzten Kriege haben deren

nur zu schwere und schmerzliche gefordert.

Den Gefallenen im Stillen unser

Siege nicht errungen ohne

erster Trunk! — Während des

segensreichen Friedens eines halben Jahr­

hunderts ist in Preußen die Anerkennung der ruhmreichen Thaten der Be­ freiungskriege nie erloschen.

Diese Erinnerung hat in

jungen Generation wiedergetönt und

zu den Waffen zu greifen.

sorglich und liebend gepflegt. Mit- und Nachwelt,

Erfüllung

den

Herzen

der

gehoben, als es galt, von neuem

Sie hat die Armee

Sie hat die Opfcrfreudigkeit des erhebenster Art in

sie

Volles

gestählt zu neuen Siegen.

belebt und geschlagene Wunden

So ist jene Mahnung zur Nacheiferung in

gegangen.

Die Siegessäule verkündet der

was Hingebung und Ausdauer

vermögen.

In Ver­

bindung mit unsern treuen Verbündeten im letzten glorreichen Kriege schritten wir von Siegen zu Siegen, welche Gottes gnadenreicher Wille uns

be­

scheiden wollte, bis zur Einigung Deutschlands im neuen Kaiserreiche.

So

leere Ich denn Mein Glas zum Danke dem opferwilligen Volke, zum Danke

Meinen

hohen Verbündeten und zum Danke für unsere ruhmreiche Armee.

Dritte- Buch. 1871—1881.

180

101. Schreiben Kaiser Wilhelms an Papst Pins IX. Berlin, den 3. September 1873.

Ich bin erfreut, daß Eure Heiligkeit Mir, wie in früheren Zeiten, die Ehre erweisen, Mir zu schreiben; Ich bin es um so mehr, als Mir dadurch

die Gelegenheit zu teil wird, Irrtümer zu berichtigen,

welche nach Inhalt

des Schreibens Eurer Heiligkeit vom 7. August in den Ihnen über deutsche Verhältnisse zugegangenen Meldungen vorgekommen sein müssen.

Wenn die

Berichte, welche Eurer Heiligkeit über deutsche Verhältnisse erstattet werden,

nur Wahrheit meldeten,

so wäre es nicht möglich, daß Ew. Heiligkeit der

Vermutung Raum geben könnten, daß Meine Regierung Bahnen einschlüge, welche Ich nicht billigte.

Nach

der Verfassung Meiner Staaten kann ein

solcher Fall nicht eintreten, da die Gesetze und Regierungsmaßregeln in Preußen Meiner landesherrlichen Zustimmung bedürfen.

Zu Meinem tiefen Schmerze hat ein Teil Meiner katholischen Unter­ thanen seit zwei Jahren

eine

politische Partei organisiert,

welche den in

Preußen seit Jahrhunderten bestehenden konfessionellen Frieden durch staats­

feindliche Umtriebe zu stören sucht.

Leider haben höhere katholische Geist­

liche diese Bewegung nicht nur gebilligt, sondern sich ihr bis zur offnen

Auflehnung gegen die bestehenden Landesgesetze angeschlossen.

Der Wahrnehmung Ew. Heiligkeit wird nicht entgangen sein, daß ähn­

liche Erscheinungen sich gegenwärtig in der Mehrzahl der europäischem und und in einigen überseeischen Staaten wiederholen. Es ist nicht Meine Aufgabe, die Ursachen zu untersuchen, durch welche Priester und Gläubige einer der christlichen Konfessionen bewogen werden können, den Feinden jeder staatlichen Ordnung in Bekämpfung der letzteren

behilflich zu sein; wohl aber ist es Meine Aufgabe, in den Staaten, deren Regierung Mir von Gott anvertraut ist, den innern. Frieden

und das Ansehen der Gesetze zu wahren.

zu schützen

Ich bin Mir bewußt, daß Ich

über Erfüllung dieser Meiner Königlichen Pflicht Gott Rechenschaft schuldig bin, und Ich werde Ordnung und Gesetz in Meinen Staaten jeder An­

fechtung gegenüber aufrechthalten, so lange Gott Mir die Macht dazu ver­

leiht; Ich bin als christlicher Monarch dazu verpflichtet, auch da, wo Ich zu Meinem Schmerze diesen Königlichen Beruf gegen die Diener einer Kirche zu erfüllen habe, von der Ich annehme, daß sie nicht minder wie die evan­

gelische Kirche, das Gebot des Gehorsams gegen die weltliche Obrigkeit als einen Ausfluß des uns geoffenbarten göttlichen Willens erkennt.

Deutsches Reich.

Zu Meinem

Schauern verleugnen

1873.

181

viele der Ew.

Heiligkeit unter­

worfenen Geistlichen in Preußen die christliche Lehre in dieser Richtung und

setzen Meine Regiemng in die Notwendigkeit, gestützt auf die große Mehr­ zahl Meiner treuen katholischen und evangelischen Unterthanen, die Befolgung der Landesgesetze durch weltliche Mittel zu erzwingen.

Ich gebe mich gern der Hoffnung hin, daß Ew. Heiligkeit, wenn von

der wahren Lage der Dinge unterrichtet, Ihre Autorität werden anwenden wollen, um der unter bedauerlicher Entstellung der Wahrheit und unter Mißbrauch des priesterlichen Ansehens betriebenen Agitation ein Ende zu

machen.

Die Religion Jesu Christi hat, wie Ich Ew. Heiligkeit vor Gott

bezeuge, mit diesen Umtrieben nichts zu thun,

auch nicht die Wahrheit, zu

deren von Ew. Heiligkeit angerufenen Panier Ich Mich rückhaltlos bekenne. Noch eine Äußerung in dem Schreiben Ew. Heiligkeit kann Ich nicht ohne Widerspruch übergehen, wenn sie auch nicht auf irrigen Berichterstattungen,

sondern

auf Ew. Heiligkeit Glauben beruht, die Äußerung nämlich, daß

jeder der die Taufe empfangen hat, dem Papst angehöre.

Der evangelische

Glaube, zu dem Ich Mich, wie Ew. Heiligkeit bekannt sein muß, gleich Meinen

Vorfahren und mit der Mehrheit Meiner Unterthanen bekenne, gestattet uns

nicht, in dem Verhältnis zu Gott einen andern Vermittler als unfern Herrn Jesum Christum anzunehmen.

Diese Verschiedenheit des Glaubens hält Mich nicht ab, mit denen, welche den unsern nicht teilen, in Frieden zu leben und Ew. Heiligkeit den Ausdruck Meiner persönlichen Ergebenheit und Verehrung darzubringen.

Wilhelm.

102.

Rede ?ur Eröffnung des Landtags, Mittwoch, bett 12. November 1873.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Se. Majestät der Kaiser und König haben mir1)

den Auftrag zu

erteilen geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu

eröffnen.

Se. Majestät bedauern lebhaft, diesen bedeutungsvollen Akt nicht Aller­

höchstselbst vollziehen zu können, um so mehr, als das Haus der Abge­ ordneten aus neuen Wahlen hervorgegangen ist.

Namens Sr.

Majestät

*) Viecpräsident des Staats-Ministeriums, Staats« und Finanzminister Camphausen.

Drittes Buch. 1871-1881.

182

spreche ich den Wunsch und die Hoffnung aus, daß der Staatsregierung,

bei der weiteren Führung ihrer wichtigen Aufgaben die vertrauensvolle Unter­ stützung des Landtags nicht fehlen und der Ernst und die Gemeinschaft des Strebens zur Quelle segensreicher Entwickelung der Staatseinrichtungen werde.

In der Stimmung, welche bei den jüngsten Wahlen entscheidend gewaltet hat, glaubt die Regierung Sr. Majestät den Ausdruck

der Billigung der

in der Gesetzgebung betretenen Bahnen finden zu dürfen; sie ist entschlossen,

diese Bahnen ruhig und fest weiter zu verfolgen. Aus dem Entwürfe zum Staatshaushalts-Etat für 1874 werden Sie

ersehen, daß die Finanzlage Preußens eine durchaus befriedigende ist.

Die Staatsschuld ist durch die Finanzlage der letzten Jahre beträchtlich vermindert worden.

Ein erheblicher Überschuß

Finanzjahre zur Verfügung. der untersten Bolksklassen

steht aus dem abgelaufenen

Durch die Erleichterung in den Steuerleistungen wird

allerdings mit dem nächsten Jahre ein

Ausfall in den Einnahmen eintreten, und weiter führt die Steigerung der

Arbeitslöhne und des Preises fast aller Materialien zu einem Anwachsen der Ausgaben, welches bei wichtigen Zweigen des Staatseinkommens die

Erträge schmälert.

Gleichwohl lassen die zur Verfügung stehenden Mittel cs zu, auch für

das Jahr" 1874 den hervorgetretenen

erweiterten Bedürfniffen auf allen

Gebieten der Staatsverwaltung in reichem Maße gerecht zu werden.

Insbesondere wird

es möglich sein, große Summen für die Ver­

besserung der dem allgemeinen Verkehre dienenden Anstalten bereit zu stellen,

namentlich auch die Regulierung der schiffbaren Ströme und die Eröffnung neuer Wasserstraßen kräftig zu fördern.

Der Bericht der Spezialuntersuchungskommission für das EisenbahnKonzessionswesen, welche von Sr. Majestät unter Mitwirkung der beiden Häuser des Landtags niedergesetzt war,

wird Ihnen unverweilt vorgelegt

werden, auch ist ein Gesetzentwurf vorbereitet, um die erkannten Uebelstände

bei dem Konzessionswesen zu beseitigm. Nachdem eigentum

eine

der vorigen Legislatur in den Gesetzen über das Grund­ wichtige

Reform

gelungen

ist,

wartet Ihrer

eine

nicht

minder große Aufgabe in der Berathung des Entwurfs einer Bormundschastsordnung.

Wiederholt wird Ihnen eine Vorlage über die Enteignung des Gmndeigentums zugehen. Bei der Ausführung der Kreisordnung für 5 der östlichen Provinzen

ist die von der Regierung Sr. Majestät früher ausgesprochene Zuversicht,

183

Deutsches Reich. 1873.

daß die zuvor streitenden Kräfte gemeinsam und patriotisch Hand anlegen

würden, um das Werk segenbringend

getäuscht worden.

Nachdem

zu gestalten, nicht

für das Land

die Arbeiten dem Abschlüsse soweit entgegen­

geführt sind, daß die neuen Organe der Selbstverwaltung mit dem Beginne des nächsten Jahres überall werden in Thätigkeit treten können,

wird die

Staatsregierung Ihnen in der gegenwärtigen Session weitere Gesetzentwürfe

vorlegen, welche die Reform der innern Verwaltung auch in den höheren

nach denselben

Instanzen

Grundsätzen

zur Ausführung

zu bringen

be­

stimmt sind.

Die in der letzten Session beratenen Gesetze, nach

welchen die Be­

ziehungen des Staates zu den großen Kirchengemeinschasten klarer und fester als zuvor geregelt worden sind, haben zum Bedauem der Staatsregierung

bei den Bischöfen der römisch-katholischen Kirche einen unberechtigten Wider­ stand gefunden.

Je mehr die Regierung Sr. Majestät von der Ueberzeugung durch-

religiöse Leben der verschiedenen Konfessionen durch

drungen ist, daß das

diese Gesetze in keiner Weise gefährdet wird, um so entschiedener wird die

Regierung,

unbeirrt durch jenen Widerspruch, die Gesetze auch ferner zur

Ausführung bringen und alle weiter erforderlichen Schritte rechtzeitig folgen

lassen, wahren.

um die ihrer Obhut anvertrauten Interessen

vor Schädigung zu

Sie ist überzeugt, daß sie bei der Lösung dieser Aufgabe auf die

kräftige Unterstützung der Landcsvertretung rechnen darf. Meine Herren!

Die zahlreichen und wichtigen Arbeiten, welche Ihrer

harren, werden nicht ohne neue lebhafte Kämpfe erledigt werden.

Aber die

Geschichte Preußens und besonders die parlamentarische Geschichte der letzten Jahre giebt Zeugnis,

daß die Landesvertretung in fester Gemeinschaft mit

der Regierung das für das Staatswohl Unerläßliche im rechten Augenblick durchzuführen bereit ist.

Das Bewußtsein, daß die Regierung Sr. Majestät

ebenso wie die Landesvertretung, auch da, wo sie lebhaften Strömungen in

einem Teile der Bevölkerung entgegenzuwirken genötigt sind, nur von dem

Streben für das Heil der Gesamtheit geleitet werden, wird der Ausgleichung der augenblicklichen Gegensätze zum Stützpunkte dienen. Möge der versöhnende Geist der Liebe zum gemeinsamen Vaterlande

auch bei den Arbeiten dieses Landtags segensreich walten. Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs erlläre ich den

Landtag der Monarchie für eröffnet.

Drittes Buch. 1871—1881.

184

103.

Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 5. Februar 1874.

Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mich *) zu ermächtigen geruht, in Seinem

und der verbündeten Regierungen Namen Sie bei dem Beginn der zweiten

Legislaturperiode des Deutschen Reichstags willkommen zu heißen. Ich habe zunächst einem ausdrücklichen Allerhöchsten Befehle nachzu­ kommen,

indem ich das

lebhafte Bedauern meines Allergnädigsten Herrn

darüber ausspreche, daß es Sr. Majestät heute noch nicht gestattet ist, den

Reichstag in seiner neuen Zusammensetzung persönlich zu begrüßen. Die Arbeiten der abgelaufenen Legislaturperiode waren in vorwiegendem

Maße auf die Regelung der Verhältnisse in Anspruch genommen,

welche

aus der politischen Neugestaltung Deutschlands und aus den Folgen des letzten

Krieges hervorgingen.

Diese Regelung ist in der Hauptsache abgeschlossen.

Die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung zwischen dem Norden und dem Süden unseres Vaterlandes ist in allen Gebieten, welche vor Gründung des Reichs als gemeinschaftliche des Bundes behandelt wurden, fast ausnahmslos durch­

geführt.

Die gemeinschaftliche Finanzwirtschaft ist auf Grundlage der Verfassung geordnet, und die vollständig eingegangene Kriegsentschädigung wird nach Maßgabe der über ihre Verwendung erlassenen Gesetze verausgabt.

Die alten deutschen Lande, welche durch frühere Kriege dem deutschen Reiche entrissen und

durch den Frankfurter Frieden wieder mit demselben

vereinigt wurden, sind heute zum erstmmal in unserer Mitte verfassungs­ mäßig vertreten.

Die erste Stelle unter den Vorlagen, über welche Sie, meine Herren, zu

beschließen haben werden, nimmt der Entwurf eines

allgemeinen Militär­

gesetzes ein, welcher in wenig abweichender Fassung bereits dem Reichstage

vorgelegen hat.

letzten

Es ist nicht bloß eine in der Verfassung ent­

haltene Verheißung und ein durch die Erweitemng des deutschen Heeres

gegebenes Gebot, welchem durch diese Vorlage genügt werden soll;

ent­

schiedener noch, als durch diese Anforderungen, ist die feste Regelung der

deutschen Wehrkraft und Wehrfähigkeit geboten durch die erste Pflicht eines jeden staatlichen Gemeinwesens: die Unabhängigkeit seines Gebietes und die

*) Reichskanzler Fürst von Bismarck.

Deutsches Reich.

185

1874.

friedliche Entwickelung der ihm innewohnenden geistigen und wirtschaftlichen Kraft zu schützen.

Die gesetzlichen Anordnungen, welche unmittelbar nach Beendigung des

Krieges zu Gunsten der Militärinvaliden getroffen worden sind, haben die

Probe der seitdem gemachten Erfahrungen nicht in allen Einzelnheiten be­ standen.

Zur Beseitigung der hervorgetretenen

Ivirkung in Anspruch

genommen

werden.

Mängel wird Ihre Mit-

Nicht minder wollen Sie Ihre

Aufmerksamkeit der Ausgleichung von Härten zuwenden, welche die frühere Gesetzgebung

norddeutsche

über

die Kriegsleistungen

während

des

letzten

Krieges für zahlreiche Gemeinden zur Folge gehabt hat.

Die

verfassungsmäßige

Rechnungslegung

über

die

Einnahmen

des

Reiches entbehrt noch der endgiltigen Regelung in materieller wie in formeller

Gesetzentwürfe über die Verwaltung der Einnahmen und Aus­

Beziehung.

gaben des Reiches und über die Einrichtung und Befugnisse des Rechnungs­ hofes sollen diese, von den Verbündeten Regierungen, wie von dem Reichs­ tage empfundene Lücke unserer Institutionen ergänzen.

Die Rechnungen über den Haushalt der Jahre 1867 bis 1870 werden Ihnen zur Entlastung vorgelegt werden. Die rechtliche Stellung der Presse ist bereits

im verflossenen Jahre

Gegenstand der Beratungen des Bundesrats und des Reichstags gewesen.

Das Bedürfnis eines gemeinsamen Gesetzes über diese Materie ist außer Zweifel.

Die Verbündeten Regierungen haben den von der Königlich preu­

ßischen Regierung bemüht, in

gestellten Antrag ihrer Beratung unterzogen und sind

dem Ihnen vorzulegenden Ergebnisse ihrer Beschlüsse die be­

rechtigten Ansprüche auf freie Meinungsäußerung

durch die Presse mit den

Anforderungen in Einklang zu bringen, welche das öffentliche Interesse mit nicht minderem Rechte gegen den Mißbrauch dieser Freiheit erhebt.

Eine Novelle zur Gewerbeordnung, welche Ihnen vorgelegt werden

wird, soll die Schlichtung

von

Streitigkeiten

zwischen Arbeitgebern und

Arbeitnehmern durch Gerichte, deren Mitglieder aus beiden Lebenskreisen

entnommen sind, in einem einfachen, von jeder lästigen Form befreiten Berfahrm sichern.

Sie soll ferner Vorsorge gegen die Nachteile treffen, mit

welchen die öffentliche Ordnung und die nationale Arbeit durch rechtswidrige

Einwirkungen

auf den freien Willen der Arbeiter und durch den rechts­

widrigen Bruch geschloffener Verträge bedroht wird. Die

große Verschiedenheit der zum Teil veralteten, zum Teil unge­

nügenden Einrichtungen, welche an den deutschen Küsten zum Schutze der

von Seeunfällen betroffenen Personen und Güter bestehen, hat den ver-

Drittes Buch. 1871—1881.

186

Kündeten Regierungen Anlaß gegeben, eine für die

gesamte deutsche Küste

giltige Strandordnung ausarbeiten zu lassen, welche Ihnen zu Genehmigung vorgelegt werden wird.

Die Ergebnisse des vorjährigen Reichshaushalts haben zwar noch nicht

endgiltig festgestellt werden können; sie sind jedoch

bereits

ausreichend be­

kannt, um die Zuversicht zu gewähren, daß die Einnahmen des letzten

Jahres, nach Abzug der in der letzten Session

über den Etat hinaus be­

willigten sehr erheblichen Summen, einen namhaften Ueberschuß ergeben haben.

Unsere auswärtigen Beziehungen berechtigen zu der Überzeugung, daß alle fremden Regierungen gleich der unsrigen entschlossen und bestrebt sind,

der Welt die Wohlthaten des Friedens zu bewahren und sich durch keine auf Störung desselben gerichtete Parteibestrebungen in dieser Fürsorge und in

ihrem gegenseitigen Vertrauen irre machen zu lassen.

Die sich wiederholenden Begegnungen mächtiger, friedliebender und ein­

ander persönlich nahestehender Monarchen und die erfreulichen Beziehungen

Deutschlands

zu

den

uns

durch

geschichtliche

Traditionen

befreundeten

Böllem geben Sr. Majestät das feste Vertrauen auf die gesicherte Fortdauer des Friedens, welches ich auszusprechen den Allerhöchsten Auftrag habe.

104. Thronrede zum Schluß -es Deutschen Reichstags, Sonntag, den 26. April 1874. Geehrte Herren!

Die Session, an deren Abschluß Sie stehen, greifende

Wichtigkeit

ihrer

gesetzgeberischen

reiht sich durch die tief­

Ergebnisse

den

bedeutsamsten

Sessionen der früheren Reichstage an. Das

hervorragendste unter Ihrer Mitwirkung zu stände

gekommene

Gesetz soll, nach beit Absichten der verbündeten Regierungen, dem deutschen

Heere diejenige Organisation dauernd sichem, in welcher die Gewähr für den Schutz unseres Vaterlandes und für den Frieden Europas beruht.

Um die Stätigkeit der Entwickelung unserer Verfassung sicher zu stellen, und um für die Fortbildung unserer neugewonnenen nationalen Einrichtungen die Grundlage allseitigen Verständnisses zu gewinnen, haben die verbündeten Regierungen eingewilligt, die von ihnen vorgeschlagene und nach ihrer Ueber­

zeugung notwendige definitive gesetzliche Regelung Heeres der Zukunft vorzubehalten.

der Friedensstärke des

Teutsches Reich.

187

1874.

Sie haben dieses Zugeständnis in der festen Zuversicht machen können, es werde die regelmäßige Beratung des Militäretats und die fortschreitende

Entwickelung des Verfassungslebens dem Lande und den künftigen Reichs­ tagen die Überzeugung gewähren,

daß die Sicherstellung der nachhaltigen,

gleichmäßigen Ausbildung der nationalen

einer

Wehrkraft und die Herstellung

gesetzlichen Unterlage für die jährlichen Budgetberatungen notwendig

sei, um dem deutschen Heere eine seiner Bedeutung für das Reich ent­

sprechende Festigkeit der Gestaltung zu sichern.

Mit patriotischer Bereitwilligkeit haben Sie Ihre Mitwirkung geliehen

zur Beseitigung der in der Erfahmng hervorgetretenen Mängel der gesetz­ lichen Bestimmungen über die Versorgung der Invaliden des Reichsheeres

und der Marine.

Ich sage Ihnen Meinen Dank für die Fürsorge, welche

Sie von neuem für die Interessen derer bethätigten, die im Waffendienste

für das Vaterland Kraft und Gesundheit geopfert haben.

Die

Regelung

des

Papiergeld-Umlaufs in

Deutschland

fand

große

Schwierigkeiten in dem von der Vergangenheit überkommenen Ergebnis einer

vielgestaltigen Entwickelung.

Unter Ihrer Mitwirkung ist es gelungen, durch

bundesfreundliche Ausgleichung der Verschiedenheiten eine Regelung herbei­ zuführen, welche durch Herstellung eines einheitlichen Papiergeldes innerhalb der durch die Rücksichten strengster Vorsicht gebotenen Grenzen sowie durch

Beseitigung der mit der Natur des Landespapiergcldes verbundenen Hemniungen allen Verkehrskreisen zur Befriedigung gereichen wird. Auch auf anderen Gebieten haben Sie, im Verein mit dem Bundes­ rate, die Gesetzgebung und die Institutionen des Reiches weiter ausgebildet.

Die Förderung und Unterstützung, welche die von Mir in Gemeinschaft mit

den verbündeten Regiemngen befolgte Politik in Ihren letzten Beschlüssen

gefunden hat, befestigen in Mir die Ueberzeugung, daß das deutsche Vater­ land unter dem Schutze der gemeinsamen Institutionen einer gedeihlichen

Zukunft entgegengehe, und daß Europa in der sorgsamen Pflege, welche die geistigen, sittlichen und materiellen Kräfte Deutschlands finden, ein Pfand des Friedens und der gesicherten Fortbildung seiner Kultur erblicken werde.

Ich entlasse Sie, geehrte Herren, mit Dank gegen Gott, dessen Gnade Mir gestattet hat, nach ernster Krankheit Sie heute um Mich zu versammeln.

188

Drittes Buch. 1871—1881.

105. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 29. Oktober 1874. Geehrte Herren!

Zum zweitenmal in diesem Jahre nehme Ich Ihre Mitwirkung für t»ie weitere Entwickelung

der Institutionen des Reiches in Anspruch.

Die

gesetzgeberischen Aufgaben, welche Ihrer harren, stehen an Wichtigkeit denen nicht nach,

die in den früheren Sessionen den Reichstag beschäftigt haben,

und überragen dieselben an Umfang und vielleicht auch in der Schwierigkeit der geschäftlichen Behandlung. Die von der Verfassung dem Reiche überwiesene Gesetzgebung

über

das gerichtliche Verfahren war, in der Beschränkung für das Verfahren in

Civilsachen, schon von dem Norddeutschen Bund in Angriff genommen und

ist seit Begründung des Reiches in ihrem vollen Umfange vorbereitet worden.

Vier Gesetzentwürfe:

über die Verfaffung der Gerichte,

über das

Eivilverfahren, über das Strafverfahren und über das Konkursverfahren, von welchen die drei ersten bereits von dem Bundesrate beraten sind, sollen die

seit Jahrzehnten von den Rechtsuchenden als Bedürfnis erkannte und von den Rechtskundigen erstrebte

und durch diese

Einheit des

Gerichtsverfahrens verwirklichen

Einheit unserm Vaterlande ein Gut gewähren,

welches

andere Länder längst besitzen und welches wir nicht länger entbehren können.

Die Entwürfe, welche Ihnen zugehen, sind die Frucht mühsamer Vor­ arbeiten, an welchen die Rechtswissenschaft, der Richterstand, die Anwaltschaft und der Handelsstand aus allen Teilen Deutschlands mitgewirkt haben; sie

wollen, an bewährte Einrichtungen anschließend, den Forderungen des Lebens, wie solche die Entwickelung des Verkehrs zum Ausdruck gebracht hat, und den durch Erfahrung gereiften Forderungen der Wissenschaft gerecht werden.

Zu derselben Zeit, in welcher Sie aufgefordert werden, die Einheit der

Gerichtsverfassung und de- Verfahrens zum Abschluß zu bringen, sind die ersten Schritte geschehen, um die Einhett des bürgerlichen Rechtes herbei­

zuführen.

Freilich werden Jahre vergehen, bis der letzte Schritt zur Her­

stellung dieser Einheit gethan werden kann, aber ich freue Mich, gestützt auf die gemachtm Erfahrungen, schon heute die Überzeugung aussprechen zu dürfen, daß es uns beschicken sein wird, diesen letzten Schritt in nicht all­

zuferner Zukunft thun zu können.

Die gemeinsame Gesetzgebung über das Heerwesen, welche durch das in Ihrer letzten Session beratene Reichsmilitärgesetz

ihrem Abschlüsse nahe

Deutsches Reich

1874.

189

gebracht ist, soll durch drei Ihnen zugehende Gesetzentwürfe weiter vervoll­

ständigt werden.

Zwei dieser Entwürfe, nämlich eines Gesetzes über den

Landsturm und eines Gesetzes über die militärische Kontrolle der Beurlaubten,

sind bereits in dem Reichs-Militärgesetz verheißen. Der dritte soll die Natural­

leistungen

für die bewaffnete Macht im Frieden gleichmäßig

und in einer

den veränderten Verhältnissen entsprechenden Weise regeln. Die (Steigerung der Lebensmittelprcise stellt in Beziehung auf die Ver­

pflegung des Heeres, und die Fortschritte der militärischen Technik stellen

in Beziehung auf die Ausrüstung und die Übung des Heeres Anforderungen an die Militär-Verwaltungen, welchen mit den bisher für die Armee be­ willigten Mitteln nicht entsprochen werden kann. Über die Höhe des hierdurch begründeten Mehrbedarfs und der zur Befriedigung desselben erforderlichen

Steigerung

der Matrikularbeiträge

sind Ihnen

Session vorläufige Mitteilungen gemacht worden.

bereits

in Ihrer letzten

Sie werden aus dem Ihnen

vorzulegenden Reichshaushalts-Etat für 1875 ersehen, daß eine Steigemng

der Matrikularbeiträge, wie sie damals in Aussicht genommen war, genügen wird, um den Mehrbedarf für das Heer, sowie die bei anderen Verwaltungs­

Zweigen notwendig gewordenen Ausgabe-Vermehrungen, zu bestreiten. Nachdem der Umlauf des Papiergeldes durch ein in Ihrer letzten Session

zu stände gekommenes

Gesetz

geregelt ist, bedarf es zum Abschluß der

Gesetzgebung über den Geldumlauf in Deutschland noch der gesetzlichen Rege­ lung des Umlaufs von Banknoten.

Die verbündeten Regierungen sind bei

dem Ihnen vorzulegenden Gesetzentwürfe über diese wichtige Frage von dem

Gesichtspunkte ausgegangen, daß bestehende Rechte nur soweit zu beschränken seien, als es das mit der Aufrechthaltung der Metall-Cirkulation verbundene,

öffentliche Jntereffe erheischt, und daß gleichzeitig Vorsorge

zu treffen sei,

um einer späteren, auf den Erfahrungen über die Gestaltung des Goldumlaufs

fußenden Gesetzgebung den Weg anzubahnen.

Die zur endgiltigen Regelung der verfaffungsmäßigen Rechnungslegung über die Einnahmen des Reichs erforderlichen Gesetzentwürfe über die Ver­ waltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches und über die Einrichtung

und die Befugniffe des Rechnungshofes, welche in Ihrer letzten Session nicht erledigt werden konnten, werden Ihnen wiedemm vorgelegt werden.

Die Rechnungen über den Haushalt der Jahre 1867 bis 1871 werden Ihnen zur Entlastung und die Übersicht der Einnahmen und Ausgaben des Reiches im Jahr 1873 wird Ihnen zur Beschlußfassung zugehen. Zum erstenmal wird Ihre Mitwirkung für die Feststellung des Haus­

haltsetats

von Elsaß-Lothringen in Anspruch

genommen werden.

Die

190

Drittes Buch.

Prüfung desselben

1871-1881.

wird Ihnen Veranlassung geben, von dm Hilfsquellen,

den Bedürfnissen und den Einrichtungen des Reichslandes eingehender Kenntnis

zu nehmen, als es bisher, an der Hand der jährlichen Verwaltungsberichte, möglich war.

bekunden,

Sie werden unfein oberrheinischen Landsleuten das Interesse

welches

die

gesamte

Nation

den

Verhältnissen

dieser uralten

deutschen Gebiete widmet.

Der von Ihnen in Ihrer letzten Session gefaßte Beschluß über den Entwurf eines

Gesetzes,

betreffend

die Beurkundung des Personenstandes

und die Form der Entschließung, hat dem Bundesrate Veranlassung gegeben, die Aufstellung dieses Gesetzentwurfs über die Einführung der obligatorischen Civilehe und die Beurkundung des Personenstandes anzuordnen. Die Reichs-Postverwaltung ist von Mir ermächtigt worden, eine Neu­

gestaltung des internationalen Postverkehrs durch Verhandlungen mit allen auswärtigen Mächten anzustreben, und dank dem beteiligten Staaten,

Entgegenkommen

aller

konnte nach kurzer Verhandlung in Bern ein Post­

vereinsvertrag unterzeichnet werden, welcher dem geistigen nnd dem geschäft­ lichen Verkehr der Völker untereinander eine

bisher ungekannte Leichtigkeit

und Ausdehnung verspricht.

Unsere Beziehungen

zu allen

fremden Regiemngen sind friedlich und

wohlwollend, und in der bewährten Freundschaft, welche Mich mit den Herr-

schem mächtiger Reiche

verbindet, liegt eine

Bürgschaft der Dauer des

Friedens, für welche Ich Ihr volles Vertrauen in Anspmch nehmen darf. Mir liegt jede Versuchung fern, die geeinte Macht des Reiches anders, als zu dessen

Verteidigung zu verwenden,

vielmehr ist es gerade diese

Macht, welche Meine Regiemng in den Stand setzt, ungerechten Verdächti­

gungen ihrer Politik gegenüber zu schweigen und gegen das Übelwollen oder die Parteileidenschaft, denen sie entspringen, erst dann Stellung zu nehmen, wenn dieselben zu Thaten übergehen sollten.

Dann weiß Ich, daß für die

Rechte und die Ehre des Reiches jederzeit die gesamte Nation und

Fürsten mit Mir einzutreten bereit sind.

ihre

Deutsches Reich.

1875.

191

106. Rede zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 16. Januar 1875.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags!

Se. Majestät der Kaiser und König haben mir *) erteilen

den Auftrag zu

geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen

zu eröffnen.

Um den Bestimmungen der Verfassungsurkunde zu entsprechen, mußte die Berufung des Landtags erfolgen, bevor die Session des Deutschen Reichs­

tags beendigt werden konnte. welche die beiden Parlamente

Die Gemeinsamkeit patriotischen Strebens,

verknüpft, wird die Schwierigkeiten des vor­

übergehenden gleichzeitigen Tagens überwinden helfen.

Die Lage der Finanzen ist ungeachtet des Druckes,

welcher leider auf

vielen Zweigen des Handels und der Industrie lastet, eine befriedigende.

Dem Haushalt des Staates kommt es jetzt zu gute, daß in den letzten Jahren, inmitten einer ungewöhnlichen Fülle finanzieller Mittel, neben

den reichen Verwendungen zur Förderung der ideellen und materiellen Inter­ essen des Landes und neben den Maßregeln zur Erleichterung der Steuer­ leistungen der Bevölkerung, zugleich auf die Verwendung großer Summen

zur Verminderung der Staatsschuld Bedacht genommen worden ist, und

vornehnilich, daß bei den Anschlägen der Staatseinnahmen die Wahrscheinlich­

keit eines Minderertrags einzelner Einnahmezweige im voraus berücksichtigt worden ist.

Die Voranschläge für das Jahr 1875 ergeben daher, wiewohl

bei den Einnahmen an Steuern die Ausfälle hervortretcn, welche durch die Steuer-Reformen und Erlasse verursacht werden, doch im Vergleiche zu dem Vorjahre im ganzen keinen Rückgang. Da ferner das Jahr 1873 bei seinem Abschlüsse einen erheblichen Über­

schuß geliefert hat, so lassen die zur Verfügung stehenden Mittel es zu, noch für das Jahr 1875, da wo

sich ein Bedürfnis zur Steigenrng des

Staatsaufwandes gezeigt hat, den Anforderungen gerecht zu werden.

Aus dem Staatshaushalts-Etat,

welcher Ihnen unverzüglich zugehen

wird, werden Sie ersehen, daß zur Verbessemng des Einkommens der Geist­

lichen und der Elementarlehrer, zur Fördemng von Kunst und Wissenschaft, zur weiteren Entwickelung und Hebung

des Unterrichts

in allen Zweigen,

zur Verbessemng und Erweitemng der Eisenbahnanlagen des Staates, der *) Vicepräsident des Staats-Ministeriums, Staats- und Finanzminister Camphausen.

Drittes Buch. 1871—1881.

192

Häfen, der Land- und Wasserstraßen, zur

Förderung von

Ackerbau und

Viehzucht bedeutende Verwendungen in Vorschlag gebracht sind. Die weitere Durchfiihmng

der innern Verwaltungsreform,

vollständigung der Einrichtungen kommunaler Selbstverwaltung

die Ver­

wird Ihre

Thätigkeit in dieser Session in umfassender Weise in Anspruch nehmen. Staatsregierung wird Ihnen die Entwürfe

Die

von Gesetzen vorlegen, durch

welche der mit der Kreisordnung begonnene Bau, zunächst im Geltungs­

bereiche der letzteren, zu einem einheitlichen Abschlüsse geführt werden soll. Mit dem Entwürfe der Provinzialordnung, welcher Ihnen erneut vor­

gelegt werden wird, und an welchen sich ein Entwurf wegen Bildung einer besonderen Provinz Berlin anschließt, steht die Vorlage über die Dotation der Provinzen in

engem Zusammenhänge, deren

endgiltige Erledigung im

dringenden Interesse der Provinzen und des Staates liegt.

Die Einrichtungen der Verwaltungsjustiz, für welche im Gebiete der

Kreisordnung in den Kreisausschüssen und Bezirks-Verwaltungsgerichten der Grund gelegt ist, sollen durch einen Gesetzentwurf über die Verfassung der Verwaltungsgerichte und die Errichtung eines Oberverwaltungsgerichts eine

weitere Ausdehnung und den entsprechenden Abschluß finden.

Die volle Durchführung der Verwaltungsreorganisation in denjenigen Provinzen, in welchen dieselbe mit der Kreisordnung bereits erfolgreich be­ gonnen ist, wird zugleich einen sicheren Anhalt für die entsprechenden Reformen

in den übrigen Teilen der Monarchie darbieten,

wozu die gesetzgeberischen

Vorarbeiten gleichfalls in vollem Gange sind.

In Bethätigung

ihrer der Landeskultur zugewandten Fürsorge ist die

Regierung Sr. Majestät des Königs mit der Revision der bestehenden An­ siedelungsgesetzgebung, sowie mit der Regelung

der Rechtsverhältnisse der

ländlichen Arbeiter beschäftigt. über die Bildung von Waldgenoffenschasten, über Schutzwaldungen und

über die Unterdrückung der Viehseuchen werden Ihnen die Entwürfe von Gesetzen vorgelegt werden, durch welche fühlbaren Bedürfnissen der Landes­

kultur abgeholfen werden soll.

Die Notwendigkeit einer durchgreifenden Verbesserung der dem öffent­ lichen Verkehre dienenden Landwege ist bereits seit langer Zeit allseitig an­

erkannt worden.

Einer Regelung dieser Angelegenheit stand bisher der

Mangel geeigneter Organe der Selbstverwaltung entgegen.

Nachdem in­

zwischen dieser Mangel durch den Erlaß der KreiSordnung im wesentlichen beseitigt ist, wird Ihnen der Entwurf einer Wegeordnung und eines Gesetzes,

Deutsches Reich.

1875.

193

betreffend die Anlegung und Bebauung von Straßen und Plätzen, vorgelegt

werden.

Die Verwaltung des gesamten Chauffee- und Wegebauwesens, die Für­ sorge für Chaussee-Neubauten und die Unterstützung der Kreise und Gemeinden

bei Wegebauten, wird im Zusammenhänge mit der Überweisung von Dotations­ fonds an die Provinzialverbände auf diese übertragen werden. Als ein dringendes Bedürfnis hat es sich herausgestellt, auch den ka­ tholischen Kirchengemeinden Gelegenheit zu geben, ihre Interessen bei der

Besorgung der kirchlichen Vermögensangelegenheiten durch wahrzunehmen.

Ein zu diesem Zwecke vorbereiteter

gewählte Organe

Gesetzentwurf wird

Ihnen baldigst zugehen.

Der in der vorigen Sitzungs-Periode nicht Bormundschaftsordnung wird Ihnen von neuem

erledigte Entwurf einer

zur Berathung vorgelegt

werden. Meine Herren!

Die Aufgaben, zu deren Lösung die Regierung Sr.

Majestät Ihre Mitwirkung erbittet, sind überwiegend von grundlegender Be­ deutung für die gesamte Fortbildung unserer Gesetzgebung.

Die Staats-

regiemng legt daher den größten Werth darauf, diese zunächst von ihr in

Aussicht genommenen Reformen durch das vertrauensvolle Entgegenkommen der beiden Häuser des Landtags in der bevorstehenden Session zum Abschluß

zu bringen.

Sie rechnet auf Ihre bewährte patriotische Hingebung.

Im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich hiermit

die Session des Landtags für eröffnet.

107. Rede jur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 27. Oktober 1875.

Geehrte Herren! Der Wunsch Sr. Majestät des Kaisers, Sie bei dem Wiederbeginn

Ihrer verfaffungsmäßigen Thätigkeit persönlich zu begrüßen, hat zum leb­ haftesten Bedauern meines Allergnädigsten Herrn nicht in Erfüllung gehen

können.

Se. Majestät haben mich *) deshalb zu ermächtigen geruht, in

Seinem und der verbündeten Regierungen Namen

zu heißen. *) Staatsminister Dr. Delbrück. Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

Sie heute willkommen

Drittes Buch. 1871—1881.

194

Die bevorstehende Session wird Ihre Thätigkeit mehr für die Aus­

bildung und Ergänzung bestehender Gesetze, als für die Begründung neuer Institutionen in Anspruch nehmen.

Seit Ihrer letzten Session ist die am Schlüsse des Jahres 1871 be­ gonnene, im Beginn dieses Jahres

zum Abschluß

gebrachte Gesetzgebung

über das Geld- und Bankwesen Deutschlands der vollständigen Durchführung nahe gebracht.

Die über Erwarten

gesteigerte Herstellung unserer neuen

Münzen hat es Sr. Majestät gestattet, im Einverständnis mit dem Bundes­ rat, den 1. Januar künftigen Jahres

Reichswährung zu bestimmen.

als Zeitpunkt für den Eintritt der

Die Einziehung des Landespapiergeldes und

deffen Ersatz durch Reichskassenscheine schreitet rasch

und regelmäßig vor.

Die Banknoten geringeren Nennwertes sind zum größten Teile schon jetzt aus dem Verkehr getreten und werden bis zum Jahresschluß in der Haupt­ sache eingezogen sein.

Die Privatbanken sind damit beschäftigt, ihre Ein­

richtungen auch im übrigen der neuen Gesetzgebung anzupassen.

Die Reichs­

bank, zu deren Begründung alle Teile des Reichs beigetragen haben, wird

im Anfang künftigen Jahres ihre Thätigkeit über den gesamten Umfang des Reichs erstrecken. Sie wird gleichzeitig mit der Übernahme der Zentral­

kassengeschäfte des Reiches beginnen.

In dem Ihnen vorzulegenden Reichshaushalts-Etat für 1876 haben die regelmäßigen Einnahmen des Reiches nicht unerheblich höher als für das

laufende Jahr veranschlagt werden können. wogen durch die Minder-Einnahmen,

welche

Dieses Mehr wird indes über­ in dem natürlichen Rückgang

der Zinseinnahmen von belegten Reichsgeldern, ganz besonders aber in dem Vorgriff bemhen, der im diesjährigen Etat auf die Überschüsse des Vorjahrs

stattgefundcn hat. Zur Deckung dieser Minder-Einnahmen und zur Bestreitung der bei sorgfältigster Rücksicht auf die Finanzlage nicht abzuweisenden Steige­ rung der Verwaltungsausgaben wird Ihnen eine Erhöhung der Matrikular-

Beiträge nicht vorgeschlagen.

Die verbündeten Regierungen teilen die Über­

zeugung, welche Sie, geehrte Herren, bei der Beratung des diesjährigen

Etats geleitet hat, daß muß.

eine Steigerung jener Beiträge vermieden werden

Sie sind der Meinung, daß das Gleichgewicht des Etats nicht her­

zustellen sei durch eine Auflage, welche die Steuerkraft der einzelnen Staaten außer Betracht läßt, sondem durch Abgaben, welche sich an den Verbrauch

und Verkehr anschließen.

Es werden Ihnen deshalb Entwürfe von Gesetzen

über Erhöhung der Brausteuer und über Einführung einer Stempelabgabe

von Börsengeschäften und Wertpapieren vorgelegt werden.

Der Reichshaushalls-Etat bringt eine Veränderung in der Einrichtung

Deutsches Reich.

der Post- und Telegraphenverwaltung

195

1875.

zum Ausdruck.

Die Erfahrung hat

überzeugend dargethan, daß die Verbindung dieser beiden, bisher getrennten,

aber in ihren letzten Zwecken zusammenfallenden Verwaltungen dem Ver­

kehrsinteresse

entspreche und einen einfacheren und wohlfeileren Betrieb ge­

Das Verhältnis der Post zu den Eisenbahnen soll durch ein Ihnen

statte.

vorzulegendes

Gesetz übereinstimmend

geregelt werden;

für die Vervoll­

ständigung der Telegraphenanlageu wird eine Kreditbewilligung von Ihnen

begehrt werden.

Die Gewerbeordnung hat für die gewerblichen Hilfskassen einen nur provisorischen Zustand geschaffen, dessen Übelstände von Ihnen

wiederholt

beklagt und von den verbündeten Regierungen lebhaft empfunden sind.

Zwei

Gesetze, das eine über Abändemng des Artikels VIII. der Gewerbeordnung, das andere über gegenseitige Hilfskassen, sollen diesen Übelständen ein Ende machen.

Sie beschränken sich auf die Fürsorge in Krankheitsfällen, weil die

nicht minder wichtige Regelung des Altersversorgungswesens gegenwärttg noch nicht ausreichend vorbereitet ist. Die vor fünf Jahren erfolgte gesetzliche Regelung des Urheberrechts

an Schriftwerken hat sich auf das Urheberrecht an Kunstwerken nicht erstreckt. Es werden Ihnen Gesetzentwürfe vorgelegt werden, welche sowohl diese Lücke

in der Gesetzgebung

über das

geistige Eigentum ausfüllen,

als auch

für

ztvei verwandte Materien, das Urheberrecht an Mustern und Modellen und den Schutz der Photographien, übereinstimmende Normen feststellen sollen.

Die praktische Handhabung des Strafgesetzbuches hat Lücken und Mängel dieses Gesetzes erkennen lassen, deren Ausfüllung und Beseitigung im Inter­ esse der Rcchtspstege erfordert ist.

Der Bundesrat hat deshalb eine Revision

des Gesetzes auf Grundlage der von den einzelnen Bundesregierungen ge­ machten Vorschläge eingeleitet.

Ein aus diesen Vorschlägen hervorgegangener

Gesetzentwurf unterliegt der Beratung des Bundesrats und wird nach Ab­ schluß derselben Ihnen vorgelegt werden. Ein mit dem Freistaate Costa Rica abgeschlossener Freundschafts-, Handels­

und Schiffahrtsvertrag wird Ihnen zur Genehmigung vorgelegt werden. Dem Vertrage zwischen Deutschland und San Salvador nachgebildet, wird er, wie zu hoffen, dazu beitragen, unsere Handelsbeziehungen zu jenem, durch seine

Lage an zwei Weltmeeren und durch den Reichtum seiner Erzeugniffe hervor­ ragenden Staate zu fördern.

Die Vorlagen, welche Ihnen im verfloffenen Jahre

gemacht waren,

um die verfassungsmäßige Rechnungslegung über die Einnahmen des Reiches endgilttg zu regeln, sind in Ihrer letzten Session vorberaten worden, haben 13*

Drittes Buch. 1871—1881.

196

aber nicht zum Abschluß gebracht werden können.

Es werden Ihnen darüber

neue Vorlagen zugehen.

In Elsaß-Lothringen ist der beratende Landesausschuß, dessen Ein­ richtung der Erlaß vom 29. Oktober vorigen Jahres geordnet hat, im

Sommer dieses

Jahres

zum erstenmal in Thätigkeit getreten.

den Landeshaushalt und andere zu Ihrer Beschlußfaffung

Er hat

gelangende Ge­

setzentwürfe, welche zur Ausführung von Reichsgesetzen und zur Ergänzung

von Lücken der Landesgesetzgebung bestimmt sind, gutachtlich beraten. seinen Vorschlägen

bemht ein Gesetzentwurf, durch

welchen

Auf

die auch von

Ihnen erörterte Frage wegen Entschädigung der Inhaber verkäuflich ge­ wesener Stellen im Justizdienste anderweit geregelt wird.

Die gefaßten

Beschlüsse werden mit den über die Beratung aufgenommenen Protokollen vollständig

zu Ihrer Kenntnis gebracht werden.

Sie berechtigen zu der

Erwartung, daß in dem Landesausschuß ein günstiger Boden für die Mit­

wirkung der Bevölkerung an der Verwaltung der Reichslande gewonnen

sein wird.

In Elsaß-Lothringen, wie im ganzen Reiche, berechtigt uns der Rück­ blick auf die wenigen Jahre, welche seit dem Frankfurter Frieden verflossen sind, zu dem Ausdruck der Befriedigung

über den stetigen Fortschritt der

Entwickelung unserer politischen Einrichtungen im Innern und der Befestigung

unserer guten Beziehungen zum Auslande. Wenn in Handel und Verkehr dennoch

gegenwärtig eine der Stag­

nationen stattfindet, wie sie im Laufe der Zeit periodisch wiederkehren, so liegt es leider nicht in der Macht der Regierungen, diesem Übelstande ab­ zuhelfen, der sich in andern Ländern in gleicher Weise wie in Deutschland

fühlbar macht.

Jedenfalls aber hat diese Erscheinung keine Unsicherheit der

politischen Verhältnisse und namentlich

des äußeren Friedens zum Gmnde.

Wie Sie im vorigen Jahre mit dem Ausdruck des Vertrauens auf die Dauer

des Friedens empfangen werden konnten, so war seitdem fortwährend und

ist noch heut die dauernde Erhaltung des Friedens nach menschlichem Er­ messen gesicherter, als sie es jemals in den letzten zwanzig Jahren vor der Herstellung des

Deutschen Reiches gewesen ist.

Abgesehen von der Ab­

wesenheit eines jeden erkennbaren Grundes zu einer Störung, genügt zur Aufrechthaltung

des Friedens der feste Wille, in dem Se. Majestät der

Kaiser Sich mit den Ihnen befreundeten Monarchen einig weiß, und die Übereinstimmung der Wünsche und Interessen der Völker. Die Mächte, deren Einigkeit in einer früheren Periode unseres Jahrhunderts Europa die Wohl­

that eines langjährigen Friedens gewährtes stützen denselben auch hmt, ge-

Deutsches Reich. 1876.

197

tragen von der Zustimmung ihrer Völker; und der Besuch, von welchem

Se. Majestät der Kaiser heimkehren, die herzliche Aufnahme, welche Sie bei Sr. Majestät dem Könige von Italien und bei der ganzen Bevölkerung gefunden haben, befestigen die Überzeugung, daß die innere Einigung und die gegenseitige Befreundung,

zu denen Deutschland und Italien gleichzeitig

gelangt sind, der friedlich fortschreitenden Entwickelung Europas eine neue

und dauernde Bürgschaft gewähren.

108. Rede zur Eröffnung des Landtags, Sonntag, den 16. Januar 1876.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mir') den Auftrag zu er­

teilen geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.

Die für die Berufung des Landtags maßgebenden Bestimmungen und

die unabweislichen Erfordemiffe der Reichsgesetzgebung haben auch in diesem Jahre

eine gleichzeitige Thätigkeit der Reichs- und der Landesvertretung

zur Notwendigkeit gemacht.

Die Hingebung und Umsicht des Landtags wird

die Wege finden, um auch unter den obwaltenden Schwierigkeiten die Auf­

gaben der neuen Session von vornherein möglichst zu fördern. Der auf Handel und Industrie lastende Druck hat zum Bedauern der

Staatsregierung auch bei uns noch nicht aufgehört.

Bei den gesunden Gmnd-

lagen, auf welchen trotz der vorgekommenen Ausschreitungen der vaterländische Gewerbfleiß beruht, darf die Zuversicht gehegt werden, daß es der Arbeit­ samkeit und der stets bewährten Thatkraft des preußischen Volkes gelingen

werde, auch die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage in nicht ferner Zeit zu überwinden und Handel und Industrie neuer Blüte entgegenzuführen.

Die Staatseinnahmen für das Jahr 1876 haben zwar nicht so hoch, wie in den letzten Jahren, veranschlagt werden können, aber die Mittel reichen aus, um die Staatsverwaltung in bisheriger Weise zu führen und auf manchen Gebieten die Fonds, welche namentlich der Pflege der geistigen Interessen und der Förderung des Wohlstandes dienen, reicher zu dotieren,

in allen Zweigen des Staats-Bauwesens aber die vielfachen und großen

’) Vicepräsident deS StaatS-MinisteriumS, Staats- und Finanzminister Camphausen.

Drittes Buch. 1871—1881.

198

Unternehmungen, welche auf Gmnd der Bewilligungen der letzten Jahre eingeleitet worden sind, in angemessener Weise weiter zu förbern.

Der Entwurf zum Staatshaushalts-Etat wird Ihnen ohne Verzug vorgelegt werden.

Die in der vorigen Session vereinbarten Gesetze, durch welche ein um­ fassendes System kommunaler Selbstverwaltung und zugleich die Beteiligung

der Provinzialvertretung an den Angelegenheiten

verwaltung begründet worden ist,

fünf Provinzen sind

der allgemeinen Landes­

sind inzwischen ins Leben getreten:

in

die neuen Provinziallandtage zusammengetreten, und

die ersten Anzeichen des in denselben überwiegend zur Geltung gelangenden Geistes befestigen das Vertrauen, daß die neuen Institutionen sich dem

Lande zum Segen entwickeln werden. Ein notwendiger weiterer Schritt auf der betretenen Bahn ist die be­ stimmte und klare Regelung der Zuständigkeit der neugeschaffenen staatlichen

Behörden auf den verschiedenen Gebieten der allgemeinen Landesverwaltung

und in streitigen Verwaltungssachen, sowie die gleichzeitige Feststellung der­

jenigen Kompetenzen, welche auf die neuen Organe noch weiter zu über­

tragen sein werden, um eine harmonische Fortentwickelung der innern Staats­ verwaltung

erzielen.

zu

Im Zusammenhänge mit der allgemeinen Ver­

waltungsreform und behufs Einfügung der städtischen Verwaltung in das

Gesamtsystem

der

änderungen der

neugeschaffenen Einrichtungen

sind durchgreifende Ver-

Städteordnung in denjenigen Provinzen erforderlich,

in

welchen die neuen Gesetze eingeführt sind. Nachdem die Haupt- und Residenzstadt Berlin auf Grund der neuen

Provinzialordnung aus dem Kommunalverbande der Provinz Brandenburg

ausgeschieden ist, muß die vorbehaltene Bildung eines besonderen Kommunal­ verbandes aus der Stadt Berlin und angrenzenden Gebieten unverweilt ins

Auge gefaßt werden.

Die Gesetzentwürfe behufs Lösung dieser weiteren Aufgaben werden Ihnen voraussichtlich in kurzem vorgelegt werden können.

Der Entwurf einer Wegeordnung soll

von neuem Ihrer Beratung

unterbreitet werden.

Um Grundsätze der Agrargesetzgebung, deren segensreiche Wirksamkeit

in den älteren Teilen der Monarchie sich in langjähriger Erfahrung erprobt hat, auf die neuen Landesteile zu übertragen, sollen Ihnen mehrere Gesetz­

vorschläge zugehen.

In den östlichen Provinzen ist das Bedürfnis hervorgetreten, die gesetzllchen Vorschriften über die Gründung von Ansiedelungen und die damit

199

Deutsches Reich. 1876. öffentlicher Abgaben

zusammenhängende Verteilung

einfacher

zu gestalten.

Eine Vorlage in dieser Richtung ist vorbereitet.

Die Rechtsverhältnisse der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter ent­ behren einer ausreichenden gesetzlichen Regelung. setzgebung in dem Umfange

geltend gemacht haben,

wird

Um diese Lücke der Ge­ sich thatsächliche Übelstände

auszufüllen, als

eine Gesetzvorlage

an Sie gelangen, welche

sich innerhalb der Grundsätze der verwandten Reichsgesetzgebung bewegt.

In Vervollständigung der Gesetzgebung zum Schutze des Waldes soll die Pflege der im Besitze von Gemeinden und öffentlichen Anstalten befind­ lichen Waldungen durch neue Vorschriften sichergestellt werden. Durch die Beratungen der von Sr. Majestät dem Könige als höchstem

Träger des evangelischen Kirchenregiments berufenen außerordentlichen Ge­ neralsynode hat

Monarchie

die

evangelische Kirche der

acht älteren Provinzen der

einen bedeutsamen Schritt zur Begründung ihrer selbständigen

Verfassung zurückgelegt.

Die General-Synodalordnung bedarf aber ordnung vom Jahre 1873 Sie wird

wie die Synodal­

Eine hierauf bezügliche Vorlage wird Ihnen baldigst

gesetzlichen Sanktion.

zugehen.

ebenso

für eine Reihe von Bestimmungen der landes­

zugleich

die notwendigen Aufsichtsrechte des Staates

über die evangelische Landeskirche regeln.

Die Regierung Sr. Majestät hegt das

feste Vertrauen zu den beiden

Häusern des Landtags, daß sie an ihrem Teile bereitwillig dazu mitwirken werden, der evangelischen Kirche Preußens nach langem Ringen die selb­

ständige und feste Organisation zu sichern, deren sie zur vollständigen Erfüffung ihrer hohen Aufgaben bedarf. Eine Feststellung des staatlichen Aufsichtsrechtes ist auch hinsichtlich der

Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen erforderlich, soweit das Gesetz über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden

darüber nicht bereits

bestimmt.

Die Vorarbeiten für einen diesem Zwecke

entsprechenden Gesetzentwurf sind dem Abschluß nahe.

Meine Herren! einer Legislaturperiode,

Wir stehen voraussichtlich

vor der letzten Session

welche dank dem vertrauensvollen Zusammenwirken

der beiden Häuser des Landtags mit der Regierung Sr. Majestät schon

seither bedeutende Erfolge gesetzgeberischer Arbeit aufzuweisen hat.

Möge

diese letzte Session weitere Ergebniffe desselben übereinstimmenden Strebens

für die Wohlfahrt des Landes und die gedeihliche Entwickelung seiner In­ stitutionen zur Reife bringen.

200

Drittes Buch. 1871—1881.

109.

Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 30. Oktober 1876.

Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mich *) zu beauftragen geruht, Sie beim

Beginn der vierten und letzten Session

der

laufenden

Legislaturperiode

namens der verbündeten Regierungen willkommen zu heißen und zugleich

das lebhafte Bedauem Sr. Majestät darüber auszudrücken, daß es Aller-

höchstdcmselben nicht möglich gewesen ist, die anfänglich gehegte Absicht, den Reichstag persönlich zu eröffnen, in Ausführung zu bringen. Die Angelegenheiten, welche in der beginnenden Session der Erledigung

harren, sind nicht zahlreich.

Aber an Wichtigkeit werden Ihre bevorstehenden

Verhandlungen hinter den Verhandlungen früherer Sessionen nicht zurück­ bleiben. Hauptsächlich wird Ihre Thätigkeit durch die Beratung der Gesetz­

entwürfe über die Gerichtsverfassung, das Verfahren in bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten und in Strafsachen, sowie des Entwurfs einer Konkursordnung

in Anspruch genommen sein. Mit gerechtfertigter Spannung sieht die Nation der Entscheidung der Frage entgegen, ob es

gelingen wird, dieses für die einheitliche Rechts­

entwickelung Deutschlands so bedeutsame Gesetzgebungswerk, an welchem seit einer Reihe von Jahren schon gearbeitet wird, vor dem Ablaufe der gegen­

wärtigen Legislaturperiode zu stände zu bringen. Die Schwierigkeiten, welche sich einem solchen Gelingen in

stellen,

sind nicht gering.

den Weg

In zahlreichen und zum Teil sehr wichtigen

Punkten weichen die Anträge der von Ihnen eingesetzten Kommission, ins­

besondere zu dem Gerichtsverfassungsgesetz und zu der Strafprozeßordnung,

von den Beschlüssen der verbündeten Regierungen wesentlich ab. Wenn die verbündeten Regiemngen gleichwohl an der Überzeugung festhalten, daß eine glückliche Lösung der großen Aufgabe, welche der be­

ginnenden Session hinsichllich der Justizgesetze gestellt ist, möglich sei, so

geschieht es in dem Vertrauen, daß Sie, geehrteste Herren, bei Beratung

jener Entwürfe das Interesse einer sicheren und unbehinderten, das all­ gemeine Wohl wirksam schützenden Ausübung der Rechtspflege im Auge be­ halten werden.

Die verbündeten Regierungen dürfen hoffen, daß der ReichS-

*) Präsident der Reichskanzleramts, Staatsminister Hoffmann.

201

Deutsches Reich. 1876.

tag dem, was in der soeben bezeichneten Richtung für unerläßlich erkannt

werden muß, seine Zustimmung nicht wird versagen wollen.

Die in der vorigen Session beschlossene Verlegung des Etatsjahres für eines

besondern Etats für die

Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1877 nötig.

Dieser Etat, bei welchem

den Reichshaushalt macht die Feststellung

der des laufenden Jahres im wesentlichen zum Anhalt gedient hat, wird

Ihnen vorgelegt werden. Beklagenswerte Unfälle,

von welchen deutsche Schiffe in neuerer Zeit

häufiger als sonst betroffen worden sind, haben das Bedürfnis einer gesetz­

lichen

Regelung des bei Untersuchung von Seeunfällen zu beobachtenden

Verfahrens wachgerufen.

Ein hierauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen

zugehen.

Die auswärtigen Beziehungen Deuffchlands entsprechen, ungeachtet der augenblicklichen Schwierigkeiten der Lage, dem friedfertigen Charakter der

Politik Sr. Majestät des Kaisers.

Das angelegentliche Bestreben Sr. Ma­

jestät ist unabänderlich darauf gerichtet, gute Beziehungen mit allen Mächten und insbesondere mit den Deutschland nachbarlich und geschichtlich näher­

stehenden zu pflegen und auch unter ihnen den Frieden, sofern er bedroht

werden sollte, durch freundschaftliche Vermittelung zu erhalten.

Was aber

die Zukunft auch bringen möge — Deutschland darf sicher sein, daß das

Blut seiner Söhne nur zum Schutze seiner eignen Ehre und seiner eignen Interessen eingesetzt werden wird. Der Druck,

welcher auf Handel und Verkehr nicht bloß in Deutsch­

land, sondem auch in den meisten andern Ländern schon seit geraumer Zeit

lastet,

ist Gegenstand der unausgesetzten Aufmerksamkeit der

Regierungen.

verbündeten

Eine unmittelbare und durchgreifende Abhilfe liegt bei der

Allgemeinheit der

obwaltenden Übelstände und nach der Natur derselben

nicht in der Macht

eines

einzelnen Landes, wie lebhaft immer der gute

Wille und die Bethätigung desselben bei denen sein mag, die an seiner

Spitze stehen.

Wohl aber wird es als die Aufgabe der deutschen Handels-

politik zu betrachten sein,

von der heimischen Industrie Benachteiligungen

abzuwenden, welche ihr durch Staaten bereitet werden.

die Zoll- und Steuereinrichtungen anderer

Auf dieses Ziel wird die Kaiserliche Regierung

namentlich bei den bevorstehenden Unterhandlungen über die Erneuerung von Handelsverträgen hinzuwirken bemüht sein. Während der vergangenen Monate sind Sr. Majestät auf Allerhöchstderen Reisen in verschiedenen Teilen des Reiches mannigfache Beweise der

wärmsten Sympathieen von feiten der Bevölkerung entgegengebracht worden.

202

Drittes Buch. 1871—1881.

Von Sr. Majestät bin ich besonders beauftragt, an dieser Stelle Allerhöchstderen Dank und innige Befriedigung darüber auszusprechen.

Se. Majestät

haben aus solchen Kundgebungen aufs neue die freudige Gewißheit geschöpft,

daß

die durch das Reich begründete Einheit Deutschlands in dem Herzen

der Nation tiefe Wurzeln geschlagen hat. Daß das Reich

schützen und

das

seiner verfassungsmäßigen Aufgabe,

die Wohlfahrt des deutschen Volkes zu Pflegen,

mehr gewachsen zeige, daß es

Recht sich

zu

immer

festes Bollwerk des

sich immer mehr als

Friedens nach außen und im Innern erweise, dazu werden, so Gott will,

auch die Verhandlungen der bevorstehenden Session

des

Reichstags das

Ihrige beitragen.

110.

Thronrede ;um Schluß des Deutschen Reichstags, Freitag, den 22. Dezember 1876.

Geehrte Herren!

Bei dem Schluffe der vierten und letzten Session der zweiten Legis­ laturperiode des Reichstags darf Ich Sie auffordern,

mit Mir einen be­

friedigenden Rückblick auf die Ergebnisse Ihrer Thätigkeit zu

uns zu

vergegenwärtigen, in

welchem Maße Ihre und der

Regierungen gemeinsame Arbeit im Laufe

richten,

um

verbündeten

der letzten drei Jahre den Aus­

bau der verfassungsmäßigen Grundlagen des Reichs gefördert hat.

Durch

das Reichs-Militärgesetz ist die Organisation des deutschen Heeres festgestellt

und damit eine zuverlässige Gewähr für die Unabhängigkeit des Vaterlandes

und für seine berechtigte Weltstellung geschaffen worden. Auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Jntereffen hat das Bankgesetz

für die Regelung der Kreditverhältniffe und des Geldumlaufs

einheitliche

Ordnungen eingeführt, von deren Wirksamkeit Handel und Verkehr eine stetige und nachhaltige Förderung erwarten dürfen.

gebung darauf bedacht gewesen,

Zugleich ist die Gesetz­

ihre Fürsorge für die arbeitenden Klaffen

durch die Organisation der eingeschriebenen Hilfskassen zu bethätigen. Von nicht geringerer Bedeutung ist das in der ablaufenden Legislatur­

periode Geschaffene für die Pflege der geistigen Interessen der Nation.

Die Rechte und Pflichten, welche sich

an die litterarische Thätigkeit

knüpfen, sind durch das Gesetz über die Presse neu geordnet. Der Schutz des

geistigen Eigentums hat durch die Gesetze über das

203

Deutsches Reich. 1876.

Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, an Mustem und Modellen

eine lang entbehrte Erweiterung erhalten. So wertvoll aber auch die Ergebnisse Ihrer früheren Sessionen in den

genannten und in andern Beziehungen waren, so werden sie doch an Be­

deutung überragt durch die große Aufgabe,

welche Ihnen auf dem Gebiete

der Justizgesetzgebung gestellt war. Nachdem eine Revision des Strafgesetzbuchs

in der vorigen Session

stattgefunden hatte, fiel der heut schließenden die

Erledigung der Gesetz­

entwürfe zu, welche die Gerichtsverfassung, die Civil- und Strafprozeßordnung und die Konkursordnung regeln.

Diese Entwürfe sind

von Ihren Kom­

missionen mit angespanntestem Fleiße und mit der eingehendsten Sorgfalt geprüft worden, und der Reichstag hat die Beratungen über diese Gesetze

mit dem Eifer und der Hingebung gepflogen, wie sie der großen nationalen

Aufgabe würdig waren. Bei einem so umfangreichen und

bedeutungsvollen Werke mußten in

der ersten Beurteilung die Meinungen über viele und wichttge Punkte not­

wendig in

dem Maße auseinandergehen, wie es der Verbreitung und der

Vielseitigkeit juristischer Durchbildung in allen Teilen unseres Vaterlandes ent­

spricht.

Dennoch

ist

es

zu

meiner

aufrichtigen Freude

gelungen,

alle

Meinungsverschiedenheiten im Wege der Verständigung unter Ihnen und mit den verbündeten Regierungen auszugleichen und die Verhandlungen zu einem

befriedigenden Abschluß zu bringen. Das Gefühl des Dankes für die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie, ge­ ehrte Herren, den verbündeten Regierungen zu dieser Verständigung ent­

gegengekommen sind, ist in Mir um so lebhafter, je höher Ich den Gewinn anschlage, welcher aus dem Gelingen dieses Werkes für unser nationales

Leben erwachsen muß.

Durch die stattgehabte Verabschiedung der Justizgesetze ist die Sicherheit gegeben, daß in

naher Zukunft die Rechtspflege in ganz Deutschland nach

gleichen Normen gehandhabt,

daß

vor allen deutschen Gerichten nach den­

selben Vorschriften verfahren werden wird.

Wir sind dadurch dem Ziel

der nationalen Rechtseinheit wesentlich näher gerückt.

Die gemeinsame Rechtsentwickelung aber wird in der Natton das Be­

wußtsein der Zusammengehörigkeit stärken und der politischen Einheit Deutsch­ lands

einen innern Halt geben,

wie ihn keine frühere Periode unserer

Geschichte aufweist.

Die Rechtseinheit auch auf dem Gebiete des

gesamten bürgerlichen

Rechts herbeizuführen, wird der Beruf der kommenden Sessionen sein.

Drittes Buch. 1871—1881.

204 Ich entlasse Sie,

geehrte Herren,

indem Ich Ihnen für Ihre

an­

gestrengte und erfolgreiche Arbeit wiederholt im Namen der verbündeten Regierungen den wärmsten Dank ausspreche in dem festen Vertrauen, daß,

auch wenn der Reichstag sich wiederum

hier versammelt, es uns vergönnt

sein wird, unsere Arbeiten ausschließlich den friedlichen Aufgaben der innern Entwickelung des Reichs zuzuwenden.

Der bisherige Fortgang der Verhandlungen

der europäischen Mächte

über die im Orient schwebenden Fragen berechtigt mich zu der Hoffnung, daß

es Meinen Bemühungen und den einander entgegenkommenden In­

tentionen der an der Entwickelung der Dinge im Orient unmittelbar be­

teiligten Mächte gelingen werde, die schwebenden Fragm ohne Beeinträchtigung der guten Bezichungen zu lösen, welche

Ich werde,

gegenwärtig unter ihnen obwalten.

gestützt von dem Vertrauen, welche Deutschlands friedliebende

Politik sich erworben hat, im Wege freundschaftlicher und selbstloser Vermittelung

mit Gottes Hilfe auch ferner dazu mitwirken.

111. a.

Ansprache des Kronprinzen an den Kaiser bei der Feier des 70 jährigen WenstjubilLums,

Montag, dm 1. Januar 1877. Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser,

Allergnädigster Kaiser, König und Kriegsherr! Vor Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät erscheinen heute zum

erstenmale

die

Vertreter

friedlichem Anlaß.

der

gesamten

Deutschen

Armee

aus

glücklich­

Es gilt der Erinnerung des Tages, an welchem Ew.

Majestät unvergeßlicher Herr Vater, König Friedrich Wilhelm III.,

nunmehr

vor

70 Jahren Sie im zarten Knabenatter in die Reihen Seines

Heeres ausgenommen hat,

des

Heeres, welches in Ew. Majestät dereinst

das Vorbüd aller soldatischen Tugenden und den Schöpfer jener neuen Ord­ nungen erblicken sollte, die, in Kampf und Sieg bewährt, Preußens Ruhm

erhöhen, Deutschlands Größe neu und fest begründen halfen. Ein Jahrzehnt ist dahingegangen, seit bei der letzten Gedenkfeier dieses Tages ich Ew. Majestät mit dm Glückwünschen der Armee die Gefühle

ehrfurchtsvoller Liebe und unwandelbaren Vertrauens

aussprechen durste,

welche Heer und Volk in Preußen für ihren teuren König beseelten.

Deutsches Reich.

Heute, wo

1877.

205

wir unter Gottes Beistand zu immer schönerer Erfüllung

heranreifen sehen, was unser Vaterland lange schmerzlich vermißt und ver­ geblich ersehnt hat, heute sind es Deutschlands Heer und geeinigte Stämme, die voll Dank für alle Güter, welche Ew. Majestät ihnen errungen, in ihrem

Kaiser den siegreichen Feldherrn,

den Wiederhersteller und

Mehrer des

Reiches verehren.

Ist es doch, wenn wir die Blicke rückwärts wenden aus den Beginn

Ew. Majestät militärischer Laufbahn, als ob die mit Preußens tiefster Not

und endlicher Erhebung eng verknüpften Jugenderlebnisse Ew. Majestät die Vorbereitung zu den Thaten bedeuten, welche die Weltgeschichte mit Ihrem Namen für immer untrennbar verbindet.

Getreu den Worten der alten,

wieder aufgelebten Denkzeichen preußischer Kriege wollen Ew. Majestät nur dem die Ehre geben, dessen gnädige Hilfe mit Ihnen war und mit uns

allen.

Nicht ziemt es mir daher, jener Thaten einzeln zu gedenken.

beglückt durch die Segnungen,

Aber

welche uns aus ihnen erwuchsen, sehen wir

in froher Hoffnung und getrosten Mutes einer friedlichen Zukunft entgegen. Fest geschlossen und alle Zeit zu des Vaterlandes Verteidigung bereit,

ist das deutsche Heer der sichere Hort unserer Freiheit und Einheit, seit die von Ew. Majestät geschaffenen Einrichtungen, welche einst Preußens Armee

zur Erfüllung ihrer Aufgaben befähigten, nach dem letzten gewaltigen Kriege

Gemeingut der ganzen Nation geworden sind. Und wie in jenen ernsten Tagen, als feindlicher Überfall drohte, die

deutschen Fürsten und Völker zum Schutze des

heimischen Herdes und zur

Wahrung ihrer höchsten Güter um Ew. Majestät sich scharten, tote damals

im Vertrauen auf Ihre starke und kundige Führung opferwillig und todes­ mutig gestritten und gerungen ward, bis aus allen Kämpfen und Schlachten

endlich in neuer Herrlichkeit das Deutsche Reich wieder erstand, bessert erbliche Kaiserkrone Ew. Majestät recht eigentlich auf der Wahlstatt des Sieges dar­

gebracht ward, so

blickt heute mit freudiger Zuversicht das deutsche Volk,

wehrhaft und einig,

auf seinen Kaiser und Kriegsherm hin, in dankbarer

Liebe und Treue und von dem heißen Wunsche erfüllt, daß Gott Ew. Majestät noch lange erhalten möge als Hüter und Schützer des Friedens und zu des

Vaterlandes Heil!

Drittes Buch. 1871—1881.

206

b.

Antwort des Kaisers. Wenn alle die Herren, deren Anwesenheit Mich hier und am heutigen

Tage besonders erfreut, mit den Gefühlen übereinstimmen, denen Mein Sohn soeben Worte gegeben, so kann Ich Mich nur um so glücklicher schätzen und

spreche daher zunächst Ihnen Meinen Dank dafür aus. Wenn Ich auf den Tag zurückblicke, an welchem Ich vor jetzt 70 Jahren in die Armee eintrat, muß Ich ja auch der Verhältnisse gedenken, unter denen es geschah; dann ist es aber auch von dem Augenblicke an, wo Mich die

Hand Meines in Gott ruhenden Vaters in die Armee einführte,

Meinen

ganzen Lebenslauf hindurch bis zu der heute Mir vergönnten Freude Mein erstes

Gefühl, dem Lenker unserer Geschicke demütigen Dank zu sagen.

Meine Stellung brachte

es mit sich, daß der größte Teil Meines Lebens

der Armee gewidmet war.

Darum gebührt aber auch allen denen, welche

Mich auf Meiner militärischen Laufbahn begleitet und Meine Bemühungen

unterstützt, Meine Erkenntlichkeit, deren Ich Mich stets gern erinnere.

Denn

der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer der Armee verdanke Ich die Stellung, die Ich jetzt einnehme.

Von Fehrbellin

an bis auf die neuesten, glorreich

beendeten Kriege stehen die Thaten der brandenburgisch-preußischen Armee unauslöschlich in den Annalen der Weltgeschichte, und was Preußen geworden

ist, ist es hauptsächlich durch seine Armee geworden.

Sie, Meine Herren,

die heute Mir gegenüber Meine Armee repräsentieren, bitte Ich allen denen, welche Sie vertreten. Meinen persönlichen Dank zu sagen, einen Dank, der

um so verdienter ist, als Ich Mich Gesinnung und dem

eine so lange Zeit hindurch

Geiste des Heeres, stets in

von der

engster Berührung mit

ihm, überzeugen konnte, einem Geist, der mit Ihr Werk ist und dem, in Ver­ bindung mit dem der deutschen Truppen, der große Erfolg gelang, ein einiges

Deutschland und ein deutsches Heer zu schaffen.

112.

Thronrede ;ur Eröffnung des Landtags, Freitag, den 12. Januar 1877. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Die Session, zu welcher Sie zunächst berufen sind, wird sich im Hin­ blick auf den bevorstehenden Zusammentritt des Deutschen Reichstags auf

die Erledigung der dringendsten Aufgaben beschränken müssen.

207

Deutsches Reich. 1877.

Dennoch war es Mir Bedürfnis, nachdem das Haus der Abgeordneten

durch

Wahlen

erneuert ist,

Sie bei dem Beginne eines neuen Abschnittes

der parlamentarischen Thätigkeit persönlich zu begrüßen und zugleich die

Hoffnung auszusprechen, daß Meine Regierung in dem Vertrauen und Ent­

gegenkommen der beiden Häuser des Landtags Legislaturperiode

auch

während der neuen

eine sichere Stütze bei ihrem Bestreben für die segens­

reiche Entwickelung der Gesetzgebung und für die Erfüllung der Bedürfniffe des Landes finden werde.

Die

nunmehr

gesicherte

regelmäßige

Folge

der

parlamentarischen

Sessionen im deutschen Reiche und in Preußen wird, wie Ich hoffe, dem­ nächst einer ruhigen und stetigen Arbeit auf beiden eng verknüpften Gebieten

zu statten kommen.

Die Staatseinnahmen für das nächste eben so

hoch veranschlagt werden können,

Etatsjahr haben im Ganzen

wie für das Jahr 1876 und

bieten bei einer angemessenen Einschränkung der einmaligen und außerordent­ lichen Ausgaben die Mittel dar, um nicht nur in allen Zweigen der Staats­

verwaltung die bisherigen Leistungen aufrecht zu erhalten, sondern auch neuen dauernden Ansprüchen gerecht zu werden,

Entwickelung

des

Staatswesens

hervorgetreten

welche bei fortschreitender

sind.

Der

Entwurf des

Staatshaushalts-Etats wird Ihnen unverzüglich zugehen.

Unter den Gesetzentwürfen, welche Ihnen vorgelegt werden sollen, sind

einige der erheblicheren

bereits früher Gegenstand der Beratting gewesen,

namentlich auch derjenige wegen anderweitiger Einrichtung des Zeughauses

in Berlin, welcher in Verfolg der mit den Reichsbehörden gepflogenen Ver­ handlungen eine Umarbeitung erfahren hat.

Ich rechne ans Ihre Mitwirkung, um in der Sammlung der Trophäen unseres Kriegsruhmes und aller die Entwickelung des vaterländischen Kriegs­ wesens bezeichnenden Erinnerungen den kommenden Geschlechtern ein würdiges Denkmal der Thaten ihrer Vorfahren zu hinterlaffen. Meine Herren! Die Feier,

dieses Jahres durch wiederum

Gottes

welche zu begehen Mir am ersten Tage

Gnade beschieden war') hat Meinem Volke

Gelegenheit gegeben, Mir zahlreiche und rührende Beweise der

Treue und Anhänglichkeit darzubringen, welche das wertvolle Erbteil der

preußischen Könige sind.

Indem

Ich Meinen innigen Dank

dafür von

dieser Stelle ausspreche, darf Ich in der Bewährung der Mein Volk er­

füllenden

Gesinnung

die sichere Bürgschaft dafür erblicken, daß Preußen

in der treuen Pflege wahrhaft monarchischer und zugleich freisinniger Jn*) Das 70jährige Jubiläum des Eintritts in die preußische Armee.

208

Drittes Buch. 1871—1881.

stitutionen seinen staatlichen Bemf in und mit dem Deutschen Reiche fort

und

fort erfüllen werde.

Zum weiteren Ausbau unseres Staatswesens in

dieser doppelten Richtung zähle Ich auf ihre freudige Mitwirkung.

113. Thronrede ;»r Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, bett 22. Februar 1877. Geehrte Herren!

Beim Beginn der dritten Legislaturperiode heiße Ich Sie im Namen der verbündeten Regierungen willkommen.

Die Zusammensetzung, in welcher der Reichstag aus den neuen Wahlen hervorgegangen ist, läßt Mich hoffen, daß es auch in dieser Periode,

in den beiden vorhergegangenen, welche dem

wie

gelingen wird, die wichtigen Aufgaben,

Reichstag gestellt sind, im

Einverständnis zwischen den Ver­

bündeten Regierungen und der Volksvertretung zum Wohl der Nation in Erledigung zu bringen.

Vorzugsweise wird Ihre Thätigkeit durch die Beratung und Feststellung

des Haushalts-Etats für das Jahr 1877/78 in Anspruch genommen werden.

Bezüglich der Aufbringung der durch eigne Einnahmen nicht gedeckten Bcdürfniffe ist das Reich durch Art. 70 der Verfassung zunächst auf Matrikular-

umlagen verwiesen.

Ihre Aufgabe wird es sein, in Gemeinschaft mit den

verbündeten Regierungen zu erwägen, ob und welche Maßregeln zu nehmen

sein werden, um den hochgesteigerten Betrag der Matrikularumlagen durch Eröffnung anderer Einnahmequellen für das Reich zu ermäßigen.

Die Vorarbeiten zu den Verhandlungen mit Österreich - Ungam über Erneuerung des Handelsvertrags sind

unter Mitwirkung der Regierungen

von Preußen, Bayern und Sachsen soweit gefördert, daß die Verhandlungen mit Österreich - Ungam binnen kurzem werden beginnen können. Der Ab­

schluß dieser Verhandlungen bildet eine Vorbedingung der Reformm unseres Zoll- und Steuersystems, über welche die verbündeten Regierungen demnächst

in Beratung treten werden.

Die dem Reichstag bereits früher vorgelegten Gesetzentwürfe über die Einrichtung und die Befugniffe des Rechnungshofes und über die Verwaltung der

Einnahmm und Ausgaben des Reiches werden Ihnen wieder zugehen.

Der Wunsch, gesetzliche Gmndlagen und selbständige Einrichtungen für die Behandlung des Reichshaushalts-EtatS, sowie für die Gestaltung und

Deutsches Reich. 1877.

209

Kontrolle des Rechnungswesens geschaffen zu sehen, wird ohne Zweifel auch

von Ihnen

geteilt.

Die Erwartung ist daher

berechtigt, daß die Ver-

einbarung über die genannten Gesetzentwürfe diesmal zu stände kommen werde. Auch der in der vorigen Session nicht erledigte Gesetzentwurf, betr.

die Untersuchung der Seeunfälle, wird Ihnen wiederum vorgelegt werden. Die in der letzten Session vereinbarten Justizgesetze sollen nach den

darin enthaltenen Bestimmungen spätestens am 1. Oktober 1879 in Kraft treten.

Um diesen Termin einhalten zu können, ist es nötig, daß baldigst

über den Ort entschieden werde, an welchem das Reichsgericht seinen Sitz Ein hierauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen

haben soll.

vorgelegt

werden.

In den Kreisen der vaterländischen Industrie sind Klagen über den Mangel einer gemeinsamen Gesetzgebung zum Schutz der gewerblichen Er­ findungen laut geworden.

Um diesem Mangel abzuhelfen,

ist, nach Ver­

nehmung von Sachverständigen, der Entwurf eines Patentgesetzes ausgearbeitet

worden, welcher Ihnen zugehen und einen hauptsächlichen Gegenstand Ihrer Beratungen bilden wird. Leider dauert die gedrückte Lage,

in den letzten beiden Jahren

in welcher Handel und Verkehr sich

befunden haben, bei uns wie in

andern

Die unausgesetzten Erwägungen der verbündeten

Ländern noch heute fort.

Regierungen über die Mittel, derselben

abzuhelfen,

haben Mir nicht die

Überzeugung gegeben, daß die innern Zustände des Deutschen Reichs einen

wesentlichen Anteil an den Ursachen der Übelstände haben, die in allen andern Ländern gleichmäßig gefühlt werden; die Aufgabe, augenblicklichem

und örtlichem Mangel an Beschäftigung

liegt den

arbeitsuchender Kräfte abzuhelfen,

einzelnen Staaten näher als dem Reich.

Insoweit der Wieder­

belebung des Verkehrs ein Mangel an Bettrauen auf die zukünfttge Sicher­

heit der Rechtszustände innerhalb Deutschlands etwa im Wege steht, werden Sie mit Mir solche Besorgnisse für unbegründet halten.

Die Organisatton

des Reiches und der gesunde Sinn des deutschen Volkes bilden eine starke Schutzwehr gegen die Gefahren, welche anarchische Bestrebungen der Sicher­ heit und der

regelmäßigen

Entwickelung

unserer

Rechtszustände

bereiten

könnten. Von auswättigen

Gefahren

aber,

welche aus der

noch

ungelösten

orientalischen Kttsis hervorgehen könnten, ist Deutschland weniger bedroht

als andere

Länder.

Meine Politik ist den Grundsätzen, welche sie vom

Beginn der orientalischen

treu geblieben.

Verwickelungen an befolgt hat, ohne Schwanken

Die Konferenz in Konstantinopel hat leider nicht den Erfolg

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

14

Drittes Buch. 1871—1881.

210

gehabt, die Pforte zur Gewährung der Zugeständnisse zu vermögen, welche die europäischen Mächte im Interesse der Menschlichkeit und zur Sicher­

stellung des Friedens für die Zukunft glaubten verlangen zu sollen.

Die

Konferenzverhandlungen haben aber das Ergebnis gehabt, daß die christlichen

Mächte unter sich über das Maß der von der Pforte zu beanspruchenden

Bürgschaften zu Konferenz

einer Übereinstimmung gelangt sind, für welche vor der

wenigstens ein allseitig anerkannter Ausdruck noch nicht bestand.

Es ist dadurch ein fester Grund zu dem Vertrauen gewonnen, daß der Frieden

unter den

Mächten auch dann gewahrt bleiben wird,

sich nicht verwirklichen sollte,

wenn die Hoffnung

daß die Pforte aus eigner Entschließung die

Reformen bezüglich der Behandlung ihrer christlichen Unterthanen zur Aus­ führung bringen werde, welche vor der Konferenz als europäisches Bedürfnis anerkannt worden sind.

Wenn die Erwartungen unerfüllt bleiben sollten,

welche in dieser Beziehung sich

an Verheißungen der Pforte und an die

Einleitung der Friedensverhandlungen mit Serbien und Montenegro knüpfen,

so

wird Meine Regiemng bemüht sein, in einer Frage, in welcher die

deutschen Interessen ihr eine bestimmte Linie des Verhaltens nicht vor­ schreiben, ihren Einfluß zum Schutze der Christen in der Türkei und zur

Wahrung des europäischen Friedens, insbesondere aber zur Erhaltung und Befestigung ihrer eignen

guten Beziehungen zu den ihr verbündeten und

Zu diesem friedlichen Werke rechne

befreundeten Regierungen aufzuwenden.

Ich vertrauensvoll auf Gottes Segen.

114.

Allerhöchster Erlaß.

Der Tag, an welchem Ich Mein 80. Lebensjahr vollendete, hat im deutschen Volke eine Mich tief rührende Teilnahme gefunden. derselben sind Mir aus

Die Beweise

allen Teilen des Reichs in der mannigfachsten

Weise namentlich in der Form von Adressen, schriftlichen und telegraphischen Glückwünschen, Gedichten, Kompositionen, Bildern, Blumen u. a. sinnigen,

zum Teil kostbaren Spenden zugegangen. porationen und Vereine,

Städte und Dorfschaften, Kor­

Festgenoffenschaften und einzelne Personen aller

Stände haben sich beeilt, Mir die allgemeine festliche Stimmung des Tages zu zeigen, und nicht allein aus den Gauen des Vaterlandes, sondem auch von jenseits der deutschen Grenzen,

selbst aus den fernsten Ländern habe

Ich die Versicherung empfangen, daß überall, wo Deutsche weilten, Meiner

Deutsches Reich.

in Liebe gedacht worden ist.

1877.

211

Diese überreiche Fülle freudiger Wünsche hat

Mir den Tag zu einem besonders weihevollen gestaltet.

Umgeben von einem

mächtigen Kreise verbündeter und befreundeter Fürsten, habe Ich mit Genug­ thuung den Werth gefühlt, als Mittelpunkt des nationalen Empfindens be­ trachtet zu werden;

aus diesem Bewußtsein schöpfe Ich neue Kraft,

der Sorge für die Wohlfahrt des Vaterlandes

Sinne möchte

Ich

zu widmen.

Mich

In diesem

allen jenen Glückwünschenden Meinen Dank für ihre

Aufmerksamkeit kundgeben; Ich beauftrage Sie zu dem Zwecke, Vorstehendes alsbald zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Berlin, den 24. März 1877.

Wilhelm.

An den Reichskanzler.

115.

Uede zur Eröffnung des Landtages, Sonntag, den 21. Oktober 1877.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtages! Se. Majestät der Kaiser und König haben mir1) den Auftrag zu er­

teilen

geruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu

eröffnen.

In der heute beginnenden Sitzungsperiode werden Sie Ihre Thätigkeit nächst der Fürsorge für die finanziellen Bedürfnisse des Staates der Be­

ratung wichtiger Organisationen

auf verschiedenen Gebieten des staatlichen

Lebens zuzuwenden haben. Was

die Finanzlage betrifft, so ist das Ergebnis des Jahres 1876

ein über Erwarten günstiges gewesen; dagegen ist für das laufende Berwaltungsjahr, der bei Feststellung des Staatshaushalts-Etats gehegten Vor­

aussetzung

deutend

entgegen, der Matrikularbeitrag zum Haushalt des Reiches be­

erhöht worden.

Es

sind fern« einzelne Einnahmezweige hinter

demjenigen Maße ihres Erträgniffes, auf welches unter normalen Verhält­

nissen zu rechnen sein würde, erheblich zurückgeblieben.

Andererseits sind

neue Bedürfnisse, namentlich zu einer den Interessen des Landes entsprechen­ den kräftigen Fördemng der noch in großem Umfange notwendigen öffentlichen Bauten bedeutendere Mittel in Anspruch zu nehmen, als sich unter den erwähnten

Verhältniffen darbieten.

Aus diesem Grunde und da gerade in der gegen-

*) Vizepräsident beS Staats-Ministeriums, Staats- und Finanzminister Camphausen.

14*

Drittes Buch. 1871—1881.

212

»artigen Zeit, wo der Verkehr noch

vielfach darnieder liegt,

eine aus­

gedehntere Thätigkeit für dem Gebiete des Staatsbauwesens mit besonderem

Nutzen

geübt werden kann, ist eine Verstärkung der verfügbaren Mittel

durch außerordentliche Einnahmen in Aussicht genommen. Neben einem Nachtragsetat für das laufende Verwaltungsjahr werden

Ihnen der Staatshaushalts-Etat für das kommende Jahr und der Entwurf eines Anleihegesetzes vorgelegt werden.

Um die in ihren Grundzügen festgestellte und in 5 Provinzen wesent­ lich durchgeführte Reform der Verwaltungseinrichtungen zunächst in diesem

Bereiche zum vollen Abschluß zu führen,

ist eine Abänderung der Städte­

ordnung für diese Provinzen in Aussicht genommen, durch welche die Ver­

waltung der Städte in Bezug auf die Regelung der staatlichen Aufsicht und die Verwaltungsgerichtsbarkeit in das bisher nur für das platte Land zur Geltung gelangte System der Selbstverwaltung eingefügt und

somit ein

weiterer Schritt auf dem Wege der Reform gethan werden soll.

Der Entwurf der Wegeordnung, zwischen

welcher mit Rücksicht auf die in­

ergangenen Organisationsgesetze einer Revision unterzogen worden

ist, wird Ihnen wieder vorgelegt werden. Die Mängel der bestehenden,

völlig unzureichenden Gesetzgebung zum

Schutze der Felder und Forsten sind schon längst und immer dringender

worden.

empfunden

Es wird Ihnen eine Vorlage zugehen, welche

im

engen Anschlüsse an das Strafrecht des Reiches, sowie im Einklänge mit

der

veränderten

Zuständigkeit

der

Verwaltungsbehörden

die

einheitliche

Regelung dieser Materie im Sinne eines gesicherten Feld- und Forstschutzes bezweckt.

Die gesetzliche Regelung der Aufbringung der Gemeindeabgaben, welche schon seit langer Zeit als eine ebenso dringende, wie schwierige Aufgabe der Gesetzgebung

erkannt worden ist, hat durch die gesteigerten Anforderungen

an die Leistungen der Kommunen an dringlicher Bedeutung gewonnen. diese Regelung beabsichtigende Gesetzentwurf ist das

Erhebungen und

eingehender Erwägungen:

Sie

Der

Resultat sorgfältiger

werden

demselben

Ihre

besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben. Auf

dem Gebiete der Rechtspflege wird Ihre Thätigkeit vorzugsweise

durch die zur Ausfühmng des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes erforder­

lichen Vorlagen in Anspruch genommen werden.

Der im vorigen Jahre nicht zum Abschluß gelangte

Gesetzentwurf

über die Vorbildung für den höheren Verwaltungsdienst wird Ihrer Be­

ratung von neuem unterbreitet werden.

Deutsches Reich. 1878.

Meine

Herren!

213

Se. Majestät der Kaiser und König haben bei der

jüngsten Reise durch mehrere Provinzen der Monarchie von neuem Gelegen­

heit gehabt, die erhebendsten Kundgebungen der Treue und Ergebenheit aus

allen Kreisen der Bevölkerung entgegenzunehmen und mich zu beauftragen gemht, Allerhöchst Dero freudigem Danke für diese Äußerungen auch an

dieser Stelle Ausdruck zu geben. Die neue Bewährung der innigen Beziehungen zwischen Fürst und

Volk erhöht die Zuversicht, daß es der Regierung Sr. Majestät in ver­ trauensvoller

die

Gemeinschaft mit der Landesvertretung gelingen werde, auch

mannigfachen Schwierigkeiten der jetzigen Zeit zum dauernden Segen

unseres Volkes zu überwinden.

Im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich hiermit

die Session des Landtags für eröffnet.

116.

Rede ;ur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 6. Februar 1878.

Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mir *) den Auftrag zu erteilen geruht,

die Sitzungen des

Reichstags in

Allerhöchst Ihrem und der verbündeten

Regierungen Namen zu eröffnen.

Ihre Thätigkeit wird in der bevorstehenden Session durch eine Reihe

wichtiger Beratungsgegenstände in Anspruch genommen sein. Der

Entwurf des Reichshaushalts-Etats, welcher Ihnen unverzüglich

zugehen wird, liefert aufs neue den Beweis, daß die unabweislichen finan­ ziellen Bedürfnisse des ordentlichen Reichshaushalts in stärkerem Maße zu­

nehmen, als die Erträgnisse der dem Reiche zugewiesenen eigenen Einnahme­ quellen.

Den verbündeten Regierungen erscheint es nicht ratsam, die Deckung des Mehrbedarfs durch Erhöhung der Beiträge der einzelnen Staaten herbei­ zuführen.

Vielmehr weist die finanzielle Gesamtlage Deutschlands auf Ver­

stärkung der eigenen Einnahmen des Reiches hin.

In dieser Richtung werden Ihnen Gesetzentwürfe über die Erhebung von Reichsstempelabgaben und die höhere Besteuerung des Tabaks vorgelegt werden. *) Vicepräsident des Staats-Ministeriums, Staatsminister Camphausen.

Drittes Buch. 1871—1881.

214

Soweit die außerordentlichen Ausgaben nicht durch besondere Einnahnien

gedeckt sind, werden, wie im vorigen Jahre, die Mittel auf dem Wege des Kredits

beschaffen

zu

Entwurf

Der

sein.

eines

wird

Anleihegesetzes

Ihnen zugehen.

Zur Ausfüllung einer Lücke in dem Wortlaut der Verfassung

zunächst noch der Beratung des Bundesrats

soll ein

Gesetzentwurf

unterliegender

dienen, welcher die Zulässigkeit einer Vertretung des Reichskanzlers in der Gesamtheit seiner Amtsthätigkeit oder in

einzelnen Zweigen derselben mit

dem Recht der Gegenzeichnung außer Zweifel stellt. Im Anschluß an die Justizgesetzgebung des vergangenen Jahres

Ihnen der Entwurf einer Rechtsanwaltsordnung vorgelegt werden, es sich zur Aufgabe gestellt hat,

den Zutritt zur Ausübung dieses für die

Rechtspflege so wichtigen Berufs jedem dazu Befähigten zu darum die Bürgschaften zu

wird

welcher

eröffnen, ohne

vermindern, welche dem Stande der Rechts­

anwälte im Reich bisher seine ehrenvolle Stellung gesichert haben. Die

in dem

gerichtlichen Verfahren geschaffene Einheit

ihrer Ergänzung eine entsprechende Einheit im Kostenwesen.

verlangt zu Hierauf

ge­

Fälle

der

richtete Gesetzentwürfe werden Ihnen vorgelegt werden.

Die

im

verflossenen

Jahre

wiederholt

vorgekommenen

Einschleppung von Rinderpest haben, obwohl die rasche Unterdrückung der

Seuche jedesmal gelungen ist, doch das Bedürfnis hervortreten lassen, den bestehenden

Verschärfung

durch

Einfuhrverboten

bestimmungen erhöhte Wirksamkeit zu verleihen.

Mitwirkung

zum

der

bezüglichen

Straf­

Voraussichtlich wird Ihre

Erlaß eines hierauf abzielenden Gesetzes in

Anspruch

genommen werden. Die Klagen über die aus der Verfälschung von Lebensmitteln und Gegen­

ständen des

täglichen Gebrauchs sich

ergebenden Gefahren haben an die

verbündeten Regierungen die Pflicht herantreten

lassen, Abhilfe durch die

Reichsgesetzgebung zu schaffen. Unter Berücksichttgung

der

in Ihrer letzten

Session bezüglich einer

Revision der Gewerbeordnung laut gewordenen Wünsche sind

zwei Gesetz­

entwürfe ausgearbeitet worden, von welchen der eine die rechtlichen Ver­

hältnisse zwischen Arbeitgebem und Arbeitem neu zu regeln, der andere die rasche und sachgemäße Erledigung

von

gewerblichen Streitigkeiten

durch

Einsetzung besonderer Gewerbegerichte zu sichem bestimmt ist.

Beide Entwürfe sollen zur Beseitigung von Schwierigkeiten mit welcher der deutsche Gewerbefleiß

bettragen,

bisher zu kämpfen hatte und welche

Deutsches Reich. 1878.

215

bei der leider noch immer fortdauemden ungünstigen Lage der allgemeinen

Berkehrsverhältnisse doppelt lästig erscheinen. Zum Bedauern Sr. Majestät des Kaisers haben die über Erneuerung des Handelsvertrags mit Österreich-Ungarn gepflogenen .Verhandlungen bisher nicht zum Ziele geführt.

Um Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen,

ist der Vertrag bis Ende Juni l. I. verlängert worden.

Hoffentlich wird

es in dieser Frist gelingen, eine Vereinbarung zu stände zu bringen, welche den beiderseitigen handelspolitischen Interessen und dem zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn bestehenden freundnachbarlichen Verhältnis entspricht. Um Sie zur Beurteilung des Ganges dieser Angelegenheit in den

Stand zu setzen, wird eine darauf bezügliche Denkschrift Ihnen vorgelegt werden.

Meine Herren!

Bei der Eröffnung des vorjährigen Reichstags war

die Erwartung noch nicht ausgeschloffen, daß die türkische Regierung aus

eigener Entschließung zur Ausfühmng der Reformen schreiten werde, über welche die europäischen Mächte sich

geeinigt hatten.

auf der Konferenz in Konstantinopel

Diese Erwartung ist nicht in Erfüllung gegangen:

Se.

Majestät der Kaiser hofft jedoch, daß nunmehr ein baldiger Friede die Grundsätze jener Konferenz zur Anwendung bringen und dauernd sicher

stellen werde.

Die verhältnismäßig

geringere Beteiligung der Interessen

Deutschlands im Orient gestattet für die Politik des Reiches eine uneigen*

nützige Mitwirkung an der Verständigung der betheiligten Mächte über

künftige Garantien gegen die Wiederkehr der Wirren im Orient und zu Gunsten der christlichen Bevölkerung.

Inzwischen hat die von Sr. Majestät

dem Kaiser vorgezeichnete Politik ihr Ziel bereits insoweit erreichen können,

als sie wesentlich dazu mitgewirkt hat, daß der Friede zwischen den euro­ päischen Mächten erhalten worden ist und zu ihnen allen Deutschlands

Beziehungen nicht nur friedliche, sondern durchaus freundschaftliche geblieben sind und mit Gottes Hülfe bleiben werden.

117.

Schreiben Kaiser Wilhelms an Papst Leo XIII. Berlin, den 24. März 1878.

Guilielmus Dei Gratia Imperator et Rex Leoni XIII.,

Summo

Ecclesiae Romano-Catholicae Pontifici Salutem.

Ich habe das Schreiben vom 20. v. M., durch welches Ew. Heiligkeit Mich von Ihrer Erhebung auf den Päpstlichen Stuhl in Kenntnis zu setzen

216

Drittes Buch 1871—1881.

die Güte haben, durch Bermittelung der verbündeten Regierung Sr. Majestät

des Königs von Bayern mit Dank erhalten.

Ich beglückwünsche Sie auf­

richtig dazu, daß die Stimmen des heiligen Kollegiums sich auf Ihre Person vereinigt haben, und wünsche Ihnen von Herzen eine gesegnete Regierung der Ihrer Obhut anvertrauten Kirche. Ew. Heiligkeit heben mit Recht hervor, daß meine katholischen Unter­ thanen gleich den andern der Obrigkeit und

keit

ihren Gesetzen

beweisen, welche den Lehren des gemeinsamen

entspricht.

die Folgsam­

christlichen Glaubens

Ich darf in Anknüpfung an den Rückblick, den Ew. Heiligkeit

auf die Vergangenheit werfen, hinzufügen, daß Jahrhunderte hindurch

der

christliche Sinn des deutschen Volkes den Frieden im Lande und den Ge­ horsam gegen dessen Obrigkeit treu bewahrt hat und für die Sicherstellung dieser wertvollen Güter auch für die Zukunft Bürgschaft leistet.

Gern entnehme Ich den freundlichen Worten Ew. Heiligkeit die Hoffnung, daß Sie geneigt sein werden, mit dem mächtigen Einfluß, welchen die Ver­ fassung Ihrer Kirche

Ew. Heiligkeit auf alle Diener derselben

dahin zu wirken, daß auch diejenigen unter den letzteren, welche

unterließen,

nunmehr dem Beispiel

gewährt, es bisher

der ihrer geistigen Pflege befohlenen

Bevölkerung folgend, den Gesetzen des Landes, in dem sie wohnen,

sich

fügen werden.

Ich bitte Ew. Heiligkeit, die Versicherung Meiner größten Hochachtung genehmigen zu wollen. Guiliclmus Imperator et Rex.

von Bismarck.

118. Allerhöchster Erlaß. Die That eines auf

Irrwege

geratenen

Menschen'),

welcher an­

scheinend nach Meinem von Gottes gnädiger Fügung so lange beschützten

Leben trachtete, hat zu ungemein

zahlreichen Kundgebungen der Treue und

Anhänglichkeit an Mich Veranlassung gegeben,

innig erfreut haben.

Nicht allein

auch vielfach aus dem Auslande,

die Mich tief gerührt und

aus dem ganzen Deutschland, sondern

von Behörden, Korporationen, Vereinen,

von Privatpersonen aller Lebenskreise und aller Lebensalter ist Mir bethätigt worden, daß das Herz des Volkes bei seinem Kaiser und Könige ist und *) Hödel.

Deutsches Reich. 1878.

217

baß es Gutes und Trauriges treu mit ihm empfindet.

Dasselbe Gefühl habe

Ich insbesondere auch hier in jedem Auge gelesen, in welches Ich nach diesem Vorfall gesehen, und Ich bin in der That tief und warm von der würdigen

und erhebenden Art

gerührt worden,

in welcher die Bevölkerung Berlins

Ich

wünsche, daß Jeder, der Mir seine

Mir ihr Mitgefühl gezeigt hat.

auch wissen möge, daß

Theilnahme bethätigte,

wohlgethan hat, und

er damit Meinem

beauftrage Ich Sie zu diesem Zwecke, das

Herzen

Vor­

stehende bekannt zu machen. Berlin, den 14. Mai 1878.

Wilhelm.

An den Reichskanzler.

119. Schreiben des Kronprinzen an Papst Leo XHI. Berlin, den 10. Juni 1878.

Ew.

Heiligkeit

für

die

aus

Anlaß des

Attentates vom 2. d. M.

bewiesene Teilnahme Selbst zu danken, ist der Kaiser, leider noch nicht im Stande;

Obliegenheiten sein,

Mein Herr Vater,

gern lasse Ich es daher eine Meiner ersten

an Seiner Statt Ihnen

für den Ausdruck

Ihrer

freundlichen Gesinnung aufrichtig zu danken.

Der Kaiser hatte mit Beantwortung des Schreibens Ew. Heiligkeit vom 17. April gezögert in der Hoffnung, daß vertrauliche Erläuterungen inzwischen

die Möglichkeit gewähren würden, auf den schriftlichen Ausdruck prinzipieller

Gegensätze zu verzichten, welcher sich bei Fortsetzung des Schriftwechsels im Sinne des Schreibens Ew. Heiligkeit vom 17. April nicht vermeiden läßt.

Nach Inhalt des letzteren muß Ich leider annehmen, daß Ew. Heiligkeit die

in

dem Schreiben

Meines

Herrn

Vaters vom 24. März

ausgedrückte

Hoffnung nicht glauben erfüllen zu können, daß Ew. Heiligkeit den Dienern

Ihrer Kirche den Gehorsam gegen

die Gesetze

und gegen die Obrigkeit

ihres Landes empfehlen würden. Dem dagegen in

Ihrem Schreiben vom 17. April ausgesprochenen

Verlangen, die Verfassung und die Gesetze Preußens nach den Satzungen

der römisch-katholischen Kirche abzuändern, wird

kein preußischer Monarch

entsprechen können, weil die Unabhängigkeit der Monarchie, deren Wahrung

Mir gegenwärtig als Mein Land obliegt,

ein Erbe Meiner Väter und als eine , Pflicht gegen eine Minderung erleiden würde, wenn die freie Be­

wegung ihrer Gesetzgebung einer außerhalb derselben stehenden Macht unter-

218

Drittes Buch. 1871—1881.

geordnet werden sollte.

Wenn es daher nicht in Meiner, und vielleicht auch

nicht in Ew. Heiligkeit Macht steht, jetzt einen Prinzipienstreit zu schlichten,

der seit einem Jahrtausend in der Geschichte Deutschlands sich mehr als in der anderer Länder fühlbar gemacht hat, so bin Ich doch gern bereit, die Schwierigkeiten,

welche sich aus diesem von den Vorfahren überkommenen

Konflikte für beide Teile

in dem Geiste der Liebe zum Frieden

ergeben,

und der Versöhnlichkeit zu behandeln, welcher das Ergebnis Meiner christ­ lichen Überzeugungen ist.

Unter der Voraussetzung, Mich mit Ew. Heiligkeit

in solcher Geneigtheit zu begegnen, werde Ich die Hoffnung nicht aufgeben,

daß da, wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch ver­

söhnliche Gesinnung beider Teile auch für Preußen den Weg zum Frieden

eröffnen werde, der andern Staaten niemals verschlossen war. Genehmigen

Ew. Heiligkeit den Ausdruck

Meiner persönlichen Er­

gebenheit und Verehmng. Friedrich

Wilhelm,

Kronprinz. von Bismarck.

120. Erlaß des Kronprinzen. Kaum der meuchlerischen Hand eines Verblendeten durch Gottes Gnade entgangen, hat des Kaisers und Königs Majestät, Mein Herr Vater, Sich

zum zweitenmale dem Geschosse eines im Versteck lauernden Verbrechers ausgesetzt gefunden. seinen

Der Frevler hat zwar leider! des Zieles nicht gefehlt,

verruchten Zweck aber nicht

erreicht.

Die Schmerzen,

welche die

zahlreichen Wunden verursachten, traten zurück gegen den tiefen Kummer, welcher das landesväterliche Herz des Kaisers und Königs durch die noch am

Abend Seines bisher so reichgesegneten Lebens Ihm nicht ersparte Erfahrung bedrückte, daß im deutschen Volke solche Unthaten in rascher Folge reifen konnten.

Die herzliche Teilnahme indes,

welche sich alsbald in der Ein­

wohnerschaft der Residenz zu erkennen gab, die Entrüstung über das Ver­

brechen, verbunden mit der innigen Freude über die Errettung aus unmittel­

barer Todesgefahr, die Segenswünsche, welche aus allen Kreisen und allen

Teilen des

deutschen Vaterlandes, ja von überall,

selbst in den

wo

im Auslande und

fernsten Weltteilen Deutsche weilen, in Adressen, in sinniger

*) Dr. Nodiling.

Deutsches Reich.

1878.

219

Dichtung und in Telegrammen, in Blumenspenden und ähnlichen Aufmerksam­

keiten durch ständische und kommunale Vertretungen, weltliche und kirchliche Korporationen, Behörden, Vereine, Versammlungen, durch Würdenträger und

durch Privatpersonen ohne Unterschied des Standes und des Berufs, des Alters und Geschlechts in wärmster Weise Ausdruck fanden, haben jeden Zweifel

des Kaiserlichen Herrn an der unveränderten Treue und Liebe des deutschen Volkes verbannt, und dessen Überzeugung neu gekräftigt, daß die verderbliche Saat, aus welcher die Frevclthaten entsprossen sind, in dem Pariotismus

der Nation keinen nachhaltigen Boden finden werde.

Se. Maj. der Kaiser

und König, Mein Herr Vater, ist überaus gerührt von den zahlreichen

Beweisen lauterster Anhänglichkeit, welche sich noch täglich mehren, und hat Mir aufgetragen, Allen, nah und fern, welche Ihm das volle Vertrauen

in die Treue und hingebende Gesinnung des Volkes wiedergewährt, Allen, welche durch sympathische Kundgebungen auf Seinem Schmerzenslager Sein

Herz mit wohlthuender Freude erfüllt haben, den innigsten Dank zu sagen. Ich entledige Mich dieser Allerhöchsten Weisung, indem Ich Sie veranlasse, das Vorstehende zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

Berlin, den 11. Juni 1878.

Friedrich Wilhelm,

Kronprinz. An den Reichskanzler.

121. Rede jur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 9. September 1878.

Geehrte Herren!

Im Allerhöchsten Auftrage

haben seine

Kaiserliche

und Königliche

Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen mich *)

zu

ermächtigen geruht, im Namen der verbündeten Regierungen die Sitzungen

des Reichstags zu eröffnen. . Als die letzte Session geschloffen wurde, befand sich das deutsche Volk noch unter dem Eindrücke der tiefen Erregung, welche ein gegen die Person

Sr. Majestät des Kaisers gerichteter Mordversuchs) hervorgerufen hatte.

Schon wenige Tage darauf hat sich abermals und mit unhellvollerem Erfolge *) Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode als Stellvertreter des Reichskanzlers.

s) Hödels Mordversuch 11. Mai 1878.

Drittes Buch. 1871-1881.

220

die Hand eines Verbrechers gegen das Oberhaupt des Reiches erhoben ’). Gottes Gnade bewahrte zwar auch diesmal das Leben des

Kaisers,

aber

die erlittenen schweren Verwundungen haben Se. Majestät genötigt, bis zur

völligen Genesung Sich der Regierungsgeschäfte zu enthalten und die Wahr­

nehmung derselben Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen zu übertragen. Schon nach dem ersten Mordanfall waren die verbündeten Regierungen überzeugt, daß die Frevelthat unter dem Einflüsse der Gesinnungen entstanden

sei, welche durch eine auf Untergrabung

der bestehenden Staats- und Ge­

sellschaftsordnung gerichtete Agitation in weiten Kreisen erzeugt und genährt werden.

Sie haben

deshalb

dem

Reichstag

den Entwurf eines Gesetzes

vorgelegt, welches diesen gemeingefährlichen Bestrebungen ein Ziel zu setzen

bestimmt war.

Die Vorlage wurde abgelehnt. Jetzt, wo der ganzen Nation

ein erneutes Verbrechen die dem Reich

und der ganzen bürgerlichen Gesellschaft drohende Gefahr mehr und mehr zum

allgemeinen

Bewußtsein

gebracht hat, werden Sie, geehrte Herren,

durch Neuwahlen zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufen, aufs

zu prüfen haben,

ob

das

neue

bestehende Recht genügende Handhabungen zur

Unschädlichmachung jener Bestrebungen bietet.

Die verbündeten Regierungen

Sie sind nach wie vor der Ansicht,

haben ihre Ueberzeugung nicht geändert.

daß cs außerordentlicher Maßregeln bedarf, um der weitern Ausbreitung des cingerissenen Übels Einhalt zu thun und den Boden für eine allmähliche

Heilung zu bereiten; sie halten ebenso

an der Anschauung

fest, daß die

zu wählenden Mittel die staatsbürgerliche Freiheit im allgemeinen zu schonen und nur dem Mißbrauch derselben entgegenzuwirken haben, mit dem eine

verderbliche

Agitation

die Grundlagen

unseres

staatlichen

und

Kultur­

lebens bedroht. Ein von diesen Gesichtspunkten

aus

wird

aufgestellter Gesetzentwurf

Ihnen unverzüglich vorgelegt werden. Die verbündeten Regierungen hegen die Zuversicht, daß die neuge­

wählten Vertreter der Natton ihnen die Mittel nicht versagen werden, welche notwendig sind, um die friedliche Entwickelung des Reiches Angriffe ebenso sicher zu stellen, wie gegen äußere.

gegen

innere

Sie geben sich

der

Hoffnung hin, daß, wenn erst der öffentlichen Ausbreitung der unheilvollen Bewegung ein Ziel gesetzt ist, die Zurücksührung der Irregeleiteten auf den richtigen Weg gelingen wird. *) NobilingS Mordversuch, 2. Juni 1878.

Deutsches Reich.

Auf Allerhöchsten Befehl

1878.

221

im

erkläre ich

Namen

der

verbündeten

Regierungen den Reichstag für eröffnet.

122.

Rede jur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 19. November 1878.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Im Allerhöchsten Auftrage haben Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit

der Kronprinz mich *) zu ermächtigen geruht, die Sitzungen des Landtages der Monarchie zu eröffnen. Tief schmerzliche und erschütternde Ereignisse haben seit dem Schluffe

der vorigen Session das Vaterland in der Person Sr. Majestät des Kaisers

und Königs betroffen;

das

teure Leben

Monarchen, zweimal

des

von

Frevlerhand bedroht und gefährdet, ist durch Gottes gnädiges Walten dem Volke erhalten und in fast wunderbarer Weise neu gestärkt worden.

Die Tage der Trübsal und Prüfung aber sind zugleich Tage vater­ ländischer Erhebung und Bewährung geworden: von neuem hat sich in all­ seitigen

lebhaften Kundgebungen

offenbart,

daß

das Herz

des Volkes

in

treuer Liebe und Verehmng bei seinem Könige ist. Die Bethätigung dieses patriotischen Geistes, sowie der tiefe und nach­

haltige Eindruck jener schweren Erfahmngen gewähren die Zuversicht, daß

es

gelingen werde, die

traurigen

Berirmngen,

zu

deren

äußerer

Ein­

schränkung die Reichsgesetzgebung die unerläßlichen Handhaben gewährt hat, durch vertrauensvolles Zusammenwirken aller staatserhaltenden Kräfte, ernster Fürsorge für das

allseitige Gedeihen des Bolles allmählich

in auch

innerlich zu überwinden.

Das innige Band, welches bindet, hat sich

auch

das Volk mit seinem Fürstenhause ver­

in dem zuversichtlichen

Vertrauen bewährt,

welches

Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen bei der einst­ weiligen Fühmng der Regierung von allen Seiten entgegengebracht worden

ist

und welches

Höchstdemselben die Erfüllung der schweren Aufgabe im

Sinne Sr. Majestät des Königs wesentlich erleichtert hat. Die Staatsregiemng nimmt für die beginnende Session Ihre wirkung vor allem zur Lösung

von

Mit­

Schwierigkeiten in Anspruch, welche

*) Vizepräsident der Staats-Ministeriums, Graf zu Stolberg-Wernigerode.

222

Drittes Buch. 1871—1881. Zwar hat das

auf dem Gebiete der Finanzverwaltung hervorgetreten sind.

letzte Verwaltungsjahr, wie Sie aus der Ihnen alsbald vorzulegenden Über­ sicht der Einnahmen und Ausgaben desselben ersehen werden, wiederum noch

einen nicht unerheblichen Überschuß ergeben.

Allein die abermalige Erhöhung

des Matrikularbeitrages für das Reich nimmt diesen Überschuß fast voll­

ständig in Anspruch, so daß nur ein geringfügiger Betrag davon für die Ausgaben des nächsten Jahres zur Verfügung bleibt.

dem erhöhten Matrikularbeitrag

Bei diesen Ausgaben ist außer

für das Reich ein beträchtlicher Mehrauf­

wand zur Verzinsung der öffentlichen Schuld und für abweisliche Bedürfnisse vorzusehen,

einige andere tut«

während Ersparungen nur in geringem

Umfange thunlich erscheinen, wenn die Schädigung wichtiger Interessen und

die Verkümmerung erfreulicher Entwickelungen vermieden werden soll. Große einmalige Einnahmen, wie sie in den diesjährigen Etat ein­

gestellt

werden konnten,

sind

für das

nächste Jahr auch

nähernder Höhe nicht vorhanden, die regelmäßigen

nur

in

an­

Einnahmequellen des

Staates aber lassen unter dem leider noch fortdauernden Dmck, der so lange

schon auf fast allen Gebieten der Erwerbsthätigkeit lastet,

ein irgend ins

Gewicht fallendes Mehrerträgnis nicht in Aussicht nehnten.

Die Einnahmen

reichen daher auch zur Deckung der ordentlichen Ausgaben nicht hin.

Die zur notwendigen baldigen Beseitigung dieses Mißverhältnisses er­ forderlichen Mittel werden auf dem dem Reiche überwiesenen Gebiete der Besteuerung zu suchen und, wie die Staatsregierung fest vertraut, zu finde»

sein; — bis dahin aber wird es nötig sein, die zur Ergänzung der Ein­ nahmen des nächsten Staatshaushalts-Etats erforderlichen Mittel im Wege

der Anleihe zu beschaffen.

Der nach

diesen Gesichtspunkten

ergänzendes besonderes Anleihegesetz

aufgestellte Etat und ein denselben

werden Ihnen unverzüglich vorgelegt

werden. In der Etatsaufstellung kommen mehrere Änderungen in den Ressort­

verhältnissen der Ministerien

zum Ausdruck, deren Bedürfnis schon seit

längerer Zeit hervorgetreten war.

Die bedeutende Zunahme einzelner Ge­

schäftszweige, die dadurch hervorgerufene übermäßige Belastung der betreffenden

Ministerien und die

Erwägung, daß gleicharttge Angelegenheiten richttger

unter gemeinsamer Leitung zu vereinigen sind, haben dahin geführt, mit einer veränderten Einteilung vorzugehen. Insoweit durch diese Veränderungen

die anderweittge Regelung

einzelner gesetzlicher Kompetenzbestimmungen be­

dingt ist, wird Ihnen ein darauf bezüglicher Gesetzentwurf vorgelegt werden.

Die Vorarbeiten für die Weiterführung der Reform der innern Ber-

223

Deutsches Reich 1878.

waltungseinrichtungen haben infolge der Aufgaben von unmittelbarer Dring­

lichkeit, welche die Staatsregierung seit dem Frühjahre ununterbrochen in Anspruch genommen haben, bisher nicht soweit gefördert werden können, daß Ihnen in der gegenwärtigen Session weitere Vorlagen darüber zugehen könnten; die Durchführung des bedeutsamen Reformwerkes für die gesamte

Monarchie

gehört jedoch

nach wie vor zu den nächsten Zielen, welche die

Staatsregierung im Zusammenwirken mit der Landesvertretung zu erreichen hofft.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Aufbringung der Gemeindeabgaben,

welcher in der vorigen Sitzung nicht zum Abschluß gelangte, ist, unter wesent­ licher Berücksichtigung der bei der Kommissionsberatung des Abgeordneten­ hauses hervorgehobenen Gesichtspuntte, neu bearbeitet worden und wird der

Beschlußfassung des Landtags wiedemm unterbreitet werden. Das Interesse der Verwaltung erfordert immer dringlicher die Fest­

stellung der Bestimmungen in betreff der Vorbildung für den höheren Ver­ waltungsdienst; der darauf bezügliche Gesetzentwurf wird Ihnen von neuem

vorgclcgt werden. Die Reform der sächsischen Domstifter wird Sie wiederum beschäftigen.

In hervorragendem Maße wird Ihre Thätigkeit auf dem Gebiete der Rechtspflege durch eine Reihe von Gesetzentwürfen in Anspruch genommen

werden, welche die Ausführung und Ergänzung der am 1. Oktober kommenden

Jahres in Kraft tretenden deutschen Justizgesetze bezwecken. Die durch diese Gesetze angeordnete Aufhebung der Universitätsgerichts­

barkeit macht eine gleichzeitige Neuordnung der Rechts- und Disciplinar­ ein darauf be­

verhältnisse der Sttldierenden notwendig.

Es wird Ihnen

züglicher Gesetzentwurf vorgclcgt werden.

Die Bestimmungen desselbm sind

dem im vorigen Jahre ausgearbeiteten Entwürfe des Unterrichtsgesetzes ent­ nommen, dessen weitere Beratungen im Laufe des letzten Jahres teils wegen

der Schwierigkeiten vielfacher dabei zu erledigender wichtigen Fragen, teils

aus äußeren Gründen nicht soweit haben gefördert werden können, um den

vollständigen Entwurf Ihrer Beschlußnahme schon in dieser Sitzungsperiode zu unterbreiten.

Die Staatsregierung ist

sich

jedoch

ihrer Verpflichtung,

denselben mit allen Kräften auch ferner zu fördern, vollständig bewußt. jetzt darf sie

Schon

freilich ihre Überzeugung dahin aussprechen, daß auf dem­

jenigen Gebiete, auf welchem

die Neuregelung der gegenwärtig bestehenden

Verhältniffe am dringlichsten ist, dem der Unterhaltting der öffentlichen Volks­

schulen, eine befriedigende Lösung der Aufgabe nicht ohne sehr erhebliche finanzielle Mehraufwendungen des Staates möglich sein wird, für tvclche die Mittel neu zu beschaffen sind.

224

Drittes Buch. 1871—1881. Die gewerblichen Interessen nehmen fortgesetzt die volle Aufmerksamkeit

der Regierung in

Anspruch.

Von der Förderung und Neugestaltung des

gewerblichen Unterrichtswesens, wie von der Unterstützung der auf dem Gebiete

der Kunstindustrie hervortretenden Bestrebungen, welche die Regierung sich

angelegen sein läßt, —

darf ein günstiger Einfluß auf die Hebung der

Industrie erwartet werden.

Um die vaterländische Produktion nachhaltig zu steigern und die Aus­ führung zweckmäßiger Unternehmungen im Interesse des Verkehrs und der Landeskultur durch genossenschaftliche Vereinigung der Beteiligten und durch eine auf angemessenen Bedingungen beruhende Zuführung reichlicherer Geld­

mittel zu befördern, ist es erforderlich, die bestehende Gesetzgebung über

die Bildung von Meliorationsgenossenschaften weiter auszubilden und gleich­

zeitig die Errichtung provinzieller Landeskultur-Rentenbanken nach gesetzlichen Normen

anzubahnen.

Über beide Gegenstände werden Gesetzvorlagen an

Sie gelangen. Im Interesse der Landeswohlfahrt erweist sich eine kräftigere Zusammen­ fassung und Ordnung des Eisenbahnwesens, sowie die Ergänzung des vater­

ländischen Eisenbahnnetzes in verschiedenen Teilen erläßlich.

des

Staates als un­

Sofern, wie gehofft wird, die behufs demnächstiger Überführung

wichtiger Aktien-Eisenbahn-Unternehmungen

in die Hände des Staates und

für den Bau einiger besonders dringlicher Eisenbahnlinien eingeleiteten Vor­ arbeiten bei Zeiten zum Abschluß gelangen, wird Ihnen eine desfallsige Vor­ lage zugehen.

Für die im Berkehrsinteresse

erwünschte nachdrückliche Verbesserung

der öffentlichen Wafferstraßen ist die Verwendung weiterer außerordentlicher Mittel in Aussicht genommen.

Die in der vorigen Session nicht erledigte Gesetzvorlage über

den

Schutz der Felder und Forsten wird Ihnen mit einigen, zumeist dem Er­

gebnis Ihrer Beratungen entsprechenden Änderungen wieder zugehen. Meine Herren! Ungeachtet der durch die Verhältniffe gebotenen Ein­

schränkung

auf die dringendsten Aufgaben ist Ihnen wiederum

mannigfacher Thätigkeit Staatslebens eröffnet.

für

eine

ersprießliche

Mögen Ihre

Entwickelung

des

ein Feld innern

Beratungen unter dem Walten des

patriotischen Geistes, der sich in dieser schweren Zeit so lebhaft bethätigt hat,

dem Vaterlande zum Segen gereichen!

Deutsches Reich 1879.

225

123. Thronrede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Mittwoch, den 12. Februar 1879.

Geehrte Herren! Indem Ich Sie willkommen heiße, drängt es Mich,

auch von dieser

Stelle Meinen Dank für Gottes Gnade zu wiederholen, die Mich in Gefahr beschirmt und von schweren Leiden geheilt hat.

Sohne,

dem Kronprinzen, nochmals

Ich spreche zugleich Meinem

Meine Anerkennung seiner Führung

der Regierungsgeschäste aus und danke Ihnen, geehrte Herren, für die Unter­ stützung, welche Sie den Verbündeten Regierungen gewährt haben, um im

Wege des Gesetzes einer gegen die Grundlagen unseres staatlichen Kultur­

lebens gerichteten Agitation Einhalt zu thun. die Zukunft in

gleichem Maße

Ich darf demnach auch für

auf Ihre Mitwirkung rechnen, soweit die

Heilung unserer sozialen Schäden sich als unvollendet erweisen sollte.

Die verbündeten Regierungen beraten über die Mittel, welche die Ge­

setzgebung zu gewähren vermag, um Übelstände, unter denen wir auf wirt­

schaftlichem Gebiete leiden, zu heben oder zu mindern.

Die Vorschläge, welche Ich Meinen Bundesgenossen teils gemacht habe, teils zu machen beabsichttge,

haben zunächst den Zweck, durch Beschaffung

neuer Einnahmequellen für das Reich die einzelnen Regierungen

in den

Stand zu setzen, daß sie auf Forterhebung derjenigen Steuern zu verzichten

vermögen, welche sie und ihre Landesvertretungen als die am schwersten aufzubringenden erkennen.

Zugleich bin Ich der Meinung, daß unsere wirt­

schaftliche Thätigkeit in ihrem gesamten Umfange auf diejenige Unterstützung

vollen Anspruch hat, welche die Gesetzgebung über Steuern und Zölle ihr zu gewähren vermag, und in den Ländem, mit denen wir verkehren, viel­ leicht über das Bedürfnis hinaus gewährt.

Ich halle es für Meine Pflicht,

dahin zu wirken, daß wenigstens der deutsche Markt der nattonalen Pro­ duktion insoweit erhalten werde,

als dies mit unseren

Gesamtintereffen

verträglich ist und daß demgemäß unsere Zollgesetzgebung den bewährten Grundsätzen wiedemm näher trete, auf welchen die gedeihliche Wirksamkeit des Zollvereins fast ein halbes Jahrhundert bemht hat, und welche in unserer

Handelspolitik seit dem Jahre 1865 in wesentlichen Teilen verlassen worden

sind.

Ich vermag nicht zu erkennen, daß thatsächliche Erfolge dieser Wen­

dung unserer Zollpolittk zur Seite gestanden haben.

Die Vorlagen in der

angedeuteten Richtung werden, insowett und sobald die Einigung der verDreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

15

Drittes Buch. 1871—1881.

226

Kündeten Regierungen über dieselben stattgefunden haben wird, Ihrer Be­ schlußnahme unterbreitet werden.

Für den bisherigen Reichshaushalts-Etat, welcher Ihnen ungesäumt

zugehen wird, haben neue Einnahmequellen noch nicht in Aussicht genommen werden können, und es ist daher, um den Etatsbeschluß bis zum 1. April

zu ermöglichen, die Deckung der Bedarfsziffer durch Matrikularumlagen in

Ansatz zu bringen gewesen.

Ich darf hoffen, daß noch während Ihrer dies­

jährigen Session Ihnen die Vorschläge der verbündeten Regierungen über

Ersetzung der Matrikularbeiträge durch andere Einnahmequellen werden zu­ gehen können.

Als einen dringlichen Gegenstand Ihrer Verhandlungen darf Ich den am 16. Dezember vorigen Jahres mit Österreich abgeschlossenen Handels­

vertrag bezeichnen, welcher Ihrer Genehmigung bedarf.

Die Verträge, durch welche der zu Bern 1874 begründete allgemeine Postverein befestigt und, im Abschlüsse seines Grundgedankens, der Gesamtzeit der

Verkehrsländer zugänlich gemacht worden ist, werden Ihnen zur Genehmigung zugehen.

Ebenso wird der Gesetzentwurf gegen Verfälschung der Lebensmittel

Ihrer Beratung von neuem unterbreitet werden und werden die Entwürfe

zur Ergänzung der Justizgesetze Ihrer Beschlußfassung unterliegen. Um dem Reichstag die Möglichkeit zu gewähren, die Ehre der Mit­ bürger,

welche dem Reichstag nicht angehören, gegen die Ausschreitungen

einzelner Mitglieder zu schützen und seiner eignen Autorität da, wo sie ver­

kannt wird, vollen Nachdruck zu gewähren, haben die verbündeten Regierungen

zu Ihrer Beschlußnahme

einen Gesetzentwurf vorgelegt, durch dessen An­

nahme die verfassungsmäßigen Befugnisse des Reichstags, nach Artikel 27 seine Disziplin selbst^ zu regeln, eine erweiterte gesetzliche Unterlage gewinnen

würden. Die beunruhigenden Nachrichten über den Ausbruch der Pest int Osten

Europas haben uns in

die bedauerliche Notwendigkeit gesetzt, Vorsichts­

maßregeln zu treffen, welche dem Verkehr lästig fallen.

Die jüngsten Nach­

richten geben der Hoffnung Raum, daß die baldige Unterdrückung der Krank­

heit wenigstens in Rußland den energischen Vorkehmngen der Kaiserlich russischen Behörden gelingen werde.

Sobald

sich

dies bestätigt,

wird der

Grenzverkehr sofort wieder auf den, den politischen Beziehungen beider befreundeten Länder enffprechenden nachbarlichen Fuß gesetzt werden.

Die Ungewißheit, in welcher die Schlußbestimmung von Artikel V des Prager Friedens von

1866 die Zukunft der Einwohner der nördlichen

Distrikte von Schleswig erhielt, hat Mich, nachdem die Lösung dieser Frage

Deutsches Reich. 1879.

227

in wiederholten Unterhandlungen mit Dänemark nicht gelungen war, ver­ anlaßt, mit Se. Majestät dem Kaiser von Österreich und König von Ungarn

in Verhandlung über eine Abänderung jenes Artikels zu treten.

Den gegen­

wärtigen freundschaftlichen Beziehungen beider Reiche entsprechend, ist eine

Vereinbarung beider Höfe in dem gewünschten Sinne zu stände gekommen und am 11. Januar dieses Jahres ratifiziert worden, deren Wortlaut zu Ihrer Kenntnis mitgeteilt werden wird.

Die Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Krieges im Orient, die Ich beim Beginn der letzten ordentlichen Session aussprach, hat sich erfüllt,

und es ist den im vorigen Sommer versammelten Vertretern der Groß­ mächte gelungen, sich über Anordnungen zu verständigen, von deren Durch-

führung der Schutz

der Christen, die Sicherung der Ruhe im türkischen

Reiche und die Wahrung des Friedens der Mächte Europas zu erwarten ist.

Die durch den Berliner Vertrag bekräftigten friedlichen Beziehungen

der auswärtigen Mächte zu Deutschland und unter einander zu fördern, soll auch semer die Aufgabe sein und bleiben, in deren Dienst Ich die große

Macht, welche Deutschland durch seine Einigung gewonnen hat, verwenden will, soweit sie in Meine Hand gelegt ist.

Wenn Mir Gott die Erfüllung

dieser Aufgabe gewährt, so will Ich mit dem dankbaren Gefühle, daß Meine Regierung bisher eine reich gesegnete sei, auch auf die schweren Erfahrungen

des letzten Jahres zurückblicken.

124. Rede;um Schluß des Landtags, Freitag, den 21. Februar 1879.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich *) zu beauftragen ge­

ruht, den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu schließen.

Die Session, welche hiermit zu Ende geht, und die Legislaturperiode, welche in diesem Jahre abläuft, waren

von dringenden Aufgaben der Ge­

setzgebung, namentlich im Zusammenhänge und in Wechselwirkung mit den neuen Gestaltungen und Entwickelungen auf dem Boden der Gesetzgebung

des Reiches, in Anspruch genommen. Die zahlreichen und schwierigen Ausführungsgesetze zur deutschen Ge*) Bicepräsident des StaatS-MinisteriumS, Graf zu Stolberg-Wernigerode.

15*

Drittes Buch. 1871—1881.

228

richtsverfafsung sind durch die sorgfältige und umsichtige Behandlung, welche denselben in den Kommissionen und in der Plenarberatung der beiden Häuser gewidmet worden ist, soweit zur Vereinbarung gelangt, daß es gelingen wird,

die bedeutsame Reform, die umfassendste, welche auf dem Gmnde der na­ tionalen Gemeinschaft bisher ins Leben gemfen

worden ist, innerhalb der

preußischen Monarchie in allen ihren Teilen rechtzeitig zur Durchführung zu

bringen.

Die mannigfachen, unvermeidlichen Schwierigkeiten, mit Übergang in

welchen der

die neuen Verhältnisse für den Richterstand verknüpft ist,

werden durch thuulichste Schonung und Rücksichtnahme, soweit möglich, über­ wunden oder gemildert werden.

Auch

auf andern Gebieten der Gesetzgebung sind erwünschte Erfolge

erreicht worden.

Unter allseitigem Entgegenkommen ist das Gesetz vereinbart

worden, durch welches für die Heranbildung der höheren Verwaltungsbeamten

wieder eine feste Grundlage gewonnen ist. Auch die Interessen der Landeskultur haben durch die Ergebnisse dieser Session eine dankenswerte Förderung er­ fahren.

Bei den Beratungen des Staatshaushalts-Etats,

welche mit Rücksicht

auf die Schwierigkeiten der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse eine erhöhte Sorgfalt in Anspruch genommen und gefunden haben, ist nicht bloß

ein Einverständnis in Bezug auf die Deckung des unmittelbaren finanziellen

Bedarfs erzielt, sondern auch vermöge des Einvernehmens über die leitenden Gesichtspunkte der preußischen Finanzpolitik in ihrem notwendigen Zusammen­

hänge mit dem Finanzwesen des Reiches der wünschenswerten Verständigung

auf dem Gebiete der Reichspolitik vorgearbeitet worden.

Die Staatsregie­

rung erblickt hierin ein günstiges Vorzeichen für die Erfüllung der Aufgaben

wirtschaftlicher Reform, welche sie als eine der Bedingungen der gedeihlichen

Entwickelung und Hebung der Volkswohlfahrt

erkennt und für welche sie

ihre volle Kraft auch im Reiche einzusetzen entschloffen ist. Indem ich den beiden Häusern

des Landtags die Anerkennung Sr.

Majestät des Kaisers und Königs für ihre erfolgreiche Thätigkeit ausspreche, füge ich den Ausdruck der Hoffnung hinzu,

daß die Staatsregierung dem­

nächst auch für die weiteren Aufgaben der Befestigung und gesunden Ent­

wickelung unserer Institutionen eine bereitwillige und vertrauensvolle Unter­ stützung in der Landesvertretung finden werde.

Im Merhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs er­

kläre ich die Session des Landtags der Monarchie für geschloffen.

Deutsches Reich. 1879.

229

125. Deutsch-Österreichischer Bündnisvertrag, DienStag, den 7. Oktober 1879.

Die Regierungen Deutschlands und der österreichisch-un-

garischenMonarchie haben sich zu der Veröffentlichung ihres am 7. Ok­

tober 1879 abgeschloffenen Bündnisses entschlossen, um den Zweifeln ein Ende zu machen, welche

an den rein defensiven Intentionen desselben auf

verschiedenen Seiten gehegt und zu verschiedenen Zwecken verwertet werden. Beide verbündete Regierungen sind in ihrer Politik von dem Bestreben ge-

leitet, den Frieden zu

erhalten und Störungen desselben nach Möglichkeit

abzuwehren; sie sind überzeugt, daß die Bekanntgabe des Inhalts ihres

Bündnisvertrages jeden Zweifel hierüber ausschließen wird und haben des­ halb beschlossen, denselben zu veröffentlichen. *)

Der Text lautet:

In Erwägung, daß Ihre Majestäten der Deutsche Kaiser, König von Preußen, und der Kaiser von Österreich, König von Ungarn, es als Ihre unabweisliche Monarchenpflicht erachten müssen, für die Sicherheit ihrer Reiche und

die Ruhe Ihrer Völker unter

allen

Umständen Sorge zu tragen;

In Erwägung, daß beide Monarchen, ähnlich wie in dem früher bestan­ denen Bundesverhältnisse, durch festes Zusammenhalten beider Reiche, im stände sein werden, diese Pflicht leichter und wirksamer zu erfüllen;

In Erwägung schließlich, daß ein inniges Zusammengehen von Deutsch­ land und Österreich-Ungarn niemanden bedrohen kann, wohl aber geeignet ist, den durch die Berliner Stipulationen geschaffenen europäischen Frieden

zu konsolidieren,

haben Ihre Majestäten der Kaiser von Deutschland und

der Kaiser von Österreich, König von Ungarn, indem Sie Einander feierlich versprechen, daß Sie Ihrem rein defensiven Ab­ kommen eine aggressive Tendenz nach keiner Richtung jemals beilegen wollen, einen Bund des Friedens und der gegenseitigen Verteidigung zu knüpfen

beschlossen. Zu diesem Zwecke haben Allerhöchst Dieselben zu Ihren Bevollmäch­ tigten ernannt: Se. Majestät der Deutsche Kaiser Allerhöchst Ihren

außerordentlichen

und

bevollmächtigten

Bot­

schafter, Generallieutenant Prinzen Heinrich VII. Reuß rc. rc. ’) Die Veröffentlichung erfolgte am 3. Februar 1888.

Drittes Buch. 1871—1881.

230

Se. Majestät der Kaiser von Österreich, König von Ungarn,

Merhöchst Ihren Wirklich Geheimen Rat, Minister des Kaiser­

lichen Hanfes und

des Äußern, Feldmarschall-Lieutenant Julius

Grafen AndrLssy von Csik-Szent-Kiraly und Kraszna-Horka rc. rc., welche sich zu Wien am heutigen Tage vereinigt haben und nach Austausch

ihrer

gut und

genügend

befundenen

übereingekommen

Vollmachten

sind,

wie folgt:

Artikel I. Sollte wider Verhoffen und gegen den aufrichtigen Wunsch der beiden

Hohen Kontrahenten

eines

der beiden Reiche von Seiten Rußlands an­

gegriffen werden, so sind die Hohen Kontrahenten verpflichtet, Einander mit

der gesamten Kriegsmacht Ihrer Reiche beizustehen und demgemäß den Frieden

nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen. Artikel II. Würde

Einer der Hohen kontrahierenden Teile von einer anderen

Macht angegriffen werden, so verpflichtet sich hiermit der andere Hohe Kon­ trahent, dem Angreifer

gegen Seinen Hohen Verbündeten nicht nur nicht

beizustehen, sondern mindestens

eine wohlwollende neutrale Haltung gegen

den Hohen Mitkontrahenten zu beobachten.

Wenn jedoch in solchem Falle die angreifende Macht von feiten Ruß­ lands, sei es in Form einer aktiven Kooperation, sei es durch militärische

Maßnahmen, welche den Angegriffenen bedrohen,

unterstützt werden sollte,

so tritt die im Artikel I dieses Vertrages stipulierte Verpflichtung des gegen­ seitigen Beistandes mit voller Heeresmacht auch

in diesem Falle sofort in

Kraft, und die Kriegführung der beiden Hohen Kontrahenten wird

auch

dann eine gemeinsame bis zum gemeinsamen Friedensschluß.

Artikel III.

Dieser Vertrag soll in Gemäßheit seines friedlichen

Charakters und

um jede Mißdeutung auszuschließen, von beiden Hohen Kontrahenten geheim gehalten und einer dritten Macht nur im Einverständnisse beider Teile und

nach Maßgabe spezieller Einigung mitgeteilt werden. Beide Hohe Kontrahenten geben Sich nach den bei der Begegnung in

Alexandrowa ausgesprochenen Gesinnungen des Kaisers Alexander der Hoff­ nung hin, daß die Rüstungen Rußlands sich

als

bedrohlich für Sie in

Wirklichkeit nicht erweisen werden, und haben aus diesem Gmnde zu einer Mitteilung für jetzt keinen Anlaß, — sollte sich aber diese Hoffnung wider

Deutsches Reich.

231

1879.

Erwarten als eine irrtümliche erweisen, so würden die beiden Hohen Kon­

trahenten es als eine Pflicht der Loyalität erkennen, den Kaiser Alexander mindestens vertraulich darüber zu verständigen, daß Sie einen Angriff auf

Einen von Ihnen als gegen Beide gerichtet betrachten müßten.

Urkund

dessen

haben

die Bevollmächtigten

diesen

Vertrag

eigen­

händig unterschrieben und ihre Wappen beigedrückt.

Geschehen zu Wien, am 7. Oktober 1879.

H. VII P. Reuß. (L. 8.)

Andrüssy. (L. 8.)

126. Thronrede ;nr Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 28. Oktober 1879.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Indem Ich die Gesamtvertretung der Monarchie nach Erneuerung des

Hauses der Abgeordneten wiederum begrüße, ist es Mir Bedürfnis, noch­ mals den Gefühlen innigen Dankes Ausdruck zu geben für die Beweise der

Teilnahme, Gottes

welche Mir und Meiner Gemahlin bei Gelegenheit des durch

Gnade

im Frühjahr

begangenen Festes *) aus allen Kreisen des

Volkes, zugleich unter reicher Bethätigung des Patriotismus, gewidmet worden

sind.

In jenen Kundgebungen habe Ich

Erweisen der Liebe und Treue,

ebenso

wie in den mannigfachen

die Mir neuerdings in verschiedenen Pro­

vinzen der Monarchie zu teil geworden sind, eine erhebende Bestätigung der Überzeugung gefunden, daß unter allem Wandel der Zeiten das innige Band zwischen Fürst und Volk, auf welchem das Erblühen der preußischen

Monarchie von jeher bemht hat, in alter Festigkeit besteht und eine weitere

gesegnete Entwickelung verbürgt. Die Finanzlage und der Staatshaushalt werden infolge der Mehr­ einnahmen,

welche auf Grund der Steuerreform im Reiche aus

den Er­

trägen der Zölle und der Tabaksteuer den einzelnen Staaten zufließen sollen,

im Laufe der nächsten Jahre allmählich leichterungen erfahren.

erhebliche Veränderungen und Er­

Dieselben konnten jedoch bei der Aufstellung des Etats

für das nächste Jahr noch nicht von entscheidender Bedeutung sein.

Wenn

auch aus den Erträgen der Reichssteuem eine nicht unbeträchtliche Mehr*) Goldene Hochzeit, am 11. Juni.

232

Drittes Buch. 1871-1881.

einnahme schon für das nächste Jahr in Aussicht genommen werden kann,

so wird doch die augenblickliche Finanzlage noch wesentlich durch die Nach­ wirkung der seitherigen Verhältnisse bestimmt. Im letzten Verwaltungsjahre haben die Einnahmen zur Bestreitung

der Ausgaben nicht hingereicht.

Auch

ist eine Erhöhung des Matrikular-

beitrags für das laufende Jahr notwendig geworden. Bei dem auf den meisten Gebieten der Erwerbsthätigkeit fortdauernd

lastenden Drucke haben die Ausgabebedürfnisse des Staates in den regel­

mäßigen Einnahmen des nächsten Jahres ihre Deckung nicht vollständig finden können.

Die zur Ergänzung erforderlichen Mittel werden

Wege der Anleihe zu beschaffen sein.

wiedemm

im

Die darauf bezüglichen Gesetze werden

Ihnen mit dem Staatshaushalts-Etat unverzüglich vorgelegt werden.

Meine

Regiemng hegt die Zuversicht, daß Sie ihr bereitwillig helfen werden, die

Schwierigkeiten der jetzigen Übergangszeit zu überwinden, des Übergangs, so Gott will, zu einer Zeit neuen wirtschaftlichen und finanziellen Aufschwungs.

In Erfüllung der dem Landtage während der vorigen Session erteilten Zusage wird Ihnen alsbald der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt werden,

welches die Verwendung der dem Staatshaushalte aus

dem Ertrage der

Reichssteuern zufließenden Mehreinnahmen zu Klaffen- und Einkommensteuer-

Erlassen, vorbehaltlich anderweitiger, mit Zustimmung des Landtags darüber

zu treffender Verfügungen, zu regeln besttmmt ist.

Eine durchgreifende Reform der direkten Besteuerung wird bis zu einer günsttgeren Gestaltung der Finanzlage vorzubehalten sein.

Um aber eine für viele Gemeinden dringend wünschenswerte Erleichte­ rung ihres Haushaltes durch Erweiterung ihrer Einnahmequellen

eintreten

zu lassen, wird Ihnen die Einführung einer Steuer vom Ausschank geistiger

Getränke und vom Kleinhandel mit Branntwein vorgeschlagen werden.

Der Entwurf dieses Gesetzes, von welchem zugleich eine heilsame Gegen­ wirkung gegen den in wirtschaftlicher und sittlicher Hinsicht bedenklichen An­ drang

zu derarttgen Geschäften erwartet werden darf, sowie ein fernerer

Gesetzentwurf wegen Besteuerung des Wanderlagerbetriebes zu gunsten der Kommunen wird Ihnen demnächst zugehen.

In hervorragender Weise wird Ihre Mitwirkung auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens in Anspruch genommen werden.

Durchdmngen von der

Überzeugung, daß nur im Wege entschlossener Durchführung des Staats­ eisenbahnsystems

die Eisenbahnen der öffentlichen Wohlfahrt mit solchem

Nachdruck und Erfolge dienstbar gemacht werden können, wie dies die Inter­

essen des Landes mit wachsender Stärke erheischen, hat Meine Regiemng

Deutsches Reich. 1879. mehrere Verträge

vereinbart,

233

welche die Überführung

wichtiger Aktien-

Eisenbahn-Unternehmungen in die Hände des Staates zum Gegenstand haben. Dieselben werden alsbald Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden.

Wesent­

lich vermöge der von ihr eingeschlagenen Schritte ist die Regiemng in den Stand gesetzt, Ihnen zugleich die Ausführung neuer Eisenbahnlinien durch

die Hand oder doch mit Unterstützung des Staates vorzuschlagen — dazu

bestimmt, wichtige Landesteile aufzuschließen und mit dem vaterländischen Eisenbahnnetze in Verbindung zu bringen.

Auch die Verbesserung der Wasserstraßen bildet den Gegenstand gelegentlichster Fürsorge Meiner Regierung.

an­

In einer ausführlichen Denk­

schrift werden Ihnen die Ziele dargelcgt werden, welche die Regierung in

planmäßigem Vorgehen bei der Regulierung der 5 Hauptströme, des Rheins, der Weser, der Elbe, der Oder und der Weichsel ins Auge gefaßt hat, und

welche Gesamtmitkel dafür erforderlich sind.

Die weitere Durchführung

der Verwaltungsreform erfordert Abände­

rungen in der Einrichtung der höheren Verwaltungsbehörden, deren gleich­

zeitige Einführung in dem gesamten Umfange der Monarchie zur Herstellung

einer gleichmäßigen Organisation der allgemeinen Landesverwaltung geboten erscheint.

Nicht minder bedarf es der Ausdehnung der Verwaltungs-Gerichts­

barkeit und der Vorschriften über die Zuständigkeit

und das Verfahren der

Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsbehörden auf das ganze Staats­

gebiet.

Dieselbe

wird bedingt durch eine Revision der bezüglichen Gesetze,

welche unter Aufrechterhaltung der Grundlagen derselben die bei ihrer Hand­ habung hervorgetretenen Mängel beseitigt.

In den Gesetzentwürfen, welche

behufs Erreichung dieser Ziele Ihnen zur Beschlußfassung zugehen werden,

sind zugleich Übergangsbestimmungen

vorgesehen, um die Wirksamkeit der

neuen Einrichtungen in denjenigen Landesteilen sicher zu stellen,

welche der

Verwaltungsreform entsprechende Kreis- und Provinzialordnungen noch nicht

besitzen.

Den Erlaß der letzteren unausgesetzt zu fördern, wird Meine Re­

giemng sich angelegen sein lassen.

Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aufbringung der Gemeinde­ abgaben, deffen Vereinbarung durch die Ausdehnung der Verwaltungsreform

erleichtert, aber auch um so dringlicher wird, soll Ihnen von neuem vor­ gelegt werden. Meine Regiemng ist bestrebt gewesen, die durch die neue Organisation

der Gerichte und

die Einfühmng des neuen Prozeßverfahrens bedingten

umfangreichen und vielseitigen Arbeiten so zu fördem, daß die am 1. Ok­ tober dieses Jahres in Kraft getretenen Reichsjustizgesetze und die dieselben

Drittes Buch.

234

1871—1881.

ergänzenden Landesgesetze einen geebneten Boden fanden.

Die neuen Ge­

richte haben ihre Thätigkeit sofort zu beginnen vermocht.

Das erstrebte

Ziel einheitlicher Handhabung der Rechtspflege ist damit erreicht und so die

große nationale Aufgabe,

ein einheitliches deutsches

Recht herbeizuführen,

ihrem Abschlüsse wesentlich näher gebracht. Der Entwurf einer für die ganze Monarchie bestimmten Jagdordnung, welcher den Mängeln der bestehenden Jagdpolizeigesetze Abhilfe verschaffen

soll, wird Ihnen im Laufe Ihrer Beratungen zugehen. Die auch

in der vorigen Session nicht erledigte Vorlage über den

Schutz der Felder und Forsten

wird erneut ein Gegenstand Ihrer Be­

ratungen sein. Meine Herren!

Indem Ihnen hiermit

wiederum ein ausgedehntes

Feld wichtiger und mühevoller Arbeit eröffnet ist, darf Ich das Vertrauen hegen,

daß

Sie

Meiner Regierung bereitwillige

Unterstützung gewähren

werden, um nächst der allgemeinen Aufgabe der Gesetzgebung besonders das

Werk wirtschaftlicher

Neugestaltung, welches

durch (die

Reichsgesetzgebung

hoffnungsvoll angebahnt ist, auch auf dem Boden der preußischen Staats­

einrichtungen im Interesse aller Vollskreise erfolgreich durchzuführen.

In der versöhnlichen Wirkung solchen gemeinsamen Strebens wird sich um so leichter auch der Ausgleich mancher Gegensätze finden lassen. Es ist Mein

sehnlicher

Frieden, der Mir dringend

Wunsch, daß die

beginnende

Session den

am Herzen liegt, auch im Innern nach allen

Richtungen fördere und dadurch eine segensvolle Bedeutung

Das

gewinne.

walte Gott!

127.

Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 12. Februar 1880.

Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser und König

haben mir') den Auftrag

zu

erteilen geruht, die Sitzungen des Reichstags zu eröffnen.

Der Entwurf des Reichshaushalts-Etats wird Ihnen unverweilt vor­ gelegt werden.

Er ist unter Berücksichttgung der finanziellen Erträgnisse

aufgestellt, welche die im verflossenen Jahre unter Ihrer Zustimmung

vor­

genommenen Reformen im nächsten Etatsjahre voraussichtlich ergeben werden. *) Graf Stolberg-Wernigerode als Vertreter des Reichskanzlers.

235

Deutsches Reich. 1880.

Zugleich ist sorgsam darauf Bedacht genommen worden, die Ausgaben des

Reichs in den Grenzen zu halten,

vorgezeichnet sind; gleichwohl hat

welche durch es sich

das dringende Bedürfnis

als unerläßlich

gezeigt, in einer

Erhöhung der diesjährigen Matrikularbeiträge und in einer Anleihe Deckungs­

mittel für Aufwendungen vorzusehen,

welche ohne überwiegenden Nachteil

Dieser Erscheinung steht die schon bei

nicht zurückgestellt werden können.

von Sr. Majestät dem Kaiser und König

Eröffnung des letzten Reichstags

betonte Notwendigkeit zur Seite, den einzelnen Regierungen durch Erhöhung

die Mittel zu

gerechter und wirtschaftlicher

Ausgleichung der Landessteuern zu gewähren.

Diese Bedürfnisse legen den

der Einnahmen des Reiches

verbündeten Regierungen die Pflicht auf, der im vorigen Jahre begonnenen

Reform der Finanzgesetzgebung des Reiches

eine weitere Ausdehnung

zu

geben; die Ergebnisse ihrer darüber schwebenden Berathungen werden, sobald

sie zum Abschluß gelangt sind, dem Reichstag zugehen. Auch für die geschäftlichen Formen, in

welchen bisher die gesetzliche

Feststellung des Reichshaushalts-Etats erfolgte, hat sich das Bedürfnis einer Änderung in jedem Jahre dringlicher herausgestellt.

Art. 69

der Reichsverfassung,

nach welcher

Die Bestimmung

des

der Reichshaushalts-Etat

für

jedes Etatsjahr vor dessen Beginn durch ein Gesetz festzustellen ist, macht cs

unvermeidlich, den Reichstag zu einer Zeit einzuberufen, zu welcher in der Regel zahlreiche Landtage die ihnen verfassungsmäßig obliegenden Geschäfte noch nicht zur Erledigung gebracht haben.

den Reichs- wie den Landesinteressen

und Landtags-Sessionen

erwächst,

Um der Beeinträchtigung, welche

aus der Gleichzeitigkeit der Reichs­

wirksamer zu begegnen, als es auf den

seither eingeschlagenen Wegen erreichbar gewesen ist, werden die verbündeten ^Regierungen Ihnen eine Gesetzes-Borlage zugehen lassen, welche den Artikel 69 und einige mit ihm in in

dem Sinne

Verbindung stehende Artikel der Reichsverfassung

abzuändem bezweckt,

Reichshaushalts-Etats

fortan

auf

daß die

gesetzliche Feststellung des

einen Zeitraum

von je

zwei Jahren

stattfinden soll. Einer Umgestaltung und Weiterbildung bedürfen ferner die Grundlagen,

auf welchen das Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 das deutsche Heer­ wesen geordnet hat.

Staaten so

Seit dem Erlaß dieses Gesetzes sind in benachbarten

umfassende Erweiterungen der Heereseinrichtungen zur Durch­

führung gelangt, daß das Deutsche

Reich,

unbeschadet der Friedfertigkeit

seiner Politik, im Interesse seiner Sicherheit genötigt ist, auch

tärischen

Einrichtungen zu

vervollständigen.

seine mili-

Wenn angesichts der Opfer,

welche das deutsche Volk schon jetzt für die Sicherstellung seiner Unabhängig-

Drittes Buch. 1871—1881.

236 leit

bringt,

die

verbündeten

Regierungen

nur

Steigerung derselben in Aussicht nehmen, so

Widerstreben

mit

eine

hegt Se. Majestät der Kaiser

und König doch keinen Zweifel daran, daß der Schutz der höchsten nationalen

Güter gegen jede Gefährdung von außen her von dem gesamten Volke und seinen Vertretern mit gleicher Klarheit für notwendig

und mit gleicher Entschiedenheit gefordert wird, wie von

deutschen

erkannt

verbündeten

den

Regierungen. Um die durch Umtriebe einer Umsturzpartei bedrohte innere Sicherheit des Reiches zu schützen, haben Sie in der ersten Session der gegenwärtigen Legislaturperiode dem

Gesetze

gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen

der Sozialdemokratie Ihre Zustimmung erteilt. bis zum 31. März 1881 Geltung erhalten.

Ausfühmng

desselben ergriffen sind,

haben

Dies Gesetz hat damals nur

Die Maßnahmen, welche zur den Erfolg gehabt, jene Be­

strebungen in gewissen Schranken zu erhalten; sie völlig

zu verhindern, ist

in der seither verflossenen Zeit nicht gelungen und wird auch binnen Jahres­ frist

nicht

zu ermöglichen

sein.

Es

wird Ihnen deshalb

vorgeschlagen

werden, die Geltung des erwähnten Gesetzes auf eine angemessene Zeit über den 31. März 1881 hinaus zu verlängern.

Der Einschleppung und Verbreitung von Viehseuchen haben die Landes­ gesetzgebungen bisher mit ungleichem Erfolge abzuhelfen gesucht.

Nachdem

von Reichs wegen einheitliche Maßregeln zur Bekämpfung der Rinderpest

festgestellt worden sind, haben die verbündeten Regierungen beschlossen, durch Vorlage eines weiteren Gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung Viehseuchen Ihnen Gelegenheit zu eingehender Erörterung

der Fragen

von

zu

geben, welche sich an diesen Gegenstand knüpfen. Aus Anlaß der Justizreform werden Ihnen in der letzten Session die

Entwürfe eines Gesetzes über das

Faustpfandrecht für Pfandbriefe

und

ähnliche Schuldverschreibungen, sowie eines Gesetzes über das Pfandrecht an Eisenbahnen und über die Zwangsvollstreckung in dieselben vorgelegt werden,

welche damals nicht zur Erledigung gelangten.

Beide Entwürfe werden von

neuem Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden. Das

Reich ist fortgesetzt bemüht, dem Handel und

Deutschlands Schutz

und Fördemng zu gewähren.

der Schiffahrt

Ein zu dem Ende im

vorigen Jahre mit Hawaii abgeschlossener und von dem Könige dieses Insel­

staats bereits ratifizierter Handelsvertrag wird Ihnen vorgelegt werden.

zur Beschlußfassung

In gleichem Sinne werden Ihnen Vorschläge zu gunsten

der Aufrechthaltung und Erweiterung der bestehenden und bisher blühenden

237

Deutsches Reich. 1880. deutschen Handelsbeziehungen mit Samoa und andern Inselgruppen

der

Südsee zur Beschlußnahme zugehen. Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu allen auswärtigen Mächten

sind friedlich und freundschaftlich. Friedens durch die Ergebnisse

Das Vertrauen auf die Sicherung

Kaiser und König im vorigen Jahre rechtigtes bewährt.

welchem Se.

des Kongresses,

Ausdruck gab,

hat sich

des

Majestät der als ein be­

Die Bestimmungen des Berliner Vertrags haben in

nahezu allen Punkten ihre Ausführung bereits gefunden. Bestrebungen, den Frieden Europas

An allen weiteren

bauentb sicher zu stellen, bleibt

Deutsche Reich nach wie vor eifrig beteiligt.

Mit der Herstellung

das

unserer

nationalen Einigung sind die friedlichen Neigungen des deutschen Volkes

in ihr volles Recht getreten.

In Bethätigung derselben bleibt die Politik

Sr. Majestät des Kaisers und Königs eine friedliche und erhaltende; mit

der unbeirrten Stetigkeit, welche das Gefühl eigner Kraft verleiht, wird sie

auch ferner bestrebt sein, in voller Uneigennützigkeit

für die Erhaltung des

Friedens nicht nur selbst einzutreten, sondern die Mitwirkung und die Bürg­

schaft der gleichgesinnten Mächte zu gewinnen und sicherzusiellen.

128. Armeebefehl. Soldaten des deutschen Heeres! Es ist Mir heute ein tief empfundenes Bedürfnis, Mich^mit Euch in

der Feier des Tages zu vereinigen, an welchem vor zehn Jahren des all­ mächtigen Gottes Gnade den deutschen Waffen einen der glorreichsten Siege der Weltgeschichte verliehen hat.

Ich rufe denen, welche in jener Zeit schon der Armee angehörten, die ernsten Empfindungen in die Erinnerung

Krieg

gegen

Armee

gingen,

eine

uns in

ebenso

aber

ihren

zurück, mit denen wir in diesen

ausgezeichneten

Eigenschaften bekannte

auch die allgemeine Begeisterung

und das

erhebende Gefühl, daß alle deutschen Fürsten und Völker eng verbunden

für die Ehre des deutschen Vaterlandes eintraten. Ich erinnere an die ersten Tage banger

Erwartung, an

die bald

folgenden ersten Siegesnachrichten, an Weißenburg, Wörth, Spichern, an die Tage vor Metz, an Beaumont und wie endlich dann bei Sedan die Ent­ scheidung in einer unsere

kühnsten Hofftmngm und größten Erwartungen

weit übertreffenden Weise fiel.

Drittes Buch. 1871—1881.

238 Ich erinnere

Dankgefühl an die hochverdienten

auch mit wärmstem

Männer, welche Euch in jener Ruhmeszeit geführt haben, und Ich erinnere endlich an die schweren, schmerzlich betrauerten Opfer, mit denen wir unsere Siege erkämpften.

Es war eine große Zeit, die wir vor zehn Jahren durchlebt haben; die

Erinnemng an sie läßt unser aller Herzen bis

zum letzten Atemzuge hoch

schlagen, und sie wird noch unsere späteren Nachkommen mit Stolz auf die

Thaten ihrer Vorfahren erfüllen.

Wie in Mir die Gefühle des tiefsten Dankes für des gütigen Gottes

Gnade und der höchsten Anerkennung —

insbesondere für alle, die in

dieser Zeit mit Rat und That hervorgetreten sind — leben, das habe Ich oft ausgesprochen, und Ihr kennt das Herz Eures Kaisers genug, um zu wissen, daß diese Gefühle in Mir dieselben

bleiben werden, so

lange Gott

Mir das Leben läßt, und daß Mein letzter Gedanke noch ein Segenswunsch

für die Armee sein wird. Möge die

Armee aber in

dem Bewußtsein

des

Dankes und der

warmen Liebe ihres Kaisers, wie in ihrem gerechten Stolz auf ihre großen Erfolge vor zehn Jahren auch immer dessen eingedenk sein, daß sie nur

dann große Erfolge erringen kann, wenn sie ein Musterbild

füllung aller Anfordemngen der Ehre und der Pflicht ist,

für die Er­

wenn

sie unter

allen Umständen sich die strengste Disziplin erhält, wenn der Fleiß

in der

Vorbildung für den Krieg nie ermüdet und wenn auch das Geringste nicht

mißachtet

wird, um der Ausbildung

ein festes

und

sicheres

Fundament

zu geben.

Mögen diese Meine Worte jederzeit volle Beherzigung finden — auch wenn Ich nicht mehr sein werde — dann wird das deutsche Heer in künftigen Zeiten schweren Ernstes, die Gott noch lange von uns fern halten möge, jederzeit sowie vor zehn Jahren der feste Hort des Vaterlandes sein.

Schloß Babelsberg, 1. September 1880. gez. Wilhelm.

129.

Ansprache des Kaisers bei dem Kölner Domfest, Frettag, dm 15. Oktober 1880. Wer gedenket in dieser Stunde nicht des Tages, Friedrich Wilhelm IV. der Well geschenkt wurde!

an

welchem König

Wer gedenket nicht jenes

4. September 1842, an welchem Mein in Gott ruhender Königlicher Bmder

Deutsches Reiich. 1880.

239

an dieser Stelle öffentlich und feierlich es verkündete, daß er beschloffen habe, den seit Jahrhunderten seiner Vollendung

Dem

Vollendung entgegenzuführen!

harrenden Kölner Dom dieser gewordenen Krahne fügte

geschichtlich

der Königliche Bauherr zum Gedächtnis seines großartigen Unternehmens den ersten Baustein hinzu, der uns heute umkränzt dort oben entgegentritt.

Die allmächtige Vorsehung hat es nicht gewollt, daß der unvergeßliche König

sein ebenso großes wie kühnes Unternehmen, das er mit Vorliebe und Kraft förderte, vollendet sehen sollte.

Aber die Königlichen Worte, die derselbe bei

der Feier vor 38 Jahren hier sprach, zündeten nicht nur

sondern in allen deutschen Landen.

in preußischen,

Die Regierenden an deren Spitze gaben

das Zeichen, den großen Gedanken erfaßt zu haben, und somit wurde dieser ein nationales Gemeingut. Schon

Friedrich Wilhelm III.

Jahre 1825

durch

glorreichen Andenkens hatte seit dem

kräftiges Einschreiten

Chor vor dem Untergange

gerettet.

den

So

Kölner Dom, eins der größten Bauwerke

damals

bestehenden

allein

steht nun heute der

vollendete

aller Zetten, als ein Denkmal

frommen Sinnes, menschlicher Einsicht und Umsicht, einheitlicher Arbeit, aus­ dauernder Thatkraft und Opferfreudigkeit vor uns.

Mögen die zum Himmel emporstrebenden Türme daran erinnern, daß

ohne den gnadenvollen Beistand Gottes nichts auf Erden gelingt.

So

ge­

bührt also vor allem dem Allmächttgen unser Dank, der dieses kühne und gefahr­

volle Unternehmen schützte

und vollenden

Demnächst

ließ.

steigt unser

Dank zu dem Königlichen Bauherrn empor, dessen erhabenem, schöpferischem Geiste wir dieses Werk verdanken, welches von Jahrhundert zu Jahrhundert

seinen

Namen

deshalb

dankbar Preisen wird.

Eine

andere, erhebende,

Meinem Herzen wohlthuende Pflicht der Dankbarkeit erfülle Ich au dieser Stelle, indem Ich den Allerhöchsten

und Höchsten Regierenden und freien

Städten im neugeeinten deutschen Vaterlande den tiefgefühlten Dank aus­

spreche für Wort und That, durch

welche dieselben

Staaten diesen mächtigen Bau durchführen

halfen.

an der Spitze Ihrer Jede einzelne

weit über Deutschlands Grenzen hinaus, finde hier wärmsten Dank. engeren

Vaterlande

Preußen

und

dieser

ehrwürdigen

Gabe,

Meinem

Stadt mit ihrem

Central-Dombau-Berein und deffen Abzweigung gebührt Meine Dankbarkett für das Bestreben aller Schichten der Bevölkerung, das Riesenwerk ihres

Königs gefördert zu haben.

Schließlich gedenken wir in höchster Anerkennung

der Männer, welche an der Hand der Wissenschaft und Kunst diesen Bau

schufen und in der Dombauhütte Kräfte erzogen und leiteten, die mit Aus­ dauer so Großes darstellten.

Drittes Buch. 1871—1881.

240

So begrüßen wir alle dieses herrliche Denkmal, und bleibe

es durch

des Allmächtigen Gnade Frieden verheißend auf allen Gebieten, Gott zur Ehre, uns zum Segen.

130. Rede zur Eröffnung des Landtags, Donnerstag, den 28. Oktober 1880.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags I

Se.

Majestät der Kaiser und König haben mich *) beauftragt,

den

Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.

Zugleich haben Se. Majestät mir zu befehlen geruht, auch von dieser Stelle den Allerhöchsten Dank für die mannigfachen Beweise treuer An­

hänglichkeit, welche Allerhöchst Ihnen neuerdings wieder zu teil geworden sind,

Ausdruck

zu

ist.

für den herzlichen Empfang,

geben, besonders

welcher

den

erhebenden Feste in Köln 2) gewidmet worden

Majestäten jüngst bei dem

Es hat unserm Könige zu hoher Genugthuung gereicht, das Werk,

welches

einst Sein in Gott ruhender Königlicher Bruder,

Stillstand, begeisterten Sinnes

nach längerem

wieder ausgenommen hat, zur Vollendung

und letzten Weihe zu führen. Die

Befferen.

Finanzlage

des

Staates

zeigt

eine

erfreuliche

Wendung

zum

letzten Rechnungsjahres sind zwar noch,

Die Einnahmen des

wenn auch in geringerem Maße, hinter den Ausgaben, welche zum Teil uner­

wartete waren, zurückgeblieben.

Die im Steigen begriffenen Erträge aus den

Reichssteuern und die sich günstiger gestaltenden Verhältnisse der Betriebs­

verwaltungen des Staates, insbesondere der Eisenbahnen, lassen jedoch die

Hoffnung auf dauernde Wiederherstellung des völligen

Gleichgewichts im

Staatshaushalts-Etat als eine wohlbegründete erkennen.

Der auf vorsichtige Annahmen gestützte Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben für das kommende Jahr gewährt das im Vergleich zu den

Vorjahren erfreuliche Ergebnis, daß die ordentlichen Ausgaben in den Ein­ nahmen nicht nur ihre Deckung

finden, fonbent daß noch ein Überschuß

in Aussicht steht, vermöge deffen mit der Vermindemng der direkten Steuem der Anfang gemacht werden kann.

Es wird demgemäß in dem Entwürfe

*) Vicepräsident des StaatS-MinisteriumS, Graf zu Stolberg-Wernigerode.

s) Einfügung des Schlußsteines in die Kreuzblume des nördlichen Turmes des

Kölner Domes am 15. Oktober 1880.

241

Deutsches Reich. 1880.

des Staatshaushalts-Etats Ihrer Zustimmung der aus dem Preußen

werden,

Vorschlag unterbreitet

zustehenden Anteil an den Reichssteuern die

Summe von 14 Millionen Mark zu einem Steuererlaß zu verwenden.

Mit der Vorbereitung einer steuern

ist die

organischen Reform der direkten Staats­ beschäftigt.

Staatsregierung

Schon jetzt wird Ihnen der

Entwurf eines Gesetzes zugehen, nach welchem die aus dem Ertrage neuer oder erhöhter Reichssteuern an Preußen zu überweisenden Geldsummen aus­ schließlich und unverkürzt zur Erleichterung der direkten Besteuerung,

ins­

besondere durch Überweisung der Hälfte des Ertrags der Grund- und Ge­

bäudesteuer zur Erleichterung der Kommunallasten verwendet werden sollen. Durch den stattgehabten Übergang wichtiger Privat-Eisenbahn-Unter-

nehmungen in den Besitz und die Verwaltung des Staates ist die Durch­

führung

des

wie

Staatseisenbahnsystems,

Verwaltung und des Betriebes auf den bahnen erheblich gefördert worden.

bringende

Reform schon

einheitliche

Eine Ihnen

Eisen­

verheißt die unternommene be­

vermöge ihrer seitherigen Ergebnisse frucht­

Erfolge für die Interessen des Verkehrs und zugleich

Staatsfinanzen.

der

Regelung

Obwohl erst kurze Zeit in Wirksamkeit

und noch in der Entwickelung begriffen, deutungsvolle

die

vom Staate verwalteten

zugehcnde

Denkschrift wird

für die

dieses

näher

darlcgen.

Dank jener Reform ist auch die Bereitstellung derjenigen Geldmittel erleichtert, welche die Staatsregiemng

für die Herstellung neuer Schienen­

wege in verschiedenen Teilen des Landes

in Anspruch nehmen wird, um

für weite Kreise neue Quellen des Wohlstandes zu erschließen.

In Erfüllung

der in der vorigen Session

erteilten Zusage werden

Ihnen Gesetzentwürfe zugehen, welche eine erhöhte Gewähr für eine auch dem wirtschaftlichen Interesse des Landes entsprechende Verkehrsleitung auf den für Rechnung des Staates verwalteten Eisenbahnen zu bieten und die Ver­

der Jahresüberschüsse der Eisenbahnverwaltung

regeln

be­

Der Verbessemng der Wafferstraßen widmet die Staatsregiemng

un­

wendung

zu

stimmt sind. ausgesetzt die angelegentlichste Fürsorge.

Im Anschluß an die in der letzten

Session vorgelegte Denkschrift über die Reguliemng der fünf Hauptströme werden Ihnen in einer gleichen Denkschrift die Ziele dargelegt werden, welche die Regiemng bei der Reguliemng verschiedener' kleinerer schiffbarer Flüsse ver­

folgt und welche Mittel dafür erforderlich werden. Die Verwaltungsreform ist durch die in der vorigen Session zu stände gekommenen, inzwischen verkündeten Gesetze über die Organisation der all-

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

16

Drittes Buch. 1871-1881.

242

gemeinen Landesverwaltung und über die Verfassung und das Verfahren der Verwaltungsgerichte um einen bedeutsamen Schritt gefördert worden. mit diesen die

bisher

Um

in Übereinstimmung zu

ergangenen Reformgesetze

bringen, werden Ihnen von neuem die in der letzten Session unerledigt gebliebenen Vorlagen über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte und über die Abändemng

Kreisordnung, sowie eine Novelle Zur Ausdehnung der

und Ergänzung der

zur Provinzialordnung zugehen.

Verwaltungsreform

auf ein

weiteres

Gebiet

werden Ihnen Gesetzentwürfe vorgelegt werden, durch welche die neue Kreis-

und Provinzialverfassung in den Provinzen Posen, Schleswig-Holstein und Hannover mit denjenigen Abänderungen eingeführt werden soll, welche durch

die besonderen Verhältnisse dieser Provinzen und die für dieselben geltenden Gesetze bedingt sind.

Um die Lage der Witwen und

Waisen der Elementarlehrer

zu ver­

bessern, hofft die Regierung zu einer Erhöhung der Pension derselben unter

Bürgschaft der Staatskaffe Ihre Zustimmung zu erhalten.

Über den Betrieb des Pfandleihgewerbes, über die Abänderung des Gesetzes,

betreffend die Einrichtung

öffentlicher Schlachthäuser, sowie

Ausführuung des Reichsgesetzes, betreffend

zur

die Abwehr und Unterdrückung

von Viehseuchen, werden Ihnen Vorlagen zugehen. Meine Herren! werden Sie hiernach

Reben dem Ausbau

der Verwaltungs-Einrichtungen

an Ihrem Teile mitzuwirken haben an der Durch­

führung der wirtschaftlichen Reform, welche für das ganze Reich in Angriff genommen ist.

der

Es handelt sich dabei um die Wohlfahrt und das Gedeihen

Bevölkemng in allen Schichten; um

so

mehr glaubt die Regierung

Sr. Majestät auf Ihr bereitwilliges Entgegenkommen rechnen zu dürfen.

Im Auftrage Sr. Majestät

des Kaisers und Königs erkläre ich den

Landtag der Monarchie für eröffnet.

131.

Rede des Fürsten n. Vismarck zur Eröffnung des preußischen Volkswirtschaftsrates, Donnerstag, den 27. Januar 1881. Indem ich Ihnen, meine Herren, für die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie dem Rufe Sr. Majestät zum Eintritt in den Bolkswirtschaftsrat gefolgt sind, den verbindlichsten Dank der Staatsregierung ausspreche, empfinde ich

243

Deutsches Reich. 1881. das

Bedürfnis,

bei

welche

der

mit

einigen

Worten

Schaffung

neuen

der

Gedanken Ausdruck zu geben,

den

wichtigen

Institution

leitend

ge­

wesen sind. Bei der Diskussion über den bedauerlichen Rückgang, in dem sich unser volkswirtschaftliches Leben einige Jahre hindurch bewegte, und bei den Ver­

handlungen über die Reformen, welche Se. Majestät der König in Gemein­

schaft mit den übrigen Bundesfürsten erstrebte, haben sich wesentliche Meinungs­ verschiedenheiten darüber

ergeben, welchen Ursachen dieser nicht minder auf

landwirtschaftlichem wie auf gewerblichem Gebiete hervorgetretene Rückgang zuzuschreiben sei.

verschiedene Auffassung

ebenso

Eine

scheinungen gefunden, welche in neuester Zeit

haben die

Er­

auf die allmähliche Rückkehr

regelmäßigerer Verhältnisse auf dem wirtschaftlichen Gebiete hindeuten. In dieser Wahrnehmung lag der

letzte

Grund, dem

entscheidende

schon lange gefühlten Bedürfnis entspechend, Sr. Majestät eine Einrichtung

vorzuschlagen, welche ich heute

zu meiner Freude verwirklicht sehe — eine

Einrichtung, welche die Garantie bietet, daß diejenigen unserer Mitbürger,

auf welche die wirtschaftliche Gesetzgebung in erster Linie zu wirken bestimmt

ist, über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der zu gehört werden.

Es

fehlte

bisher

erlassenden Gesetze

an einer Stelle, wo die

einschlagenden

Gesetzesvorlagen einer Kritik durch Sachverständige aus den zunächst beteiligten

Kreisen unterzogen

werden konnten, und

Stande, für ihre Überzeugung

die

Staatregierung

war außer

von der Angemessenheit der Vorlagen das

Maß von Sicherheit zu gewinnen,' welches nötig ist, um der von

ihr zu

übernehmenden Verantwortlichkeit als Grundlage zu dienen.

Sie, meine Herren,

werden uns die Sachkunde

Leben entgegenbringen, Sie

sind berufen,

aus

dem praktischen

ein einheitliches Centralorgan zu

bilden, welches', durch ausgleichendes Zusammenwirken die gemeinsamen und

besonderen Interessen von Handel,

Gewerbe und Landwirtschaft durch freie

Meinungsäußerung wahrzunehmen hat.

Es

ist nicht Zufall, sondern Folge Ihrer an den heimatlichen Herd

gebundenen Thätigkeit, daß die Vertreter der Landwirtschaft und noch mehr die Vertreter von Handel und Gewerbe nicht in gleichem Maße, gelehrten

Berufsstände

können, und daher

an

der

parlamentarischen

in derselben in der Regel

obschon sie die Mehrheit der Bevölkerung bilden. kreise,

in

welchen

die Vorbereitung

Thätigkeit

als die

teilnehmen

als Minderheit erscheinen,

Innerhalb der Regierungs­

der Gesetzvorlagen erfolgt,

muß

der

Natur der Sache nach der Stand der Beamten und Gelehrten überwiegen. Es

erscheint

daher als

ein

Bedürfnis

nicht nur

für die Regierungen, 16*

Drittes Buch. 1871-1881.

244

sondern auch für die Parlamente selbst, daß auch diejenigen an

welche die Wirkung

Stelle zu Worte kommen,

der Gesetze am

geeigneter

meisten zu

empfinden haben. Wie bei anderen Einrichtungen, so handelt es

sich auch hier zunächst,

den richtigen Weg im Vorgehen zu suchen, nicht in dem Sinne, daß die neugeschaffene Institution etwa wiederaufgegeben werden könnte, sondern um zu ermitteln, welche Änderungen und Zusätze sich im Laufe der Zeit auf

dem Grunde praktischer Erfahrung

als

notwendig

oder nützlich

erweisen

Schon heute darf in einer erheblichen Beziehung die Bildung des

werden.

Volkswirtschaftsrates

als abgeschlossen nicht angesehen

meinschaftlichkeit des

deutschen Wirtschaftsgebietes und der deutschen Wirt­

schaftsinteressen, wie die Bestimmungen

werden.

Die Ge­

der Reichsverfassung, wonach die

wirtschaftliche Gesetzgebung der Hauptsache nach dem Reiche zusteht, von selbst dahin, die Errichtung

auch

Deutsche Reich ins Auge zu fassen.

sein, wenn nicht zur Erreichung

führen

eines Bolkswirtschaftsrates für das

Es würde dies von vornherein geschehen dieses Zieles

eine längere

Vorbereitung

notwendig gewesen wäre, für welche die Zeit bis zur nächsten ReichstagsDamit wäre die Möglichkeit ausgeschlossen ge­

Sitzung nicht ausgereicht hätte.

wesen, die

gebung

wichtigen Vorlagen,

beschäftigen

werden,

rechtzeitig zu unterbreiten.

welche gerade in

dem

nächster Zeit die Gesetz­

sachverständigen Urteil

der

Beteiligten

Der preußische Volkswirtschaftsrat wird sicherlich

nicht zu einer partikularistischen Institution werden, die Einrichtung desselben

erscheint vielmehr als der kürzeste Weg, um sprechenden Reichsinstitution zu gelangen.

zur Herstellung einer

Daß das

ent­

Ziel bald erreichbar

sein werde, dafür habe ich gegründete Hoffnung. Die

ersten Gegenstände,

welche Ihrer Beratung

sollen, sind zwei Gesetzentwürfe: Über die Versicherung

unterbreitet werden

gegen

von

Arbeitern

des

Jnnungsw'esens.

Un­

fälle und

über die Neugestaltung

Die Möglichkeit besteht, daß Ihnen auch noch

andere Vorlagen im

Laufe Ihrer ersten Sitzungsperiode zugehen. Mit jenen Entwürfen wird sich zunächst der permamente Ausschuß zu beschäftigen haben.

Thätigkeit

Die Staatsregierung ist sich bewußt, daß sie die

der Herren nicht für zu

lange Zeit in Anspruch nehmen darf;

soweit indessen die Resultate der Beratungen in den Ausschüssen nicht aus­

reichen, um den Faktoren der Gesetzgebung die nötige Aufklärung geben zu können, wird es sich

nicht vermeiden lassen,

auch die Meinungs-Äußerung

245

Deutsches Reich. 1881. des

Plenums herbeizuführen.

Thätigkeit des letztem durch

Auch

in diesem Falle aber wird

sich

die

die von den Ausschüssen ausgegangene Vor­

arbeit wesentlich abkürzen. Dieselben

auf

Erleichtemng

des

Geschäftsganges

abzielenden

Er­

wägungen sind es gewesen, welche das Staats-Ministerium bestimmt haben,

für jedes Mitglied der Ausschüsse die Wahl eines ersten und zweiten Stell­ vertreters in Aussicht zu nehmen.

wird es ermöglicht, daß die

Hierdurch

Herren nach eigner Wahl und Vereinbamng in ihrer Thätigkeit abwechseln,

und daß der einzelne nicht für zu lange Zeit seinen Berufsgeschäften ent­ zogen wird.

Für künftig

der Beratung

zu

wird es sich vielleicht auch empfehlen,

Zeit vor der Einbemfung zugesendet werden.

Gelegenheit gegeben sein,

zu

bilden und

daß die

unterstellenden Vorlagen den Herren Mitgliedern einige

eine

Es würde auf diese Weise

sich schon im Kreise der Fachgenofsen ein Urteil

engere Beziehung

den in den Ausschüssen

zwischen

thätigen und den übrigen Mitgliedern herzustellen.

132.

Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Dienstag, den 15. Februar 1881. Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser und SEönig

haben mir *)

den Auftrag

zu

erteilen geruht, die Sitzungen des Reichstags zu eröffnen.

Der Reichshaushalts-Etat, welcher Ihnen unverweilt vorgelegt werden soll, wird Sie in den Stand setzen, die Ergebnisse zu übersehen, welche die vor zwei Jahren begonnene Reform der Reichsabgaben seither gewährt hat

und ferner zu gewähren verspricht.

In den bisher erreichten wirtschaftlichen

und finanziellen Resultaten erblicken die verbündeten Regierungen die Auf­ forderung, die Grundgedanken jener Reform

zu

weiterer Durchführung zu

bringen, und auf diesem Wege nicht nur die finanzielle Selbständigkeit des

Reiches

anzustreben, sondern

auch

den Bundesstaaten

weitere Mittel

gewähren zur Umgestaltung ihrer Besteuerungsverhältnisse,

zu

zur Minderung

drückender Abgaben und zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen. Welche Mittel die Einnahmen

den einzelnen Staaten für diese Zwecke

zu

gewähren schon im stände sind, wird sich erst übersehen lassen, wenn die Überschüsse des Reiches aus den neuen Zöllen definitiv feststehen werden.

J) Graf zu Stolberg-Wernigerode als Stellvertreter des Reichskanzlers.

246

Drittes Buch. 1871—1881.

Schon jetzt aber glauben die verbündeten Regierungen eine Vermehrung der für jene Zwecke zu verwendenden Einnahmen durch eine neue Ordnung der Stempelgesetze und der Brausteuer erstreben zu sollen.

Schon bei der Eröffnung

des Reichstags

im Febmar 1879 hat Se.

Majestät der Kaiser, im Hinblick auf das Gesetz vom 21. Oktober 1878

der Zuversicht Ausdruck gegeben, daß der Reichstag seine Mitwirkung zur Heilung sozialer Schäden im Wege der Gesetzgebung auch ferner nicht ver­

sagen werde.

Diese Heilung

wird nicht ausschließlich im Wege der Re­

pression sozialistischer Ausschreitungen, positiven Förderung des Wohles

fonbern gleichmäßig

auf dem der

der Arbeiter zu suchen sein.

In dieser

Beziehung steht die Fürsorge für die Erwerbsunfähigen unter ihnen in erster

Linie.

Im Interesse dieser hat Se. Majestät der Kaiser dem Bundesrat

zunächst einen Gesetzentwurf über Versichemng der Arbeiter gegen die Folgen

von Unfällen zugehen lassen, welcher einem in den Kreisen der Arbeiter wie der Unternehmer gleichmäßig empfundenen Bedürfnis zu entsprechen bezweckt. Se. Majestät der Kaiser hofft, daß derselbe im Prinzipe die Zustimmung

der verbündeten Regierungen finden ständigung

der Gesetzgebung

zum

strebungen willkommen sein werde.

und dem Reichstag als eine Vervoll­

Schutze

gegen

sozialdemokratische Be­

Die bisherigen Veranstaltungen, welche

die Arbeiter vor der Gefahr sichem sollten, durch den Verlust ihrer Arbeits­

fähigkeit infolge

von Unfällen oder des Alters,

in eine hilflose Lage zu

geraten, haben sich als unzureichend erwiesen, und diese Unzulänglichkeit hat nicht wenig dazu beigetragen, Angehörige dieser Berufsklasse dahin zu führen, daß sie in der Mitwirkung

zu sozialdemokratischen Bestrebungen den Weg

zur Abhilfe suchten.

In demselben Stadium befindet sich bisher ein Gesetzentwurf, der auf einem nahe verwandten Gebiete die Verhältnisse der Innungen zu regeln

bestimmt ist, indem

er die Mittel gewähren soll, die isolierten Kräfte der

in gleichartigen Gewerbszweigen beschäftigten Personen durch ihre Zusammenfaffung in korporative Verbände zu stärken und dadurch ihre wirtschaftliche

Leistungsfähigkeit sowohl wie ihre sittliche Tüchtigkeit zu heben.

In wiederholten Beschlüssen hat der Reichstag dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Versorgung der Hinterbliebenen von Reichsbeamten gesetz­

lich geregelt werde.

Es wird Ihnen demgemäß ein Gesetzentwurf zu gunsten

der Witwen und Waisen dieser Beamten zugehen. Im

Verbrechen

Gebiet der Strafrechtspflege hat die bedenkliche Zunahme von

und Vergehen,

welche im Zustande

der Trunkenheit verübt

worden und infolgedeffen einer strafrechtlichen Ahndung sich entziehen,

das

247

Deutsches Reich. 1881.

Bedürfnis einer Ergänzung der bestehenden Strafgesetzgebung ergeben. hierauf bezüglicher Gesetzentwurf

Ein

wird Ihrer Beschlußnahme unterbreitet

werden. Einige Abänderungen der Reichsverfassung, welche die Feststellung des

Reichshaushalts- Etats für einen Zeitraum von je zwei Jahren möglichen bezwecken,

geschlagen worden.

zu er­

waren Ihnen bereits in der verflossenen Session vor­

Die

verbündeten Regiemngen befinden sich nach wie

vor unter dem Eindruck der Schwierigkeiten, welche von der jährlichen Kon­ kurrenz der parlamentarischen Arbeiten im Reich und in den Einzelstaaten

unzertrennlich sind, und legen

deshalb den unerledigt gebliebenen Gesetz­

entwurf von neuem vor.

Mit den Regierungen von Griechenland und Brasilien

sind Verhand­

lungen über den Abschluß von Konsularkonventionen eingeleitet.

hoffen, daß derselbe noch

im Laufe dieser Session

Ich darf

erfolgt und daß

noch

während der letzteren Ihre Zustimmung zu diesen Verträgen erlangt werden kann. Zu allen auswärtigen Staaten erfreut

sich das Deutsche Reich fried­

licher und wohlwollender Beziehungen, und insbesondere entspricht unser po­

litisches Verhältnis zu den uns benachbarten großen Reichen der Freundschaft, welche Se. Majestät den Kaiser mit den Beherrschern derselben persönlich verbindet.

Unter den europäischen Mächten herrscht nicht nur in dem Willen

den Frieden zu erhalten, die volle Übereinstimmung, sondern es besteht auch

in betreff der wesentlichen Ziele der zwischen ihnen schwebenden Unterhand­ lungen keine prinzipielle Meinungsverschiedenheit.

Ich bin deshalb ermächtigt,

dem Vertrauen Sr. Majestät des Kaisers Ausdruck zu geben, daß es der Einigkeit der Mächte gelingen werde, auch partielle Störungen des Friedens

in Europa zu verhüten und jedenfalls

so

Deutschland noch dessen Nachbarn berühren.

zu beschränken,

daß sie weder

Viertes Buch. Sozialreform und Kolomalpolitik.

1881—(888.

133.

Allerhöchste Botschaft zur Eröffnung -es Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 17. November 1881 *).

Wir Wilhelm,

von

Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von

Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Wir haben den im

vorigen Reichstag kundgegebenen Wünschen ent­

sprechend, dem früheren Brauche entgegen, den Reichstag noch im laufenden

Jahre berufen, um seine Thätigkeit zunächst für die Feststellung des Reichs­ haushalts-Etats in Anspruch zu nehmen. tage unverzüglich zugehen.

Derselbe zeigt

Der Entwurf wird dem Reichs­ ein erfreuliches Bild

der fort­

schreitenden finanziellen Entwickelung des Reiches und der guten Erfolge der unter Zustimmung des

Steigerung der den

Reichstags

eingeschlagenen

Wirtschaftspolitik.

Die

einzelnen Bundesstaaten vom Reich zu überweisenden

Beträge ist erheblich höher, als die Steigerung der Matrikularbeiträge. Daß der Gesamtbetrag der letzteren im Vergleich mit dem laufenden Rechnungs­ jahre eine Erhöhung erfahren hat,

findet seine Begründung in Einnahme-

Ausfällen und in Bedürfnissen, welche im Interesse

des Reiches nicht ab­

zuweisen sind.

Die Einigung, welche mit der Freien Stadt Hamburg über die Modali­ täten ihres Einschlusses in das Deutsche Zollgebiet erzielt worden ist, wird

der Reichstag mit Uns als einen erfreulichen Fortschritt zu

dem durch die

Reichsverfaffung gesteckten Ziele der Einheit Deutschlands

als Zoll- und

*) Verlesen vom Reichskanzler, Fürsten von Bismarck.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1881. Handelsgebiet begrüßen.

249

Die verbündeten Regiemngen sind der Überzeugung,

l»aß der Reichstag den Abschluß der deutschen Einheit nach dieser Seite

hin und die Vorteile,

welche dem Reiche und seiner größten Handelsstadt

aus demselben erwachsen werden, durch den Kostenbeitrag des Reiches nicht zu teuer erkauft finden und dem hierauf bezüglichen Gesetzentwurf die Zu­

stimmung erteilen werde.

In dem Bestreben, die geschäftlichen Übelstände zu Beseitigen,

welche

sich aus der Konkurrenz der Reichstags-Sessionen mit den Sitzungsperioden

ergeben, hatten die Verbündeten Regiemngen dem

der Landtage

vorigen

Reichstag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Berlängemng der Legislaturund Budgetperioden des Reiches vorschlug, über den aber eine Verständigung

nicht hat erreicht werden können.

Die geschäftliche Notlage der Regierungen

und die Notwendigkeit, den Verhandlungen

der gesetzgebenden Körper des

Reiches sowohl wie der Einzelstaaten die unentbehrliche Zeit und freie Be­ wegung zu sichern, veranlaßt die verbündeten Regiemngen,

der Beschluß­

nahme des Rcichtags wiederum eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten.

Schon im Febmar dieses Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aus­ sprechen lassen,

daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich

im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondem gleich­ mäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen

sein werde.

Wir halten es

für Unsere Kaiserliche Pflicht, dem Reichstage

diese Aufgabe von neuem ans Herz zu legen, und würden Wir mit um so

größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regiemng

sichtlich

gesegnet

hat, zuriickblicken, wenn cs

Uns gelänge, dereinst das

Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften

Hilfsbedürftigen

größere Sicherheit und

Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch

haben, zu hinterlassen.

seines innern Friedens und den

In

Unseren darauf gerichteten Bestrebungen

aller verbündeten Regierungen gewiß und

sind

Wir der Zustimmung

vertrauen auf die Unterstützung

des Reichstags ohne Unterschied der Parteistellungen.

In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session vorgclegte Entwurf eines Gesetzes über die Versichemng der Arbeiter gegen Betriebsunfälle mit Rücksicht auf die im Reichstag statt­

gehabten Verhandlungen über denselben einer Umarbeitung unterzogen, um die erneute Beratung desselben vorzubereiten. Ergänzend wird ihm noch eine Vor­

lage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerb­

lichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt.

Aber auch diejenigen, welche

durch Alter und Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit

250

Viertes Buch.

1881-1888.

gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Für­ sorge, als ihnen bisher hat zu teil werden können. Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine

schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches

auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht.

Der engere

Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen

der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem

Schutz und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen, die Lösung auch

von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde.

Immerhin wird aber auch auf diesem

Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheblicher Mittel zu erreichen sein. Auch die weitere Durchführung der in den letzten Jahren begonnenen Steuerreform weist auf die Eröffnung ergiebiger Einnahmequellen durch in­

direkte Reichssteucrn hin, um die Regierungen in den Stand zu setzen, dafür

drückende direkte Landessteuern abzuschaffen und die Gemeinden von Armenund Schullasten, von Zuschlägen zu Grund- und Personalsteuern und von andern drückenden direkten Abgaben zu entlasten.

Der sicherste Weg hierzu

liegt nach dem in benachbarten Ländern gemachten Erfahrungen in der Einsührung des Tabakmonopols, über welche Wir die Entscheidung der gesetz­

gebenden Körper des Reiches herbeizuführen beabsichtigen.

Hierdurch und

demnächst durch Wiederholung früherer Anträge auf stärkere Besteuerung der Getränke sollen nicht finanzielle Überschüsse erstrebt werden, sondern die

Umwandlung der bestehenden direkten Staats- und Gemeindelasten in weniger

drückende indirekte Reichssteuern. fiskalischen,

sondem auch

kung auf politischem

von

Diese Bestrebungen sind nicht

nur von

reaktionären Hintergedanken frei, ihre Wir­

Gebiete wird allein die sein, daß wir kommenden

Generationen das neu entstandene Reich gefestigt durch gemeinsame und er­ giebige Finanzen hinterlassen.

Die Vorbedingung

sozialen und

für weitere Beschlußnahmen

über die

erwähnten

politischen Reformen besteht in der Herstellung einer zuver­

lässigen Berufsstatistik der Bevölkerung des Reiches, für welche bisher ge­

nügendes und sicheres Material nicht vorliegt. waltungswege beschafft werden kann,

wird

es

So weit letzteres im Ver­

in

kurzem

gesammelt sein.

Vollständige Unterlagen aber werden nur durch gesetzliche Anordnung, deren Entwurf dem Reichstage zugehen wird, zu gewinnen sein.

Wenn danach auf dem Gebiete der innern Reichseinrichtungen weit­ greifende und schwierige Aufgaben bevorstehen, deren Lösung in der kurzen

Frist einer Session nicht zu bewältigen ist, zu deren Anregung Wir Uns

251

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882.

aber vor Gott und Menschen, ohne Rücksicht auf den unmittelbaren Erfolg derselben, verpflichtet halten, so

es Uns um so mehr Freude, Uns

macht

über die Lage Unserer auswärtigen Politik mit völliger Befriedigung aus­

sprechen zu können. Wenn

es in

den letzten zehn Jahren, im Widerspruch mit manchen

Vorhersagungen und Befürchtungen, gelungen ist, Deutschland die Segnungen

des Friedens zu erhalten, so

haben Wir doch in keinem dieser Jahre mit

dem gleichen Vertrauen auf die Fortdauer dieser Wohlthat in die Zukunft

geblickt, wie in dem gegenwärtigen. Die Begegnungen, welche Wir in Gastein mit dem Kaiser von Österreich und König von Ungarn, in Danzig mit dem Kaiser von Rußland hatten, waren der Ausdruck der engen persönlichen

und politischen Beziehungen, welche Uns mit den Uns so nahe befreundeten

Monarchen, und Deutschland mit den beiden mächtigen Nachbarreichen ver­ binden.

Diese von gegenseitigem Vertrauen getragenen Beziehungen bilden

eine zuverlässige Bürgschaft für die Fortdauer des Friedens, auf welche die Politik der drei Kaiserhöfe in voller Übereinstimmung gerichtet ist. Darauf, daß die gemeinsame Friedenspolitik eine erfolgreiche sein werde, dürfen Wir

um so sicherer bauen, als auch Unsere Beziehungen zn allen andern Mächten

die freundlichsten sind..

Der Glaube

an die friedliebende

Zuverlässigkeit

der deutschen Politik hat bei allen Völkern einen Bestand gewonnen, den zu stärken und zu rechtfertigen Wir als Unsere vornehmste Pflicht gegen

Gott und gegen das deutsche Vaterland betrachten. Urkundlich

unter. Unserer

Höchsteigenhändigen

Unterschrift

und

bei­

gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Berlin, den 17. November 1881.

Wilhelm.

(L. 8.)

von Bismarck.

134. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, betr. die Beteiligung der Beamten an den Wahlen, Mittwoch, den 4. Januar 1882.

Das Recht des Königs, die Regierung und die Politik Preußens nach Eigenem Ermessen zu leiten, ist durch die Verfassung eingeschränkt, aber

nicht aufgehoben.

Die Regierungsakte des

Königs

bedürfen der

Gegen­

zeichnung eines Ministers und sind, wie dies auch vor Erlaß der Verfassung

252

Viertes Buch. 1881-1888.

geschah, von den Ministem des Königs zu vertreten, aber sie bleiben Re-

giemngsakte des Königs, aus dessen Entschließungen sie hervorgehen und der Seine Willensmeinung durch

sie verfassungsmäßig

ausdrückt.

Es ist

deshalb nicht zulässig und führt zur Verdunkelung der verfassungsmäßigen

Königsrechte, wenn deren Ausübung so dargestellt wird, als ob sie von den dafür verantwortlichen jedesmaligen Ministem und nicht

Selbst ausginge.

von

dem Könige

Die Verfassung Preußens ist der Ausdruck der monarchischen

Tradition dieses Landes, dessen Entwickelung auf den lebendigen Beziehungen seiner Könige zum Volke beruht.

Diese Beziehungen lassen sich auf die

vom Könige ernannten Minister nicht übertragen, denn sie knüpfen sich an die Person des Königs.

für Preußen.

Ihre Erhaltung ist

Es ist deshalb Mein Wille,

eine staatliche Notwendigkeit daß

sowohl in Preußen, wie

in den gesetzgebenden Körpern des Reiches über Mein und Meiner Nach­ folger verfassungsmäßiges Recht zur persönlichen Leitung der Politik Meiner Regierung kein Zweifel gelassen und der Meinung stets widersprochen werde, als ob die in Preußen jederzeit bestandene und durch Artikel 43 der Ver­

fassung ausgesprochene Unverletzlichkeit der Person des

Königs oder die

Notwendigkeit verantwortlicher Gegenzeichnung Meinen Regierungsakten die Natur selbständiger Königlicher Entschließungen benommen

hätte.

Es ist

die Aufgabe Meiner Minister, Meine verfassungsmäßigen Rechte durch Ver­

wahrung gegen Zweifel und Verdunkelung zu vertreten. warte Ich

von allen Beamten, welche Mir den Amtseid

Das Gleiche er­

geleistet haben.

Mir liegt es fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen, aber für die­ jenigen Beamten, welche mit der Ausführung Meiner Regierungsakte betraut

sind und deshalb ihres Dienstes nach dem Disciplinargesetze enthoben werden können, erstreckt sich

die durch den Diensteid beschworene Pflicht auf Ver­

tretung der Politik Meiner Regierung

auch bei

den Wahlen.

Die treue

Erfüllung dieser Pflicht werde Ich mit Danke erkennen und von allen Be­

amten erwarten, daß sie sich im Hinblick auf ihren Eid der Treue von jeder Agitation gegen Meine Regiemng auch bei den Wahlen fern halten.

Berlin, den 4. Januar 1882. An das Staats-Ministerium.

Wilhelm. von Bismarck.

Sozialresonn und Kolonialpolitik.

1882.

253

135. Rede zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 14. Januar 1882.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Des Kaisers und Königs Majestät haben mich *) zu beauftragen geruht,

den Landtag der Monarchie in Allerhöchst Ihrem Namen zu eröffnen.

Die Finanzlage des Staates zeigt gegen die Ergebniffe der letzten Jahre einen weiteren Fortschritt der Besserung.

Das abgelaufene Rechnungsjahr

hat einen vorzugsweise aus der Verwaltung der verstaatlichten Eisenbahnen herrührenden verfügbaren Überschuß

von beinahe 29 Millionen Mark ge­

liefert und die Ergebnisse der Betriebsverwaltungen, sowie die in andauerndem

Steigen begriffenen Einnahmen aus den Reichssteuern lassen für das künftige Jahr weitere Mehrerträge erwarten. Ungeachtet der gcgenüberstehenden

Mehrausgaben, unter denen ins­

besondere eine nicht unerhebliche Erhöhung der Matrikularbeiträge des Deut­ schen Reiches hervortritt, hat sich doch der Staatshaushalts-Etat für 1882/83

günstiger als für die drei vorhergehenden Jahre gestaltet. Infolgedessen hat darauf Bedacht genommen werden können, den auf fast allen Gebieten der Staatsverwaltung ausgiebiger Weise Befriedigung zu

hervorgetretenen Bedürfnissen in

verschaffen.

Wenn Ihnen dessen un­

geachtet noch die Aufnahme einer Anleihe von mäßigem Betrage vorgeschlagcn

wird, so

geschieht dies in der Absicht kräftigerer Entwickelung der wirt­

schaftlichen Interessen des Staats, insbesondere durch Förderung produktiver Anlagen und Zwecke. Neben dem Staatshaushalts-Etat werden Ihnen Gesetzentwürfe zugehen,

welche in Aussicht nehmen, die Lage der Hinterbliebenen unmittelbarer Staats­ beamten in Übereinstimmung mit der im vorigen Jahre erfolgten gesetzlichen

Regelung dieses Gegenstandes im Reiche sicherer und auskömmlicher zu ge­ stalten, und die Berhältniffe der nach langer Dienstzeit in den Ruhestand zu versetzenden Beamten günstiger als bisher zu regeln.

Die Staatsregiemng muß zu ihrem Bedauern darauf verzichten, die von ihr als dringend erkannte allgemeine Aufbesserung der Beamtenbesol­ dungen schon im nächsten Etatsjahre zu verwirklichen; sie wird aber ernst­ lich darauf bedacht sein, die hierzu erforderlichen nicht unerheblichen Mittel

dem Staathaushalt

zuzuführen, und giebt sich

der Hoffnung hin, daß die

*) Vizepräsident dcS Staats-Ministeriums, Staatsminister v. Puttkamer.

254

Viertes Buch. 1881—1888.

Weitere Ausbildung des

Systems

der indirekten

Steuern im Wege der

Reichsgesetzgebung die baldige Erfüllung auch dieser Wünsche möglich machen werde.

Der in der letzten Landtagssession unerledigt gebliebene Entwurf eines Gesetzes, nach

welchem die aus dem Ertrage neuer oder erhöhter Reichs­

steuern an Preußen zu überweisenden Geldsummen zur Herabminderung der

direkten Steuern und der Kommunalabgaben verwendet werden sollen,

wird

Es sind in diesen Gesetzentwurf die Er­

Ihnen wieder vorgelegt werden.

und die

leichterung der Volksschullasten unter Beseitigung des Schulgeldes

Erhöhung der Beamtenbesoldungen als unmittelbarer Verwendungszweck mit

ausgenommen worden. Nachdem inzwischen das Reichsgesetz über die neu eingeführten Reichs­

stempelabgaben in Kraft getreten ist, wird über die aus den Erträgen der­

selben dem preußischen Staatshaushalte zufließenden Mittel zum erstenmal Verfügung zu treffen sein.

In Verbindung

mit dem

vorbezeichneten Gesetzentwürfe wird Ihnen

ein fernerer Steuererlaß vorgeschlagen werden. Auch in der bevorstehenden Session wird Ihre Mitwirkung auf dem Gebiete

des Eisenbahnwesens in hervorragendem

Maße in Anspruch

ge­

Ermutigt durch die schon bis jetzt erzielten günstigen Er­

nommen werden.

folge der Überführung mehrerer größerer Privateisenbahnen in die Hände des

Staats

und

bestärkt in der Überzeugung, daß

die mit Ihrer Zu­

des Staats-Eisenbahnsystems den Inter­

stimmung verfolgte Durchführung

des Landes in hohem Maße entspricht, ist die Regierung

essen

gewesen, dem Staate den Besitz

bahnen bahnnetz

zu

sichern.

Mit der

einer

Einfügung derselben in das

werden sich die Vorteile einer

bemüht

weiteren Reihe wichtiger Privat­

Staatseisen­

einheitlichen Verwaltung in noch

erhöhtem Maße für das Land nutzbar machen lassen.

Durch die mit den

Gesellschaften vereinbarten Verträge, welche Ihnen werden vorgelegt werden,

ist zugleich die Bereitstellung der erforderlichen Geldmittel für die Herstellung neuer langersehnter Schienenwege wie für mehrere und bauliche Anlagen erleichtert,

größere Beschaffungen

welche der erfreulich wachsende Verkehr

erheischt.

Die in der vorigen Session nicht erledigten Gesetzentwürfe, welche eine erhöhte Bürgschaft für den wirtschaftlichen und finanziellen Erfolg des Staats­

eisenbahnsystems bezwecken, werden Ihnen zur Beschlußfaffung

wiedemm

zugehen. Bon der

unausgesetzten Fürsorge der Staatsregierung für die Ver-

255

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882. besserung der Wasserstraßen wird

die Anforderung

weiterer beträchtlicher

Mittel für die planmäßige Fortsetzung der Stromkorrekttonen wie eine Denk­ schrift über die planmäßige Reguliemng mehrerer kleiner schiffbarer Flüsse, nicht minder eine Denkschrift über

Kanalprojekte Zeugnis

ablegen.

die gegenwärtige Lage der preußischen Die Staatsregierung hegt die Hoffnung,

den Bau der ersten großen Abteilung des Rhein-Weser-Elbe-Kanals zur Verbindung des rheinisch-westfälischen Jndustriebezirks

Nordseehäfen alsbald in Angriff nehmen und

mit den deutschen

zu diesem Ende noch in der

bevorstehenden Session eine bezügliche Vorlage Ihnen zugehen lassen zu können.

Nachdem es

zur lebhaften Befriedigung der Regierung Sr. Majestät

möglich geworden ist, in mehreren katholischen Bistümern eine geordnete Verwaltung wieder herzustellen, sowie dringenden Notständen auf dem Gebiete der Seelsorge Abhilfe zu gewähren, auch der Thätigkeit der krankenpflegenden

Genossenschaften Erweiterung und Erleichterung zu verschaffen, im

wird Ihnen

weiteren Verfolg der im Interesse der katholischen Bevölkerung an­

gebahnten friedlichen Gestaltung der kirchenpolitischen Verhältnisse eine Vor­ lage unterbreitet werden, welche das Gesetz vom 14. Juli 1880, soweit es mit dem Beginn dieses Jahres

außer Wirksamkeit getreten ist, wieder in

Kraft zu setzen und zugleich in wichtigen Punkten zu erweitern bestimmt ist.

Die freundlichen Beziehungen lischen Kirche setzen uns in

zu dem gegenwärtigen Oberhaupte der katho­

die Lage, dem geschäftlichen Bedürfnisse durch

Wiederanknüpfung des diplomatischen Verkehrs

Rechnung zu tragen.

mit der

römischen Kurie

Die Mittel hierfür werden von Ihnen erbeten werden.

Die Ihnen zugehenden Entwürfe einer Kreis- und Provinzialordnung für die Provinz Hannover bekunden den unveränderten Willen der Staatsregienmg, die mit dem Erlasse der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 begonnene und durch die späteren Organisationsgesetze weiter entwickelte Ver­ waltungsreform vermöge schrittweiser Ausdehnung auf das gesamte Staats­ gebiet unter gleichzeitiger Berücksichtigung des aus einer mehrjährigen Er­

fahrung sich ergebenden Revisionsbedürfnisses ihrem Abschlüsse entgegenzu­ führen.

Meine Herren!

Die beiden Häuser des Landtags sind voraussichtlich

zum letztenmal in der gegenwärtigen Gesetzgebungsperiode versammelt. Mögen Ihre Beratungen,

getragen von dem Geiste der Treue und Hingebung für

das Vaterland, gesegnet und für die sittlichen und materiellen Interessen des Volks erfolgreich sein.

Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs

Landtag der Monarchie für eröffnet.

erkläre

ich den

Viertes Buch. 1881-1888.

256

136.

Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 27. April 1882. Geehrte Herren!

Se. Majestät der Kaiser und König haben mir1) den Auftrag zu er­ teilen gemht, die Sitzungen des Reichstags zu eröffnen. Die gesetzgeberischen Aufgaben, für welche Ihre Thätigkeit in Anspruch

genommen wird, sind Ihnen

bereits durch die Allerhöchste Botschaft vom

17. November v. I. an das Herz gelegt worden. Die

hat

Reichsgesetzgebung

die

Bestrebungen

zur Abhilfe

sozialer

Schäden, welche die Kaiserliche Botschaft in Aussicht nimmt, mit dem Gesetz­

entwürfe über Versicherung der Arbeiter gegen Unfälle begonnen. vorjährigen Beratungen des

Aus den

Reichstags über diesen Gegenstand haben die

verbündeten Regierungen den Anlaß genommen, ihre frühere Vorlage einer Umgestaltung zu unterziehen.

Die gegen die früher in Aussicht genommene

Reichsversicherungsanstalt erhobenen Bedenken haben dabei insofern Berück­

sichtigung gefunden,

als die Unfallversicherung der Arbeiter nunmehr auf

eine korporative und genossenschaftliche Organisation der in Betracht kom­ menden industriellen Betriebe

gegründet werden soll.

Der Gesetzentwurf

gewährt den industriellen Verbänden und Genossenschaften eine auf die Ver­

hütung von Betriebsunfällen gerichtete Autonomie.

Er geht von dem Be­

streben aus, die verwaltende Thätigkeit thunlichst zu lokalisieren, die finanzielle Belastung dagegen ans möglichst breite Unterlagen zu verteilen. Eine notwendige Ergänzung finden die Ihnen auf diesem Gebiete vor­

zulegenden Maßnahmen in einer anderweiten Regelung der jetzt bestehenden Hilfskaffengesetzgebung und in der beabsichtigten Ausdehnung der Krankenversicherung.

führung

An Stelle des bisherigen bedingten

wird Ihnen

die Ein­

eines unbedingten Zwanges zur Versicherung gegen die wirtschaft­

lichen Folgen von Krankheitsfällen für alle Arbeiter vorgeschlagen werden, für welche die Durchführung dieser Maßregel möglich erscheint.

Seit Jahren ist in allen Teilen des Reiches mit steigender Dringlich­ keit das Bedürfnis nach einer Revision der über den Gewerbebetrieb im Umherziehen geltenden Vorschriften der Gewerbeordnung hervorgetreten.

Die

verbündeten Regierungen haben beschloffen, Ihnen einen Gesetzentwurf vor-

znlegen, durch welchen die Gewerbeordnung in dem Sinne abgeändert wird,

’) Staatsminister v. Boetticher.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882.

257

daß den mit dem Gewerbebetrieb im Umherziehen auf dem Gebiete der

öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Sittlichkeit verknüpften Gefahren wirk­ samer als bisher begegnet werden kann.

Auf dem Gebiete der Steuerreform hat die Allerhöchste Botschaft vom 17. November v. I. die Abschaffung drückender direkter Landessteuem und

der Zuschläge in Aussicht genommen,

durch welche Gemeinden und andere

Kommunalverbände bisher genötigt sind, den harten und ungleich wirkenden Druck dieser Steuern zu verstärken.

Diese wohlmeinende Absicht zu ver­

wirklichen kann nur dadurch ermöglicht werden, daß das Reich durch Er­ höhung der seiner Gesetzgebung vorbehaltenen indirekten Steuern sich in die

Lage bringt, auf Matrikularbeiträge zu verzichten oder die bisher dazu er­

forderlichen

und

eventuell

auch

höhere

Beträge

den

einzelnen

Staaten

herauszuzahlen, damit sie zur Beruiinderung der Landes- und Kommunal-

steuern verfügbar werden.

Wenn ein Bedürfnis hierzu bei den Einzelstaaten

und ihren Kommunalverbänden nicht empfunden würde,

so läge auch kein

Anlaß vor, eine Erhöhung der indirekten Reichseinnahmen zu erstreben.

Ist

ein solches Bedürfnis aber vorhanden, so kann es nur durch größere Er­

giebigkeit der indirekten Einnahmequellen des Reiches befriedigt werden. verbündeten Regiemngen

sind

von dem

Vorhandensein

des

Die

Bedürfnisses

überzeugt und beantragen Erhöhung der Reichseinnahmen, um ihren Unter­ thanen Steuererleichterungen gewähren zu können.

Unter den

zur Besteuerung durch das Reich geeigneten Gegenständen

steht der Tabak in erster Linie; nicht hierüber, sondem nur über die Form,

in welcher eine höhere Besteuerung dieses Genußmittels herbeizuführen sei, gehen die Meinungen im Reich auseinander und durch die Gesetzgebung herbeizuführcn sein.

wird eine Entscheidung

Die Mehrheit der verbündeten

Regiemngen hält die Form des Monopols für diejenige, welche die Inter­ essen der Konsumenten und Tabakbauer am meisten schont und dabei an Ergiebigkeit alle anderen Formen der Besteuerung

übertrifft.

daher zu anderen Vorschlägen erst dann übergehen,

wenn sie die Aussicht

Sie würde

auf Zustimmung der Volksvertretung zum Monopol aufzugeben genötigt wäre. Wenn die Reichsregiemng

weder in der einen noch

in der andem

Form Aussicht auf die Bewilligung höherer Reichseinnahmen hätte, so würde

sie mit Bedauern und zum Schmerze Sr. Majestät des Kaisers für jetzt auf die Reformen der Steuerverfassung des Reiches und der Einzelstaaten ver­ zichten müssen, welche als ein Bedürfnis der Bevölkemng von allen Regie­

rungen seit Jahren erkannt und in der Botschaft vom 17. November v. I. ver­

heißen sind.

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

17

258

Viertes Buch. 1881—1888.

Die mit der Anwendung des Zolltarifgesetzes gemachten Erfahrungen habm für die Mühlenindustrie die Gewährung einer Ausfuhrerleichtemng

und für einige andere Produktionszweige eine Änderung der Tarifsätze als

wünschenswert ergeben.

Es wird Ihnen daher der Entwurf eines Gesetzes

hierüber vorgelegt werden. Ein zwischen dem Reich und Brasilien abgeschlossener Konsularvertrag

wird Ihrer verfassungsmäßigen Beschlußfassung unterbreitet werden. Die auswärtigen Verhältnisse des Reichs fahren fort, nach jeder Rich­

tung hin das Vertrauen auf die Dauer der friedlichen und freundschaftlichen

welchen die Allerhöchste Botschaft vom

Beziehungen zu rechtfertigen, von

17. November v. I. Zeugnis ablegte.

Je größer die Tragweite der Arbeiten ist, welche Sie, geehrte Herren,

erwarten, desto mehr vertrauen die Verbündeten Regierungen, daß es Ihrer hingebenden Thätigkeit mit Gottes Hilfe gelingen werde, die großen Auf­

gaben, um die es sich handelt,

einer für die Konsolidierung unserer natio­

nalen Einrichtungen und für die gedeihliche Entwickelung des Vaterlandes segensvollen Lösung entgegenzuführen. Im Namen der verbündeten Regierungen erkläre ich auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs den Reichstag für eröffnet.

137. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 14. November 1882. Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags I Indem Ich die Gesamtvertretung der Monarchie am Eingänge einer

neuen Legislaturperiode begrüße, ist

es Meinem Herzen Bedürfnis, von

dieser Stelle aus nochmals Meinem Volle zu danken für den einmütigen

Ausdruck der Liebe und Anhänglichkeit, welchen es Mir und Meinem Hause bei der Geburt Meines Urenkels *) dargebracht hat.

Der durch die

Gesetzgebung

des Reiches angebahnte Aufschwung der

Gewerbethätigkeit begründet gemeinsam mit einem für die meisten Landesteile

gesegneten Ausfall der Ernte die Hoffnung auf fortschreitende Entwickelung

des Wohlstandes aller Bolksklaffen.

Das Mißverhältnis zwischen dem Bedürfnis und den Mitteln des Staates, welches seit Jahren Meine Regierung zu Anträgen auf Einfühmng

nmer indirekter Steuern beim Reich veranlaßt hat, besteht infolge der bis-

*) Prinz Friedrich Wilhelm, geb. am 6. Mai 1882.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1882.

259

herigen Ablehnung fast aller dieser Anträge auch jetzt noch fort.

Dasselbe

ist ein so erhebliches, daß es ohne die endliche Eröffnung solcher Hilfsquellen

nicht ausgeglichen werden kann. Schon das beschränkte, in dem bisherigen Rahmen des Staatshaushalts-

Etats nur zur Geltung gebrachte Ausgabebedürfnis hat nicht ohne außer­ ordentliche Mittel gedeckt werden können.

Auch für den Etat des nächsten

Jahres sind solche erforderlich und durch Benutzung des Staatskredits zu

beschaffen.

Ein entsprechendes

Anleihegesetz wird Ihnen zugleich mit dem

Etat vorgelegt werden. Was das weitergehende Staatsbedürfnis anlangt, so wird Meine Regiemng sich bemühen, durch besondere Gesetzvorlagen, welche die beabsichtigten

Erleichterungen der Kommunal- und Schullasten, sowie die Verbesserung der

Beamtenbesoldungen in Verbindung

mit wünschenswerten organischen Neu­

ordnungen bringen, die Teilnahme und Zustimmung zu gewinnen,

welche

dem wiederholt vorgelegten Entwürfe des Verwendungsgesetzes für die vom Reich zu erlangenden Mehreinnahmen leider versagt geblieben ist.

lich

Hoffent­

wird es so gelingen, dem Bedürfnis Anerkennung zu verschaffen und

auch seinen Umfang

gemeinsam mit Ihnen festzustellen, damit dann die

Reichsgesetzgebung mit besserem

Erfolge für die Abhilfe in Anspruch ge­

nommen werden kann.

Nur in einem Punkte kann dieser zeitraubende Weg nicht eingeschlagen werden: die

Entlastung der ärmeren Klassen der Bevölkemng von dem

Drucke der Klassenstcuer muß nach Meiner Überzeugung ohne Verzug herbei­ geführt werden. wissen.

Es

Es ist Mein Wunsch, die mit der Erhebung dieser Steuer

harten und die Not steigernden Exekutionen bald beseitigt zu

verbundenen,

wird Ihnen ein Gesetzentwurf

wegen sofortiger

vollständiger

Aufhebung der vier untersten Stufen der Klassensteuer vorgelegt werden,

welcher daher auch die einstweilige Deckung für den Ausfall vorzusehen hat.

Das nunmehr in dem größten Teile der Monarchie zur Durchführung

gelangte Staatsbahnsystem

rechtfertigt zu Meiner Genugthuung schon durch

die seitherigen Erfolge die Erwartungen, welche geknüpft werden dursten.

an diese große Maßregel

Wegen Herstellung einer weiteren Reihe wichtiger

Schienenverbindungen in verschiedenen Teilen des Landes wird Ihnen eine

Vorlage zugehen. Der in der letzten Session nicht erledigte Gesetzentwurf zur Ausführung

der ersten Abteilung eines Kanals, welcher die großen Ströme in dem west­ lichen Teile der Monarchie unter sich verbinden soll, wird von neuem vor­

gelegt werden.

Viertes Buch.

260

1881—1888.

Es werden Ihnen Gesetzentwürfe zugehen,

welche dazu bestimmt sind,

die Organisation der Verwaltung in einer durch das Bedürfnis gebotenen Weise zu vereinfachen.

Dadurch

wird zugleich die begonnene Reform zu

einem Abschluß gebracht werden, welcher es gestattet, sie demnächst auf das

gesamte Staatsgebiet auszudehnen.

Zur Beseitigung der Mängel und Härten, welche sich bei der Zwangs­ vollstreckung in unbewegliches Vermögen herausgestellt haben, wird Ihnen

ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Die Wiederanknüpfung des diplomatischen Verkehrs mit der römischen

Kurie ist zu

Meiner Freude der Befestigung freundlicher Beziehungen zu

dem Oberhaupte der katholischen Kirche förderlich gewesen, und hege Ich die Hoffnung, daß die versöhnliche Gesinnung, welche Meine Regierung zu be­

thätigen nicht aufhören wird, auch ferner günstigen Einfluß auf die Gestal­

tung unserer

kirchenpolitischen Verhältnisse üben werde.

Inzwischen fährt

Meine Regierung fort, auf Grund der bestehenden Gesetze und der ihr er­

teilten Vollmachten den Bedürfnissen Meiner katholischen Unterthanen auf kirchlichem Gebiete jede Rücksicht angcdeihen zu lassen,

welche mit den Ge-

samtintereffen des Staates und der Nation verträglich ist.

Zur besonderen Befriedigung gereicht es Mir, Ihnen mitteilcn

zu

können, daß die Beziehungen des Deutschen Reiches zu allen auswärtigen

Regierungen

Mir die Überzeugung gewähren, daß

die Wohlthaten

des

Friedens uns gesichert bleiben werden. Meine Herren!

Wiederum ist der Landesvertretung ein ausgedehntes

Feld wichtiger Arbeit eröffnet.

Ich hege das Vertrauen, daß diese Arbeit

durch Ihre bereitwillige Unterstützung Meiner Regierung auch in der neuen Session zu einer fruchtbringenden sich gestalten werde.

138. Allerhöchste Botschaft an den Deutschen Reichstag, Sonnabend, den 14. April 1883’).

Wir Wilhelm von Gottes

Gnaden Deutscher Kaiser, König von

Preußen rc. thun kund und fügen hiermit zu wissen: Wir haben es jederzeit als eine der ersten von Uns als Kaiser über­

nommenen Pflichten erkannt, der Lage der arbeitenden Klassen im ganzen ’) Verlesen in der Sitzung des Reichstags vom 14. April 1883 von dem Bundes­ bevollmächtigten, Kgl. preuß. Finanzminister v. Scholz.

Sozialreform und Kolonialpolitik.

1883.

261

Reiche dieselbe Sorgfalt zuzuwenden, welche Wir in Preußen zur Fortbildung

der von Unserm in Gott ruhenden Vater im Anfänge dieses Jahrhunderts begründeten Reform zu bethätigen suchten.

Schon beim Erlaß des Sozialisten­

gesetzes haben Wir Unserer Überzeugung dahin Ausdruck gegeben, daß die

Gesetzgebung sich nicht auf polizeiliche und abwehrende Maßregeln beschränken

darf, sondern suchen muß, zur Heilung oder doch zur Milderung des durch

Strafgesetze bekämpften Übels Reformen einzuführen, welche dem Wohle der

Arbeiter förderlich, sichern geeignet sind.

die Lage derselben

zu

bessern,

zu

fördern und

zu

Dieser Unserer Überzeugung haben Wir insbesondere

in Unserer Botschaft vom 17. November 1881 Ausdruck gegeben und Uns gefreut, als

einen ersten Erfolg in dieser Richtung in Unserm Königreich

Preußen wenigstens die beiden ersten Stufen der Klassensteuerpflichtigen be­ freien zu können.

Dankbar für die einmütige Unterstützung Unserer hohen Verbündeten,

dankbar für die hingebende Arbeit Unserer Behörden, sehen Wir auch auf dem

Gebiete der Reichsgesetzgebung

den Anfang des Reformwerkes soweit

zu Anfang der Session der Entwurf eines

gediehen, daß dem Reichstage

Unfallversicherungsgesetzes in einer mit Rücksicht auf die frühere umgearbei­ teten Fassung vorgclegt und ergänzt werden konnte durch einen Gesetzentwurf

zur Organisierung des Krankenkassenwesens.

Seitdem haben Wir, den Ver­

handlungen den Reichstags über diese Vorlage mit besonderer Aufmerksam­

keit

folgend und zu jeder möglichen Erleichterung derselben gern die Hand

bietend, an dem Wunsche und der Hoffnung festgehalten, daß diese Session des Reichstags

nicht zu Ende gehen werde,

ohne daß jene Vorlagen und

Gesetze in einer die Sanktion ermöglichenden Gestalt zur Annahme gelangen.

Wir haben auch mit Anerkennung und Befriedigung gesehen, wie die ernste Arbeit des Reichstags die Beratung des Krankenkassengesetzes bereits so weit

gefördert hat, daß in Bezug

hierauf die

kaum mehr zweifelhaft erscheint.

Erfüllung Unserer Erwartung

Mit Sorge aber erfüllt es Uns, daß die

prinzipiell wichtigere Vorlage des Unfallversicherungsgesetzes noch so sehr im Rückstände ist, und daß daher auf deren Durchberatung nicht mit gleicher Sicherheit gerechnet werden kann.

Bliebe diese Vorlage jetzt unerledigt,

so

würde auch die Hoffnung, daß in der nächsten Session die weiteren Vor­

lagen, betr. die Alters- und Jnvalidenversorgung durchberaten werden, völlig verschwinden, wenn die Beratung des Reichshaushalts-Etats für 1884/85

noch

die

nähme.

Kraft des

Reichstags

während der Wintersession in Anspruch

Wir haben deshalb für geboten erachtet, die Zustimmung der ver­

bündeten Regierungen dahin zu beantragen, daß der Entwurf des Reichs-

262

Viertes Buch. 1881—1888.

Haushalts-Etats dem Reichstage jetzt von neuem zur Beschlußnahme vor­

gelegt wird.

Wenn dann die Vorlage über die Unfallversicherung in der

laufenden Frühjahrssession vom Reichstage nicht mehr beraten und festgestellt wird, dann wird durch

vorgängige Beratung des Reichshaushalts-Etats

wenigstens für die Wintersaison die Freiheit gewonnen werden, welche er­

forderlich ist, um die sozialen Reformen auf wirtschaftlichem Gebiete fördern.

zu

Die Zeit ist eine lange für die Empfindung, mit welcher Wir in

Unserm Lebensalter auf die Erfüllung der Aufgaben blicken, welche zu lösen

sind, ehe die in der Botschaft ausgesprochenen Gedanken eine praktische Be­ thätigung soweit erhalten, daß sie volles Verständnis und volles Vertrauen

finden.

Unsere Kaiserlichen Pflichten aber fordern Uns auf, kein Mittel zu

versäumen, um für die Besserung der Lage der Arbeiter und für die Er­

haltung des Friedens unter den Klassen der Bevölkerung, so lange Gott Uns Frist giebt, zu wirken.

Darum wollen Wir den Reichstag durch Unsere

Botschaft von neuem und unter Anmfung seiner bewährten und treuen An­

hänglichkeit die baldige Erledigung der vorbezeichneten Aufgaben dringend ans Herz legen. Gegeben Berlin, den 14. April 1883.

Wilhelm. von Bismarck.

139. Nede zur Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichstags, Mittwoch, den 29. August 1883').

Geehrte Herren!

Se. Majestät der Kaiser haben den Reichstag zu bemfen geruht, um

Ihnen den mit der Königlich spanischen Regierung vereinbarten Handels­ und Schiffahrtsvertrag zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung Eine Einigung beider Regierungen

vorzulegen.

über diesen Vettrag ist erst nach

dem Schluffe der letzten Reichstagssession zu stände gekommen.

Daß der

Abschluß sich so lange verzögerte, beruhte auf Hindemiffen, deren Beseitigung erst infolge längerer und schwieriger diplomattscher Verhandlungen gelang. Aus dem Vertrage ergeben sich für die deutsche Einfuhr nach Spanien

wichttge Zollermäßigungen und seitens der beteiligten deutschen Industrie *) Verlesen vom StaatSmimster v. Boetticher.

Sozialreform und Kolonialpolitik.

263

1883.

wurde der dringliche Wunsch kund gegeben, daß diese Zollerleichterungen als­ bald in Kraft treten möchten.

In voller Würdigung der hierbei in Betracht

kommenden wirtschaftlichen Interessen haben die verbündeten Regierungen es sich

angelegen sein lassen, den zweckmäßigsten Weg zu finden, um diesem

Wunsche zu entsprechen.

Sie haben sich dabei zu der Ausfassung geneigt,

daß auf Grund diplomatischer Verständigung zwischen den beiden Vertrags­ mächten eine vorläufige Inkraftsetzung

der vereinbarten Zollermäßigungen

unter Vorbehalt der für die definitive Giltigkeit des Vertrags erforderlichen Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags zu geschehen habe und daß

für die darin liegende Abweichung von den Bestimmungen der Verfassung

die Indemnität bei den gesetzgebenden Körpern demnächst nachzusuchen sei. Die nachträgliche Zustimmung des Reichstags so herbeizuführen,

bald

als thunlich

wurde dabei von vornherein um so mehr ins Auge gefaßt,

als kein Zweifel darüber

bestand, daß für die beteiligten Kreise die volle

Gewißheit über die rechtliche Geltung des Vertrags im Interesse der Sicher­

heit ihrer geschäftlichen Dispositionen von hohem Werte sei.

Gleichwohl

stand

der sofortigen Berufung der Reichsvertretung die

durch die Jahreszeit bedingte Rücksicht auf die persönliche Belästigung der im laufenden Jahre ohnehin ungewöhnlich in Anspruch genommenen Mit­

glieder derselben gegenüber, und hielt Se. Majestät der Kaiser Sich zu dem Vertrauen berechtigt, daß das unter den verbündeten Regierungen bestehende

Einverständnis über die Behandlung des Vertrags auch bei allen Parteien

im Reichstage vorhanden sein werde.

Der

unerwartete

Umstand,

sondern die Organe weiter Kreise

daß

nicht

nur

übereinstimmend

vereinzelte

Stimmen,

gegen die Abweichung

vom Buchstaben der Verfassungsbestimmungcn Klage erhoben und dem in andern Verfassungsstaaten thatsächlich in Übung bestehenden Prinzipe eines

Jndemnitätsverfahrens jede Anwendbarkeit auf die Reichsverfassung bestritten haben, hat Sr. Majestät dem Kaiser den Anlaß gegeben, die der sofortigen

Einbemfung entgegenstehenden Bedenken zurücktreten zu lassen.

Der Vertrag wird Ihnen unverzüglich mit dem Anträge zugehen, dem­ selben, sowie der erwähnten vorläufigen Ermäßigung einzelner Zollsätze die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Mit Allerhöchster Ermächtigung erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.

264

1881—1888.

Viertes Buch.

140. Worte des Kaisers bei Einweihung des Denkmals auf dem Niederwald, Freitag, den 28. September 1883.

Wenn die Vorsehung ihren Willen zu mächtigen Ereignissen auf Erden kundgebcn will, so erwählt sie dazu die Zeit, die Länder und die Werkzeuge,

um diesen Willen zu vollbringen.

Die Jahre 1870/71 waren eine Zeit,

in welcher ein solcher Wille geahnt wurde.

Das bedrohte Deutschland erhob

sich in Vaterlandsliebe wie ein Mann, und das Werkzeug war das deutsche

Volk ilt Waffen, seine Fürsten an der Spitze.

Der Allmächtige führte

diese Waffen nach blutigen Kämpfen von Sieg zu Sieg, und Deutschland

steht in Einheit in der Weltgeschichte da.

Millionen Herzen haben ihre

Gebete zu Gott erhoben und Ihm für diese Gnade ihren demütigen Dank dargebracht und Ihn gepriesen, daß Er uns für würdig befand, Seinen

Willen zu vollziehen.

Aber für die spätesten Zeiten will Deutschland diesem

Dank einen bleibenden Ausdnrck geben.

In diesem Sinne ist das vor uns

stehende Denkmal geschaffen, das nun enthüllt werden soll.

Und mit den

Worten, die Ich hier bei der Grundsteinlegung') sprach, welche nach den

Befreiungskriegen 1813/15

in eiserner Schrift der Nachwelt Mein Vater,

weiland König Friedrich Wilhelm III. hinterließ,

weihe Ich dieses Denk­

mal : Den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den

kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung.

Das walte Gott!

141.

Rede ;nr Eröffnung des Landtags, Dienstag, den 20. November 1883.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags!

Se. Majestät der Kaiser und König haben mich') mit der Eröffnung

des Landtags der Monarchie zu beauftragen geruht.

Die Finanzlage des Staates hat sich günstiger gestaltet. Das letzte abgeschlossene Rechnungsjahr hat, dank den erfreulichen Er­

gebnissen der Staatseisenbahn-Verwaltung, einen verfügbaren Überschuß von erheblichem Betrage hinterlassen.

Das laufende Jahr zeigt ungeachtet des

') 16. Sept. 1877. 4) Viceprästdent des Staats-Ministeriums, Staatsminister v. Puttkamer.

Sozialreform unb Kolonialpolitik. 1883.

265

nur teilweise befriedigenden Ausfalles der Ernte keinen Rückgang in der bisherigen allmählichen Besserung

der Verhältnisse und läßt auf wachsende

Erträgnisse der meisten eignen Einnahmequellen des Staates auch für das

nächste Jahr hoffen. Der Staatshaushalts-Etat für 1884/85, der Ihnen alsbald vorgelegt

werden wird, hat sich unter diesen Umständen, und da wir nach dem bereits festgestellten Reichshaushalts - Etat einen wesentlich geringeren Matrikular-

beitrag zu entrichten und wiederum höhere Herauszahlungen aus dem Er­ trage der Zölle und der Tabaksteuer zu erwarten haben, bei strenger Prü­

fung und Beschränkung jedes neuen oder vermehrten Ausgabebedarfs so auf­

stellen lassen, daß die Einnahmen und Ausgaben ohne eine ergänzende Inanspruchnahme des Staatskredits das Gleichgewicht halten.

Hierin kann indessen selbst nur dafür, daß bei weiterem Verzicht auf die Befriedigung

vieler an sich anzuerkennenden Bedürfnisse die Etats der

folgenden Jahre sich ebenso gestalten lassen werden, nicht schon gefunden werden.

ein genügender Anhalt

Dagegen ist es gclviß, daß das seit Jahren

hervorgetretcnc und von der Staatsregierung geltend gemachte Mißverhältnis

zwischen den Mitteln des Staates und den Aufgaben, die ihm namentlich aus dem

immer härter empfundenen Drucke der Komniunal- und Schul­

lasten und aus der Unzulänglichkeit der Bcamtenbesoldungen erwachsen, un­ vermindert fortbesteht.

Die in dieser Richtung Ihnen bereits angekündigten speziellen Gesetz­ entwürfe

sind inzwischen

vorbereitet und zum Teil auch so weit gefördert

worden, daß Ihnen entsprechende Vorlagen werden gemacht werden können.

So weit es an der Hand derselben gelingt, jene Bedürfnisse des Landes, welche

über die Preußen allein zur Verfügung gebliebenen Mittel hinaus­

gehen,

zu förmlicher Anerkennung

Ihnen

gesetzlich

festzustellen,

zu bringen und im Einverständnis mit

wird auch

die

Mitwirkung des Reichstags

zur endlichen Eröffnung der notwendigen neuen Hilfsquellen auf dem Ge­

biete der indirekten «Steuern,

zu welchen die verbündeten Regierungen ihre

einmütige Bereitwilligkeit bereits wiederholt ausgesprochen haben, nicht dauernd vergeblich

in Anspruch

genommen werden.

Darauf rechnet die Staats-

regierung mit derjenigen Zuversicht, mit welcher sie von Anfang an jene

großen Ziele nur hat ins Auge soffen können

und ohne welche sie auf

deren weitere Verfolgung zu ihrem tiefen Bedauem würde verzichten müssen.

Die zur besonderen Freude Sr. Majestät in der letzten Session von Ihnen angenommene Befreiung wenigstens der zu den beiden untersten Stufen

der Klaffensteuer

eingeschätzten Bevölkerung

von dem Drucke dieser Steuer

Viertes Buch.

266

1881-1888.

und der Heimsuchung mit Steuerexekution kann nach übereinstimmender Auf­

fassung der

Staatsregierung und des

Landtags nicht

als Abschluß einer

Reform der direkten persönlichen Staatssteuern gelten, sondern nur als der

erste dringlichste Schritt zu einer solchen.

Dem unveränderten Königlichen Willen folgend, der auf baldige weiter­ gehende Befreiungen der nur geringes Einkommen habenden Bevölkerungs-

klaffen gerichtet ist, und zugleich den bei den Verhandlungen des Landtags

in weitgehender Übereinstimmung geäußerten Ansichten über die sonstigen steuerpolitischen Ziele gem entgegenkommend, hat die Staatsregierung sich

die Ausarbeitung eines weiteren Gesetzentwurfs zur Umgestaltung der direkten

persönlichen Steuem und Einführung einer Kapitalrentensteuer

angelegen

sein kaffen, der Ihnen binnen kurzem unterbreitet werden wird. Mit der Überführung der meisten größeren Privat - Eisenbahnunter­ nehmungen in die Hände des Staats und der gleichzeitigen Erweiterung des Staatseisenbahn-Netzes durch Herstellung neuer, wichtiger Schienenverbindungen

ist das Staatseisenbahn-System in dem größten Teile der Monarchie mit steigendem

Erfolge

zur Durchführung

gelangt.

Um

die bedeutungsvolle

Reform zum weiteren Abschlüsse zu fördern und die Vorteile derselben auch denjenigen Landesteilen zuzuwenden,

welche der Staatsbahnen bisher zum

Teil noch gänzlich entbehren, wird Ihnen die Staatsregierung den Erwerb einer weiteren Reihe wichtiger Privateisenbahnen in Vorschlag bringen.

Die mit den Gesellschaften vereinbarten Verträge bieten wiederum zu­ die Mittel für eine der Landeswohlfahrt dienende Erweiterung und

gleich

Vervollständigung des Staatseisenbahn-Netzes in den verschiedensten Teilen

des Landes; über die Verwendung dieser Mittel wird Ihnen eine Vorlage zugehen.

Von der angelegentlichen und unverminderten Fürsorge, welche die Staatsregierung der Entwickelung der natürlichen wie der künstlichen Waffer-

straßen

zuwendet,

wird

auch

der Entwurf des Staatshaushalts-Etats

Zeugnis ablegen. Nachdem dank Ihrer Zustimmung die Organisation der Verwaltung

die dem Bedürfnisse des Landes entsprechende einfachere und übersichtlichere

Einrichtung erfahren hat, ist es an der Zeit, der weiteren Ausdehnung des Reformwerks näher zu treten.

Zu dem Ende werden Ihnen zunächst die

Entwürfe einer Kreis- und Provinzialordnung für die Provinz Hannover vorgelegt werden, da die hiervon abhängige Einfügung dieses Landesteils

in den Behördenorganismus der Gesamt-Monarchie als eine der dringlichsten Aufgaben unserer innern Politik zu bezeichnen ist.

Sozialreform und Kolomalpolitik.

1884.

267

Der Entwurf einer für die ganze Monarchie bestimmten Jagdordnung, welcher den Mängeln der bestehenden Jagdpolizei-Gesetze Abhilfe verschaffen soll, wird Ihnen im Laufe Ihrer Beratungen zugehen.

Meine Herren!

Indem ich Sie am Eingänge einer neuen Session im

Namen Sr. Majestät begrüße, lade ich Sie dazu ein, Ihre Arbeiten unter dem Schutze gesicherter, friedlicher Verhältnisse wieder aufzunehmen und im einträchtigen Zusammenwirken mit der Staatsregierung

einem gedeihlichen

Ziele entgegenzuführen.

Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs

erkläre ich

den

Landtag der Monarchie für eröffnet.

142.

Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 6. März 1884.

Geehrte Herren!

Se. Majestät der Kaiser haben mich*) zu beauftragen geruht, Sie bei

dem Beginn Ihrer Beratungen willkommen zu heißen. Die bedeutsamste Aufgabe des Reichstags liegt auch für die bevor­ stehende Session

auf dem Gebiete der sozialpolitischen Gesetzgebung.

Der

zu wiederholten Malen feierlich und mit besonderem Nachdruck ausgesprochene Wunsch Sr. Majestät des Kaisers, die wirtschaftliche und soziale Lage der

Arbeiter durch organische Gesetze zu heben und dadurch den Frieden unter

den

Bevölkerungsklassen zu fördern, hat im deutschen Volke volles Ver­

ständnis gefunden.

Die Verhandlungen über das im vergangenen Jahre —

dank Ihrer hingebenden

Mitarbeit —

zu

stände

gekommene

Kranken­

versicherungs-Gesetz haben den erfreulichen Beweis geliefert, daß der Reichstag sich mit den verbündeten Regierungen in dem Bewußtsein der Bedeutung

und Dringlichkeit der erstrebten sozialen Reformen begegnet.

Der nächste Schritt auf diesem Gebiete besteht in der endlichen ge­ setzlichen Regelung der Fürsorge für die durch Betriebsunfälle vemnglückten

Arbeiter und deren Hinterbliebene.

Nachdem auch der im Frühjahr

1882

Ihnen vorgelegte Entwurf eines Unfallversicherungs-Gesetzes zum legislatorisch . !

Abschluß nicht gelangt war, ist derselbe unter Berücksichtigung der aus dem bisherigen Entwickelungsgang

geschöpften Erfahrungen nochmals einer sorg-

’) Staatsminister v. Boetticher.

268

Viertes Buch.

faltigen

1881-1888.

Prüfung unterzogen worden.

Dieselbe hat zu beni Plane einer

anderweiten Ausgestaltung der in Aussicht genommenen berufsgenossenschaft­ lichen Organisation der gewerblichen Unternehmer auf der Grundlage aus­

gedehnter Selbstverwaltung, sowie einer erweiterten Beteiligung der Arbeiter

behufs Wahrung ihrer Interessen geführt.

auf diese Grundlagen ge­

Die

stellte neue Vorlage wird Ihnen unverzüglich zugehen.

Für die Erledigung

derselben hat der Reichstag durch die frühzeitige Beratung des Reichshaus­ halts-Etats für 1884/85 die erwünschte geschäftliche Freiheit gewonnen.

Nach

dem Zustandekommen

des Unfallversicherungs-Gesetzes

wird

es

unsere Aufgabe sein, auf entsprechender organisatorischer Gmndlage eine be­ friedigende Ordnung

die durch Alter

für

der Fürsorge

oder Invalidität

erwerbsunfähig werdenden Arbeiter anzustreben.

Die Erfüllung dieser Pflicht gegen die arbeitende Bevölkerung soll in des geeinten Vaterlandes

dieser die Segnungen der friedlichen Entwickelung

zum vollen Bewußtsein bringen, damit den auf den Umsturz göttlicher und

revolutionärer Elemente

menschlicher Ordnung gerichteten Bestrebungen Boden entzogen und die

werden ihrerseits bemüht

Die verbündeten Regierungen

angebahnt werde.

der

erlassenen Ausnahmemaßregeln

der

Beseitigung

sein, auf diesem Wege deu Erwartungen und Zusagen zu entsprechen, welche die Vorbereitung und den Erlaß des Gesetzes vom 21. Oktober

In der Hoffnung

gleiteten.

auf Ihre erfolgreiche Mitwirkung

1878 be­ an diesem

Werke werden die verbündeten Regierungen Ihre Zustimmung zu einer Ver­

längerung jenes

Gesetzes,

dessen Geltung

30. September d. I.

mit dem

abläuft, nachsuchen. Durch

das

Krankenversicherungs-Gesetz

werden

des Hilfskaffen-Gesetzes vom 7. April 1876 bedingt.

der

Entwurf

einer

entsprechenden

Novelle

zu

einige Abänderungen

Es wird Ihnen daher

diesem

Gesetze

vorgelegt

werden.

Die bei der Gründung und Verwaltung

von Aktiengesellschaften her­

vorgetretenen Ausschreitungen und die dadurch herbeigeführten Schädigungen des Volkswohlstandes gebung

erschüttert.

27. März

haben das Vertrauen Nach

der

der

in

1873 gegebenen Anregung

in die bestehende Aktiengesetz­ Sitzung

ist die

des

Reichstags

Erkenntnis

wendigkeit einer Abänderung des Gesetzes vom 11. Juni 1870 Kreisen zur Anerkennung

gelangt.

vom

von der Not­ in weiten

Der infolgedessen aufgestellte

Gesetz­

entwurf, der Ihrer verfassungsmäßigen Beschlußfassung unterbreitet werden

wird, bezweckt die Abstellung

der hervorgetretenen

zu diesem Ende insbesondere die Verschärfung

Mißstände und nimmt

der Verantwortlichkeit

aller

Sozialreform und Kolonialpolitik.

269

1834.

bei der Gründung, Leitung und Beaufsichtigung

von Aktienunternehmungen

sowie die Herbeiführung

einer wirksamen Kontrolle

beteiligten Personen,

über die Verwaltung der Aktiengesellschaften in Aussicht. Die im Jahre 1882 dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwürfe, welche

die Zustimmung der durch das Gesetz

vom 20. April 1881

und Waisen der Reichsbeamten gewährten

den Witwen

an die Hinter­

Fürsorge auch

Angehörigen des Reichshecres und der Marine,

bliebenen von

sowie im

Anschlüsse an das in Preußen geltende Pensionsrecht eine Verbesserung des und Offiziere in Aussicht nahmen,

Pensionswesens für Reichsbeamte

damals zu Verabschiedung nicht gelangt.

sind

Die Verhältnisse, welche zu diesen

Entwürfen geführt haben, bestehen unverändert

fort und

wird der Inhalt

derselben Ihren Beschlüssen von neuem unterbreitet werden. Unter dem fortgesetzten Bemühen, den Erzeugnissen unserer Litteratur

und des heimischen Kunstfleißes in immer

weiterem Umfange

auch außerhalb der Grenzen des Reiches

eine durch Rechtsschutz gesicherte Verbreitung

zu gewährleisten, sind mit Belgien zwei Verträge über

Schutz

der Rechte

gegenseitigen worden.

den gegenseitigen

an Werken der Litteratur und Kunst, sowie über den

Schutz

der

gewerblichen

Muster

und

Modelle

vereinbart

Dieselben werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Genehmigung zu­

gestellt werden. Die Beziehungen des Reiches zum Auslande bilden für Se. Majestät

den Kaiser einen Anlaß hoher Befriedigung, besonders int Rückblick alle Befürchtungen und Vorhersagungcn, welche nach

auf

der Neubildung des

Deutschen Reiches den friedliebenden Charakter seiner Politik in Zweifel ge­

stellt haben.

Die Gleichheit der friedliebenden Gesinnung, welche die uns

benachbarten und befreundeten Mächte beseelt, begründet zwischen ihnen und uns

eine Solidarität, welche die Erhaltung des Friedens

nicht nur für

Deutschland nach menschlicher Voraussicht als gesichert erscheinen läßt.

Die

Befestigung der ererbten Freundschaft, welche Deutschland und seine Fürsten

mit den

benachbarten

Kaiserhöfen

verbindet, und die

Aufnahme,

welche

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz in Vertretung Sr. Ma­

jestät des Kaisers in Italien und Spanien gefunden hat, beweisen, daß dem Ansehen der deutschen Nation im Auslande das Vertrauen der Fürsten und der Völker auf unsere Politik

rechnet darauf,

Sich

zur Seite steht.

Se. Majestät der Kaiser

dieses Vertrauen und Deutschland den Frieden mit

Gottes Hilfe zu erhalten.

Viertes Buch. 1881-1888.

270

143.

Urkunde über die Grundsteinlegung ;u dem Neichstagsgebäude, verlesen vom Reichskanzler Fürsten v. Bismarck, Montag, den 9. Juni 1884.

Wilhelm

Wir

von

Gottes

Gnaden

Preußen, thun kund und fügen zu wissen,

Kaiser,

Deutscher

Namen der Fürsten und Freien Städte des Reiches

mit den verfassungsmäßigen Vertretern des stein zu

König

beschlossen haben,

daß Wir

von im

und in Gemeinschaft

deutschen Volkes den

einem Hause zu legen, in welchem der gemeinsamen

Gmnd-

Arbeit der

gesetzgebenden Körper eine würdige Stätte bereitet werden soll.

Unter den glorreichen Waffenerfolgen der vereinigten deutschen Stämme

ist durch Gottes Fügung Herrlichkeit erstanden.

das

Deutsche Reich

zu ungeahnter Macht und

Aus der Begeisterung des

Volkes

und aus

dem

gegenseitigen Vertrauen der Bundesregierungen ist für Deutschland die Kraft erwachsen, seine Verfassung

seine nationale Entwickelung

und

Macht zu schützen und die Pflege

nehmen.

aus

eigner

seiner Wohlfahrt in die eigne Hand zu

Diesem Schutze und dieser Wohlfahrt

soll

die Arbeit in dem

Hause dienen, dessen Grundstein Wir legen. Wir blicken dankbar gegen Gott auf das zurück, was die verbündeten Regierungen in gemeinsamer Thätigkeit mit dem Reichstage

verflossenen Jahre Unseres Kaiserlichen Waltens

während

der

für Deutschland geschaffen

haben, und sehen der Zukunft mit der Hoffnung entgegen, daß unter Uns, wie unter Unsern Nachfolgern

die gemeinsame Arbeit für das Vaterland

von Einigkeit getragen und von Segen begleitet sein werde.

der Freiheit,

der

Der Ordnung,

Gerechtigkeit, der gleichen Liebe für alle Kreise Unseres

Volkes sei unverbrüchlich diese Arbeit gewidmet. Möge Frieden nach außen und im Innern den Bau dieses Hauses

beschirmen!

Auf immerdar sei das Haus

ein Wahrzeichen der unauflös­

lichen Bande, welche in großen und herrlichen Tagen die deutschen Länder

und Stämme zu dem Deutschen Reiche vereinigt haben! Dazu erflehen Wir den Segen Gottes. Gegenwättige Urkunde haben Wir in zwei Ausfertigungen mit Unserer

Allerhöchsteigenhändigen

Namensunterschrist

vollzogen

größeren Kaiserlichen Jnsiegel versehen laffen.

und

fertigung mit den dazu bestimmten Schriften und Münzen stein

des

bewahren.

Hauses niederzulegen,

die

andere

mit

Unserem

Wir befehlen, die eine Aus­

in Unserem

in den Grund­ Archiv

aufzu­

1884.

Sozialreform und Kolomalpolitik.

271

Gegeben in Unserer Haupt- Md Residenzstadt Berlin am neunten Juni

des Jahres Em Tausend Achthundert vier und achtzig. Wilhelm.

144. Allerhöchster Erlaß an das Staats-Ministerium, Mittwoch, den 11. Juni 1884.

Auf den Bericht des Staats-Ministeriums vom 9. d. M. will Ich hier­

durch das mir vorgelegte Regulativ, betreffend die Verhandlungen des Staatsrats,

genehmigen und zugleich den weiteren Vorschlägen des Staats-Ministeriums wegen des ersten Wiederzusammentritts des Staatsrats und der demselben nach Maßgabe des Regulativs zur Erstattung von Gutachten vorzulegenden

Gegenstände entgegensehen. Ferner benachrichttge Ich das Staats-Ministerium, daß Ich die in der Anlage aufgeführten Personen zu Mitgliedern und den Unterstaats-Sekretär im Ministerium für Handel und Gewerbe, Dr. v. Moeller,

zum Staatssekretär des Staatsrats ernannt habe.

in Kenntnis zu setzen.

Dieselben sind hiervon

Endlich habe Ich mittelst der abschriftlich an­

liegenden Erlasse vom heutigen Tage

des Kronprinzen Kaiserliche

und

Königliche Hoheit zum Präsidenten und Meinen Reichskanzler und Präsidenten

des Staats-Ministeriums, Fürsten von Bismarck, zumkVice-Präsidenten des Staatsrats ernannt. Berlin, den 11. Juni 1884. v. Bismarck,

Lucius.

Friedberg,

v. Scholz.

Wilhelm.

v. Puttkamer.

Maybach.

v. Boetticher.

v. Goßler.

Graf v. Hatzfeldt.

Bronsart v. Schellendorf.

An das Staats-Ministerium.

145.

Ansprache des Kronprinzen zur Eröffnung der Sitzungen des Staatsrats, Sonnabmd, den 25. Oktober 1884.

Meine Herren Mitglieder des Staatsrats! Se. Majestät der Kaiser und König haben den Staatsrat nach lang­

jähriger Unterbrechung seiner Thätigkeit wiedereinzubemfen und durch Aller-

Viertes Buch. 1831—1888.

272

höchsten Erlaß vom 11. Juni d. I. Mich, der Ich vor 30 Jahren unter

die Mitglieder desselben ausgenommen wurde, zum Präsidenten zu ernennen

geruht. Die Aufgaben, welche für den Staatsrat in Aussicht genommen sind, werden sich vorzugsweise auf dem Gebiete der Gesetzgebung

ist die Absicht Sr.

bewegen.

zur Einbringung in den Landtag bestimmt sind, über Entwürfe höchsten Verordnungen,

über Entwürfe

Es

welche

Majestät, Ihr Gutachten über Gesetzentwürfe,

zu Aller­

Gesetzen und Verordnungen,

zu

welche von der preußischen Regierung bei dem Bundesrat eingebracht werden,

und über die Abgabe der preußischen Stimmen im Bundesrat in Sachen

der Neichsgesetzgebung zu erfordern, so oft die Bedeutung des Gegenstandes

dies angemessen erscheinen behalten,

auch

Daneben haben Se. Majestät Sich

läßt.

Angelegenheiten

aus

dem Gebiete

der

Verwaltung

Vor­

dem

Staatsrat zur Begutachtung zu überweisen. Die Erledigung

Se.

Majestät

dieser Aufgaben wird in Ihre Hände gelegt, weil in den

ver­

durch eigene Berufsthätigkeit gewonnenen

Er­

das Vertrauen hegen,

schiedensten Wirkungskreisen

daß

von Ihnen

die

fahrungen die Regierung Sr. Majestät des Königs bei den Vorarbeiten für

die Gesetzgebung in einer den Interessen des gesamten Vaterlandes förder­ lichen Weise unterstützen und als Material vervollständigen werden, welches den Verhandlungen der gesetzgebenden Körper als Unterlage dient.

Damit dies Ziel erreicht werde, ehe sie zur

lassen, die Gesetzentwürfe, langen,

einer sorgfältigen Prüfung

wollen

Sie es sich

angelegen sein

parlamentarischen Verhandlung

daraufhin

Bedürfnissen des Landes entsprechen, ob die Mittel,

ge­

ob

sie den

durch welche

sie den

zu unterziehen,

letzteren gerecht zu werden suchen, unter den gegebenen Verhältnissen die angemeffenen und erfolgverheißenden sind, und

ob die praktische Durch-

fühmng der Grundsätze, auf welchen die Entwürfe beruhen, in solcher Weise geordnet ist, daß der Zweck des Gesetzes so vollständig und mit so geringer

Belästigung wie möglich erreicht werden kann. wägungen

wird es dem Staatsrat

Neben diesen sachlichen Er­

obliegen, die Redaktion der Entwürfe

aufmerksam zu prüfen, damit dieselben nicht nur eine klare und in

widerspruchslose Fassung

sich

erhalten, sondern auch in ihrer Konstruktion dem

System der bestehenden Gesetzgebung sich organisch anschließen.

Geehrte Herren!

Der Staatsrat hat in der Organisation, welche ihm

durch die Allerhöchste Verordnung vom 20. März 1817

gegeben worden

ist, während der ersten Periode seines Bestehens von 1817—48 die gleichen Aufgaben

zu lösen gehabt,

welche

gegenwärtig Ihnen übertragen werden.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1884.

273

Er hat sich diesen Aufgaben stets mit voller Hingebung und mit einem Erfolge gewidmet, welcher seinen Arbeiten die Anerkennung des Königs und

Ich vertraue darauf, daß Sie sich mit Mir in

des Landes erworben hat.

dem Bestreben vereinigen werden, dem neu berufenen Staatsrat durch pflicht­ treue, unbefangene und umsichtige Erledigung seiner Geschäfte dieselbe An­

erkennung zu gewinnen, welche Ihren Vorgängern zu teil geworden ist. Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre

Ich die Sitzungen des Staatsrats für eröffnet.

146.

Thronrede zur Eröffnung Lee Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 20. November 1884.

Geehrte Herren! Ich freue Mich,

daß cs Mir vergönnt ist,

Sie

selbst zu begrüßen,

und heiße Sie im Namen der verbündeten Regierungen willkommen. Es gereicht Mir zu besonderer Genugthuung, daß die Wünsche, welche

Ich in meiner Botschaft vom 17. November 1881 an dieser Stelle gegeben, seitdem

kund­

auf dem Wege zu ihrer Erfüllung wesentliche Fortschritte

gemacht haben; Ich entnehme daraus am Abend Meines Lebens die Zu­ versicht, daß der stufenweise Ausbau der begonnenen Reform lingen und für den

innern Frieden

im Reiche

die

schließlich ge­

Bürgschaft herstellen

werde, welche nach menschlicher Unvollkommenheit erreichbar sind. Unsere nächsten Schritte in dieser Richtung werden in der Ausdehnung

der Unfallversicherung auf die Arbeiter der Landwirtschaft und des Transport­ wesens und in der Erweiterung der Sparkasseneinrichtungen bestehen, wofür

die Vorlagen Ihnen zugehen werden.

Der Entwurf des Reichshaushalts-Etats für das nächste Rechnungs­ jahr wird Ihnen unverweilt vorgelegt werden.

Die Fortentwickelung

der

Einrichtungen des Reiches bedingt naturgemäß ein Anwachsen seiner Aus­

gaben. Sie werden hierin mit Mir eine Mahnung erkennen, neue Einnahmequellen für das Reich zu erschließen. der

Reform höhere

Der Versuch, der Rübenzuckersteuer int Wege

Reinerträge abzugewinnen,

wird für jetzt durch

die

Notlage der beteiligten Industrie und der in Mitleidenschaft stehenden Land­

wirtschaft erschwert. Die Herstellung des einheitlichen Zoll- und Handelsgebietes im Reich

ist durch Verständigung

mit

der

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

freien Hansestadt Bremen

18

vorbereitet

274

1831-1888.

Viertes Buch.

und wird die Bewilligung eines Beitrags hierzu Ihnen zur Beschlußnahme vorgelegt werden.

Im Anschluß an den revidierten Gesetzentwurf wegen Subventioniemng

unserer Dampfschiffahrt werden Ihnen Mitteilungen Schutz des Reiches gestellten überseeischen

geflogenen

auswärtigen

Verhandlungen

zugehen.

Wenn

erfüllen können, so werden sie doch dazu beitragen, Ausfuhr

und durch

Belebung

unserer Erzeugnisse dergestalt zu

des

diese

Anfänge

die sich daran knüpfen,

kolonialer Bestrebungen nicht alle Erwartungen,

Handelsverbindungen

über die unter den

Ansiedlungen und die darüber

durch Entwickelung der

Unternehmungsgeistes

die

fördern, daß unsere Industrie

zu lohnender Beschäftigung ihrer Arbeiter befähigt bleibt.

Im Einverständnis mit der französischen Regierung habe Ich Vertreter der meisten seefahrenden Nationen

hierher eingeladen, um über die Mittel zu

beraten, durch welche der Handel mit Afrika gefördert und

durch internationale Reibungen gesichert werden

der beteiligten Regiemngen, Meiner Einladung

kann.

vor Störungen

Die Bereitwilligkeit

zu entsprechen,

ist ein Be­

weis der freundschaftlichen Gesinnung und des Vertrauens,

von welchem

alle Staaten des Auslandes dem Deutschen Reiche gegenüber

erfüllt sind.

Diesem Wohlwollen liegt die Anerkennung

der Thatsache zu Grunde, daß

die kriegerischen Erfolge, die Gott uns verliehen hat, uns nicht das Glück der Völker auf anderem Wege

und seiner Wohlthaten zu

suchen.

als

durch Pflege

verleiten,

des Friedens

Ich freue Mich dieser Anerkennung,

und insbesondere darüber, daß die Freundschaft mit den durch die Tra­ dition der Väter, durch die Verwandtschaft der regierenden Häuser und durch

die Nachbarschaft der Länder Mir besonders nahestehenden Monarchen von Österreich und Rußland durch Unsere Begegnung in Skierniewice der Art hat besiegelt werden können, daß Ich ihre ungestörte Dauer für lange Zeit gesichert halten darf.

Ich danke dem

allmächttgen Gott für diese Gewiß­

heit und für die darin beruhende starke Bürgschaft des Friedens.

147. Redezur Eröffnung des Landtags, Donnerstag, den 15. Januar 1885.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häufem des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben midj1) mit der Eröffnung

des Landtags der Monarchie zu beauftragen geruht. *) Vicepräsident des StaatS-MinisteriumS v. Puttkamer.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1885.

275

Die Finanzlage des Staates ist an sich eine befriedigende.

Das letzte

abgeschlossene Rechnungsjahr hat bei fast allen wichtigeren Einnahmezweigen,

namentlich auch wiederum bei der Verwaltung der Staatseisenbahnen günstige Resultate und insgesamt einen Überschuß von mehr als 20 Millionen Mark ergeben, welcher gemäß den gesetzlichen Bestimmungen über die Verwendung der Jahresüberschüsse der Eisenbahn-Verwaltung

bis

einen geringen

auf

verfügbar gebliebenen Betrag zur Tilgung der Staatseisenbahn-Kapitalschuld Auch das

zu verwenden gewesen ist.

herigen

Wahrnehmungen

gleicher Verwendung entsprechend sind

einen

kommenden

für das

einen

und

erwarten.

Verwaltungsüberschuß

die Einnahmen

den bis­

laufende Jahr läßt nach

günstigen Abschluß hoffen nächste Jahr

zu

Dem

erfreulicher Weise

wiederum in dem Maße höher zu veranschlagen, daß sie zur vollen Deckung

des in der bisherigen Weise streng geprüften, aber nirgends unwirtschaftlich beschränkten Ausgabebedarfs hinreichen würden, wenn dem letzteren nicht eine Erhöhung des Matrikularbeitrags für

das Reich

um mehr

als

24 Mil­

lionen Mark hinzuträte. Schon seit längerer Zeit weist eine Reihe großer und anders als mit

neuen Einnahmen vom Reich nicht zu befriedigender Bedürfnisse, namentlich

die dringend wünschenswerte Erleichterung des Drucks der Kommunal- und wie die Verbesserung der Beamtenbesoldungen,

Schullasten,

auf die Not­

wendigkeit der Eröffnung neuer Einnahmequellen des Reiches hin. zwischen

hervorgetretene

Mahnung hierzu, welche,

eigene

Mehrbedarf

Matrikularbeitrages

Reiches giebt

so hofft die Staatsregierung,

achtet werden, und in naher Zeit

führen wird.

des

auf die für

Inzwischen muß

wieder das

zu

bald allseitig

einer Ermäßigung

laufende

von der

Der in­

eine neue

Jahr

be­

unseres

festgestellte Summe

höheren Bedarfssumme

ausge­

gangen werden, und wenn auch ein Teil derselben noch in den ordentlichen Einnahmen

des

Deckung derselben

Staates

Deckung

finden

eine außerordentliche

kann,

in

der

Hauptsache

zur

Einnahme in Aussicht genommen

werden. Die demgemäß aufgestellten Entwürfe des Staatshaushalts-Etats für das

nächste Jahr und sprechenden

eines Gesetzes wegen

Aufnahme einer Anleihe zur ent­

Ergänzung der nächstjährigen Einnahmen des Staates

werden

Ihnen alsbald zugehen.

Der durch die Gesetzgebung des Reiches herbeigeführte Aufschwung der Gewerbthätigkeit macht sich in

einer allmählich fortschreitenden Entwickelung

des Volkswohlstandes bemerkbar.

Nur die landwirtschaftliche Bevölkerung

18*

276

Viertes Buch. 1881—1888.

entbehrt bisher des ihr gebührenden

Anteils

an den Wohlthaten dieser

Entwickelung.

Trotz der im Ganzen gesegneten Ernte lastet ein Druck auf der Land­ wirtschaft.

Gegenüber den gestiegenen Produktionskosten

und den erhöhten

öffentlichen Lasten, welche auf diesem wichtigsten Erwerbszweige ruhen, ist eine

denselben entsprechende Steigerung der Preise der hauptsächlichsten Erzeugnisse

nicht eingetreten, dieselben stehen vielmehr niedriger wie seit vielen Jahren. Der Absatz im Bereiche der landwirtschaftlichen technischen Nebengewerbe stockt,

und es sind die Preise für Zucker mid Spiritus auf

ein Niveau herabge­

sunken, welches den Betrieb nicht nur nicht mehr lohnend, sondern verlust­ bringend macht.

Es

wird

ein Gegenstand

unausgesetzter

Fürsorge

der

Regierung Sr. Majestät sein, so viel an ihr ist, die Ursachen dieser schweren

Krisis aufzuklären und durch ihre

Maßnahmen nach Möglichkeit Abhilfe

zu erstreben.

Die in der letzten Session nicht erledigten Gesetzentwürfe staltung der direkten persönlichen Steuem und Einführung

rentensteuer sind unter sorgfältiger Prüfung der bei Landtage hervorgetretenen

Bedenken

zur Umge­

einer Kapital­

ihrer Vorberatung im

und Abänderungsvorschläge zum Teil

anderweit redigiert worden und werden Ihnen von neuem vorgelegt werden mit dem Wunsche und der Hoffnung, daß die damit vor allem beabsichtigten baldigen weiteren Befreiungen der wenig begüterten Bevölkerungsklassen von

dem Drucke der

direkten Steuern nicht minder wie die sonstigen

steuer­

politischen Ziele derselben nunmehr erreicht werden mögen.

Behufs

erhöhter Nutzbarkeit des mit

gedeihlichem Erfolge durchge­

führten Staatseisenbahn-Systems hat die Regiemng auf den Erwerb einiger

weiterer

Privateisenbahnen für den Staat Bedacht

zweckmäßigste Mittel zur Lösung der Schwierigkeiten,

genommen, als

das

welche die besonderen

Verhältnisse der betreffenden Gesellschaften zum Staate der wünschenswerte» Vereinfachung der Verwaltung entgcgenstellen. werden Ihnen vorgelcgt

Die

und wegen Verwendung

vereinbarten Verträge

der durch

den Abschluß

derselben bereitstehenden Mittel für die Ausführung von Meliorationsbahnen Vorschläge gemacht werden.

Die Verbeffemng der vaterländischen Wasserstraßen schreitet erfolgreich

fort und wird in planmäßiger Weise ihrem Abschlüsse entgegengeführt. Nachdem in der

wirkung für

vorigen

Session des

die Provinz Hannover

Landtags unter Ihrer Mit­

eine Kreis- und

eine Provinzial-

Ordnung auf der Grundlage der neuen Verwaltungs-Gesetzgebung zu stände gekommen und damit der erste Schritt zur Übertragung der

letzteren auf

277

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1885.

die Provinzen,

in denen sie noch fehlen, geschehen ist, erscheint die weitere

Durchführung der Reform der innern Verwaltung als eine wichtige gesetz­

geberische Aufgabe.

Von denjenigen Provinzen, welche hier in Frage kommen,

ist die Provinz Hessen-Nassau wegen der Verschiedenheit ihrer kommunalen

und Verwaltungs-Einrichtungen sowohl gegenüber

den

übrigen

dringendsten bedürftig.

Teilen

in der Provinz

der Monarchie

selbst,

wie auch

einer Reorganisation am

Es werden Ihnen daher, um dieselbe herbeizuführen,

Provinzialordnung für diese Provinz

Entwürfe einer neuen Kreis- und

vorgelegt werden.

Es werden Ihnen ferner Gesetzentwürfe zugehen, durch welche die be­

währten Grundsätze der altpreußischen Gesetzgebung über die wirtschaftliche Zusammenlegung der in vermengter Lage befindlichen Grundstücke auf das

Geltungsgebiet des rheinischen Rechts und

auf die hohenzollernschen Lande

unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse dieser Landesteile aus­ gedehnt werden sollen.

Meine Herren!

Indem ich

Sie im Namen Sr. Majestät begrüße,

lade ich Sie ein, Ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, und gebe mich namens

der Staatsregierung der Hoffnung hin, daß es gelingen wird, die gewichtigen Aufgaben dieser neuen Session unter Ihrer patriotischen Mitwirkung

einer

gedeihlichen Erledigung entgegenzusühren. Im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs

erkläre ich den

Landtag der Monarchie für eröffnet.

148.

Kaiserlicher Schichbrief für die Gesellschaft für deutsche Kolonisation. Wir Wilhelm,

von Gottes Gnaden deutscher Kaiser und König

von

Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem die derzeitigen Vorsitzenden der Gesellschaft für deutsche Kolo­

nisation, Dr. Carl Peters und Unser Kammerherr Felix, Graf Behr-Bandelin, Unsern Schutz für die Gebietserwerbungen der Gesellschaft in OstAfrika, westlich von dem Reiche des Sultans von Zanzibar,

außerhalb der

Oberhoheit anderer Mächte, nachgesucht und Uns die von besagtem Dr. Carl Peters

zunächst mit den Herrschern von Usagara,

Nguru, Useguha und

Ukami im November und Dezember vorigen Jahres abgeschlossenen Verträge,

278

Viertes Buch.

1881-1888.

durch welche ihm diese Gebiete für die deutsche Kolonisationsgesellschaft mit

der Landeshoheit abgetreten

den Rechten

vorgelegt haben, diese Gebiete

worden sind,

mit dem Ansuchen

so be­

unter Unsere Oberhoheit zu stellen,

stätigen Wir hiermit, daß Wir diese Oberhoheit angenommen und die betr.

Gebiete, vorbehaltlich Unserer Entschließungen auf Grund weiterer Uns nach­ zuweisender vertragsmäßiger Erwerbungen der Gesellschaft oder ihrer Rechts­ nachfolger in jener Gegend, unter Unsern Kaiserlichen Schutz gestellt haben.

Wir verleihen der besagten Gesellschaft unter der Bedingung,

daß sie

eine deutsche Gesellschaft bleibt und daß die Mitglieder des Direktoriums

oder der sonst mit der Leitung betrauten Personen Angehörige des Deutschen Reiches sind,

sowie den Rechtsnachfolgern dieser

gleichen Voraussetzung, die Befugnis

vorgelegten Verträgen

Gesellschaft,

zur Ausübung

fließenden Rechte, einschließlich

aus

aller der

unter der den Uns

Gerichtsbarkeit,

gegenüber den Eingeborenen und den in diesen Gebieten sich niederlassenden oder zu Handels-

und

andern Zwecken

Reiches und anderer Nationen, unter

sich

aufhaltenden Angehörigen des

der Aufsicht Unserer Regierung und

vorbehaltlich weiterer von Uns zu erlassender Anordnungen und Ergänzungen

dieses Unseres Schutzbriefes. Zu Urkund dessen haben Wir diesen Schutzbrief Höchsteigenhändig voll­

zogen und mit Unserem Kaiserlichen Jnsiegel versehen lassen. Gegeben Berlin, den 27. Februar 1885.

(L. S.)

Wilhelm.

von Bismarck.

149. Kaiserlicher Achuhbrief für die Neu-Guinea-Courpagnie. Wir Wilhelm,

von Gottes Gnaden deutscher Kaiser und König von

Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir im August

1884

gehörigen, welche inzwischen den

einer

Namen

Gemeinschaft

von

Reichsan­

„Neu-Guinea--Compagnie"

an­

genommen hat, für ein von derselben eingeleitetes Kolonialunternehmen auf

Jnselgebieten im westlichen Teile der Südsee, welche nicht unter der Ober­

hoheit einer andern Macht stehen, Unsern Schutz verheißen hatten; nachdem diese Compagnie durch eine von ihr ausgerüstete Expeditton in jenen Gebieten

unter der Kontrolle Unseres dortigen Komnlissars Häfen und Küstenstrecken zum Zwecke

der Kultur und

der

Errichtung von

Handelsniederlassungen

279

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1885. und

erworben

in Besitz

genommen

und

hat,

demnächst

auf

Unsern

Befehl diese Gebiete durch Unsere Kriegsschiffe unter Unsern Schutz gestellt worden sind; nachdem die beiden deutschen Handelshäuser, welche in einem

Teile jener Gebiete schon früher Faktoreien errichtet und

Grundeigentum

erworben hatten, der Compagnie beigetreten sind, und nachdem die Compagnie,

rechtlich vertreten durch Unsern Geheimen Kommerzienrat Adolf von Hanse­ mann, nunmehr angezeigt hat,

daß sie

es übernehme, die zur Förderung

des Handels und der wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Grund und Bodens, sowie zur Herstellung und Befestigung

eines friedlichen Verkehrs

mit den

Eingeborenen und zu deren Civilisierung dienlichen staatlichen Einrichtungen

in dem Schutzgebiete auf ihre Kosten zu treffen und zu erhalten, auch damit den Antrag

verbunden hat, daß ihr zur Erreichung dieses Zweckes durch

einen Kaiserlichen

Schutzbrief das

Recht zur Ausübung landeshoheitlicher

Befugnisse unter Unserer Oberhoheit zugleich mit dem ausschließlichen Recht, unter der Oberaufsicht Unserer Regierung herrenloses Land in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen

und Verträge mit den Eingeborenen über Land

und Grundberechtigungen abzuschließen, verliehen werden möchte:

So bewilligen Wir der Neu-Guinea-Compagnie diesen Unseren Schutzbrief und bestätigen hiermit, daß Wir über die betreffenden

Gebiete die Oberhoheit übernommen haben.

Diese Gebiete sind die folgenden: 1. Der Teil des Festlandes von Neu-Guinea, welcher nicht unter eng­

lischer

oder niederländischer Oberhoheit steht.

auf Antrag

Dieses Gebiet, welches Wir

der Compagnie „Kaiser Wilhelms-Land"

haben, erstreckt sich

an

zu

nennen gestattet

der Nordostküste der Insel vom 141. Grade öst­

licher Länge (Greenwich) bis zu dem Punkte in der Nähe von Mitre Rock, wo der 8. Grad südlicher Breite die Küste schneidet, und wird nach Süden und

Westen durch eine Linie begrenzt, welche zunächst dem 8. Breitengrade bis zu dem Punkte folgt, wo derselbe vom 147. Grade östlicher Länge durch­ schnitten wird, dann in einer geraden Linie in nordwestlicher Richtung auf den Schneidepunkt des 5. Grades

südlicher Breite und des 141. Grades

östlicher Länge zuläuft und von hier ab nach Norden diesem Längengrade folgend wieder das Meer erreicht. 2. Die vor der Küste dieses Teiles von Neu-Guinea liegenden Inseln,

sowie die Inseln des Archipels, welcher bisher als der von Neu-Britannien bezeichnet worden ist und

auf Antrag

der Compagnie

mit Unserer Er­

mächtigung den Namen „Bismarck-Archipel" tragen soll und alle

nordöstlich

von

Neu-Guinea zwischen dem

Äquator und dem

8.

andem

Grade

Viertes Buch. 1881-1888.

280

südlicher Breite und zwischen dem 141. und 154. Grade östlicher Länge

liegenden Inseln.

Jngleichen verleihen Wir der besagten Compagnie, gegen die Verpflichtung,

die von ihr übernommenen staatlichen Einrichtungen zu treffen und zu er­

halten, auch die Kosten für eine ausreichende Rechtspflege zu bestreiten, hier­ mit die entsprechenden Rechte der Landeshoheit, zugleich mit dem ausschließ­

lichen Recht, in dem Schutzgebiet herrenloses Land in Besitz

zu nehmen

und darüber zu verfügen und Verträge mit den Eingeborenen über Land

und

Grundberechtigungen abzuschließen, dies alles

unter der Oberaufsicht

Unserer Regierung, welche die zur Wahrung früherer wohlerworbener Eigen­

tumsrechte und zum Schutz

der Eingeborenen erforderlichen Bestimmungen

erlassen wird.

Die Ordnung der Rechtspflege sowie die Regelung und Leitung der Beziehungen zwischen dem Schutzgebiete und den fremden Regierungen bleiben

Unserer Regierung Vorbehalten.

Wir verheißen und befehlen hiermit, daß Unsere Beamten und Offi­

ziere durch Schutz und Unterstützung der Gesellschaft und ihrer Beamten in allen gesetzlichen Dingen diesen Unsern Schutzbrief zur Ausführung bringen

werden.

Diesen Unsern Kaiserlichen Schutzbrief gewähren Wir der „Neu-GuineaCompagnie" unter der Bedingung, daß dieselbe bis spätestens ein Jahr vom

heutigen Tage ab ihre rechtlichen Verhältniffe nach Maßgabe der deutschen Gesetze ordnet, daß die Mitglieder ihres Vorstandes oder der sonst mit der Leitung betrauten Personen Angehörige des Deutschen Reiches sind und unter dem Vorbehalt späterer Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes und der

von Unserer Regierung zu seiner Ausführung zu erlafienden Bestimmungen,

sowie der in Ausübung Unserer Oberhoheit über das Schutzgebiet ferner zu

treffenden Anordnungen, zu deren Befolgung die Compagnie bei Verlust des

Anspruchs auf Unseren Schutz verpflichtet ist. Zu Urkund dessen haben

Wir diesen Unsern Schutzbrief Höcksteigen-

händig vollzogen und mit Unserm Kaiserlichen Jnsiegel versehen lassen.

Gegeben Berlin, den 17. Mai 1885. (L. 8.)

Wilhelm, von Bismarck.

Sozialrcform und Kolonialpolitik 1885.

281

150.

Rede ;ur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 19. November 1885. Se. Majestät der Kaiser Sie in Seinem und der

hat mir *)

verbündeten

den Auftrag zu erteilen geruht.

Regiemngen

Namen

beim Wieder­

beginn Ihrer Arbeiten zu begrüßen.

Der Entwurf zum Reichshaushalts-Etat wird Ihnen alsbald zugehen. Die Sorge für die Sicherheit des Reiches und für die Befestigung und Ent­ wickelung seiner Einrichtungen

veranlaßt die Verbündeten Regierungen, auf

dem Gebiete des Heerwesens, der Kriegsmarine und der Fürsorge für bisher unversorgte Invaliden beider eine Erhöhung der bisherigen Leistungen bei Ihnen in Antrag zu bringen. In den erheblich gesteigerten Überweisungen aus

den finanziellen

Ergebnissen

unseres

verbesserten Zolltarifs und

des

Gesetzes über die Reichsstempelabgaben werden die Bundesstaaten die Mittel

zur Deckung ihrer Mehrleistungen an das Reich finden.

Infolge der Not­

wendigkeit, die vom Reich gewährten Mittel wiederum zu den Zwecken des Reiches

zu

verwenden, bleiben

aber eigne Bedürfnisse der Bundesstaaten

unbefriedigt, und es liegt dem Reich die Aufgabe ob, auf dem nur ihm zu­

gänglichen Gebiete der indirekten Verbrauchsbesteuerung

quellen zu eröffnen.

weitere Einnahme­

Demgemäß ist die baldige Einbringung eines Gesetzes

zur Reform der Zuckerbesteuerung in Aussicht genommen, da die Schwierig­

keiten, welche während der Reform

mit Rücksicht auf

letzten

Session

dieser als dringlich erkannten

die Lage der beteiligten Industrie und Land­

wirtschaft entgegenstanden, nicht mehr in derselben Stärke

vorliegen und

durch eine Verzögerung der Reform eher wieder verschärft werden könnten.

Auch in betreff der Branntweinsteuer sind zu gleichem Zweck Vorlagen in Vorbereitung, über welche zunächst die Verständigung unter den verbündeten

Regierungen herzustellen ist. In Übereinstimmung mit den wiederholt und feierlich kundgegebenen

Absichten Sr. Majestät des Kaisers auch diesmal auf Ihre Mitwirkung

rechnen die

verbündeten

Regierungen

für die schrittweise Weiterführung des

in Angriff genommenen sozialen Reformwerkes.

Dank dem verständnisvollen

Entgegenkommen der beteiligten Kreise ist es möglich gewesen, das Unfall-

versicherungs-Gesetz

vom 6. Juli 1884

und zum

Teil auch die Novelle

vom 28. Mai d. I. nach Abschluß der organisatorischen Vorarbeiten bereits

x) StaatS-Minister von Boetticher als Stellvertreter des Reichskanzlers.

Viertes Buch. 1881—1888.

282

am 1. Oktober d. I. in Wirksamkeit treten zu lassen.

In planmäßiger

Verfolgung des beschrittenen Weges wird Ihnen der in der vorigen Session unerledigt gebliebene Entwurf eines Gesetzes über die Ausdehnung der Unfall­ versicherung

und Forstwirtschaft mit einigen

auf die Arbeiter der Land-

Änderungen wieder vorgelegt werden, durch welche einer Anzahl von Vor­ schlägen Ihrer

zur Vorberatung

des

Entwurfs

gewählten

Kommission

Rechnung getragen wird. Schon bei der Beratung des Unfallversicherungsgesetzes wurde die Not­

wendigkeit hervorgehoben, auch die Unfallfürsorge für die Beamten und für Personen des Soldatenstandes entsprechend zu regeln.

Es wird Ihnen ein

Gesetzentwurf zugehen, welcher dieser Aufgabe, soweit die Reichsgesetzgebung

sie zu lösen hat, gerecht zu werden bestimmt ist. Die von 5 zu 5 Jahren gesetzlich vorgesehene Revision des Servis­

tarifs und der Klasseneinteilung der Orte ist der Gegenstand

Vorberatungen gewesen.

eingehender

Über das Ergebnis derselben wird Ihnen

eine

entsprechende Vorlage gemacht werden.

Im Jntereffe der wirksamen Verteidigung

unsere Marine ist die Herstellung

der deutschen Küste durch

eines Schiffahrtskanals

mündung nach der Kieler Bucht in Aussicht genommen,

welches

zugleich

wirklichung des

wirtschaftlichen Interessen dienen wird.

Plans

erforderliche Reichsgesetz

von der

Elb-

ein Unternehmen, Das zur Ver­

wird Ihrer verfassungs­

mäßigen Beschlußfassung unterliegen.

Die Rechtspflege in den unter den Schutz des Reiches gestellten über­ seeischen Gebieten bedarf der Regelung, behufs deren Ihnen die erforderliche

Vorlage gemacht werden wird. Über die Ausdehnung, in

welcher deutsche Unternehmungen und Er­

werbungen in fremden Weltteilen ferner in den unmittelbaren Schutz und

unter die Aufsicht des Reiches zu nehmen sein werden, sind Verhandlungen mit den Regierungen von England, Spanien, Frankreich, Portugal und mit

dem Sultan von Zanzibar gepflogen worden, deren Ergebnisse Ihnen auf

Befehl Sr. Majestät des Kaisers mitgeteilt werden sollen, stehen.

sobald sie fest­

Letzteres ist England gegenüber im wesentlichen schon jetzt der Fall,

und die Verhandlungen mit Spanien lassen, infolge der Vermittelung Sr. Heiligkeit des Papstes, die den freundschaftlichen Beziehungen beider Länder

entsprechende vergleichsweise Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheiten über

die Priorität der Besitzergreifung der Karolinen-Inseln in kurzem erwarten. Das Deutsche Reich erfreut sich

friedlicher und freundschaftlicher Be­

ziehungen zu allen auswärtigen Regierungen.

Se. Majestät der Kaiser hegt

Sozialreform und Kolonialpolitik.

283

1885.

die zuversichtliche Hoffnung, daß die Kämpfe der Balkanstaaten untereinander

den Frieden der europäischen Mächte nicht stören werden, und daß es den Mächten, welche den für jede von ihnen gleich wertvollen Frieden Europas vor 7 Jahren durch

ihre Verträge besiegelt haben,

diesen Verträgen die Achtung

der durch

Volksstämme im Balkangcbiete zu sichern. dem Vertrauen beseelt,

daß

sie

auch

gelingen

werde,

zur Selbständigkeit berufenen

Se. Majestät der Kaiser ist von

Gottes Segen

den

bisher erfolgreichen Be­

strebungen unserer Politik zur Erhaltung des europäischen Friedens auch in Zukunft nicht fehlen werde.

151. Allerhöchste Botschaft an den Bcichstag *), Montag, den 30. November 1885.

Wir Wilhelm,

von

Gottes

Gnaden deutscher Kaiser,

König

von

Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Den Verhandlungen des Reichstags mit Aufmerksamkeit folgend, haben Wir aus

der Tagesordnung des

pellation 2) in Aussicht steht,

1.

Dezember ersehen,

daß eine Inter­

welcher die Ncchtsauffassung zu Grunde liegt,

als ob in Deutschland eine Neichsrcgierung bestände, die verfassungsmäßig

in der Lage wäre, Schritte zu thun, um die Durchführung von Maßregeln zu hindern, welche

von Uns in Unserm Königreich Preußen

Ausweisung ausländischer Unterthanen angeordnet worden sind.

bezüglich der

Die That­

sache, daß diese rechtliche Voraussetzung nach Ausweis der Unterschriften der

Interpellation von der Mehrzahl der bisher anwesenden Mitglieder des Reichtags für richtig gehalten

wird, legt Uns die Verpflichtung auf, der­

selben gegenüber Unsere Rechte im Königreich Preußen und die Rechte eines

Jeden Unserer Bundesgenossen in

betreff der Landeshoheit ausdrücklich zu

verwahren. ’) Verlesen von Fürst Bismarck in der Sitzung des Reichstags vom 1. Dezember 1885. 8) Die Interpellation, eingebracht von dem Abgeordneten Dr. von JazdzewSki und

der polnischen Fraktion, von zahlreichen Mitgliedern deS Centrums und der freisinnigen Partei, den Sozialdemokraten, den Elsaß-Lothringern und dem Dänen Junggreen unter­

stützt, lautete:

In den letzten Monaten wurden viele Tausende von fremden Unter­

thanen, namentlich anS den östlichen Provinzen des preußischen Staates, ausgewiesen

oder für die nächste Zukunft damit bedroht.

Wir richten an die Reichsregierung die

Anfrage, ob diese Thatsache und ihre Begründung zu ihrer Kenntnis gelangt ist, und

ob dieselbe bereits Schritte gethan hat oder noch zu thun beabsichtigt, um der weiteren Durchführung der verhängten Maßregel entgegenzuwirken.

Viertes Buch. 1881—1888.

284 Wir haben —

gleich Jedem der verbündeten Fürsten — wesentliche

nnd unbestrittene Hoheitsrechte der Einheit der deutschen Nation willig ge­

opfert und dem Reichstage bezüglich Unserer Staaten

weitgehende Rechte

Wir bereuen die von Uns gebrachten Opfer nicht, Wir haben

eingeräumt.

die dadurch geschaffenen Rechte und Prärogative des Reichstags stets un­

verbrüchlich geachtet und Unsere jederzeit bereitwillig erfüllt,

gegen

das Reich

übernommenen Pflichten

auch den Frieden des Reiches mit Erfolg ge­

wahrt und seine Wohlfahrt nach Kräften gefördert,

aber

mit gleicher Ge­

wissenhaftigkeit sind Wir auch entschlossen, die Rechte unserer angestammten Krone so,

wie sie nach den Bundesverträgen zweifellos in Geltung stehen,

nicht minder wie die

eines Jeden

Unserer Bundesgenossen, unverdunkelt

und unvermindert zu erhalten und sie zu schützen. Die in der gedachten Interpellation vertretene Rechtsauffassung findet in keiner Bestimmung der Bundesverträge, der Verfassung oder der Gesetze des Reiches einen Anhalt.

Es giebt keine Reichsregierung, welche bemfen

wäre, unter der Kontrolle des Reichstags, wie sie durch jene Interpellation versucht wird, die Aufsicht über die Handhabung der Landeshoheitsrechte der

einzelnen Bundesstaaten zu führen, soweit das Recht dazu nicht ausdrücklich dem Reiche übertragen

worden

ist.

Wir dürfen das Zeugnis der

durch

Uns und Unsere Bundesgenossen geeinigten Nation dafür Anrufen, daß die verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung von Uns und von den ver­

bündeten Regiemngen jederzeit sorgfältig geachtet worden sind;

aber Wir

dürfen auch erwarten, daß der Reichstag mit gleicher Gewissenhaftigkeit die

Rechte eines Jeden der verbündeten Fürsten und freien Städte achten werde. Auf dieser Gegenseitigkeit beruht das Vertrauen, welches die deutschen Stämme und

ihre Fürsten

und Obrigkeiten der Reichsverfassung

entgegenbringen.

Es ist Unser ernstes Bemühen, dieses Vertrauen allerseits ungeschwächt zu erhalten, und deshalb fühlen Wir Uns bewogen, dem Reichstage Unsere Über­

zeugung kund zu thun, daß die Rechtsauffaffung, zu welcher die Mehrzahl der anwesenden Abgeordneten durch ihre Unterstützung der gedachten Inter­ pellation sich bekannt hat, im Widerspruch mit dem deutschen Berfassungs­

rechte

steht,

und

daß Wir etwaigen Versuchen

selben nicht nur Unsere Mitwirkung versagen, ute Rechte eines Jeden der

einer Bethätigung

der­

sondem denselben gegenüber

verbündeten Regiemngen nach Maßgabe des

Bundesvertrags vertreten und schützen werden.

Gegeben Berlin, den 30. November 1885. Wilhelm. von Bismarck.

Sozialresorm und Kolonialpoliük.

1886.

285

152. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, Montag, den 4. Januar 1886.

Als Ich im Januar des Jahres 1861 durch Gottes Gnade dazu be­ rufen wurde, den Thron Meiner Väter zu besteigen, durfte Ich bei Meinem

schon damals vorgeschrittenen Lebensalter nach menschlicher Berechnung kaum

hoffen, daß Mir eine lange Dauer der Regierung beschieden sein würde. Jetzt blicke Ich in Gemeinschaft mit Meiner Gemahlin auf eine Reihe von 25 Jahren zurück, in denen es Mir vergönnt gewesen ist,

unter freud-

nnd leidvollen Erfahrungen Meines schweren, verantwortlichen Berufes mit ungeahnten glücklichen Erfolgen zu

wallen.

fürstlichen

Unerschöpflich ist

Mein Dank gegen den Allmächtigen, der Mich diesen Tag Meines Regierungs-

jubiläums noch erleben ließ, der Mein ganzes langes Leben hindurch, nament­ lich in dem letzten Vierteljahrhundert, mit Gnade Mich überhäuft, der im wcchselvollen Laufe der Geschicke

wie nach außen reich gesegnet hat. Ereignisses besonders erhebt, das

Meine Königliche Regierung im Jnnem Was Mich bei der Feier dieses frohen ist

das unerschütterliche Vertrauen, die

treue, unwandelbare Liebe Meines Volkes, welche Ich bei den verschiedensten

Gelegenheiten so oft erfahren, und welche sich

auch

bei dem gegenwärtigen

zwiefachen Anlasse der Jahreswende und Meines Jubiläums der mannigfaltigsten herzlichsten Weise bekundet hat.

Monarchie,

aus dem ganzen deutschen Vaterlande

wiederum in

Nicht bloß aus Meiner und weit über dessen

Grenzen hinaus, soweit die deutsche Zunge klingt, bin Ich von kommunalen und kirchlichen Verbänden, von anderen Körperschaften und Kollegien jeder

Art,

von Vereinen und

Anstalten in zum Teil kunstvoll

ausgestatteten

Adressen, sowie von einzelnen Personen in Zuschriften, poetischen wie musi­ kalischen Ergüssen und in Telegrammen beglückwünscht.

Auch in festlichen

Veranstaltungen und Versammlungen hat das Gefühl des Volkes zur Feier des Gedenktages sich kund gethan; und nicht minder sind Mir

Kreise Meiner

Menge

aus

dem

elemaligen braven Krieger Beweise der Treue in großer

zugegangen.

Solche

ungemein zahlreichen Zeugnisse

von Anhäng­

lichkeit und Verehrung, welche dem Tage die rechte Weihe geben, erfüllen

Mein Herz mit tiefer Erkenntlichkeit und stärken Mich in Meinem hohen Alter zu weiterer Ausübung Meiner fürstlichen Pflicht für die Zeit, welche Mir

hienieden

noch

beschieden sein wird.

Aus

überströmendem Herzen

danke Ich Allen, Allen, welche Mich und ebenso Meine Gemahlin durch

ihre Teilnahme

beglückt

haben;

mit

ihnen vereinige ich

Mich in dem

286

Viertes Buch. 1881—1888.

gemeinsamen Wunsche:

Gott sei auch ferner mit unserem deutschen Bater-

lande!

Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Berlin, den 4. Januar 1886. Wilhelm. An den Reichskanzler und Präsidenten des Staats-Ministeriums.

153.

Thronrede;ur Eröffnung des Landtags, Donnerstag, den 14. Januar 1886.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Indem Ich Sie am kommen heiße,

Eingänge

einer neuen Legislaturperiode

will­

ist es Meinem Herzen Bedürfnis, von dieser Stelle noch­

mals Meinem Volke

Meinen

Königlichen

Dank

zu sagen

für den

mütigen und erhebenden Ausdruck der Liebe und Anhänglichkeit, an dem Tage entgegengebracht wurde,

Dauer einer durch

an

Gottes Gnade nach

ein­

der Mir

welchem Ich auf die 25 jährige

innen und

außen reichgesegneten

Regierung zurückblicken konnte.

Zu gleicher Befriedigung hat es Mir gereicht, daß bei dieser Gelegenheit auch außerhalb der Grenzen des Vaterlandes ein Maß von

wohlwollender

Teilnahme an Unserer Feier zu Tage getreten ist, welches den freundlichen

Beziehungen des Reiches

zu

allen

auswärtigen Regierungen und Meinem

vollen Vertrauen auf die gesicherte Fortdauer des Friedens entspricht.

Im übrigen will Ich hiermit den Präsidenten Meines Staats-Mini­ steriums beauftragen, Ihnen weitere Mitteilungen über die Lage des Staats­

haushalts und über die auf dem Gebiete der Gesetzgebung an Sie heran­ tretenden Aufgaben zu machens.

Die Finanzlage des Staates hat sich gegen das vorige Jahr, wo ihre Unzulänglichkeit angesichts einer notwendigen Erhöhung der Matrikularbeiträge

sich im erheblichen Maße geltend machte, wieder günstiger gestaltet.

Das letzte abgeschlossene Rechnungsjahr zeigt auf fast allen wichtigeren Verwaltungsgebieten erfreuliche finanzielle Ergebnisse.

Wenn dasselbe gleich­

wohl keinen für das kommende Etatsjahr verfügbaren Überschuß hinterlassen

s) Das Weitere verlas Fürst Bismarck.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1886.

287

hat, so ist dies die Folge der gesetzlichen Vorschriften über die Verwendung der Jahresüberschüsse der Eisenbahn-Verwaltung, nach welchen

der beträchtliche,

über die Voranschläge erzielte Überschuß des Jahres auch in der Rechnung eben dieses Jahres schon zu entsprechender Mehrtilgung der Staatseisenbahn­ schuld hat in Ausgabe gestellt werden müssen.

Von dem laufenden Jahre sind nach den bisherigen Wahrnehmungen ganz so günstige Ergebnisse nicht zu erwarten, insbesondere wird der Über­ schuß der Eisenbahn-Verwaltung unter dem Einfluß einer verminderten Ver­ kehrsentwickelung den Voranschlag vielleicht nicht ganz voll erreichen.

ungeachtet erscheint die Hoffnung berechtigt, daß

Dessen

das Gesamtergebnis

auch

des laufenden Jahres kein ungünstiges sein werde.

Für das

gesetzliche

nächste Jahr fällt ins Gewicht, daß inzwischen durch

Überweisung

von Zollerträgen

an

die

die Kommunalverbände und

durch die Pensionierung der Lehrer an den Volksschulen die ersten Schritte gethan sind

zur Befriedigung der auf dem Gebiete der Kommunal- und

Schullasten seit Jahren

hervorgetretenen Bedürfnisse,

für welche

aus den

bisherigen Einnahmequellen des Staates die erforderlichen Mittel weder zu beschaffen waren noch in Aussicht stehen.

Die Mehrausgaben infolge jener

beiden Gesetze nehmen die Mehreinnahmen, welche der Staatskasse inzwischen durch die Reichsgesetzgebung neu zugeführt worden sind, zum größeren Teil

in Anspruch, während der Reichshaushalt eine erneute Steigerung ständen können auch die größeren Überschüsse,

Betriebsverwaltungen des Staates nach

der Ma-

Unter diesen Um­

trikularbeiträge für das nächste Jahr vorzusehen nötigt.

auf welche bei den meisten

den sorgfältig

aufgestellten Voran­

schlägen wiederum zu rechnen sein wird, und die beträchtliche Erleichterung der Zinslast des Staates, welche durch die Umwandlung bisher höher ver­

zinslicher Schulden in vierprozentige gesichert ist, bei aller Sparsamkeit und

Beschränkung in der Berücksichtigung neuer Bedürfnisse nicht hinreichen, um das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben im nächstjährigen Staatshaus­ halts-Etat herzustellen.

Es

wird daher,

wenn

auch in geringerem

Umfange wie für das

laufende Jahr, abermals der Staatskredit zur Deckung des Fehlenden in

Anspruch zu nehmen sein. Die Regierung hat hierin und in der Überzeugung, geringen Anfängen einer Erleichterung

des

Schullasten und dem Aufschübe der Verbesserung nicht etwa

daß es bei

den

Druckes der Kommunal- und der Beamtenbesoldungen

sein Bewenden haben kann, erneuten Anlaß gefunden, auf die

Weiterfühmng der Reichssteuerreform hinzuwirken; insbesondere hat sie sich

Viertes Buch. 1881-1888.

288 angelegen sein lassen,

reichsgesetzliche

zur Einführung

Bestimmungen

des-

Branntwein-Monopols vorzubereiten und zu beantragen, von deren Annahme

sie ausreichende Erträgnisse zur Befriedigung der dringenden Bedürfnisse in. Staat und Reich und günstige Folgen für Moral und Gesundheit erhofft. Die Entwürfe des Staatshaushalts-Etats für das nächste Jahr und eines Gesetzes wegen Aufnahme einer Anleihe zur Ergänzung der nächst­

jährigen Einnahmen des Staates werden Ihnen alsbald vorgelegt werden-

in einzelnen

Auf dem Gebiete der industriellen Thätigkeit macht sich

Betriebszweigen eine Stockung des Absatzes bemerkbar.

auf

Diese Erscheinung läßt sich

eine durch die bisherigen

Erfolge der gewerblichen Arbeit angeregte Steigerung

günstigen

der Betriebsamkeit

und auf den Wunsch zurückführen, dem deutschen Fabrikat im Wettbewerb mit den konkurrierenden Industriestaaten den Vorsprung zu

sichern.

Eine

Abhilfe hiergegen liegt außerhalb des Bereichs unserer Gesetzgebung.

Nur

die Zurückführung unserer Produktion auf das Maß des Bedürfnisses wird die ungünstigen

wirtschaftlichen Folgen fernzuhalten vermögen,

welche

eine

Anhäufung nicht absatzfähiger Erzeugnisse nach sich zieht.

Die

erfreulichen Ergebnisse unserer Eisenbahnpolitik gestatten.

Ihnen

auch in diesem Jahre die Herstellung einer Reihe von Schienenverbindungen

in

verschiedenen Teilen des Landes

Berkehrsgebiete erschlossen und

vorzuschlagen, durch

erhöhter

welche wichtige

wirtschaftlicher Entwickelung ent­

gegengeführt werden sollen. Von der Fürsorge für die Fördemng der Binnenschiffahrt wird neben den weiteren beträchtlichen Forderungen für Stromregulierungen und Schiff­

fahrtsanlagen in dem Staatshaushalts-Etat eine Vorlage Zeugnis

ablegen,

welche die im Jahre 1883 ohne Erfolg vorgeschlagene Anlage eines Kanals

von Dortmund nach den Ems-Häfen unter zweckmäßiger Erweiterung des Projektes

und

zugleich

den

dem

sprechenden Ausbau der Wasserstraße

gegenwärtigen

Verkehrsbedürfnis

ent­

von der mittleren Oder nach Berlin

bezweckt. Nachdem infolge der jüngst ergangenen Kreis- und Provinzialordnungen

die Einführung der Verwaltungsreform sich in der Provinz Hannover in

erwünschter Weise vollzogen

hat

und für die Provinz Hessen-Nassau

nahe Aussicht gerückt ist, bleibt die Vollendung des in gesicherten

und

bewährten

Reformwerkes

für

noch

Monarchie eine wichtige Aufgabe der Gesetzgebung.

in

seinen Grundzügen

vier Provinzen

der

Zu diesem Behufe ist

zunächst der Entwurf einer Kreis- und Provinzialordnung für Westfalen

289

Sozialrcsorm und Kolonialpolitik. 1886.

ausgearbeitet

welcher

worden,

Ihrer

Beschlußnahme

verfaffungsmäßigen

unterbreitet werden wird.

Das Zurückdrängen des deutschen Elements durch einigen östlichen Provinzen legt der Regiemng zu treffen, welche

völkerung

das

polnische in

die Pflicht auf, Maßregeln

den Bestand und die Entwickelung der deutschen Be­

sicherzustellen geeignet sind.

Die zu

diesem Zweck in Arbeit

befindlichen Vorlagen werden Ihnen seiner Zeit zugehen.

Geehrte Herren! x) Sie ersehen aus dem Verlesenen, daß der Landesvertretung wiederum

ein ausgedehntes Feld wichtiger Thätigkeit eröffnet ist.

Arbeit auf demselben und unter

sich auch in

Ich hoffe, daß Ihre

diesem Jahre zu einer fruchtbringenden

Gottes Segen für die Wohlfahrt des Landes förderlichen ge­

stalten werde.

154. Allerhöchster Erlaß an de» Reichskanzler, Mittwoch, den 24. März 1886. Noch ist die freudige Bewegung, welche jüngst bei der Feier Meines

25jährigen Regiemngs-Jubiläums

durch das

ganze Land ging,

Mir in

lebendiger Erinnerung, noch ist der tiefe Eindruck, welchen Ich durch zahl­

reiche Huldigungen zu jenem Tage empfunden, aus Meiner Seele nicht ent­ schwunden, und schon wieder nach Verlauf von nur wenigen Wochen

Ich vor einer Fülle Meinem

von

Glück-

geliebten deutschen Volke, von nah und fern,

Meines 89. Lebensjahres am 22. März bracht worden sind.

stehe

und Segenswünschen, welche Mir von zur Vollendung

in mannigfaltigster Weise darge­

In Adressen und Telegrammen wird Mir von städtischen

und kirchlichen Gemeinden, Korporattonen und Vereinen, Verbänden und Anstalten jeglicher Art Liebe und Anhänglichkeit aufs neue bestätigt.

Poesie

und Musik, Malerei und Kunstgewerbe sind in den Dienst des Tages ge­

stellt, um Mir auch sichtbare Zeichen treuer Ergebenheit zu gewähren. Überall im Lande ist die Wiederkehr Meines Geburtstages als ein nationales Fest

Inmitten eines reichen Blumenflors, welcher Mir von den ver­

begangen.

schiedensten Seiten gespendet worden, schlägt Mein Herz in dankbarer Freude über

diese

erhebenden patriotischen Kundgebungen.

Aus

ihnen

schöpfe

Ich erneut Kraft und Vertrauen, trotz Meines Alters für des Volkes Wohl­ fahrt in Ernstem Bemühen

wirken.

auch ferner,

so

lange es Gottes Wille ist,

Tief gerührt von so vielen Beweisen

*) Worte des Kaisers.

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

zu

warmer Teilnahme drängt

Viertes Buch.

290

1881—1888.

es Mich, Allen, welche durch liebevolle Aufmerksamkeiten dazu beigetragen

haben, Mir den 90. Geburtstag zu einem weihevollen Festtage zu gestalten.

Meinen innigsten Dank dafür auszusprechen. Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

Berlin, den 24. März 1886. Wilhelm. An den Reichskanzler.

155. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 16. September 1886.

Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser hat mich ') zu beauftragen geruht, den Reichs­

tag zu eröffnen.

Die Berufung mit der Königlich

desselben ist zu dem Zwecke spanischen Regierung

erfolgt, um Ihnen das

vereinbarte Abkommen über die

am 12. Juli 1883 zwischen dem Deutschen Reich und

Verlängerung des

Spanien abgeschloffenen Handels- und Schiffahrtsvertrages vorzulegen, dessen

Geltung mit dem 30. Juni 1887 abläuft.

Die wegen Verlängerung dieses

Vertrages getroffene Vereinbarung wird Ihnen unverzüglich mit träge zugehen, derselben Ihre

verfassungsmäßige Zustimmung

Nach der übereinstimmenden Auffassung entspricht die Verlängerung des

Vertrages

der verbündeten Regierungen den Interessen und Wünschen

unseres Handels und unserer Gewerbthätigkeit.

aber wird im Interesse

dem An­

zu erteilen.

In den

beteiligten Kreisen

der geschäftlichen Dispositionen Wert darauf ge­

legt, sobald wie möglich jede Ungewißheit über die Fortdauer des Vertrages

ausgeschlossen zu sehen. längerung endgiltig

Um die rechtliche Geltung der vereinbarten Ver­

sicher zu stellen, hat daher

die

Ratifikation derselben

ohne Verzug in Aussicht genommen werden müssen.

Die

verbündeten

Regierungen

würden,

ebenso

Jahre 1883 bereit waren, geneigt gewesen sein,

führen, ohne zuvor den Reichstag

wie sie

hierzu

im

die Ratifikation herbeizu­

zu versammeln, in der Hoffnung, daß

ihnen für dies Verfahren die Indemnität ohne Anstand nachträglich bewilligt werden

würde.

Nach

obachtete Vorgehen

in

welche

das

damals be­

Beurteilung

und

insbesondere

der Aufnahme indessen, der

publizistischen

’) StaatSminister v. Boetticher.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1886.

291

bei den darauf folgenden Verhandlungen des Reichstags gefunden hat, sind

sie der Meinung, daß es für sie geboten erscheint, den von der Verfaffung vorgezeichneten Weg

genau einzuhalten, den definitiven Abschluß des Ver­

trags aber nicht bis zum nächsten regelmäßigen Zusammentritt des Reichs­

tags in Unsicherheit lasten zu sollen. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers erlläre ich im Namen der ver­

bündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.

156. Rede zur Eröffnung des deutschen Reichstags, Donnerstag, den 25. November 1886. Geehrte Herren!

Se. Majestät

der

Kaiser haben mich')

zu

geruht, den

beauftragen

Reichstag im Namen der verbündeten Regierungen zu eröffnen. Die wichtigste Aufgabe, welche den Reichstag beschäftigen wird, ist die Mitwirkung bei der ferneren Sicherstellung der Wehrkraft des Reiches.

Durch das Gesetz vom 6. Mai 1880 ist die Friedenspräsenzstärke des

Heeres bis zum 31. März 1888 festgestellt worden.

Der Bestand unseres

Heerwesens bedarf daher der Erneuerung seiner gesetzlichen Grundlage. der Armee liegt die Gewähr für den dauernden

Schutz

In

der Güter des

Friedens, und wenn auch die Politik des Reiches fortgesetzt eine friedliche ist, so darf Deutschland doch im Hinblick auf die Entwickelung der Heeres­

einrichtungen unserer Nachbarstaaten

seiner Wehrkraft

auf eine Erhöhung

und insbesondere der gegenwärtigen Friedenspräsenzstärke nicht zichten.

Es

wird Ihnen

eine Gesetzvorlage

zugehen, nach

länger ver­

welcher diese

Heeresverstärkung bereits mit dem Beginn des neuen Etatsjahres eintreten soll. Se. Majestät der Kaiser hegt in Übereinstimmung mit den verbündeten Regierungen die Zuversicht, daß die Notwendigkeit dieser im Interesse unserer

nationalen Sicherheit unabweislichen Fordemng

auch

von

der Gesamtheit

des deutschen Volkes und seiner Vertreter mit voller Entschiedenheit aner­

kannt werden wird. Eine zweite Vorlage, welche Sie beschäftigen wird,

betrifft die Für­

sorge für die Witwen und Waisen der Angehörigen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine. anerkannt worden.

Das Bedürfnis dieser Fürsorge ist bereits früher

Die verbündeten Regierungen glauben nunmehr auf das

') Staatsminister v. Boetticher.

292

Vierte- Buch. 1881-1888. um so sicherer rechnen zu dürfen, als die

Zustandekommen dieses Gesetzes

neue Vorlage den hinsichlich einzelner Modalitäten im Reichstage geäußerten Wünschen wesentlich entgegenkommt.

Bei der Bemessung der durch diese Vorlagen bedingten Mehrkosten, wie

des

im

Reichshaushalts-Etat

veranschlagten

Ausgabe-Erfordernisses

überhaupt sind die Rücksichten auf die finanzielle Lage nicht außer Acht ge­

lassen.

Gleichwohl

wird sich

eine

Erhöhung der Matrikularbeiträge und

der int Wege des Kredits bereit zu stellenden Mittel nicht vermeiden lassen.

Neben

der durch die Verstärkung unserer Wehrkraft zu Wasser und

Lande gebotenen Vermehrung der Ausgaben und den auf

zu

rechtlicher Ver­

pflichtung beruhenden Mehraufwendungen auf dem Gebiete der Rcichsschuld

und

des

Pensionswesens

bedarf ein bedeutender Ausfall an Zuckersteuer

aus dem Vorjahre der Deckung. Unter diesen Umständen dauert das dem Reichstage wiederholt darge­ legte Bedürfnis einer aitderweitcn Verteilung der Lasten durch Vermehrung

der indirekten Steuern nicht nur fort, sondern dasselbe wird infolge der Er­ höhung der Matrikulammlagen noch dringlicher empfunden werden als bis­

her.

Gleichwohl haben die verbündeten Regiemngen aus den vom Reichs­

age über ihre bisherigen Steuervorlagen abgegebenen Voten

den Eindruck

gewinnen müssen, daß ihre einstimmige Überzeugung von der Notwendig­

keit einer Änderung in der Art der Beschaffung

des öffentlichen Geldbe­

darfs von der Mehrheit der Bevölkerung und der Vertretung derselben zur Zeit nicht in dem Maße geteilt wird, daß übereinstimmende Beschlüsse der beiden gesetzgebenden Körperschaften des Reiches mit mehr Wahrscheinlichkeit

wie im Vorjahre in Aussicht genommen werden könnten.

In der Erwägung, daß die Regierungen kein anderes Interesse haben, als das der Nation, verzichtet Se. Majestät der Kaiser darauf, die eigne Überzeugung von der Notwendigkeit der bisher vergebens erstrebten Steuer­ reform von neuem zur Geltung zu bringen,

auch im Volke

so lange das Bedürfnis nicht

zur Anerkennung gelangt sein und bei den Wahlen seinen

Ausdruck gefunden haben wird. Die Weiterführung der auf Grund der Allerhöchsten Botschaft

17. November 1881 in Angriff genommenen

vom

sozialpolitischen Gesetzgebung

liegt Sr. Majestät dem Kaiser und Seinen hohen Bundesgenossen unab­

lässig

am Herzen.

Mögen auch

Kranken- und Unfallversicherung

einzelne Bestimmungen

der über die

erlassenen Gesetze verbefferungsfähig sein,

so darf doch mit Genugthuung anerkannt werden, daß die Wege, welche das Deutsche Reich auf diesem Gebiete, andem Staaten voran, zuerst beschritten

293

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1886.

hat, sich als gangbar erweisen, und daß die neuen Einrichtungen im allgemeinen sich bewähren.

Die nächste Aufgabe

für die

Entwickelung dieser Ein­

die Wohlthaten der Unfallversicherung auf weitere

richtungen besteht darin,

Kreise der arbeitenden Bevölkerung zu erstrecken. Ihnen zwei Gesetzentwürfe vorgelegt werden.

versicherung für die Seeleute,

der

Zu diesem Zwecke werden

Der

eine

regelt die Unfall­

andere für die bei Bauten beschäftigten

Arbeiter, soweit dieselben von der bisherigen Gesetzgebung noch nicht erfaßt

worden sind.

Erst

die Unfallversichemng der Arbeiter hierdurch in

wenn

einem weiteren erheblichen Maße der Durchführung näher gebracht sein wird,

kann dazu übergegangen

werden,

auf der Grundlage der neu geschaffenen

Organisationen den arbeitenden Klassen ein entsprechendes Maß der Fürsorge auch für den Fall des Alters und der Invalidität zuzuwenden. reichung dieses

forderlich

Zur Er­

Zieles aber werden Aufwendungen aus Reichsmitteln

werden,

welche bei

er­

unserer derzeitigen Steuergesetzgebung nicht

verfügbar sind.

In voller Würdigung

der Bedeutung des Handwerkerstandes für die

allgemeine soziale Wohlfahrt sind die verbündeten Regierungen mit Interesse den Bestrebungen gefolgt, durch welche das deutsche Handwerk seine korpo­

rativen Verbände zu stärken und seine wirtschaftliche Lage zu heben trachtet. Über die Wege, welche die Gesetzgebung in dieser Richtung einzuschlagen hat,

schweben Erwägungen, welche zur Zeit noch nicht zum Abschluß gelangt sind, welche

aber die Aussicht eröffnen,

daß

berechtigten Interessen dieses Standes

es

gelingen werde, zu einem den

entsprechenden Ergebnis zu kommen.

Die gesetzlich vorgeschriebene Revision des Servistarifs und der Klassen­

einteilung der Orte ist

zum Abschluß gekommen.

in

der letzten Session des Reichstags nicht mehr Die darauf bezügliche Vorlage wird Ihnen daher

aufs neue zur Beschlußfassung zugehen. Auch der in der vorigen Session nicht zur endgiltigen Beratung gelangte

Gesetzentwurf über die Errichtung eines Seminars für orientalische Sprachen wird alsbald wieder eingebracht werden.

Der Reichstag hat seinen auf eine Ermäßigung der Gerichtsgebühren und eine Revision der Gebührenordnung für Rechtsanwälte gerichteten Wünschen wiederholt Ausdruck gegeben.

Die

angestellten

Ermittelungen haben,

ab­

gesehen von einzelnen Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes über die Wert­ festsetzung, das Bedürfnis einer Änderung der bestehenden Gerichtskostensätze

nicht erkennen lassen.

Dagegen teilen die

verbündeten Regierungen die

Ansicht, daß die Gebührenordnung für Rechtsanwälte ohne Beeinträchtigung

der berechtigten Interessen dieses Standes in einigen

Ansätzen eine

Er-

Viertes Buch 1881—1888.

294 Mäßigung erfahren kann.

Es wird Ihnen daher ein entsprechender Gesetz­

entwurf vorgelegt werden. Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu allen auswärtigen Staaten

sind freundlich und befriedigend.

Die Politik Sr. Majestät des Kaisers ist

unausgesetzt dahin gerichtet, nicht nur dem deutschen Volke die Segnungen des Friedens zu bewahren,

sondern auch

für die Erhaltung der Einigkeit

aller Mächte den Einfluß im Rate Europas

zu verwerten,

welcher der

deutschen Politik aus ihrer bewährten Friedensliebe, aus dem durch diese er­ langten Vertrauen anderer Regierungen, aus dem Mangel eigner Interessen

an schwebenden Fragen und insbesondere aus der engen Freundschaft erwächst, welche Se. Majestät den Kaiser mit den benachbarten beiden Kaiserhöfen

verbindet. Auf Allerhöchsten

Befehl Sr. Majestät des Kaisers erkläre ich

im

Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.

157. a.

Ansprache des Kronprinzen an Kaiser Wilhelm bei der Feier des achtzigjährigen Menstjubiläums, Sonnabend, den 1. Januar 1887.

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser, Allergnädigster Kaiser, König und Kriegsherr! Mit Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät begeht heute das Heer

die Erinnemng an den Tag, da Allerhöchstdieselben vor 80 Jahren durch

König Friedrich Wilhelm III.

in die Reihen der preußischen Armee aus­

genommen wurden.

Wiederholt schon durfte

ich, wie im

gegenwärtigen Augenblicke, mit

Vertretern des Heeres vor unfern Kriegsherrn treten und ihm dafür danken,

daß er uns in gewaltigen Kämpfen zu herrlichen Siegen geführt hat Bei der heutigen Feier aber blicken Ew. Majestät auf 16 vom Frieden

reichgesegnete Jahre zurück, welche vor allem der ungestörten Entwickelung und der Kräftigung des nach Harren und

Kampf wieder aufgerichteten

Reiches gewidmet waren. Solche friedliche Arbeit konnte indes nur gedeihen, weil gleichzeitig

Ew. Majestät sachkundige und rastlose Leitung die Schlagfertigkeit des Heeres

295

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887.

zu der Vollkommenheit förderte, deren jeder deutsche Soldat sich mit Stolz bewußt ist.

Der preußische Grundsatz, daß

es keinen Unterschied giebt

zwischen Volk und Heer, weil beide eins und zu des Vaterlandes Ver­ teidigung jederzeit bereit sind,

ist durch Ew. Majestät Fürsorge Gemeingut

der ganzen Nation geworden.

In dieser Wehrhaftigkeit unseres gesamten

Volkes liegt die gewichtigste Bürgschaft für die Wahrung unseres Friedens.

So möge es mir heute wie vordem gestattet sein,

auszusprcchen, daß

unser wehrhaftes, einiges Volk in dankbarer Liebe und opferwilliger Treue

seinem Kaiser und Kriegsherrn vertraut, mit freudiger Zuversicht auf ihn

als den Wahrer des Friedens blickt und

den einmütigen Wunsch hegt, daß

Gottes Segen in Fülle auch ferner auf Ew. Majestät ruhen möge.

b. Allerhöchster Erlast an den Kronprinzen, als Antwort auf dessen Ansprache. Ew.

Kaiserliche und Königliche Hoheit haben Mir heute

Eigenschaft als rangältester General-Feldmarschall der Armee

in Ihrer

— umgeben

von einer die einzelnen Teile derselben repräsentierenden hohen Generalität — die Glückwünsche der Armee zu Meinem

80 jährigen militärischen Dienst­

jubiläum ausgesprochen. Ich habe Ew. Kaiserliche und Königliche

Hoheit und den Sie um­

gebenden Generalen aus warmem und tiefbewegtem Herzen gedankt, empfinde aber das Bedürfnis, Meinen Dank auch an die ganze Armee weitergehen zu laffen und an dem heutigen Tage

auch

an diese einige Worte zu richten.

Die Armee weiß, wie nahe sie Meinem Herzen immer gestanden hat, und sie wird verstehen, welche Empfindungen Mich heute in dem Gedanken

bewegen, ihr nun 80 volle Jahre angehört zu haben. Es ist eine lange und wahrlich

eine wechselvolle, ereignisreiche Zeit,

die heute an Meiner Erinnerung vorbei geht.

Beginnend in ernsten Tagen

schwerster Prüfung, habe Ich wohl auch in ihrem weiteren Verlauf mancher Sorge und manches Tages, wo Mir das Herz schwer war,

aber

es

zu gedenken,

sind deren doch nur sehr wenige gewesen im Vergleich zu den

vielen des Glücks und der Freude, die Mir zu erleben vergönnt war. Mein Blick kann sich nicht in die Vergangenheit richten,

ohne Mein

tief bewegtes Herz von Dank für die Gnade des allmächtigen Gottes über-

296

Viertes Buch. 1881—1888.

strömen zu lassen, die wahrlich Großes an Mir gethan, die Mich so lange erhalten und die Mir so viel des Glückes gegeben hat. Und welchen Wechsel hat die Armee in diesen 80 Jahren mit Mir erlebt!

Sie stand, als Ich in dieselbe trat, nach dem schwersten Schlage, der

Preußen jemals

getroffen, zurückgedrängt an die äußersten Grenzen des

Reiches, aber der Soldatensinn, den Meine glorreichen Vorfahren in sie gepflanzt, blieb ungebrochen und trieb bald neue Keime.

Das bethätigten —

die schönste Erinnerung Meiner Jugend — die Befreiungskriege, das erhielt sie sich in der treuen Arbeit einer langen Friedenszeit,

thaten der Armee in neuester Zeit bezeugen

wahrlich,

und die Ruhmes­

daß dieser Sinn in

voller Kraft erhalten und weitergediehen ist.

Ich habe viele Veränderungen mit der Armee erlebt, in ihrer äußeren

Form, in ihrer Truppenzahl, Ich habe die Vereinigung mit den deutschen Kontingenten sich vollziehen und die Marine entstehen sehen —,

es

sind

unter Meinen Augen Generationen durch die Armee gegangen, aber inner­ lich in dem Herzen und dem Empfinden der Armee giebt

es keine Ver­

änderung !

Den Sinn für Ehre und für Pflicht

über

alles hoch zu halten und

jederzeit bereit zu sein, das Leben dafür zu lassen — das ist das Land,

welches alle deutschen Stämme eng umschließt, welches Enkel und Urenkel fest wie früher die Vorfahren vereinigt, und welches Meine

jetzt ebenso Regiemng

mit Siegen

geschmückt

hat,

deren Ich

heute als

der hell­

strahlendsten Stellen Meines militärischen Lebens in hochgehobenster Empfin­ dung gedenke.

Es ist wahrlich eine hohe Freude für Mich, an in solcher Weise zur Armee sprechen

dem heutigen Tage

zu dürfen und über diese 80 Jahre

sagen zu können, daß wir sicherlich, voll und ganz, fest zu einander gehört haben, Ich mit Meinem ganzen Herzen und Denken, die Armee mit vollster Treue, Hingebung und Pflichterfüllung, für welche Mein Dank und Meine Anerkennung

die

lebendigste Empfindung Meines Herzens bis zu Meinem

letzten Atemzuge bleiben wird.

Ew. Kaiserliche und Königliche Hoheit wollen diese Meine Worte durch

die hierher berufenen Generale zur Kenntnis der Armee bringen lassen.

Berlin, den 1. Januar 1887. Wilhelm. An den General-Feldmarschall, Kronprinzen

des Deutschen Reiches und Kronprinzen von Preußen, Kaiserliche und Königliche Hoheit.

Sozialreform und Kolonialpolitik.

1887.

297

158. Hebe zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, bett 15. Januar 1887.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich *) mit der Eröffnung des Landtags der Monarchie zu beauftragen geruht.

Die Finanzlage des Staates hat die mannigfach erstrebte und nament­

lich im vorigen Jahre von einer Reform der Branntweinbesteuerung erhoffte weitere Besserung durch die Reichsgesetzgebung nicht erfahren. Das letzte abgeschlossene Rechnungsjahr vom 1. April 1885/86, für dessen Etat nach einmaliger Unterbrechung zuerst wiederum die Notwendigkeit einer Anleihe zur Herstellung des Gleichgewichts der Einnahmen und Aus­

gaben hervorgetreten war, hat, abgesehen davon, ein befriedigendes Ergebnis geliefert.

Ungeachtet nicht unerheblicher Ausfälle bei der Bergwerksverwaltung und der Eisenbahnverwaltung hat dasselbe infolge reichlicher Mehrerträge anderer

Einnahmezweige und

größerer Überweisungen

aus dem Ertrage der Zölle

und der Reichsstcmpelabgaben einen Gesamtüberschuß von mehr als 7 Mil­ lionen Mark ergeben, lvelcher indessen den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen

gemäß auch bereits in der Rechnung jenes Jahres

einer Mehrtilgung

zu

der Staats-Eisenbahnschuld hat verwendet werden müssen. Das laufende Rechnungsjahr wird mit Hilfe der im Etat vorgesehenen ergänzenden Einnahmen des Staates insgesamt nur zu einem Betrage an­

geschlagen werden,

welcher um

nahezu 2'/, Millionen Mark hinter dem

im Etat des laufenden Jahres ohne die ergänzende Anleihe angenommenen

Betrage der Einnahmen zurückbleibt.

Andererseits

ist, bei

aller Spar­

samkeit und Beschränkung auf die dringendsten Bedürfnisse, eine Vermehrung

bei Ausgaben an vielen Stellen des Etats unvermeidlich und war nament­

lich nach

dem

dem Reichstage vorgelegten Entwurf des Reichshaushalts-

Etats für das nächste Jahr eine abermalige Steigerung des Matrikularbeitrags Preußens um rund 19 Millionen Mark vorzusehen. Unter diesen Umständen erhöht sich der Anlcihebetrag, bessert der Staats­

haushalts-Etat für das Jahr vom 1. April 1887/88

wiederum zur Er­

gänzung der Einnahmen bedarf, auf nahezu 28 Va Millionen Mark. Daß bei einer solchen Finanzlage die Notwendigkeit vorliegt, die Art ’) Dicepräsident des Staats-Ministeriums, Staats-Minister v. Puttkamer.

298

Viertes Buch. 1881—1888.

der Beschaffung des öffentlichen Geldbedarfs zu ändern, werden Sie in Übereinstimmung mit der Staatsregiemng um so mehr anzuerkennen geneigt

sein,

als über die

gesicherte

dauernde Herstellung eines Gleichgewichts im

Staatshaushalts-Etat hinaus ein viel weitergehendes Bedürfnis nach besserer Verteilung der Lasten, namentlich der Kommunal- und Schullasten, obwaltet,

welches von der Bevölkemng immer drückender empfunden wird,

in Ihren

Verhandlungen als wiederholt als solches anerkannt ist und anders als auf dem Wege der weiteren Entwickelung der der Reichsgesetzgebung überwiesenen indirekten Steuern schwerlich jemals befriedigt werden kann. Wenn die Staatsregierung gleichwohl

durch

erneute Anträge beim Reich

hinzuwirken, so

hat sie sich

zur Zeit darauf verzichtet hat,

auf eine Förderung in dieser Hinsicht

hierzu durch

die abweisende Aufnahme ihrer

bisherigen Anträge und in der Erwägung genötigt gesehen, daß die Bedürf­

nisse, um die es sich handelt, sich bei den Wählern und den Gewählten zum Reichstage nachdrücklicher werden

geltend machen müssen,

bevor

auf zum

Ziele führende Verhandlungen mit dem Reichstage gehofft werden kann.

Der Entwurf für den Staatshaushalts-Etat für das nächste Jahr und eines Gesetzes wegen Aufnahme

einer Anleihe

zur Ergänzung der nächst­

jährigen Staatseinnahmen wird Ihnen alsbald vorgelegt werden.

Auch in diesem Jahre

werden Ihnen Vorlagen

zugehen,

welche die

Erweiterung und günstigere Gestaltung des Staats-Eisenbahnnetzes im Inter­ esse der Landeswohlfahrt durch Herstellung wichtiger neuer Linien, wie durch

Überführung noch einiger Privatbahnen in den Staatsbesitz zum Gegen­

stände haben. Die Durchführung der Verwaltungsreform wird

stehenden Session Ihre Thätigkeit in Anspruch nehmen.

auch

in der bevor­

Nachdem durch die

in der vorigen Session vereinbarte Kreis- und Provinzialordnung für die Provinz

Westfalen die neuere Verwaltungsgesetzgebung auf diese Provinz

ausgedehnt

worden ist, werden Ihrer Beschlußfassung zu dem gleichen Zwecke die Entwürfe

einer neuen Kreis-

und Provinzialordnung

für die Rheinprovinz,

deren

hierbei in Betracht kommende Verhältnisse mit denjenigen der Provinz West­ falen im wesentlichen gleichartige sind, unterbreitet werden.

Die Maßregeln, welche unter Ihrer Mitwirkung in den Landesteilen mit polnischer Bevölkerung ergriffen

worden

sind,

befinden sich

in Erfolg

verheißender Ausführung und lassen die Hoffnung berechtigt erftfieitteit, daß sie der Entwickelung

geben werden.

Um

der deutschen Bevölkerung einen kräftigen Aufschwung

diesen

Erfolg nach allen Seiten hin sicherzustellen,

und zugleich für die Erhaltung des

deutschen Bestandes wie für die För-

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887.

299

derung der deutschen Bestrebungen einen vermehrten Schutz

zu gewinnen,

erweist es sich als notwendig, die in ihrer gegenwärtigen Abgrenzung zum landrätlichen Kreise in diesen Landesteilen zu ver­

Teil zu umfangreichen mehren.

Es

wird Ihnen daher

die Teilung von Kreisen

zu diesem Zwecke ein Gesetzentwurf über

in den Provinzen Westpreußen

und Posen vor­

gelegt werden.

Durch die kirchenpolitische Novelle vom 21. Mai 1886

haben

die

freundlichen Beziehungen, welche sich zur lebhaften Befriedigung Sr. Majestät des Königs zwischen Allerhöchst Ihrer Regierung und der Rönnschen Kurie

eine Bethätigung gefunden,

immer mehr befestigt haben, desto

mehr auf vielen und

welche je länger

wichtigen Gebieten des kirchlichen Lebens für

die Interessen der katholischen Unterthanen Sr. Majestät sich als segen­

bringend erweist.

Es ist damit der Weg geebnet, durch eine weitere Re­

vision der kirchenpolitischen

Gesetze, über welche die vorbereitenden Ver­

handlungen mit der Römischen Kurie schweben, das

Verhältnis

zwischen

dem Staate und der katholischen Kirche zu beiderseitiger Zufriedenheit aus­

zugestalten.

Die Staatsregierung wird Ihnen eine entsprechende Vorlage

machen und Se. Majestät geben Allerhöchst Sich gern der Hoffnung hin, daß dieselbe gleich dem Ihnen

im

vergangenen Jahre unterbreiteten Rc-

visionsentwurfe Ihrer bereitwilligen Förderung begegnen wird. Es wird Ihnen ferner ein Gesetzentwurf zur Beratung vorgelegt werden,

welcher bezweckt,

bei der Feststellung der Leistungen für Volksschulen die

Mitwirkung der Selbstverwaltungsbehörden in erweitertem Umfange in An­

spruch zu nehmen. Zur Durchführung der im Reichsgesetze

vom 5. Mai

v. I.

vorbe­

haltenen landesgesetzlichen Regelung wird Ihnen eine Vorlage zugehen, nach

welcher die Unfallversicherung auch für die in land- und forstwirtschaftlichen

Betrieben beschäftigten Personen mittelst einer möglichst einfachen und die Steuerkraft der landwirtschaftlichen Bevölkerung schonenden Organisation und

Verwaltung alsbald in Wirksamkeit treten soll.

Um die Agrargesetzgebung ihrem Abschluffe entgegenzuführen, werden zwei Vorlagen erfolgen, von welchen die eine für die durch ein Auseinander­ setzungs-Verfahren

Vertretung

begründeten

ordnen soll,

gemeinschaftlichen

Anlagen

eine

dauernde

während die andere für die Güterkonsolidation! n

im Regierungsbezirk Wiesbaden Erleichterung der Kosten und Vereinfachung des Verfahrens anstrebt.

Meine Herren!

Indem ich Sie im Auftrage Sr. Majestät

begrüße,

lade ich Sie ein, Ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, und spreche im Namen

Viertes Buch. 1881—1888.

300

der Staatsregierung die Hoffnung aus, daß Ihre Thätigkeit auch in der neuen

Session unter Gottes Segen zu einer fruchtbringenden

Auf

gestalten wird.

sich

Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs

erkläre ich

den

Landtag der Monarchie für eröffnet.

159.

Antwort Kaiser Wilhelms auf die Adresse des Herrenhauses nach Ablehnnng der Alilitärvorlage im Reichstage, Donnerstag, den 20. Januar 1887. Ich danke Ihnen von

ganzem Herzen

mir im Namen des Herrenhauses durch

für die Kundgebung, die Sie

die eben verlesene Adresse haben

Sie hat Mich nicht überrascht, da Mir die Gefühle der

aussprechen wollen.

Treue und des Patriotismus des Herrenhauses bekannt sind.

Ich hatte geglaubt, nachdem

dem Reichstage eine so

detaillirte Dar­

legung des Bedürfnisses gemacht worden war, wie sie sonst nicht üblich ist, zu der Ich Mich aber unter den Umständen bewogen fühlte,

nahme seitens des Reichstags rechnen zu können. Ereignis eingetreten, welches Mich nötigte,

rasch kund zu thun ’).

Es

auf die An­

ist aber dann

Meine Stellung

öffentlich

ein

und

Hoffen wir, daß cs besser wird.

Ich danke Ihnen aus Grund der Seele, und hat Ihr Schritt Meinem Jede Kundgebung

Herzen wohl gethan.

ganz Deutschland zeigt Mir,

aus der Monarchie,

wie Recht ich hatte, und daß cs

auch

aus

große

und

tüchtige Teile des Landes giebt, in denen man die Notwendigkeit der Maß­ regel vollkommen anerkennt.

Das Herrenhaus hat Mir in schweren Zeiten so viel Beweise seiner hingehenden Treue gegeben, daß Ich auch jetzt nicht an ihm gezweifelt habe. Ich kann wohl sagen, daß Mich die erlebten Ereignisse tief geschmerzt haben. Wiederholen Sie dies überall.

Ich bin tief betrübt, Sie aber haben Balsam

in Mein Herz gegossen. Das

Vaterland

in dem Geiste sich

wird

erhält,

nicht

in

von dem

Gefahr sein, so

lange die

sie in den letzten Kriegen

Beweise der Treue und Aufopferung gegeben hat.

so

Armee

große

Die neuen Maßregeln,

durch welche die Armee gekräftigt wird, werden dazu dienen, jede Kriegs­

gefahr zu mindem.

*) Durch Auflösung des Reichstags, 14. Januar 1887.

Sozialresorm und Kolouialpolitik. 1887.

301

Also nochmals meinen tiefgefühlten Dank für den Schritt, durch den Sie Meinem Herzen so Wohl gethan haben,

und bitte Ich,

daß Sie dies

dem Herrenhause aussprechen.

160. Rede zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Dienstag, den 3. März 1887.

Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mir *) den Auftrag zu erteilen geruht,

den neuegwählten Reichstag

in Allerhöchst Ihren» und der

verbündeten

Regierungen Namen willkommen zu heißen.

Ihre Thätigkeit in der bevorstehenden Session wird durch

wichttger Vorlagen in

Anspruch genommen

werden.

Der

eine Reihe

Gesetzentwurf

über die Friedenspräsenz-Stärke des deutschen Heeres, welcher zum Bedauem der verbündeten Regierungen in der vorgelegten Form die Zustimmung des

vorigen Reichstags nicht gefunden hat, wird Ihnen alsbald unverändert zugehen.

Im Zusammenhänge mit der Heeresvorlage steht die Ihnen obliegende

Aufgabe der schleunigen Beratung des Reichshaushalts-Etats.

des nahe lingen,

bevorstehenden Ablaufes des Etatsjahres

das Reichshaushalts-Gesetz rechtzeitig

welche das ctatsmäßige Ausgabcbedürfnis

bei

der Veranschlagung

desselben

Ungeachtet

wird es hoffentlich

zu vereinbaren.

ge­

Die Opfer,

beansprucht, sind, ungeachtet der

beobachteten ^Sparsamkeit, nicht gering.

Unsere finanzielle Lage weist daher darauf hin, die eignen Einnahmen des Reiches durch die Beschaffung neuer Einnahmequellen

zu verstärken und

unsere Steuergesetzgebung im Sinne einer gerechten und der Leistungsfähig­ keit

der Lasten

auszugestalten.

der Hoffnung hin,

daß es ihnen

der Steuerzahler entsprechenden Verteilung

Die verbündeten Regierungen geben sich

gelingen werde, mit dem

neugewählten Reichstage zu

über die nötigen Reformen unseres Steuersystems

erforderlichen

Vorarbeiten

werden

ohne

Verzug

einer Verständigung

zu gelangen.

in

Angriff

Die dazu

genommen

werden. Die Thätigkeit der verbündeten Regierungen richtet sich unausgesetzt

auf den weiteren Ausbau der auf der Allerhöchsten Botschaft vom 17. No­ vember 1881 beruhenden sozialpolitischen Gesetzgebung.

*) Staatsminister v. Boetticher.

Dabei handelt

es

302

Viertes Buch. 1881—1888. die Erstreckung der Unfallversicherung

sich zunächst darum, durch

auf die

von derselbm noch nicht erfaßten Kreise der arbeitenden Bevölkerung einen für das weitere

genügend breiten und tragfähigen Untergrund schließende

gesetzgeberische

Vorgehen

gewinnen.

zu

und ab­

diesem

Zu

Zwecke

werden Ihnen zunächst Gesetzentwürfe über die Unfallversicherung der See­

leute und der bei Bauten beschäftigten Arbeiter zugehen.

Eine weitere Vorlage, welche den Interessen des Handwerkerstandes durch Erweiterung der den Innungen zu verleihenden Befugnisse dienen soll, ist in der Vorbereitung begriffen. Die Anwendung

des

Nahmngsmittel-Gesetzes

vom 14. März 1879

stößt in der Praxis auf mannigfache Schwierigkeiten; Gesetzentwurf zugehen, welcher zunächst auf dem

es

wird Ihnen ein

Gebiete der Verwendung

gesundheitsschädlicher Farben diese Schwierigkeiten zu beseitigen sucht. Die gesetzlich vorgeschriebene Revision des Servistarifs und der Klassen­

einteilung der Orte wird durch Ihre Mitwirkung zum Abschluß zu bringen Ebenso werden die noch

sein.

unerledigt gebliebenen Gesetzentwürfe über

die Errichtung eines Seminars für orientalische Sprachen und über Änderung

der Gebührenordnung

Rechtsanwälte

für

in

Ihre Thätigkeit

Anspruch

nehmen.

Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den fremden Mächten heute noch dieselben, wie zur Zeit der Eröffnung der

session.

Auf Allerhöchsten Befehl habe ich

vorigen

sind

Reichstags­

die Genugthuung Sr. Majestät

des Kaisers über die Kundgebungen des Papstes zum Ausdruck zu bringen,

durch welche das

wohlwollende Interesse Sr. Heiligkeit für das Deutsche

Reich und für dessen innern Frieden bethätigt worden ist.

Politik Sr. Majestät

des

Kaisers ist fortwährend

Die auswärtige

darauf gerichtet,

den

Frieden mit allen Mächten und besonders mit unsern Nachbarn zu erhalten

und zu pflegen.

Dieser friedliebenden Politik des Kaisers vermag der

Reichstag die sorgsamste Unterstützung zu gewähren, wenn er schnell, freudig

und einmütig den Vorlagen zustimmt, Stärkung unserer defensiven

Reichstag

ohne Zaudern

welche die sofortige und nachhaltige

Wehrkraft

Zweck haben.

zum

und ohne Spaltung

zum einmütigen Ausdruck bringt, gegen

den

Willen

Wenn der

der

Nation

jeden Angriff auf unsere Grenzen

heute und jeder Zeit die ganze Fülle unserer nationalen

Kraft in voller

Rüstung aufzubieten, so

seine Beschlüsse

wird der Reichstag

schon durch

allein und noch vor deren Ausführung die Bürgschaften des Friedens wesentlich verstärken und die Zweifel beseitigen, welche sich an die bisherigen parla-

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887.

303

mentarischcn Verhandlungen über die Vorlagen behufs Stärkung unserer Wehrkraft geknüpft haben können. Se. Majestät der Kaiser hegt zum gegenwärtigen Reichstag das Ver­ trauen, daß seine Beschlüsse der nationalen Politik der verbündeten Re­

gierungen eine sichere Unterlage gewähren werden, und schöpft aus diesem Vertrauen die Zuversicht, daß die Bemühungen Sr. Majestät, den Frieden und die Sicherheit Deutschlands zu wahren, von Gott gesegnet sein werden. Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät

des Kaisers erkläre ich im

Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.

161. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, Mittwoch, den 23. März 1887.

Es ist eine wunderbare Fügung des Himmels, daß Mir nach so vielen

unvergeßlichen Erinnerungstagen auch noch vergönnt gewesen ist, am 22. März Mein 90. Lebensjahr zu vollenden.

In demütigem Ernste erkenne Ich die

Gnade Gottes, welche Mich diesen Tag hat erleben lassen, welche Mir in

so hohem Alter die Kraft zur Erfüllung Meiner fürstlichen Pflichten er­

halten hat,

welche Mir das Glück gewährt, noch den Lebensabend mit

Meiner geliebten Gemahlin zu teilen und auf eine kräftig emporwachsende Nachfolge von Kindern, Enkeln und Urenkeln zu schauen. Neunzig Jahre ein menschliches Leben, welch eine lange Spanne Zeit! Wenn Ich sie im Geiste

an Mir vorübergehen lasse, so will es Mir oft

kaum faßlich erscheinen, was Ich alles erlebt, erfahren und errungen habe. Die göttliche Vorsehung hat Meine Wege, wenn auch nicht ohne schwere Prüfungen, sicher geleitet und zu glücklichen Zielen geführt.

Gottes reichster

Segen hat auf Meiner Arbeit geruht. In

frühester Jugend habe Ich die Monarchie Meines ttefgebeugten

Vaters in ihrer verhängnisvollen Heimsuchung gesehen.

Ich habe aber auch

die hingebendste Treue und Opferfreudigkeit, die ungebrochene Erhebung und

Kraft und den unverzagten Mut des Volkes in den Tagen seiner Erhebung und Befreiung kennen gelernt.

Jetzt in Meinem Alter blicke Ich, nach so

manchen Wechselfällen Meines Lebens, mit Stolz und Befriedigung auf die

großen Wandlungen, welche die ruhmvolle Vergangenheit der jüngsten Zeit,

304

Viertes Buch. 1881-1888.

ein unvergängliches Zeugnis deutscher Einigkeit und aufrichtiger Vaterlands­

liebe in Deutschland geschaffen hat.

Möge unserm teuren Vaterlande die

lang ersehnte Errungenschaft, wie Ich es zuversichtlich hoffe, in ungestörter,

segensreicher Friedensarbeit zu stets wachsender Wohlfahrt aller Klaffen der Nation gereichen!

In wohlthuender Erinnerung an eine solche ereignisreiche Vergangenheit gewinnt die neunzigste Wiederkehr Meines Geburtstags für Mich eine besondere

Bedeutung, welche durch die allgemeine tiefempfundene Teilnahme

Meines

Reiches, aus fernen

Landen,

Volkes erhöht wird.

Aus

allen Teilen des

in denen Deutsche eine neue Heimat gefunden, selbst von jenseits des Ozeans her,

sind Mir Adressen

in zum Teil kunstvoller, gediegener Ausstattung,

Zuschriften und Telegramme, poetische

und musikalische Gaben,

spenden und Arbetten in überreicher Anzahl

Blumen­

zu diesem seltenen Tage zu­

Von Gemeinde-Verbänden, größeren wie kleineren Umfangs, von

gegangen.

Kollegien, Korporationen und Genossenschaften jeder Art, von wissenschaftlichen

und Kunstinstituten, von Anstalten und einzelnen Personen bin Ich in der

herzlichsten Weise beglückwünscht worden.

Künstler, bildende wie darstellende.

Studierende der deutschen Universitäten, Akademien und technischen Hochschulen, Krieger-, Turn-, Bürger- und andere Vereine, Gilden und Innungen haben

in der verschiedensten Weise ihre treue Anhänglichkeit an Mich

than.

aller Orten

verherrlicht

dieser beredten Beweise daß

kund ge­

Durch festliche Veranstaltungen und Festversammlungen ist der Tag

sich

Der Umfang

worden.

und die Mannigfaltigkeit

von Liebe und Verehrung ist

die Feier des Tages zu

so

groß

einer nationalen Huldigung

gewesen, für Mich

gestaltet hat. Nicht vermag Ich

allen,

welche Mir so liebevolle Aufmerksamkeiten

erwiesen haben, im einzelnen dafür zu danken.

durch

alle Schichten der Bevölkerung

Tief ergriffen von solcher

gehenden Bewegung,

kann Ich nur

der Gesamtheit zu erkennen geben, welche ungemeine Freude Mir jeder an

seinem Teile bereitet hat, und wie tief Mein Herz von innigster Dankbar­

keit für alle diese patriotischen Kundgebungen erfüllt ist. Es giebt wahrlich für Mich kein größeres

Glück,

kein erhebenderes

Bewußtsein, als zu wissen, daß in solcher Weise die Herzen Meines Volkes Mir entgegenschlagen. Möge Mir diese Treue

und

Anhänglichkeit

als

welches die letzten Jahre Meines Lebens hell erleuchtet,

ein

teures

Gut,

erhalten bleiben!

Mein Sinnen imb Denken aber soll wie bisher, so auch ferner für die Zeit,

Sozialresorm und Kolonialpolitik. 1887.

305

welche Mir zu wirken noch beschieden sein wird, darauf gerichtet sein, die

Wohlfahrt und Sicherheit Meines Volkes zu heben und zu fördern. Ich

diesen

Sie,

beauftrage

Erlaß

öffentlichen

zur

zu

Kenntnis

bringen.

Wilhelm.

Berlin, den 23. März 1837.

An den Reichskanzler.

162. Urkunde für den Grundstein des Uord-Ostsee-Lanals. Wilhelm

Wir

von Gottes

Gnaden

Deutscher

König

Kaiser,

von

Preußen rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen:

Die Herstellung

Meere durch

einer unmittelbaren Verbindung der beiden deutschen

eine für

den Verkehr der Kriegs-

reichende Wasserstraße ist seit langer Zeit das gewesen.

und Handelsflotte

aus­

Ziel patriotischer Wünsche

So lange das Vaterland der Einigung entbehrte, lag dieses Ziel

in unerreichbarer Ferne.

Nachdem aber durch Gottes Fügung das Deutsche

Reich neu erstanden war, konnte der Plan zur Herstellung jener Verbindung

in der Uns seitdem beschieden gewesenen Zeit friedlicher Entwickelung festere Gestalt gewinnen. Durch das Reichsgesetz vom 16. März 1886 ist die Verbindung beider

Meere nunmehr sicher gestellt worden. Ein Bauwerk

von gewaltiger Ausdehnung soll damit unternommen,

ein bleibendes Denkmal deutscher Einigkeit und Kraft geschaffen und in den Dienst nicht nur der vaterländischen Schiffahrt und Wehrhaftigkeit,

auch des Weltverkehrs gestellt werden.

die zukünftige

sondern

Keine menschliche Voraussicht vermag

Bedeutung dieses Baues in vollem Umfange

zu ermessen;

die Wirkungen desselben ragen über das lebende Geschlecht und über das zur Rüste gehende Jahrhundert hinaus.

Im

Hinblick auf diese

Bedeutung des vaterländischen Unternehmens

haben Wir beschlossen, daß im Namen der Fürsten und freien Städte des

Reiches

in

Gemeinschaft

mit

den Vertretern

des Reichstags

und des

preußischen Landtags der Grundstein zum Bau des Nord-Ostsee-Kanals

und zwar an der Stelle gelegt werde, an welcher sich in Zukunft die Ein­ gangsschleuse bei Holtenau erheben wird. Möge der Bau dem deutschen Vaterlande, möge tümern zu Heil und Segen gereichen!

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

er den

Elbherzog-

Möge durch ihn das Gedeihen der

20

Viertes Buch.

206

1881-1888.

deutschen Schiffahrt und des deutschen Handels, die friedliche Entfaltung

des Weltverkehrs, die Stärkung der vaterländischen Seemacht und der Schutz unserer Küsten kräftig gefördert werden!

Das walte Gott in Gnaden!

Gegenwärtige Urkunde haben Wir in zwei Ausfertigungen mit Unserer

Allerhöchst eigenhändigen Namens-Unterschrift

vollzogen und mit Unserem

größeren Kaiserlichen Jnsiegel versehen lassen. Wir befehlen die eine Ausfertigung mit den dazu bestimmten Schriften und Münzen *) in den Grundstein der Schleuse bei Holtenau niederzulegen,

die andere in Unserem Archiv aufzubewahren. Gegeben Holtenau, den 3. Juni 1887.

Wilhelm, von Bismarck.

163. Worte des Staats-Ministers v. Doetticher beim Schluß des Deutschen Reichstags, Sonnabend, den 18. Juni 1887.

Meine geehrten Herren!

Bei dem Abschluß Ihrer Beratung habe ich

die angenehme Pflicht zu

erfüllen, auf besonderen Befehl Sr. Majestät des Kaisers den Gefühlen deS Dankes und der Anerkennung Ausdruck zu geben, mit denen der Allerhöchste

Herr die Arbeiten und Beschlüsse begleitet hat, durch welche Sie der vater­ ländischen Wehrkraft und den Finanzen des Reiches die Stärke und Festig­

keit gegeben haben, welche die Vorbedingung für unseren Frieden und für die Entwickelung seiner Werke bilden. Sie haben in mühevoller und treuer Arbeit das Vertrauen des Volkes

gerechtfertigt, welches Sie entsandt hat, um sein Wohl und seinen Frieden im Verein mit den verbündeten Regierungen zu fördern und zu sichern. *) Mit dieser Urkunde waren zur Versenkung in den Grundstein bestimmt;

1. Das Reichsgcsetz, betreffend die Herstellung deS Nord-Ostsee-Kanals vom 16. MSrz 1886. 2. Das

preußische Gesetz, betreffend die Gewährung

eines besonderen Bei­

trags von 50 Millionen Mark im Voraus zu den Kosten der Herstellung deS Nord-Ostsee-KanalS, vom 16. Juli 1886.

3. Eine Karte der Linie deS Nord-Ostsee-KanalS. 4. Die Baugeschichte des Nord-Ostsee-KanalS. 5. Ein vollständiger Satz der ReichSmüuzcn.

Sozialreform und Kolonialpolitik.

1887.

307

Sie wollen nunmehr neben der eignen Befriedigung, welche erfolgreiche

gewährt, den Dank Sr. Majestät

Thätigkeit im Dienste des Vaterlandes

und der verbündeten Regierungen mit in die

unseres allverehrten Kaisers

Heimat nehmen. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers erlläre ich im Namen der ver­

bündeten Regierungen die Sitzungen des Reichstags für geschlossen.

164.

Rede des Staats-Ministers von Doetticher zur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Donnerstag, den 24. November 1887.

Geehrte Herren!

Die Wiederaufnahme der Arbeiten des Reichstags fällt in eine ernste Zeit.

Das schwere Leiden, von welchem Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit

der Kronprinz heimgesucht ist, erfüllt

nicht nur Se. Majestät den Kaiser,

sondern auch Allerhöchst Desselben Hohe Verbündete und das ganze deutsche

Volk mit banger Sorge.

Was menschliche Wissenschaft und Kunst,

was

sorgsame Pflege zu thun vermögen, um die drohende Gefahr zu bekämpfen,

wird nicht versäumt werden.

Unsere Blicke und Gebete aber richten sich zu

Gott, nach dessen Ratschluß die

Geschicke der Völker, wie des einzelnen

Menschenlebens, sich erfüllen. Festes Gottvertrauen und treue Pflichterfüllung sind zu jeder und besonders in schwerer Zeit die bewährten Stützen unseres

Volkes gewesen.

Sie werden uns auch heute befähige», den Aufgaben, welche

den gesetzgebenden Körpem des Reiches bevorstchcn, gerecht zu werden. Voran steht unter diesen Ihre verfassungsmäßige Mitwirkung bei der Feststellung des Reichshaushalts-Planes.

Der Etat ist wiederum unter Be­

thätigung strenger Sparsamkeit und Zurückstellung der nicht unaufschieblichen

Ausgaben aufgestellt worden. lage.

Er zeigt eine erfreuliche Besserung der Finanz­

Obwohl die Wirkungen der in der vorigen Session des Reichstags

vereinbarten

ausgiebigeren Besteuerung des Zuckers und Branntweins in

vollen Umfange erst den späteren Etatsperioden zu

gut kommen werden, so läßt doch schon das nächste Rechnungsjahr einen Überschuß aus ihrem

dem Reichshaushalt

erwarten, welcher —

Matrikularbeiträge — sich

beziffert.

annähernd

auf

selbst nach Gegenrechnung der

etwa fünfzig Millionen Mark

Viertes Buch. 1881-1888.

308

Ergebnisses wird mit der Aufbesserung des

Angesichts dieses

kommens der im Dienste des Reiches stehenden Personen

Ein­

ein Anfang zu

machen und zunächst der vom Reichstag befürwortete Wegfall der Witwen-

und Waisengeldbeiträge der Offiziere und Beamten in Aussicht zu nehmen sein.

Eine entsprechende Vorlage befindet sich in der Vorbereitung. Fehlt

es

auch auf einzelnen Gebieten des nationalen Erwerbslebens

nicht an Zeichen eines zu erhoffenden Aufschwungs, so befindet sich doch die wichtigste Quelle unseres wirtschaftlichen Wohlstandes, die Landwirtschaft, in einer bedrohlichen Notlage. Die Preise unserer landwirtschaftlichen Erzeugnisse,

namentlich des Getreides, sind unter dem Drucke des Angebotes aus fremden,

billiger produzierenden Wirtschaftsgebieten, obwohl wir uns reicher Ernten zu erfreuen gehabt haben,

so

tief gesunken, daß jede Ertragsfähigkeit der

Die bestehenden Ge­

Arbeit des deutschen Landmannes gefährdet erscheint.

treidezölle haben diesem Drucke nicht ausreichend zu begegnen vermocht.

Die

bedrängte Lage unserer Landwirtschaft wirkt auf die wirtschaftliche Thätigkeit Unter diesen Umständen ist

der gesamten Bevölkerung ungünstig zurück.

der Getreidezölle von den verbündeten Regierungen

eine weitere Erhöhung

ins Auge gefaßt worden.

Ein dieses Ziel verfolgender Gesetzentwurf wird

dem Reichstag zugehen. Die Vorsorge Sr. Majestät des Kaisers und der verbündeten Regie­

rungen ist unausgesetzt auf die weitere Entwickelung des Heerwesens gerichtet. Ein Ihnen

vorzulegender Gesetzentwurf, welcher die Landwehr und den

Landsturm betrifft, ist bestimmt,

eine wesentliche Erhöhung der Wehrkraft

des Reiches herbeizuführen. Schon in der Allerhöchsten Botschaft

vom

17. November 1881

ist

der dringende Wunsch Sr. Majestät des Kaisers ausgesprochen, den Ar­

beitern, welche durch

Alter und Invalidität

erwerbsunfähig werden, das

berechtigte Maß staatlicher Fürsorge durch die Gesetzgebung zu sichern und damit eine weitere Gewähr für die Befestigung des

sozialen Friedens und

für die Stärkung der nationalen Arbeitskraft zu gewinnen.

Nach der schritt­

weisen Weiterführung der für die genoffenschastliche Gliederung unseres Er­

werbslebens grundlegenden Unfallversichemngs-Gesetzgebung ist es nunmehr

möglich geworden, die mit besonderen Schwierigkeiten ihrer Lösung

verknüpfte Aufgabe

soweit näher zu führen, daß die Ausarbeitung eines Gesetz­

entwurfs über die Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter vorliegt. Se. Majestät der Kaiser hofft, daß der Entwurf,

nachdem die Grundzüge

für denselben der öffentlichen Erörterung unterstellt und der besonderen

Prüfung sachverständiger Kreise übergeben worden sind. Ihnen noch in dieser

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1887. Session wird vorgelegt werden

können.

309

Daneben wird nicht verabsäumt,

die weitere Ausdehnung der, wie mit Genugthuung hervorgehoben werden darf, je länger desto segensreicher wirkenden Unfallversicherung auf die der­

selben bedürftigen Teile der Bevölkerung im Auge zu behalten.

Das gegenwärtig geltende Gesetz über die Erwerbs- und Wirtschafts­

genossenschaften beruht auf dem Grundsatz der vollen Gesamthast aller Mit­ Die Erfahrung hat ergeben, daß

glieder.

die Notwendigkeit, sich

dieser

Hastform zu unterwerfen, der wünschenswerten Fortentwickelung des Ge-

noffenschastswesens hinderlich ist und die beitretenden Mitglieder nicht selten einer

unverhältnismäßigen

Selbständigkeit aussetzt. des

Gefährdung

ihrer

wirtschaftlichen Lage

und

Demzufolge, und da auch die Einzelbestimmungen

Gesetzes in manchen Punkten

einer Änderung und Vervollständigung

bedürfen, wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen, welcher die Verhältnisse der freien Genossenschaften regeln und insbesondere die Bildung von Ge­

nossenschaften mit beschränkter Haftpflicht der Mitglieder ermöglichen soll. Die Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes auf den Verkehr mit Wein

begegnet in der Praxis mannigfachen Schwierigkeiten.

Dieselben sind bereits

wiederholt im Reichstag Gegenstand der Verhandlungen gewesen.

Es wird

Ihnen ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, dessen Zweck es ist, diese Frage

in gesundheitspolizeilicher Hinsicht zu regeln.

Der

bevorstehende Ablauf

unseres

Handelsvertrags

mit Österreich-

Ungarn hat den verbündeten Regierungen Veranlassung geboten, der Frage

der Neugestaltung des Vertragsverhältnisses zuwenden.

nicht

ihre volle Aufmerksamkeit zu­

Die verbündeten Regierungen können sich die Schwierigkeiten

verhehlen,

welche

noch entgegenstehen,

einer befriedigenden Lösung

glauben

sich

dieser Frage zunächst

aber zu der Hoffnung berechtigt, Ihnen

rechtzeitig ein Abkomnien mit der Kaiserlich und Königlich österreichisch-un­ garischen Regierung zur verfassungsmäßigen Zustimmung vorlcgen zu können,

durch welches der bestehende Handelsvertrag

vorläufig verlängert und der

Eventualität eines vertragslosen Zustandes vorgebeugt wird.

Verträge behufs Regelung der Handelsbeziehungen des Reiches mit

einigen amerikanischen Staaten werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Be­ schlußnahme vorgelegt werden.

Die auswärtige Politik Sr. Majestät des Kaisers

ist mit Erfolg be-

niüht, den Frieden Europas, dessen Erhaltung ihre Aufgabe ist, durch Pflege der freundschaftlichen Beziehungen zu allen Mächten, durch Verträge und durch Bündnisse zu befestigen, welche den Zweck haben, den Kriegsgefahren vorzubeugen und ungerechten Angriffen gemeinsam entgegenzutreten.

Das

Viertes Buch.

310

1881—1888.

Deutsche Reich hat keine aggressive Tendenzen «nd

durch siegreiche Kriege befriedigt werden könnten.

keine Bedürfnisse, die

Die unchristliche Neigung

zu Überfällen benachbarter Völker ist dem deutschen Charakter fremd, und

sind nicht

die Verfassung sowohl wie die Heereseinrichtungen des Reiches

darauf berechnet, den Frieden unserer Nachbarn durch willkürliche Angriffe zu stören.

Aber in der Abwehr solcher und

in der Verteidigung unserer

Unabhängigkeit sind wir stark und wollen wir mit Gottes Hilfe so stark werden, daß wir jeder Gefahr ruhig entgegensehen können.

165. Uede zur Eröffnung des Landtags, Sonnabend, den 14. Januar 1888.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtags! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich ') mit der Eröffnung

des Landtags der Monarchie zu beauftragen gemht.

Die Sorge um Se. Kaiserliche Kronprinzen hat Se.

und Königliche Hoheit unsern

teuren

Majestät den Kaiser und König, Sein Haus und

unser gesamtes Volk noch nicht verlassen.

Aber unsere Hoffnung auf Ge­

nesung bleibt bestehen, und wir fahren fort, Gott um

die Erhörung aller

zu Ihm für den erlauchten Kranken cmporstcigenden Fürbitten anzuflchen. Die Finanzlage des Staates hat sich

günstiger gestaltet, als erwartet

werden konnte. Schon das Ergebnis des letzten abgeschlossenen Rechnungsjahres vom 1. April übertroffen.

1886/87

hat die Voraussetzungen des Voranschlages

erheblich

Während bei Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das

genannte Jahr sich die Ergänzung der Einnahmen durch eine Anleihe von rund 12 Millionen Mark nötig zeigte,

um den Ausgabebedarf zu decken,

haben sich die finanziellen Verwaltungsresultate des Jahres infolge

von

Mehreinnahmen und beträchtlichen Minderausgaben im ganzen um runb 32 Millionen Mark besser, als veranschlagt war, herausgestellt.

In solcher

Höhe hat daher den Bestimmungen des Eisenbahn-Garantiegesetzes gemäß

noch in der Rechnung eben dieses Jahres eine Mehrausgabe behufs Tilgung der Staatsschuld in Form der Verrechnung auf bewilligte Anleihen gemacht werden können und müssen. •) Vicepräsident des Staats-Ministeriums v. Puttkamer.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

311

Noch günstiger scheint sich das Ergebnis des laufenden Rechnungsjahres

vom 1. April 1887/88 zu gestalten.

Während bei Feststellung des Staats­

haushalts-Etats für dasselbe zur Deckung des Ausgabebedarfs eine Anleihe

von mehr als vierzig Millionen Mark notwendig erschien, lassen die bis

jetzt vorliegenden finanziellen Verwaltungsresultate hoffen, daß wiedemm hervortretende Minderausgaben, überwiegend jedoch namhafte Mehreinnahmen

bei den Betriebsverwaltungen des

Staates, hauptsächlich bei der Staats-

Eisenbahnverwaltung, sowie Mehrüberweisungen vom Reich im ganzen einen Überschuß ergeben werden, welcher denjenigen des Vorjahres noch beträchtlich übersteigen und auch durch

die entsprechende Anwendung der Vorschriften

des Eisenbahn-Garantiegesetzes in der Rechnung des laufenden Jahres nicht

erschöpft werden wird. Die hierin wahrnehmbare erfreuliche Entwickelung der

quellen des Staates und die Erfolge der im Jahre 1887

eigenen Hilfs­ endlich möglich

gewordenen Weiterführung der Reichssteuerreform lassen, sofern nicht un­

berechenbare Ereignisse störend dazwischen treten, für die kommenden Jahre die Wiedergewinnung und Erhaltung des Gleichgewichts der Einnahmen und Ausgaben des Staates auch bei freierer Bewegung als bisher gesichert er­

scheinen.

Gleichwohl hat die Staatsregierung cs für ihre Pflicht gehalten

und sich angelegen sein lassen, den Ausgabebedarf des nächsten Jahres, wie in den voraufgegangenen Jahren, auf allen Staatsverwaltungsgebieten mit

Sparsamkeit und thunlichster Zurückhaltung zu

bemesien und die darüber

hinaus verfügbaren Mittel zusammen zu halten, um zwar nur schrittweise

und vorsichtig,

aber doch

wirksam und

sicher an die weitere Lösung der

Aufgaben herantreten zu können, welche, zn groß gegenüber der bisherigen Finanzlage, ihrer Dringlichkeit und allseitigen Anerkennung ungeachtet immer

wieder vertagt werden mußten. Nicht dem Geldbeträge nach, aber nach dem Anlaß der Bewilligung

und nach dem Maße, in welchem

sie von dem landesväterlichen Herzen

Sr. Majestät des Königs als eine besondere Verpflichtung empfunden wird, steht hierbei in

erster Linie eine dauemde Mehrausgabe zur Verbesserung

der äußern Lage der Geistlichen aller Bekenntnisie.

Der in dem Zivil­

standsgesetz vom 9. März 1874 bestimmte Erlaß eines besonderen Gesetzes, welches die damals den Einkommcnsverhältnisien der kirchlichen Stellen er­

wachsene Einbuße ausgleichen sollte, ist seither nicht erfolgt.

Die entgegen­

stehenden Schwierigkeiten erscheinen auch jetzt und für die Folge unüber­ windlich.

Darum soll für den auf kirchlicher Seite eingetretenen Ausfall

durch die jetzt in Aussicht genommene Bewilligung ein wertvollerer Ersatz

312

Viertes Buch.

1881-1888.

gewährt werden, der es ermöglicht, die unzulänglichen Pfarrbesoldungen bis

zu einem für die heutigen Verhältnisse auskömmlichen Maße zu erhöhen.

Sodann mußte es nicht minder geboten erscheinen,

mit dem Verzicht

der Staatskasse auf die Witwen- und Waisengeldbeiträge der Beamten einen

dem Vorgänge beim Reich folgenden, in sich abgeschlossenen und nach jeder Richtung hin zweckmäßigen Anfang zur Verbessemng der Beamtenbesoldungen

zu machen. Im übrigen aber und zum bei weitem größeren Teile sind die ver­

fügbaren Mittel für eine weitere allgemeine Erleichterung des Druckes der Kommunal- und Schullasten in Anspruch zu nehmen.

Zu diesem Behuf

empfiehlt es sich nach der Auffassung der Staatsregierung gegenwärtig am

meisten, einen dem erlangten Maße nachhaltig gesteigerter Leistungsfähigkeit der Staatskasse

entsprechenden Teil der

Besoldungen der Lehrer

an den

öffentlichen Volksschulen den Schulunterhaltungspflichtigen abzunehmen und als eine dauernde Ausgabeverpflichtung

in den Staatshaushalts-Etat ein­

zustellen.

Der nach diesen Gesichtspunkten aufgestellte Entwurf des Staatshaus­ halts-Etats für das Jahr vom 1. April 1888/89 wird Ihnen zugleich mit

den wegen der Aufhebung der Witwen- und Waisengeldbeiträge der Beamten und wegen der bezeichneten Erleichterung der Volksschnllasten erforderlichen besonderen Gesetzentwürfen alsbald zugehen.

Auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens Jahre Vorschläge gemacht werden,

werden Ihnen auch in diesem

welche die

Herstellung einer weiteren

Reihe von wichtigen Schiencnverbindungen und

sonstigen Bauausführungen

zur Erweiterung und Vervollständigung des Staats-Eisenbahnnetzes bezwecken.

Eine auf die Regulierung des unteren Laufes

der Weichsel gerichtete

Vorlage wird Ihnen zugchen.

Zur Weiterführung der Verwaltungsreform werden Ihnen die Ent­ würfe einer Kreis- und Provinzialordnung für Schleswig-Holstein unterbreitet werden.

Es wird Ihnen ferner ein Gesetzentwurf vorgelcgt werden, welcher die

Bestreitung der Kosten

der Ortspolizei in Stadtgemeinden

mit königlicher

Polizeiverwaltung neu zu regeln bestimmt ist.

Die Durchführung der Gesetzgebung, betreffs der Fürsorge für die im land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verunglückten Arbeiter, vollzieht sich

— dank dem allseitigen verständnisvollen Entgegenkommen der Arbeitgeber

und der kommunalen Verbände —

ohne Störung.

Die konstituierenden

Versammlungen der versicherungspflichtigen Verbände haben stattgefunden und

Svzialreform und Kolonialpolitik. 1888.

313

in allen Provinzen zu gleichen Beschlüssen geführt in Bezug auf die Über­ tragung der Geschäfte auf die Organe der Selbstverwallung.

Eine an­

nähernd gleiche Übereinstimmung ist hinsichtlich der Annahme des Maßstabs

hervorgetreten, nach welchem die entstehenden Lasten auf die einzelnen Ver­ pflichteten übertragen werden sollen.

Meine Herren!

Indem ich Sie im Auftrage Sr. Majestät willkommen

heiße, lade ich Sie zur Wiederaufnahme Ihrer Arbeiten in der Zuversicht ein, daß. Ihre Thätigkeit auch in der bevorstehenden Session von Gottes Segen

begleitet sein wird. Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers

und Königs

erkläre ich

den

Landtag der Monarchie für eröffnet.

166. Ansprache des Fürsten v. Bismarck an den Reichstag nach dem Tode Kaiser Wilhelms, Freitag, den 9. März 1888.

Mir liegt die traurige Pflicht ob. Ihnen die amtliche Mitteilung von

-em zu machen, was Sie bereits thatsächlich wissen werden: daß Se. Majestät der Kaiser Wilhelm heute vormittag um Vs9 Uhr zu Seinen Vätern ent­

schlafen ist.

Infolge dieses Ereignisses ist die preußische Krone und damit nach Artikel 11 der Reichsverfassung die deutsche Kaiserwürde auf Se. Majestät

Friedrich III.,

König von

Preußen,

übergegangen.

Nach den mir

zu­

gegangenen telegraphischen Nachrichten darf ich annehmen, daß Se. Majestät

der regierende Kaiser und König morgen von San Remo abreisen und in der gegebenen Zeit hier in Berlin eintreffen wird. Ich hatte von dem

Hochseligen Herm

Bethätigung der Arbeitskraft,

in Seinen letzten Tagen in

die Ihn nur mit dem Leben verlaffen hat,

noch die Unterschrift erhalten, welche vor mir liegt, und

welche mich er­

mächtigt, den Reichstag in der üblichen Zeit nach Abmachung seiner Geschäfte, das heißt also etwa heute oder morgen,

an Se. Majestät gerichtet, nur

zu schließen.

Ich hatte die Bitte

den Anfangsbuchstaben des Namens noch

zu unterzeichnen, Se. Majestät aber haben mir darauf erwidert, daß Sie

glaubten, den vollen Namen noch unterschreiben zu können.

Infolge dessen

liegt dieses historische Aktenstück der letzten Unterschrift Sr. Majestät vor mir.

314

Viertes Buch.

1881—1888.

Unter den obwaltenden Umständen nehme ich an, daß es dey Wünschen

der Mitglieder des Reichstags ebenso wie denen der verbündeten Regierungen entsprechen wird, daß der Reichstag noch nicht auseinandergeht, sondern zu­

sammenbleibt bis nach Eintreffen Sr. Majestät des Kaisers, und ich mache deshalb von dieser Allerhöchsten Ermächtigung weiter keinen Gebrauch, als

daß ich dieselbe als historisches Dokument zu den Akten gebe und den Herrn Präsidenten bitte, die Entschlüsse, welche den Stimmungen und den Über­

zeugungen des Reichstags entsprechen, in dieser Richtung herbeizuführen. Es steht mir nicht zu, meine Herren, von dieser amtlichen Stelle Ms den persönlichen Gefühlen Ausdruck zu geben, mit welchen

mich das Hin­

scheiden meines Herm erfüllt, das Ausscheiden des ersten Deutschen Kaisers

aus unserer Mitte.

Es ist dafür auch kein Bedürfnis,

denn die Gefühle,

die mich bewegen, sie leben in dem Herzen eines jeden Deutschen;

es hat

deshalb keinen Zweck, sie auszusprechen. Aber das Eine glaube ich Ihnen doch nicht vorenthalten zu dürfen —

nicht von meinen Empfindungen,

sondern von meinen Erlebnissen —,

inmitten der schweren Schickungen, Seinem

Hause noch erlebt hat,

daß

welche der von uns geschiedene Herr in es

zwei Thatsachen waren, welche Ihn

mit Befriedigung und Trost erfüllten.

Die eine war die,

daß die Leiden

Seines einzigen Sohnes und Nachfolgers, unseres jetzigen regierenden Herrn, die ganze Welt — nicht nur Deutschland, sondern alle Wetttcile, kann man

habe noch heute

aus New-Jork in dieser

sagen —

ich

Beziehung

erhalten —, mit einer Teilnahme erfüllt haben, die beweist,

welches Vertrauen sich

Nationen erworben hat.

ein Telegramm

die Dynastie des Deutschen Kaiserhauses bei allen Es ist dies

ein Erbteil, kann ich

wohl sagen,

welches des Kaisers lange Regierung dem deutschen Volke hinterläßt.

Das

Vertrauen, das die Dynastie erworben hat, wird sich auf die Nation über­

tragen trotz allem, was dagegen versucht wird.

Die zweite Thatsache, in der Se. Majestät einen Trost in manchen schweren Schickungen empfand, war die, daß der Kaiser auf die Entwickelung

Seiner Hauptlebensaufgabe, der Herstellung und Konsolidierung der Natio­ nalität des Volkes, dem Er als deutscher Fürst angehört hatte, — daß der Kaiser auf die Entwickelung, welche die Lösung

dieser Aufgabe inzwischen

angenommen hatte, mit einer Befriedigung zurückblickte, welche den Abend

Seines Lebens verschönt und beleuchtet hat.

Es trug dazu namenllich in

den letzten Wochen die Thatsache bei, daß mit einer seltenen Einstimmigkeit

aller Dynastieen, aller verbündeten Regienmgen, aller Stämme in Deutsch­ land, aller Abteilungen des Reichstags dasjenige beschlossen wurde, was für

Sozialreform und Kolonialpolitik.

1888.

Sie Sicherstellung der Zukunft des Deutschen Reiches

die uns bedrohen könnte, als Bedürfnis

315

auf jede Gefahr hin,

von den verbündeten Regierungen

empfunden wurde. Diese Wahrnehmung hat Se. Majestät mit großem Troste erfüllt, und noch in der letzten Beziehung, die ich zu meinem dahingeschie­

denen Herrn gehabt habe —

es

gestern

war

— hat Er darauf Bezug

genommen, wie Ihn dieser Beweis der Einheit der

gesamten deutschen

Nation, wie er durch die Volksvertretung hier verkündet worden ist, gestärkt

und erfreut hat.

Ich glaube, meine Herren, es wird für Sie alle erwünscht sein, dieses Zeugnis, das ich

aus eigener Wahrnehmung für die letzten Stimmungen

unseres dahingeschiedenen Herrn

ablegen kann, mit in Ihre Heimat zu

nehmen, weil jeder einzelne von Ihnen

einen Anteil an dem Verdienste

hat, welches dem zu Grunde liegt.

Meine Herren, die heldenmütige Tapferkeit, das nationale hochgespannte

Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe zum Vaterlande,

dahingeschiedenen Herrn verkörpert waren, mögen sie Erbteil unserer Nation sein, welches

Kaiser uns hinterlassen hat!

von allen, die

wir an den

der aus

Das hoffe ich

die in unserem

ein unzerstörbares

unserer Mitte geschiedene

zu Gott, daß dieses Erbteil

Geschäften unseres Vaterlandes mitzuwirken

haben, in Krieg und Frieden, in Heldenmut, in Hingebung, in Arbeitsamkeit,

in Pflichttreue treu bewahrt bleibe.

167.

Ansprache des virepräsidenlen des Staats-Ministeriums StaatsMlnisters v. Puttkarner an das Abgeordnetenhaus, Freitag, den S. März 1888. Ich habe die traurige Pflicht, dem hohen Hause eine tief schmerzliche

Mitteilung zu machen.

Es

hat Gott

gefallen,

Se. Majestät den Kaiser

und König Wilhelm, unseren Allergnädigsten Herrn, heute morgen 81/, Uhr im achtundzwanzigsten

Jahre Seiner

glorreichen

sanften Tod aus dieser Zeitlichkeit heimzurufen.

Regierung —

durch

Meine Herren!

einen

Sie

werden von mir in diesem tiefernsten Augenblicke, in welchem unsere Herzen von Trauer und Sorge zugleich so schmerzlich berührt sind, eine Schilderung der Gefühle nicht erwarten, die uns alle, die das gesamte Volk und Vater-

Viertes Buch. 1881—1888.

316

land bei dem Hintritt, bei dem Verluste dieses allgeliebten, erhabenen, ehr­

würdigen Herrschers erfüllen. versicht auch

an

diesem Tage

Das aber darf ich getrost und voller Zu­ schmerzlichster Prüfung

preußische Volk und seine Vertretung

Bewußtsein durchdrungen sein, daß

aussprechen:

das

werden heute mehr denn je von dem

das Leid unseres erhabenen Herrscher­

hauses auch unser Leid ist, und daß, je tiefer der allgemeine Schmerz über

den Hintritt des ruhmreichen Königs, um so fester und unzerreißbarer das Band uns verbinden wird, welches Preußens Herrscherhaus und Preußens Volk in guten und bösen Tagen verknüpft.

Meine Herren!

Ich habe

Ihrer Weisheit anheimzustellen, denjenigen Beschluß zu fassen, welcher dem

Ernste der Lage entspricht.

168.

An Mein Volk! Aus Seinem glorreichen Leben schied der Kaiser. In den: vielgeliebten Vater, den Ich beweine, Mein

Königliches

Haus

in tiefsten!

und um den mit Mir

Schmerze trauert, verlor Preußens

Volk seinen ruhmgekrönten König, die

deutsche Nation den Gründer ihrer

Einigung, das wiedererstandene Reich den ersten Deutschen Kaiser!

Unzertrennlich Größe des

wird Sein hehrer Name

deutschen Vaterlandes, in dessen

verbunden bleiben mit aller

Neu-Begründung

die

aus­

dauernde Arbeit von Preußens Volk und Fürsten ihren schönsten Lohn ge­

funden hat. Indem König Wilhelm mit nie ermüdender landesväterlicher Fürsorge

das

preußische Heer

auf die Höhe seines ernsten Berufes

erhob, legte Er

den sicheren Grund zu den unter Seiner Führung errungenen Siegen der

deutschen Waffen, aus denen die nationale Einigung hervorging.

dadurch dem Reiche eine Machtstellung, wie sie bis

Er sicherte

dahin jedes deutsche

Herz ersehnt, aber kaum zu erhoffen gewagt hatte.

Und was Er in heißem, opfervollem Kampfe Seinem Volle errungen, das war Ihm beschieden durch lange Friedensarbeit mühevoller Regierungs­ jahre zu befestigen und segensreich zu fördern.

Sicher in seiner eigenen Kraft ruhend, steht Deutschland geachtet im

Rate der Völler und begehrt nur, wickelung froh zu werden.

des Gewonnenen in friedlicher Ent­

Sozialreform und Kolomalpolitik.

1888.

317

Daß dem so ist, verdanken wir Kaiser Wilhelm, Seiner nie wanken­ den Pflichttreue, Seiner unablässigen nur dem Wohle des Vaterlandes ge­

widmeten Thätigkeit, gestützt auf die von dem preußischen Volke unwandel­

bar

bewiesene und

von

allen

deutschen Stämmen

opferfreudige

geteilte

Hingebung. Auf Mich sind nunmehr alle Rechte und Pflichten übergegangen, die

mit der Krone meines Hauses verbunden sind, und welche Ich in der Zeit, die nach Gottes Willen Meiner Regierung

beschieden sein mag, getreulich

wahrzunehmen entschlossen bin. Durchdrungen von der Größe Meiner Aufgabe, wird es Mein ganzes Bestreben sein, das Werk in dem Sinne fortzuführen, in dem es begründet wurde, Deutschland zu einem Horte des Friedens zu machen und in Über­ einstimmung

mit den verbündeten Regierungen sowie mit den verfassungs­

mäßigen Organen des Reiches wie Preußens,

die Wohlfahrt des deutschen

Landes zu pflegen. Meinem getreuen Volke, das durch eine Jahrhunderte lange Geschichte

in

guten wie schweren Tagen

zu Meinem Hause gestanden,

Mein rückhaltloses Vertrauen entgegen.

bringe Ich

Denn Ich bin überzeugt, daß auf

dem Grunde der untrennbaren Verbindung

von Fürst und Volk, welche,

unabhängig von jeglicher Veränderung im Staatsleben, das unvergängliche

Erbe des Hohenzollernstammcs bildet, Meine Krone allezeit ebenso

ruht, wie das Gedeihen des Landes, rufen bin, und dem Ich gelobe,

sicher

zu dessen Regierung ich nunmehr be­

ein gerechter und in Freud' wie Leid ein

treuer König zu sein. Gott wolle Mir Seinen Segen und Kraft zu diesem Werke geben, dem fortan Mein Leben geweiht ist! Berlin, den 12. März 1888.

Friedrich I. R.

169. Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler. Mein lieber Fürst! Bei dem Antritt Meiner Regierung ist es Mir ein Bedürfnis,

an Sie, den langjährigen, vielbewährten ersten ruhenden Herrn Vaters

zu

wenden.

Diener

Sie sind der treue

Ratgeber gewesen, der den Zielen Seiner Politik die Form

deren erfolgreiche Durchführung gesichert hat.

Mich

Meines in Gott und mutvolle

gegeben und

318

Vierte- Buch

1881—1833.

Ihnen bin Ich und bleibt Mein Haus zu warmem Dank verpflichtet. Sie haben daher ein Recht, vor allem zu wissen, welches die Gesichts­

punkte sind, die für die Haltung Meiner Regierung maßgebend sein sollen.

Die Berfaffungs- und Rechtsordnungen des Reiches und Preußens müssen vor allem in der Ehrfurcht und in den Sitten der Nation sich be­ festigen.

Es sind daher die Erschütterungen möglichst zu vermeiden, welche

häufiger Wechsel der Staatseinrichtungen und Gesetze veranlaßt.

der Aufgaben der Reichsregiemng muß die

festen

Gmndlagen unberührt lassen, auf denen bisher der preußische Staat

sicher

Die Fördemng gemht hat.

Im Reiche sind die verfassungsmäßigen Rechte aller verbündeten Re-

giemngen ebenso gewissenhaft zu achten, wie die des Reichstags; aber von

beiden ist eine gleiche Achtung der Rechte des Kaisers zu erheischen.

Dabei

ist im Auge zu behalten, daß diese gegenseitigen Rechte nur zur Hebung der

öffentlichen Wohlfahrt dienen sollen, welche das oberste Gesetz

bleibt, und

daß neu hervortretenden, unzweifelhaften nationalen Bedürfnissen stets in vollem Maße Genüge geleistet werden muß.

Die notwendige und sicherste Bürgschaft für ungestörte Fördemng dieser Aufgaben sehe Ich in der ungeschwächten

Erhaltung der Wehrkraft des

Landes, Meines erprobten Heeres und der aufblühenden Marine, der durch

Gewinnung überseeischer Besitzungen ernste Pflichten erwachsen sind. müssen jederzeit auf der Höhe

der Ausbildung

und

Beide

der Vollendung

der

Organisation erhalten werden, welche deren Ruhm begründet hat und welche

deren fernere Leistungsfähigkeit sichert.

Ich bin entschlossen, im Reiche und in Preußen die Regierung in ge­ wissenhafter Beobachtung der Bestimmungen von Reichs-

fassung zu führen. in

weiser

und Landesver­

Dieselben sind von Meinen Vorfahren auf dem Throne

Erkenntnis

der unabweisbaren

Bedürfnisse

und

zu

lösenden

schwierigen Aufgaben des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens begründet worden und müssen allseitig

geachtet werden, um ihre Kraft und segens­

reiche Wirksamkeit bethätigen zu können. Ich will, daß der

seit Jahrhunderten

in Meinem Hause heilig

ge­

haltene Gmndsatz religiöser Duldung auch ferner allen Meinen Unterthanen, welcher Religionsgemeinschaft und welchem Bekenntnisse sie auch angehören,

zum Schutze gereiche.

Ein

jeglicher unter ihnen

steht Meinem Herzen

gleich nahe — haben doch alle gleichmäßig in den Tagen der Gefahr ihre volle Hingebung bewährt.

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

319

Einig mit den Anschauungen Meines Kaiserlichen Herrn Vaters, werde Ich warm

alle Bestrebungen unterstützen, welche geeignet sind, das wirt­

schaftliche Gedeihen der verschiedenen Gesellschaftsklassen zu heben, wider­

streitende Interessen zu versöhnen und unvermeidliche Mißstände nach Kräften

zu mildem, ohne doch die Erwartung hervorzurufen, als ob es möglich sei, durch Eingreifen des Staates allen Übeln der Gesellschaft ein Ende zu machen. Mit den sozialen Fragen enge verbunden erachte ich die der Erziehung

der Heranwachsenden Jugend zugcwandte Pflege.

Muß einerseits eine höhere

Bildung immer weiteren Kreisen zugänglich gemacht werden, so ist doch zu vermeiden, daß durch Halbbildung

ernste Gefahren geschaffen, daß Lebens­

ansprüche geweckt werden, denen die wirtschaftlichen Kräfte der Nation nicht

genügen können, oder daß durch

einseitige Erstrebung

vermehrten Wissens

die erziehliche Aufgabe unberücksichtigt bleibe. Nur ein auf der gesunden Grundlage von Gottesfurcht in einfacher Sitte

aufwachsendes Geschlecht wird hinreichend Widerstandskraft besitzen, die Ge­ fahren zu überwinden, welche in einer Zeit rascher wirtschaftlicher Bewegung,

durch die Beispiele hochgesteigerter Lebensführung einzelner, für die Gesamt­ heit erwachsen.

Es ist Mein Wille, daß keine Gelegenheit versäumt werde,

in dem öffentlichen Dienste dahin einzuwirken, daß der Versuchung

zu un­

verhältnismäßigem Aufwande entgegengetreten werde. Jedem Vorschläge finanzieller Reformen ist Meine vorurteilsfreie Er­

wägung im voraus gesichert, wenn nicht die in Preußen altbewährte Spar­ samkeit die Auflegung neuer Lasten umgehen und eine Erleichterung bis­

heriger Anforderungen herbeiführen läßt. Die größeren und kleineren Verbänden im Staate verliehene Selbst­ verwaltung halte ich für ersprießlich.

Dagegen stelle Ich es zur Prüfung:

ob nicht das diesen Verbänden gewährte Recht der Steuerauflagen, welches

von ihnen ohne hinreichende Rücksicht auf die gleichzeitig vom Reich und Staat ausgehende Belastung geübt wird, den einzelnen unverhältnismäßig beschweren kann.

In gleicher Weise wird zu erwägen sein, ob nicht in

der Gliedemng

der Behörden eine vereinfachende Änderung zulässig erscheint, in welcher die Vermindemng der Zahl der Angestellten eine Erhöhung

ihrer Bezüge er­

möglichen würde.

Gelingt es, die Gmndlagen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens

kräftig zu erhalten, so wird es Mir zu besonderer Genugthuung gereichen.

Viertes Buch. 1881—1888.

320

die Blüte, welche deutsche Kunst und Wissenschaft in so reichem Maße zeigt, zu voller Entfaltung zu bringen.

dieser Meiner Absichten rechne Ich auf Ihre so

Zur Verwirklichung oft

bewiesene

Hingebung

und

auf

die

Unterstützung

Ihrer

bewährten

Erfahmng. Möge es Mir beschieden sein, dergestalt unter einmütigem Zusammen­

wirken der Reichsorgane, der hingebenden Thätigkeit der Volksvertretung, wie aller Behörden, und durch vertrauensvolle Mitarbeit sämtlicher Klassen

der Bevölkerung Deutschland und Preußen zu neuen Ehren in friedlicher

Entwickelung zu führen. Unbekümmert um den Glanz ruhmbringender Großthaten, werde Ich

zufrieden sein, wenn dereinst von Meiner Regierung gesagt werden

sie sei Meinem Volke wohlthätig, Meinem Lande nützlich

kann,

und dem Reiche

ein Segen gewesen! Berlin, den 12. März 1888.

Ihr wohlgeneigter

Friedrich I. R.

170. Allerhöchster Erlaß an die Bewohner der Beichslande. Wir, Friedrich,

von Gottes

Gnaden Deutscher Kaiser, König

Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen:

Nachdem Unseres

von

ge­

liebten Herrn Vaters Majestät, weiland Kaiser Wilhelm, nach Gottes Rat­ schluß aus dieser Zeitlichkeit geschieden, ist die deutsche Kaiserwürde und

damit in Gemäßheit der Reichsgesetze die Regierung der Reichslande auf Uns übergegangen.

Wir haben dieselbe im Namen des Reiches übernommen.

Entschlossen, die Rechte des Reiches über diese deutschen, nach langer Zwischen­ zeit wiedemm mit dem Vaterlande vereinigten Gebiete zu wahren, sind Wir

Uns der Aufgabe bewußt, in denselben deutschen Sinn und

deutsche Sitte

zu pflegen, Recht und Gerechtigkeit zu schirmen und die Wohlfahrt und das

Gedeihen der Bewohner

zu fördern.

Bei Unserem Bestreben,

dieser Auf­

gabe gerecht zu werden, zählen Wir auf das Vertrauen und die Ergebenheit

der Bevölkerung, sowie auf die treue Pflichterfüllung Beamten. setze,

aller Behörden und

Wir fordem und erwarten die gewissenhafte Beachtung der Ge­

dagegen werden auch Wir jedermanns Rechten Unsern Kaiserlichen

Schutz gewähren.

Durch unparteiische Rechtspflege und eine gesetzmäßige

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

wohlwollende und umsichtige, aber mit fester

Hand

321 geführte Verwaltung

wird die unverjährbare Verbindung Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reiche wieder eine so innige werden, wie sie in den Zeiten Unserer Vor­

fahren gewesen ist, bevor diese deutschen Lande aus der uralten und ruhm­

vollen Verbindung mit ihren Stammesgenossen und Landsleuten losgerifsen wurden.

Wir befehlen, diesen Erlaß durch

das Gesetzblatt zu

verkünden.

Gegeben Charlottenburg, den 15. März 1888.

gez. Friedrich.

gegengez. Fürst von Hohenlohe."

171. Allerhöchste Botschaft an den Deutschen Reichstag, Montag, den 19. März 1888.

Wir Friedrich

von

Gottes

Gnaden

Deutscher Kaiser, König

von

Preußen rc. rc. rc., thun kund und fügen hiermit zu wissen: Durch den nach Gottes Ratschlüsse erfolgten Hintritt Unseres geliebten

Herm Vaters ist mit der preußischen Krone die deutsche Kaiserwürde auf Uns übergegangen.

Wir haben die mit derselben verbundenen Rechte und

Pflichten mit dem Entschlüsse übernommen, die Reichsverfassung unverbrüch­

lich zu beobachten und aufrecht zu erhalten und demgemäß die verfassungs­ mäßigen Rechte der einzelnen Bundesstaaten und des Reichstags

gewissen­

haft zu achten und zu wahren. Im Bewußtsein der mit der Kaiserlichen Würde Uns

überkommenen

Vorbilde Unseres

unvergeßlichen

hohen Aufgabe

werden Wir nach

dem

Herm Vaters jederzeit darauf bedacht sein, in Gemeinschaft mit den Uns verbündeten Fürsten und freien Städten, unter der verfassungsmäßigen Mit­

wirkung des Reichstags Recht und Gerechtigkeit,

Freiheit und Ordnung im

Vaterlande zu schirmen, die Ehre des Reiches zu wahren, den Frieden nach

außen und im Innern zu erhalten

und

die Wohlfahrt des

Volkes

zu

pflegen.

Durch

die einmütige Bereitwilligkeit, mit welcher der Reichstag den

auf die Fortbildung der

vaterländischen Wehrkraft

behufs Sicherstellung

des Reiches gerichteten Vorschlägen der verbündeten Regierungen zugestimnit

hat, ist des Hochseligen Kaisers Majestät noch in den letzten Tagen Seines

Lebens hoch erfreut und gestärkt worden.

Ihm ist es nicht mehr vergönnt

gewesen, dem Reichstage Seinen Kaiserlichen Dank für diese Beschlüsse aus-

Dreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

21

322

Viertes Buch. 1881-1888.

zudrücken.

Um so mehr ist es

Uns Bedürfnis, dieses Vermächtnis des in

Gott ruhenden Kaiserlichen Herm dem Reichstage zu übermitteln und letzteren auch Unseren Dank und Unsere Anerkennung

dem

für die bei diesem

Anlaß aufs neue bewiesene patriotische Hingebung auszusprechen.

In zuversichtlichem Vertrauen auf Vaterlandsliebe des gesamten

diese Hingebung und die bewährte

Volkes und seiner Vertreter legen Wir die

Zukunft des Reiches in Gottes Hand. Gegeben Charlottenburg, den 15. März 1888.

(L. 8.)

Friedrch.

von Bismarck.

172. Allerhöchste Botschaft au -en Landtag, Montag, den 19. März 1888. Wir Friedrich von Gottes Gnaden König von Preußen rc. thun kund

und fügen hiermit zu wißen: Nachdem es Gott gefallen hat, nach dem Hinscheiden Sr. Majestät des

Kaisers und Königs Wilhelm, Unseres vielgeliebten Herm Vaters, Uns auf

den Thron Unserer Vorfahren an der Krone zu berufen, entbieten Wir dem Landtage Unserer Monarchie hierdurch Unseren Gruß.

und Absichten, in welchen Wir Unsere Regiemng Gmndsätze, nach denen Wir Unseres

Die Gesinnungen

angetreten haben,

die

Königlichen Amtes walten wollen,

haben Wir Unserem getreuen Volke verkündet.

In den Wegen Unseres glorreichen Herm Vaters wandelnd, werden Wir kein anderes Ziel Unseres Strebens kennen, als das Glück und die Wohlfahrt des Vaterlandes.

In gewissenhafter Beobachtung der Verfassung, unter Wahrung der Machtfülle der Krone, im vertrauensvollen Zusammenwirken mit der Landes­ vertretung hoffen Wir dieses Ziel unter Gottes Beistände zum Heile des Vaterlandes zu erreichen.

Wir sind Uns der

Pflichten voll bewußt.

nach

Art 54

der Verfassung Uns obliegenden

Da jedoch Unser Gesundheitszustand Uns zur Zeit

nicht gestattet, dieser Verpflichtung persönlich nachzukommen, Wir aber das Bedürfnis fühlen, unverweilt Unsere ohnehin keinem Zweifel unterworfene Stellung zu ben] Verfassungsordnungen

des

Landes

vor der Volksver­

tretung zu bekunden, so geloben Wir hiermit schon jetzt, daß Wir die Ver-

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

323

fassung Unseres Königreichs fest und unverbrüchlich halten und in Über­

einstimmung mit derselben und den Gesetzen regieren wollen. Charlottenburg, den 17. März 1888. gez. Friedrich,

(ggz.) Fürst v. Bismarck, v.

v.

Friedberg,

v. Maybach.

v. Puttkamer.

Boetticher.

v.

Goßler.

v.

Lucius.

Scholz.

Bronsart v. Schellendorff.

173.

Armeebefehl. Während die Armee soeben erst die äußeren Trauerzeichen für ihren auf

alle Zeiten in den Herzen fortlebenden Kaiser Wilhelm I., Meinen hochver­ ehrten Großvater, ablegte, erleidet sie

5

Minuten

erfolgten Tod Meines

durch den heute vormittag

teuren innig

Kaisers und Königs Friedrich III. Majestät, Es sind wahrlich

des

einen neuen schweren Schlag.

ernste Trauertage, in denen Mich Gottes

an die Spitze der Armee stellt, und

11 Uhr

geliebten Vaters,

Fügung

es ist in der That ein tiefbewegtes

Herz, aus welchem Ich das erste Wort an Meine Armee richte.

Die Zuversicht aber, mit welcher Ich an die Stelle trete, in die Mich Gottes Wille beruft, ist unerschütterlich fest, denn Ich weiß,

welchen Sinn

für Ehre und Pflicht Meine glorreichen Vorfahren in die Armee gepflanzt haben, und Ich weiß, in wie hohem Maße sich dieser Sinn immer und

zu allen Zeiten bewährt hat.

In der Armee ist die feste unverbrüchliche Zugehörigkeit zum Kriegs­ herm das Erbe, welches

vom Vater auf den Sohn, von Generation zu

Generation geht, — und ebenso verweise Ich auf Meinen Euch Allen vor

Augen

stehenden

Kriegsherm,

wie

Großvater, das es

schöner

werden kann, — auf Meinen

Bild

des glorreichen und ehrwürdigen

und 'zum Herzen sprechender

nicht

gedacht

teuren Vater, der sich schon als Kronprinz

eine Ehrenstelle in den Annalen der Armee erwarb, — und auf eine lange Reihe nchmvoller Vorfahren, deren Namen

hell in der Geschichte leuchten

und deren Herzen warm für die Armee schlugen.

So gehören wir zusammen — Ich und die Armee, — so sind wir

für einander geboren und so wollen wir unauflöslich fest zusammenhalten, möge nach Gottes Willen Friede oder Sturm sein.

324

Viertes Buch. 1881—1888. Ihr werdet Mir jetzt den Eid der Treue und des Gehorsams schwören —

und Ich gelobe, stets dessen eingedenk zu sein, daß die Augen Meiner Vor­ fahren aus jener Welt auf Mich Hemieder sehen und daß Ich ihnen der­

maleinst Rechenschaft über den Ruhm und die Ehre der Armee abzulegen haben werde!

Schloß Friedrichskron, den 15. Juni 1888.

Wilhelm.

174. Marinebefehl. An die Marine!

Ich mache der Marine mit tiefbewegtem Herzen bekannt,

daß Mein

geliebter Vater, Se. Majestät der Deutsche Kaiser und König von Preußen Friedrich III., heute Vormittag 11

Uhr 5 Minuten

sanft in dem Herm

entschlafen ist und daß Ich, an die Mir durch Gottes Willen bestimmte Stelle tretend, die Regierung der Mir angestammten Lande und somit auch

den Oberbefehl über die Marine übernommen habe. Es ist wahrlich eine tiefernste Zeit, in der Ich das erste Wort an die

Marine richte.

Soeben erst sind die äußeren Trauerzeichcn für Meinen unvergeßlichen,

teuren Großvater,

den Kaiser Wilhclni I., abgelegt worden, der noch im

vorigen Jahre bei Seiner Anwesenheit in Kiel Seine lebhafte Befriedigung

und Anerkennung über die Entwickelung der Marine unter Seiner glor­ reichen Regierung in den wärmsten Worten aussprach — und schon senken

sich die Flaggen wieder für Meinen

vielgeliebten Vater, welcher so

große

Freude und so lebhaftes Interesse an dem Wachsen und den Fortschritten

der Marine hatte.

Die Zeit ernster und wahrhafter Trauer Sinn und die Herzen der Menschen, und Meines

Großvaters

und Meines

Vaters

so

stärkt und festigt aber den

wollen

treu

wir — das

im Herzen haltend

Bild



getrost in die Zukunft sehen.

Die Marine weiß, daß es Mich nicht nur mit großer Freude erfüllt hat, ihr durch

frühester

ein äußeres Band anzugehören, sondern daß Mich seit voller Übereinstimmung mit Meinem lieben Bmder,

Jugend in

dem Prinzen Heinrich von Preußen,

mit ihr verbindet.

ein lebhaftes und

warmes Interesse

Sozialreform und Kolonialpolmk. 1888.

Ich habe den hohen Sinn für Ehre kennen gelernt, der in der Marine lebt.

und

Ich

für

325

treue Pflichterfüllung

weiß, daß jeder bereit ist,

mit seinem Leben freudig für die Ehre der deutschen Flagge

einzustehen,

wo immer es sei. Und so

kann Ich es

in

dieser

ernsten Stunde mit voller Zuversicht

aussprechen, daß

wir fest und sicher zusammenstehen werden in guten und

in bösen Tagen,

im Sturm

wie im Sonnenschein,

immer

eingedenk des

Ruhmes des deutschen Vaterlandes und immer bereit, das Herzblut für die

Ehre der deutschen Flagge zu geben. Bei solchem Streben wird Gottes Segen mit uns sein.

Schloß Friedrichskron, den 15. Juni 1888. Wilhelm. Indem Ich Ihnen

kanntmachung

den

anliegenden Marinebefehl

zugehen lasse, bestimme Ich

miralität, sowie sämtliche der

Marine

hierdurch:

etatsmäßig

zur sofortigen Be­

Der Chef der Ad­

angehörige oder dazu

kommandierte Admirale, Offiziere, Ärzte, Beamte und Mannschaften haben, wie dieselben zur Treue des verewigten Kaisers Majestät eidlich verpflichtet gewesen sind, Mir unverzüglich den Eid der Treue zu leisten.

Das gesamte

Personal des Beurlaubtenstandes der Marine ist bei der nächsten Kontroll­ versammlung bezw. bei der nächsten Einziehung zu Übungen entsprechend neu zu vereidigen.

Über

die Ausführung

vorstehender Bestimmungen sehe

Ich Ihrem Berichte entgegen.

Schloß Friedrichskron, den 15. Juni 1888. Wilhelm. An den Chef der Admiralität.

175. An Mein Volk! Gottes Ratschluß hat über uns

verhängt.

Nachdem

aufs

neue die schmerzlichste Trauer

die Gruft über der sterblichen Hülle Meines unver­

geßlichen Herrn Großvaters sich kaum geschlossen hat, ist auch Meines heiß­ geliebten Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit zum ewigen Frieden abgerufen worden.

Die heldenmütige, aus christlicher Ergebung erwachsende

Thatkraft, mit der Er Seinen Königlichen Pflichten ungeachtet Seines Leidens

326

Viertes Buch. 1881—1888.

gerecht zu werden wußte, schien der Hoffnung Raum zu geben, daß Er

dem Vaterlande noch länger erhalten bleiben werde. beschlossen.

Gott hat es anders

Dem Königlichen Dulder, dessen Herz für alles Große und

Schöne schlug, sind nur wenige Monate beschieden gewesen, um auch auf dem Throne die edlen Eigenschaften des Geistes und Herzens zu bethätigen, welche Ihm die Liebe Seines Volkes

gewonnen haben.

Der Tugenden,

die Ihn schmückten, der Siege, die Er auf den Schlachtfeldern einst errungen hat, wird dankbar gedacht werden, so lange deutsche Herzen schlagen,

und

unvergänglicher Ruhm wird Seine ritterliche Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären.

Auf den Thron Meiner Väter berufen, habe Ich die Regierung im Aufblick zu dem Könige aller Könige

übernommen und Gott gelobt, nach

dem Beispiel Meiner Väter Meinem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu Pflegen, den Frieden zu schirmen,

die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein.

Wenn Ich Gott um Kraft bitte, diese Königlichen Pflichten zu erfüllen,

die Sein Wille Mir auferlegt, so bin Ich dabei von dem Vertrauen zum preußischen Volle getragen, welches der Rückblick auf unsere Geschichte Mir

gewährt.

In guten und in bösen Tagen hat Preußens Volt stets treu zu

seinem Könige gestanden; auf diese Treue, deren Band sich Meinen Vätern gegenüber in jeder schweren Zeit und Gefahr als unzerreißbar bewährt hat, zähle

auch Ich in dem Bewußtsein, daß Ich sie

aus

als treuer Fürst eines treuen Volkes, beide gleich

für das gemeinsame Vaterland.

vollem Herzen erwidere, stark in der Hingebung

Diesem Bewußtsein der Gegenseitigkeit der

Liebe, welche Mich mit Meinem Volke verbindet, entnehme Ich die Zuver­

sicht, daß Gott Mir Kraft und Weisheit verleihen werde, Meines König­ lichen Amtes zum Heile des Vaterlandes zu walten. Potsdam, den 18. Juni 1888.

Wilhelm.

327

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

176. Erklärung des Fürsten v. Msmarck in der Plenarsitzung des Dundesrats, Donnerstag, den 21. Juni 1888. Nachdem Se. Majestät der Kaiser und König von Preußen Friedrich

am 15. d. M. aus diesem Leben abgerufen worden, hat Se. Majestät der Kaiser Wilhelm als Allerhöchst

Dessen

Nachfolger in der Regierung des

Königreichs Preußen die Kaiserwitrde mit allen verbundenen Rechten und Pflichten übernommen.

damit verfassungsmäßig

In tiefem Schmerze über

den doppelten Verlust, den das Königliche Haus und die Nation innerhalb

weniger Monate erlitten haben, hat Se. Majestät der Kaiser mir den Auf­ trag zu erteilen geruht, dem Bundesrate hiervon Kenntnis zu geben.

Se. Majestät der Kaiser, durchdrungen von der Größe der auf Aller­

höchst Dessen Schustern gelegten Verantwortung, übernimmt dieselbe in dem Pflichtgefühl des von Gott berufenen Nachfolgers Seines Hochseligen Groß­ vaters und Vaters in dem Vertrauen auf den Beistand, den Er in der

Erfüllung der kaiserlichen Pflichten bei Allerhöchst Seinen hohen Bundes­ genossen zn finden sicher ist.

Sc. Majestät

rechnet bei der Erfüllung der

Ihm durch die Reichsverfassung gestellten Aufgaben mit Zuversicht auf die

stets bewährte bundcsfreundliche

Gesinnung und

der verbündeten Fürsten und freien Städte.

bereitwillige Mitwirkung

Als die oberste dieser Auf­

gaben betrachtet der Kaiser die Aufrechterhaltung der Reichsverfassung und Schutz des Reichsgebiets wie eines jeden innerhalb desselben geltenden Rechts.

Dieser verfassungsmäßige Schutz deckt die vertragsmäßigen Rechte der ein­ zelnen Bundesstaaten mit der gleichen Wirkung wie die der Gesamtheit, und Se. Majestät der Kaiser erblickt in der gewissenhaften Handhabung desselben

eine Vertragspflicht Preußens und eine der Ehrenpflichten, die dem Kaiser obliegen.

Das

bundcsfeste

Vertrauen der deutschen

Fürsten und freien

Städte zu einander und ihre im Bundesrate bethätigte Einigkeit haben das

Reich gefestigt und stark und die gemeinsamen Bestrebungen aller Bundes­

glieder für die Wohlfahrt Deutschlands

fruchtbar gemacht.

Se. Majestät

der Kaiser werden dieses Vertrauen und diese Einigkeit unter den verbündeten Regierungen mit der gleichen Sorgfalt zu pflegen bemüht sein,

Seinen in Gott ruhenden Vorgängern gelungen ist.

wie dies

In der inneren, wie

in der auswärtigen Politik will Se. Majestät Sich an die Wege halten, auf

denen Seine verewigten Vorgänger in der Kaiserwürde neben der Liebe

Ihrer Reichsgenofien das Vertrauen der auswärtigen Mächte dahin

ge-

328

Viertes Buch. 1881-1888.

Wonnen haben, daß dieselben in der Stärke des Deutschen Reiches eine Bürg­ schaft des europäischen Friedens erblicken.

Se. Majestät hat, um diese Seine

Absichten zu verkünden, und um allen darüber verbreiteten Zweifeln persönlich

entgegenzutreten, den Reichstag auf den 25. d. Mts. berufen und mich be­

auftragt, der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck zu geben, daß Se. Majestät

für die weitere Durchführung der Absichten, von denen

Seine verewigten

Väter seit der Herstellung des Reiches geleitet wurden, auf die bundes­

freundliche Unterstützung des Bundesrats werde rechnen dürfen.

177. Thronrede jur Eröffnung des Deutschen Reichstags, Montag, den 25. Juni 1883. Geehrte Herren!

Mit tiefer Trauer im Herzen begrüße Ich Sie und weiß, daß Sie mit Mir trauern.

Die frische Erinnerung an die schweren Leiden Meines

Hochseligen Herm Vaters, die erschütternde Thatsache, daß Ich drei Monate

nach dem Hintritt weiland Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm berufen war,

den Thron

zu besteigen,

üben die gleiche Wirkung

in den Herzen aller

Deutschen, und unser Schmerz hat warme Teilnahme in allen Ländern der

Welt gefunden.

Unter dem Drucke desselben bitte ich Gott, Mir Kraft

zur Erfüllung der hohen Pflichten zu verleihen, zu denen Sein Wille Mich berufen hat.

Dieser Berufung folgend, habe Ich das Vorbild vor Augen, welches Kaiser Wilhelm, nach schweren Kriegen,

Nachfolgern hinterlassen, und dem

in friedliebender Regierung seinen

auch Meines Hochseligen Herrn Vaters

Regierung entsprochen hat, soweit die Bethätigung Seiner Absichten nicht

durch Krankheit und Tod verhindert worden ist. Ich habe Sie, geehrte Herren, berufen, um vor Ihnen dem deutschen

Volke zu verkünden, daß Ich entschlossen bin, als Kaiser und König dieselben

Wege zu wandeln, auf denen Mein Hochseliger Herr Großvater das Ver­ trauen seiner Bundesgenossen, die Liebe des deutschen Volkes und die wohl­ wollende Anerkennung

des Auslandes gewonnen hat.

Daß auch Mir dies

gelinge, steht bei Gott, erstreben will Ich es in ernster Arbeit.

Die wichtigsten Aufgaben des Deutschen Kaisers liegen auf dem Gebiete der militärischen und politischen Sicherstellung des Reiches nach außen, und

Sozialreform und Kolomalpolitik. 1888.

329

im Innern in der Überwachung der Ausführung der Reichsgesetze.

oberste dieser Gesetze bildet die Reichsverfaffung; sie zu aber

wahren und zu

beiden gesetzgebenden Körpern der

schirmen, in allen Rechten, die sie den

Nation und jedem Deutschen,

Das

auch

in denen,

welche sie dem Kaiser

und jedem der Verbündeten Staaten und deren Landesherren verbürgt, ge­

hört zu den vornehmsten Rechten und Pflichten des Kaisers.

An der Gesetzgebung des Reiches habe Ich nach der Verfassung mehr

in Meiner Eigenschaft als König von Preußen, Kaisers mitzuwirken;

aber in beiden wird

wie in der des deutschen

es Mein Bestreben sein, das

Werk der Reichsgesetzgebung in dem gleichen Sinne fortzuführcn, wie Mein

Hochseliger Herr Großvater es begonnen hat. Insbesondere eigne Ich Mir die von

ihm "am 17. November 1881

erlassene Botschaft ihrem

vollen Um­

fange nach an, und werde int Sinne derselben fortfahren, dahin zu wirken, daß die Reichsgcsetzgebung für die arbeitende Bevölkening auch

Schutz

erstrebe, den sie,

an die Grundsätze der

im Anschluß

ferner den christlichen

Sittenlehre, den Schwachen und Bedrängten im Kampfe um das Dasein ge­ währen kann.

Ich

hoffe, daß

es gelingen

werde, auf diesem Wege der

Ausgleichung ungesunder gesellschaftlicher Gegensätze näher zu kommen, und

hege die Zuversicht, daß Ich zur Pflege unserer inneren Wohlfahrt die ein­

hellige Unterstützung aller treuen Anhänger des Reiches und der Verbündeten Regierungen finden werde,

ohne Trennung nach gesonderter Parteistellung.

Ebenso aber halte Ich für geboten,

unsere staatliche und gesellschaft­

liche Entwickelung in den Bahnen der Gesetzlichkeit zu erhalten und allen Bestrebungen, welche den Zweck und die Wirkung haben, die staatliche Ord­ nung zu untergraben, mit Festigkeit entgegenzutreten.

In der auswärtigen Politik bin Ich mit jedermann, soviel an Mir liegt.

und Meine Stellung zu demselben

entschlossen,

Frieden zu halten

Meine Liebe zum deutschen Heere

werden Mich

niemals in Versuchung

führen, dem Lande die Wohlthaten des Friedens zu verkümmern, wenn der Krieg

nicht

eine, durch

den Angriff auf das Reich oder auf dessen Ver­

bündete uns aufgedrungene Notwendigkeit ist.

Unser Heer soll uns den

Frieden sichern und, wenn er uns dennoch gebrochen wird,

ihn mit Ehren zu erkämpfen.

Das wird

im stände sein,

es mit Gottes Hilfe vermögen

nach der Stärke, die es durch das von Ihnen einmütig beschlossene jüngste Wehrgesetz erhalten hat.

Meinem Herzen fern.

Diese Stärke zu Angriffskriegen zu benutzen, liegt

Deutschland bedarf weder neuen Kriegsruhmes, noch

irgend welcher Eroberungen, nachdem es

sich die Berechtigung, als einige

und unabhängige Nation zu bestehen, endgültig erkämpft hat.

Viertes Buch. 1881—188s.

330

Unser Bündnis mit Österreich-Ungarn ist öffentlich bekannt; Ich halte an demselben in deutscher Treue fest, nicht bloß,

sondern,

weil Ich in diesem

päischen Gleichgewichtes

schichte,

weil es geschlossen ist,

defensiven Bunde eine Grundlage

euro­

des

erblicke, sowie ein Vermächtnis der deutschen Ge­

dessen Inhalt heut

öffentlichen Meinung des

von der

gesamten

deutschen Volkes getragen wird, und dem herkömmlichen europäischen Völker­ rechte entspricht,

Gleiche

wie es bis 1866 in unbestrittener Geltung war.

geschichtliche Beziehungen und

gleiche nationale Bedürfnisse der Gegenwart

verbinden uns

Beide

Friedens

mit Italien.

festhalten,

um in Ruhe

Länder wollen die

und Italien

gewonnenen

und der Förderung

Einheit, der Ausbildung ihrer nationalen Institutionen ihrer Wohlfahrt zu leben. Unsere mit Österreich-Ungarn

Segnungen des

der Befestigung ihrer neu

bestehenden Verabredungen

gestatten Mir zu Meiner Befriedigung die sorgfältige Pflege Meiner sönlichen Freundschaft für den Kaiser

von Rußland und

per­

der seit hundert

Jahren bestehenden friedlichen Beziehungen zu dem russischen Nachbarreiche, welche Meinen eigenen Gefühlen

ebenso

wie den Interessen Deutschlands

entspricht.

In der gewissenhaften Pflege des

Friedens

bereitwillig in den Dienst des Vaterlandes,

wie

stelle in

Ich

Mich

ebenso

der Sorge für unser

Kricgsheer, und freue Mich der traditionellen Beziehungen zu

auswärtigen

Mächten, durch welche Mein Bestreben in ersterer Richtung befördert wird. die Wehrhaftigkeit unseres Volkes hege

Im Vertrauen auf Gott und

Ich die Zuversicht, daß es uns für absehbare Zeit vergönnt sein werde, in

friedlicher Arbeit zu wahren

und

zu

beiden in Gott ruhenden Vorgänger

festigen,

was unter Leitung Meiner

auf dem Throne kämpfend

erstritten

wurde.

178.

Allerhöchster Erlaß an den Reichskanzler, Dienstag, den 26. Juni 1888. Schwere Tage sind über Mich und Mein Haus gekommen, von neuem

ist Mein

kaum beruhigtes

Sr. Majestät des Kaisers

Großvater so

und Königs Friedrich,

Mit dem Heimgänge

welcher Meinem teueren

bald in die Ewigkeit folgen mußte,

liebevollste Vater, worden.

Gemüt tief erschüttert.

dem Lande der treueste und

ist Mir der beste und

edelste Herrscher entrissen

Nur auf all zu kurze Zeit war es Ihm durch ein hartes Geschick

331

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

vergönnt, zum Heile Seines Volkes, das Er mit voller Liebe umfaßte, zu wirken.

Die ganze deutsche Nation in erhabener Einmütigkeit trauert mit

Mir um einen solchen Verlust, und fremde Völker nehmen teil an unserem Prachtvolle Blumen und Kränze,

gemeinsamen Schmerze.

welche von nah

und fern dem Hohen Entschlafenen gewidmet worden, zahlreiche Zuschriften und Telegramme, in denen Mir herzliches Beileid ausgedrückt wird,

geben

Zeugnis von der reichen Liebe und Verehmng, welche der Verewigte Sich Gemeinden, Vereine und einzelne Personen aus

im Leben erworben hatte.

allen Teilen Deutschlands, insbesondere auch aus Elsaß-Lochringen, Deutsche

auf fremdem Boden, selbst in fernen Weltteilen, soweit nur die Trauerkunde drang, haben in solcher Weise ihr warmes Mitgefühl zum Ausdruck gebracht.

Es ist wahrlich rührend für Mich und gewährt Mir erhebenden Trost, Meinen geliebten Vater noch über das Grab hinaus so treu und innig geehrt zu sehen.

Aus der Tiefe Meines Herzens

sage Ich daher für alle diese

Zeichen wahrer Teilnahme, welche Mich

in den Tagen der Trübsal auf­

gerichtet haben, Meinen herzlichsten und

aufrichtigsten Dank mit der Vcr-

sichenmg, daß

gleich Meinen Vorfahren auch Mein

ernstes Bestreben nur

darauf gerichtet sein wird, in ungestörter friedlicher Arbeit das Wohl des

Landes

zu fördern

und

zu

befestigen.

Möge Gott Mir Seinen Segen

dazu geben!

Ich ersuche Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Berlin, den 26. Juni 1888. Wilhelm. An den Reichskanzler.

179. Thronrede zur Eröffnung des Landtags, Mittwoch, den 27. Ium 1888.

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusem des Landtags!

In trüber Zeit heiße Ich Sie zum erstenmal von dieser Stelle aus willkommen.

Nur wenige

Monate hat das

Szepter in Meines dahin-

gtschiedenen Vaters Hand geruht, aber lange genug, um zu erkennen, welchen Herrscher das Vaterland in Ihm verloren hat. Die Hoheit Seiner Erscheinung,

ter Adel Seiner Gesinnung, Sein ruhmvoller Anteil an den großen Geschicken

tes Vaterlandes und der Heldenmut christlicher Ergebung, mit dem Er gegen die Todeskrankheit kämpfte, haben Ihm im Herzen Seines Volkes ein un-

332

Viertes Buch. 1831—1888. Für die ungezählten Beweise treuen Gedenkens

vergängliches Denkmal gesetzt.

und liebevoller Teilnahme, welche Mir in diesen für Mich so schweren Tagen

zugegangen sind,

sage Ich

allen,

mit ihrem Troste genaht sind,

die Mir

Meinen Königlichen Dank.

Meines

Nachdem durch

Herrn

Vaters Heimgang

die Krone Meiner

Vorfahren auf Mich übergegangen ist, war es Mir ein Bedürfnis, bei dem Beginne Meiner Regierung Sie um Mich zu versammeln und unverweilt vor Ihnen das eidliche Gelöbnis

abzulegen,

welches die Verfassung vorschreibt.

Ich gelobe, daß Ich die Verfassung des Königreichs fest unverbrüchlich

und

mit derselben und

in der Übereinstimmung

halten und den Gesetzen

regieren

will,

so wahr

mir Gott helfe! Geehrte Herren!

Kaiser

Wilhelm

Seiner

hat in

ruhmreichen,

von

großen Thaten in Krieg und Frieden erfüllten Regierung das heutige Preußen

geschaffen und

das Streben unseres Volkes

Mein in Gott ruhender Vater

wirklicht. Mich Ihm

gegenüber beseelt,

öffentlichen Urkunden,

welche

nach

nach

nationaler Einheit ver­

hat mit derselben Pietät,

Seiner

Thronbesteigung Sich

Sein politisches

Vermächtnis

welche in

den

darstellen, die

Politik und die Werke Meines verewigten Großvaters angeeignet,

und Ich

bin entschlossen, Ihm auf diesem Wege zu folgen, auf dem Gebiete der Re­ gierung Preußens

wie auf dem der Reichspolitik.

Wie König Wilhelm I.

werde Ich, Meinem Gelöbnis entsprechend, treu und gewissenhaft die Gesetze und die Rechte der Volksvertretung

die

Gewissenhaftigkeit

achten und

verfassungsmäßigen

schützen und

der Krone

Rechte

mit

gleicher

wahren

und

ausüben, um sie dereinst Meinem Nachfolger auf dem Throne unverkümmert zu überliefern.

Es liegt Mir fern, das Vertrauen des Volkes auf die Stetig­

keit unserer gesetzlichen Zustände durch Bestrebungen nach Erweiterung der

Der gesetzliche Bestand Meiner Rechte, so lange

Kronrechte zu beunruhigen. er nicht in Frage

gestellt

monarchischer Einwirkung lichen Entwickelung,

wird,

genügt,

um

dem Staatsleben das Maß

zu sichern, dessen Preußen nach seiner geschicht­

nach seiner heutigen Zusammensetzung, nach seiner Stel­

lung im Reich und nach den Gefühlen und Gewohnheiten des eigenen Volkes bedarf.

Ich

bin der Meinung,

daß unsere Verfassung

eine

gerechte und

nützliche Verteilung der Mitwirkung der verschiedenen Gewalten im Staats­ leben enthält, und werde sie auch deshalb,

und

nicht nur Meines Gelöb­

nisses wegen, halten und schützen. Dem Vorbilde

Meiner

erhabenen Ahnherren

folgend,

werde Ich es

jederzeit als eine Pflicht erachten, allen religiösen Bekenntnissen in Meinem

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

333

Lande bei der freien Ausübung ihres Glaubens Meinen Königlichen Schutz angedeihen zu lassen.

Mit besonderer Befriedigung habe Ich es empfunden, daß die neuere kirchenpolitische Gesetzgebung dazu geführt hat, die Beziehungen des Staates

zu der katholischen Kirche und deren geistlichem Oberhaupte in

einer fiir

beide Teile annehmbaren Weise zu gestalten; Ich werde bemüht sein, den kirchlichen Frieden im Lande zu erhalten.

Die Reform der inneren Verwaltung Landtags in der Hauptsache zum Abschluß

ist in der letzten Session des Die Durch­

gebracht worden.

führung der neuen Gesetzgebung hat den Beweis dafür geliefert, daß der

Gedanke der ehrenamtlichen Selbstverwaltung in

das lebendige Bewußtsein

der Bevölkerung übergegangen ist, und daß sich die geeigneten Kräfte bereit­ willig in den Dienst des

öffentlichen Wohls

gestellt haben.

Wille, an dieser wertvollen Errungenschaft festzuhalten

Es ist Mein

und durch Aus­

gestaltung und Festigung der neuen Institutionen dazu beizutragcn, daß die­ selben in ihrer erfolgreichen Wirksamkeit dauernd erhalten bleiben. Ich halte in dem Finanzwesen

an den altpreußischen Überlieferungen

fest, welche den Wohlstand des Landes schweren Zeiten zur Erfüllung

begründet und den Staat auch in

seiner Aufgaben befähigt haben.

Mit Be­

friedigung darf Ich auf die Finanzlage des Staates blicken, wie Ich dieselbe, Dank der Fürsorge Meiner Vorfahren an der Krone, bei Meinein Regierungs­ antritte vorfinde. Diese günstige Lage des Staatshaushalts hat gestattet, mit

der Erleichterung

der Steuern der Gemeinden und der minder begüterten

Volksklaffen einen erfolgreichen Anfang zu machen; es ist Mein Wille, daß

dieses Ziel weiter verfolgt werde, und daß i» gleicher Weise dringliche Be­

dürfnisse, welche bisher wegen der Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel haben zurückgestellt werden müssen, demnächst ihre Befriedigung finden. Die verheerenden Überschwemmungen, von welchen in diesem Frühjahre

weite und fruchtbare Teile des Landes heimgesucht worden sind, beanspmchen Meine volle Teilnahme.

Durch die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie reiche

Mittel bewilligt haben, ist Meine Regierung in den Stand gesetzt worden,

viele der geschlagenen Wunden

zu heilen und neue Vorkehrungen zur Ab­

wehr ähnlicher Katastrophen zu treffen.

Wenn den hartgeprüften Bewohnern

der betroffenen Gegenden ein Trost in ihrem Unglück gewährt werden konnte,

so ist derselbe in dem edlen Wetteifer mit der staatlichen Fürsorge zu finden, welcher von allen Ständen und allen Klassen der Bevölkerung und Deutschen auch im fernen Auslande bethätigt worden ist.

der

Es drängt Mich,

Viertes Buch. 1881—1888.

334

allen, die zur Linderung der Not beigesteuert haben, von dieser Stelle aus Meinen Dank auszusprechen. Geehrte Herren!

Sie können am Schlüsse einer Legislaturperiode mit

Befriedigung auf die wichtigen Ergebnisse zurückblicken, welche dank Ihrem

einträchtigen Zusammenwirken mit der Regierung erzielt worden sind.

Im

Rückblick hierauf vertraue Ich, daß es uns auch in Zukunft gelingen werde,

in gemeinschaftlicher, von gegenseitigem Vertrauen getragener und durch die Verschiedenheit prinzipieller Grundanschauungen nicht gestörter

Arbeit

die

Wohlfahrt des Landes zu fördern. Geehrte Herren!

In bewegter Zeit habe Ich die Pflichten Meines

Königlichen Amtes übernommen, aber Ich trete an die Mir nach Gottes

Fügung gestellte Aufgabe mit der Zuversicht des Pflichtgefühls heran und

halte Mir dabei das Wort des großen Friedrich gegenwärtig, daß in Preußen „der König des Staates erster Diener ist".

Wilhelm.

180. Allerhöchste Ordre an den Chef der Admiralität, Dienstag, den 31. Juli 1888.

Ich habe bei Meiner Reise nach Rußland, Schweden und Dänemark Veranlassung genommen,

einen größeren Teil Meiner in Dienst gestellten

Schiffe und Fahrzeuge zu besichtigen und zur Begleitung auf diesen Fahrten heranzuziehen.

Mit lebhafter Befriedigung habe Ich hierbei

gesehen,

daß

Führung, Dienstbetrieb und Mannszucht in Meiner Marine mit vollster Hingebung gehandhabt werden, und daß die Erscheinung Meiner Schiffe in

fremden Häfen geeignet war,

landes finden zu laffen.

sie die anerkennende Beurteilung des Aus­

Gern spreche Ich daher Meinen Kaiserlichen Dank

aus den Admiralen, Kommandanten, Offizieren und Mannschaften Meiner Manöverflotte, im besonderen auch dafür, daß bei der Zusammengehörigkeit von 10 Schiffen zu fast dreiwöchentlicher Fahrt keinerlei Zwischenfälle ein­ getreten sind, welche die gestellte Aufgabe in ihrer gewiffenhaften Ausführung

hätten beeinträchtigen können.

Ich vertraue daher, daß die Schiffe

und

Fahrzeuge, welche unter Meinen Augen einen Teil ihrer Übungsperiode mit fo gutem Erfolge absolviert haben, auch allen ferneren Aufgaben derselben bis zum Schluffe zu Meiner Zufriedenheit entsprechen werden.

An Bord Meiner Jacht „Hohenzollern".

Kiel, den 31. Juli 1888. Wilhelm.

335

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

181. Erwiderung des Kaisers auf die Ansprache des Oberbürgermeisters von Frankfurt a,O. beim Festmahle ;u Ehren -er Enthüllung des Friedrich-Karl-Denkmals, Donucrstag, den 16. August 1888.

Mein Herr Oberbürgermeister!

Ich spreche Ihnen Meinen herzlichsten

Dank aus für die Worte, die Ich soeben vernommen und bitte Sie zugleich wärmsten Dankes für den so herzlichen Empfang

der Übermittln Meines

an die Stadt zu sein.

Ich weiß sehr wohl, daß, wie Sie eben erwähnten,

die Bande inniger treuer Ergebenheit Frankfurt seit Jahrhunderten mit Meinem Hause verbunden haben.

und erwählte

Mein Herr Großvater wußte dies wohl

deshalb die Stadt zum Orte sdes Standbildes.

Sein Wille

übertrug dem hochseligen Prinzen das Kommando des 3. Armeekorps.

Der

eiserne, gewaltige Charakter, der mächtige Wille und das strategische Genie des Prinzen befähigten ihn besonders, an der Spitze des Armeekorps zu stehen und

Brandenburgs Söhne in harter schwerer Schule heranzubilden, wie sic sich später

in den Schlachten bei Vionville gezeigt haben. Es ist eine ernste Zeit, in der wir stehen. Die großen Heerführer, die unsere Armee zum Siege geleitet haben,

die beiden

großen Vettern, der Kronprinz und der Prinz Friedrich Karl,

sind dahin. . So lange die Geschichte bestehen

wird,

als der deutsche Kronprinz und Mein Oheim

als der Feldmarschall

werden Mein Vater par

excellence als die Hauptvorkämpfer und Stifter des Reiches gefeiert werden.

Wie das

Brandenburger

Volk

mit

eiserner Energie

und

unermüdlicher

Thätigkeit dem sandigen Boden seinen Erwerb abringt, so rang das 3. Armee­ korps heute vor 18 Jahren dem Feinde den Sieg ab.

Die Leistungen aber,

welche das Armeekorps vollbrachte, hat es dem Prinzen und seiner Schule zu verdanken.

Ich trinke auf das Wohl der Stadt Frankfurt und trinke

auf das Wohl des

Arnieekorps.

Doch

Eins

will

ich

noch hinzufügen.

Meine Herren, im Hinblick auf den großen Tag, den wir feiern: Es giebt

Leute, die sich nicht entblöden, zu behaupten, daß Mein Vater das, was er

mit dem seligen Prinzen gemeinsam herausgeben wollte.

mit

dem Schwert erkämpfte, wieder

Wir alle haben ihn zu gut gekannt, als daß

wir

einer solchen Beschimpfung seines Andenkens nur einen Augenblick ruhig zusehen könnten.

Er hatte denselben Gedanken als

wir, daß nichts von

den Errungenschaften der großen Zeit aufgegebcn werden kann.

Ich glaube,

daß wir sowohl im 3. Armeekorps, wie in der gesamten Armee wissen, daß

darüber nur eine Stimme sein kann, daß wir lieber unsere gesamten 18 Armee-

336

iertes Buch. 1881—1888.

korps und 42 Millionen Einwohner auf der Wahlstatt liegen lassen,

daß wir einen einzigen Stein von dem,

Friedrich Karl

errungen haben,

als

was Mein Vater und der Prinz

abtreten.

In diesem

Sinne

erhebe Ich

Mein Glas und trinke auf das Wohl Meiner braven Brandenburger, der Stadt Frankfurt und des 3. Armeekorps."

182. Ansprachen -es Kaisers bei der Aufnahme in den Johanniterorden zu Sonnenburg, Donnerstag, den 23. August 1888.

I. nach Empfang der Insignien: Ich

erfülle einen

Meiner Herzenswünsche, indem Ich die äußeren

Zeichen des Ordens anlege.

Ich kenne die Aufgaben des Ordens und die

hohen Ziele, die derselbe verfolgt, und wünsche als Protektor des Ordens nicht nur über ihm zu stehen, sondern als Ritter desselben an seinem heil­

samen Wirken thätig teilzunehmen.

II. am Altar: Wie vor

fünf Jahren an dieser Stätte Mein Hochseliger Vater im

Auftrage des Hochseligen Königs Wilhelm der Einführung des Durchlauch­

tigsten Herrenmeisters beiwohnte und dem Orden Schutz und Schirm ver­ sprach, so

gelobe auch Ich an dieser Altarstätte als

und als Protektor

dem Orden

und

König

von Preußen

allen seinen Angehörigen in Meinen

Landen Meinen Königlichen Schutz; so wahr Mir Gott helfe.

III.

bei Tafel:

Ew. Königlichen Hoheit spreche Ich Meinen tiefgefühltesten Dank für die so herzlichen Worte aus, die wir soeben vernommen.

Es war Mir in

der That schon immer ein Herzensbedürfnis, auch durch ein äußeres Zeichen

dem hohen Orden anzugehören, welches leider erst durch Meine Thron­ besteigung für Mich zur Thatsache werden sollte. sicht, daß der König

von Preußen

Orden angehören muß.

auch durch

Ich bin der festen An­ ein äußeres Zeichen dem

Die großen Aufgaben, welche Mir auf dem Ge­

biete der inneren Entwickelung Meines Volkes obliegen, vermag Ich nicht

allein durch die staatlichen Organe zu lösen.

sowie religiösen Kräftigung

Zur Hebung und moralischen,

und Entwickelung des Volkes brauche Ich die

Unterstützung der Edelsten desselben, Meines Adels, und die sehe Ich im

Orden St. Johannis in stattlicher Zahl vereint.

Ich hoffe von Herzen,

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888.

337

daß es mir gelingen möge im Verein mit der liebesthätigen Unterstützung

des Johanniterordens, die Ausfühmng und Fortbildung der Hebung des Sinnes für Religion und christliche Zucht und Sitte im Volke zu bewirken und so die hohen Ziele zu erreichen, welche Ich Mir als Ideale gestellt Wir aber, die wir miteinander das schlichte weiße Kreuz heute er­

habe.

hielten, sowie die, welche es schon besitzen, wir wollen unsere Gläser erheben und auf dessen Wohl trinken,

der in alter Hohenzollernscher Pflichttreue,

gepaart mit hingebender Aufopferung und christlichem Sinne, den Orden zu der Höhe gebracht hat, auf welcher er sich nunmehr befindet.

Se. König­

liche Hoheit der Durchlauchtigste Herrenmeister des Ordens von St. Johann

vom Spital zu Jerusalem — Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, — Hurrah!

183. Kaiser Wilhelm II. und Feldmarschall Graf v. MoltKe. Kreisau, den 3. August 1888.

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König,

Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Ew. Kaiserlichen und

Königlichen Majestät bin ich anzuzeigen ver­

pflichtet, daß ich bei meinem hohen Alter nicht mehr ein Pferd zu besteigen

vermag. Ew. Majestät brauchen jüngere Kräfte und ist mit einem nicht mehr

felddienstfähigen Chef des Generalstabes nicht gedient. Ich werde es

als

eine Gnade erkennen,

dieser Stellung entheben und mir huldreich

wenn Ew. Majestät mich

gestatten wollen, den kurzen

Rest meiner Tage in ländlicher Zurückgezogenheit zu verleben. Nur mit meinen innigsten Wünschen kann ich die Erfolge begleiten,

welche Ew. Majestät glorreichen Zukunft Vorbehalten sind. In treuester Ergebenheit

mir zu

und aufrichtigster Dankbarkeit für so viele

teil gewordenen Auszeichnungen und Wohlhaten verharre ich

Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allerunterthänigster Diener

Graf Moltke,

Feldmarschall. Potsdam, den 9. August 1888. Mein lieber Feldmarschall! Obwohl Ich Mich den in Ihrem Briefe an Mich aufgeführten Gründen

nicht zu verschließen vermag, so hat Mich doch derselbe mit Schmerz beDreißig Jahre preußisch-deutscher Geschichte.

22

Viertes Buch. 1881-1888.

338

Es ist ein Gedanke, an welchen Ich Mich so wenig wie die Armee,

wegt.

deren Sein so

viel Ihrer Person verdankt, gewöhnen können.

unendlich

Sie nicht mehr an dem Posten sehen zu sollen, auf welchem Sie das Heer

zu den

wunderbarsten Siegen führten, die je die Kämpfe eines

Heeres

krönten. Doch will Ich unter keinen Umständen, daß Sie Ihre uns teure Ge­

sundheit überanstrengen; dämm werde Ich, wenn auch schweren Herzens, Ihrem Wunsch willfahren. Dennoch weiß Ich

Mich mit Meinem Heere eins in dem Wunsch,

Sie um das Wohl und Wehe des Vaterlandes und seiner Verteidigung be­

schäftigt zu wissen.

Seit dem Heimgang Meines teuren Vaters ist das

Amt des Präses der Landesverteidigungs-Kommission unbesetzt geblieben. Ich kann gewissenhaft dasselbe in keine besseren und berufeneren Hände

legen als in die Ihrigen. Damm bitte Ich Sie, dasselbe Mir und

dem Vaterlande,

sowie

Meiner Armee zu Liebe anzunehmen. Möge der Herr uns Ihre unschätzbare Kraft und Ratschläge auch in dieser Stelle noch lange zum Heile unserer Nation erhalten. Eine diesbezügliche Ordre werde Ich Ihnen noch zugehen lassen.

In treuester Dankbarkeit und Anhänglichkeit verbleibe Ich Ihr wohlaffektionierter König

Wilhelm. Marmor-Palais, den 10. August 1888.

Sie legen Mir in Ihrem Schreiben vom 3. d. M. mit der Klarheit und Selbstlosigkeit, die leuchtend durch Ihr ganz Leben geht, die Notwendig­

keit eines Entschlusses dar, dessen Begründung Ich ja leider nicht verkennen

darf, dessen Bedeutung aber eine so schwer wiegende ist, daß Ich Ihrem

Anträge nur teilweise entsprechen kann.

In dem Alter,

welches Gottes

gnädige Fügung Sie zur höchsten Freude Meines teuren Großvaters, zum Segen für die Armee und zum Heile des Vaterlandes bisher hat erreichen

lassen, darf Ich die unvermeidlichen Anstrengungen des

Dienstes Ihrer

Stellung nicht mehr länger von Ihnen beanspruchen — aber Ich kann

Ihren Rat nicht entbehren,

so lange Sie leben, und Ich muß Sie der

Armee erhallen, die mit dem unbegrenztesten Vertrauen auf Sie blicken wird,

so lange Gottes Wille dies gestattet.

Wenn Ich Sie daher Ihrem Anträge

entsprechend von der Stellung als Chef des Generalstabes der Armee hier-

1888.

339

dem Ausdruck des

warmen Wunsches

Sozialreform und Kolonialpolitik.

durch entbinde, so geschieht es unter

und in der Erwartung, daß Sie sich auch ferner mit den wichtigeren An­ gelegenheiten des Generalstabes in Verbindung halten und daß Sie Ihrem Nachfolger — den Ich hiernach angewiesen habe — gestatten werden, Ihren

Rat in allen Fragen von Bedeutung zu erbitten. Maße erhaltenen geistigen Frische

Bei Ihrer in so hohem

wird es Ihnen auch möglich

sein, hier­

als Präses der Landesverteidigungs-Kommission

mit die Stellung

einigen, welche Ich Ihnen hierdurch übertrage. in Gott ruhenden

fehlt den

Vaters

Kommission die Leitung ganz,

Geschäften

und eine

zu ver­

Seit der Erkrankung Meines Landesverteidigungs­

der

solche wird

immer

mehr so

sehr

wichtig, daß es Mir ganz besondere Beruhigung gewährt, sie in Ihre Hände legen zu können.

den

In betreff Ihrer

künftigen Gehaltsverhältniffe habe Ich

zur ferneren Zahlung Ihres bisherigen

Kriegsminister

Gehalts

und

ebenso auch dahin angewiesen, daß Ihnen Ihre bisherige Dienstwohnung verbleibt. Über Ihre Wünsche bezüglich Zuweisung eines persönlichen Ad­ jutanten sehe Ich Ihrer Äußerung

entgegen.

So

denke Ich

ein Dienst­

verhältnis für Sie festgestellt zu haben, in dem Sie hoffentlich noch längere Zeit segensreich

zu wirken im

stände

sein

Bestehen bleibt ja

werden.

immer der tiefe Kummer, Sie von der Stelle scheiden zu sehen, auf welcher Sie Ihren Namen

obenan

geschrieben und ihn

auf die Ruhmestafeln der

zu einem

hochgefeierten in der

preußischen Armee

ganzen Welt

gemacht

haben.

Aber die Macht der Zeit ist stärker wie die der Menschen, und ihr

müssen

auch Sie

sich beugen,

Hand gehabt haben.

der Sie

sonst überall

den Sieg

in

Ihrer

Einen besonderen Dank für alles, was Sie als Chef

des Generalstabes der Armee gethan, in dieser Stunde

in Worten

auszu­

drücken — davon trete Ich zurück. Ich kann nur auf die Geschichtsbücher der letzten 25 Jahre weisen und kann mit vollster Überzeugung aussprechen, daß Sie

als Chef des Generalstabes der Armee

denken stehen werden,

so

in

hochgeehrtestem

lange es einen deutschen Soldaten,

An­

ein deutsches

schlagendes Herz und Soldaten-Empfindung in der Welt giebt.

In hoher Wertschätzung und Dankbarkeit Ihr König

Wilhelm R. An den General-Feldmarschall Grafen von Moltke, Chef des

Generalstabes der Armee.

340

Viertes Buch. 1881—1888. Kreisau, den 10. August 1888.

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König,

Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Ew. Majestät huldvolles Handschreiben vom 9. d. M. hat mich mit innigster Dankbarkeit erfüllt.

Es macht mich glücklich, auch femer noch der

Armee angehören und derselben in der ehrenvollen Stellung dienen zu dürfen, welche Ew. Majestät die Gnade haben wollen, mir zu übertragen. In den anerkennenden Worten Ew. Majestät gnädigen Schreibens sehe

ich den höchsten Lohn für alles, was ich je habe leisten können, und ver­ harre, der weiteren Befehle gewärtig, in ehrfurchtvollster Ergebenheit und

Dankbarkeit Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allemnterthänigster Diener Graf Moltke,

Feldmarschall.

Kreisau, den 12. August 1888. Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König, Allergnädigster Kaiser, König und Herr!

Ew. Majestät haben mein allerunterthänigstes Gesuch in so huldvoller

Weise genehmigt, daß mir die Worte fehlen, um meine» innigen Dank aus­

zusprechen.

Es macht mich glücklich, Ew. Majestät in einer neuen ehren­

vollen Stellung noch ferner dienen zu dürfen, und bitte ich, mir in derselben meinen bisherigen Adjutanten, den Hauptmann von Moltke, vom General­ stab, belassen zu wollen.

Die gnädige Ordre vom 10. d. M. wird in meiner Familie als ein unschätzbares Andenken aufbewahrt werden, und in unwandelbarer Treue und

tiefster Ehrfurcht verharre ich Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allemnterthänigster Dimer Graf Moltke,

Feldmarschall.

184. Vermächtnis Kaiser Wilhelms I. a. Allerhöchster Erlaß.

Die letztwilligen Aufzeichnungen Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I., Meines in Gott mhenden Herm

341

Sozialreform und Kolonialpolitik 1888.

Großvaters,

enthüllen ein herrliches Zeugnis erhabener Seelengröße und

edlen frommen Sinnes, dessen Kenntnis Ich Meinem Bolle nicht vorent­

halten will.

Ich habe deshalb

an dem heutigen, für Mein Haus bedeuaus diesen Auf­

tnugsvollen Tage beschlossen, den beikommenden Auszug

zeichnungen bekannt zu geben, als ein Denkmal zur Ehre des Entschlafenen, als ein Vorbild für Mein Haus und für Mein Voll.

Sie haben hiernach das Weitere zu veranlassen. Potsdam, den 31. August 1888.

Wilhelm R.

An den Minister des Königlichen Hauses.

b. Auszug

aus den

letztwilligen Aufzeichnungen Sr. Majestät des

in Gott ruhenden Kaisers und

I.

Königs Wilhelm.

Koblenz, den 10. April 1857.

Im Glauben ist die Hoffnung! Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe

auf Ihn, Er wird es wohl machen!

Herr, Dein Wille geschehe int Himmel wie auf Erden! —

Wenn diese Schrift in die Hände der Meinigen fällt, gehöre ich zu den Abgeschiedenen! Möchte

es

mir vergönnt

sein,

in

meinen

letzten Lebens-Stunden,

meinen Geist den Händen meines Gottes zu emfehlen! Möchte es mir vergönnt sein, von meinen Teueren, mich Ueberlebenden, Abschied nehmen zu können!

Sollte ein jäher Tod mich

ereilen, so möge mein ganzes Leben eine

Vorbereitung für das Jenseits gewesen sein! Möge Gott mir ein barmherziger Richter sein! Ein viel bewegtes Leben liegt hinter mir!

Nach Gottes unerforschlicher Fügung haben Leid und Freude in stetem Wechsel mich begleitet.

Die schweren Verhältnisse, die ich in meiner Kind­

heit über das Vaterland einbrechen sah, der so

geßlichen teuren geliebten Mutter,

Ernst.

frühe Verlust der unver­

erfüllte von früh

an mein Herz mit

Die Teilnahme an der Erhebung des Vaterlandes war der erste

Lichtpunkt für mein Leben.

342

Viertes Buch. 1881—1888.

Wie kann ich danken,

Heeres!

er

zu

heißgeliebten König

und

Vater

genugsam

teil nehmen ließ an der Ehre und dem Ruhm des

seinem

Gnade

seiner

Führung, Liebe,

Seiner

mir bis

es meinem

er mich

daß

danke ich ja

erwies!

Tode vertrauensvoll

alles, was

Die treuste Pflicht­

war meine Aufgabe in liebender Dankbarkeit, sie war mein Glück.

erfüllung

Dem Könige, meinem Bruder, der mir zugleich vertrauensvoller Freund ist, kann ich nie hinreichend für diese Stellung zu ihm dankbar sein! Wir haben schöne,

aber auch schwere Zeiten zusammen

durchlebt,

die

uns aber nur immer enger verbunden haben, vor allem die jüngsten Jahre,

wo Verrat und Irrungen das teure Vaterland dem Abgrund nahe brachten, Gnade und

seiner

land

seinem Vertrauen danke ich

auf seinen Befehl Ordnung

es,

ich

daß

in Deutsch­

und Zucht herstellen konnte, nachdem Er

im eigenen Lande dies Beispiel gegeben hatte.

Alle, die mit mir durch Freundschaft und Wohlwollen in Verbindung

traten, — und ihre Zahl ist nach Gottes Weisheit nicht gering gewesen, — finden

hier

heißen Dank und

meinen

Liebe, mit der sie mir begegneten.

den letzten Dank für ihre

zugleich

Viele sind mir in das Jenseits voran­

gegangen — wie wird unser Wiedersehen sein?

Du

Allmächtiger! hienieden Teueres

meine

kennst

und Schmerzliches

Dankbarkeit

begegnete!

für

alles,

was mir

In Deine Hände befehle

Amen!

ich meinen Geist!!

Wilhelm.

Berlin, den 31. Dezember 1866.

II. Seitdem

ich

am 10. April

Hinterlassenden niederschrieb,

griffen.

Die Vorsehung

1857

meinen Abschiedsgruß meinen zu

hat das Schicksal mächtig in mein Leben ein­

bestimmte

in

einer ungeahnten Weise über

die

letzten Lebensjahre meines teuren Bruders und berief mich noch bei seinem Leben Bruder

zu

seinem

Nachfolger.

von seinem

der Väter

Gott

den

Gegen meine Neigung

besteigen.

tiefster Demut,

Als

um Preußen

mit seinen

gewissenhafte Ueberzeugung

schweren Kämpfen,

die

König

und

mußte ich den Thron

schritt ich

zur Krönung,

in

neuen Institutionen die irdische

Macht zu vergegenwärtigen, die zu dessen Heil meine

vielgeprüften

schweren Leiden gnädig erlöste,

hat mich

fest bestehen

geleitet und

müsse.

Diese

gestählt in

ich mit jenen neuen Institutionen Jahre lang

den

zu

bestehen hatte.

Diese Kämpfe haben mich tief erschüttert, weil ich Stand halten mußte gegen ein wirres Andrängen

gegen jene irdische Macht,

die ich nicht aus

343

Sozialresorm und Kolomalpolitik. 1888.

-en Händen geben durfte, werden sollte.

Ich vergebe allen,

die wiffentlich und unwissentlich

sich

Absichten zum Wohle

des

begründeten

meinen auf Gewissensüberzeugung

Vaterlandes

nicht aufgegeben

wenn Preußens Geschichte

entgegensetzten, um die

Macht der Krone zu schmälem und

die Herzen der Preußen derselben zu entfremden. Vergessen mögen

meine

Nachkommen

es

aber

nicht, daß

Zeiten

möglich waren, wie die von 1861 — 66!

In dem Jahre, welches heute schließt, hat sich Gottes Gnade in einer Art über Preußen ergossen, die für so viel Erduldetes reichlich entschädigt.

In Demut erkenne ich diese

göttliche Gnade, die mich ausersehen hat, in

meinem vorgerückten Alter eine Wendung der Verhältnisse herbeizuführen,

die zum Heil des engeren und weiteren Vaterlandes bestimmt zu sein scheint.

Das Werkzeug so Großes zu erreichen, die Armee, steht unübertroffen in diesem Augenblick vor der Welt. druck der Gesittung, die

Der Geist, der sie beseelt,

ist der Aus­

eine sorgliche Hand meiner erhabenen Vorfahren Die Armee

der Nation anerzogen hat.

finde in allen ihren Teilen in

dieser ernsten Scheidestunde des Jahres meinen Herzensdank für die Hin­ gebung und Aufopferung, mit der sie meinem Rufe folgte und vor meinen

Augen siegte —

ein Erlebnis, für das ich Gott meinen demütigen Dank

stammle! Aber ganz Preußen finde hier meinen Königlichen Dank für die Ge­ sinnung, die es in diesem denkwürdigen Jahre an den Tag legte!

Wo solche Vaterlandsliebe sich

handen,

der

Nationen groß macht,

zeigt, da ist der gesunde Sinn und darum

segnet

vor­

sie Gott sichtlich!

meinen heißesten Dank finden alle hier, die mir halfen durch schwere Zeiten

zu dem Lichtpunkte dieses Jahres zu gelangen! Möge

Gottes Segen

immer

auf Preußen

ruhen

und Preußen sich

dieses Segens würdig zeigen!

Möge mein

Sohn

und

seine Nachkommen

solches

Volk und solche

Armee um sich sehen, und durch besonnenes, zeitgemäßes Fortschreiten, das Wohl und Gedeihen beider sorglich fördern und Preußen die Stellung

sichern, die ihm von der Vorsehung sichtlich angewiesen ist!

Das walte Gott in Seiner Gnade!!!

Mitternacht 66—67.

Wilhelm.

344

Viertes Buch. 1881—1888. 81. Dezember 1871.

HL

1870—1871.

Gott war mit uns! Ihm sei Lob, Preis, Ehre, Dank!

Ms

ich

am Schluß des Jahres

1866

mit Dank erfülltem Herzen

Gottes Gnade dankend preisen durste für so unerwartet glorreiche Ereignisse,

die sich

zum Heile Preußens

Einigung Deutschlands nach

gestalteten

und den Anfang zu

einer Neu-

sich zogen, mußte ich glauben, daß das von

Gott mir aufgetragene Tagewerk

vollbracht sei, und ich dasselbe

Ruhe und

Frieden

dereinst meinem

hinterlaffen

würde, voraussehend, daß ihm

fortbildend,

Sohne

Glück

nun

in

bringend

es beschieden sein werde, die

südliche Hälfte Deutschlands mit der nördlichen zu einem Ganzen zu einen.

Aber nach Gottes unerforschlichem Ratschluß sollte ich berufen werden, selbst noch diese Einigung herbeizuführen, wie sie sich nach dem von Frank­

reich

auf das

frivolste

herbeigeführten

ebenso

7 monatlichen Kriege — nunmehr darstellt!

glorreichen

als

Mutigen

Wenn je in der Geschichte sich

Gottes Finger sichtlich gezeigt hat, so ist dies in den Jahren 1866, 1870

und 1871 geschehen. Der deutsch-französische Krieg, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel herabfiel, einte ganz Deutschland in wenigen Tagen, und seine Heere schritten

von Sieg zu Sieg und erkämpften mit schmerzlichen Opfern Ereignisse, die nur durch Gottes Willen möglich waren.

Dieser Wille stellte mir Männer

zur Seite, um so Großes vollbringen zu sollen.

Dieser Wille stähtte die

Gesinnung der Kämpfenden in Hingebung und Ausdauer kannter Tapferkeit, so

bündeten sich unvergänglicher Ruhm und neue Ehre knüpfte. begeisterte das

und nie

ge­

daß an Preußens Fahnen und an die seiner Ver­

Dieser Wille

Volk zu nie gekannter Opferwilligkeit, zur Linderung der

Leiden, die der Krieg unvermeidlich schlägt! Mü demütig dankerfülltem Herzen preise ich Gottes Gnade, die uns

würdig befunden hat, so Großes nach seinem Willen vollbringen zu sollen!

Möge diese Gnade ferner uns zur Seite stehen beim Auf- und Ausbau des .neu geeinten Deutschlands,

zu dem erst der Grund gelegt ist und Frieden

Sozialreform und Kolonialpolitik. 1888. uns

beschieden

sein

345 die in blutigen,

„die Güter in Demut zu genießen",

heißen Kämpfen errungen wurden!! —

Herr Dein Wille geschehe im Himmel, also auch auf Erden!!!

Amen!

Wilhelm.

Berlin, den 31. Dezember 1878,

IV.

’/a 11 Uhr Abends.

Es gehet ein Jahr zu Ende, welches

sein sollte!

Ereignisse

von

für mich ein

erschütternder Art trafen

verhängnisvolles

mich

am 11. Mai

und am 2. Juni!

Die körperlichen Leiden traten zurück gegen den Schmerz, daß preußische Landeskinder eine That vollbrachten, die

doppelt schwer zu

überwinden

am

Schluß

meiner Lebenslage

war und mein Herz und Gemüt für

Rest meiner Tage finster erscheinen

lassen!

Doch muß ich

den

mich ergeben

in den Willen Gottes, der dies alles zuließ, aber zugleich seine Gnade und

Barmherzigkeit walten ließ, da Er mir nicht nur das Leben erhielt, sondern mich in

einer Weise gesunden ließ, die mich zu

wieder fähig machte. ich

zugleich

meinen Berufsgeschäften

So preise ich Gott für diese Seine Führung, in der

erkenne,

eine Mahnung

mich

Richterstuhl des Allmächtigen erscheinen soll!

zu Prüfen,

ehe

ich

vor

dem

Daher erkenne ich in den so

sichtbar gewordenen Ereignissen eine gnadenvolle Führung Gottes, die zum Guten führen soll, wie alles, was von Ihm in Leid und Freude uns trifft.

Darum preise ich die Vorsehung für ablaufenden Jahres.

die schmerzensvollen Ereignisse des

Sie haben mir aber auch Erhebendes gebracht, durch

'.die Teilnahme, welche mir von allen Seiten zu teil wurde.

Zunächst

findet hier meine Gemahlin meinen heißen Dank für ihre

'Liebe und Teilnahme,

die sie mir, selbst leidend, schenkte, demnächst meine

'.Tochter, die mit kindlicher Liebe mich Pflegte und mir so wohl that.

Alle

'.Familienglieder nah und fern finden hier meinen liebevollen Dank für alles,

;was sie mir Teilnehmendes

in der Schmerzenszeit bewiesen.

Allen denen,

>die in so überraschender Weise meiner gedachten, gebührt hier mein inniger

Dank.

Und woher kam diese Teilnahme?

Von wo anders als vom All-

^mächtigen, dessen Führung es wollte, daß ich in der Welt so gestellt ward, .daß Seine Gnade sich jedermann einprägte, die über mir waltete.

Und in

ibiefer Waltung erkenne ich wiederum Seine Liebe und Barmherzigkeit, daß Er

:mich ausrüstete, Seinen Willen hier auf Erden zu vollführen und Er mich mnd mein Volk würdig

fand,

das übertragene Pfund zu verwalten.

Also

346

Viertes Buch.

1881—1888.

was mir von Menschen

wiederum nur Gottes Gnade preise ich in allem,

in der Leidenszeit Gutes zu teil ward.

Aber nicht bloß in dieser Leidenszeit

zeigte sich diese Teilnahme, sondem jederzeit habe ich dieselbe in einem Maße empfangen,

die

weit über das Verdienst

Pfund verwalten konnte.

übersehen

wollen;

ging,

mit dem ich jenes

Die Menschen haben meine Schwächen und Fehler

aber Der,

welcher sie kennt,

barmherziger Richter sein, wo ich

wolle mir dereinst

ein

die Lehren und Weisungen des Einge­

borenen Sohnes des Himmlischen Vaters nicht achtete! Herr Dein Wille geschehe im Himmel also auch auf Erden! Im Glauben dahin!

ist

die Hoffnung, und die himmlische Liebe der Weg

Amen!

Wilhelm.

Berichtigung. Seite 3 Überschrift lies: Dienstag, den 9. November 1858.

Druck von Oskar Bonde in Altenburg.