Wörlitz, Weimar, Muskau: Der Landschaftsgarten als Medium des Hochadels (1760-1840) 9783412218515, 9783412224813


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Wörlitz, Weimar, Muskau: Der Landschaftsgarten als Medium des Hochadels (1760-1840)
 9783412218515, 9783412224813

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Ina Mittelstädt

WÖRLITZ WEIMAR MUSKAU  

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Der Landschaftsgarten als Medium des Hochadels (1760 –1840)

2015

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung : Karl Kunz, Wilhelm Friedrich Schlotterbeck: Das Pantheon. Aquatinta, koloriert (1799). Österreichische Nationalbibliothek (Inventarnr. KAR0501679). © 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie , Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1 , D-50668 Köln , www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Patricia Simon, Langerwehe Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-22481-3

Inhalt

1. Einleitendes

  .. .................................................................................. 

1.1 Welchen Sinn haben Landschaftsgärten?  . . ...................................  1.2 Zum bisherigen Forschungs- und Erkenntnisstand  . . ...................  Zur Garten- und Adelsgeschichte  . . ..............................................  Zu den hier untersuchten Gärten und ihren Schöpfern  ..............  Zum Wörlitzer Park und zum Dessauer Fürsten  .......................  Zum Weimarer Ilmpark, zum Weimarer Herzog, zu Goethe und Bertuch  ............................................................  Zum Muskauer Park und Fürsten  ............................................  1.3 Quellen  . . ......................................................................................  Zur Quellenlage  ..........................................................................  Zum Umgang mit den Quellen  .. .................................................  1.4 Hintergründe  .. .............................................................................  Der Landschaftsgarten als Projektionsfläche für bürgerliche Utopien  ...............................................................  Der Landschaftsgarten als Repräsentationskunst  . . .......................  1.5 Der Landschaftsgarten als Medium: methodisch-theoretische Vorüberlegungen  .. ................................ 

9 9 17 17 22 22 24 25 27 27 31 32 32 39 44

2. Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und sein Wörlitzer Park  .....................................................................  49 2.1 Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 – 1817): ein aufgeklärter ‚Landesvater‘  ......................................................  49 Anhalt-Dessau?  ............................................................................  49 Das Werden eines aufgeklärten Fürsten  . . .....................................  51 Prägung durch den Philanthropismus  .........................................  56 ‚Vater seiner Kinder‘: das Herrschaftskonzept des Fürsten  ..........  66 2.2 Der Park des ‚Landesvaters‘  .........................................................  79 Sinnvolles Werk oder beliebiges Konglomerat?  ...........................  79

Orientierung am vitruvianisch-palladianischen Architekturverständnis  ................................................................  81 Der Wörlitzer Park als ikonografisch gestaltetes Werk  . . ...............  85 Der Wörlitzer Park als Ort der Inszenierung des fürstlichen Weltbilds  .. ............................................................  91 2.3 Einzelne Sinnebenen im Wörlitzer Park  ...................................... 101

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Inhalt

„Einigkeit und Ruhe“: das Ideal der ‚Landesfamilie‘  ................... 101 Der Wörlitzer Park als Rechtfertigung der „bösen Lust“ des Fürsten  .................................................................................. 114 Römer und Germanen: Inszenierungen von Genealogien  .. ......... 123 Tod und Geschichte: die Weltsicht des Fürsten  .. ......................... 128 Aufgeklärte Apotheose? Anlehnungen an Herders Geschichtsphilosophie  ................................................................. 137 2.4 Rezeptionslinien  .......................................................................... 143 Die Konjunkturen der öffentlichen Meinung zum Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘  . . .......................................... 143 Hintergründe für die zunehmende Ablehnung des ‚Gartenreiches‘ nach 1800.................................................... 151 Das Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ und die bayerische Denkmallandschaft  .. .................................................................... 154 2.5 Zwischenfazit  . . ............................................................................. 157 Abbildungen  ............................................................................................ 161 3. Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und sein Park an der Ilm  . . .................................................................. 193

3.1 Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757 – 1828): der Fürst der Weimarer Musen  . . .................................................. 193 Der Fürst und der Park der Weimarer Klassik? Einleitende Bemerkungen  ........................................................... 193 „…einen jungen Souverain bilden“: Carl Augusts philanthropistische Erziehung  . . .............................. 197 „…in allem und vor allem Mensch“: Entfernung von der traditionellen Fürstenrolle  ........................... 201 „Regieren!!“: Notwendigkeit der Vermittlung von Selbst und Rolle  . . .................................................................. 209 3.2 Entstehungs- und Sinngeschichte des Ilmparks  .. ......................... 220 „Unendlich schön“: das Ilmtal als Lebensort für ‚ganze Menschen‘  ............................ 220 Die Schaffung eines Parks im Ilmtal seit 1782. . ............................. 233 Vom Ilmtal zum Ilmpark  . . ....................................................... 233 Neugotische Staffagen: Stimmungsarchitektur oder ikonografische Inszenierung?  ............................................. 237

Inhalt

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Die Entwicklung des Ilmparks seit 1787....................................... 243 Goethes Beteiligung und Kritik an der Gestaltung des Ilmparks  ... 243 Friedrich Justin Bertuch und der Park als ‚Wirtschaftsfaktor‘  ..... 249 Der Nutzen des Ilmparks für Carl Augusts Interessen  ................ 256 3.3 Rezeptionslinien  .......................................................................... 262 Der Ilmpark als ‚klassischer‘ Landschaftsgarten und als Park der Klassiker  . . .......................................................... 262 Karl Ludwig von Knebel und die Desillusionierung der ‚gartenrevolutionären‘ Utopie  .. .............................................. 269 3.4 Zwischenfazit  . . ............................................................................. 274 4. Hermann von Pückler-Muskau und sein Muskauer Park  ................ 279

4.1 Hermann von Pückler-Muskau (1785 – 1871): ein Adeliger im bürgerlichen Zeitalter  . . ....................................... 279 Park und Persönlichkeit: einleitende Bemerkungen  .................... 279 Pücklers Erziehung zwischen Aufklärung und adeliger Tradition  ... 288 Pücklers adeliger Lebensentwurf  ................................................. 298 Der Misserfolg von Pücklers traditioneller adeliger Arrivierungsstrategie  .. ..................................................... 306 4.2 Pücklers Erfolg als Schriftsteller: der Adelige in der Literatur  ..... 315 Der überwältigende Erfolg der Briefe eines Verstorbenen  .............. 315 Lob und Kritik für die ‚Adeligkeit‘ von Pücklers Literatur  . . ........ 320 Karl August Varnhagen von Ense: Pücklers ‚förderlicher‘ Adel  ... 325 Heinrich Laube: Pücklers ‚moderner‘ Adel  . . .............................. 333 Wolfgang Menzel: der ‚heitere Fürst‘ als Gegenbild zum ‚finstern Republikaner‘  ..................................................... 339 Der Muskauer Park als Rechtfertigung des publizistischen Engagements für Pückler  ............................................................. 341 4.3 Pücklers Erfolg als Gartenkünstler: Konzepte eines Sinns von Gartenkunst jenseits von traditioneller Repräsentation und Wirkungsästhetik  ........................................................................ 344 Der legitimatorische Sinn: Pücklers große Leistung  .................... 344 Der bürgerliche Sinn: Gartenkunst als nützliche und werteorientierte Arbeit  . . .............. 350 Gartenkunst als Beruf  . . ............................................................ 350 Der Nutzen der Schönheit: Pücklers Anleihen an Carl Friedrich von Rumohrs Deutschen Denkwürdigkeiten  .. .. 352 Der geschichtsphilosophische Sinn: Gartenkunst als Element des ‚richtigen‘ Fortschritts  ........................................................... 361

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Inhalt

Der opportune Sinn: Pücklers projektionsaffine Selbstinszenierung  ............................. 367 4.4 Der Muskauer Park und seine Botschaften  .. ................................ 372 Muskau als ‚Programmgarten‘  ..................................................... 372 Das ursprüngliche ‚Programm‘: moderner Adel  ......................... 376 Gegen das Vergessen von Pücklers Deutungsrahmen und ‚Programm‘  ...................................................................... 378 Das bleibende ‚Programm‘: Die literarisch inszenierte Figur Pückler  . . .................................................................................. 380 Der Muskauer Park als Teil von und Erinnerungsort für Pücklers ‚Lebenskunst‘  ........................................................... 383 4.5 Zwischenfazit  . . ............................................................................. 391 5. Schluss  . . .............................................................................................. 395

5.1 Fazit: der Landschaftsgarten als adeliges Medium im Umbruch und Abstieg  ................................................................................. 395 5.2 Die Macht von Illusionen  ........................................................... 402 5.3 Abschließendes  ............................................................................ 409

6. Dank  ................................................................................................... 411 7. Anhang  ............................................................................................... 413 Zitierte Archivbestände  ....................................................................... 413

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau (LHASA, DE, Abt. Dessau)  ......................................................... 413 Anhaltische Landesbücherei, Wissenschaftliche Bibliothek und Sondersammlung, Abteilung Stadtbibliothek Dessau  .......... 414 Stiftung Weimarer Klassik: Goethe- und Schiller-Archiv Weimar (GSA)  ............................................................................. 414 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Gsta PK)  ........ 414 Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek  .................................................................................... 414 Verwendete Literatur  . . ......................................................................... 415 Internetseiten  ...................................................................................... 467 Abbildungsnachweis  . . .......................................................................... 468

Personenregister  ..................................................................................... 469

1. Einleitendes 1.1 Welchen Sinn haben Landschaftsgärten? Wörlitz, Weimar und Muskau gehören zu den schönsten Landschaftsgärten in Deutschland. Wer um den Wörlitzer See streift, wird sich kaum der wunder­ baren Wirkung der so geschickt platzierten Tempelchen und Nymphen, ­Brücken und Felsengebilde entziehen können, die durch das Spiel des Lichts im Wasser und in den so vielfältigen Gewächsen noch erhöht wird. Im Weima­rer Ilmpark lässt sich für den belesenen Besucher leicht der Zauber der Vergangenheit spüren, das Leben der Weimarer Ausnahmepersön­lichkeiten nacherleben, das sich eben auch hier abgespielt hat und das bis heute so sehr zu berühren und inspirieren vermag. Der Muskauer Park schließ­lich beeindruckt als großer Wurf, als Meister­werk des herausragenden und einzigartigen Pückler, als sein Lebenswerk, das sich kilometerweit hinzieht und eine ganze Landschaft ästhetisch geformt hat. Doch warum wurden diese Parks angelegt? Oft wird in Antworten auf diese Frage auf Idealismus, Selbstlosigkeit und ästhetisches Wollen der Schöpfer der Gärten verwiesen. Ausgangspunkt dieser Studie war der Eindruck, dass diese Antwort zu wenig erklärt, dass mehr in diesen mit so viel Aufwand und sicher auch Leidenschaft angelegten Gärten stecken müsse. Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau hat sich immerhin über 45 Jahre seines Lebens der Anlage des Wörlitzer Parks gewidmet; Carl August von Sachsen-Weimar-­Eisenach hat einen Park dort angelegt, wo er zuvor mit seinen bürger­lichen Freunden glück­ liche Ausflüge in die Natur genossen hatte (was danach nicht mehr mög­lich war), und Hermann von Pückler-Muskau haben die Kosten für seinen Park fast in den Ruin getrieben. Vielleicht spricht das tatsäch­lich für eine tiefe und ganz irrationale Liebe zur Gärtnerei; vielleicht haben die drei Fürsten aber auch andere Ziele verfolgt, die plausibler ihr großes Engagement für Gärten erklären – immerhin eine etwas banale Beschäftigung, wenn man eigent­lich ein Land oder eine Standesherrschaft zu regieren hat. Zudem hatte ich den Verdacht, dass ich die Gärten nicht richtig ‚verstehe‘, dass sie einen Sinn haben, der sich mir nicht erschließt und über den ich zunächst nichts Aufschlussreiches in der Literatur fand. Zweifellos spielt dabei der „Deutungswahn“ 1 der Literaturwissenschaftlerin eine Rolle,



1 Assmann 1996, S. 535.

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Einleitendes

aber er hat sich in d ­ iesem Fall als fruchtbar erwiesen. Die Erkenntnisse dieser Studie lassen sich ganz grob zusammenfassen: Die drei Gärten wurden nicht nur aus einem Willen zur Schönheit oder Unterhaltung angelegt. Sie sind ein Medium bzw. eine Konserve für eine Reihe von zutiefst persön­lichen Themen, die drei ‚kleine‘ Fürsten bewegt haben während eines der größten Umbrüche, die der Adel in Europa erlebt hat. Die Aufklärung mit ihrer Kritik der Traditionen hat auch im Hochadel neue Identitäts- und Lebensentwürfe herausgefordert, auf neue Herrschaftskonzepte gedrungen und vor allem neue Erklärungsweisen einer eben allein auf Tradition – näm­lich Geburt – beruhenden privilegierten Position notwendig gemacht. Landschaftsgärten haben dabei, aus einer ganz spezifischen historischen Konstellation heraus, eine wichtige, wenn nicht zentrale Rolle gespielt. Wie genau, ist jedoch noch weitgehend unklar (und wird hier sehr genau beleuchtet werden). Bekannt ist ledig­lich, w ­ elchen Sinn aufklärerische Bürger­liche im 18. Jahrhundert in Landschaftsgärten sahen. So heißt es etwa in Christian Cay ­Laurenz ­Hirschfelds Theorie der Gartenkunst, der einflussreichsten deutschsprachigen Garten­schrift des 18. Jahrhunderts, über die „Bestimmung und Würde der G ­ ärten“:2 Gärten sind die Plätze, auf ­welchen der Mensch alle Vortheile des Landlebens, alle Annehm­lichkeiten der Jahreszeiten mit Bequem­lichkeit, mit Ruhe genießen kann. So viel Vortheile und Ergötzungen die Natur ihrem empfindsamen Freunde aufbewahret, so viel kann er in dem Umfang eines ausgebreiteten, wohl angelegten Gartens finden.

Es mag verwundern, dass Hirschfeld für seine Erklärung, wie man einen Garten anlegt, der die „Vortheile und Ergötzungen“ der Natur bietet, über 1300 Seiten (in fünf Bänden) geschrieben hat. Warum brauchten er und seine zahlreichen gartenbegeisterten Zeitgenossen einen Garten, wenn sie in der Natur sein wollten? Dass Gärten mehr „Bequem­lichkeit“ und „Ruhe“ für den Naturgenuss bieten, scheint hier nur eine ungenügende Erklärung. In der Tat ging es Hirschfeld auch gar nicht um allgemeinen Naturgenuss, sondern um das Erleben bestimmter Empfindungen, wie sie etwa von einem düsteren Waldweg, einer freund­lichen Blumenwiese, einem weiten See oder einem Wasserfall ausgelöst werden. In der ‚freien‘ Natur sind s­olche Empfindungsauslöser weit verstreut; in einem Garten können sie dagegen an einem



2 Hirschfeld 1779/1, S. 154.

Einleitendes

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Ort versammelt werden, der so in kurzer Zeit viele verschiedene Empfindungen ermög­licht. Von regelmäßigem Stimulieren des Empfindens versprachen sich die Aufklärer der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Kultivierung des Empfindungsvermögens – und über diesen Zwischenschritt nichts weniger als die Verbesserung des Menschen.3 Der Landschaftsgarten galt dabei sowohl als Prüfstein wie als Instrument für die sitt­liche Vervollkommnung: „Nur ein gutes Herz genießt die Freuden der Natur“, heißt es etwa in einem 1788 erschienenen Text.4 In ihm wird gefordert, dass die „Liebe zu den Gegenständen der Natur“ und insbesondere zu den Gärten „aufgemuntert und in einem untergeordneten Grade genährt werden“ soll, weil sie ein „Bewahrungsmittel der Unschuld“ sei und einen Genuss gewähre, „der sich an Art und Grade den Seligkeiten des Paradieses nähert“. Entsprechend groß war die Faszination, die in dieser Zeit vom Garten – genauer: vom naturnahen Landschaftsgarten – ausging. In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts erschienen so viele Texte, die sich mit Gärten und der Gartenkunst auseinandersetzten, dass sogar von einem eigenen Genre, der Gartenliteratur, gesprochen werden kann.5 Der Garten wurde zu einem Topos, mit dem unterschied­liche Probleme erörtert werden konnten, wie Ana-Stanca Tabarasi zusammenfasst: „Erziehungsfragen (vom Wickeln der Kleinkinder bis zum Ideal der ‚negativen Erziehung‘ rousseauistischer Prägung), Geschlechterrollen (Frauenideal und -mode sowie das sexuelle Selbstverständnis des Mannes), Politisches (die Frage, wer in ­welcher Form regieren soll, das Verhältnis zwischen Herr und Knecht, die Rechte der Untertanen), Ästhetisches (die Beziehungen zwischen Natur und Kunst), das Verhältnis zwischen Gott, dem Menschen und der übrigen Schöpfung, die Vision eines irdischen Paradieses“.6 Kinder wurden als Bäume und ihre Erziehung als Gärtnerei beschrieben, Sexualität als pflanz­liche Fruchtbarkeit und ein gut regiertes Volk als ein Garten, in dem die





3 Vgl. dazu etwa eine Schrift des einflussreichen Aufklärers Joachim Heinrich Campe über Die Empfindungs- und Erkenntnißkraft der mensch­lichen Seele, in der er postuliert, dass die Empfindungen „die einzigen Triebfedern unserer äusser­lichen Thätigkeit“ seien, und dass „die höchstmög­liche Vervollkommnung der mensch­lichen Natur nur durch eine verhältnißmäßige Cultur beyder Hauptvermögen unserer Seele, der Erkenntniß- und der Empfindungskraft, bewerkstelliget werden könne“. (Campe 1776a, S. 63 und 117). Vgl. zu dieser Idee Trotha 1999, Kap. 2; Gamper 1998, S. 37 ff.; Tausch 2006, S. 171 f. 4 Anonym 1788b. 5 Vgl. zum Begriff der ‚Gartenliteratur‘ Gamper 1998, S. 1. 6 Tabarasi 2007, S. 10.

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Einleitendes

Bäume nicht einförmig nebeneinanderstehen, sondern in dem ‚Mannigfaltigkeit‘ das Grundprinzip sei.7 Die in der Gartenliteratur entwickelte Vision vom Landschaftsgarten ist, so Michael Gamper, als „eines der letzten Projekte zur Verbesserung der Menschheit“ zu verstehen, „das die äußere Natur als treibendes Prinzip verstanden hat und nicht als zu be­schützendes Reservat, das von gesellschaft­licher Entfremdung heilen soll“.8 Viele der von Tabarasi genannten Themen betreffen scheinbar nur zwischenmensch­liche oder philosophische Probleme. Doch die Vorstellungen von einer richtigen Erziehung, der gött­lichen Weltordnung oder von einem irdischen Paradies haben auch einen politischen Charakter. In allen Bereichen wurde eine Veränderung ersehnt, und es ist kein Zufall, dass der Stilwandel vom formalen Garten franzö­sischer Prägung zum Landschaftsgarten in der zeitgenös­sischen Gartenliteratur ausgerechnet als „Revolution“, also mit einer Metapher aus dem politischen Bereich, beschrieben wurde.9 Allerdings finden sich nur selten explizit politische Äußerungen wie etwa Joseph Rückerts Postulat, dass die Natur (und mit ihr der Landschaftsgarten) „republikanisch“ sei.10 Die meisten ‚Gartenrevolutionäre‘ wollten keinen gewalttätigen Umsturz, sondern einen sanften Wandel der Regierungen wie der gesamten Gesellschaft. Eine Abschaffung der Fürstenherrschaft wurde nicht gefordert, ledig­lich die Verbesserung der Fürsten, durch die mittelbar eine gerechte und durchlässige Gesellschaftsordnung entstehen sollte. Diese Verbesserung sollte unter anderem von der Natur im Landschaftsgarten bewirkt werden – wobei 7 Vgl. hier Kap. 2.1. 8 Gamper 1998, S. 1. 9 Vgl. Hirschfeld 1779/1, S. 121: „End­lich erhob sich ein neuer Geschmack in den Gärten, der engländische, der dem franzö­sischen fast ganz entgegengesetzt ist. Merkwürdig ist es, daß diese Revolution gerade aus einem Lande ausgehen mußte, worin, selbst nach dem Geständnisse der Nation, die übrigen schönen Künste […] noch wenig Ausbildung gewonnen hatten.“ Ebs. ebd., S. 125. Unter dem Begriff ‚Revolution‘ wurde frei­lich schon im 18. Jahrhundert eine politische Umwälzung verstanden. So heißt es 1742 in Zedlers Universal-Lexicon, er meine „eine sonder­ liche Änderung im Regiment und Policey-Wesen“, und obwohl Adelung in seinem Wörterbuch aus den 1790er-Jahren verallgemeinernd jede „gänz­liche Veränderung in dem Laufe oder der Verbindung der Dinge“ darunter fasst, hebt er besonders „die gänz­liche Veränderung in der Verfassung eines Reiches“ hervor und nennt als Beispiele, dass „eine Monarchie in eine Republik, diese in eine Monarchie verwandelt, die Erbfolge auf eine gewaltthätige Art verändert wird“ (Zedler 1742, Sp. 954; Adelung 1798, Sp. 1096). 10 Rückert 1800, S. 15 f.

Einleitendes

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nirgends die Aporie reflektiert wird, dass die Fürsten das Mittel zu ihrer Verbesserung selbst schaffen sollten, da kaum ein anderer im 18. Jahrhundert in Deutschland genügend Landbesitz und Ressourcen dazu hatte.11 Dass Fürsten mit der Anlage von Gärten andere Vorstellungen verbinden könnten, wurde nicht in Betracht gezogen. Wenn sie Landschaftsgärten schufen, wurde es ihnen fast immer als Erfüllung der gartenutopischen Wünsche ausgelegt. So heißt es beispielsweise in einem anonym erschienenen Reise­bericht von 1792 über den Wörlitzer Park:12 Es erweckt dieser Lustort ganz andere Empfindungen, als jene blinde Bewunderung, ­ elche gemeinhin die überhäufte Pracht fürst­licher Verschwendung bei ähn­lichen Anlaw gen zu beabsichtigen pflegt. Wenn dort das Auge vor Glanz verblindet, so findet sich hier in ­diesem der stillen länd­lichen Ruhe gewidmeten Tempe das Herz von Gefühlen durchdrungen, deren Erregung der ahndende Geist seines Erlauchten Stifters bei der Anlage eben so weise als gütig sich zum Zweck gemacht hat.

Ob Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, der Besitzer des ­Wörlitzer Parks, jedoch tatsäch­lich auf die Repräsentation seiner Stellung verzichtet hat und nur auf die „Erregung“ von Gefühlen abzielte mit seinem Park, kann zumindest gefragt werden.13 Wie zu sehen sein wird, kann nicht nur „die überhäufte Pracht fürst­licher Verschwendung“ Status repräsentieren.

11 Vgl. hier Kap. 1.4. Zwar wurden Bürger­liche ermutigt, sich Gärten zu schaffen; zur Grundbedingung für einen Landschaftsgarten wird jedoch im Allgemeinen eine große Ausdehnung erklärt. So heißt es in Hirschfelds Theorie zum Thema Größe: „Ausgedehnt aber muß jedes zu einem guten Garten bestimmte Revier seyn, damit die verschiedenen Auftritte nicht über einander gehäuft werden, sondern sich allmählig folgen, und die Bewegungen nicht verwirren, sondern sie nach und nach in einer harmonisch fortschreitenden Reihe hervorbringen.“ (Hirschfeld 1780/2, S. 6). Für Hausgärten empfiehlt er wegen ihres beengten Platzes eine symmetrische Gestaltung, weil in ihnen ohnehin keine „Mannigfaltigkeit der Scenen“ zu realisieren sei (vgl. ebd. 1779/1, S. 140). Ähn­ liches ist in einem Aufsatz von Joseph Friedrich Freiherr von Racknitz zu lesen: „Soll aber ein Eng­lischer Garten nichts anders als eine verschönerte Landschaft sein; so ist es lächer­lich zu glauben, daß ein kleiner Raum durch Anlegung einer krummen Gänge, in denen etwa ein paar Monumente und ein Tempel stehen, in einen Eng­lischen ­Garten umgeschaffen wird. Denn eine verschönerte Landschaft läßt sich in einem kleinen Raume weder denken, noch darin einschließen.“ (Racknitz 1793, S. 92). 12 Anonym 1792, Sp. 461. 13 Vgl. zum Begriff der Repräsentation als historische Form ­sozialer Distinktion durch kulturelle Mittel Schmitz 2002.

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Einleitendes

Die meisten deutschen Gartenschöpfer kannten zwar die Schriften H ­ irschfelds und andere Gartenliteratur, aber ob sie die dahinterstehenden gesellschaft­lichen und politischen Vorstellungen teilten, ist frag­lich. Einige der Fürsten, die Landschaftsgärten angelegt haben, haben sich deut­lich darum bemüht, gute Herrscher zu sein, aber in wichtigen Details haben sie unter guter Herrschaft etwas anderes verstanden als die Autoren von Gartenliteratur. Metaphern bieten Interpreta­ tionsspielraum – diese Studie zeichnet nach, wie die Ungenauigkeit der Kommunikation über Gärten und Gartenmetaphern dazu geführt hat, dass Fürsten im Namen der ‚gartenrevolutionären‘ Gesellschaftsutopie Herrschaftsentwürfe und Privilegien sichern konnten, die den freiheit­lichen Ideen der meisten Anhänger des Landschaftsgartens grundlegend widersprachen. Damit entwickelt diese Studie einen anderen als den sonst üb­lichen Blick auf die Geschichte des Landschaftsgartens. Sie versteht Landschaftsgärtnerei um 1800 nicht als nur ästhetisch, empfindsam oder selbstlos idealistisch motivierte Kultur­praxis, sondern als Feld symbo­lischer Verhandlungen um Macht und Privilegien, Werte und Normen. Eine bürger­liche Sichtweise erkennt im Anlegen von Gärten nur selten eine tiefere historische Bedeutung. Der Sinn der Gärtnerei wird oft höchstens im Naturkund­lichen, Ökonomischen, in Hedo­ nismus oder in philosophischer Muße, vielleicht auch in wenig bedeutsam aufgefasster Selbstinszenierung gesehen. Eine geisteswissenschaft­liche Ausein­ andersetzung mit Gartengeschichte wird deshalb meist als subjektiv interessant, aber wissenschaft­lich irrelevant – als ‚Plaisirforschung‘ gar – bewertet. Wissenschaft­liches Prestige lässt sich damit bisher, zumindest in Deutschland, nur schwer erwerben. Vergessen wird dabei, dass Gärten ein zentraler Bestandteil der Selbstinszenierung der Machteliten im vordemokratischen Europa gewesen sind – auch und gerade zur Zeit der ‚Gartenrevolution‘. Wie visuelle Repräsentation als politische Kommunikation und Strategie von Machtsicherung genau funktioniert und gewirkt hat, wisssen wir frei­lich immer noch nur teilweise.14 Gärten haben dabei jedoch offenkundig keine geringe Rolle gespielt. Mit ihrem Paradiesbezug und ihrer starken sinn­lichen Wirkung stimmen sie ihre Besucher freund­lich, insbesondere im empfindsamen 18. Jahrhundert. Da angenommen wurde, dass von verschönerter Natur eine verbessernde Wirkung auf den Menschen ausgehe, wurde den Schöpfern (und damit auch regelmäßigen Nutzern) schöner Gärten a priori Güte unterstellt.15 Fürsten konnten sich so fast allein

14 Vgl. etwa Sittig 2010. 15 Vgl. dazu auch Müller 2003, S. 15 ff.

Einleitendes

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durch ihre Gärten einen guten Ruf erwerben, solange sie auf anderen Gebieten nicht offensiv gegen aufklärerische Vorstellungen handelten.16 Landschaftsgärten fungierten dabei oft als Stellvertreter für eine indirekte Kommunikation zwischen einer erstarkenden gebildeten Mittelschicht und ihren Fürsten. Indem öffent­lich über Vorstellungen von einem schönen Garten diskutiert und existierende Gärten kritisiert oder gelobt wurden, konnten Ideen von einer guten Herrschaft thematisiert werden, ohne eine offene Auseinandersetzung mit den Fürsten zu provozieren. Indem Fürsten sich bei der Gestaltung ihrer Gärten an den Vorstellungen der Gartenliteratur orientierten, konnten sie ein positives Bild von sich in der Öffent­lichkeit vermitteln. In der Gestaltung und der Rezeption von einzelnen Landschaftsgärten ist also zen­ trales Wissen über das Wertesystem ihrer Zeit und damit über Begründungszusammenhänge gespeichert. Die Landschaftsgärten erweisen sich dabei als Kreuzungspunkt verschiedener Diskurse. Über die Gestaltung und Rezeption von Gärten haben die jeweiligen Akteure versucht, ihren Werten und Normen Geltung und Gültigkeit zu verschaffen.17. Mit den Gartenauffassungen und -interpretationen der Gartenliteratur hat sich die Literaturwissenschaft in den letzten Jahren mit vielem Erkenntnisgewinn auseinandergesetzt.18 Seltener wird indessen untersucht, ­welche Botschaften die Gartenschöpfer beabsichtigt haben könnten und w ­ elcher Sinn in realen Gärten greifbar ist. Indem so ausgeblendet wird, wie die Fürsten auf die hundertfach vorgebrachten Forderungen nach einer gerechteren und freieren Gesellschaft und auf den Verzicht jeder Willkür in der Politik reagiert haben, bleiben die Illusionen unangetastet, die es dem Adel ermög­ licht haben, ohne Gewalt ‚obenzubleiben‘ und alte Herrschaftsstrukturen zu verfestigen.19

16 Den Bänden zwei bis fünf von Hirschfelds Theorie der Gartenkunst sind Beschreibungen von realen Landschaftsgärten angehängt; diese sind ebenfalls fester Bestandteil des von Hirschfeld herausgegebenen Gartenkalenders. Zur Politik dieser Garten­ beschreibungen vgl. meinen Aufsatz Idylle als Politik (Mittelstädt 2013a). 17 Vgl. zum Thema Geltungsgeschichte den im Auftrag des SFB 537 von Gert Melville und Hans Vorländer herausgegebenen Sammelband zu Geltungsgeschichten (Melville/ Vorländer (Hg.) 2002), vor allem die Einleitung der Herausgeber. 18 Vgl. vor allem Gamper 1998; Tabarasi 2007. Die erste Studie zu ­diesem Thema war Gerndt 1981. 19 Der Begriff des ‚Obenbleibens‘ ist ein etablierter Terminus in der Adelsforschung. Vgl. Braun 1990.

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Einleitendes

An drei Gärten (und ihren Schöpfern) werden diese Beobachtungen hier im Folgenden genauer untersucht. Der Wörlitzer Park, der Weimarer Ilmpark und der Muskauer Park gehören zu den berühmtesten Gärten ihrer Zeit; bis heute werden sie als so bedeutend wahrgenommen, dass sie von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurden.20 Sie alle haben das Interesse schreibender Zeitgenossen auf sich gezogen, sodass eine Vielzahl von Rezeptionszeugnissen erhalten ist. Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und Hermann von Pückler-Muskau, die Schöpfer des Ilmparks bzw. des Muskauer Parks, waren überdies selbst Akteure auf dem literarischen Feld – Carl August als Literaturförderer, Pückler als Schriftsteller und beide als Freunde von einflussreichen Autoren. Es sind hier deshalb im Schreiben über die Fürsten und ihre Gärten, in ihren eigenen Äußerungen sowie in ihren Gärten selbst zahlreiche Austauschhandlungen, Sinnangebote und Vereinnnahmungen zu erwarten, aus denen sich etwas über die Werthierarchien und den Ideenhorizont ihrer Schicht und ihres Umfeldes erfahren lässt. Die Rekonstruktion der Sinngehalte der Gärten ist dabei aufgrund ihres unklaren medialen Status am schwierigsten und deshalb auch nur ein Teil einer umfassenderen Diskursanalyse. Die drei Gartenschöpfer, die hier untersucht werden, hatten in der Wahrnehmung ihrer Zeitgenossen wie der nachfolgenden Generationen einen prominenten Platz: Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 – 1817) als eines der leuchtendsten Beispiele für den aufgeklärten Absolutismus, Herzog Carl August von Sachsen‑Weimar‑Eisenach (1757 – 1828) als Freund Goethes und Förderer der Weimarer Klassik und Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785 – 1871) als Abenteurer, Lebemann, Schriftsteller und exzentrische Persön­lichkeit. Zudem gibt es Verbindungen zwischen ihnen: Der Dessauer Fürst war der väter­liche Freund des Weimarer Herzogs; Pückler ist in Dessau zur Schule gegangen, hat mehrmals Weimar besucht und diente während der Befreiungskriege unter dem Weimarer Herzog. Allen gemeinsam

20 Bisher als einzige deutsche Landschaftsgärten neben der Potsdamer Schlösserlandschaft. Eine Untersuchung der Potsdamer Gärten hätte den Rahmen des Mög­lichen gesprengt und musste leider hintangestellt werden, obwohl auch sie Teil der hier analysierten Entwicklung sind. Zudem geht es in dieser Studie um die spezifische Situation und die Strategien von ‚kleinen‘ Fürsten, die zwar gegenüber ihren Untertanen souverän, ansonsten aber selbst von höheren Instanzen – dem Kaiser bzw. dem preußischen König – abhängig waren. Den könig­lich-preußischen Landschaftsgärten liegen deshalb vermut­lich andere Ideen zugrunde als den hier untersuchten. Vgl. zur Potsdamer Schlösserlandschaft etwa Heilmeyer/Bach 2010 sowie die Veröffent­lichungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zu den einzelnen Parks.

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ist zudem, dass sie ‚kleine‘, mindermächtige Fürsten waren, deren Souveränität durch Preußen, das Reich oder Napoleon bedroht war und die es als notwendig ansahen, ihre Lebensentwürfe und Herrschaftsvorstellungen bzw. Statusansprüche gegenüber ihren Standesgenossen, der Öffent­lichkeit oder ihren bürger­lichen Freunden (Goethe, Varnhagen von Ense, Laube) zu legitimieren und zu rechtfertigen. Ein Feld, auf dem sie das taten, war die Gartenkunst. Diese Studie verfolgt somit einen doppelten Ansatz: Zum einen geht es in ihr um die politische sowie adelige Biografie der drei Fürsten und um ihre Herrschafts- und Lebensentwürfe, zum anderen um ihre Gärten, mit denen sich die drei Fürsten inszeniert und legitimiert, aber auch selbst vergewissert haben. Bei der Suche nach einem interpretatorischen Zugang zu den drei Gärten hat sich dieser Weg über die Sozialisierung, die Selbstverständnisse und Außenwahrnehmung der Fürsten als am sinnvollsten und produktivsten erwiesen. ­Welche Zugänge und Erkenntnisse es sonst gibt, wird im nächsten Abschnitt skizziert; dem folgt ein Exkurs zu für das Thema wichtigen Hintergründen und Kontexten, vor allem der adeligen Gartengeschichte und der Gartenliteratur, bevor es dann um die drei Fürsten und ihre Gärten – oder um die drei Gärten und ihre Schöpfer – gehen wird.

1.2 Zum bisherigen Forschungs- und Erkenntnisstand Zur Garten- und Adelsgeschichte

Die Beschäftigung mit dem Sinn historischer Gärten führt in ein wenig definiertes Forschungsfeld, das zumindest in Deutschland institutionell fast ausschließ­ lich in der (Landschafts-)Architektenausbildung verankert ist und über dessen mög­liche methodische und theoretische Zugänge keine Einigkeit herrscht.21 Erkenntnisreiche Arbeiten stammen aber auch aus der Kunstgeschichte, Germanistik und Geschichte – die Beschäftigung mit der historischen Gartenkunst aus verschiedenen fach­lichen Perspektiven hat dabei vor allem in den letzten Jahren das herrschende Bild von der Gartenkunst zu verändern begonnen, weg von der Vorstellung einer nur gefälligen, allein für formalgeschicht­liche und technische Fragen interessanten Kultur­praxis hin zu der Auffassung, dass sich

21 Die einzige einer geisteswissenschaft­lichen Gartenkunstgeschichte gewidmete Professur in Deutschland findet sich (allerdings als Juniorprofessur) am Institut für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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durch die Untersuchung von historischen Kunstgärten (und von Gartenliteratur) wichtige Erkenntnisse über historische Weltbilder, Ideen, Überzeugungen, Werte, Normen sowie ihre Kommunikation gewinnen lassen. Die Zusammenführung der einzelnen fach­lichen Perspektiven, durch die sich erst ein nicht beschränktes, wesent­liche Aspekte nicht ausblendendes Verständnis von Gärten herstellen lässt, erweist sich allerdings immer noch als schwierig.22 Bis in die jüngste Zeit galt die in den 1960er-Jahren entstandene dreibändige Geschichte der deutschen Gartenkunst von Dieter Hennebo und Alfred Hoffmann als Standardwerk, das seinerzeit nicht zu unterschätzende Impulse für die Gartenforschung gegeben hat, mittlerweile aber in vielen Einordnungen und Wertungen überholt ist.23 Wichtige Anregungen für die Erforschung des Landschaftsgartens gibt bis heute Adrian von Buttlars 1982 veröffent­lichte Studie zum Eng­lischen Landsitz 1715 – 1760 als Symbol eines liberalen Weltentwurfs, deren Erkenntnisse sich allerdings nur bedingt auf die deutsche Gartengeschichte übertragen lassen und deshalb wenig Einfluss auf ihre Erforschung hatten.24 Bedauer­lich ist indes, dass auch die bei Buttlar zu findende sozial- und ideenhistorische Herangehensweise kaum Eingang in die Beschäftigung mit deutschen Gärten gefunden hat – anders als in der eng­lischen und amerikanischen Landschaftsgartenforschung, die schon weitaus länger ihr Augenmerk auf die ideengeschicht­lichen und politischen Hintergründe von Gartengestaltungen sowie den inszenatorischen und ideolo­gischen Charakter vieler traditioneller Sinnzuschreibungen richtet.25 Nachdem also Gartenkunstforschung lange Zeit ein Nischenbereich gewesen war, ist in den letzten Jahren als Folge der kulturwissenschaft­lichen Neujustierungen einzelner Fachperspektiven ein zunehmend größeres und von hohem Erkenntnisanspruch getragenes Interesse an historischen Gärten zu 22 Die seit 1987 erschienene Literatur zur Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege wird bibliografisch von der Zeitschrift Die Gartenkunst erfasst; eine zusammengefasste Bibliografie stellt die Pückler-Gesellschaft e. V. auf ihrer Internetseite zur Verfügung, abrufbar auf http://www.pueckler‑gesellschaft.de/haupt.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Einen gut analysierten Überblick über die gartengeschicht­liche Literatur bis 1913 und die in ihr begründeten Traditionen gibt Wimmer 2009. Vgl. außerdem Schneider 2012. 23 Hennebo/Hoffmann 1962 – 1965/1 – 3. Hier von Interesse ist der dritte Band von Alfred Hoffmann (Hoffmann 1963). 24 Buttlar 1982. 25 Exemplarisch sei hier auf die Arbeiten zur eng­lischen Gartengeschichte des 18. Jahrhunderts von John Dixon Hunt, Tim Richardson und Tom Williamson verwiesen, auf die an späterer Stelle noch genauer eingegangen wird.

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verzeichnen.26 Vorläufig gekrönt wurde es von dem 2012 (erst kurz vor Abschluss dieser Arbeit) erschienenen, von Stefan Schweizer und Sascha Winter herausgegebenen Kompendium Gartenkunst in Deutschland, das wahrschein­lich zum neuen Standardwerk für die historische Gartenforschung werden wird.27 Die neue Gartenkunstforschung zeichnet sich aus durch das Bemühen um Interdisziplinarität, einen literatur- bzw. kunstwissenschaft­lich fundierten Umgang mit Text- bzw. Bildquellen und Rezeptionszeugnissen, eine größere Vorsicht gegenüber Metanarrationen und traditionellem Wissen sowie ein großes Interesse an sozial-, funktions- und diskursgeschicht­lichen Fragestellungen.28 Ein wichtiger Teil der neuen Gartenkunstforschung ist die litera­ turwissenschaft­liche Gartenliteraturforschung, insbesondere seit der Ent­ deckung der ‚Gartenrevolution‘ des 18. Jahrhunderts als „außerordent­lich komplexe[r] kulturgeschicht­liche[r] Vorgang“ in den 1980er-Jahren.29 Eine Reihe von anspruchsvollen Studien ist seither entstanden, die sich mit dem Motiv des Landschaftsgartens in der Literatur beschäftigt. 30 Viele Arbeiten hinterlassen frei­lich eine Leerstelle, da sie sich bei ihren Bezügen auf reale Gärten auf vermeint­lich gesichertes Wissen über diese berufen und nicht reflektieren, dass ein Großteil des traditionellen Wissens über Landschaftsgärten von der Sichtweise eben der Texte geprägt (und gelenkt) ist, die durch die Konfrontation mit der realen (aber bis heute oft durch die Brille dieser Texte gesehenen) Gartengeschichte erklärt werden sollen. Dazu gehören etwa die hier später noch genauer diskutierten Annahmen, dass viele Fürsten ihre Gärten selbstlos und völlig im Einklang mit den in Gartentheorien und Garten­beschreibungen formulierten Ideen geschaffen haben, wie es ihnen viele Zeitgenossen zugeschrieben haben. Das Hauptproblem der Erforschung vor allem von Landschaftsgärten liegt in der für die allermeisten Gärten sehr schlechten Quellenlage zur Entstehungsgeschichte. Es gibt anscheinend kaum Quellen, die klar etwas über die Absichten, Pläne und Überzeugungen der fürst­lichen Gartenbesitzer und ihrer

26 Vgl. dazu Buttlars Geleitwort und Schweizers Einführung in Schweizer/Winter (Hg.) 2012. 27 Vgl. Schweizer/Winter (Hg.) 2012. 28 Vgl. dazu Schweizer 2008 sowie das von Schweizer und Schneider redigierte Themen­ portal auf arthistoricum.net, dem Internetforum der deutschen Kunstgeschichte: http://www.arthistoricum.net/themen/themenportale/gartenkunstgeschichte (zuletzt abgerufen am 17.9.2014). 29 Kehn 1985, hier S. 196. 30 Vgl. u. a. Apel 1983.

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Mitarbeiter aussagen; die Quellen, die es gibt (wie etwa die Memoiren des Landgrafen Wilhelm IX. von Hessen-Kassel), enthalten viel implizites Wissen, das erst rekonstruiert werden muss.31 Auch die gartenbezogenen Texte von Pückler, der wegen der Fülle seiner Selbstaussagen als Ausnahme gelten kann, erweisen sich bei näherem Hinsehen als wenig unmittelbar hilfreiche Quellen für die Rekonstruktion des Sinns seiner Parks.32 Wie aber Michael Niedermeiers und Maiken Umbachs Arbeiten zum ­Wörlitzer Park, Urte Stobbes Studie zur Kasseler Wilhelmshöhe und Julia Burbullas zum Gothaer Park zeigen, ist es durchaus mög­lich, fruchtbare Quellen und einen methodischen Zugang zum Sinn von einzelnen Gärten zu finden, der Fachgrenzen überschreitet und dennoch nicht beliebig ist. Sie wurzeln in verschiedenen Fachtraditionen (Literatur-, Kunst- und Geschichtswissenschaft), kommen aber auf diesen unterschied­lichen Wegen zu der gemeinsamen Erkenntnis, dass in den Gärten viel mehr oder auch ganz anderer Sinn steckt, als die zeitgenös­sische Gartenliteratur vermuten lässt. Niedermeier beschäftigt sich seit den frühen 1990er-Jahren mit histo­rischen Gärten und insbesondere dem Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ und hat vor allem mit seiner Rekonstruktion ikonografischer Motivkreise im Wörlitzer Park wichtige Erkenntnisse erarbeitet und einen produktiven Ausgangspunkt für weitere Forschungen geschaffen.33 Umbach widmet sich in ihrer Studie der Bedeutung visueller Kommunikation in der Spätzeit des HRRdN und insbesondere der Rolle von Landschaftsgärten bei der Formulierung von politischen Ordnungsideen.34 Stobbe zeichnet die Sinngeschichte der Kasseler Wilhelmshöhe im Spannungsfeld zwischen den Interessen ihrer Schöpfer und den Wertungen ihrer Besucher nach. Bei ihr finden sich Überlegungen zu der Frage, wie Literatur die Wahrnehmung von Gärten beeinflusst hat (und die Erkenntnis, dass diese Wahrnehmung nicht zwangsläufig etwas mit den Gärten selbst zu tun hat).35 Burbulla rekonstruiert, wie sich die naturwissenschaft­lichen Interessen des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg in der Gestaltung seines Gothaer Parks niedergeschlagen haben.36 31 Vgl. dazu Stobbe 2009. 32 Dass auch Pücklers Andeutungen über Landschaftsgärtnerei keine direkt verständ­lichen Informationen zu dieser Frage bieten, wird in Kapitel 4.1. und 4.4. gezeigt. 33 Niedermeier 1995a, Niedermeier 2002, Niedermeier 2012 (zu Semantik. Ikonogra­ phischen Gartenprogrammen). 34 Umbach 2000. 35 Stobbe 2008. 36 Burbulla 2010.

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Es mag kein Zufall sein, dass neben dem wissenschaft­lichen Interesse an Gartengeschichte auch das an der Geschichte des Adels wächst. 37 Für die Beschäftigung mit fürst­lichen Gärten sind dabei insbesondere die gewonnenen Einblicke in die Traditionen und Mittel adeliger Identität und Abgrenzung, Statusbehauptung und Statusbewahrung von Bedeutung. 38 Die in den letzten Jahren immer wieder betonte Rolle, die visuelle Formen der Kommunikation für den Adel als „Meister der Sichtbarkeit“ gespielt haben, hilft, den Landschaftsgarten in einen anderen Ideenzusammenhang einzuordnen als in den der Gartenliteratur.39 Kultur kann dabei als ein „Herrschaftselement“ angesehen werden.40 In seiner germanistischen Studie zu Semiotik und Ästhetik adeligen Wetteifers um 1600 fasst Claudius Sittig diese Instrumentalisierung von Kunst als „kulturelle Konkurrenzen“ auf und entwirft ein beispielhaftes Untersuchungsdesign, in dem er sowohl die „realen historischen Konkurrenzrelationen und die Spannungen auf dem Feld adeliger Kultur“ als auch die „historischen und historiographischen Redeweisen“ über sie nachzeichnet und ihre „impliziten Annahmen ausformulier[t]“. 41 Diese Studie folgt ihm in einem Verständnis von Quellen als Zeugnissen in zweierlei Hinsicht, einmal in Bezug auf das, von dem sie berichten, und einmal in Bezug auf die Sichtweise, aus der berichtet wird, und auf die diese Sichtweise prägenden Voreinstellungen, Prämissen und Werte. Die Beschäftigung mit den drei hier untersuchten Gartenschöpfern zeigt allerdings schnell, dass das Verhältnis zwischen Fürsten und Bürger­lichen – als Freundschaft wie als Verhalten gegenüber einer bürger­lichen Öffent­lichkeit – um 1800 eine weitaus größere Bedeutung hat als in der Zeit um 1600, die Sittig untersucht, sodass hier eigene Wege der Analyse und Interpretation gefunden werden müssen.

37 Vgl. Schmitz 2013, Reif 2011, vor allem auch Fn. 2, in der Reif aus seinem 1987 veröffent­lichten Umriss einer zu dieser Zeit noch kaum vorhandenen Adelsforschung zitiert. Ein neuerer Überblick über die Themen der Adelsforschung findet sich zudem in Conze/Wienfort 2004. Vgl. zudem für die bisher unterschätzte mitteleuropäische Perspektive die Reihe Adel in Schlesien. 38 Vgl. u. a. Asch 2008, Kap. 4 und 7; Sikora 2009, Demel 2005, Kap. III. 39 Das viel zitierte Schlagwort vom Adel als ‚Meister der Sichtbarkeit‘ hat Heinz Reif geprägt – wann er es allerdings zum ersten Mal verwendet hat, konnte ich nicht ermitteln. Vgl. u. a. Linke 2004. 40 Vgl. Clemens/König/Meriggi (Hg.) 2011. 41 Sittig 2010, S. 3.

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Zu den ‚kleinen‘ Fürsten um 1800 gibt es zurzeit jenseits von Epochenüberblicken wenig Referenzwerke. Weit mehr Aufmerksamkeit wird auf der einen Seite den Königen großer Staaten wie Preußen, Sachsen oder Österreich sowie dem abhängigen Land- und Hofadel und auf der anderen Seite der Adelsgeschichte vor und nach dem 18. Jahrhundert gewidmet.42 Es ist jedoch zum einen davon auszugehen, dass sich die Lebens-, Welt- und Herrschaftsentwürfe von Herrschern nur weniger Tausender oder Zehntausender Untertanen von denen der Vertreter der beiden anderen Gruppierungen unterscheiden und dass ‚kleine‘ Fürsten zudem vermut­lich andere Abgrenzungs- und Anpassungsstrategien nach unten und oben entwickelt haben. Zum anderen hat die Aufklärung und ihr Werte- und Normensystem im 18. Jahrhundert große Bedeutung als Orientierungs- und Legitimationsmuster gewonnen. Deshalb ist anzunehmen, dass trotz des Fortwirkens von frühneuzeit­lichen Traditionen in der adeligen Lebenswelt des 18. Jahrhunderts in vielen Bereichen wesent­lich andere Prämissen als in der Frühen Neuzeit Geltung erlangt haben, die einen Rückgriff auf Erkenntnisse zum Adel früherer Jahrhunderte nur bedingt mög­lich machen. Zu den hier untersuchten Gärten und ihren Schöpfern Zum Wörlitzer Park und zum Dessauer Fürsten

Dass das im 18. Jahrhundert so bewunderte ‚Gartenreich‘43 des Fürsten ­Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau 44 wieder auf der ‚mental map‘ der deutschen Kulturgeschichte zu erkennen ist, ist vor allem Erhard 42 Eine genaue Nachzeichnung des gesamten Forschungsfeldes zum Adel würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb sei hier auf die zusammenfassenden Darstellungen von Demel und Reif verwiesen: Demel 2009; Reif 2012, S. 57 ff. 43 Zum Terminus ‚Gartenreich‘ vgl. Fn. 144. 44 Kurz Leopold Friedrich Franz. Diese Bezeichnung mag zunächst befremd­lich wirken, weil die Bezeichnung ‚Fürst Franz‘ etabliert ist. Diese entstammt der volkstüm­lichen Überlieferung (wie die Bezeichnung des Großvaters des Fürsten, Leopold I., als ‚Alter Dessauer‘). Sie entspricht jedoch nicht der historischen P ­ raxis seiner Benennung, die sich u. a. in den zeitgenös­sischen Almanach de Gotha-Ausgaben findet. Vgl. auch den ADB-Artikel von Ferdinand Siebigk von 1883, in dem der Fürst Leopold Friedrich Franz genannt wird. Nicht zuletzt hat er selbst seine Briefe und Papiere so unterzeichnet (meistens mit dem Kürzel LFF). Vgl. dazu Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (künftig LHASA), DE, Abt. Dessau, A 10: Correspondenz von Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau.

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Hirsch zu verdanken, der seit den 1960er-Jahren unermüd­lich an der Rehabilitation des im 19. Jahrhundert zunehmend belächelten und marginalisierten Wirkens des Dessauer Fürsten arbeitet.45 Einen guten Überblick über den Wissensstand zum Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ bieten die verschiedenen Publikationen der mit der Pflege der Anhalter Schlösser und Parks betrauten Kulturstiftung DessauWörlitz.46 Mit der Edition von Quellen wie dem Katalog der Wörlitzer Schlossbibliothek bietet sie überdies wertvolles Arbeitsmaterial für die Forschung. Eine intensivere Erforschung des ‚Gartenreiches‘ wurde in den letzten Jahren von der Dessau-Wörlitz-Kommission angestoßen, die am Hallenser Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung (IZEA) angesiedelt ist und seit 2002 einzelnen Aspekten gewidmete Jahrestagungen veranstaltet.47 Sie hat auch die beiden gut recherchierten, detailreichen kunsthistorischen Arbeiten von Michael Rüffer und Anette Froesch zum Wörlitzer Schloss bzw. zum Luisium herausgegeben.48 Eine Reihe von kleineren Einzelstudien bietet weitere Ansätze und Blickwinkel.49 Das Gleiche ist auch in Hinblick auf Leopold Friedrich Franz selbst zu vermerken, zu dem seit dem 19. Jahrhundert ledig­lich ein von einem Wirtschaftsjournalisten verfasster Langessay (2006) und ein aus einer Jahrestagung der Dessau-Wörlitz-Kommission hervorgegangener Sammelband (2008) erschienen sind, die beide an interessante Aspekte im Wirken des Dessauer Fürsten erinnern, jedoch eine eigent­liche Biografie nicht ersetzen können.50

45 Vgl. insbesondere Hirschs wegen staat­licher Zensur in der DDR erst nach der Wende veröffent­lichte Dissertation Die Dessau-Wörlitzer Reformbewegung im Zeitalter der Aufklärung (Hirsch 2003). 51 kleinere Arbeiten von Hirsch wurden jüngst in einem Sammelband neu herausgegeben (Hirsch 2011). 46 Vgl. vor allem die beiden großen Kataloge Unend­lich schön (Kulturstiftung (Hg.) 2006) und Weltbild Wörlitz (Bechtoldt/Weiss (Hg.) 1996). 47 Diese waren u. a. der Biografie des Fürsten und seiner Ehefrau, den „Bücherwelten im Gartenreich“, den Interieurs in den Bauten des Fürsten oder der Neugotik in Anhalt-Dessau (noch nicht publiziert) gewidmet. Vgl. die Internetpräsentation auf: http://webdoc2.urz.uni-halle.de/izea/cms/de/dessau-woerlitz-kommission/ kurzpraesentation.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). 48 Froesch 2002, Rüffer 2005. 49 Vgl. vor allem Umbach 2000, Reimann 2004, Albert 1994, Klein 2003. 50 Gazdar 2006, Zaunstöck (Hg.) 2008.

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Zum Weimarer Ilmpark, zum Weimarer Herzog, zu Goethe und Bertuch

Die informativsten Publikationen zum Ilmpark stammen von der Klassik Stiftung Weimar bzw. ihren Vorgängerinstitutionen; sie stellen umfassend Entstehungsgeschichte, Gestalt und beteiligte Personen dar.51 Die erschöpfendste Einzelstudie zum Ilmpark ist Susanne Müller-Wolffs Geschichte des herzog­lichen Parks in Weimar, in der sie anhand einer Vielzahl gut analysierter Quellen detailliert und kritisch die Entstehung des Ilmparks nachzeichnet.52 Die meisten kleineren Texte setzen sich indes mit Goethe auseinander, dabei allerdings vor allem mit seinen literarischen Verarbeitungen des Gartenmotivs; seine Rolle bei der Entstehung des Ilmparks und seine Haltung zu ihm sind immer noch relativ wenig beleuchtet.53 In der Weimarforschung insgesamt spielt der Park eine untergeordnete Rolle. Nur als Freund Goethes und nicht als Gartenschöpfer hat Carl August bisher wissenschaft­liches Interesse auf sich gezogen. Vier größere Biografien und eine Reihe von Skizzen wurden im 20. Jahrhundert über ihn verfasst; sein Engagement für den Ilmpark wird darin allerdings kaum diskutiert.54 Genauer untersucht ist dagegen Bertuchs Rolle als Gärtner sowie als Gartentheoretiker und Verwalter des Ilmparks.55 Als bedeutsam wurden dabei bisher vor allem seine Versuche wahrgenommen, die öffent­liche Wahrnehmung der Gartenkunst durch Beiträge in Zeitschriften zu lenken.56

51 Burkhardt 1907, Holtzhauer 1970, Ahrendt/Jäger 1981. Als interessante Detail­studie sei hier außerdem auch Dorothee Ahrendts kleiner Aufsatz Vom Einzelnen zum ­Ganzen – der Park an der Ilm im Jahre 1790 genannt (Ahrendt 2007). 52 Vgl. Müller-Wolff 2007. 53 Zu Goethes Verhältnis zur Gartenkunst: Hennebo 1979, Niedermeier 1993, Groß 2005. Zu Goethes gärtnerischen Betätigungen vgl. vor allem Oesterle 2008 und Schneider 2004; positivistisch sind dagegen: Apelt 1958, Balzer 1978. Zu Goethes literarischer Verarbeitung des Gartenmotivs vgl. vor allem Höllinger 1961, Schuster 1985, ­Niedermeier 1992, Groß 2009, Kap. 4. 54 Vgl. Willy 1953, Tümmler 1978, Sengle 1993, Ebersbach 1998, Hahn 2001, Klauß 1991, Müller 2007. 55 Bertuch hat in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil er als Geschäftsmann, Verleger und praktisch orientierter Aufklärer eine andere Seite des ‚klas­sischen‘ Weimar repräsentiert. Vgl. Walter Steiners und Uta Kühn-Stillmarks Biografie (Steiner/Kühn-Stillmark 2001), außerdem Schmidt-Funke 2005, Kaiser/ Seifert (Hg.) 2000, Haug 2006, Greiling 2004. 56 Vgl. Müller 2000.

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Wesent­liche Impulse für die Erforschung des Ilmparks gehen außer von diesen Forschungen zu Bertuch von verschiedenen Studien aus, die unter dem Dach des Jenaer Sonderforschungsbereiches ‚Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800‘ erarbeitet wurden und die – wie die Beiträge zu Bertuch – einen tieferen Einblick in die s­ ozialen, ökonomischen und politischen Zusammenhänge und Hintergründe der Weimarer (bzw. Jenaer) Entwicklungen und Leistungen um 1800 geben.57 Nicht nur das Verhältnis zwischen „Kultur und Kommerz“, sondern auch das zwischen Kultur und Politik ist dabei in letzter Zeit öfter in den Blick gekommen.58 Zum Muskauer Park und Fürsten

Zum Muskauer Park selbst gibt es nur wenige neuere Studien. Wenn Pücklers gartenkünstlerisches Schaffen in den Blick kommt, dann meist das Branitzer – vielleicht, weil der Branitzer Park mit seinen Pyramiden leichter interpretierbar erscheint.59 Zudem hat die Branitzer Pückler-Stiftung in den letzten Jahren mit einer Reihe von Publikationen erfolgreich die Aufmerksamkeit auf den Branitzer Park gelenkt.60 Die Schwerpunkte sowohl der Branitzer als auch der Muskauer Stiftung liegen indes auf mit der Denkmalpflege und Vermarktung verbundenen Fragen, obwohl sich beide Stiftungen um die Beförderung wissenschaft­ licher Erkenntnisse bemühen.61 So veranstaltet die Branitzer Stiftung seit 2009 regelmäßige Tagungen.62 Die Muskauer Stiftung hat 2006 einen Führer durch Pücklers Parks herausgegeben, der zwar mit seinen vielen Abbildungen in erster Linie ein Liebhaberpublikum anspricht, aber in seinem langen Einführungskapitel wertvolle Überlegungen zu Pücklers gärtnerischem Schaffen bietet.63

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Vgl. Hahn 2008, Ventzke 2004 und Kreutzmann 2008. Vgl. Steiner/Kühn-Stillmark 2001, Ries 2007, Müller 2008. Vgl. Assmann 2001 und Pieper 1990. Die Branitzer Stiftung hat mittlerweile sechs Sammelbände in ihrer Reihe Edition Branitz publiziert. 61 Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz und Stiftung Fürst-­ Pückler-Park. 62 Seit 2009 bemüht sie sich mit der Veranstaltung von Tagungen intensiv um die Anregung wissenschaft­lich anspruchsvoller Forschung zu Pückler. Vgl. dazu die Anmerkungen von Gert Streidt, des Direktors der Stiftung, im Sammelband zu ihrer ersten Tagung 2009 (Streidt 2010). 63 Panning 2006.

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Insgesamt dominiert die Auseinandersetzung mit denkmalpflegerischen und in technischer Hinsicht entstehungsgeschicht­lichen Fragen.64 Ansatzpunkte für eine wissenschaft­liche Diskussion von Gartenwerk und Person Pücklers bieten die kleinen, sozial- und ideengeschicht­liche Fragen verbindenden Pücklerstudien des Berliner Kultursoziologen Ulf Jacob. 65 Aufschlussreiche Beobachtungen zu Pücklers Gartenschaffen finden sich auch in den beiden Gemeinschaftsarbeiten von Nicole Berthy und Michael Brey, die sich jedoch hauptsäch­lich anderen Aspekten (Pücklers Verhältnis zu Frauen bzw. zur Landschaftsmalerei) widmen.66 Neue Sichtweisen bietet zudem der 2007 erschienene Sonderband des Bulletin of the German Historical Institute in Washington zu Pückler and America.67 Es sind also in der Tat „Konturen einer neuen Pücklerforschung“ erkennbar, wie Jacob 2009 postuliert hat – allerdings beschäftigt sich der weitaus ­größere Teil der Beiträgerinnen und Beiträger mit Pücklers literarischem Schaffen.68 Schon seit den 1980er-Jahren ist ein zwar überschaubares, aber stetiges literaturwissenschaft­liches Interesse an Pücklers Werken zu verzeichnen. Interessenschwerpunkte liegen dabei auf Pücklers Landschafts- und Reise­ beschreibungen.69 Einen Höhepunkt dieser Forschungslinie bildet zweifellos Sebastian Böhmers 2007 erschienene Studie zu Pücklers „fingierter Authentizität“.70 Erstmals wird Pückler hier in einen differenziert aufgefassten und quellenkundig rekonstruierten historischen Hintergrund eingeordnet.71 Zu nennen sind zudem eine Reihe von kleineren Studien zu (und Editionen von) Pücklers Briefen.72 Einige Aufmerksamkeit haben nicht zuletzt Pücklers Andeutungen über Landschaftsgärtnerei erfahren – allerdings fehlt es auch hier 64 Vgl. etwa Schäfer 1996 oder die Beiträge in Karg (Hg.) 1986. 65 Jacob weist zwar auf wichtige Bezugspunkte und Aspekte hin; seinen Aufsätzen fehlen jedoch die Tiefe und Genauigkeit des Einblicks einer monografischen Auseinandersetzung. Eine Übersicht über die hier zitierten Titel von ihm findet sich im Literaturverzeichnis am Ende dieser Arbeit. 66 Vgl. Berthy/Brey 1999a und 1999b. 67 Vgl. Dümpelmann (Hg.) 2007. 68 Jacob 2010 und 2007b. 69 Zur Reiseforschung vgl. u. a. Gruenter 1983, Rippmann 1995. Auch für speziellere kultur- bzw. diskurshistorische Aspekte des Reisens wird in Pücklers Reiseliteratur eine wertvolle Quelle gesehen, etwa bei Hamann 2008. 70 Bender 1982, Böhmer 2007. Einige interessante Beobachtungen finden sich zudem bei Bürklin-Aulinger 1993. 71 Vgl. Böhmer 2010. 72 Vgl. etwa Hübener 2008, Klein 2003, S. 125 – 168.

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bisher an einer genaueren Klärung des Verhältnisses zwischen den Andeutungen und Pücklers realem Gartenschaffen.73 Eine wichtige Grundlage für die Auseinandersetzung mit dieser Frage bieten Willi A. Boelckes und Günter J. Vaupels Darstellungen der Geschichte der Standesherrschaft Muskau, die mit der für sie geleisteten profunden Quellenaufarbeitung bei der Einordnung und Bewertung von Pücklers Aussagen helfen.74 Der größte Teil der Publikationen beschäftigt sich mit Leben und Persön­ lichkeit Pücklers und ist nicht in wissenschaft­licher Stoßrichtung geschrieben, sondern dient dem Ausdruck von Verehrung oder einem Unterhaltungsinte­resse (der Begriff ‚Abenteuer‘ kommt sehr oft darin vor).75 Ausnahmen sind Lars und Bettina Clausens soziolo­gische Erkundungen der Persön­lichkeit ­Pücklers, die sie im Zusammenhang mit ihrer „Sozio-Biographie“ Leopold Schefers unternommen haben.76

1.3 Quellen Zur Quellenlage

Dass es lange Zeit so wenig kulturhistorische Forschung zu einzelnen Landschaftsgärten gab, ist offenkundig durch das nicht nur für die hier untersuchten, sondern für die meisten deutschen Landschaftsgärten zu konstatierende weitgehende Fehlen unmittelbar aussagekräftiger Quellen bedingt. Es gibt Unterlagen und Pläne, die über die Entstehungsgeschichte der Gärten informieren; über den Sinn der Gestaltung sagen sie nur wenig.77 Leopold Friedrich Franz 73 74 75 76 77

Vgl. Weryha-Wysoczański 2004, Tausch 1999, Gröning 2003 und 2008. Vgl. Boelcke 1978, Vaupel 2005. Vgl. Fn. 735. Vgl. Clausen/Clausen 1985, Clausen 1981. Vgl. für Wörlitz Acta, enth. verschiedene die Herzog­lichen Parks und Gärten im Allgemeinen betreffende Sachen. LHASA, DE, Abt. Dessau, Z 44, A 13c Nr. 14 (enthält überwiegend Obstbaumlisten und Bestellungen). Leopold Friedrich Franz hat viele relevante Unterlagen zerstören lassen. Vgl. Daniel 1983, S. 53 ff. Zudem sind wichtige Unterlagen beim Bombenangriff auf Zerbst 1945 zerstört worden. Vgl. für Weimar die bei Müller-Wolff 2007 (S. 326 ff.) abgedruckten Rechnungen, Akten und Bertuchs Berichte (Gartenbaumemoranden) aus dem Großherzogl. Sächs. Hausarchiv sowie die von Armin Tille abgedruckten Instruktionen Carl Augusts an Bertuch und die Gärtner Reichert, Gentsch und Bleydorn, die jedoch nur über den Sachstand und über Carl Augusts Sparsamkeit informieren (Tille 1930). Zu Muskau sind die in Hinblick auf

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von Anhalt-Dessau hat sich weder zu seinen gartenkünstlerischen noch seinen politischen Motiven geäußert. Von Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach sind zwar einige Briefe mit Andeutungen zu dieser Frage überliefert; in Hinblick auf das jeweilige Verhältnis zwischen Carl August und seinen Adressaten ist frei­lich meistens zu bezweifeln, dass es sich dabei um aufrichtige Bekenntnisse handelt. Zum gleichen Ergebnis führt eine nähere Untersuchung der Briefe Pücklers. Ebenso wie seine Andeutungen geben sie zwar Einblick in Pücklers Inszenierungen, lassen jedoch nicht ohne Weiteres ihren Sinn erkennen. Die Briefe der Gartenschöpfer sind gleichwohl die wichtigste Quelle zur Erforschung ihrer Vorstellungen und Motivationen. Ein Großteil von Carl Augusts und Pücklers Briefen ist erhalten und sogar ediert.78 Beide haben viel geschrieben und sich dabei auch persön­lich geäußert; mittels semantischer Analyse und der Suche nach Motivwiederholungen und -häufungen lassen sich wichtige Rückschlüsse für die hier untersuchten Fragen ziehen. Für den Ilmpark sind außerdem Goethes Briefe und Tagebücher von Interesse.79 Weit schwieriger ist die Annäherung an Leopold Friedrich Franz. Er hatte zwar eine Vielzahl an Korrespondenzpartnern; in den bisher bekannt gewordenen Briefen sowie den im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHASA), Abteilung Dessau, aufbewahrten Briefentwürfen ist indes kaum eine spezifische Persön­ lichkeit zu erkennen. Sie haben offenbar in erster Linie eine phatische Funktion, d. h. sie dienen vor allem der Bewahrung von Beziehungen; was Leopold Friedrich Franz wirk­lich mitzuteilen hatte, ist in Andeutungen verborgen oder wurde von ihm auf persön­liche Treffen verschoben.80 Pücklers Intentionen und Auffassungen ebenfalls wenig aufschlussreichen Gärtner­ briefe zu nennen (vgl. Schäfer 2010). 78 Vgl. Carl August/Anna Amalia 1938, Carl August/Knebel/Herder 1883, Carl August/ Goethe 1915, Carl August 1918, Carl August 1958, Pückler 1873–1876/1–9. Zudem werden hier einzelne ungedruckte Briefe aus dem Bestand Bertuch im Goethe-undSchiller-Archiv (GSA) Weimar (06) sowie aus dem als Mikrofiche in Cottbus-Branitz zugäng­lichen Varnhagen-Nachlass (Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek) zitiert. 79 Johann Wolfgang von Goethe: Briefe an Charlotte von Stein. GSA 29/486 I, GSA 29/487 I, GSA 29/488 I, GSA 29/489 I, GSA 29/490 I; Goethe WA IV.3, WA IV.11; Goethe Goethe 1998 – 2008/1 – 20. 80 Vgl. die Korrespondenz des Fürsten Leopold Friedrich Franz in LHASA, DE, Abt. Dessau, Z44, A 10; den im Weimarer Goethe-und-Schiller-Archiv überlieferten Briefwechsel zwischen Leopold Friedrich Franz und Bertuch hat Erhard Hirsch ediert. Vgl. Hirsch 2001. Viele Briefe des Dessauer Fürsten haben jedoch seine Nachfolger zerstört, wie Hirsch (ebd., S. 161) informiert.

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Mehr Ansatzpunkte bietet die vom Wörlitzer Propst Friedrich Reil 1845 verfasste Biografie des Fürsten, die auf Notizen von Gesprächen beruht, die ­Leopold Friedrich Franz um 1810 mit Reil geführt hat. Der große zeit­liche Abstand, die fehlende kritische Distanz zum verehrten Fürsten wie sein offenkundiger Bezug auf die politischen und gesellschaft­lichen Zustände in Anhalt um 1845 machen sie allerdings auch zu einer nur bedingt geeigneten Quelle. So gesteht Reil selbst ein, dass er „zuweilen, wie Göthe, zur Dichtung, zur Divination [s]eine Zuflucht nehmen“ musste, weil sich Leopold Friedrich Franz über viele Dinge nicht sehr deut­lich geäußert habe: „Der Fürst“, so berichtet Reil in der Vorrede zu seiner Biografie, „gab Sich selten die Mühe, Sich immer ganz und deut­ lich auszusprechen, noch war es zu erwarten, daß Er allemal Sein ‚Geheimniß‘ offenbaren würde“.81 Er sei überdies in einigen Punkten offensicht­lich nur ein schlechter Zeuge für sein eigenes Leben gewesen, weil er im Alter – als Reil ihn kannte – Dinge vergessen oder verwechselt habe. Dennoch lässt sich an Reils Biografie nicht vorbeigehen, und in verschiedenen Punkten lassen andere Indizien annehmen, dass Reil zumindest in einigen Teilen tatsäch­lich „die eigenen Worte, eigenthüm­lichen Ausdrücke und Wendungen aus den Gesprächen und Unterhaltungen des Fürsten mit mir und Anderen genau beibehalten“ hat.82 So sind etwa aller Wahrschein­lichkeit nach die mehrfach zitierten Naturme­ taphern authentisch, durch die sich die auch durch andere Quellen belegte enge Verbindung des Fürsten zu den Philanthropisten bestätigt – Reil war zu jung, um gedank­lich so sehr von der philanthropistischen Vorstellungswelt geprägt zu sein. Die Schriften der Philanthropisten haben sich dann auch als hilfreicher Bezugsrahmen für die Rekonstruktion der Gesellschaftsvorstellungen des Fürsten erwiesen, vor allem in gemeinsamer Lektüre mit der zweibändigen Sammlung landesherr­licher Verordnungen des Fürsten.83 Für eine Erkundung des geistigen Horizonts der Gartenschöpfer wird hier deshalb ein genauerer Blick in die Lektüre der Fürsten als sinnvoll erachtet, insofern sie in ihren Selbstäußerungen auf einzelne Texte verweisen oder in ihren Gartengestaltungen literarische Motive zitieren. Die Lektüreerfahrungen von Leopold Friedrich Franz lassen sich aus dem mittlerweile veröffent­ lichten Verzeichnis der in der Bibliothek des Wörlitzer Schlosses aufgestellten Bücher, aus den in der Bibliothek angebrachten Porträts von Dichtern und Denkern sowie aus einem im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHASA) 81 Reil 1845, S. VIII. 82 „…woran Jeder, der ihn gekannt und mit ihm in näherer Verbindung gestanden hat, Ihn sogleich wieder erkennen wird“ (ebd., S. IX). 83 Anhalt-Dessau 1784 und 1819.

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in Dessau aufbewahrten Verzeichnis von in das Wörlitzer Gotische Haus zu bringenden Büchern erschließen.84 Die Lektüren von Carl August und von Pückler sind teilweise in ihren Briefen bzw. Tagebüchern dokumentiert; zudem findet sich in Pücklers Andeutungen über Landschaftsgärtnerei mit dem einleitenden Zitat ein weiterführender intertextueller Verweis.85 Von Bedeutung ist die Untersuchung der Lektüren, weil sie an einigen Punkten Aufschluss über die bei der Gartengestaltung verfolgten Ideen gibt (wie in Bezug auf das Thema Einsamkeit im Wörlitzer Park, das sich von ­Zimmermann geprägt zeigt) oder weil Carl August und Pückler Rollenvorbilder in Literatur finden (z. B. in Goethes Gottfried von Ber­lichingen oder in Eugène Sues Arthur).86 Für die Auseinandersetzung mit Leopold F ­ riedrich Franz sind zudem die Tagebücher von Interesse, die von Begleitern auf ­seinen Reisen verfasst wurden.87 Den weitaus größeren Fundus an historischen Texten zu den drei Gärten und ihren Schöpfern bilden aber die Rezeptionszeugnisse.88 Viele Zeugnisse informieren allerdings weitaus mehr über das Denken und die Wünsche ihrer Autoren als über die Gärten oder ihre Schöpfer. Als Beleg für eine bei einem Gartenschöpfer vermutete Intention funktionieren sie in den seltensten F ­ ällen. Eine Sonderrolle nimmt August Rodes Wörlitzführer ein, weil bisher nicht geklärt werden konnte, ob Leopold Friedrich Franz Einfluss auf diese Arbeit seines Hofrats genommen hat.89 Er ist im Sinnhorizont der Gartenliteratur geschrieben und kann so mög­licherweise als bewusste Rezeptionslenkung durch den Fürsten verstanden werden. Eine wichtige Gruppe an Quellen bilden zudem die Rezensionen zu P ­ ücklers Büchern und seine Darstellung in literaturhistorischen Werken seiner Zeit. Noch deut­licher als in den Zeugnissen zu seinem Park zeigt sich in ihnen, dass Pückler seinen Ruhm in den 1830er-Jahren vor allem der Tatsache verdankt

84 Wörlitzer Bibliothek 1778 und: Verzeichniß einiger Bücher und Kupferstiche, w ­ elche des regierenden Fürsten Hochfürstl. Durchl. von der, alhier aus der Fürstl. Regierung befind­lichen Bibliothek befohlen haben (1789) (LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14 Nr. 5). 85 Vgl. Kap. 4.3., Abschnitt: Der ­Nutzen der Schönheit. 86 Vgl. Kap. 2.3., Abschnitt: „Einigkeit und Ruhe“; Kap. 3.1., Abschnitt: „... einen jungen Souverän bilden“ und Kap. 4.4., Abschnitt: Das bleibende ‚Programm‘. 87 Erdmannsdorff 1764, Berenhorst 1775, Louise 2007, Schweinitz (Hg.) 2004. 88 Einen Großteil der Rezeptionszeugnisse zum Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ hat Erhard Hirsch herausgegeben (Hirsch (Hg.) 2003 – 2008/1 – 5). Die meisten Zeugnisse zu Weimar und Muskau sind dagegen zerstreut. 89 Rode 1788 und 2008.

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hat, als Projektionsfläche für gesellschaft­liche Wunschvorstellungen zu funktionieren.90 Als interessegeleitet erweisen sich auch die Texte Eduard Petzolds, Leopold Schefers und Heinrich Laubes Texte über den Muskauer Park. Zum Umgang mit den Quellen

Diese Studie hat zugleich einen sehr engen und einen sehr weiten Blickwinkel. Es geht in ihr um den historischen Sinn dreier Gärten. Da er nur aus den Denk-, Wahrnehmungs- und Deutungsweisen ihrer Schöpfer erschließbar ist und diese nicht ohne die öffent­liche Meinung ihrer Zeit zum Thema Gartenkunst und Fürstsein historisch adäquat verständ­lich sind, geht es jedoch letzt­lich um eine Vielzahl von Themen: um Kindererziehung, ehe­liche Beziehungen und Sexua­ lität, öffent­liche und staat­liche Ordnung, individuelle Freiheit, den Sinn und die Rechte des Adels. Zur Untersuchung der drei Gärten ist folg­lich sowohl literatur-, ideen- und bildhistorisches als auch im engeren Sinn geschicht­liches Wissen, also eine interdisziplinäre Herangehensweise notwendig. Es werden hier jedoch nur das Wissen, nicht aber die Theorien und Methoden verschiedener Fächer in einer Perspektive gebündelt.91 Thema der Studie sind zwar Gärten und ihre adeligen Schöpfer, also Gegenstände der Kunst- und der Sozialgeschichte; Zugang und Erkenntnisziel sind jedoch literaturwissenschaft­lich geprägt. Im Zentrum steht die Interpretation von Texten bzw. von ‚bildsprach­lichen‘ Dokumenten. Es werden dabei nur Schlüsse aus dem gezogen, was mit Quellen belegt werden oder was als verläss­licher Erkenntnisstand angesehen werden kann. Der Zeugniswert der verwendeten Quellen wird hier durch drei Fragen überprüft: Von wem stammt eine Quelle? In w ­ elchem Zusammenhang steht sie? Worauf zielt ihr Autor (bewusst oder unbewusst) ab? Im Einzelnen geht es dabei um die s­ ozialen, funktionalen, ideengeschicht­lichen und mentalen Prägungen von Autoren, der Themen und Ideen, über die sie schreiben, sowie der Genres, der Metaphorik und allgemein der Sprache, die sie dafür verwenden. Ziel ist es, die impliziten Bedeutungen von Aussagen zu rekonstruieren und damit den ‚Zeitgeist‘ eines historischen Moments in seiner Eigenlogik und seiner „symbo­ lischen Energie“ nachvollziehbar zu machen.92 Von einem Großteil der zuvor referierten Veröffent­lichungen zu den drei Gartenschöpfern und ihren Gärten unterscheidet sich die hier vorliegende 90 Vgl. Kap. 4.2. 91 Vgl. dazu auch Roeck 2004, S. 79 ff. 92 Baßler 2001, S. 21. Referenzpunkt ist hier die Kulturauffassung von Stephen Greenblatt (u. a. Greenblatt 2001, vor allem S. 55 f.).

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Studie dabei durch eine Verschiebung der Perspektive: Statt um die Leistungen und Charakteristika, durch die die Fürsten und ihre Gärten aus ihrer Zeit heraus­ragen und die sie einzigartig und unvergleichbar machen, auf denen ­bisher überwiegend das Augenmerk lag, geht es hier um ihr Eingebundensein in ihre Zeit und Gesellschaft, um die Sozialisierungen und Traditions- sowie Bildungsorientierungen der Fürsten sowie um die Traditionsbezüge und zugleich das Innovative ihrer Gärten. Dabei wird nach Motivationen sowie Begründungs- und Handlungsmustern gefragt, die aus den historischen Quellen oft nur indirekt zu lesen sind, weil sie für ihre Verfasser selbstverständ­lich waren, die aber heute nicht mehr bewusst sind. In den Blickpunkt kommen Werte und Ideale, von denen das Handeln der fürst­lichen Gartenschöpfer und der Verfasser von Texten über Gärten und Fürsten geprägt war, die aber oft so vorgängig waren, dass sie sich selten explizit erklärt finden. Erkennbar werden sie durch die Auseinandersetzung mit den Gärten, die von den Fürsten geschaffen und von verschiedenen Autoren beschrieben und diskutiert wurden. Die folgenden Kapitel werden nachzeichnen, wie einzelne Gärten einerseits als Medium und andererseits als Projektionsfläche fungiert haben. An dem Handeln und Werten, das diese Gärten bedingt und ausgelöst haben, lassen sich breit geteilte Überzeugungen, Wünsche, Wert- und Normhaltungen zwischen Aufklärung und Vormärz sowie ihre Begründungen und Konsequenzen ablesen, die ohne Kenntnis der Gärten in Texten der Zeit oftmals nur ‚zwischen den Zeilen‘ zu finden und schwer zu entschlüsseln sind. Darüber hinaus lassen sich bei ihrer Untersuchung vielfältige, nur mit Blick auf gedruckte Texte kaum erkennbare Verhandlungen zwischen diesen Gruppen nachweisen, die auch für andere und übergreifendere historische Forschungen von Relevanz und Interesse sind. Ein Verständnis von den Gärten selbst ist ein wichtiger Schlüssel für das Verständnis der impliziten Bedeutungen der Texte in ihrem Umfeld.

1.4 Hintergründe Der Landschaftsgarten als Projektionsfläche für bürgerliche Utopien

Ein typisches Beispiel für die Sichtweise der Gartenliteratur des 18. Jahrhunderts auf Landschaftsgärten findet sich in August Lafontaines Roman Karl ­Engelmanns Tagebuch von 1800. An seinem Ende finden die beiden sich liebenden Protagonisten in der sehr passenden Kulisse des Wörlitzer Parks zueinander; in den Höhlengängen der Romantischen Partie wird dabei das

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Verwirrspiel um ihre Identitäten dramatisch gesteigert und gefühlreich aufgelöst, wobei der Sinn der Gartengestaltungen auf einen rein subjektiven Erlebnishorizont reduziert wird:93 Linchen und Rudeli standen in dem offnen Tempel der Venus, von der Abendsonne bestrahlt, und sahen unsren Umarmungen in dem Thale zu. Besser, sagte ich, könnten sie nicht stehen, als dort, von der Göttin der Liebe beschützt. Wir haben uns unter der Erde wiedergefunden, in den Thälern des Todes; und diese sehen wir dort oben, von dem hellen Lichte des Lebens bestrahlt. „Siehst du Bruder,“ rief der Wachtmeister, „daß ich Recht hatte, als ich sagte, ich würde sie erst unter der Erde wiederfinden? Jetzt haben wir uns, und sind glück­lich!“ Wir Alle umarmten einander.

Es handelt sich um eine besonders extreme Form der literarischen Aneignung eines realen Landschaftsgartens; dass der Landschaftsgarten in der Literatur als Kulisse, Folie oder Symbol verwendet wurde, war indes weit verbreitet. ­Dennoch lässt sich von dieser „Subjektivierung des Kunsterlebnisses“, wie sie in Texten wie Lafontaines Roman greifbar wird, nicht auf eine ‚Verbürger­lichung‘ der Gartenkunst schließen, wie es unter anderem wegen Rückerts Postulat vom republikanischen Charakter der Natur in seinen Bemerkungen über Weimar 1799 getan wurde.94 In d ­ iesem Rezeptionszeugnis wird der allgemein zugäng­ liche Ilmpark an einem Sonntag beschrieben, der als „republikanischer Festtag für ganz Weimar“ dargestellt wird:95 Was das Herz, Augen und Beine hat, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, wandelt in den vielfältigen Gängen des Gartens im fröh­lichen bunten Gewimmel frei und ohne Zwang durcheinander. Die Natur macht an ­diesem Orte und an ­diesem Tage alles gleich, wie das römische Karneval; und wiewohl mit den Hofleuten selbst, die hier erscheinen, die Etikette sichtbar mit auf- und abgeht, so geniert das doch den andern Teil nicht im geringsten, der sich an ­diesem Schauspiel von Herzen erlustigt. […] Der Fürst darf in der freien Natur nicht erscheinen; er darf nur als Mensch gegenwärtig sein, und alles, was ihn umgibt, muß den Widerschein einer freien führenden Seele, das Reinmensch­ liche zeigen, wenn es gefallen soll. Die Natur ist republikanisch und schüttelt Kronen, Fürstenhüte, Hofpracht und eitles Glanzwerk stolz und verschmähend von sich ab, und unser Herz ist nach ihrem Sinne geformt. Je einfacher, desto schöner, desto willkommener.

93 Lafontaine 1800, S. 289 f. 94 Klein 2003, S. 20. 95 Rückert 1800, S. 13 f.

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Rückert imaginiert den Garten als herrschaftsfreien Raum, oder genauer: als Raum, in dem die sonst geltenden Standesunterschiede und Machtstrukturen für die Zeit des Aufenthalts nivelliert werden (inwiefern das in Weimar zutrifft, wird hier im zweiten Kapitel genauer diskutiert werden). Eine ähn­liche Auffassung findet sich 1802 bei Karl Gottlob Schelle in seinem dem Fürsten von Dessau gewidmeten Buch Die Spatziergänge oder die Kunst spatzieren zu gehen, in dem der Autor Spaziergänge als das „angenehmste, was es für den freyen Menschen giebt“, beschreibt und den Landschaftsgarten deshalb zu einem „Ort der herrschaftsfreien Erziehung“ erklärt, wie Gamper Schelles Thesen zusammenfasst.96 Die vermeint­liche ‚Bürger­lichkeit‘ des Landschaftsgartens wird in der Forschung vor allem an formalen Aspekten festgemacht: an der Ganzheit und Würde der unbeschnittenen Bäume, der Freiheit von Wegen und Wahrnehmung sowie der Entlassung aus dem steifen, künst­lichen Benehmen, zu dem der formale Garten franzö­sischer Prägung angeb­lich gedrängt hatte.97 Die in der Literatur beschworenen Werte der Freiheit und Individualität sowie der ausgewogenen Würdigung von Seele, Geist und Körper schienen im Landschaftsgarten strukturell verankert;98 da er Selbstempfindung, freundschaft­liche Geselligkeit und ästhetischen Genuss, also bürger­lich-tugendhaftes Sein ermög­lichte, konnte er als Gegensatz zu adelig-prunkvoller Repräsentation und „höfisch-politischer Interaktionsrationalität“ erscheinen.99 Pauschale Kategorien wie eine teleolo­gisch und linear verstandene ‚Verbürger­lichung‘ verstellen jedoch den Blick auf den historischen Sinn von Landschaftsgärten.100 Viele Landschaftsgärten in Deutschland wurden 96 Gamper 1998, S. 183 (dort auch das Zitat aus Schelles Buch). 97 So sieht etwa Jürgen Landwehr den landschaft­lichen Park als „im Bürger­lichen angekommen“, weil er im Vergleich zum Barockgarten regellos und natür­lich wirke und weil er keine Übersicht und damit keine Überwachung mehr ermög­ liche (Landwehr 2007, S. 27). Vgl. ebenso Hermand 2005c, S. 101; Gamper 1998, S. 163 f.; Klein 2003, S. 20 f. 98 Vgl. Wurst 2011, S. 14 f. 99 Wegmann 1988, Überschrift Kap. 5. 100 Es wirkt in den Geisteswissenschaften offenkundig immer noch die Metanarration von der ‚Verbürger­lichung‘ nach, wie Ute Daniel erst in jüngerer Zeit kritisiert hat: „In the recent years, German historiography has grown tired of master narratives. Modernization theory has lost most of its followers, as has the assumption that a process of secularization has been going on since the 17th or 18th century. But one master narrative has survived, perhaps the oldest one, having emerged already in the 19th century. It tells the story of the process of bourgeoisification (Verbürger­lichung) that allegedly took place during the 18th century, a process that gave birth to German modernity in

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von Fürsten geschaffen, aber von Bürger­lichen oder Mitgliedern des niederen Adels beschrieben und bewertet. Ein bürger­liches Selbstbewusstsein lässt die Gartenliteratur indes nicht erkennen; die Autoren von Texten über Landschaftsgärten verstehen sich selbst vor allem als Menschen. Explizite Kritik wird nicht am Ständesystem insgesamt, sondern nur an einem einzigen Stand geäußert, näm­lich dem Hofadel; diese „negative Bezugsgruppe“ hatten „Kleinadel und Bürger gemeinsam“, wie Gerhard Sauder feststellt.101 Den breitesten Konsens fanden nicht die Wünsche nach einer völlig neuen Gesellschaftsordnung, sondern die nach einer Verbesserung der vorhandenen, und dazu sah man die Verdrängung des unmora­lischen und eigennützigen Hofadels als Grundvoraussetzung, wie Manuel Frey aus der Trivialliteratur des späten 18. Jahrhunderts schließt:102 Die Tugend wurde zum Instrument im ­sozialen und politischen Verdrängungswettbewerb. War der Adel als Stand erst einmal mora­lisch diskreditiert, dann konnte, ja dann musste das Bildungsbürgertum dessen früheren Platz an der Seite des Monarchen einnehmen, denn durch die unverbesser­liche Unmoral des Adels war ein Machtvakuum entstanden.

Fürsten wurden nicht kritisiert, aber:103 [h]inter dieser Fassade der Akzeptanz der bestehenden Herrschaftsverhältnisse ging man […] einen wichtigen Schritt weiter. Der Fürst war nur noch der Form halber der Träger der ausübenden Gewalt, in Wirk­lichkeit sollte die bürger­liche Fachgeschultheit, die Räte und Minister, alle Macht in den Händen halten. Das politische Ideal der Trivialautoren lief deshalb, wenn auch unausgesprochen, auf die Forderung nach einer ­konstitutionellen Monarchie hinaus, in deren Grenzen der Monarch die verfassungsmäßig verbrieften Rechte seiner Untertanen ­schützen sollte.

the following century. Today it seems that categories like bourgeoisie (Bürgertum) or working class have lost their attraction for many historians working on the 19th or the 20th century. Nevertheless the historiography of the 18th century clings to the labels bürger­lich (bourgeois), Verbürger­lichung or Bürgertum. And above all this seems the case with the topic of the public sphere and the enlightened societies in the 18th centuries.“ (Daniel 2002, S. 9). 101 Sauder 1981, S. 159. 102 Frey 1996, S. 512. Vgl. dazu auch Sauder 1981, S. 159 ff. Zur ökonomisch begründeten Adelskritik vgl. Conze/Meier 1972, S. 24 f. 103 Ebd.

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Pro forma wurde diese Vorstellung zwar seit 1815 erfüllt, als Verfassungen beschlossen und Adelsprivilegien beschnitten wurden. Eine auf Gleichheit beruhende bürger­liche Leistungs- und Bildungsgesellschaft entwickelte sich indes nur sehr langsam, vor allem da die Fürsten und Monarchen noch keines­wegs bereit waren, Macht und Kontrolle abzugeben und nur noch zu repräsentieren.104 Die Idee von einem verbesserten Fürstenstaat erschien dennoch für einige Jahrzehnte plausibel, weil mit dem Landschaftsgarten wie mit der Erziehung Instrumente zur Bewirkung dieser Verbesserung gefunden schienen. Viele Texte der Gartenliteratur fassen ihn deshalb nicht als mediales Kunstwerk auf, in das ihre fürst­lichen Schöpfer willkür­lich Botschaften einschreiben konnten, sondern als Konzentrat eigenständig wirkender Natur. So begründet beispielsweise Hirschfeld die Vorzüge von Gärten in seiner Theorie der Gartenkunst mit den gleichen Argumenten wie zwölf Jahre zuvor die des Landlebens.105 Nicht nur er schrieb dabei der natür­lichen Umgebung die Fähigkeit zu, den Menschen im Sinne einer empfindsamen Aufklärung verbessern zu können; eine Wirkung, die sich nun ebenso in fürst­lichen ­Gärten und auf Fürsten entfalten sollte. Hirschfeld glaubte, dass der Garten, und nicht der Fürst „eine sitt­liche Gewalt über die Gemüther der Bürger“ habe.106 Deut­lich in einen politischen Bezugsrahmen gestellt wurde diese Idee jedoch erst 1797 von August Hennings:107

104 Obwohl sich schon seit den 1790er-Jahren der Begriff ‚Staatsbürger‘ in der Literatur durchgesetzt hatte, blieben diese für ihre Beherrscher weiterhin ‚Untertanen‘, wie noch die Reden von Ernst August von Hannover und Friedrich Wilhelm IV. von Preußen bei ihren Regierungsantritten (1837, 1842) zeigen (vgl. Riedel 1972, S. 705). 105 „Von ­diesem süßen Genuß der Freyheit, der Aussichten, der Spaziergänge, der Luft, der Kühlung, des Wohlgeruchs mit ihren Vortheilen für den Geist und für die Gesundheit; von diesen frohen Umherirrungen und Zerstreuungen, diesen Belustigungen aller Sinne, dieser ruhigen Behagung des Herzens an den länd­lichen Scenen der Natur, d ­ iesem angenehmen Vergessen aller Sorgen und Unruhen der Welt, diesen stillen Betrachtungen des Geistes zu seinem und aller Wesen Urheber hinauf; von ­diesem zaubervollen Dahinschwärmen der Phantasie über Schönheit, Größe, Mannig­ faltigkeit, über Leben, Bewegung und Wonne der Schöpfung – und alles dieses mit einer unverstellten Wahrheit der Empfindung, mit einer Unschuld, worauf selbst der Vater der Natur mit Wohlgefallen herablächelt.“ (Hirschfeld 1779/1, S. 155). Vgl. zum Verhältnis zwischen Hirschfelds Landleben und seiner Theorie der Gartenkunst Breckwoldt 1995, Kap. 4. 106 Hirschfeld 1779/1, S. 157. 107 Hennings 1797, S. 20. Vgl. Wattenbach 1880.

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Wohl mög­lich ist es also, daß indem der politische Reformator vergebens daran arbeitet, eine Revolution in der Denkart der Menschen zu würken, unvermerkt die schöne Gartenkunst eine gänz­liche Reform in den Gesinnungen und in den Vorstellungen der Menschen würken wird.

Hennings schreibt hier zwar allgemein von den Menschen, meint aber, wie ein Blick in andere seiner Schriften dieser Zeit zeigt, besonders auch die Herrscher. Diese seien durch die unnatür­liche Lebenseinstellung, die Inkompetenz und den Egoismus des Hofadels verdorben; eine natür­liche Umgebung müsste sie dagegen zu guten Fürsten machen können, schließt Hennings in seinem Aufsatz über den Einfluß der Hofhaltungen auf das Verderben der Staaten:108 Könige müssen Menschen seyn, ehe sie Herrscher werden. Sie müssen in ihrem eigenen nähern Kreise wirksam seyn lernen, wenn sie in dem großen Kreise ihrer Nebenmenschen wirksam werden wollen. […] Es ist fast alltäg­lich zu wiederholen, wie abgestumpft oder unerfahren die mehresten Fürsten in dem eigent­lichen Genusse des Lebens sind. Man weiß wie schlecht ihre Tafeln besetzt; […] wie wenig ihre Gärten für sie blühen, und die Früchte kostbarer Treibereien für sie reifen. Und wie geschmacklos sind die Gärten der Beherrscher, so sehr sich auch der edle Geschmack wahrer Natur um Privatwohnungen und um die Sitze einiger Fürsten, wie zu Wörlitz […] verbreitet haben.

Zu Menschen würden die Herrscher also, wenn sie, wie im Wörlitzer Park, ‚wahre Natur‘ erlebten. Die Existenz von Gärten wie dem Wörlitzer zählt Hennings sechs Jahre später zu den „Ursachen, warum wir vorerst in Teutschland wohl keine gefähr­liche Haupt-Revolution zu erwarten haben“.109 In einem Aufsatz mit ­diesem Titel beschreibt er den Besitzer des Wörlitzer Parks, Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, als das Ideal aller aufgeklärten ­Wunschvorstellungen von einem Fürsten, da er ‚weise‘ und ‚gut‘ sei und völlige Meinungs- und Redefreiheit gewähre.110 Mit dieser Haltung und mit seinem Park sei er ein

108 Hennings 1792, S. 410 – 412 (Hervorhebung durch mich). 109 Hennings 1793. 110 „Wenige Meilen von da sieht man ein ruhiges, glück­liches Ländchen, von einem ­weisen und guten Fürsten regiert. Hier darf jedermann denken, reden und s­ chreiben, wie es ihm beliebt; An der Tafel des Herrn selbst wird ohne Scheu die Streitfrage ventilirt: ob das Volk glück­licher sey unter einer republicanischen, oder unter einer monarchischen Verfassung? Der Fürst sagt seine Meinung, wie jeder Andre und wird nicht selten überstimmt; […] und die eifrigsten Volks-Freunde in der Theorie sind practisch die treuesten Diener der monarchischen Gewalt. Der Fürst schläft ohne

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nachahmenswertes Beispiel dafür, wie in Deutschland „allen, der franzö­sischen Revolution ähn­lichen Begebenheiten“ vorgebeugt werden könne.111 Ein wesent­licher Grund für die Garteneuphorie und den so unerschütter­ lichen Glauben an die verbessernde Wirkung der Natur liegt in der bei Gebildeten und aufklärerisch Gesinnten aus Bürgertum und niederem Adel weitverbreiteten Angst vor einem gewalttätigen Umsturz und einer mög­lichen „Pöbelherrschaft“, der gegenüber die Fürsten Stabilität, Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten schienen.112 Dass viele Herrscher egoistisch, untalentiert und unwillig waren, wie es in Hirschfelds Landleben und in Hennings’ Aufsatz über den Einfluß der Hofhaltungen auf das Verderben der Staaten angeprangert wird, war sicher­lich vielen Zeitgenossen bewusst.113 Indem sie den Landschafts­garten aber nicht als Medium des Adels, sondern als Instrument der aufklärerisch wirkenden Natur ansahen, konnten sie eine Konfrontation mit den Herrschern vermeiden. Es war offensicht­lich leichter, eine bestimmte Gartengestaltung als ein bestimmtes Regierungshandeln zu fordern, und einfacher, die Fürsten von jener als von ­diesem zu überzeugen.114 Damit lässt sich aus der Gartenliteratur

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Unruhe und Angst und der Unterthan murrt nicht, giebt willig seine Beyträge zu den Staats-­Bedürfnissen her, glaubt vielleicht, daß manches besser eingerichtet seyn könnte, wie es ist, fühlt aber auch die Schwierigkeit einer plötz­lichen Abänderung und die Nothwendigkeit, in den mensch­lichen Anordnungen die Mängel bey den sichern Vortheilen mit in den Kauf zu nehmen.“ (Hennings 1793, S. 275 f.). Ebd., S. 278 f. Vgl. Frey 1996, S. 513. So heißt es bei Hirschfeld: „Besonders, ihr Lehrer junger Fürsten, […] vergeßt nicht, sie zuweilen aus dem Getümmel des Hofes aufs Land zu führen, und ihnen den Stand im rechten Lichte zu zeigen, der die nährt und schützt, von ­welchen er undankbar verachtet wird. Benehmt ihnen die unmensch­liche Einbildung, als wenn sie von einem andern Stoffe wären, als der Landmann […]. Überzeugt sie, wie grausam es sei, wenn der Fürst den Schweiß der Landleute in Üppigkeit und Wollust verschwendet, sie durch schwere Erpressungen erschöpft, und den letzten Rest ihres so sauer erworbenen Eigenthums vor ihren Augen mit frohlockendem Gepränge verpraßt […]. Laßt sie in die strohernen Hütten des Landmanns treten, seine schlechte Kost, seine dürftige Kleidung, sein hartes Lager sehen, und rührt ihre Herzen zum Mitleiden gegen ein Volk, dem für alle seine Mühseligkeiten so wenig übrig bleibt; leitet sie dabei auf die Erkenntnis der Pflichten, die sie den Menschen, und die sie der Vorsehung schuldig sind.“ (Hirschfeld 1776, S. 19 0 f.). Vgl. Siegmar Gerndts Anmerkung: „Wo der rationale Politiker resigniert, soll die irrationale Natur in gärtnerisch-ästhetischer Verbrämung ‚unvermerkt‘ den Wandel der Menschheit zum Guten, Wahren und Schönen herbeiführen. […] Die Flucht vor der realen Aktion in eine passivische Haltung, wie sie an sich schon in dem Wechsel

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viel über die Weltsicht, die Hoffnungen, Ideen und Wünsche der mittleren Schichten erfahren, jedoch nur wenig über die Vorstellungen und Absichten von fürst­lichen Gartenschöpfern. Der Landschaftsgarten als Repräsentationskunst

Gemeinsam ist den meisten Stilen und Typen von Gartenkunst eine hohe Ausdrucksfähigkeit. Es lassen sich dabei in der Gartengeschichte drei Formen ausmachen, in denen Gärten ­zeichenhaft wirken können: Ein Garten kann erstens Zeugnis ablegen über das zeitgenös­sische Verhältnis des Menschen zur oder sein „künstlerisches Selbstgefühl“ gegenüber der Natur,115 zweitens bestimmte Weltvorstellungen visualisieren, wie etwa mit dem ‚paradie­sischen‘ Grundmodell von Gartengestaltung (vier Abteilungen, in deren Mitte ein Brunnen ist),116 und drittens ganz konkrete Botschaften verschlüsseln wie in den ikonografischen Programmen, die sich in Gärten zwischen der Renaissance und dem 18. Jahrhundert häufig finden. Die zweite und dritte Mög­lichkeit wurde in der Gartenkunstgeschichte anscheinend besonders oft in den Gärten von Oberschichten und Herrschern realisiert. Lustgärten dienen in diesen Kreisen oft nicht nur dem Vergnügen und dem Naturgenuss, sondern auch der Exklusion, der Abgrenzung, der auratischen Aufwertung der eigenen Stellung und der Selbstinszenierung. So spielte etwa ähn­lich wie in der jüdisch-christ­lichen auch in der babylonischen Schöpfungsgeschichte ein Garten eine Rolle. Im Glauben der Babylonier wurde aber nicht die Menschheit insgesamt, sondern zunächst nur der König in einem Garten erschaffen. D ­ iesem wurde deshalb als „agent of the gods“ eine Mittelstellung zwischen Göttern und Menschen zugeschrieben, wie John van Seters rekonstruiert hat.117 Ebenso wie in der Babyloner Kultur Tempelgärten als Ort der welt­lichen Immanenz der Götter galten, wurde der (abgeschlossene) Palastgarten als geeigneter Aufenthaltsort für den halb mensch­lichen, halb gött­lichen König verstanden. Eine ähn­liche numinose Gartenauffassung rekonstruiert Wolfgang Fauth für Persien, wo der könig­liche Lustgarten mit seiner „von Gottheiten geschützte[n] und gemehrte[n] Fülle der Früchte“ wahrschein­lich „modellartig die lebensspendende Potenz des Königs veranschau­licht und so gleichsam die Fertilität vom formalen Park zum Landschaftsgarten liegt, bekommt eine neue Dimension: Die Erwartung des ­sozialen Heils durch Versenkung in die Natur.“ (Gerndt 1981, S. 116). 115 Grisebach 1910, S. VI. Vgl. auch Gebhard 2002, S. 7. 116 Vgl. Kluckert 2008, S. 9 f. 117 Vgl. das und das Folgende Seters 1989, S. 338; Dietrich 2001, S. 291 ff.

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des ganzen Landes repräsentiert“ hat.118 Die könig­lichen Gärten ließen sich, so Fauth, als „ma­gische Kraftreservoirs“ für den „werkenden, aus seinem Inhalt sich labenden, damit seine charismatischen Energien auffrischenden und an das von ihm regierte Volk vermittelnden“ König verstehen. Im Lustgarten wurden also dem König das Leben bzw. Kraft und gött­licher Segen zuteil; Stellung und Macht des Königs konnten so als gottgegeben und legitim erscheinen. Als weit welt­licher, aber ebenso repräsentativ und wirkungsvoll zeigen historische Quellen die Lustgärten im spätrepublikanischen und kaiser­lichen Rom.119 Von einem Beispiel berichtet Plutarch in seiner Biografie des Lucullus, in der er schreibt, dieser habe sich durch seine Gärten „die Bewunderung des gemeinen Volks“ erworben – und darüber politischen Einfluss nehmen können.120 Andere römische Texte aus der Kaiserzeit zeichnen Landsitze und ihre Gärten als Orte, mit denen die römische Oberschicht ihre sitt­liche und mora­lische Überlegenheit symbolisierte und die damit als ein Argument in der Auseinandersetzung um die Machtverteilung zwischen Kaiser und Senat dienten.121 Nicht nur Kaiser Augustus antwortete darauf ebenfalls gärtnerisch, wie Katherine T. von ­Stackelberg aus Vergils Georgica schließt:122 Augustus’ creation of public garden space was a material expression of concern for the public wellbeing, and also the medium for his symbolic self-representation as the ideal citizen, cast as both soldier and farmer.

Ein Beispiel für die Verschlüsselung spezifischer Botschaften im Garten findet sich in Kaiser Hadrians Garten um seine Villa in Tivoli. Wie Stackelberg nachzeichnet, sollten die dort aufgestellten Denkmäler ganz verschiedener Kulturen des römischen Imperiums seine Stellung als Kaiser stärken:123 Visitors to the villa grounds encountered a memory theater that redefined the Mediterrenean as an imperial panopticum. The grounds of Hadrian’s Villa reflected his consummate power over the empire as heir to the deified Trajan.

118 Fauth 1977, S. 27, 28 und 32. 119 Zur römischen Repräsentationskunst insgesamt vgl. einen Beitrag von Tonio ­Hölscher, der Erkenntnis gewinnend den Zeugniswert von repräsentativen Kunstwerken diskutiert (Hölscher 1980). 120 Plutarch 1778, S. 520. Vgl. dazu Wallace-Hadrill 1998, S. 3 f. 121 Vgl. Wallace-Hadrill 1998, S. 2 und 6; Frass 2006, S. 2 ff. und 188. 122 Vgl. Stackelberg 2009, S. 78 ff., Zitat S. 89. 123 Ebd., S. 85 f.

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Eine ähn­liche Funktion hatten Lustgärten in der Frühen Neuzeit, vor allem in der italienischen Renaissance.124 Viele Schöpfer von Landschaftsgärten – insbesondere aus den Kreisen der eng­lischen Oberschicht, in dem dieser Gartentypus geprägt wurde, aber auch Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau – kannten die italienischen Renaissancegärten, wie John Dixon Hunt nachweisen konnte, und sie waren bei ihren Besuchen offenbar weniger von formalen Aspekten als von ihrer Wirkung und ihrem Ideengehalt fasziniert.125 Ebenso bekannt war die im 16. Jahrhundert wiederentdeckte Hadriansvilla. Zudem war die römische Antike fester Bezugspunkt für die Eliten, um die es hier geht; die Werke, aus denen die heutige Forschung auf Sinn und Funktion der römischen ­Gärten schließt, waren auch im 18. Jahrhundert breit bekannt und einflussreich.126 Dieser kursorische Blick in die Gartenkunstgeschichte führt zu der dieser Studie zugrunde liegenden Vermutung, dass sich symbo­lische Gartengestaltungen und besonders die Nutzung von Gärten zur Verschlüsselung von Botschaften besonders oft dann finden, wenn Herrscher oder Führungsschichten einen Anspruch auf Macht und Einfluss durchzusetzen versuchen. Die gärtnerische Inszenierung bestimmter Weltbilder dient dann dazu, die Stellung, Haltungen und Ansprüche des Gartenbesitzers als gottgewollt oder naturgemäß darzustellen; Gartenbesitzer versuchten offenkundig immer wieder, die positiven Konnotationen des Gartens zu ­nutzen, um sich aufzuwerten. Dass die frühen eng­lischen Landschaftsgärten hochsymbo­lisch gemeint waren und komplexe ikonografische Botschaften enthielten, muss beim derzeitigen Erkenntnisstand nicht mehr diskutiert werden. Mit der Entwicklung zu einem eigenen, als allgemeingültig wahrgenommenen landschaft­lichen Stil 124 Wie beispielsweise ein Blick auf die Gartengestaltungen der Medici zeigt, über die Terry Comito schreibt: „Der Mythos des Goldenen Zeitalters war für die Propaganda der Medici von besonderer Bedeutung und diktierte sowohl die Anlage der Villa in Poggio a Caiano für Lorenzo den Prächtigen wie auch der Villa in Castello für Herzog Cosimo I. […] Bezeichnenderweise offerierten humanistische Programme keine pastorale Flucht in ein Reich des nur Pittoresken, sondern, im Gegenteil, eine Wiederherstellung kosmischer Fülle und Perfektion, die zum Maßstab für die Größe des Gartenbesitzers wird.“ (Comito 1993, S. 36 f.). Vgl. zudem den Beitrag von Lionello Puppi im gleichen Band, der auf die besondere Bedeutung von herrscher­lichen Statusrepräsentationen in den italienischen Gärten des 16. Jahrhunderts hinweist (Puppi 1993). 125 Vgl. Hunt 1986, S. 3 ff. 126 Insbesondere Plutarchs Biographien, Vergils Georgica, die Naturalis historia von P ­ linius dem Älteren und die Briefe von Plinius dem Jüngeren. Vgl. Richardson 2007, S. 171 f., 194 f., 275 f. Zur Vorbildwirkung der römischen Senatoren auf den frühen Landschaftsgarten schaffenden Kreis in England vgl. Buttlar 1981, S. 148 ff.

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entstanden aber auch Landschaftsgärten, die nur noch kommunizierten, dass ihre Besitzer den neuesten Geschmack kannten und beherrschten. Das heißt nicht, dass damit die traditionellen Optionen von gartenkünstlerischer Botschaftenvermittlung völlig verdrängt wurden, wie es in der Forschung lange aus der Sichtweise der Gartenliteratur geschlossen wurde (und teilweise noch wird).127 Dabei berief man sich unter anderem auf Texte wie Horace Walpoles Essay on Modern G ­ ardening von 1785. Darin hatte Walpole behauptet, dass William Kent den neuen natür­lichen Stil erfunden habe und dass dieser zum ersten Mal in der neueren Garten­geschichte nicht der Machtdemonstration diene:128 Art, in the hands of a rude man, had at first been made a succedaneum to nature; in the hands of ostentatious wealth, it became the means of opposing nature; and the more it traversed the march of the latter, the more nobility thought its power was demonstrated.

127 Vgl. dazu auch die Anmerkungen des renommierten eng­lischen Gartenhistorikers John Dixon Hunt, der schon 1986 einen vorurteilsloseren und kritischeren Blick auf die Gartengeschichte gefordert hat: „The English landscape garden has usually been treated as an exciting new phenomenon at the start of the eighteenth century when a reaction set in against the excessive implementation of French and Dutch garden styles. At its best this view acknowledges that the ‚new‘ style owed some occasional debts to the past; at its worst applauds a creation sprung fully armed from the heads of Shaftesbury, Addison and Pope. […] But this emphasis upon the new gardening’s natural progression is also a striking example of history written in the light of sub­ sequent events. This has been called a ‚mythology of prolepsis‘. It allows the outcome of events to explain their early and intermediate stages, for such a mythology sanctions a teleological perspective upon the past. Garden history has been caught tenaciously in the spell of such prolepsis.“ (Hunt 1986, S. 180). An­zeichen für eine politische Instrumentalisierung von Gartenkunst sieht auch Jerzy K. Kos in der schle­sischen Gartengeschichte nach 1741 (Kos 2013). 128 „Mr. Kent invented the new style“ (Walpole 1785, S. 51 und 19). Ähn­liches ist bei Hirschfeld in seiner Theorie der Gartenkunst zu lesen, der darüber hinaus postuliert, dass der Landschaftsgarten allein von literarischen Ideen angeregt worden sei: „Indessen da die Schriftsteller der andern Nationen entweder ganz schwiegen, oder gelegent­lich in Werken, die von der Baukunst handelten, die alte Manier empfohlen, so fiengen die Britten an, nach und nach in Schriften das Wesen der Gartenkunst aufzuklären.“ Er nennt Bacon und Milton und fährt fort: „Addison folgte, und führte das, was Pope fast zu eben der Zeit durch seinen Spott zu bewirken suchte, durch seine männ­ liche Beurtheilung und seinen clas­sischen Geschmack der Vollendung näher entgegen. Von dieser Zeit an erhob sich eine merk­liche Revolution in der Gartenkunst.“ (Hirschfeld 1779/1, S. 121, 121 ff. und 125). Vgl. dort insgesamt Kap. II.2: Entstehung des neuen Geschmacks.

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Tatsäch­lich haben die Herrscher und die oberen Schichten der Frühen Neuzeit, wie Walpole zurecht anmerkt, ihren Status (und seine Legitimität) sowie ihre Ansprüche vor allem durch besonders artifizielle Formen der Selbst- und Weltgestaltung zum Ausdruck gebracht. Adelig sein hieß, hoch komplizierte Verhaltenscodes zu beherrschen, auf dem neuesten Stand der Mode zu sein, andere in Pracht und Aufwand zu übertrumpfen. Der Verzicht auf Pracht und augenschein­liche Naturbeherrschung, der den Landschaftsgarten kennzeichnet, kann aber ebenfalls – unabhängig von dem, was einzelne Gartenschöpfer sonst noch ikonografisch in ihre Gärten eingeschrieben haben – eine Botschaft über die Weltsicht des jeweiligen Garten­besitzers enthalten, die oft genug politische Implikationen hatte. Geändert haben sich auf dem Weg vom formalen zum landschaft­lichen Garten die Formen und Inhalte, nicht jedoch die Funktion von Gartenkunst. Das heißt nicht, dass jeder Garten eine politische Botschaft trägt – dennoch ist er traditionell ein Mittel, um Weltsichten und Anspruchshaltungen zu kommunizieren. Wie Richardson argumentiert, ist so auch Walpoles Behauptung, dass der Landschaftsgarten einen völligen Neuanfang in der Gartenkunst darstelle und in keinerlei Tradition stehe, als politische Aussage zu verstehen:129 The change in gardens was presented as a kind of aesthetic complement to the ‚revolutions‘ which resulted in Whig-backed monarchs taking the throne in 1689 and 1714. Later historians have tended to swallow whole the Whiggish claim that the naturalistic ‚freedom‘ of landscape gardens was a deliberate response to the straight lines and symmetry of the baroque gardens, reflecting the absolutist Catholic state of France under Louis XIV and what is seen as the complementary philosophy of René Descartes. This contrast between Protestant freedom and Catholic tyranny is an explanation that would suit a Whig politician, but it is not a reflection of the facts.

Fakt ist dagegen, dass schon im späten 17. Jahrhundert in Holland und ­England eine allmäh­liche Veränderung von Gartengestaltungen zu verzeichnen ist, die schließ­lich seit den 1720er-Jahren zur Entstehung des naturnahen, nicht geometrischen Landschaftsgartens geführt hat. Gesicherter Erkenntnisstand ist außerdem mittlerweile, dass diese Entwicklung in einem politischen Zusammenhang stand und dass gartengeschicht­liche Vorbilder Einfluss auf sie hatten.130 129 Richardson 2007, S. 107. 130 Vgl. ebd., S. 15 – 105; Williamson 1995, Kap. 3. Hunt zeichnet in seiner in Fn. 113 zitierten Studie den Einfluss der italienischen Renaissancegärten auf die Ausbildung des Landschaftsgartens nach und zeigt dabei vor allem auch, dass dieser weniger aus

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Zweifellos ist es bei der Einführung des Landschaftsgartens in Deutschland zu Modifikationen gekommen, wie Buttlar annimmt.131 Die repräsentative Tradition der Gartenkunst ist hier dennoch auch hier als mög­licher Bezugsrahmen in Betracht zu ziehen.

1.5 Der Landschaftsgarten als Medium: methodisch-theoretische Vorüberlegungen Den Landschaftsgarten als Medium aufzufassen, mag dennoch erklärungsbedürftig erscheinen. Ins Blickfeld der Mediengeschichte sind Gärten bisher allenfalls bei Anlegung eines sehr weiten Medienbegriffs gekommen, der nicht von den Rahmenpunkten Sender, Adressat und Code ausgeht, sondern den Garten als einen halb- oder unbewussten Ausdruck von Lebenshaltungen, Mentalitäten oder Überzeugungen der Menschen einer bestimmten Zeit begreift.132 Von dieser Auffassung unterscheidet sich der Ansatz dieser Studie grundlegend. Es geht hier stattdessen um funktionsgeschicht­liche Fragestellungen:133 Im Einzelnen wird gefragt, warum Gärten geschaffen wurden, warum in ihrer jeweiligen Form, was sie bedeuten sollten und was bestimmte Gestaltungen bedingt, begründet und beeinflusst hat (und warum sie eventuell anders verstanden wurden).134 Ziel ist dabei nicht form-, stil-, motiv- oder ideengeschicht­liche Systematisierung, sondern die Rekonstruktion des konkreten Inhalts und Sinns dreier einzelner Parks. Ausgehend von der Beobachtung, dass die Gärten von Herrschern und Oberschichten traditionell der Repräsentation dienten, also der Vermittlung von Botschaften über sich selbst, wird Gartenkunst hier als Medium aufgefasst. Es wird vermutet, dass auch fürst­liche Gärten im 18. und 19. Jahrhundert der Repräsentation dienen, dass sie also Botschaften über ihre Schöpfer enthalten, die entschlüsselt werden können. Entsprechend erkenntnisfördernd sollte es sein, Gärten im Bezugsrahmen eines Modells von Kommunikation zu betrachten, das von Kanälen ausgeht, durch die Sender auf einen Kontext

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formalen als aus ideellen Gründen seine Vorbildwirkung entfaltet hat (vgl. Hunt 1986, S. 3 ff.). Vgl. Buttlar 1981. Vgl. etwa Faulstich 1998, S. 195. Wie sie bisher vor allem Schweizer gefordert hat. Vgl. Schweizer 2008.

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bezogene Botschaften an Empfänger richten können, indem sie sie in einem Code verschlüsseln.135 Die hier untersuchten Gärten sind einerseits die Kanäle, durch die die Fürsten ihre Botschaften kommunizieren; auf der anderen Seite werden sie als Gegenstände der Botschaften ihrer Betrachter untersucht. Diese Herangehensweise ermög­licht eine genauere Betrachtung der einzelnen Gärten, da nur das als Botschaft aufgefasst wird, das einem bestimmten Sender zugeordnet werden kann und das in einem nachweis­lich angewendeten, ausreichend konventionellen Code verschlüsselt ist. Der Blick auf die frühneuzeit­liche Gartenkunstgeschichte macht es plausibel, die Besitzer von Gärten als die Sender ihrer Botschaften anzusehen, auch wenn sie zur Anlage des Gartens und zur Herstellung der Staffagen ausführende Künstler beschäftigt haben.136 Kontext ist ihr historisches Umfeld, die Traditionen, an die sie nachweis­lich anschließen, sowie die Ideen, Vorbilder und Personen, mit denen sie sich belegbar auseinandergesetzt haben. Da alle drei hier untersuchten Parks Fürsten gehörten, aber allgemein zugäng­lich waren, ist davon auszugehen, dass sowohl die Besucher des jeweiligen Fürsten als auch eine breitere bürger­liche und adelige Öffent­lichkeit als Adressat angesprochen werden sollten. Ein in der Frühen Neuzeit für die Verschlüsselung von Botschaften im Garten weitverbreiteter Code war die Ikonografie als ein „System der Bildsprache, das in seiner Eigenständigkeit verbaler Argumentation nicht nachstand“ – das allerdings um 1800 von anderen Kunstauffassungen (der Wirkungs- sowie der Autonomieästhetik) verdrängt wurde.137 Es wird hier deshalb 135 Vgl. dazu Schanze 2002, S. 200. Es wird dabei nicht behauptet, dass Gärten prinzipiell, immer und überall Medien waren und sind. Es geht hier um eine historische Perspektive, Z ­ eichen-, Medien- oder Kommunikationstheorie werden deshalb in ihren Grundzügen vorausgesetzt. Zur ­zeichen- und bildtheoretischen Begründung der Betrachtung von Bildern als ­Zeichen vgl. Schulz 2009, S. 54 ff., 72 ff. und 102 ff. 136 Vgl. dazu etwa Hueneke 2004, S. 209 ff. 137 Warncke 2005, S. 7 (Zitat im Text) und S. 8: „Bildern wurde generell ihr Sprachcharak­ ter abgesprochen, und die Gattungen der symbo­lischen und allegorischen Kunst der Renaissance- und Barockzeit kamen in Misskredit. […] Eine ganze Welt der Formen und ­Zeichen versank. Zwar lebte symbo­lisches und allegorisches Darstellen weiter, doch hatte sich ihr Verständnis grundlegend gewandelt. Die Prinzipien der Frühen Neuzeit waren mit den epochenspezifischen Gattungen u­ ntergegangen.“ Ausnahmen davon gab es auch in der Frühen Neuzeit, wie im Sacro Bosco in Bomarzo, bei dessen Gestaltung offenbar keine konventionellen Bild­zeichen zur Verwendung kamen und dessen Staffagen deshalb rätselhaft geblieben sind (vgl. Bredekamp 1991). Eine gute Einführung in Funktion und Wissen der Ikonografie bieten Büttner/Gottdang 2006; vgl. außerdem Roeck 2002.

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davon ausgegangen, dass sich um 1800 das Medium Gartenkunst verändert hat, dass es zu einem ‚Medienumbruch‘ gekommen ist.138 Gegen eine s­olche Betrachtung von Landschaftsgärten als Medium mag sprechen, dass sie von ihren Zeitgenossen offenbar nicht in dem hier umrissenen Sinn aufgefasst wurden und dass die Kommunikation durch den Landschaftsgarten deshalb stark störanfällig war, wie unter anderem die verbreitete Fehlinterpretation von fürst­lichen Parks in Deutschland als Gärten der Freiheit zeigt. Der Grund dafür liegt wahrschein­lich in dem Fehlen eines Konsenses über den anzulegenden Deutungsrahmen. So findet sich vor allem im Wörlitzer Park eine Vielzahl von ikonografisch verschlüsselten Botschaften in Staffagen, die jedoch die Besucher nicht erreichten, weil sie Staffagen als Empfindungsaus­löser oder als ästhetisches Kunstwerk wahrnahmen und deshalb nicht versuchten (oder sich weigerten), den Inhalt der Staffagen rational zu entschlüsseln. Im wirkungsästhetischen Rezeptionsmodus wurde zudem oft ausgeschlossen, dass es im Garten einen anderen ‚Sender‘ geben könne als die Natur (und damit Gott). Dass viele Besucher die hier untersuchten Gärten nicht als Medium wahrnahmen oder wahrnehmen wollten, heißt aber nicht zwangsläufig, dass sie nicht dennoch so intendiert waren und dass sie keine Botschaften ­enthalten, die mithilfe des geeigneten Codes und im passenden Deutungsrahmen entschlüsselt werden können. Dafür orientiert sich diese Studie an Erwin Panofskys ikonografisch-ikonolo­ gischer Methode, also dem Dreischritt aus Inhaltsbeschreibung, Rekonstruktion der historischen Bedeutung und Interpretation – allerdings mit Einschränkungen.139 Anders als bei seinem Ansatz geht es hier nicht um einen jenseits des Bewusstseins des Künstlers liegenden ‚Weltanschauungssinn‘, sondern um den Sinn und die Bedeutungen, die die Gartenschöpfer in ihre Gärten eingeschrieben haben.140 Mit Panofsky teile ich dagegen die Überzeugung, dass

138 Vgl. Käuser 2002, Leschke 2010, S. 39 f. 139 Vgl. Panofsky 2006. 140 Panofsky meint mit d ­ iesem „Weltanschauungssinn“ bzw. „Wesenssinn“ die „ungewollte und ungewusste Selbstoffenbarung eines grundsätz­lichen Verhaltens zur Welt, das für den individuellen Schöpfer, die individuelle Epoche, das individuelle Volk, die individuelle Kulturgemeinschaft in gleichem Maße bezeichnend ist“ (ebd., S. 1074). Es werden sich in dieser Studie eine ganze Reihe von ikonografischen ­Analysen und Interpretationen von Gartenszenen finden, die jedoch in zwei Punkten von Panofskys Prämissen abweichen: Zum einen wird dem grundlegenden Unterschied zwischen einem Bild und einem Garten Rechnung getragen. Während der Inhalt eines B ­ ildes fast zur Gänze den bewussten oder unbewussten Entscheidungen seines Malers

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diese sich nur durch „etwas bildungsmäßig Hinzugewusstes“ erschließen lassen, das in den meisten Fällen aus literarischen Quellen zu erfahren ist.141 ­Bloßen Speku­lationen wird auf diese Weise durch eine vor die Betrachtung der Gärten gesetzte genaue Erkundung des Deutungsrahmens der Gartenschöpfer – also ihres geistigen und persön­lichen Horizonts, ihres Wissens, ihrer Werte und Interessen – und durch eine sorgfältige Quellenkritik vorgebeugt. Die Gartenschöpfer werden dabei als Akteure verstanden, die über eine durch Sozialisierung, Lektüre und persön­liche Erfahrungen geformte Sichtweise verfügten und die, mehr oder weniger selbst reflektiert, etwas wollten – bestimmte Zugeständnisse, Akzeptanz, eine spezifische Wahrnehmung von zuzuschreiben ist, muss vor allem im Landschaftsgarten berücksichtigt werden, dass die Gartenschöpfer nur in einem beschränkten Maß die Entwicklung der Natur in ihm planen und kontrollieren konnten und dass zudem die konkrete Form vieler Staffagen in der Verantwortung der von den Gartenschöpfern beauftragten ausführenden Künstler lag. Das ist nicht problematisch, wenn eine Staffage in erster Linie dazu diente, eine Botschaft zu vermitteln. Ikonografisch formulierte Botschaften haben ebenso wie sprach­liche einen Spielraum in der Wahl der dafür verwendeten ­Zeichen, wie es beispielsweise aus Reils Erinnerung über das Verhältnis des Bauherrn des Wörlitzer Parks und den ausführenden Künstlern hervorgeht: „Wenn Er [der Dessauer Fürst, I. M.] etwas vorhatte und zur Ausführung bringen wollte, so sah Er es im Bilde schon dastehen, schon fertig. Wie Er es machen und bewerkstelligen sollte, das behielt Er für sich und schlug seinen Vertrauten nur so auf den Strauch. Diese, besonders von Erdmannsdorf, wußten Ihm Seine Ideen bald abzulauschen, brachten Ihn dann zum Sprechen und Mittheilen und schoben bald offener, bald versteckter ihre eigenen Ansichten und Pläne unter, die aber den Seinigen durchaus nicht schroff entgegenstehen oder durchkreuzen durften.“ (Reil 1845, S. 185 f.). Bilder sind zudem meistens an einem bestimmten Punkt ‚fertig‘, näm­lich wenn Künstler sie ausstellen oder an ihre Auftraggeber ausliefern. Die hier untersuchten Landschaftsgärten waren schon in einem relativ frühen Entwicklungsstadium für die Öffent­lichkeit zugäng­lich, die Zeuge der weiteren Gestaltungen wurde; sie waren also in jedem Moment zugleich fertiges Werk als auch Zwischenstufe. Diese Prozessualität lässt sich mit dem Werkverständnis der traditionellen Kunstgeschichte, von dem auch Panofsky ausgeht, nicht erfassen. Dazu kommt außerdem, dass es im Landschaftsgarten nicht nur ein Bild gibt, sondern sich dem durch den Garten bewegenden Betrachter eine Vielzahl von Bildern präsentiert. Diese drei Spezifika des Gartens stellen den Versuch einer vor-ikonografischen Beschreibung der einzelnen hier untersuchten Landschaftsgärten, wie sie Panofsky zur Voraussetzung für die Anwendung seiner ikonografisch-ikonolo­gischen Methode macht, vor kaum lösbare Schwierigkeiten. Deshalb findet sich hier keine vorangestellte Gesamtbeschreibung, wie sie in der Kunstgeschichte üb­lich ist. 141 Panofsky 1998, S. 1066.

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sich oder ein Verhalten ihnen gegenüber – und dieses Gewollte durch die Gestaltung ihres Gartens zu bewirken versucht haben. Es wird hier dabei von einer Vorstellung von Kultur als einem komplexen ‚Gewebe‘ ausgegangen und gleichsam versucht, die ‚Diskursfäden‘, die in ein Werk hinein- und aus ihm herausführen, zu erfassen.142 Die Gartenschöpfer kommen dabei als Akteure in den Blick, die mit mehr oder weniger Erfolg versucht haben, Bedeutungen zu beherrschen. Es werden die Reaktionen und Strategien nachgezeichnet, mit denen sie dem sich um 1800 vollziehenden Wandel der Deutungsrahmen begegneten, die ihre eigene herausragende und nur durch Geburt legitimierte Stellung in der Gesellschaft zunehmend fragwürdig machten. Es geht also zentral um Austauschprozesse im kulturellen Bereich und um das Verhältnis zwischen Kultur und Politik, zwischen politischer Macht und Deutungsmacht sowie um die Erinnerung an die Pluralität historischer Sichtweisen, die in den wissenschaft­lichen ‚Metanarrationen‘ des 19. und 20. Jahrhunderts oft verdrängt wurden.

142 Die sich den Überlegungen des New Historicism verdankt. Vgl. dazu Baßler 2001, S. 15 f.

2. Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und sein Wörlitzer Park

2.1 Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 – 1817): ein aufgeklärter ‚Landesvater‘ Anhalt-Dessau?

Anhalt-Dessau ist heute ein weitgehend vergessenes Land. Als Teil von Sachsen-­ Anhalt assoziieren viele damit eher den unglück­lichen Slogan vom Früher­ aufstehen als die erstaun­lichen historischen Leistungen, die in ­diesem politisch meist unbedeutenden Ländchen vollbracht wurden. So gehörten die Anhalter Fürsten (es gab mehrere Linien) zu den ersten Unterstützern der Reformation.143 Unter ihnen waren Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft und berühmte Generäle im brandenbur­gischen und später preußischen Heer – ­Leopold I. (der ‚Alte Dessauer‘) hat dort den Gleichschritt eingeführt und wichtige Schlachten gewonnen. Sein Enkel hat das sogenannte ‚Dessau-­Wörlitzer Gartenreich‘144 geschaffen, das heute Weltkulturerbe ist, ebenso wie das etwa ein Jahrhundert später nach Dessau gezogene Bauhaus. Hugo Junkers entwickelte hier seine berühmten Flugzeuge.145 Der Wörlitzer Park (erschaffen etwa 1764 – 1810), um den es im Folgenden gehen wird, ist einer der ersten deutschen Landschaftsgärten und er gilt als einer der hervorragendsten. Er ist der bedeutendste Park des ‚Dessau-Wörlitzer Gartenreiches‘, das heute wegen seiner „Verknüpfung landschaft­licher Gegeben­ heiten mit einem weitreichenden philosophisch-ethischen und pädago­gischen Reformprogramm von außergewöhn­lichem, universellen Wert“ geschätzt und

143 Vgl. Ev. Landes­kirche/Anhalt. Landesbücherei (Hg.) 1997. 144 Ich verwende hier die gängige Bezeichnung für alle kulturellen Schöpfungen, Ereignisse und Entwicklungen in Anhalt-Dessau unter der Regierung von ­Leopold ­Friedrich Franz. Sie geht zurück auf Carl August Böttigers Tagebuch seiner ­Wörlitzreise im Jahr 1797 (Böttiger 1797 S. 34). Vgl. zum Terminus ‚Garten­reich‘ auch Kleinschmidt/Bufe 1997, S. 11. 145 Vgl. Schlenker/Lehmann/Wille 1994.

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Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und sein Wörlitzer Park

anerkannt wird.146 Leopold III . Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, der es geschaffen hat, wurde von seinen Zeitgenossen als „vortref­licher Regent“ gepriesen, als „Abgott seiner Unterthanen“, „der erste Weise unter den Menschen­ kindern“ oder als „Philosophenfürst“, dem „in der charakteristischen Geschichte deutscher Fürsten eine der ersten Stellen“ zustehe, um nur einige der vielen Elogen zu zitieren.147 Der „außergewöhn­liche“ Wert seiner Leistungen war indes anscheinend nicht so universell, wie heute oft angenommen wird, denn schon am Ende seines Lebens waren der Dessauer Fürst und sein ‚Gartenreich‘ vergessen oder zumindest für die Zeitgenossen völlig uninteressant geworden.148 Dreißig Jahre nach seinem Tod klagt sein Biograf Reil deshalb:149 Deutschland, dessen Liebling der Fürst Franz von Deßau noch vor funfzig Jahren war, hat Ihn ganz vergessen; die Zeitumstände haben Sein Andenken aus dem Gedächtnisse der Menschen verdrängt, und es hat mich oft befremdet und schmerzhaft berührt, wenn ich auf meinem Lebenswege sogar Gelehrte und wissenschaft­lich gebildete Männer antraf, ­welchen ich doch Kenntniß der Geschichte, der Aufklärung und Entwickelung mensch­licher Kultur in Deutschland, wo der Fürst von Deßau auch ein Stern unter Sternen glänzt, zutrauen durfte, die so wenig von Ihm und Seiner Wirksamkeit w ­ ußten, daß sie die wissenschaft­lichen und Wohlthätigkeits-Anstalten, die Kunstwerke und Naturverschönerungen des Deßauer Landes keinem Andern, als dem weltberühmten Fürsten Leopold, dem Sieger bei Kesselsdorf zuschrieben. S­ olchen Unkundigen begegne ich leider! noch alle Tage…

Wer war also dieser Fürst von Dessau? Was hat er getan, um erst so berühmt und dann so vergessen zu werden? Und warum verloren die Menschen im 19. Jahrhundert auch den Geschmack an seinem heute wieder so beliebten Wörlitzer Park? ­Welche Bedeutung hat der Park?

146 Weiss 2006, S. 13. 147 Anonym 1808, Sp. 877; Mecklenburg-Schwerin 1796, Sp. 491; Winckelmann zit. nach Hirsch 2003, S. 229; Riem 1797, Sp. 515. 148 Siehe Kap. 2.4. 149 Reil 1845, S. VI.

Ein aufgeklärter ‚Landesvater‘

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Das Werden eines aufgeklärten Fürsten

Über die Kindheit und Jugend von Leopold Friedrich Franz 150 ist nur wenig bekannt. Er erhielt anscheinend eine für die Zeit gewöhn­liche Hofmeister­ erziehung.151 Schon im Alter von elf Jahren verlor er beide Eltern; sein Onkel, Prinz Dietrich von Anhalt-Dessau, wurde sein Vormund. Vielleicht hat er die so einzigartige spätere Entwicklung seines Neffen mit angestoßen – wir wissen es nicht, da es keine Quellen dazu gibt. Seit seinem zwölften Lebensjahr diente Leopold Friedrich Franz – wie alle anderen männ­lichen Mitglieder seiner Familie – in der preußischen Armee.152 1756 lernte er den jungen säch­sischen Adeligen Friedrich Wilhelm von ­Erdmannsdorff kennen und fasste zu ihm eine lebenslange Freundschaft; mit ihm unternahm er später seine großen Reisen und Erdmannsdorff, der sich auto­didaktisch zum Künstler und Architekten gebildet hatte, entwarf einen Großteil der neuen Gebäude des von seinem fürst­lichen Freund erschaffenen ‚Gartenreichs‘. Als Siebzehnjähriger bat Leopold Friedrich Franz, mitten im Siebenjährigen Krieg, aus gesundheit­lichen Gründen um seine Entlassung aus dem preußischen Heer. Nachdem Friedrich II. von Preußen ihm diese gewährt hatte, ließ er sich vom Kaiser für volljährig erklären. 1758 übernahm er die Regierung von seinem Onkel. Die erste Regierungshandlung des Achtzehnjährigen war, sein Land für neutral zu erklären, um zu verhindern, dass es im Konflikt zwischen Preußen und dem Reich aufgerieben würde.153 Danach wurde es erst einmal wieder still um den jungen Herrscher des kleinen, eher armen Fürstentums Anhalt-Dessau. Dass sein Name später in ganz Deutschland bekannt und berühmt sein sollte, zeichnete sich hier noch nicht ab. Zu bemerken ist höchstens, dass er sich von Anfang an tatsäch­lich um die Regierung seines Landes kümmerte – ein eigener Herrschaftsentwurf ist hier jedoch noch nicht zu erkennen. In den ersten Jahren seiner Regierungszeit erließ er Verordnungen gegen Störungen der allgemeinen Ordnung und gegen einzelne Missstände. Die Einführung einer Regierungszeitung lässt einen Willen zu größerer Effizienz des eigenen Regierungshandelns vermuten. Oft wird behauptet, dass die schon früh vorgenommene 150 Vgl. zu seiner Bezeichnung als Leopold Friedrich Franz Fn. 44. 151 Vgl. zur Erziehung des Erbprinzen Anonym 1817a, S. 245; Siebigk 1883, S. 165 und Hirsch 2003, Kap. 3.1. 152 Siebigk 1883, S. 165. Vgl. zur Tradition des Engagements der Anhalt-Dessauer Fürsten und Prinzen in der preußischen Armee Niedermeier 2008b, S. 64 ff. 153 Als Kompensation forderte Friedrich II. hohe Kontributionszahlungen (Niedermeier 2008b, S. 68 f. und Weiss 1997, S. 32).

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Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und sein Wörlitzer Park

Abschaffung des Fronpfennigs ein Beleg für seine konsequente Aufklärungsorientierung sei; Leopold Friedrich Franz begründete sie allerdings ledig­lich damit, dass der Aufwand des Einsammelns für die Höhe der Abgabe zu groß sei.154 Einen ersten Einschnitt erfuhr dieses langsame Herantasten an die eigene Identität als Herrscher durch eine Reise nach den Niederlanden und England, die Leopold Friedrich Franz mit einigen Vertrauten von 1763 bis 1764 unternahm. Es war seine erste weitere Reise, nachdem er bis dahin Anhalt-Dessau wohl nur für Aufenthalte in Potsdam und in preußischen Heerlagern sowie für Besuche an benachbarten Fürstenhöfen verlassen hatte, und sie hat seinem Leben und Denken offenkundig entscheidende Impulse gegeben. Nach der Rückkehr versuchte Leopold Friedrich Franz sich an einer Reform des Armenwesens, indem er nach eng­lischem Vorbild in Dessau ein Armen- und Arbeitshaus gründete.155 Die ebenfalls im Anschluss an diese Reise begonnenen Gestaltungen am Wörlitzer See könnten vermuten lassen, dass sie ihn auch zur Anlage des Wörlitzer Parks inspiriert hat.156 Doch dass Leopold Friedrich Franz auf dieser ersten Reise so bedeutende Gärten wie Stowe, Claremont, Painshill und Rousham gesehen hat, lassen diese ersten, eher kleinteiligen Gestaltungen um den Wörlitzer See nicht erkennen.157

154 Vgl. Anhalt-Dessau 1784, Nr. 25: Feuer-Ordnung der Stadt Dessau (1761), S. 35 f. 155 Vgl. Hirsch 2003, Kap. 4.1. Mög­licherweise wurde Leopold Friedrich Franz dabei von dem in Greenwich besichtigten Royal Naval Hospital inspiriert, in dem alte oder arbeitsunfähige Seeleute sowie Witwen und Waisen von Seemännern versorgt wurden und an dem Erdmannsdorff die „derniere netteté“, also die größtmög­liche Sauberkeit lobt. Die Einrichtung einer zentralen Armenversorgung und das Verbot des Bettelns begründet Leopold Friedrich Franz mehrmals damit, dass das Betteln „zur Beförderung des Müssiggangs gereichet“. Ordnung und Fleiß, vermeint­lich typisch bürger­liche Werte, zeigen sich hier als obrigkeitsstaat­liche Interessen (vgl. Erdmannsdorff 1764, S. 47; Anhalt-Dessau 1784, Nr. 69: Project der Instruction wegen der nothdürftigen Versorgung der Armen in Dessau (1764), S. 136). 156 Entgegen der von Erhard Hirsch eingeführten und mittlerweile etablierten Redeweise von den ‚Wörlitzer Anlagen‘ wird hier vom Wörlitzer Park gesprochen. Hirsch begründet die Bezeichnung als ‚Anlagen‘ mit dem Verweis auf eine häufige Verwendung des Begriffs durch die Zeitgenossen und als sinnvoll in Hinblick auf die landwirtschaft­lichen Flächen, die in den Park hineinragen und in die er unabgegrenzt übergeht. Der Begriff ist aber problematisch, weil er – was für Hirsch ein weiterer Grund für seine Festlegung auf ihn ist – die Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit des Gartens betont. Hier geht es jedoch darum, den Park in die Gartengeschichte einzuordnen (vgl. Hirsch 1987, S. 184 f.). 157 Erdmannsdorff verzeichnete Besuche in Syon Hill, Syon House (umgebaut von Robert Adam), Wooburn Farm (der ersten ‚ornamental farm‘), Ham Farm, Oatland, Painshill,

Ein aufgeklärter ‚Landesvater‘

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Es wurden zu dieser Zeit auf der großen Insel im See (später als Neumarks Garten bekannt) sich schlängelnde Wege und intime Rasenplätze angelegt und am Südufer des Sees ein Goldfischteich ausgehoben; aus dem Aushub wurde ein Hügel geformt und mit Zedern bepflanzt. Mit einem Landschaftsgarten eng­lischer Prägung hat das wenig zu tun; es fehlte die Monumentalität eng­ lischer Landschaftsgärten, ihre weit schwingenden Wiesen und effektvollen ­Point-de-vues. Weit eher zeigt sich diese Anlage vom Geschmack des sogenannten Rokoko geprägt, also dem schon vom Formalen gelösten, aber eher verspielten, kulissenhaften Stil, der sich um die Jahrhundertmitte in Kontinentaleuropa durchzusetzen begann.158 Ein Grund dafür könnte sein, dass Leopold Friedrich Franz zwar eng­lische Landschaftsgärten gesehen und bewundert, sich jedoch noch nicht genauer mit ihren Gestaltungsprinzipien vertraut gemacht hat (und sie deshalb auch seinem deutschen Gärtner nicht verständ­lich machen konnte). Es ist allerdings auch eine zweite Interpretation dieser frühen Gestaltungen mög­lich. England und das Leben der eng­lischen Gentry haben ihn fasziniert, sodass er irgendwann den Entschluss fasste, mit seiner bürger­lichen Geliebten Johanna Eleonore Hoffmeyer nach England auszuwandern und seinem Bruder Hans Georg (genannt Hans Jürge) bei dessen Volljährigkeit die Herrschaft zu überlassen – so berichten es zumindest die Erinnerungen seiner Geliebten und auch Reil.159 Als regierender Fürst durfte er seine bürger­liche Geliebte nicht heiraten, vor allem nachdem sein Großvater schon einmal eine Ausnahme­ erlaubnis dafür bekommen hatte, wodurch das Ansehen der Askanier ohnehin noch angeschlagen war.160 Vor ­diesem Hintergrund lassen sich diese frühen Wörlitzer Gestaltungen auch als belanglose und verhältnismäßig preiswerte Unterhaltung verstehen, die die Zeit bis 1766, also bis zur Volljährigkeit Hans Jürges, überbrücken sollte. Friedrich II. von Preußen unterband diesen Plan jedoch, als er ­Leopold ­Friedrich Franz 1765 mitteilte, dass er Prinzessin Louise von ­Brandenburg-­Schwedt zu heiraten habe, eine Nichte des Königs und Cousine des Fürsten.161 ­Leopold Friedrich Franz wurde so gezwungen, in Anhalt-Dessau zu bleiben, und

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Esher Place, Claremont, Richmond, Chiswick, Windsor Lodge and Park, Ditchley House, Rousham, Stowe und Chatsworth (Erdmannsdorff 1764, S. 49 – 63). Ein Beispiel dafür ist der seit 1761 vom Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth, seiner Frau und seiner Tochter angelegte Schlosspark Fantaisie bei Bayreuth. Vgl. Reil 1845, S. 160 f.; Hoffmeyer 1772, Sp. 1112. Vgl. Sikora 2007. Vgl. Niedermeier 2008b, S. 71 f.

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anscheinend war das das ausschlaggebende Motiv für die Anlage eines ‚richtigen‘ Landschaftsgartens: ein eng­lischer Garten als Ersatz für ein Leben in England. Wohl aus ­diesem Grund ließ er nach der Verlobung mit Louise im Januar 1765 den Eng­lischen Sitz und damit die erste Staffage am Wörlitzer See errichten (der Sitz drückt offenbar die Verbundenheit des Dessauer Fürsten mit England und mit den aufgeklärten Kreisen aus, mit denen er dort verkehrt hatte). Vor der Eheschließung mit Louise, die im Juli 1767 in Potsdam vollzogen wurde, unternahm Leopold Friedrich Franz eine zweite Reise, die ihn zwischen 1765 und 1766 in die Schweiz, nach Italien, Frankreich und nochmals in die Niederlande und nach Großbritannien führte. Ab 1767, dem Jahr nach der Rückkehr, ist dann ein stetiges Engagement für die Anlage eines Parks zu verzeichnen. So wurden 1767 am anderen Ufer des Sees das Nymphäum erbaut, 1769 der Grundstein für das Schloss im neopalladianischen Stil gelegt und am Deich die Goldene Urne über dem Grab der kurz nach der Geburt verstorbenen Tochter des fürst­lichen Ehepaars aufgestellt. Damit wurden zumindest in Nord-Süd-Ausrichtung die Koordinaten für die Ausdehnung des zu erschaffenden Parks festgelegt. Von seiner später so gerühmten Reformtätigkeit ist in den Jahren nach der zweiten Englandreise allerdings immer noch wenig zu bemerken. Die in den späten 1760er- und frühen 1770er-Jahren erlassenen Verordnungen unterscheiden sich nicht wesent­lich von denen der ersten Jahre seiner Herrschaft. Sie zeigen höchstens, dass er zunehmend genauer hinsah und sich mehr und mehr auch um Details persön­lich kümmerte, anstatt sie Untergebenen zu überlassen.162 Es ist dennoch anzunehmen, dass ihn seine Reisen nach England – also ins ‚Mutterland der Aufklärung‘ – stark geprägt haben. Vermut­lich hat sich ­Leopold Friedrich Franz, der nie institutionell ausgebildet wurde, jedoch zunächst darum bemüht, den Bildungsrückstand aufzuholen, den er gegenüber seinen meist studierten eng­lischen Bekannten hatte. Seine Lektüreerfahrungen hat er später in der Bibliothek im 1773 fertiggestellten Schloss präsentiert, in der die auf die Wände gemalten Porträts von Dichtern, Denkern, Künstlern und historischen Herrschern auf einen Fürsten verweisen, der im Sinne der Aufklärung gut sein will und dafür dem Beispiel und dem Rat von anderen folgt.163 Leopold 162 Wie etwa um den Raupenfraß an den Bäumen. Vgl. Anhalt-Dessau 1784, Nr. 54: Befohlnes Raupern (1769). 163 Diese Bibliothek ist ein vielschichtiger Symbolraum und damit eine wertvolle Quelle für die Rekonstruktion des Weltbildes und der Selbstinszenierung des Dessauer Fürsten, auf die hier auch an verschiedenen Stellen verwiesen wird. Vgl. dazu insgesamt Reimann 2004.

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Friedrich Franz hatte dabei ein breites Spektrum von Interessen; er hat sich mit Ökonomie, Landwirtschaft, Reisebeschreibungen, Archäologie, Naturwissenschaft und Philosophie auseinandergesetzt. Das 1778 erstellte Verzeichnis der Wörlitzer Bibliothek dokumentiert zudem seine Vertrautheit mit der deutschen, eng­lischen und franzö­sischen schöngeistigen Literatur seiner Zeit sowie mit den Werken der griechischen und römischen Antike.164 Dass Bildung ein zentrales Thema für Leopold Friedrich Franz war, lassen die Folgen seiner Begegnung mit Johann Bernhard Basedow vermuten. ­Basedow arbeitete gerade an seinem Aufsehen versprechenden Elementarwerk und reiste durch Deutschland, um für finanzielle Unterstützung dafür zu werben. L ­ eopold Friedrich Franz begriff die Gelegenheit und lud Basedow nach Dessau ein, um sein Buch zu beenden, aber vor allem um hier im Anschluss daran seine Theo­ rien in der ­Praxis zu erproben.165 Das Elementarwerk erschien 1774, im gleichen Jahr gründete Basedow seine Experimentalschule, die er Philanthropin nannte.166 Beides erhielt ein enormes und unerwartet positives öffent­liches Echo und erhöhte so auch das Ansehen von Leopold Friedrich Franz.167 Sein Engagement für den Philanthropismus 164 Vgl. Wörlitzer Bibliothek 1778. 165 Vgl. Basedow 1770 – 1771, Pinloche 1914, Machlitt 1974. 166 Leopold Friedrich Franz bezahlte die Gehälter der Lehrer des Philanthropins und überließ dem Philanthropin gebildete Hofleute als Lehrkräfte. Er war über die inneren Entwicklungen informiert. Nicht nur wichtige Entscheidungen wie die Installierung einer Konstitution, wie sie Campe 1777 versuchte, sondern auch ganz alltäg­liche Belange wurden dem Fürsten zur Entscheidung vorgelegt (LHASA, DE, Abt. Dessau, C 18b Nr. 34 Bd. 1, z. B. Bl. 25 ff., 75 ff.). Zum Einfluss des Philanthropismus auf die Bildungspolitik in Anhalt-Dessau vgl. Schöler 1957, S. 35 ff. 167 Zur Geschichte: Bis Ende 1775 führte Basedow die Geschäfte mit seinem Assistenten Christian Heinrich Wolke, der schon beim Elementarwerk mitgearbeitet hatte. Im Januar 1776 konnte Basedow zwei junge elsäs­sische Theologen, die sich für Pädagogik begeisterten und auf Anraten von Isaak Iselin nach Dessau gekommen waren, um im Philanthropin zu hospitieren, gleich als Lehrer verpflichten. Mit Johann F ­ riedrich Simon und Johann Schweighäuser begann die Expansion des Instituts, das nun mehr Schüler bekam (zuvor rekrutierte sich die Schülerschaft im Wesent­lichen aus der Verwandtschaft Basedows). Vom 13. bis 15. Mai 1776 veranstaltete Basedow ein großes, weithin bekannt gemachtes Schau-Examen, das jedoch sein Ziel, die ­Weimarer Kriti­ ker von sich zu überzeugen, verfehlte, da diese gar nicht erst kamen. Dafür ließen sich zwei Freunde der elsäs­sischen Junglehrer, näm­lich Johann Ehrmann und Johann Jakob Mochel, ebenfalls als Lehrer anwerben, und es gelang Basedow den Berliner Prediger Joachim Heinrich Campe als Mitkurator zu verpflichten. Es folgte zunächst eine fruchtbare Zeit; die Schülerzahl und das nationale und internationale Ansehen stiegen;

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war jedoch nicht nur im Wunsch nach Prestige begründet. Leopold Friedrich Franz fand im Philanthropismus ein Welt- und Menschenverständnis, das ihm dabei half, ein für ihn stimmiges, Tradition und Aufklärung versöhnendes Herrschaftskonzept zu entwickeln. Prägung durch den Philanthropismus

Die Ziele der Philanthropisten, also Basedows und seiner Anhänger bzw. Nachfolger, lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen: Kinder sollten „so unschäd­lich, so gemeinnützig, und so zufrieden“ erzogen werden wie mög­lich, damit sie später „zu mensch­lichen in Europa gangbaren Geschäften körper­ liche und geistige Kraft und Fertigkeit fühle[n], als worinn ein großer Theil der mensch­lichen Glückseligkeit besteht“.168 „Brauchbarkeit, Wohlstand und Zufriedenheit“ waren laut Reil für Leopold Friedrich Franz nicht nur schu­ lische, sondern auch politische Ziele.169 Er sei überzeugt gewesen, dass der „ganze Mensch […] gebildet und zu dem herangezogen werden [sollte], was er sein solle und was aus ihm gemacht werden könne“.170 Er hat sich also von Erziehung die konfliktlose Vereinbarung von individuellen Anlagen bzw. Bedürfnissen und bald jedoch ergaben sich Konflikte zwischen den idealistischeren, dem Freiheits- und Gleichheitsprinzip huldigenden Junglehrern und dem autoritäreren, auf eine funktionierendere Organisation dringenden Campe, an denen Basedow, obwohl wegen seiner Unregelmäßigkeiten mittlerweile als Kurator zurückgetreten, nicht unschuldig war. 1777 kam es schließ­lich zum Bruch, und sowohl Campe als auch Simon und Schweighäuser verließen das Institut. Danach gab es gemeinschaft­liche Kuraturen, die gegen Ende des Jahrzehnts zu einer Stabilisierung führten. In den 1780ern verlor das Institut jedoch aus nicht eindeutig geklärten Gründen an Bedeutung; 1793 wurde das Institut schließ­lich geschlossen (erarbeitet nach den Quellen in der digitalisierten Sammlung Philanthropinum Dessau des Harald-Fischer-Verlages, vor allem dem Philanthropischen Archiv und den Pädago­gischen Unterhandlungen sowie den Quellen in LHASA, Abt. Dessau, C 18b, Nr. 34 Bd. 1). Zu den Konflikten der 1770er-Jahre vgl. das von Niedermeier herausgegebene Extract der das Philanthropinum zu Dessau betreffenden Umstände aus einem Privatschreiben des dortigen Lehrers Mochel an den HofR. Boeckmann (undatiert) [ungefähr 5.–8. Dezember 1776; Dokument aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe, Großherzog­liches Familienarchiv] (Niedermeier 1995b, S. 102 – 106). Einen guten Überblick über Geschichte und Ideen des Philanthropismus bieten Schmitt 2007, Overhoff 2004 (dort in der Einleitung ein sehr umfassender Überblick über die Forschungsgeschichte); Garber (Hg.) 2008. 168 Philanthropisches Archiv 1776b, S. 16 und 20. 169 Anhalt-Dessau 1819, Nr. 148: Schuledict (1787), S. 17. 170 Reil 1845, S. 219.

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gesellschaft­lichen Anforderungen, von Selbstverwirk­lichung und Gemeinwohl versprochen. Die Philanthropisten glaubten, dass diese Ziele durch eine genaue empi­ rische Erkenntnis der mensch­lichen Natur und eine an dieser – d. h. vor allem: an den Sinnen – ausgerichteten ‚natür­lichen‘ Erziehungsmethode erreicht werden könnten:171 Unsre Grundsätze aber vom Unterrichte des vornehmen Standes, deren wir schon einige oben angeführt haben, sind folgende: 1) Die Jugend muß auch während der Schulzeit eine glück­liche Jugend seyn. 2) Man befördre mehr Tugendübung und weniger entbehr­liche Wissenschaft. 3) Das Gedächtniß übe man vornehm­lich, Ordnungen von Vorstellungen und Sachen, nicht aber von Worten zu behalten. 4) Das übrige nothwendig bleibende Memorienwerk erleichtre man durch musika­lische Noten, und durch Behängung der Wände in den Schulen mit sehr lesbaren Tabellen oder Gemählden und Kupferstichen oder Umrissen.

Dass Leopold Friedrich Franz eine Reihe von Vorstellungen mit den Philanthropisten teilte, lässt sich auf der semantischen Ebene beobachten: Beide sprechen immer wieder von Kindern als Bäumen oder von Pflanzen bzw. ihren Anlagen als Keimen oder Samen.172 So ist bei den Philanthropisten beispielsweise die Rede von einer „Menschenpflanze“, oder es steht der „verwachsene Baum“ bild­lich für das Ergebnis einer vernachlässigten oder schlechten Erziehung. In den Pädago­gischen Unterhandlungen, der Hauszeitschrift des Dessauer Philanthropins, heißt es außerdem an einer Stelle, dass ohne Pflege – ohne Erziehung – ein Baum „krumm zu wachsen“ drohe.173 Eben diese Metapher verwendete auch Leopold Friedrich Franz, der laut Reil Kinder als „junge Bäume“ bezeichnete, „die man frei und lustig aufwachsen lassen müsse, wenn sie gedeihen sollten, wobei man denn doch auf sie achten und zur rechten Zeit in Zucht nehmen solle“ – wie es im Landschaftsgarten üb­lich war.174 Davon abgeleitet findet sich bei den Philanthropisten oft das Bild vom ‚Samen‘ oder ‚Keim‘, der entweder schon bei der Geburt im Menschen liege oder in ihn gelegt werden könne, woraus dann die Seele oder der Charakter des Menschen als 171 Philanthropisches Archiv 1776d, S. 62. 172 Die Gartenauffassung der Philanthropisten unterschied sich hingegen deut­lich von der in Wörlitz zu findenden. Vgl. Niedermeier 2001b. 173 Campe 1777, S. 17; Schweighäuser/Simon/Mochel/Ehrmann 1775, S. 27; Wezel 1778, S. 5. 174 Reil 1845, S. 218 f.

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Pflanze wachse, die „angebaut“ und gepflegt und in die richtige Richtung gezogen werden müsse.175 „Daß man jede einzelne Anlage des Menschen entwickle und ihr Wachstum gehörig befördere“, wird als Aufgabe formuliert.176 Entsprechend verstand Basedow sein Philanthropin als „Pflanzschule“.177 In ganz ähn­licher Weise hat Leopold Friedrich – glaubt man Reil – seine Aufgabe als Herrscher darin gesehen, „Menschen- und Landeskultur“ zu befördern.178 Die Kritik am Philanthropin als „Treibhaus“ wie auch Carl August Böttigers Anmerkung, Leopold Friedrich Franz würde die Bäume in der Baumschule des Wörlitzer Parks teilweise zu sehr „führen und hofmeistern“, zeugt jedoch von der Schwäche dieses Konzepts:179 Die „Absichten des Schöpfers“ ließen sich keineswegs so eindeutig aus der Natur ablesen, wie die Philanthropisten und anscheinend auch Leopold Friedrich Franz glaubten; eine Kritik, die sie nicht entkräftet haben.

175 Schweighäuser/Simon/Mochel/Ehrmann 1775, S. 30. 176 Ebd., S. 43. In einem Reisebericht aus Dessau wird berichtet, wie dieser Sprachgebrauch sogar im Unterricht des Philanthropin selbst angewendet wurde: „Du Toit [einer der ­Lehrer, I. M.] fragte die Zöglinge, die alle sehr aufmerksam waren, mit freund­lichem Ernst: ‚unter ­welchem Bilde er die Jugendzeit immer vorzustellen pflegte?‘ ‚Unter dem Bilde des Frühlings!‘ war die Antwort. ‚Gut, meine Lieben! (sagte Du Toit) Wir wollen uns die Zeit der Jugend als die Zeit der Saat vorstellen, und dann sehen, ­welche wich­ tigen Lehren und Ermahnungen sich aus dieser Vergleichung ziehen lassen.‘“ (Anonym 1786. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2004/2, Sp. 270). Weitere Beispiele: „Einem geflügelten Saamen gleich, schwebt das mannigfaltige Gute, was Ihr, und die durch euch aufmerksam gemachten geraden Köpfe, würket, weit umher, und findet bald hier bald da einen Boden, worinn es Wurzel schlägt, keimt, und zur hoffnungsreichen Pflanze empor wächst.“ (Anonym 1778b, S. 876); „Glück­lich, wenn man es nun bey dieser ersten Verwahrlosung bewenden ließe, und dann auf Mittel dächte, das einmal angeerbte Übel, so viel wie mög­lich, wieder zu schwächen, und durch eine zweckmäßige mora­lische Bildung, von dem ersten Augenblicke der Geburt an, den Saamen jedes entgegengesetzten Guten, als ein Correctiv in die neugeborne Seele zu pflanzen!“ (Campe 1777, S. 241). 177 Schon in der ersten Werbeschrift für das Philanthropin hatte Basedow sein neu gegründetes Institut als „musterhafte Pflanzschule der Tugend und der Glückseligkeit“ beschrieben (Basedow 1774, S. 26). 178 Reil 1845, S. 7. 179 Böttiger 1797, S. 34 und 76. Herder kritisierte das Philanthropin als „Treibhaus“. Brief von Johann Gottfried Herder an Johann Georg Hamann. Bückeburg, 24. August 1776 (Herder 1978, S. 293). Schiller schreibt 1785, dass „[f ]alsche Begriffe das beste Herz des Erziehers irre“ führten, und stellt fest, dass es noch „schlimmer“ sei, „wenn sie sich noch mit Methode brüsten, und den zarten Schößling in Philanthropinen und Gewächshäusern systematisch zu Grund richten.“ (Schiller 2005, S. 95).

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Die Philanthropisten waren vermut­lich überzeugt, die Natur empirisch zu untersuchen, näherten sich ihr jedoch tatsäch­lich normativ vorgeprägt.180 So wurde beispielsweise Onanie zur Krankheit erklärt, weil sie keinerlei gesellschaft­ lichen Zweck habe und zu fruchtloser Einsamkeit verführe.181 Erwünschte Eigenschaften wie Gehorsam und Freude am Lernen wurden hingegen als ‚natür­ lich‘ und ihr Fehlen entsprechend als Resultat einer schon verdorbenen Natur des Kindes deklariert.182 Trotz der Forderung nach Zwanglosigkeit meinte die philan­thropistische Erziehung in der P ­ raxis letzt­lich einen erheb­lichen Eingriff in die Entwicklung der Kinder, da diese sich eben nicht wie gewünscht von allein in die imaginierten richtigen Bahnen entwickelten.183 Obwohl die Philanthropisten tendenziell alles ihnen Unliebsame an der mensch­lichen Natur als ‚unnatür­lich‘ wegzuerklären versuchten, thematisiert zumindest Basedow auch das der Natur immanente ‚Böse‘. Die zerstörerische Seite der Natur wird von Basedow als Bedingung für das ‚Gute‘ verstanden, das jedoch insgesamt dominiere:184 Gutes und Böses ist in der Natur vermischt, aber nicht im gleichen Maaße; des Guten ist weit mehr, des Bösen ist weit weniger. Und selbst das Böse wirkt Gutes; oder kömmt aus Ursachen, die mehr Gutes als Böses wirken.

Aus dieser Überzeugung vom Recht des Menschen auf seine Natur wurde im Philanthropin der praktische Schluss gezogen, der bis dahin als gefähr­lich angesehenen Triebnatur mit Spiel, Sport und Abhärtung in der Erziehung mehr Raum zu geben – allerdings auch mit dem Ziel, sie zu kanalisieren und zu überwachen.185 180 Wezel 1778, S. 11. 181 Vgl. Niedermeier 1995a, Abschnitt 4.6.2. und zur Onanie-Debatte im 18. Jahrhundert insgesamt Braun 1995; zur Haltung der Philanthropisten zur Onanie ihre entsprechenden Artikel in den Pädago­gischen Unterhandlungen, vor allem die Preisfrage: „Soll man vor Onanie warnen?“ (2 (1778), 1. Quartal, Nr. VI.2) und die darauf folgenden Beiträge Vorläufige Beantwortung der Frage von der Onanie (3 (1779), 2. Quartal, Nr. IX) und Erfüllung eines Versprechens (über Onanie) (3 (1779), 3. Quartal, Nr. V). 182 Vgl. Philanthropisches Archiv 1776c. 183 Vgl. Lempa 1993, Kap. 4.2.1. 184 Basedow 1770b/3, S. 11. 185 Vgl. Lempa 1993, Kap. 4.2.2. Basedow übernahm dabei die an den Ritterschulen üb­lichen körper­lichen Übungen wie Reiten, Fechten und Tanzen, aber: „Basedows Grundidee war der bürger­lichen Lebensordnung näher als der ritter­lichen Erziehung.

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Den Sinn des ‚Bösen‘ in der Natur versucht Basedow im Kapitel Von den Uebeln der Natur in seinem Elementarbuch am Beispiel eines Schiffbruches zu erklären. Das dazugehörige Bild zeigt ein bei einem Sturm gekentertes Schiff und seine Besatzung, die sich an ein felsiges Ufer gerettet hat und dort nun schutzlos den Elementen ausgeliefert ist (vgl. Abb. 2). Da aber Wind Schifffahrt überhaupt erst ermög­liche, dürfen Stürme dennoch nicht als schlecht bewertet werden, so Basedows Lehre, auch wenn die gekenterten Matrosen Leid erfahren.186 Obwohl Schifffahrt Menschen überhaupt erst in die Gefahr bringe, Schiffbruch und damit Hunger zu erleiden, ist sie notwendig, denn „wer kann läugnen, daß aus derselben dem mensch­lichen Geschlechte mehr Gutes als Böses zufliesse?“. Basedow beschreibt die Gefähr­lichkeit der Natur dabei jedoch nicht nur als etwas passiv Hinzunehmendes, sondern behauptet, dass sie sogar nütz­lich sei, weil sie Kultur überhaupt erst ermög­liche:187 Denn würden die Gegenmittel wider die Noth des Hungers und Durstes uns bloß wegen des Bedürfnisses durch unsern Wunsch in den Mund, oder in die Hände ­fallen; so wäre kein Triebwerk da, auf den Lauf der Natur zu achten, uns nach demselben zu richten, den Verstand zu schärfen und die Kräfte zu brauchen. In diesen Umständen bliebe der Mensch ein dummes, unthätiges Wesen, und zum Genusse der Glück­ seligkeit unfähig.

Dieser Absatz enthält zwei wirkmächtige Ideen: Der „Genuss […] der Glück­ seligkeit“ sei nur mög­lich durch die Ausbildung und Nutzung der eigenen Kräfte, durch Überwindung und Arbeit sowie durch die Aufmerksamkeit „auf den Lauf der Natur“ und die Ausrichtung an ihr. Kultur und Zivilisation werden hier also – anders als von Rousseau, an dem sich Basedow ansonsten häufig

[…] Die angenehmen Leibesübungen, die ‚körper­lichen Ergötzungen‘ der Ritterakademien waren nicht genug, sondern die Widerstandskraft der Kinder sollte durch die von Ärzten, Locke und besonders Zückert empfohlene Gewöhnung zum frühen Aufstehen, durch einfaches Essen und kaltes Baden verbessert und vervollständigt werden.“ (S. 188). Johann Wilhelm vom Archenholz vermutet in seinem Brief über eine Reise nach Dessau das antike Griechenland und Rousseau als Vorbilder für die sport­lichen Übungen am Philanthropin (Archenholz 1783, S. 129 f.). 186 Basedow 1770b/3, S. 11. Auf Basedows schon zu seinen erfolgreichsten Zeiten stark umstrittene theolo­gische Meinung soll hier nicht eingegangen werden, weil sie anscheinend für Leopold Friedrich Franz nicht von Bedeutung war. 187 Ebd., S. 14.

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orientiert 188 – nicht als eine Notlösung verstanden, der der Naturzustand vorzuziehen sei, sondern als allein glückselig machende Notwendigkeit. Neben dem Geltenlassen des Individuellen ist diese Verpflichtung auf Gesellschaft das wichtigste Leitmotiv im Denken der Philanthropisten. Ähn­lich heißt es auch an anderer Stelle im Elementarbuch (vgl. Abb. 3):189 Und gesetzt auch, die meisten Wilden wären glück­licher, als die meisten unter einem gesitteten Volke: so ist doch der Zustand jener für das mensch­liche Geschlecht nicht gemeinnützig. Denn bey der Wildheit können in einem grossen und zur Fruchtbarkeit geschickten Lande nur wenige Menschen erhalten werden. Daher ist es eine Pflicht für den, der dieses erkennt, den gesitteten Zustand der Menschen nach Vermögen so zu befördern, daß mehr glück­liche Menschen auf dem Erdboden bey einander wohnen können.

Gemeinsame ‚Glückseligkeit‘ ist im philanthropistischen Denken die stärkste (letzt­lich jedoch zu schwache) Klammer für die potenziell auseinanderklaffenden Wünsche nach individueller Entfaltung und Erfüllung einerseits und gesellschaft­licher Nütz­lichkeit andererseits, wie Niklas Luhmann analysiert:190 Durch Rückbezug auf Glückseligkeit lässt das Erziehungsziel sich vom Selbstgenuss der eigenen Vollkommenheit auf den Selbstgenuss der eigenen Brauchbarkeit ausdehnen und eignet sich dann als Auffangbestimmung für die offenen Probleme im Konflikt z­ wischen Vollkommenheit und Brauchbarkeit. Ist nicht die selbstreferentielle Glückseligkeit auf mehreren Wegen und für alle erreichbar, weil kompatibel mit unterschied­lichen Lösungen des Konflikts zwischen Vollkommenkeit und Brauchbarkeit? Die Sozialität wird über Selbstreferenz einbezogen: Erst die Gesellschaft bringe den Menschen zum Anschauen seiner eigenen Vollkommenheit.

‚Natur‘ blieb dennoch – bei aller Orientierung auf die Gesellschaft und aller Höherbewertung von Kultur – der Leitwert für die Philanthropisten. So wurden nicht nur zur Beschreibung von Erziehung, sondern auch von gesellschaft­licher bzw. staat­licher Ordnung Naturmetaphern verwendet.191 Die am häufigsten zu 188 189 190 191

Vgl. Hahn 1885, S. 108 f. Basedow 1770b/2, S. 331. Luhmann 1993, S. 133. Während die rationalistische Aufklärung sowohl den einzelnen Menschen als auch den Staat als Maschine verstanden hat (in der wiederum der Einzelne wie ein Zahnrad sich einzufügen habe, „um eine reibungslose und konfliktfreie Gesellschaft zu

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findenden sind die Metapher vom Menschen als Pflanze, vom Herrscher als Vater und vom Staat als Körper. Die ursprüng­lich auf einen römischen Ehrentitel – Pater Patriae – zurückgehende Vorstellung vom ‚Landesvater‘ gehörte zu den wichtigsten Konzepten der fürst­lichen Herrschaftslegitimation in der Frühen Neuzeit und behielt vor allem in Deutschland sehr lange seine Bindungskraft.192 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts verlor sie aber auch hier ihre allgemeine Gültigkeit, wie das ganz und gar ‚unväter­liche‘ Herrschaftskonzept Friedrichs II . von Preußen zeigt.193 Leopold Friedrich Franz’ Inszenierung als ‚Vater Franz‘ (als der er bis heute bekannt ist) geht dagegen offenbar über die Konvention hinaus und kann als ganz eigene Interpretation der Fürstenrolle verstanden werden.194 Wie konkret Leopold Friedrich Franz die Metapher aufgefasst hat, zeigen zwei Aussagen von ihm, die von Vertrauten von ihm überliefert wurden. So ist überliefert, dass Leopold Friedrich Franz während der franzö­sischen Besetzung Dessaus auf Napoleons großzügiges Angebot, ihm einen Gefallen zu erweisen, geantwortet habe: „Ich für meine Person bedarf nichts; aber um Schonung bitt’ ich für meine armen Unterthanen, denn die sind alle meine Kinder.“ 195 Zum fünfzigjährigen Jubiläum seiner Regentschaft bedankte er sich (Reils Überlieferung nach) bei seinen Untertanen für die von ihnen veranstalteten Feier­lichkeiten auf dem Schlossplatz mit dem Satz: „Gott segne Euch, liebe Kinder!“ 196 Auch sein unehe­licher Sohn, Franz von Waldersee, zeigt in einer Tagebuchnotiz ein

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garantieren“) (Mainzer 1989, S. 21). Vgl. außerdem Moravia 1978 und insgesamt auch Ingensiep 1994. Vgl. Münch 1982 und Sørensen 1989, S. 190. Vgl. Sørensen 1989, S. 203 f. Dass der Beiname ‚Vater‘ für Franz auch außerhalb Anhalts weithin üb­lich war, zeigt Hirsch 2003, S. 267 – 272. Vgl. für die Betitelung als ‚Vater‘ bspw. folgende Zitate: „Kurz, er ist uns im schönsten Sinne des Worts Vater, Regent und Beschützer.“ (­Spieker 1808, Sp. 1515). „Ein edler Fürst, höchst verehrungswürdig als Mensch, ein treuer, sorg­licher Vater seiner Unterthanen, ein Beschützer der Künste und Wissenschaften, ferner, was ihm großentheils zu verdanken ist, erhöhete Bildung unter den Bewohnern, die nicht in Überbildung ausgeartet ist, und eine, wenn auch nicht üppige, doch keineswegs an Reizen arme Natur, was man hier in seltenem Verein findet, und was den fremden Besucher Dessau’s ma­gisch anzieht und fesselt.“ (Kuhn 1808, Sp. 915). „Ich segnete ein ­solches Land, das einen so herablassenden Vater hat, bei dem der Zutritt seiner geringsten Unterthanen nicht versagt ist.“ (Hauer 1834, Sp. 778 f.). Matthisson 1814, Nr. 12, S. 314 (Kursivierung durch mich). Reil 1845, S. 136.

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sehr konkretes Verständnis vom ‚Landesvater‘. Anläss­lich des Geburtstages seines Vaters notierte er darin, dieser wäre „ein unvergleich­licher Vater, ebenso für seine Untertanen wie für seine Kinder“.197 Bedingung für die Plausibilität und Faszinationskraft der Vatermetapher ist die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts verändernde Familienauffassung, wie sie sich u. a. in der Literatur dokumentiert.198 Durch die philosophische Aufwertung der ‚natür­lichen‘ Empfindungen, denen man eine tiefere und ‚natür­ lichere‘ Bindungsfähigkeit zuschrieb als allen rationalen Zwecken, wurde auch die Familie zunehmend als eine vor allem emotional und ethisch aufeinander bezogene Gruppe verstanden. Der mit dem Vater analog gesetzte Verstand verlor damit zwar einerseits von seinem zuvor proklamierten Absolutheitsanspruch, blieb aber die ordnende Institution, von der man sich die Harmonisierung der im Menschen liegenden Brüche zwischen Natur und Kultur, Empfindungen und Erkenntnis versprach – was jedoch nur durch die Unterordnung unter bzw. die emotionale Bindung an die Autorität des Verstandes bzw. des Vaters mög­lich schien.199 Die traditionsreiche Metapher vom Staatskörper findet sich denn auch in ­Joachim Heinrich Campes Die Empfindungs- und Erkenntnißkraft der mensch­ lichen Seele, wegen der Campe vermut­lich von Leopold Friedrich Franz 1776 zum Kurator des Philanthropins berufen wurde:200 Wenn jeder Theil unsers Körpers seine Bestimmung erfüllt; wenn, wie in einem wohleingerichteten Staate, einer dem andern behülf­lich ist, und alle zum höchstmög­lichsten Wohlseyn des Ganzen das Ihrige beytragen: so befindet sich die Seele in eben dem

197 Tagebucheintrag von Franz von Waldersee. Zürich, 10. August 1783 (Schweinitz (Hg.) 2004, S. 87). Auch von anderen wurde Leopold Friedrich Franz so gesehen, beispielsweise von d ­ iesem Reisenden: „Man findet hier auch sehr viel, meistens bemittelte Judenfamilien, von denen des Vaterlands Vater öfters gesagt haben soll: Wenn sie ihn stets als ihren Vater ansehen wollen, so würde er es nie vergessen, sie als seine Kinder zu behandeln.“ (Anonym 1778a, S. 34). Ähn­lich sah ihn der Brandenburger Dichter Joachim Christian Blum in seiner 1779 verfassten Ode an den regierenden Fürsten von Anhalt Dessau: „Mir glüht’s im Busen: einen Fürsten denken, / der seiner Eingebornen Vater ist“. Blum sieht außerdem – auch dabei an die in Anhalt-Dessau gebräuch­ liche Naturmetaphorik anschließend – in Dessau eine „jugend­liche Pflanzstadt beßrer Menschensöhne“ (Blum 1779, S. 497 f.). 198 Vgl. insgesamt: Frömmer 2008; außerdem Jacobs 1984, Sørensen 1989, S. 195 ff. und Quabius 1976, S. 14 f. 199 Vgl. dazu auch Steinlein 1994. 200 Campe 1776, S. 150 f.

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Zustande der Behag­lichkeit, worinn ein väter­lich gesinnter Regent, bey dem Anblicke des allgemeinen Wohlstandes seines Staatskörpers, dessen Seele er ist, sich befinden muß. Dieser Zustand der Behag­lichkeit hat seinen Grund theils in der Leichtigkeit, womit die Seele sich alsdann ihren Körper vorstellen kann, wenn alles darinn harmonisch von statten geht, und alles nach einem gemeinschaft­lichen Zwecke arbeitet, theils in dem Vergnügen, ­welches die anschauende Erkenntniß der Vollkommenheit dieses Körpers, ­welches ihr Körper ist, nothwendig für sie mit sich führen muß. In d­ iesem Zustande wird sie, so zu sagen, durch keine häus­liche Sorgen in ihren Berufsgeschäfften aufgehalten; sie kann sich ohne Zerstreuung denselben ganz überlassen. Aber wenn es zwischen den einzelnen Theilen ihres Körpers zu geheimen oder offenbaren Zwistigkeiten gekommen ist; wenn einer dem andern den Dienst versaget; einer den andern belästiget, und also Mißhelligkeit und Zwietracht im Ganzen herrschen: dann fühlt sie ganz den Kummer eines rechtschaffenen Hausvaters, der seine Familie in Uneinigkeit, sein Hauswesen in Zerrüttung gerathen sieht; und die unangenehmen, obgleich dunkeln Vorstellungen dieser einreissenden Unordnung machen ihr zu viel zu schaffen, als daß sie ihre ganze Thätigkeit auf andere Gegenstände concentriren könnte.

Statt von ‚Glückseligkeit‘ spricht Campe hier von „Behag­lichkeit“ und „Vergnügen“, meint aber im Wesent­lichen das Gleiche.201 Bemerkenswert ist auch hier die Tendenz zur Synthese: „Behag­lichkeit“ könne nur entstehen, wenn alle Teile des Körpers die nötige Ordnung einhalten, Konflikte vermeiden und zum gemeinsamen Wohlstand zusammenarbeiten. Erst dann könne die Seele – bzw. der Regent – ihre „Thätigkeit auf andere Gegenstände concentriren“, also etwas schaffen, das über das Lebensnotwendige hinausgeht und somit die ‚Glückseligkeit‘ erhöht. Es gelingt Campe hier, die anthropolo­gische Vorstellung von der Körper-Geist-Einheit scheinbar bruchlos auf die Gesellschaft zu übertragen, die seiner Auffassung nach analog zum gesunden Körper ebenfalls nur dann fried­lich, glück­lich und wohlhabend sein könne, wenn alle ihre Mitglieder sich an die Ordnung halten, Konflikte vermeiden und für das Gemeinwohl arbeiten. Das funktioniert natür­lich nur mit einem gesunden Geist bzw. einem guten Fürsten.

201 So definiert Campe in seinem Wörterbuch – allerdings einige Jahrzehnte später – ‚Glückseligkeit‘ mit Sulzer als „Zustand […], in ­welchem das Vergnügen den Schmerz überwiegt“, und nennt „Gesundheit und Zufriedenheit“ als „die größten Glückseligkeiten auf Erden“. ‚Behagen‘ heißt bei ihm, „eine anhaltend angenehme Empfindung erwecken, bei ­welcher man sich froh und befriediget fühlet“ (Campe 1808, S. 408 und 1807, S. 423). Das Stichwort ‚Behag­lichkeit‘ fehlt in Campes Wörterbuch.

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Diese Ordnungsstruktur findet sich bei allen von den Philanthropisten und Leopold Friedrich Franz verwendeten Naturmetaphern: Weder die Familien- noch die Körpermetapher thematisieren das Einzelne; bei beiden geht es um die Beziehung des Einzelnen zum Ganzen – der einzelnen Mitglieder zur Familie sowie der Körperteile zueinander. Auch die Pflanzenmetapher bezieht sich nur scheinbar auf das Individuum, da das ‚Krummwachsen‘ eines Baumes eher in Hinsicht auf seinen ­Nutzen als auf sein Befinden als gefähr­lich angesehen wird.202 Alle drei Metaphern umreißen ein Hierarchieverhältnis: das des Vaters zu den Kindern, das des Körpers zum Geist (bzw. zum Kopf als Sitz der Vernunft) und das der Pflanze zum Gärtner, der die Pflanze in ihrem Wachstum begleitet und formt (und dann ihre Früchte erntet?). Es geht also um einen produktiven Umgang mit der Natur; sowohl durch Erziehung als auch durch Politik soll ein „gesittete[r]“, d. h. kultureller bzw. zivilisierter Zustand hergestellt werden, ohne dass die Menschen von ihrer Natur entfremdet werden und so eine von Egoismus und Unmoral bedrohte, nur durch Gewalt zusammengehaltene Gesellschaft entsteht.203 Da es auch im Landschaftsgarten prinzipiell um einen richtigen Umgang mit der Natur ging, und da auf der anderen Seite für Erziehung so oft gärtnerische Metaphern verwendet wurden, lässt sich vermuten, dass Gartenkunst, Politik und Erziehungstheorie in Anhalt-Dessau auf den gleichen Horizont bezogen sind. Bevor der Wörlitzer Park in den Blick kommt, geht es zunächst um das Herrschaftskonzept von Leopold Friedrich Franz, das deut­lich geprägt ist von den Ideen des Philanthropismus.

202 An d ­ iesem Punkt zeigt sich die Problematik dieses metaphorischen Sprechens, da auch die idealistischen Junglehrer Simon und Schweighäuser, die die Philanthro­pischen Aussichten red­licher Jünglinge mitverfasst haben, Pflanzenmetaphern verwenden. Dass sie darunter etwas anderes verstanden als Basedow oder Campe, wurde ihnen anscheinend erst 1777 klar, als die Differenzen in den jeweiligen Menschen- und Weltbildern nicht mehr zu übersehen waren, weshalb sie das Philanthropin schließ­lich verließen (vgl. Fn. 167). Vgl. bspw. in den Philanthropischen Aussichten (Schweighäuser/Simon/ Mochel/Ehrmann 1775), S. 27: „Aber der verwachsene Baum zieht sich nicht so leicht wieder gerade. Wer wird die welke Pflanze wieder völlig zu dem frischen Leben bringen können, das in ihren Fasern sich bewegte, da sie noch im nährenden Boden stund? – Wenn der Mensch im Eigennutz alt geworden, wenn Vorurtheile von gleichem Alter mit ihm tief in seiner Seele gewurzelt sind, wer kann sie alle von Grund auf entwurzeln? Ihre Sprossen lassen sich abschneiden, aber die tiefe Wurzel nicht ersticken.“ 203 Basedow 1770b/2, S. 331.

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‚Vater seiner Kinder‘: das Herrschaftskonzept des Fürsten

Die Zeitgenossen von Leopold Friedrich Franz waren fasziniert von seiner so offenkundig aufklärerischen Politik. Er reformierte die Feuerbekämpfung und das Schul- und Gesundheitswesen, förderte Landwirtschaft und Landesverschönerung, Literatur und Kunst (durch den Bau eines Theaters, die Unterstützung der Chalkographischen Gesellschaft und der Buchhandlung der Gelehrten durch finanzielle Hilfen sowie den Verzicht auf Zensur) und nicht zuletzt öffnete er den Wörlitzer Park für die Allgemeinheit und führte jedes Jahr am Drehberg Volksfeste für seine Untertanen durch. Ein charakteristisches Zeugnis für die Begeisterung, die er damit zu wecken vermochte, ist Christian Wilhelm Spiekers Bericht von der Feier des Regierungsjubiläums des Dessauer Fürsten 1808 in der Zeitung für die elegante Welt:204 Jeder, der mit reinem Sinn diesen Garten durchwandelte, und den Geist des Friedens und der Ruhe, den echten Kunst- und Natursinn, der aus allen Schöpfungen desselben so unverkennbar spricht, vernahm, segnete den edlen Fürsten und beneidete uns die Nähe dieser herr­lichen Werke. Wir aber verehren ihn auch als unsern Vater, der während seiner langen Regierung die Abgaben nicht erhöhet, sondern vermindert, der die drückenden Lasten der Kriege jederzeit allein getragen, die Besoldungen seiner Diener erhöhet, dem Erwerbsfleiß so manche ergiebige Quelle geöffnet, Schulen und Erziehungsanstalten gegründet, milde Anstalten gestiftet, Künste und Wissenschaften beschützt, den Ackerbau befördert, seine Hauptstadt vergrößert und verschönert, und das ganze Land in einen lieb­lichen Garten umgewandelt hat. Jedem steht der Zugang zu seinem Kabinett offen, und auch der Geringste im Volke darf ihm seine Wünsche und Bitten 204 Spieker 1808, Sp. 1514 f. Spieker (1780 – 1858) war Theologe und Pädagoge. 1807 zog er nach einigen Jahren als Lehrer an den Francke’schen Stiftungen in Halle nach Dessau, wo er sich als Schriftsteller seinen Unterhalt verdiente, bevor er 1809 als außerordent­licher Professor an die Viadrina nach Frankfurt ging. Die Vorrede zu seinem 1809 veröffent­lichten Vater Hellwig unter seinen Kindern (Spieker 1809) zeigt ihn als Anhänger des philanthropistischen Denkens, da er Kindern nicht nur Wissen und Aufklärung, sondern auch gesellschaft­liche Tugenden sowie Pflichtbewusstsein vermitteln will: „Bei allen meinen Schriften für die Jugend mache ich es mir es stets zur heiligen Pflicht, außer der Bereicherung ihrer Kenntnisse und der Aufklärung ihres Verstandes, auch die Weckung und Belebung des Sinns für die Religiosität und reine Sitt­lichkeit, für Natur- und Menschenliebe, für die Freuden des Fleißes und der Häus­lichkeit, für alles, was dem Menschen einen bleibenden Werth gibt, und die Ruhe seines Lebens unter allem Stürmen der Außenwelt sichert, nie aus den Augen zu verlieren.“

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vortragen. Bei Wassers- und Feuersgefahr ist er immer einer der ersten, der zu Hülfe herbeieilt und durch zweckmäßige Anstalten größerer Unglücke vorbeugt. Kurz, er ist uns im schönsten Sinne des Worts Vater, Regent und Beschützer.

Die ‚Väter­lichkeit‘ der Regierung von Leopold Friedrich Franz hat sich konkret in einem auffallend persön­lichen Engagement manifestiert. So ist in den Kabinettsakten überliefert, dass er sich selbst um die meisten Anliegen seiner Untertanen – immerhin durchschnitt­lich acht täg­lich – gekümmert hat, anstatt sie seinen Räten zu überlassen.205 Dazu gehörten Bitten um Baumaterial ebenso wie Hilfe bei finanziellen Notlagen, Schutzgesuche von Juden oder Anträge auf Plätze in den ­sozialen Einrichtungen (Witwenhaus etc.). Noch genauer zeigen die von ihm erlassenen Verordnungen, wie er seine Rolle als ‚Landesvater‘ des 18. Jahrhunderts über die Zuschreibungen der Philanthropisten hinaus genau verstanden hat. So appellierte er beispielsweise aus „Landesväter­licher Gnade“ nur an die Vernunft seiner Untertanen, um das den Wäldern schadende maßlose Holzholen zu verhindern, statt es zu verbieten:206 Wir – Fügen hiermit zu wissen: w ­ elchergestalt Wir mit dem größten Unwillen wahrnehmen müssen, wie bey dem jetzigen gnädigst gestatteten Holzlesen Unsere Fürst­liche Forsten recht boshafter Weise dergestalt beschädigt werden, daß daraus end­lich deren gänz­licher Ruin und Verderben erfolgen würde, wenn darinn nicht ernst­licher Einhalt und nachdrück­liche Verfügung geschehen sollte. Ob nun wohl dieses Uns schon genugsame Veranlassung geben könnte, das Holzlesen in Unsern Fürst­lichen Forsten sofort gänz­lich abzustellen und zu verbieten; so haben Wir doch, aus besonderer Landesväter­ licher Gnade gegen Unsere getreue Unterthanen, w ­ elche sich das benöthigte Holz anderergestalt anzuschaffen nicht vermögend, und daß sonst der Unschuldige mit dem Schuldigen gleich leiden müßte, damit annoch einigen Anstand zu nehmen, und zuvörderst ­solche Verwüstung des Holzes bey dem Holzlesen gewehret, und s­ olche mög­lichst gehindert werden möge.

Wie auch beim berühmten ‚Warnungsaltar‘ im Wörlitzer Park mit der Inschrift „Wanderer achte Natur und Kunst und schone ihrer Werke“ scheint es zunächst, als verstünde er seine Rolle als Fürst nur darin, an Vernunft und an das Gemeinwohl zu erinnern, das durch entsprechende Verstöße geschädigt werde. Deshalb fordert er seine Untertanen auf, Holz zu sparen, und bietet dafür mit dem Rat,

205 Vgl. Faßhauer 2005. 206 Anhalt-Dessau 1784, Nr. 79: Wegen des Holzlesens (1773), S. 164.

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gemeinsam zu backen, auch einen konkreten Vorschlag. Der weitere Text der Verordnung zeigt ihn jedoch in der durchaus aktiven Rolle des Erziehers, der wie die Philanthropisten auf genaue Regulierung, die breite Bekanntmachung seiner Regeln (womit jeder Verstoß als wissent­lich unvernünftige Handlung erscheinen muss), umfassende „Aufsicht“ und zuletzt Prügel-, Haft- oder Geldstrafen setzt.207 Mit väter­licher Fürsorge und als vernünftig werden auch viele in die Privatsphäre der Anhalt-Dessauer Bevölkerung eingreifende Verordnungen begründet. Dazu gehört unter anderem die Regelung, dass vor Eheschließungen eine behörd­liche Einwilligung eingeholt werden musste, die Männern bis zum 21. Lebensjahr (Tagelöhnern, Handwerkern und Gesellen sogar bis zum 25. Lebensjahr) bis auf vom Fürsten persön­lich zu erteilende Ausnahmegenehmigungen verweigert werden sollte, „wenn auch gleich die Schwängerung geschehen seyn sollte“, da diese sich zuerst ein sicheres wirtschaft­liches Fundament schaffen sollten.208 Ebenfalls aus ökonomischen Gründen wurden Aufgebot, Poltern und das Geldauswerfen bei Hochzeiten verboten.209 Zur Sicherung der öffent­ lichen Ordnung – dem zweiten Grundmotiv in den Verordnungen neben der Ökonomie – untersagte der Fürst außerdem nicht nur die Verbreitung „lügenhafter Gerüchte“, sondern verbot auch Fastnachtsaufzüge, Lotterien sowie das „Schlittschuhlaufen und Schlittern auf den Gassen“.210 Die Adaption der Rolle des ‚Landesvaters‘ kann dabei als eine Reaktion auf die in der Naturrechtsdebatte öfter geäußerten Zweifel an der Natür­lichkeit der herausragenden Stellung adeliger Herrscher verstanden werden.211 Sie erfüllte die aufklärerischen Forderungen nach Vernunft, Gemeinwohlorientierung und ‚Güte‘, ohne die traditionelle Stellung des Alleinherrschers zweifelhaft erscheinen zu lassen. Diese konnte so weiterhin als gottgewollt behauptet werden, da der 207 Vgl. ebd., S. 165 ff., Zitat S. 166. Zur Aufsicht der Schüler des Philanthropins wurden Edukatoren eingestellt, die u. a. die Briefe der Schüler lesen und ihre Freizeit überwachen sollten. Vgl. Basedow 1768, § 45; Philanthropisches Archiv 1776 und Lempa 1993, Kap. 4.1. 208 Erneuerung des Verbots, Personen ohne gerichtl. confirmierte Ehepacten zu trauen (1797), Verbot der Heirathen vor dem 21sten Jahre, Verordnung wegen Heirathen der Tagelöhner, Handarbeiter und Gesellen (1808) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 204, 150, 306). 209 Abstellung des Aufgeboths ein für allemal (1769) (Anhalt-Dessau 1784, Nr. 59). Verbot des Polterns (1797), Verbot des Geldauswerfens bei Trauungen (1805) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 195 und 279). 210 Verbot der Fastnachtsaufzüge (1788), Verbot der Lotterie-Collecten (1791), Verbot des Schlittschuhlaufens und Schlitterns auf den Gassen (1799), Verordnung wegen lügenhafter Gerüchte (1797) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 149, 174, 211, 198). 211 Vgl. Stollberg-Rilinger 2006.

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‚Landesvater‘ vor allem von den Philanthropisten als zwischen dem ‚Gottvater‘ und dem ‚Hausvater‘ stehend imaginiert wurde.212 Das Herrschaftsverständnis des Dessauer Fürsten ist dabei trotz seiner ungewöhn­lich starken Betonung von Väter­lichkeit typisch für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und den sogenannten ‚Aufgeklärten Absolutismus‘, in dem zwar „Tradition, Herrschaft und Prachtentfaltung als Basis des Herrschaftsanspruchs an Bedeutung“ verloren; der „Herrschaftsanspruch an sich“ jedoch gleich blieb, wie Helmut Reinalter zusammenfasst.213 Interessant ist dabei, dass zunächst kein Konflikt zwischen dem absolutistischen Vater-Verstands-Herrscher-Konzept und der zuerst im Sturm und Drang beschworenen und bald breit an Faszination gewinnenden bürger­lichen Brüder­lichkeitsvorstellung zu erkennen ist – wohl weil diese anfangs nicht im Zusammenhang mit Politik gedacht wurde.214 Trotz der Unterschiede in den dahinter stehenden Konzepten vom Individuum scheinen ‚Brüder­lichkeit‘ und Patriarchalismus wegen der gemeinsamen pauschalen Orientierung an der ‚Natur‘ eine Zeit lang bruchlos vereinbar gewesen zu sein, wie die öffent­ lichkeitswirksame ‚Verbrüderung‘ der ersten vier Lehrer des Philanthropins und ihre gleichzeitige Verehrung für den Dessauer ‚Landesvater‘ zeigen.215 212 Vgl. Steinlein 1994, S. 8 ff. Exemplarisch sei hier dazu auch auf das „Psalmlied“ Der Landesvater im Lesebuch der Pädago­gischen Unterhandlungen 4 (1780), S. 3 – 5, verwiesen. Dieses beginnt mit der Frage: „Wer ist ein rechter Vater des Landes? und wer wird / die Belohnung eines guten Fürsten empfahen?“ Nach einer Aufzählung von offensicht­lich auf Leopold Friedrich Franz bezogenen Herrschertugenden beschwört es den Segen des Herrn für einen s­ olchen Fürsten und geht dann in ein Gebet über, in dem sich u. a. der Vers findet: „Daß wir frö­lich sein über der Hülfe, die du Ihm / erzeigest, daß in unserm Land Ehre wohne“. 213 Reinalter 2005, S. 303 f. Vgl. dazu auch Brakensiek 2005. 214 Vgl. Luserke 1997, S. 165 f. Die Brüder­lichkeitsvorstellung der Stürmer und Dränger stand, wie Richard Quabius nachzeichnet, zunächst nicht im Zusammenhang mit der im Sturm und Drang häufig zu findenden Vater-Polemik, die sich nur auf die Privat­ s­phäre bezog: „Gemeinsam ist ihnen die Ablehnung einer umfassenden politischen Organisation, einer modernen, rational geordneten Staatsform, ­welche die Ansprüche des Individuums zugunsten der Staatsgewalt eingeschränkt hatte. Ihre feindselige Haltung gegenüber einer ­solchen Staatsverfassung drückt sich z. B. auch darin aus, dass sie häufig ihre jugend­lichen Helden aus dem Bereich der Gesellschaft aufs Land flüchten lassen. Wo sich die Stürmer und Dränger überhaupt zu einer bestimmten Staatsform bekennen, ist das fast immer eine patriarcha­lische Ordnung.“ (Quabius 1976, S. 61). 215 Vgl. dazu insgesamt Frömmer 2008, S. 30. Zum Bruderbund am Dessauer Philanthropin Philanthropisches Archiv 1776a. An anderer Stelle heißt es dort über den ‚Landesvater‘: „Und was könnten wir nicht mit Wahrheit von unserm Landesvater

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Integrativ konnte die Familienmetapher wirken, weil sie mit ihrem Verweis auf die Empfindungen bzw. die Natur des Menschen ebenso undifferenziert ist wie der Begriff der ‚Glückseligkeit‘.216 Sie bot ein Modell für einen Ausgleich z­ wischen den teilweise gegensätz­lichen neuen Idealen, der ‚brüder­lichen‘ Gruppen­zugehörigkeit auf der einen und dem individualistischen Genieselbstverständnis der Stürmer und Dränger auf der anderen Seite.217 Am Philanthropin, an dem zwei Lehrer aus dem Umfeld des Sturm und Drang kamen, zeigte sich jedoch die Brüchigkeit dieser ‚brüder­lichen‘ Harmonie.218 Trotz aller Beteuerungen ‚brüder­licher‘ Einigkeit kam es bald zum Streit über praktische Fragen, weil die einzelnen Lehrer letzt­lich sehr unterschied­ liche Vorstellungen vom richtigen Verhältnis von Freiheit und Ordnung, von individueller Entfaltung und Einpassung in die Gesellschaft entwickelten. Zum Bruch kam es aber anscheinend vor allem wegen unterschied­licher Auffassungen darüber, wie die Leitung des Philanthropins organisiert werden solle und wie viel Autorität der jeweilige Direktor über die anderen Lehrer haben dürfe.219 Doch auch, als sich die Konflikte zwischen dem individualistischeren und unsrer Landesmutter hier sagen, wenn es uns nicht ausdrück­lich verboten wäre, auch mit Wahrheit zu rühmen. […] Es ist also, solange die Welt steht, unter den Fürsten kein anderer der Vater des jetzigen Philanthropinischen Säuglings und der etwa erfolgenden Nachkommen desselben zu nennen, als Leopold Friedrich Franz, Fürst zu Anhalt-Dessau.“ (Philanthropisches Archiv 1776e, S. 101 f.). 216 Vgl. Luhmann 1993, S. 131 ff. 217 Vgl. zur Problematik von gruppeninterner Gleichheit und genialer Originalität beim Sturm und Drang Schmitz 1984, S. 147. Vgl. auch Quabius 1976, Kap. II. B. 2, besonders S. 71. 218 Zwei der Mitglieder des Bruderbunds am Philanthropin, Simon und Schweighäuser, können zur Peripherie des Sturm und Drang gerechnet werden. Niedermeier 1995b, S. 92 – 117 und Stehle 1913, S. 5 ff. 219 Campe hat 1777 eine – von Leopold Friedrich Franz genehmigte – Gesetzmäßige Konstitution des philanthropischen Erziehungs-Instituts zu Dessau verfasst, in der er seine Überzeugung von der Notwendigkeit einer ordnenden Autorität zum Ausdruck gebracht hat: „Eine Gesellschaft ohne Gesetze ist wie ein Räderwerk, daran einzelne Teile, nicht mit Absicht zur gemeinschaft­lichen Wirksamkeit, sondern durch Zufall zusammengerathen sind. Beyde können nicht anhaltend und zweckmäßig wirken; beyde müssen sich selbst zerstören. Gesetze aber, ohne eine würk­liche Gesetzgebende Macht, die geltend machen kann, sind wie ein Segel ohne Wind.“ (LHASA, DE, Abt. Dessau, C 18b Nr. 34 Bd. 1, Blatt 118). Diese Konstitution ließ übrigens die zuvor so öffent­lichkeitswirksam beschworene brüder­liche Einigkeit am Philanthropin zerbrechen (vgl. Fn. 167, Harksen 1971, Anonym 1778a, S. 61 f.). Die Konflikte führten schließ­ lich auch dazu, dass Campe das Philanthropin fluchtartig verließ. Leopold Friedrich

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Lager um die Elsässer Simon und Schweighäuser und dem autoritäreren um Basedow nicht mehr harmonisieren ließen und so die Funktionsfähigkeit des Brüder­lichkeitsmodells fragwürdig wurde, hielt der Rest des Kollegiums des Philanthropins am Familienkonzept fest. So wurde die offenbar auf einen großen Streit folgende Abreise Simons und Schweighäusers in den Pädago­gischen Unterhandlungen gegenüber der Öffent­lichkeit als tränenreicher Abschied inszeniert, der seinen Grund gerade nicht in den Beziehungen zwischen den Lehrern des Philanthropins oder in irgendetwas dort Vorgefallenem habe:220 So wollt ihr uns nun doch verlassen? Ich muß, rief ihm der schluchzende Jüngling, in seinen Armen, zu. Ich weiß, sagte Basedow, du verlässest uns doch nicht mit deinem Herzen, lieber Bruder! Die Mißverständnisse, die zu dieser Trennung den ersten Anlaß gaben, sind ja gehoben. Ihr kehret noch gewiß zu uns zurück? Alle waren stumm und antworteten nur durch häufige Thränengüsse.

Die traditionelle Machtprägung der Familienmetapher erwies sich hier also noch als resistent gegen die vorsichtigen Umdeutungsversuche des Sturm und Drang, von denen zunächst, wie es scheint, der absolutistische Staat profitiert hat. So hat etwa Leopold Friedrich Franz als Dessauer ‚Landesvater‘ durch seine Aufgeklärtheit, seine Freund­lichkeit, Großzügigkeit und ‚natür­liche‘ Erziehungsmethode verhindert, dass seine Untertanen-‚Kinder‘ wie die Kinder in den Dramen des Sturm und Drang rebellierten.221 Franz bemühte sich danach persön­lich – aber erfolglos – um Campes Rückkehr. Im Dessauer Archiv befinden sich fünf Briefe von Campe an den Fürsten und zwei Briefentwürfe des Fürsten an Campe mit Verhandlungen über Campes Rückkehr (LHASA, DE, Abt. Dessau, C 18b Nr. 34 Bd. 1, Blatt 253 – 260 und 282 – 285). Aus diesen Briefen geht hervor, dass Leopold Friedrich Franz auch nach Campes Kündigung dessen schriftstellerisches Schaffen weiter verfolgte. 220 Als „wenn wir Alle eine einzige Familie wären, die nun, ohne Hoffnung des Wiedersehns, auf ewig geschieden werden sollte“, beschrieb Wolke 1778 die folgende Szene (Wolke 1778, S. 669 und 670): „Nichts aber war rührender, nichts mächtiger, das härteste Herz zu zerschmelzen, als der Abschied des Professors Simon, und besonders des Professors Schweighäuser mit unserm Basedow. Dreymal wand sich der stumme Jüngling von dem segnenden Greise los, und dreymal fiel er eben so plötz­lich wieder mit den heißesten Thränen ihm in die Arme zurück. Das hätte ich nicht gedacht, sagte Basedow, als ich bey eurer Ankunft meine Mütze in die Höhe warf, und vor Freuden herumhüpfte.“ (Darauf folgen die im Text zitierten Zeilen.) 221 Vgl. Quabius 1776, S. 40. Frömmer resümiert mit Blick auf die Literatur der Empfindsamkeit: „Die empfindsame Literatur der Aufklärung reinterpretiert und zementiert

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Das funktionierte jedoch nur, solange die Untertanen sich selbst als unmündige Kinder wahrnahmen und sich mit den ihnen vom ‚Landesvater‘ zugestandenen Freiheiten begnügten, solange sie die Vernünftigkeit seines Handelns nicht hinterfragten und keine eigene Verantwortung für sich forderten. Dass dies in Anhalt-Dessau offenbar der Fall war, mag die für Zeitgenossen auffällige Liberalität des Dessauer Fürsten erklären, der bei seiner Herrschaft nur wenig Zwang und Gewalt anwendete. Unter der „bürger­lichen und politischen Freiheit und Selbstständigkeit“ verstand er frei­lich nur Wirtschafts-, Bewegungs- und Religionsfreiheit, nicht aber die Mög­lichkeit politischer Mit- oder Selbstbestimmung, wie es einer von Reil überlieferten Aussage von ihm aus dem Jahr 1810 zu entnehmen ist:222 Das Volk müsse zur bürger­lichen und politischen Freiheit und Selbständigkeit heran gebildet und nicht bloß über seine Pflichten, sondern auch über seine Rechte aufgeklärt werden. Jeder einzelne Reichsbürger müsse sich überall auf deutschem Boden als Glied des Ganzen fühlen und bewegen lernen. Daher überall freier Handel, freier Verkehr, freie Religionsausübung, Nichtbeachtung aller confessionellen Unterschiede.

Wie am Philanthropin überwog auch in seiner Regierung bei aller Idealisierung der individuellen Freiheit die Orientierung an Ordnung und Gemeinwohl. So verbot Leopold Friedrich Franz beispielsweise unehe­liche Beziehungen (vor allem zwischen Juden und Christen),223 weil sie genauso wie Diebe, Bettler und fahrendes Volk („Comödianten, Taschen- und Marionetten-Spieler und

damit einerseits patriarcha­lische Herrschaft. Andererseits wird diese jedoch im Modus der Fiktion an die Grenzen ihrer Affirmierbarkeit geführt. Davon zeugen nicht zuletzt die vielen Leichen auf der Bühne des bürger­lichen Trauerspiels und die schönen, aber klinisch toten Seelen im Himmel des Briefromans. Es wäre daher unangemessen vereinfachend, den empfindsamen Familiendiskurs auf eine ideologiestützende Funktion des Patriarchats im Sinne einer Sentimentalisierung autoritärer Strukturen zu verkürzen.“ (Frömmer 2008, S. 28 f.). Zumindest Leopold Friedrich Franz hat sich diese ‚Sentimentalisierung‘ jedoch offensicht­lich zur Legitimation seiner Herrschaft zunutze gemacht. 222 Reil 1845, S. 92. 223 So drohte er mit Verbannung im Fall der „Hurerei d. Christen mit den Juden“ und gebot, dass unehe­lich geschwängerte Mägde nicht anhaltinischer Herkunft ­ausgewiesen werden sollten. Vgl. Verordnung wegen der Hurerei d. Christen mit Juden (1786) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 136); Verordnung wegen schwangerer ausländischer Mägde (1797) (ebd., Nr. 196).

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Herumführer ausländischer Thiere“) die öffent­liche Ordnung störten.224 Gegen die Letztgenannten richtete sich seine Reform des Armenwesens. Sie sah im Wesent­lichen vor, auswärtige Bettler (sowie Personen ohne festen Wohnsitz, ohne Einkommen und ohne landwirtschaft­lichen oder bürger­lichen Beruf ) des Landes zu verweisen und einheimische entweder zu einfachen Arbeiten zu verpflichten oder ihnen, bei Arbeitsunfähigkeit, eine staat­liche Unterstützung auszuzahlen. Betteln wurde streng verboten (auch dem fahrenden Volk, das dafür Unterhaltung bot) – erst unter Androhung von Leibesstrafen, später von einjährigen bis lebensläng­lichen Freiheitsstrafen im Zerbster Zwangsarbeitshaus.225 Die 1809 schließ­lich verordnete Einrichtung von Dorfwachen gegen herum­ ziehende „Bettler und Vagabonden“ zeigt frei­lich, dass die jahrzehntelangen Bemühungen, die einheimische Bevölkerung vom ‚unvernünftigen‘ und die öffent­ liche Ordnung störenden Almosengeben abzuhalten, nicht gefruchtet hatten:226 Da man leider! noch immer die Bemerkung machen muß, daß, aller geschärften Verordnungen an die obrigkeit­lichen und polizey­lichen Behörden ungeachtet, dem Umhertreiben der Bettler und Vagabonden in den Herzogl. Fürstl. Landen nicht so gesteuert werde, wie man es bey den, mit so erheb­lichen Kosten, zum Besten des Publicums, eingerichteten Anstalten, und den ernst­lichen und deut­lichen desfallsigen Vorschriften an die resp. Obrigkeiten und Gerichte, wohl zu erwarten berechtigt wäre; der Grund dieses Mangels aber hauptsäch­lich in der unverzeih­lichen Nachläßigkeit der meisten Dorfgerichte zu suchen ist, w ­ elche die Bettelei in ihren Dörfern wiederum fast öffent­ lich verstatten, und dadurch veranlassen, daß die Bettler, dreist gemacht durch die ihnen in den Dörfern bewiesene Nachsicht, ohne Scheu auch in den Städten ansprechen: So haben Se. Hochfürstl. Durchl., Unser gnädigster Herr, Höchst­welche dieses polizey­ liche Unwesen durchaus abgestellt wissen wollen, ausdrück­lich zu befehligen geruhet, daß nicht nur sämmt­liche obrigkeit­liche und polizey­liche Behörden nochmals zu einer strengen und ganz rücksichtslosen Handhabung aller, deshalb ergangenen, höchsten

224 Anlegung des Zwangs-Arbeitshauses zu Zerbst (1801) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 230, S. 73). 225 Vgl. Project der Instruction wegen der nothdürftigen Versorgung der Armen in Dessau (1772) (Anhalt-Dessau 1784, Nr. 69; Instruction die Aufgreifung und Transportirung der Vagabonden und Bettler betreffend (1801), Verordnung wegen fauler Armen (1802), Verordnung wegen der Einführung von Tagewachen in den Dörfern (1809) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 230, 247, 310). 226 Verordnung wegen der Einführung von Tagewachen in den Dörfern (1809) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 310, S. 16 0 f.).

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Befehle ernst­lich angewiesen, sondern auch, bis auf weitere Verfügung, in allen und jeden Dörfern des hiesigen Landes eigne Dorfwachen eingerichtet werden sollen, um die Bettler und Vagabonden abzuhalten und zu arretiren.

Wer Bettler unterstützte oder versteckte, sollte bestraft, Denunzianten dagegen belohnt werden. Doch auch diese Maßnahme scheiterte am Widerstand der Bevölkerung, sodass 1810 schließ­lich eine professionelle Gendarmerie zur Durchsetzung dieses Ziels aufgestellt wurde.227 Dass das allumfassende ‚väter­liche‘ Regierungsprogramm des Dessauer Fürsten vor allem von der einheimischen Landbevölkerung mit Skepsis betrachtet oder sogar abgelehnt wurde, zeigt nicht nur das trotz des fürst­lichen Verbots den Bettlern erwiesene Mitleid, sondern auch das Desinteresse an den von Leopold Friedrich Franz schon 1763 eingeführten Dessauer wöchent­lichen Nachrichten, die seine Verordnungen, Nachrichten und Termine der Gerichte, Nahrungsmittelpreise, Verkaufsanzeigen u. Ä. bekannt machen sollten. 228 Schon bei ihrer Einführung verordnete er, dass diese in jedem Dorf (kostenpflichtig) zu beziehen und öffent­lich vorzulesen seien (in der Regel von den Dorfrichtern). 1774 drohte er mit Geldstrafen sowie mit der Haftung für aus Unkenntnis neuer Verordnungen begangene Straftaten, sollten die jeweiligen Verantwort­lichen in den Dörfern sich weiterhin weigern, die Nachrichten bekannt zu machen.229 Wie die P ­ raxis dieser ‚väter­lichen‘ Regierung auch aussehen konnte, überliefert ein Reisebericht von Georg Friedrich Rebmann aus dem Jahr 1795. Rebmann galt lange als ‚Jakobiner‘ und hat sich tatsäch­lich seit 1797 für eine Revolution in Deutschland eingesetzt; neuere Forschungen haben allerdings gezeigt, dass er ähn­lich wie Hennings und viele andere Zeitgenossen „für den Fortbestand der Monarchie und das Bündnis zwischen gebildetem Bürgertum und Thron“ optiert und nicht die Abschaffung, sondern die Verbesserung der Fürsten und die Einschränkung ihrer Machtbefugnisse gefordert hat.230 In seinen Wanderungen und Kreuzzügen berichtet er davon, wie Leopold Friedrich Franz mit eigener Hand für die Wahrung der öffent­lichen Ruhe 227 Edict über die Errichtung der Gensd’armerie [!] (1810) (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 323). 228 Einführung der wöchent­lichen Nachrichten und Verfügung wegen der Subhastationen und Edictal Citationen (1763) (Anhalt-Dessau 1784, Nr. 29). 229 Verordnung wegen Abhohlung und Bekanntmachung der öffentl. Nachrichten (1774) (Anhalt-Dessau 1784, Nr. 85). 230 Vgl. Sossenheimer 1988, S. 422, Zitat S. 425; konkret zu den Wanderungen und Kreuzzügen vgl. Kawa 1980, S. 148 ff.

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und Ordnung sorgt. Weil Rebmanns Zeugnis zudem auf die Diskrepanz zwischen Idee und ­Praxis ‚landesväter­licher‘ Regierung eingeht, wird es hier etwas ausführ­licher zitiert:231 So bald man das Dessauer Ländchen betritt, glaubt man in einen Garten zu kommen. Die Natur hat sehr wenig gethan, aber die Kunst desto geschmackvoller nachgeholfen. Gute Wege, Dämme mit Obstbäumen besezt, Gebäude, ­welche in schönen Formen ausgeführt sind, fröh­liche Landleute – dieß alles trägt dazu bey, einen guten Begriff von der Regierung des Landes zu erwecken. […] Ich fühlte mich hier froh, ich athmete leichter, weil alles Vaterliebe des Fürsten für sein Land anzudeuten schien. Mir fiel die Bemerkung eines Engländers ein, daß man von guten Landstrassen auch auf eine gute Regierung schliessen könne, und ich freute mich herz­lich darüber, sie hier bestätigt zu finden. Guter Fürst von Dessau, rief ich mir selbst zu, ich will mir dein Bild kaufen, und wenn wieder iemand über kleine Fürsten spottet, es ihm statt aller Antwort zeigen. Aber gleich als ob ein böser Genius über mir schwebte, der mir überall zuerst die Schatten zeigen wollte; so wurde ich auch hier […] Zeuge eines höchst ärger­lichen Auftritts, mir um so verdrüß­licher, da er mich in den Ideen störte, die ich mir eben so mahlerisch über das Glück eines kleinern guten Fürsten entworfen hatte. Ein Mann in einer rothen Uniform zu Pferde rief mir, doch ganz höf­lich, zu, mich zu Hause zu halten, nicht auf den Strassen blicken zu lassen, wenn ich nicht Ungelegenheiten mich aussetzen wolle. Verwundert über diese Weisung dachte ich eben darüber nach, ob etwa hier das Spazierengehen in der Stadt verboten seyn könne, als ich einen andern Mann, gleichfalls zu Pferde, in einer rothen Uniform erblickte, der einen Schneidergesellen mit eigner Hand ausprügelte, und bey den Haaren raufte. […] Und so erfuhr ich denn, daß die beyden rothen Herren – der Fürst und der Erbprinz gewesen seyen. Ich muß gestehen, eine wider­lichere Empfindung fühlte ich noch nicht leicht, als in ­diesem Augenblick. Die schöne Idee eines Vaters seines Landes, die vortref­ liche Bemerkung des Engländers und – der Fürst, der einen Schneider­gesellen höchst­ eigenhändig ausprügelt, dieß alles machte so einen eckelhaften Con­trast, daß ich mich mismüthig, wie ein Liebhaber der Idyllenwelt aus einem schmutzigen Bauern­haus, in den Gasthof zum Ringe sch­lich, und den Engländer mit seiner Strassen­bemerkung, die Lobpreisungen in Journalen, und meine Leichtgläubigkeit recht herz­lich verwünschte.

Es scheine „des Fürsten Absicht zu seyn, für einen guten Fürsten gelten zu wollen“, vermerkte Rebmann, der als einer der wenigen erkannte, dass die ‚Landesväter­lichkeit‘ des Dessauer Fürsten nicht völlig selbstlos war, sondern

231 Rebmann 1795, S. 73 – 75.

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auch den Zweck hatte, die Herrschaft des Fürsten nach innen wie nach außen abzusichern.232 Mit seinem Vorwurf, dass der Fürst sich nur zum Schein engagiere, trifft Rebmann indes anscheinend am Problem vorbei. Alle hier ausgewerteten Quellen legen nahe, dass der Fürst mit großer Ernsthaftigkeit regiert hat und von der Güte und Aufgeklärtheit seiner Politik überzeugt war, dass er vermut­ lich tatsäch­lich aus der „Menschenliebe“ und dem Willen zur „Beförderung des wahren Wohls Unserer getreuen Bürgerschaft“ agierte, mit denen er viele seiner Verordnungen begründete.233 Kritikwürdig aus Rebmanns Perspektive mag deshalb eher die von dessen Überzeugungen abweichende Auffassung des Fürsten von Aufklärung gewesen sein, die eben nicht freie und gleiche Individuen als Ausgangspunkt von Gesellschaft nahm, sondern ‚Landeskinder‘ und ‚Landesväter‘.234 Dass die metaphorische Verwandlung der Untertanen des Fürsten in Kinder reale Konsequenzen zeitigte, lassen verschiedene Zeugnisse vermuten, die das Fehlen eines Gesellschaftslebens in Dessau beklagen. Dessau habe „ohngefähr seit 14 Jahren unend­lich an Lebhaftigkeit verloren“, schrieb 1792 ein anonymer Autor. Ein anderer notierte 1800 in seinem Tagebuch, Dessau habe „viele schöne Gebäude, die man meist dem jetzt regierenden Fürsten verdankt. Die Miethen sind wohlfeil. Der von gutem Geschmack geleitete Baugeist des Fürsten zeigt sich überall. Aber die Stadt ist menschenleer und todt.“235 Zugespitzt formulierte das Karl Ludwig von Knebel: „In Dessau zwar haben sie Häuser, aber keine Menschen.“236 Angesichts der starken Ausprägung eines Denkens in Analogien lässt sich vermuten, dass die für Leopold Friedrich Franz’ Regierungshandeln leitenden Werte, Prinzipien und Vorstellungen auch von grundlegender Bedeutung für seine Auffassung von Gartenkunst waren.237 ‚Brauchbarkeit‘ und ­‚Zufriedenheit‘,

232 Ebd., S. 80. 233 Anhalt-Dessau 1784, Nr. 83: Die Rettung der ins Wasser gefallenen oder sich selbst Erhängten betr. (1774), S. 173; Anhalt-Dessau 1819, Nr. 137: Polizeiordnung der Stadt Dessau (1786), S. 9. 234 Was später einigen Anteil an der zunehmenden Distanzierung der Öffent­lichkeit vom Dessauer Fürsten hatte. Vgl. Kap. 2.4., Abschnitt: Kritik am Konzept des ‚Landesvaters‘. 235 Anonym 1792, Sp. 476; Morgenstern 1800, Sp. 666. 236 Karl Ludwig von Knebel an Caroline Herder. Ilmenau, 21. November 1800 (Herder 1861, S. 179). 237 Eine Übertragung bzw. Gleichsetzung inhalt­lich verschiedener Ordnungsauffassungen findet sich beispielsweise im Dessauer Armen- und Arbeitshaus, das zu den

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die die Philanthropisten und Leopold Friedrich Franz als Hauptziele von Erziehung erklärt hatten, lassen sich hier wahrschein­lich gleichsetzen mit dem Motiv der Verbindung des Schönen mit dem Nütz­lichen, das dem Fürsten oft als Leitwert für seine Landschaftsgärtnerei zugeschrieben wird. Das Nütz­liche sind vor allem die in den Wörlitzer Park hineinragenden oder sogar von ihm umschlossenen Felder. Um die Landwirtschaft ertragreicher oder ‚brauchbarer‘ zu machen, führte Leopold Friedrich Franz moderne landwirtschaft­liche Methoden wie den Kleeanbau in Anhalt-Dessau ein, von denen er in England erfahren hatte. Um diese Leistung auch für agrarökonomische Laien bemerkbar zu machen, stellte er neben dem Gotischen Haus eine Sammlung fortschritt­licher landwirtschaft­licher Geräte aus.238 Im ganzen Anhalt-Dessauer Land sind unter der Regierung von Leopold Friedrich Franz Bemühungen um eine Effektivierung der Land- wie auch Forstwirtschaft, um eine Erhöhung ihres N ­ utzens, zu beobachten.239 So ­wurden beispielsweise Wälder umzäunt, einerseits, um die Bäume zu s­chützen, da Holz teuer war, und andererseits zur Kontrolle des Wildbestands, der für die vom Fürsten geliebten Jagden gebraucht wurde.240 An den Straßen wurden Obstbaum­alleen gepflanzt, die den Reisenden Schatten und den Anwohnern Obst oder ein Einkommen gewähren sollten.241 „Kein Fleck blieb ungenutzt“, bemerkte ein Anhalt-Dessau-Besucher.242 Obwohl also der Wörlitzer Park wie die Erziehungsmethode des Philanthropin den Eindruck vermittelte, dass hier einer ungekünstelten, unbeschnittenen Natur Raum gegeben werde, spielt doch die Frage des N ­ utzens im Wörlitzer Park und in der allgemeinen ‚Landesverschönerung‘243 eine ähn­lich zentrale Rolle wie am Philanthropin.

238 239 240 241 242 243

ersten von Erdmannsdorff im klassizistischen Stil errichteten Gebäuden gehört und das nicht etwa verborgen in einer Seitenstraße oder am Stadtrand steht, sondern – die notwendige Einordnung der ‚nutzlosen‘ Armen in eine übergreifende Ordnung symbolisierend – Teil der von Erdmannsdorffs klassizistischer Architektur geprägten repräsentativen Hauptstraße war. Vgl. Hirsch 1995, S. 192 ff.; Hirsch 2003, S. 176 ff. Vgl. insgesamt Hirsch 2003, Kap. 4.7. Vgl. zur Jagdleidenschaft des Fürsten ebd., S. 214 ff.; zur Waldumzäunung: ­Kallenbach/ Kallenbach 1993. Vgl. Lott 1994. Bernoulli 1784b, S. 348. Friedrich Matthisson prägte als Erster den Begriff von der „Kunst der Landesverschönerung“, die dann vor allem von Gustav Vorherr, aufbauend auf dem aus dem frühen 18. Jahrhundert stammenden Paradigma der ‚Landeskultur‘, in den ersten zweieinhalb

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Das Ideal einer lückenlosen Nutzung des Landes zu agrarischen oder immerhin ästhetischen Zwecken entspricht der ‚Brauchbarkeit‘ im ­sozialen Bereich. Die in der Literatur viel beschworene Freiheit der Landschaftsgartennatur scheint dagegen mit der von Leopold Friedrich Franz gewährten bürger­lichen (Wirtschafts-, Religions- bzw. Reise-)Freiheit zu korrespondieren. Was die Ordnung und Sicherheit gefährdete, seien es die Menschen im Staat oder die Natur im Garten, wurde überwacht und aus- oder eingesperrt wie Bettler und wanderndes Volk oder die Elbe durch den Deich. Wie das den ‚Elenden und Schlechten‘ gewidmete Armen- und Arbeitshaus, das sich in der repräsentativen Dessauer Kavalierstraße befand,244 ist auch im Wörlitzer Park die ‚böse‘, d. h. die wilde, gefähr­liche und zerstörerische Natur Teil der Gestaltung. An sie erinnern der künst­liche Vulkan und der Deich, von dem aus sich Überreste von Hochwassern besichtigen lassen (vgl. Abb. 41 und 44). Bevor jedoch näher diskutiert werden kann, ob und wie Leopold Friedrich Franz sein Herrschaftsverständnis in der Gestaltung des Wörlitzer Parks ausgedrückt oder legitimiert hat, muss zunächst eine in der Wörlitzforschung oft verneinte Frage erörtert werden: Ist der Wörlitzer Park überhaupt als sinnvolles und in sich konsistentes Werk zu verstehen, obwohl die Rezeptionszeugnisse ihn im Sinne der ‚Gartenrevolution‘ vor allem als einen Raum zum Selbst­erlebnis und für empfindsame Geselligkeit gesehen haben?

Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu einer umfassenden Theorie ent­wickelt wurde (Friedrich von Matthisson: Brief an K. V. von Bonstetten. M ­ atthisson 1802, S. 370). Vgl. dazu Däumel 1961: „Das Bindeglied zwischen Gartenkunst und Landespflege ist die Landesverschönerung, eine Bewegung, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland weite Verbreitung und Anerkennung fand.“ (S. 6) und zur Bedeutung Anhalt-Dessaus: „Die Leistung des Fürsten Franz war Vorherr und seinem Kreis bekannt und wurde mit einigen zeitgemäßen Abänderungen und Umdeutungen durchaus als Vorbild empfunden.“ (S. 54); „Sowohl Vorherr als auch Schuderoff und H. v. Nagel weisen auf den wohltuenden Gesamteindruck des Dessauischen Ländchens hin, und stellen das Werk des Fürsten Franz als nachahmenswertes Muster dar. Dabei wird häufig die Formel von der Umwandlung des Landes in einen Garten gebraucht.“ (S. 88). 244 Vgl. den Artikel eines nicht näher zu identifizierenden Autors in der Zeitung für die elegante Welt von 1803 über Dessau: „Die linke Häuserreihe der schönen Kavalierstraße beginnt mit zwei Gebäuden, bestimmt für die Schwachen an Seele und an Körper, mit einem Irren- und Zuchthause, und mit einem Zufluchtsorte für dürftige Witwen. Jenes erste Gebäude ist in einem einfachen und ernsten Style aufgebaut, führt die Inschrift: Malis et miseris; das andre Gebäude gewährt den Anblick der Nettigkeit und wohlthuenden Sicherheit vor Noth und Elend.“ (Anonym 1803, Sp. 806).

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2.2 Der Park des ‚Landesvaters‘ Sinnvolles Werk oder beliebiges Konglomerat?

Das auch heute noch auffälligste Charakteristikum des Wörlitzer Parks sind seine vielen Staffagen – ca. 70 sind erhalten, wenn man die 13 Brücken dazurechnet.245 Zu den Brücken kommen ca. 30 dekorative Staffagen wie Altäre, Grabsteine, Götterstatuen o. Ä. und 25 Gebäude wie das Schloss, das Gotische Haus, der Marstall, die Wallwachhäuser, Floratempel, Monument, Luisenklippe, Wurzelhäuschen, Pantheon etc. Einen Blick auf ‚freie‘ Natur gibt es an keiner Stelle, jede Sichtmög­lichkeit ist durch mindestens eine Staffage bestimmt (außer beim Blick vom Deich auf die Überflutungswiesen außerhalb des Parks). In den Rezeptionszeugnissen und in der älteren Forschung werden die Staffagen meist als Stimmungsträger oder als allein ästhetisch zu verstehende Gartenelemente wahrgenommen. Charakteristisch dafür – und sicher auch für die folgenden Generationen prägend – ist die Beschreibung des Wörlitzer Parks im fünften Band von Hirschfelds Theorie der Gartenkunst aus dem Jahr 1782:246 Der Garten zu Wörlitz bey Dessau gehört, im Ganzen betrachtet, zu den edelsten Anlagen in Deutschland, wie der Besitzer zu den besten Fürsten, ein Vater seiner Unterthanen, ein Freund der Menschen und ein Kenner der Künste. Er hat sein Land mit Gebäuden und Gärten verschönert, die lange Denkmäler seines eben so feinen als männ­lichen Geschmacks seyn werden. Das Landhaus ist sehr schön, in einem edlen Stil, der, einige Kleinigkeiten ausgenommen, mit einer reizenden Harmonie im Ganzen und in einzelnen Theilen herrscht. Der Garten hat allerdings auch viele Schönheiten, die zum Theil ein Werk der Überlegung sind, zum Theil aber der Lage und den zufälligen Umständen zugehören. Er ist ganz zu der Klasse der angenehmen zu rechnen, reich an Munterkeit und Heiterkeit der Durchsichten. Der Fluß mit seinen verschiedenen abgeleiteten Gewässern, die Inseln, die Brücken, die Überfahrten, die Pflanzungen, und die in freyen und edlen Wendungen zwischen ihnen fortlaufenden Gänge wetteifern, die Reize dieses Gartens zu vollenden. Nur schade, daß er anfängt, sich hie und da in das Seltsame zu verirren. Man braucht den rohen Eisenstein so häufig, und versucht dadurch Felsen nachzuahmen, oder bringt ihn mit behauenen Steinen oder platten Wänden in einen ganz besondern

245 Dabei zähle ich weder Bänke noch Pflanzgefäße mit, sehe aber auch umfangreichere Gestaltungen wie die Insel Stein oder die Mystische Partie nur als eine Staffage. Vgl. Kleinschmidt/Bufe 1997, Anhang, S. 258 f. 246 Hirschfeld 1785/5, S. 360.

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Contrast. Auch liebt man das Gotische mehr, als der Charakter der Anlage zu verstatten scheint; fast alle Gebäude, große und kleine, werden nach dieser Bauart ausgeführt.

Hirschfeld (bzw. der ihm zutragende Berichterstatter) geht hier fast ausschließ­ lich auf die gestaltete Natur ein; abgesehen vom Schloss werden alle Staffagen (und künst­lichen Steingestaltungen) als Verirrung „in das Seltsame“ abgetan. Diese liegen zudem so wenig im Auge des für Hirschfelds Kompendium schreibenden Betrachters, dass sie fast ausnahmslos als ‚gotisch‘ erfasst werden, obwohl der vor 1785 nach Wörlitz kommende Besucher mit dem Nymphäum, dem Küchengebäude, dem Wachhaus zum Pferde, dem Roten Wallwachhaus und den Pavillons auf dem Eisenhart eine ganze Reihe von markanten klassizistischen Staffagen sehen konnte (vgl. Abb. 6 und 10). Es ist offensicht­lich, dass es sich bei dieser Darstellung um eine wertegeleitete Bedeutungsüberschreibung handelt, die der Durchsetzung von Hirschfelds Gartenauffassung diente.247 Dass sich Leopold Friedrich Franz überhaupt so nachdrück­lich für die landschaft­liche Gartenkunst engagiert, wird honoriert; der Wörlitzer Park wird aber eben nur „im Ganzen“ gelobt und im Einzelnen kritisiert, näm­lich für alle Abweichungen von Hirschfelds Theorie. Aus der gleichen Perspektive wie Hirschfeld haben dann auch viele andere Besucher den Park beschrieben. Gelobt wurden die Staffagen höchstens, weil sie im Sinne der Wirkungsästhetik „überraschen“; sie wurden als ‚romantisch‘ gedeutet oder als „Theater“- oder „Operndecoration“ kritisiert.248 Mehrere zeitgenös­sische Besucher bezweifelten im- oder explizit, dass „dieser Garten ein vollendetes Kunstwerk sei“, und zwar, weil dafür „der Charakter eines ­Ganzen, Verknüpfung aller Teile nach Gründen erfordert“ werde, wie der von der deutschen Frühromantik und ihrem autonomieorientierten Kunstverständnis geprägte dänische Dichter Adolf Wilhelm Schack von Staffeldt anmerkt.249 Diesen „Charakter des Ganzen“ sieht offensicht­lich nicht nur er durch die ­vielen und dabei teilweise sehr unterschied­lichen Staffagen gestört. Ausgehend von der Annahme, der Fürst habe sich bei der Gestaltung seines Gartens in erster Linie an der zeitgenös­sischen Gartentheorie à la Hirschfeld orientiert, müssen die vielen Staffagen im Park sinnlos erscheinen. Sind sie eine geschmack­liche Verirrung? Zeigt sich hier ein etwas exzentrischer Charakterzug 247 Vgl. dazu Breckwoldt 1995, S. 85 ff. Ähn­liches zeichnet Stobbe für Wilhelmshöhe nach (Stobbe 2009, Kap. 5.3). 248 Vgl. dazu Mecklenburg-Schwerin 1796, Sp. 492; Schelling 1796, Sp. 501; Riem 1797, Sp. 516; Schack von Staffeldt 1796, Sp. 511 sowie Böttiger 1797, S. 66. 249 Schack von Staffeldt 1796, Sp. 512. Vgl. zu Staffeldt Schmitz 1974, S. 57 ff.

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des Fürsten? Nein: Weit wahrschein­licher ist, dass die Staffagen von Gründen motiviert sind, die den zeitgenös­sischen Besuchern nicht einsichtig waren. Ein weiterer Blick in die Wörlitzer Schlossbibliothek eröffnet einen ­solchen anderen, plausibleren Begründungszusammenhang. Orientierung am vitruvianisch-palladianischen Architekturverständnis

1796 veröffent­lichte der Dessauer Kabinettsrat August Rode eine neue, auf Vorarbeiten von Erdmannsdorff beruhende Übersetzung von Vitruvs einflussreichem Traktat De architectura libri decem. Er widmete sie Leopold Friedrich Franz, weil dieser „ein vieljähriger Vertrauter Vitruvs und ein Eingeweihter in der Kunst […], ­welche er lehrt“, sei.250 Bemerkenswert sind Übersetzung und Widmung, weil sie zu einer Zeit erschienen, in der angesichts neuer archäolo­ gischer Funde in Italien immer mehr bezweifelt wurde, dass Vitruvs Theorie tatsäch­lich über das antike Bauen unterrichtet, da beides, Funde und Theorie, nicht übereinstimmten. Vitruvs Traktat war seit der Renaissance einer der wichtigsten Referenztexte für Architekten gewesen, da man allgemein vom Zeugniswert und der Gültigkeit von Vitruvs Text überzeugt war, doch diesen Status verlor er angesichts der neueren Entdeckungen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend. Um 1800 eine neue Übersetzung von ihm anzufertigen, war also keineswegs selbstverständ­lich. Es ließe sich annehmen, dass Erdmannsdorff und Rode mit ihrer Übersetzung einen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Architekturtheorie leisten wollten, für die um 1800 großes Interesse zu bemerken ist.251 Dagegen spricht, dass Erdmannsdorff mit seinen Architectonischen Studien 1797 „einen architektonischen ‚Leitfaden‘, wie er es selbst nennt, im Sinne Vitruvs“ publiziert und Vitruv mithin nicht in historisch-wissenschaft­licher, sondern in normativer Hinsicht rezipiert hat.252 So ist auch das Wörlitzer Schloss als eines der frühesten und hervorragendsten Beispiele klassizistischer Architektur auf dem Kontinent nachweis­lich an den stark von Vitruv geprägten Bauten Andrea Palladios sowie am eng­lischen Neopalladia­ nismus orientiert (vgl. Abb. 40). Beiden Vorbildern eignet ein semiotisches und 250 Vitruv 1796, S. VI. Vgl. Kadatz 1986, S. 39. 251 Wie Trauzettel annimmt, der als Motiv für Übersetzung und Bildnis „die Antikeverehrung und die in Deutschland begonnene wissenschaft­liche Auseinandersetzung mit den antiken Architekturquellen“ sieht (Trauzettel 1993, S. 53). Vgl. zur Vitruv-Diskussion um 1800 Philipp 1997, S. 55 ff. 252 Erdmannsdorff 1797. Zitat: Speler 2001, S. 51.

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sogar ideolo­gisches Verständnis von Architektur; Häuser sollten sowohl bei Palladio als auch bei seinen eng­lischen Nachahmern Botschaften über ihre Besitzer vermitteln.253 Auch Erdmannsdorff und Leopold Friedrich Franz zielten offensicht­ lich nicht auf eine mög­lichst getreue Nachahmung der Form antiker Vorbilder ab, wie sie von Winckelmann (in dessen Unterricht sie in Rom gegangen sind)254 und den deutschen Klassikern gefordert wurde, sondern um die Adaption der Vorstellungen, die sich mit antikem Bauen laut Vitruv angeb­lich verbanden.255 Vitruvs Architekturtheorie war für Leopold Friedrich Franz vermut­lich aus drei Gründen von Interesse: erstens, weil sie Architektur als aus der Natur entstandenes und deshalb legitimes Ordnungssystem beschreibt. Zweitens, weil die behauptete Anthropomorphie architektonischer Elemente die Idee einer gottgegebenen Analogie zwischen natür­lichen und gesellschaft­lichen Prinzipien unterstützt. Drittens, weil sie mit der Säulenordnung einen visuell zu rezipierenden Code anbietet, der ob seiner vermeint­lichen Naturgewachsenheit die mit ihm kommunizierten Botschaften ‚natür­lich‘ erscheinen lässt.256 253 Vgl. zu Palladio Burns 1997, zum Neopalladianismus Kruft 1986, S. 92 ff. und 266 ff. 254 Und der deshalb oft als Referenz zum Verständnis des Wörlitzer Parks angeführt wird. Vgl. etwa Disselkamp 1991 und Müller 1998. Beide schließen von ­diesem Führenlassen der Dessauer durch Winckelmann auch auf eine transformationslose Adaption des Winckelmann’schen Denkens durch Leopold Friedrich Franz und Erdmannsdorff. Ich denke, dass Winckelmann ihnen in erster Linie dabei half, mit der antiken Kunst bekannt zu werden, dass Leopold Friedrich Franz und Erdmannsdorff jedoch ihre eigenen Maßstäbe in der Kunstbetrachtung behielten. 255 „Eine dogmenhafte ‚Nachahmung der griechischen Werke, wie sie 1754/55 J. J. ­Winckelmann forderte, lehnte er ab. Erdmannsdorff bevorzugte die schöpferische Übernahme antiker römischer und griechischer Details sowie abgewandelter, durch Renaissance und Palladianismus verarbeiteter antikischer Formen, die er seinen Schöpfungen wiederum inhalt­lich und funktionell neu anzupassen suchte. Immerwährender Bezugspunkt seiner Ästhetik der Proportionen waren die Lehren von Vitruv.“ (Kadatz 1986, S. 17). Nachweis der von Erdmannsdorff besessenen Vitruv-Ausgaben bei Speler 2001, S. 49. Vitruv fehlte es aber an praktischem Bauverstand, weshalb die von ihm vorgegebenen Maße und Proportionen schon in der Renaissance variiert wurden: „In mancher Hinsicht scheinen“ deshalb, so folgert Hans-Joachim Fritz, „die Symmetrieanweisungen, die Vitruv am Beginn seines Architekturtraktates zusammengetragen hat, geradezu unbrauchbar, teilweise sogar ausgesprochen hinder­lich für die römische Bau­praxis des 1. Jhs. v. Chr. zu sein“ – und wohl auch für die des 18. Jahrhunderts, weshalb Vitruv vermut­lich tatsäch­lich vor allem in ideolo­gischer Hinsicht von Interesse für die Dessauer war (Fritz 1995, S. 42). Vgl. auch Forssman 1996, S. 109. 256 Zur Anthropomorphie: Nach den von Vitruv übernommenen Vorstellungen der griechischen Antike ist der mensch­liche Körper eine einfach mathematisch zu erfassende

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Überzeugend erschien offenkundig auch Vitruvs Behauptung, dass Architektur aus Geselligkeit resultiere. Diese sei unter den – ähn­lich wie von ­Rousseau imaginiert – einsam im Naturzustand lebenden Menschen durch die Ent­deckung des Feuers entstanden. Alle Kunst und Wissenschaft habe sich dann aus dem Vergleich verschiedener Versuche der Errichtung von Unterständen entwickelt; Bauen sei also eine Urszene mensch­licher Kultur und Zivilisation.257 Dass Leopold Friedrich Franz die daraus entwickelte ‚Urhüttentheorie‘ von Vitruv, also die Vorstellung von der Entstehung der Architektur aus der Natur, ernst genommen hat, zeigt das offenbar von Vitruv inspirierte Wurzelhäuschen im Wörlitzer Park (vgl. Abb. 8).258

Figur, in der die Zahlen 10 und 6 dominieren, die deshalb der Maßstab von Vitruvs Proportionsregeln werden: „Die Natur hat den mensch­lichen Körper also eingerichtet, daß das Gesicht vom Kinne bis oben zum Anfange der Stirne an der Wurzel des Haarwuchses, ein Zehntel desselben beträgt; desgleichen die flache Hand, vom Gelenke bis an die Spitze des Mittelfingers, eben so viel […]. So wie beym mensch­ lichen Körper Ebenmaaß – symmetros – im Ellbogen, Fuß, Hand, Finger und in den übrigen Gliedern herrscht; eben also muß es auch bey den aufzuführenden Gebäuden vorhanden seyn.“ (Vitruv 1796, S. 26 und 114). 257 „Als nun, bey Gelegenhalt der Erfindung des Feuers, unter den Menschen erst Zusammenkünfte, Umgang und Gesellschaft entstanden, und mehrere sich an Einem Orte versammelten […]; so fingen sie an, die Einen aus Laube Obdächer zu machen, die Andern Höhlen unter Bergen zu graben, und noch andere, in Nachahmung der Schwalben in dem Baue ihrer Nester, aus Lehm oder Reisern Hütten zu ihrer Wohnung zu verfertigen. Einer stellte darauf über des Anderen Bau Beobachtungen an, und nutzte diese zu neuen Zusätzen bey seinen eigenen Gedanken; und so kamen von Tage zu Tage bessere Arten von Wohnungen zum Vorscheine. Denn die Menschen sind nachahmerischer und gelehriger Natur; indem sie sich täg­lich der gemachten Erfindungen rühmten und sich unter einander die Wirkungen ihrer Gebäude zeigten, übte sich ihr Geist durch Wetteifer, und ihr Geschmack ward mit jedem Tage besser. […] Es erhielten aber nicht allein die Hände durch täg­liche Arbeit mehr Fertigkeit im Bauen, und gelangten fähige Köpfe durch beständige Übung zu allerley Kunstkenntnissen; sondern es erwachte auch in den Gemüthern ein Ehrgeitz, der diejenigen, w ­ elche sich vor anderen hervorthaten, antrieb, sich Meister – faber – zu nennen; und so giengen von jenem ersten Anfange an die Menschen […] immer weiter und weiter von Verfertigung der Gebäude zu den übrigen Künsten und Wissenschaften fort. So gelangten sie von einem wilden, rohen Leben zu einer milden, verfeinerten Humanität.“ (Vitruv 1796, S. 64 und 66 f.). 258 Die Überzeugung, dass Symmetrie und Proportionalität ihren Ursprung in der Natur haben, sieht Umbach auch in den im Wörlitzer Park ausgestellten regelmäßig geformten Basaltsäulen ausgedrückt. Vgl. Umbach 2000, S. 73 f.

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Mit seiner Behauptung, dass (klassizistische) Architektur eine natür­liche Ordnung repräsentiere, in die sich das Einzelelement harmonisch einfüge, zeichnet Vitruv zudem (in der gleichen Stoßrichtung wie der Philanthropismus) ein Konzept für eine widerspruchslose, weil durch ‚natür­liche‘ Regeln bestimmte Harmonisierung von Einzelelement und Ganzem. Vitruv verweist dafür auf den mensch­lichen Körper, meint damit aber zugleich den „Gefügecharakter des politischen Kräftespiels“, wie Hans-Joachim Fritz zeigt, der rekonstruiert hat, dass Vitruvs Theorie ein Entwurf für ein durch Tradition und Natur legitimiertes Propagandamittel für die Herrschaft des Augustus war.259 Dass Leopold Friedrich Franz Vitruvs Theorie ebenfalls in ­diesem Sinne gelesen hat, ist nicht nachweisbar, aber wahrschein­lich. Dafür spricht unter anderem seine Auseinandersetzung mit einem anderen Architekturtheoretiker der Renaissance (neben Palladio), der Vitruv eben in dieser Richtung rezipiert hat: Leon Battista Alberti.260 Auch Alberti schreibt von einem Bau-‚Körper‘ und seinen ‚Mitgliedern‘, und dies in einer Art, die eine Übersetzung in gesellschaft­ liche Verhältnisse nahelegt:261

259 „Kein Gebäude kann ohne Ebenmaaß und gutes Verhältnis gut eingerichtet seyn, wofern es sich nicht genau, wie der Körper eines wohlgebildeten Menschen, zu s­ einen Gliedern verhält.“ (Vitruv 1796, S. 114). Vgl. Fritz 1995, S. 32 und 3 f. 260 Da sein Porträt in der Wörlitzer Schloss- und seine Werke in der Dessauer Hofbiblio­ thek nachgewiesen sind, kann davon ausgegangen werden, dass Leopold Friedrich Franz ihn und seine Werke kannte. Erdmannsdorff, der Freund von Leopold Friedrich Franz und Architekt des ‚Gartenreiches‘, hat sich mit dessen Schriften nachweis­lich schon um 1766 beschäftigt – laut Kadatz, um „mit Persön­lichkeiten, Werken und Theorien bekannt zu werden, die in der antiken Kultur eine mehr aristokratische Geistesrichtung sahen“ als Winckelmann (Kadatz 1986, S. 51). Kadatz führt hier für diese inhalt­liche Distanz politische Gründe an, da die „vermeint­lich demokratische Ordnung“ Griechenlands, „wie sie Winckelmann idealisierte“, nicht ins politische Welt- und Herrschaftsbild des Dessauer Fürsten passte. Ob Winckelmanns demokratische Überzeugungen in dieser Schärfe ausgeprägt waren, kann hier nicht diskutiert werden. In jedem Fall favorisierte er bekannt­lich das antike Griechenland, während die Gestaltungen im Wörlitzer Park auf Rom verweisen, und zwar auf das Rom der Kaiserzeit. Alberti war für die Dessauer wahrschein­lich von Interesse, weil er es als Aufgabe der Architektur formuliert hat, „die s­ ozialen und politischen ­Dimensionen eines Gemeinwesen wiederzuspiegeln und auch funktional zu unterstützen“; seiner Auffassung nach solle Architektur „zu allererst die Herrschaft ausdrücken“, wie Andreas Heyer zusammenfasst (Heyer 2009, Zitate S. 284 f.). 261 Hier zitiert nach der für die Dessauer Hofbibliothek nachgewiesenen Ausgabe (Alberti 1726, Buch 1, S. 11 f.). Vgl. Dessauer Bibliothek 1829.

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What has been already said above of the Region and Platform, may be of no small use in doing of this aptly and conveniently: and as the Members of the Body are correspondent to each other, so it is fit that one Part should answer to another in a Building: whence we say, that great Edifices require great Members. Which indeed was so well observed by the Ancients, that they used much larger Bricks, as well as other Materials, about public and large Buildings, than in private ones. To every Member therefore ought to be allotted its fit Place and proper Situation; not less than Dignity requires, not greater than Conveniency demands; not in an impertinent or indecent Place, but in a Situation so proper to itself, that it could be set no where else more fitly.

Wie das Mitglied in der Gesellschaft soll nach Alberti auch das architekto­nische Element seinen richtigen und angemessenen Platz haben. Entsprechend lässt sich das an den Vitruvdeutungen der Renaissance orientierte klassizistische Wörlitzer Schloss als Symbol für gesellschaft­liche Auffassungen lesen: Wie die einzelnen architektonischen Teile sich harmonisch in das Gesamtgebäude fügen, so soll sich das einzelne Gesellschaftsmitglied (und auch das Fürstenpaar, wie noch näher beleuchtet wird) zum Gemeinwohl in die Ordnung der Gesellschaft einpassen. Der Wörlitzer Park als ikonografisch gestaltetes Werk

Die Englandreisen von Leopold Friedrich Franz mit seinen Besuchen in einigen der bedeutendsten ikonografisch gestalteten Anlagen (u. a. Stowe und ­Stourhead) und seine intensive Auseinandersetzung mit den Architektur­theorien Vitruvs und der Renaissance sprechen dafür, den Wörlitzer Park nicht wie die meisten zeitgenös­sischen Besucher als in erster Linie wirkungs- oder autonomieästhetisch intendiertes, sondern als nach ikonografischen Prinzipien und in kommunikativer Absicht gestaltetes Werk zu betrachten.262 Mit den

262 Umbach tendiert zwar dazu, eine ikonografische Betrachtungsweise als ungeeignet für die Entschlüsselung eines so komplexen visuellen ‚Texts‘ wie des Wörlitzer Parks zu sehen, weil die Kombination von Bildern ihren Sinn verändere: „To distinguish different types of political imagery, an iconographic approach in the classical sense is therefore of limited value. What is required is a method that focuses on the way these images were used, and how their connections form a visual text that transformed the meaning of its component parts.“ (Umbach 2000, S. 61). Ihr Problem ist aber eher in begriff­licher Unklarheit als in einer speziellen Gestaltungsweise des Parks begründet. Ikonografischer Sinn wurde in der Frühen Neuzeit meistens durch die Verbindung mehrerer Gegenstände in einem Bild generiert. Ein ikonografischer Ansatz ist dann

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‚­expressiven‘ Gartenanlagen eines ‚Capability‘ Brown oder Humphry Repton hat der ­Wörlitzer Park weniger zu tun; abgesehen von der großen Wiese zwischen See und Monument finden sich hier keine großen freien Flächen, wie sie für die späteren eng­lischen Landschaftsgärten typisch sind (vgl. Abb. 5).263 Dass die (schreibenden) Zeitgenossen den Wörlitzer Park nicht auf diese Weise rezipiert haben, liegt vermut­lich daran, dass die Erwartungshaltung vieler deutscher Besucher von Landschaftsgärten nicht von der Kenntnis der Gartenkunst- und Repräsentationsgeschichte geprägt war, sondern von den Ideen der ‚Gartenrevolution‘. Dass der Landschaftsgarten als Symbol von Freiheit und als Gegensatz zum ‚tyrannischen‘ formalen Garten franzö­sischer Prägung verstanden wurde, machte offensicht­lich blind dafür, dass fürst­liche Gärten traditionell der herrschaft­lichen Macht- und Weltbildrepräsentation dienten und dass die Fürsten des 18. Jahrhunderts mit dieser Tradition vermut­ lich nicht so radikal gebrochen haben, wie die Verfasser von aufklärerischen Texten es wünschten. Ein Brief, den Leopold Friedrich Franz 1766 aus England an seinen Bruder schrieb, zeigt, dass zwar auch er den Wörlitzer Park mit ‚Freiheit‘ verband, dass er darunter aber etwas anderes verstand als die meist bürger­lichen Autoren der Garten­literatur. Leopold Friedrich Franz ging es nicht um allgemeine oder bürger­ liche Freiheit, sondern um das sorgenlose und freie Leben der Oberschicht:264 Des libertins heureux séjours, Où coulent doucement mes jours; Je m’estime aussi libre et fortuné que sont les Insulaires parmi lesquels je vis content et sans Soucis, et où il ne me manque pour rendre mon bonheur complet, que le plaisir de le partager avec vous.

Dass diese Sinnebene in Rezeptionszeugnissen nicht erwähnt wird, muss dabei nicht heißen, dass sie nicht wahrgenommen wurde. Für viele zeitgenös­sische Besucher sollte der Wörlitzer Park jedoch in erster Linie dem „Genuß der

ungeeignet, wenn man ihn im Sinne Panofskys als Inhaltsbeschreibung jedes einzelnen Bildbestandteils versteht. Umbach fordert dagegen im Grunde nichts anderes als Panofskys ikonolo­gische Interpretation, allerdings mit der hier geteilten Veränderung des Erkenntnisziels vom ‚Wesenssinn‘ hin zu den konkreten historischen Bedeutungen. 263 Abb. 5: Berrington Hall Park, eine der wenigen erhaltenen Anlagen, die von Lancelot ‚Capability‘ Brown gestaltet wurden, der als einer der Hauptvertreter eines (je nach Nomenklatur und Deutungsrahmen) ‚expressiven‘ oder ‚klas­sischen‘ Landschaftsgartenstils gilt, von dem sich die meisten Landschaftsgärten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England beeinflusst zeigen (heute im Besitz des National Trust). 264 Zit. nach Berenhorst 1775, S. 254.

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schönen Natur“ dienen.265 Der Natur wurde eine so große Eigenmächtigkeit und einem die Natur derart in den Mittelpunkt stellenden Garten ein so g­ roßer Wert zugesprochen, dass der Versuch fürst­licher Selbstdarstellung dagegen als marginal erscheinen und übersehen werden konnte. Angesichts der vielfältigen motivischen Verbindungen sowie der zahlreichen Sichtachsen zwischen den einzelnen Staffagen lässt sich vermuten, dass der Wörlitzer Park nicht in erster Linie wirkungs- oder autonomieästhetisch, sondern sinnhaft (also ikonografisch) gestaltet ist. Auf ein gemeinsames Thema bezogen sind so beispielsweise die zwölf Brücken im Wörlitzer Park, die die Geschichte der Brückenbaukunst darstellen, beginnend bei der Hornzackenbrücke mit ihrem Geländer aus unbearbeiteten knorrigen Ästen und endend bei einer Kopie der damals modernsten eng­lischen Brücke, der Eisenbrücke über den Coalbrookdale. Eine historische Entwicklung zeigen offenbar auch die Gebäude im Wörlitzer Park. Die mit ihnen präsentierte historische Entwicklung beginnt mit dem Wurzelhaus und endet mit dem ästhetisch hochaktuellen neoklassizistischen Schloss. Auch andere Motive werden immer wieder aufgegriffen: So werden mehrmals Nymphen dargestellt (im Nymphäum, in der Grotte der Egeria, mit der Muschelnymphe), es gibt mehrere Venusfiguren im Park (im Venustempel, die Venus aus dem Bade, in der Neptunsgrotte im Stein, in der Amaliengrotte, im Schloss). Außerdem finden sich mehrere Apollodarstellungen (im Schloss, im Pantheon und im Sommersaal des Küchengebäudes). Neuere Studien zu einzelnen Parkteilen – vor allem zum Gotischen Haus, aber auch zum Pantheon, zur Mystischen/Romantischen Partie und zur Fährüberfahrt zwischen Badender Venus und der (nach dem Vorbild des Tivoler Vestatempels gestalteten) Synagoge – unterstützen die Vermutung,

265 „Geschmackvolle Lusthäuser, zier­liche Brücken, gefällige Sitze in mannichfaltigen Formen, treff­liche Statüen und Vasen erhöhen den Genuß der schönen Natur.“ (Eggers 1806, Sp. 846). Riem unterschlägt sogar die Urheberschaft des Fürsten: „Das große Genie eines Erdmannsdorff, reich an Erfindungen, voll edler Simplicität, glück­lich in der Vertheilung, den Anlagen und der Ausführung, in Verbindung des Nütz­lichen mit dem Schönen und allem, was den großen Architekten zum Zauberer von Feenschlössern macht – das ganze ein Meisterwerk einer blühenden Einbildungskraft, die sich aber allenthalben dem Soliden unterordnet! das Ganze ein zusammenhängendes romantisches Gemälde, das den Dichter begeistern kann, hier eine große Erzählung voll ernster und heiterer Bilder einer abwechselnden Phantasie anzulegen, ohne auf irgend eine Weise über sein Süjet zweifelhaft zu werden.“ (Riem 1797, Sp. 516).

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dass der Wörlitzer Park entgegen den Deutungen der Rezeptionszeugnisse ein ikonografisch und damit sinnvoll gestalteter, Botschaften enthaltender Raum sein könnte.266 In der Forschung werden jedoch auch immer wieder Zweifel an einem mög­lichen übergreifenden Gesamtsinn des Wörlitzer Parks geäußert. Insgesamt lassen sich drei Prämissen feststellen, aus denen heraus es für unplausibel gehalten wird, dass der Wörlitzer Park als ein konsistenter und in sich sinn­ voller ‚Text‘ lesbar sein könnte: Erstens wird oft von einer aus der Gartenliteratur abgeleiteten Gestaltungsweise ausgegangen, die keinen Sinn vorgibt, sondern nur Angebote für eine subjektive, nicht durch den Verstand, sondern durch die Empfindungen zu erfolgende individuelle Sinnproduktion schafft.267 Der Garten wird dabei als Projektionsfläche oder Rahmen für Fantasie oder Kommunikation verstanden. Weil ­solche nicht in ihm erkannt wurde, ziele er „nicht auf Eindeutigkeit ab“.268 Das mag in einem von der Gartenauffassung der ‚Gartenrevolution‘ ausgehenden Verständnis des Landschaftsgartens begründet sein, nach dem der Landschaftsgarten ein in erster

266 Vgl. vor allem die Studien von Michael Niedermeier, Maiken Umbach und ­Christian Reimann. 267 Ein besonders augenfälliges Beispiel für eine empfindsame, den Ideen der Wirkungsästhetik folgende Sicht auf den Wörlitzer Park findet sich in der 1806 in der Zeitschrift Georgia oder der Mensch im Leben und im Staate anonym erschienenen Artikelserie Dessau und seine Umgebungen: „Das Furchtbare, das Grausende, das Melancho­lische, das Lieb­liche, Sanfte, Schöne, sind die Eindrücke, die das Gemüth erfährt, wenn man über die schwankende Kettenbrücke, durch den finstern unterirdischen Gang, die stille Felsengrotte, zu dem Tempel der cyprischen Göttinn wallt, die auf dem sich hebenden Hügel im lieb­lichsten Tempel weilt. Der ihm gegenüber stehende Fels erscheint nun um so schrofer. Lafontaine konnte seine Liebenden nirgends romantischer vereinen, als in ­diesem Tempel. Der rauhe, grausende Pfad, den sie bis dahin betreten mußten, war der rauhe Pfad ihres Lebens selbst gewesen.“ (Anonym 1806, Nr. 131 vom 31. Oktober 1806, Sp. 1039). Zu Lafontaine vgl. hier Kap. 1.4. 268 Zitat bei Ruge 2008, S. 222. Vgl. auch Klein 2003, S. 24 und 64 ff. und Gamper 1998, S. 195 f. und 201 ff. Ruge schließt: „Es bleibt festzuhalten, dass das Gartenreich des Fürsten Franz eine Fülle von ­Zeichen und Verweisen bereithält, die für unterschied­liche Deutungen und Sehweisen der Gartenbesucher offen sind. […] Der Versuch, eine Gesamtschau und eindeutige Synthese zu entwickeln, muss scheitern. So stehen wir einem inszenierten Programm gegenüber, w ­ elches eben gerade nicht auf Eindeutigkeit abzielt. Und dies schon deshalb nicht, weil der Garten eben kein totes, sondern ein lebendiges Kunstwerk ist, w ­ elches mit Hilfe unterschied­lichster Perspektiven, Erzählweisen usw. ein inneres Schauen und Erkennen evozieren möchte.“ (Ruge 2008, S. 222).

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Linie auf die Empfindungen des Individuums abzielender, von allen Machtstrukturen und aller Deutungshoheit freier Raum sei.269 Zweitens findet sich immer wieder die Überzeugung, dass bestimmte Rezeptionszeugnisse objektiv über den intendierten Sinn des Wörlitzer Parks informierten. Daraus folgt unter anderem die unreflektierte Fixierung auf Goethes Wahrnehmung des Wörlitzer Parks als „unend­lich schön“, die noch heute – etwa in den Publikationen der Kulturstiftung DessauWörlitz – ein Leitzitat bildet. Drittens führt die Beobachtung, dass bisher interpretierte ikonografische Gestaltungen auf unterschied­liche Themen verweisen, zu der Annahme, dass es keinen gemeinsamen Sinn gebe, auf den sie bezogen sind. So finden sich im Wörlitzer Park Gestaltungen, die auf germanische Freiheit bzw. Fürstenfreiheit bezogen sind, auf Erotik, Rom, die Persön­lichkeit des Fürsten sowie litera­ rische Vorbilder wie Torquato Tassos Befreites Jerusalem, Apuleius’ Der goldene Esel oder Vergils Aeneis.270

269 Vgl. dazu Stobbe 2009, S. 214 ff. Stobbe ist vermut­lich die Erste, die auf die Notwendigkeit einer Unterscheidung von Schöpferabsicht und Sinnzuschreibung durch die Besucher hinweist: „Angesichts dieser Ergebnisse ergibt sich der Eindruck, als sei der Eng­lische Garten in seiner Idealform ein Wunschbild jenes neu aufgekommenen Lese- und Schreibadels, zu dem auch und vor allem Hirschfeld gehörte. Es soll nicht behauptet werden, dass es nicht auch Gärten gegeben habe, die d ­ iesem Bild sehr ähn­ lich waren. Doch zählte die Wilhelmshöhe vom Standpunkt des materiellen Befunds und der höfischen Nutzung definitiv nicht dazu. Dadurch aber, dass so wenige aussagekräftige Schriftzeugnisse über die Bedeutung fürst­licher Lustgärten aus Sicht der Besitzer überliefert wurden, geriet diese hochadelige Sichtweise in Vergessenheit bzw. blieb von Anfang an bei der historischen Einordnung dieser Anlagen unberücksichtigt. In das kulturelle Gedächtnis ist, so scheint es, im Wesent­lichen nur das eingegangen, was darüber von anderen geschrieben und veröffent­licht wurde. Festzuhalten ist, dass viele Positionen, die sich in den Äußerungen der Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts finden ließen, in kaum veränderter Form in den Forschungsbeiträgen des beginnenden 20. Jahrhunderts weiter geführt werden. Das lenkt zu Überlegungen, die über den eigent­lichen Untersuchungsgegenstand hinausreichen und zu der Frage über­leiten, wessen Auffassung vom Garten sich eigent­lich auf lange Sicht durchsetzte. Wie sich schon bei der Betrachtung des Ringens um die kulturelle Deutungshoheit zeigte, spielte bei den Bedeutungszuschreibungen der Machtfaktor eine zentrale Rolle – und zwar in dem Sinne, dass vor allem derjenige, der die Macht hatte, zu bezeichnen, letztend­lich auch über die Anlage verfügte.“ (S. 216) Vgl. ebenfalls Stobbe 2008. 270 Vgl. Niedermeier 2002, S. 111 ff.; Niedermeier 2003, S. 196 ff.; Umbach 2000, S. 65; Rüffer 2005, S. 307; Reimann 1999; Harksen 1957; Reimann 2010b, S. 224 ff.; ­Reimann 2010a, S. 129 ff. Vgl. insgesamt auch Albert 1994, S. 290.

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Einen der wenigen überzeugenden Interpretationsansätze für diese uneindeutige Verschiedenartigkeit des Wörlitzer Parks hat bisher nur Umbach in ihrer Studie Federalism and Enlightenment in Germany 1740 – 1806 entwickelt.271 Sie deutet den Wörlitzer Park und insbesondere das Gotische Haus in ihrer Funktion als Rahmen und symbo­lischen Hintergrund für die Treffen der Fürsten­ bündler. Da es beim Fürstenbund darum gegangen sei, die Unabhängigkeit und Individualität der einzelnen Reichsstände zu bewahren, sei auch der Wörlitzer Park nicht gleichförmig und auf eine einzige Idee bezogen. Daraus erklärt sie das Nebeneinander verschiedener Themen im Park: „Diversity was the key ­feature.“  272 Der Fürstenbund zielte jedoch nicht nur auf die Stärkung der Rechte der einzelnen Staaten ab, sondern auch auf eine Reform des Reichs, das als notwendiges Schutzdach für eine individuelle Entfaltung der einzelnen Länder verstanden wurde. Ebenso inszeniert der Wörlitzer Park neben Individualität auch Konzepte eines übergreifenden Ganzen – der individuellen oder der ‚Landes‘-Familie oder der Natur. Insofern muss Umbachs Deutungsansatz weiterentwickelt werden. 271 Die meisten älteren Gesamtinterpretationen sind oberfläch­lich oder historisch unplausibel. Zu diesen gehören Auffassungen wie die, der Park sei eine wissenschaft­lich und/oder pädago­gisch motivierte „Enzyklopädie der Kulturgeschichte“ (Möller 1995, S. 229), „architektonisches Welttheater“ (Kleinschmidt/Bufe 1997, S. 19) oder einfach „Bildungsprogramm“ (Klausmeier 1997, S. 377), eine zur Bildung der Besucher gestaltete oder nostal­gische Sammlung von Reiseerinnerungen oder aber sichtbares ­Zeichen des Dankes des Fürsten und Erdmannsdorffs für Winckelmanns Unterricht. Dieser sei angeb­lich eine „Sternstunde ihres Lebens“ gewesen, die sie „durch einen im damaligen Deutschland singulären gartenbaukünstlerischen Schöpfungsakt nach eng­lischem Beispiel in ihren humanistischen Modellgarten der Menschheit wie in ein ‚Märchen‘ (Goethe) eingebracht“ hätten, wie Rudolf Sühnel unterstellt (Sühnel 1996, S. 82 f.). Auch die Idee, Wörlitz wäre eine Sammlung von Reiseerinnerungen, wird scheinbar gestützt durch den oben (Fn. 267) zitierten Artikel in der Georgia: „Wer gern wissen möchte, wie wohl der Aufenthalt auf Siciliens Küste, oder an Neapels Golfo seyn möchte, der schiffe sich auf diese Meeresspitze hinüber. Er steige in die grausende Tiefe der Felsenschlucht hinunter, um unter den Felsenbogen an das – ruhige Wasser zu kommen. Eine angenehme Villa, ein Gärtchen, bezaubernd wie die der Hesperiden, wird die Unruhe seines Herzens in sanfte Freuden umschmelzen. Wenn er von da in das mit Moos bewachsne Amphitheater kommt, wenn er in einer nahen Grotte zwei Ringer wahrnimmt, die sich zum Kampfe vorzubereiten scheinen, dann wird er glauben, nach Italien in Herkulaneums Ruinen versetzt zu seyn. Das Aecht­ italiänische dieser Anlagen scheint mir ihren vorzüg­lichsten Werth und Charakter auszumachen.“ (Anonym 1806, Nr. 131 vom 31. Oktober 1806, Sp. 1039). 272 Umbach 2000, S. 66.

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Das Verhältnis zwischen Einzelnem und Ganzem, individuellen Bedürfnissen und gesellschaft­licher Notwendigkeit war für Leopold Friedrich Franz ein zentraler Bezugspunkt für die Konzeption seiner Herrschaft nach außen wie nach innen. Darüber hinaus ist es, wie die folgenden Abschnitte zeigen werden, das Thema des Wörlitzer Parks. Auch in d ­ iesem wird das Grundthema – das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft – in verschiedenen Analogien variiert wie bei den oben nachgezeichneten metaphorischen Übertragungen zwischen Politik, Gärtnerei, Anthropologie und Erziehungstheorie. Es geht im Park um das Verhältnis zwischen persön­licher Identität und Fürstenrolle, zwischen ‚böser Lust‘ und gesellschaft­licher Verträg­lichkeit, Zerstörung und Fruchtbarkeit, Kultur und wilder Natur, Geschichte und momentaner Gegenwart. In allen diesen Themenvariationen wird im visuellen ‚Text‘ des Wörlitzer Parks auf einen Ausgleich und auf Balance abgezielt. Er präsentiert Vielfalt und würdigt die individuelle Natur, stellt aber letzt­lich das Gemeinwohl in den Mittel­punkt, die Menschheit insgesamt und eben nicht den einzelnen Menschen. Der Wörlitzer Park als Ort der Inszenierung des fürstlichen Weltbilds

Geht es um das herrscher­liche Selbstbild des Dessauer Fürsten, bieten literarische und philosophische Orientierungen, wie sie oben nachgezeichnet wurden, wichtige Ansatzpunkte. Aufschlussreich sind indes auch die Vorbilder, die sich Leopold Friedrich Franz gewählt hat. So präsentiert die Bibliothek im Wörlitzer Schloss eine Reihe von Herrschern und Politikern, mit denen er sich wohl in eine Reihe gestellt sehen wollte: In den Ecken der Bibliothek stehen die Büsten der römischen Kaiser Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und Mark Aurel; an den Wänden finden sich neben den Porträts von Dichtern, Denkern und Künstlern die Bildnisse von Solon und Lykurg, den legendären Gesetzgebern von Athen und Sparta, des römischen Königs Numa Pompilius sowie von Friedrich II. von Preußen und Peter I. von Russland.273 Nicht abgebildet ist dagegen das offenkundig wichtigste Vorbild des Dessauer Fürsten, vielleicht weil sich Leopold Friedrich Franz nicht nur an ihm orientiert, sondern sich sogar mit ihm identifiziert hat: Augustus, der Kaiser des römischen ‚Goldenen Zeitalters‘.274 Von Augustus hat er die ­Schwerpunktsetzungen 273 Vgl. Reimann 2004, S. 26 f. und S. 60 ff. 274 Augustus gehörte im 18. Jahrhundert insgesamt zu den zentralen Orientierungsfiguren im positiven wie im negativen Sinn. Die eng­lische Literatur des 18. Jahrhunderts wird wegen ihres häufigen Augustus-Bezugs in der eng­lischen Literaturgeschichte allgemein als ‚Augustan Literature‘ bezeichnet. Dass Augustus dabei für viele Autoren als

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seiner Politik und vor allem das ‚Vokabular‘ für ihre symbo­lische Inszenierung übernommen, für die dieser mit dem von ihm ausgeprägten Apollokult ein funktionierendes Modell vorgab, in das sich ganz verschiedene Themen integrieren ließen.275 Als Gott der Sonne eignete sich Apollo hervorragend für die Selbstinszenierung eines aufgeklärten Herrschers, da die Aufklärung wie die Sonne auf Licht bezogen war (wie die eng­lische und franzö­sische Bezeichnung der Aufklärung als ‚enlightenment‘ bzw. ‚siècle des lumières‘ deut­lich macht). Das Motiv der Erleuchtung findet sich an verschiedenen Stellen im Schloss, wie in den gemalten Sonnenstrahlen an der Decke der Bibliothek und des Portikus, im Ober­licht des runden Vorsaals und dem mit großen Fenstern versehenen Belvedere auf dem Dach.276 Dass damit nicht nur allgemein die Aufklärung, sondern konkret Apollo gemeint ist, macht das in der Bibliothek und im Vorsaal verwendete Motiv des Dreifußes deut­lich, das auf Apollo als Gott des Orakels von Delphi verweist.277 Im Vorsaal wurde später anstelle des beleuchteten Dreifußes eine Kopie des Apollo von Belvedere aufgestellt.278

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Symbol für Unterdrückung und Korruption galt und eigent­lich nur von Royalisten geschätzt wurde, zeigt Weinbrot 1978. Augustus’ Apollobezug geht auf die in der Spätzeit der römischen Republik üb­lich gewordene ­Praxis zurück, sich als Adeliger einen persön­lichen Schutzgott zu wählen. Augustus hatte sich – noch während des Triumvirats – für Apollo entschieden, mit dem er dann erfolgreiche Symbolpolitik gegen seinen Kontrahenten Antonius betrieben hat, der sich als Günstling des Dionysos inszenierte. Die Apollo zugeschriebenen Eigenschaften trafen jedoch besser die Erwartungen der römischen Oberschicht als die mit Dionysos assoziierten und trugen so zu Augustus’ Sieg über seinen Konkurrenten bei. Vgl. Zanker 2003, S. 55 ff. Bei dem hier noch öfter erwähnten runden Vorsaal handelt es sich um den ersten Raum des Schlosses, den man von der Haupttür aus betritt. Er hat eine verglaste Kuppel, unter der außerdem eine Laterne hängt. An der rechten und linken Wand befinden sich zwei große Felder mit Inschriften aus einem anonym erschienenen Buch ­Versuche mit Gott zu reden. In umlaufenden Nischen stehen Statuen einer Venus U ­ rania, eines Merkur, eines tanzenden Faun und einer mediceischen Venus. In weiteren Feldern finden sich gemalte Darstellungen von Merkur sowie von Opfern für Diana, Merkur, Apollo, Aeskulap und Sylvan. Über der Tür ins Schlossinnere befindet sich das Bild einer urzeit­lichen Hochzeit, über der Ausgangstür das einer Niederkunft. In der Mitte des Vorsaals stand zunächst ein Dreifuß, der von unten beleuchtet werden konnte. Vgl. Rode 1788, S. 20 – 25. Vgl. Reimann 2004, S. 110 und Reimann 2010a, S. 139 ff. Erstmals erwähnt in Rodes Beschreibungen von 1818 (Rode 1814/18, S. 121).

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Mit Apollo konnte Leopold Friedrich Franz seine Auffassung von der Aufklärung verdeut­lichen, der offenbar die (im 18. Jahrhundert weitverbreitete) Überzeugung zugrunde lag, dass nur der Herrscher weise sein und sein Land in ein ‚Goldenes Zeitalter‘ führen könne, der sich an der Natur orientiert.279 Dieser Gedanke wird im Wörlitzer Schloss und Park auf verschiedene Weise symbolisiert. Das delphische Orakel drückt ihn genauso aus wie die Fortunastatue neben dem Eingang des Schlosses oder die Grotte der Egeria am Südostzipfel des Parks, die auf die Legende verweist, nach der Numa Pompilius ein guter König gewesen sei, weil er nach dem Willen der Götter gehandelt habe, den ihm seine Geliebte, die Nymphe Egeria, mitgeteilt habe.280 Apollo gehört zu den vielseitigeren Gottheiten der Antike; er lässt sich nur schwer­lich auf eine Sinnebene beschränken. Sein hier gemeinter Sinnbereich wird deshalb im Schloss mithilfe von spezifischeren Gottheiten definiert. So verweist etwa der in der Wandgestaltung der Bibliothek durch Heroldsstab und Hahn symbolisierte Merkur, der als Beförderer des Handels, der Straßen und des Verkehrs, von Bildung und Heilkunst gilt, auf die positiven Seiten von

279 Vgl. Huyssen 1981, S. 5 ff. 280 Vgl. zum Egeria-Mythos Hederich 1724, Sp. 794 (diese Ausgabe des Hederich befand sich in der Dessauer Hofbibliothek). Vgl. außerdem die im Katalog der Wörlitzer Schlossbibliothek verzeichneten Biographien des Plutarch (Plutarch 1777, S. 234 – 294, vor allem S. 241 ff.). Plutarchs Beschreibung des Numa kann als Folie für das Selbstverständnis des Dessauer Fürsten verstanden werden: „Er cultivirte sein von Natur zu jeder Tugend geneigtes Gemüth durch Lernen, Duldsamkeit, und Studium der Weisheit. Nicht bloß die schänd­lichen Leidenschaften der Seele, sondern auch die bey den Barbaren geachtete Gewaltthätigkeit und Habsucht vermied er, und hielt es für wahre Tapferkeit, wenn man die Begierden durch die Vernunft besiegt. Daher verbannte er auch aus seinem Hause alle Pracht und allen Luxus. Gegen jeden von seinen Bürgern und den Fremden bezeigte er sich als einen untadelhaften Richter und Rathgeber. Seine Musse widmete er nicht der Weich­lichkeit noch der Gewinnsucht, sondern der Verehrung der Götter, und der Nachforschung ihrer Natur und Macht durch die Hülfe der Vernunft. […] Er hatte die Gewohnheit, häufig in den Haynen der Götter, auf den geheiligten Wiesen, und in entfernten, einsamen Örtern sich aufzuhalten. Dieß war der vornehmste Grund zu jenem Gerüchte von seinem Umgange mit einer Göttin, und man breitete aus, daß er nicht aus Betrübniß, noch aus Verwirrung seines Geistes sich von der mensch­lichen Gesellschaft entfernt hätte, sondern einen erhabnen Umgang, und die Liebe einer Göttin genösse, und die Liebe und die Gesellschaft der Göttin Egeria zu einem Glücke erhoben sey, das ihn fähig mache, gött­liche Dinge zu wissen.“ (Plutarch 1777, S. 241 f. und 243).

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Apollo, dem ebenfalls Produktives in diesen Bereichen zugeschrieben wird.281 An Apollos lebensschöpfende und -erhaltende Eigenschaften erinnern zudem die Bilder einer Geburt sowie eines Opfers für Aeskulap im Vorsaal, in dem sich zudem weitere Merkurdarstellungen finden. Diese Themen gehören ebenso wie die Landwirtschaft, für die die Ceresstatue neben dem Schlosseingang steht, zu den Schwerpunkten der Politik des Augustus und des Dessauer Fürsten.282 Mit dem Apollomythos wird hier also ikonografisch ein Ideal guter Herrschaft umrissen, für die Leopold Friedrich Franz eben Augustus als Vorbild gesehen hat. Darin erschöpft sich jedoch der Sinn der Wörlitzer Apolloinszenierung noch nicht. In seinem das mytholo­gische Wissen des 18. Jahrhunderts zusammenfassenden Gründ­lichen Lexicon mythologicum bezeichnet Benjamin Hederich Apollo grundlegend als Symbol des Feuers in dessen positiven wie negativen Wirkungen. Als Sonnengott sei er sowohl für die Fruchtbarkeit der Natur wie für Dürren verantwort­lich; es sind demnach nicht nur gute „Thaten“ von ihm überliefert, sondern auch eine Vielzahl unehe­licher Beziehungen und sogar Rachemorde.283 Dass Leopold Friedrich Franz diese Ambivalenz schon früh bewusst gewesen sein dürfte, lässt ein Eintrag seines Freundes E ­ rdmannsdorff im Tagebuch seiner Italienreise vermuten. 1766 heißt es darin über die Apollo­ statue im römischen Belvedere, sie habe „eine Stirn, die mit Schrecken und Ehrfurcht erfüllt ist, aber ein[en] Mund, der die Gnade eines wohltätigen Wesens versichert“.284 Diese Ambivalenz der Natur wird an verschiedenen Stellen in der Gestaltung des Wörlitzer Parks aufgegriffen. So symbolisiert auch die neben dem Eingang 281 Der Verweis auf Merkur in der Bibliothek bei Reimann 2004, S. 25. Vgl. Hirsch 2003, Kap. 4.4: „Die Aufklärung maß dieser Aufgabe der Regierung [dem Straßen- und Wegebau] große Bedeutung bei […]. Kaum können aber nach dem vorliegenden Material andere Straßen so gepriesen werden wie die dessauischen.“ (S. 100 f.). Vgl. zu Leopold Friedrich Franz’ Engagement für den Ausbau medizinischer Versorgung in seinem Land Kaiser/Völker 1991. 282 Dass es Leopold Friedrich Franz dabei nicht nur um wirtschaft­liche Interessen ging, sondern gerade auch um den Ruf als Schöpfer eines neuen ‚Goldenen Zeitalters‘, ­lassen die öffent­lichkeitswirksame Ausstellung von landwirtschaft­lichen Gerätschaften am Gotischen Haus im Wörlitzer Park sowie der im neopalladianischen Stil errichtete fürst­liche Wirtschaftshof in Wörlitz vermuten. Vgl. Hirsch 1995, S. 192 und 199 sowie Hirsch 2003, Kap. 4.7. 283 Vgl. Hederich 1724, Sp. 299 f. (zur Sonnendeutung) und Sp. 285 ff. (zu seinen „­Thaten“). Zum Liebesleben: „Daß er eine ordent­liche Gemahlin gehabt, findet sich nirgendwo, hingegen hatte er der Courtisanen eine ziem­liche Anzahl“ (Sp. 287). 284 Erdmannsdorff 1765 – 1766, S. 152.

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des Schlosses stehende Fortuna nicht nur das Glück und die Fülle des Lebens, die in dem Füllhorn in ihrem Arm zum Ausdruck kommt, sondern auch die Unwägbarkeiten des Schicksals. Im Untergeschoss des 1795 – 97 auf dem Deich errichteten Pantheons ist eine Isisstatue aufgestellt, die an die zugleich zerstörerische und befruchtende Wirkung von Hochwassern erinnert, wie sie allgemein vom Nil bekannt ist, aber ebenso das an Elbe und Mulde gelegene Anhalt-Dessau betrifft.285 Dass der Wörlitzer Park so nah an den Überflutungswiesen der Elbe angelegt und der Deich in die Gestaltung einbezogen wurde, scheint vor allem darin begründet zu sein, dass Leopold Friedrich Franz dem Motiv der zugleich fruchtbaren wie zerstörerischen Natur eine hohe Bedeutung beigemessen hat und sie deshalb zum Thema des Parks machen wollte – für das der Deich ein ideales Z ­ eichen ist. Das ist die einzig sinnvolle Deutung dieser speziellen Lage des Parks zwischen Deich und Stadt, die sich ansonsten nur als künstlerische Fehlentscheidung interpretieren lässt, wie es etwa der Weimarer Altphilologe Böttiger 1797 in seinem Reisetagebuch getan hat (vgl. Abb. 4):286 Der gute, durch seinen Elbdamm eingeengte Fürst vergaß, daß er auch noch ein Oranien­ baum, einen Sieglitzer Berg usw. hatte und fängt an, einen Platz vollzupfropfen, der mit jedem noch so kostbaren Spielwerk immer mehr an Einheit des ganzes Plans und alleingefälliger Natur verlieren muß.

Das Bemerkenswerte an dieser Lage ist die stetige Gefährdung, die für den Park von ihr ausgeht. Schon 1771/72 hat eine Überschwemmung einen Großteil des bis dahin Angelegten zerstört. Danach ließ Leopold Friedrich Franz den Deich zwar erhöhen; gegen das Hochwasser von 2002 bot frei­lich auch der höhere Deich keinen Schutz.

285 Vgl. Pfeifer/Kansteiner 2007, S. 5. Auf den in der Gestaltung des Pantheon-Unter­ geschosses hergestellten sinnfälligen Zusammenhang zwischen Zerstörung und Fruchtbarkeit weist auch Umbach hin. Vgl. Umbach 2000, S. 109. 286 Böttiger 1797, S. 76. Jeder Platz im Land stand dem Fürsten zwar nicht zur Verfügung, da ein Teil des Grundes seinem Bruder gehörte, der nicht immer bereit war, Land abzugeben. Mög­lichkeiten hätte es aber beispielsweise beim Vogelherd gegeben, wo Leopold Friedrich Franz später für Fürstin Louise das Luisium errichten ließ, in Oranienbaum, dessen barocken Garten er später mit einem landschaftsgärtnerischen Teil erweiterte, oder in Großkühnau, wo der Erbprinz ab 1805 einen Garten anlegte. Vgl. den allerdings aus dem Jahr 1804 stammenden Brief des Fürsten an seinen B ­ ruder Hans Jürge mit der Bitte, an verschiedenen Stellen Eingriffe in dessen Landbesitz vornehmen zu dürfen (LHASA, DE, Abt. Dessau, A 10 Nr. 135, Bl. 2).

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Eine Entscheidung für einen Neuanfang an einem anderen Ort stand 1772 vermut­lich nicht mehr zur Debatte, weil das Schloss fast fertiggestellt war. Allerdings gibt es verschiedene Indizien für die Annahme, dass Leopold Friedrich Franz das Gelände eben wegen der Nähe zu den Überflutungswiesen gewählt hat und nicht vom Hochwasser an sich, sondern nur von seiner Heftigkeit überrascht war. So wurde schon 1769 eine erste Staffage am Deich aufgestellt, die Goldene Urne auf dem Grab der frühverstorbenen Tochter des Fürstenpaars (vgl. Abb. 15).287 Das lässt darauf schließen, dass schon früh geplant war, den Park bis zum Deich auszudehnen und die Überflutungswiesen als Sichtpunkt in ihn einzubeziehen. Mutmaß­lich zu ­diesem Zweck wurde in den folgenden Jahren eine ganze Reihe von Staffagen auf dem Deich errichtet (das Pantheon, das Monument, der Venustempel, die Luisenklippe). Beachtenswert an ihnen ist, dass sie nicht nur als Point-de-vue für einen Blick aus der Ferne dienen, sondern viele Details enthalten, die zu einer Nahbesichtigung einladen.288 Dadurch locken die Staffagen die Besucher auf den Deichweg, von dem aus nicht nur der Park, sondern auch die anscheinend gärtnerisch nicht überformte Landschaft jenseits des Deiches und vor allem die Überreste von Hochwassern zu sehen sind (vgl. Abb. 41). Als Sehenswürdigkeiten beschreibt Rodes Führer diese „Denkmale eines Durchbruchs der Elbe“ und stärkt so die Annahme, dass die Hochwassergefahr ein wichtiges Motiv im Wörlitzer Park ist:289 Man sieht nehm­lich mitten auf ebenem Rasen, sonder [sic] Merkmal eines vormaligen Wasserbetts, die halbzerstörten Widerlagen einer Brücke. Die umher zerstreuten hohen Weidenbäume sind bis über zwei Drittel des Stammes versandet.

Auf der anderen, süd­lichen Seite ist der Wörlitzer Park ebenso ungewöhn­lich durch die Stadt Wörlitz begrenzt. Wie die Nähe zur Elbe ist anscheinend auch diese direkte Nachbarschaft zum Ort sinnhaft. Obwohl Leopold Friedrich Franz

287 An der von der Elbe abgewandten Seite des Deiches. 288 Das Pantheon mit seiner prachtvollen Wand- und Deckengestaltung im Innenbereich, mit der antiken Apollo- und Musengruppe und dem ägyptischen Untergeschoss; das Monument ebenfalls mit aufwendiger Innengestaltung und den Büsten der Vorfahren des Fürsten; der Venustempel mit der relativ kleinen Kopie der Venus von Medici, die erst aus der Nähe ihre Wirkung entfaltet, und mit der Neptunsgrotte im Untergeschoss, und die Luisenklippe, die erklettert werden kann und auf der eine gotische Kammer zu besichtigen ist. 289 Rode 1814/18, S. 90.

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teilweise durch Baumpflanzungen eine Abgrenzung hergestellt hat, ist die Nähe der Stadt deut­lich zu bemerken. So reichten die Grundstücke der Stadtbewohner an weiten Teilen des Südufers des Sees schon in der Entstehungszeit bis fast an den Uferweg des Wörlitzer Parks heran (vgl. Abb. 14).290 Das ist bemerkenswert, weil es eine deut­liche Abweichung von den eng­lischen Landschaftsgärten darstellt, die Leopold Friedrich Franz kannte und zu deren Vorbild er sich mit seinem ‚Eng­lischen Sitz‘ von 1765 bekannt hatte.291 Die meisten eng­lischen Landsitze, die Leopold Friedrich Franz während seiner England­ reisen besucht hat (wie Stowe, Rousham, Bowood, Wentworth Woodhouse oder Axwell House), wurden in einiger Entfernung zur nächsten Ortschaft erbaut.292 Andernorts wurden Dörfer abgerissen und Wege verlegt, um die Illusion einer weit schwingenden, freien Landschaft zu schaffen und den Blick nicht durch Armut zu stören.293 Diese nicht nur in England verbreitete Tendenz dieser Zeit zu Abgeschiedenheit und Privatheit kann sogar als eines der auffälligsten Charak­ teristika des eng­lischen Landschaftsgartens beschrieben werden. So postuliert etwa Williamson: „This, then, is the first and arguably the most important way in which we should read the park: as the landscape of polite exclusion.“ 294 ­Leopold Friedrich Franz kannte diese Tendenz zwar, schloss sich ihr aber nicht an. 290 Dass Straßenverlauf und -bebauung schon im 18. Jahrhundert ähn­lich dem heute zu sehenden Zustand waren, belegt eine im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Dessau aufbewahrte Karte. Vgl. Karte von Wörlitz (1789/90) (LHASA, DE, Abt. Dessau, Slg. 19, 19/D 435). 291 Der eng­lische Sitz geht laut Kleinschmidt und Bufe auf ein nicht mehr existierendes Vorbild im Park von Stourhead zurück. Vgl. Kleinschmidt/Bufe 1997, S. 108. 292 Vgl. den in Berenhorsts Journal de voyage aufgenommenen Brief des Fürsten an seinen Bruder vom 18. September 1766, in dem er von den Reiseplänen der nächsten Tage berichtet (Berenhorst 1775, S. 255): „Je vais à présent m’arreter encore quelques jours ici prés sur les Terres du frere du Général Clavering, puis je me rendrai chéz Mylord Rockingham et chéz le Duc de Ruthland père de Mylord Granby, pour les visiter à leurs Campagnes et pour chasser avec eux.“ Der Bruder von Lieutenant General John Clavering war Sir Thomas Clavering, der Besitzer und Umgestalter von Axwell House; Mylord Rockingham ist Charles Watson-Wentworth, 2nd Marquess of Rockingham, Besitzer des imposanten Wentworth Woodhouse. Von einem je eintägigen Aufenthalt in Stowe und Bowood und einem viertägigen in Rousham berichtet ein in Berenhorsts Journal aufgeführter Brief vom 12. Februar 1767 (S. 274). Während der im Tagebuch von Fürstin Louise beschriebenen dritten Englandreise des Fürsten 1775 besuchte Leopold Friedrich Franz erneut und diesmal für längere Zeit Bowood, Rousham und Stowe (vgl. Louise 2007, S. 97, 110 – 127, 165 – 175 und 187 – 189). 293 Vgl. Nelle 2005, S. 129 ff.; Weryha-Wysoczański 2004, S. 125 ff. 294 Williamson 1995, S. 107.

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Dass das kein Hinnehmen von nur schwer veränderbaren Gegebenheiten war, lässt sich angesichts der Platzierung und Ausrichtung des zwischen 1769 und 1773 erbauten Schlosses vermuten. Dieses wurde näm­lich nicht etwa mitten im Park, sondern direkt neben der Stadt erbaut und nicht auf diesen, sondern auf die Stadt ist die Front ausgerichtet. Leopold Friedrich Franz hat zwar die zuvor auf dem Schlossplatz stehenden Häuser abreißen lassen 295 und es gibt auch hier eine Sichtschutzpflanzung, doch im Vergleich zu dem, was eng­lische Landhausbesitzer getan haben, um sich von der ansässigen Bevölkerung abzugrenzen, erscheint diese Abtrennung marginal.296 Anders als seine eng­lischen Bekannten hat Leopold Friedrich Franz sein ‚Landhaus‘ genanntes Schloss also offenkundig nicht als exklusiven Rückzugsort geplant. Die öffent­liche Zugäng­lichkeit von Park und Schloss wie auch die eingangs betrachteten Apollogestaltungen machen es stattdessen deut­lich zu einem fürst­lichen Repräsentationsraum. Diese Lage des Wörlitzer Parks zwischen Überflutungswiesen und Stadt lässt sich als Symbol für das Bemühen des Fürsten lesen, in seiner Herrschaft (und, wie zu sehen sein wird, in seinem Lebensentwurf ) einen Mittelweg z­ wischen wilder Natur und gesellschaft­licher Kultur zu finden. „Den Freunden von Natur und Kunst“ ist entsprechend das Pantheon auf dem Deich gewidmet, wie die Inschrift 295 Eine Kündigung ließ sich zwar im Archiv nicht finden, aber aus einem Brief des Wörlitzer Freihäuslers Christian Brugsch vom 22. November 1770 geht hervor, dass eine Reihe von Häusern auf dem Schlossplatz (zu dem seines gehörte) abgerissen werden sollte. Den Abriss selbst vermerkt Louise in ihrem Tagebuch (LHASA, DE, C 2b III Nr. 6: Acta, enth. verschiedene die Stadt Wörlitz angehende Sachen (1759 – 1823), Bl. 24; Louise 2010a, Eintrag vom 16. Februar 1774, S. 35). 296 Selbst für die bisher nicht erwiesene Mög­lichkeit, dass das Wörlitzer Schloss auf dem Fundament eines Vorgängerbaus errichtet wurde und deshalb so ausgerichtet sein könnte, gab es in England ein verbreitetes, von Leopold Friedrich Franz nicht verwendetes Mittel zur Schaffung von Privatsphäre, näm­lich die Verlegung des Haupt­ einganges des Schlosses vom Ort zum Park – zu finden beispielsweise in Kimbolton Castle in Cambridgeshire, das Leopold Friedrich Franz 1766 besucht hat. Vgl. seinen Brief aus Kimbolton Castle vom 16. Oktober 1766, in dem er sich allerdings nicht über das Haus äußert (Berenhorst 1775, S. 264). Kimbolton Castle wurde Anfang des 18. Jahrhunderts von dem bedeutenden klassizistischen Architekten John Vanbrugh umgebaut, der den Haupteingang von der zum Dorf ausgerichteten Westseite an die öst­liche Frontseite verlegt hat, die der Landschaft zugewandt ist. Es ist anzunehmen, dass der Duke of Manchester, der damalige Besitzer, seinem Besucher von ­diesem Umbau erzählt hat, zumal er diese Abschottung gerade erst durch ein von Robert Adam entworfenes breites neopalladianisches Torhaus hatte verstärken lassen. http:// www.kimbolton.cambs.sch.uk/page/?title=The+18th+Century&pid=3861 (zuletzt abgerufen am 5.2.2015).

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über seinem Eingang mitteilt.297 Einen weiteren Referenzpunkt präsentiert die Pappelinsel am südwest­lichen Rand des Wörlitzer Parks mit ihrem Rousseaudenkmal (eine Nachahmung des auf einer Insel gelegenen Grabmals, das Graf Girardin für Rousseau in seinem Park in Ermenonville errichtet hat, vgl. Abb. 17). Auf Rousseau wird hier jedoch anscheinend weniger wegen s­einer Ideen zum Naturzustand verwiesen als wegen seiner Überlegungen für eine nicht auf Zwang basierende, gute Gesellschaft. So richtet sich die Widmung des Gedenksteines auf der Pappelinsel an den „Bürger“, nicht den Menschen Rousseau.298 Dieser hatte in seiner Schrift zum Gesellschaftsvertrag den Gedanken formuliert, dass die ‚völlige Entäußerung‘ des Einzelnen an die Gesellschaft eine Grundbedingung für eine funktionierende Gesellschaft sei. Daraus bezog L ­ eopold Friedrich Franz wahrschein­lich seine Idee der Notwendigkeit einer völligen Verpflichtung der Untertanen-Kinder auf den Herrscher-Vater.299 Von Rousseau stammt zudem mög­licherweise seine Überzeugung, dass Untertanen erzogen werden müssen, damit staat­liche Ordnung gewährleistet werden kann. So heißt es in Rousseaus Artikel Economie ou Oeconomie in der Encyclopédie:300 Wenn es gut ist, die Menschen zu nehmen, wie sie sind, bedeutet es noch viel mehr, sie so zu formen, wie man sie braucht. Die umfassendste Autorität ist diejenige, ­welche bis ins Innere des Menschen dringt und nicht weniger auf seinen Willen als auf seine Handlungen einwirkt. Es steht fest, dass Völker langfristig das sind, wozu die Regierung sie macht. Krieger, Bürger, Menschen, wenn sie es will; Mob und Pöbel, wenn es ihr gefällt. […] Formt also Menschen, wenn ihr Menschen befehlen wollt!

297 Mit dem Pantheon schloss Leopold Friedrich Franz abermals an eng­lische Vorbilder an. Ursprüng­liche Vorlage dafür ist zwar das Pantheon in Rom, das er kannte; es ist jedoch davon auszugehen, dass er sich unmittelbarer auf die ähn­lichen Gebäude in den Parks von Stourhead oder Chiswick bezog – der Sinn s­ olcher Bezugnahmen und die Bedeutung der eng­lischen Vorbilder wären allerdings noch genauer zu untersuchen. Vgl. zu Zitaten im Landschaftsgarten allgemein Trotha 1999, S. 154 ff. 298 DEM ANDENKEN / I. I. ROUSSEAU’S / BÜRGERS ZU GENF / DER / DIE WITZLINGE ZUM GESUNDEN / VERSTANDE / DIE WOLLÜSTLINGE ZUM WAHREN / GENUSSE / DIE IRRENDE KUNST ZUR EINFALT / DER NATUR / DIE ZWEIFLER ZUM TROST / DER OFFENBAHRUNG / MIT MÄNN­L ICHER BEREDSAMKEIT / ZURÜCKWIES. / ER STARB / DEN II. JUL. MDCCLXXVIII. 299 „Ces clauses se réduisent tout à une seule, savoir l’aliénation totale de chaque associé avec tous ses droits à toute la communauté.“ (Rousseau 1762, S. 30). Vgl. dazu Heyer 2006, S. 92 ff. 300 Jean-Jacques Rousseau: Economie ou Oeconomie. Zit. nach Heyer 2006, S. 106.

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Es ist anzunehmen, dass Leopold Friedrich Franz sich mit ­diesem Herrschaftsverständnis identifizieren konnte; sein Engagement für den Philan­ thropismus geht offenbar direkt auf Ideen wie diese zurück. Eher als Erzieher denn als Herrscher zeigen ihn seine Verordnungen, die oftmals Appelle an die Vernunft seiner Untertanen und nicht Befehle sind, wie zu sehen war.301 Sie suggerieren, dass der Fürst die Fähigkeit habe, zwischen Vernunft und Unvernunft zu unterscheiden, und dass er wisse, wie das Volk im Sinne ­Rousseaus zu erziehen sei. Es ist nicht überliefert, dass seine Zeitgenossen gefragt haben, wieso der Dessauer Fürst über diese höhere Einsicht verfügte und aus ­welchem Reservoir er seine Fähigkeit zur Erziehung seiner Untertanen bezog. Der Wörlitzer Park lässt sich jedoch als Antwort auf diese Fragen lesen. Er zeigt einen Fürsten, der darum bemüht war, ein ‚guter‘ Herrscher zu sein, indem er sich an der Natur und an großen Vorbildern orientierte; einen Fürsten, der durch den Verweis auf sein Bemühen und auf seine hohe Abkunft die Legitimität seiner Herrschaft beweisen wollte, und der dennoch nur ein Mensch war, der Konflikte zwischen seinen persön­lichen Bedürfnissen und seinen gesellschaft­ lichen Pflichten kannte. Im Wörlitzer Park ist ein komplexes und vielschichtiges Weltbild inszeniert, in dem alles einen Sinn hat und wohlgeordnet ist. Er zeigt eine Welt, in der alles zusammenhängt und in der durch die richtige Naturorientierung und eine vernünftige Kulturarbeit alle Konflikte lösbar und alle Widersprüche aufhebbar sind. Durch die Vielschichtigkeit des Parks und die enge Verflechtung verschiedenster Themen ist es frei­lich schwierig, seinen Inhalt und Sinn in einem linea­ren Text zu erfassen. Die folgenden Abschnitte werden deshalb vier einzelne ‚Fäden‘ im ‚Gewebe‘ des ‚Parktextes‘ herausgreifen und an ihnen entlang den Sinn des Parks erkunden: Leopold Friedrich Franz’ Inszenierung als mensch­licher ‚Landesvater‘, seine Versuche der Einordnung seiner sexuellen Bedürfnisse in den Zusammenhang der Schöpfungskraft der Natur, die Inszenierung der mythischen und realen Genealogie seiner Familie und seine im Park visualisierte Auffassung von Tod und Geschichte.

301 Vgl. hier Kap. 2.1.

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2.3 Einzelne Sinnebenen im Wörlitzer Park „Einigkeit und Ruhe“: das Ideal der ‚Landesfamilie‘

Der schon bei den Zeitgenossen bekannteste Text zum Wörlitzer Park ist die Beschreibung des Fürst­lichen Anhalt-Dessauischen Landhauses und Eng­lischen Gartens zu Wörlitz, verfasst vom Dessauer Kabinettsrat August Rode.302 Sie enthält jedoch größtenteils Sachinformationen, über Sinn und Zweck des Parks informiert sie kaum. Eine der wenigen Gestaltungen, die Rode näher erläutert, ist das Labyrinth im Neumark’schen Gartenteil, das allerdings mit seinen Inschriften auch selbsterklärend war.303 Es beginnt an einem runden Platz, in dem sich zwei Nischen mit den Büsten von Gellert und Lavater finden, denen Leopold Friedrich Franz mit Inschriften für ihren guten Einfluss dankt.304 Von dort führt ein dunkler Weg zu einem Gewölbegang, vor dem der Besucher auf einem Schild aufgefordert wird, seinen Weg „mit Vernunft“ zu wählen – also nicht in die mit einer Statue einer Leda mit Schwan endende Sackgasse weiter­ zugehen, sondern vorher abzubiegen in einen engen und düsteren Seitenweg, der nach einigen Kurven auf eine Wiese führt, die ein Schild als ‚Elysium‘ erkennbar machte. Wer trotzdem dem Weg in die Sackgasse – in die von Leda

302 Viele von Hirsch (Hg.) 2003 – 2008 abgedruckte Briefberichte von Wörlitz verweisen auf Rode, um sich eine längere Beschreibung zu sparen. Rodes Führer erschien ­zwischen 1788 und 1818 in verschiedenen Versionen, neben den hier schon zitierten von 1788, 1814 und 1818 gab es eine weitere von 1798. 303 Vgl. dazu Schellings Kritik in seinem vom Wörlitzbesuch berichtenden Brief an seine Eltern (an die Inschriften erinnert er sich nur ungenau): „Durch ein schattiges, immer dichter werdendes Gebüsch kommt man in ein Labyrinth – so heißt es – ein Gewölbe von unbehauenen, mit Moos bewachsenen Steinen. Am Eingang steht eine Inschrift: Wanderer wähle Deinen Weg mit Weisheit! Allein es ist keine Wahl gelassen; es ist gar kein anderer als der unterirdische Weg da. Man geht eine kurze Zeit in dem Gewölbe, und sieht sich plötz­lich aufgehalten. An der Wand steht wieder eine Inschrift: Kehre schnell zurück Wanderer! Allein man braucht diese Ermahnung nicht, der Weg ist zu Ende und die Mauer spricht lauter als die Inschrift. Man kehrt zurück und findet end­lich einen geheimen Gang, oben die Inschrift: Die Wahl ist schwer aber entscheidend. Mich dünkt, man ließe den l. Wanderer selbst wählen, ohne ihn mit beständigen Ermahnungen zu beglücken. Der neue Weg soll wahrschein­lich beschwer­lich und schauer­lich sein. Das sollte man drunter setzen, wie es schlechte Maler mit ihren Gemälden machen.“ (Schelling 1796, Sp. 498 f.). 304 Unter der Büste Gellerts steht: „Heil dir, denn du hast mein Leben, die Seele mir gerettet, du!“ Unter Lavaters Büste ist zu lesen: „Daß mein Sinn dem Deinen gleiche!“

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symbolisierte Sinn­lichkeit – folgt, wird an ihrem Ende noch einmal per Schild aufgefordert, umzukehren. In seinem Führer beschreibt Rode diese Szenenfolge als „eine Allegorie des mensch­lichen Lebens überhaupt, und vielleicht auch des Lebens des Fürsten insbesondere“, und er erläutert:305 Sie lehrt: Wie erspriess­lich es sei, früh, beim Eintritte in das Leben, Bekanntschaften zu machen, die das Nachdenken über die zu haltende Bahn erwecken; durch klugen Rath vor verderb­lichen Verirrungen warnen, und durch ihr Beispiel überzeugen, wie auch die rauhesten, verworrensten, gefähr­lichsten Wege, wenn nur Klugheit und Geduld nicht ermüden, am Ende durch eine verborgene, nicht voraus zu sehende Wendung zum Glücke führen.

Zeitgenös­sische Besucher konnten das Labyrinth also einerseits als empfindsames Erlebnisangebot wahrnehmen und andererseits als ­Zeichen für die Bereitschaft des Dessauer Fürsten, sich um Vernunft zu bemühen und dabei den Rat weiser Männer anzunehmen – die Leda mag dabei auch auf seinen inneren Kampf gegen die Macht der ‚bösen Lust‘ gedeutet werden, um die es im nächsten Abschnitt gehen wird. Das Labyrinth enthielt damit eine Botschaft, die von einem bürger­lichen Publikum positiv aufgefasst worden sein dürfte.306 Eine darüber hinausgehende Deutung hat Rode in seinen persön­lichen Führungen mitgeteilt. So überliefert das Reisetagebuch des schon zitierten Böttiger, dass Rode ihm gegenüber das Labyrinth im Gespräch als „psycholo­ gische[n] Beleg von der damaligen Denkart des noch in süßen Schwärmereien gegängelten Fürsten“ beschrieben habe:307 Aber als eine Hieroglyphe von dem Leben des gutmütigen, oft gemißbrauchten und jetzt nur noch mißtrauischen Franz genommen, erhält der ganze Park eine Einheit in der unzusammenhängendsten Mannigfaltigkeit. Wie gut mein würdiger Freund diese Hieroglyphe lesen können!

Nicht im Buch, aber im Gespräch behauptete Rode also, dass der Park geheime Botschaften enthalte, die er als Vertrauter des Fürsten entschlüsseln könne. 305 Rode 1788, S. 183. 306 Nur von Schelling ist ein negatives Urteil über das Labyrinth überliefert. In seinem Brief ist jedoch auch der Hinweis zu finden, dass „in allen Reisebeschreibungen von ­diesem Labyrinth viel Aufsehens“ gemacht werde (Schelling 1796, Sp. 499). 307 Böttiger 1797, S. 31.

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Diese Idee, dass Leopold Friedrich Franz sein innerstes Erleben in den Park eingeschrieben und dieses damit für Eingeweihte nachvollziehbar gemacht haben könnte, mag für Böttiger und seinesgleichen faszinierend gewesen sein. Es geht auch tatsäch­lich vieles im Park auf den Menschen Leopold Friedrich Franz und seine Erlebnisse sowie Erfahrungen zurück, sodass Rodes Deutung nicht unplausibel ist. Die so aufrichtige Selbstmitteilung des Fürsten sollte jedoch vermut­lich einen bestimmten Zweck erfüllen, näm­lich Leopold Friedrich Franz in erster Linie eben als Menschen und nicht als Fürsten wahrnehmbar zu machen. Wie die Rezeptionszeugnisse und viele aktuelle Texte über Leopold Friedrich Franz zeigen, hat das dazu geführt, dass er tatsäch­lich oft als Mensch und als große Persön­lichkeit gesehen wurde und wird, die sich von den Tradi­ tionen und Konventionen ihres Standes fast völlig befreit hat und nur noch vernünftig gehandelt hat, also gemäß den Werten und Ideen, die die Literatur der Aufklärung formuliert hat. Leopold Friedrich Franz war ohne Zweifel offen für aufklärerische Ansichten und er verkehrte oft mit Bürger­lichen. Die Fremdenliste des Dessauer Hofes verzeichnet jedoch eine weitaus größere Frequenz von Besuchen von Standesgenossen als von Bürger­lichen.308 Leopold Friedrich Franz hat sich also offenbar nicht von seiner eigenen ­sozialen Gruppe distanziert, auch wenn er auf höfische Etikette und ein höfisches Verhalten weitgehend verzichtet hat.309 Man

308 Vgl. LHASA, Abt. Dessau, Z 44 Abteilung Dessau, A12a Nr. 19: Fremdenliste von März 1770 bis September 1806. 309 So schrieb Georg Forster nach einem Besuch in Anhalt-Dessau 1779 an Friedrich ­Heinrich Jacobi: „Die Rückreise von Berlin ging über Dessau, wo ich mich vierzehn Tage bei den Fürsten aufhielt, die, Gott sey Dank! Menschen, gute, edle Menschen sind, die selbst vergessen und ihre Gäste vergessen lassen, was Fürst ist, wenigstens im Auge der Welt ist.“ (Brief Georg Forsters an Friedrich Heinrich Jacobi. Cassel, 23. April 1779. In: Forster 1829, S. 205). Im gleichen Jahr schrieb August Wilhelm Friedrich Crome, der zwischen 1779 – 1782 Lehrer am Philanthropin war, über die Tafel des Fürsten: „[D]er edle Fürst pflegte oft zu sagen, er habe die brillanteste fürst­liche Tafel, weil nicht bloß Rang und Stand, noch Titel und Stern allein dort glänzten, sondern Geist, Kenntnisse und Verdienst mit Geschmack und Feinheit verbunden. Dadurch wurde die töd­liche Langeweile (die Tochter der Etiquette) verscheucht, die sonst gewöhn­lich an den Höfen herrscht.“ (Crome ist hier zit. nach Hirsch (Hg.) 2003/1, Sp. 106). Die Zeitung für die elegante Welt berichtete 1805 von einem Diner, das Erbprinz Friedrich zum Geburtstag seines Vaters gegeben hat: „Hier war keine Spur einer gezwängten Zeremonie oder höfischer Beschränktheit. Jeder fühlte sich frei, und durfte sich frei äußern. […] Jedes Gepränge fiel weg.“ (Anonym 1805, Sp. 838). Interessant ist auch die Erinnerung Heinrich Hauers an einen Besuch im Gotischen Haus: „Die Thür

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kann ihm durchaus eine spezifisch fürst­liche, nicht eine allgemein mensch­liche Weltsicht unterstellen, und aus dieser fürst­lichen Perspektive lässt sich ein weitaus stimmigerer Sinn im Park nachvollziehen als aus der Perspektive der meist bürger­lich-‚mensch­lichen‘ Gartenliteratur. So eröffnet sich etwa eine andere Interpretationsmög­lichkeit für die Inschrift über der Tür des Schlosses, die bisher nur als persön­liches Bekenntnis des Menschen Leopold Friedrich Franz verstanden wurde:310 LIEBE UND FREUNDSCHAFT HABEN ES GEBAUT EINIGKEIT UND RUHE MÖGEN ES BEWOHNEN SO WERDEN HÄUS­LICHE FREUDEN NICHT FEHLEN

Das Schloss wurde nach der erzwungenen Heirat des Fürsten mit der brandenbur­ gischen Prinzessin Louise konzipiert und erbaut; entsprechend kann die Inschrift durchaus als Ausdruck für den Wunsch nach einer glückenden Beziehung gelesen werden. Es gibt jedoch eine Reihe von Argumenten dafür, dass es hier weniger um empfindsamen Selbstausdruck als um Repräsentation geht, worauf

stand offen; ich trat schüchtern hinein. Dann kam ein ält­licher Herr, in einem ganz einfachen Frack und ein Buch in der Hand, auf mich zu; ­welchen ich für den Kastellan ansah. Ich bat um Verzeihung, daß ich eingetreten war und um Erlaubniß, mich in dem Schloß umsehen zu dürfen. Auf dessen Frage antwortete ich ihm kurz: wer ich sei, woher ich käme, den Zweck meiner Reise, und daß ich im Begriff sei, Herrn Prof. Olivier zu besuchen. Darauf führte mich dieser Herr selbst in die vorzüg­lichsten Zimmer des Schlosses, und gab mir über das Sehenswürdigste Aufschluß und Erklärung; und dieses geschah Alles mit einer ­solchen edeln zuvorkommenden Art, wie ich es noch bei keinem der Herren Kastellane so gefunden hatte. Der Herr schien selbst das größte Vergnügen an meiner einfachen Wißbegierde zu haben. Beim Abschiede wußte ich nicht, ob ich – nach der Gewohnheit mancher Herren Kastellane – ihm von ­meiner kleinen Baarschaft ein kleines Douceur anbieten solle oder nicht. Doch behielt der Gedanke: daß ich mit einem so kleinen Geschenk einen s­ olchen edelgesinnten Herrn wohl dadurch beleidigen könne, die Oberhand. Mit meinem verbind­ lichsten Dank, wurde ich sehr freund­lich entlassen.“ Später erfuhr Hauer, dass sein freund­licher Führer der Fürst selbst gewesen war (Hauer 1834, Sp. 778 f.). 310 So verstehen Ingo Pfeifer, Uwe Quilitzsch und Kristina Schlansky, die Herausgeber der Tagebücher von Fürstin Louise und Mitarbeiter der Kulturstiftung Dessau­Wörlitz, die Inschrift als Ausdruck der „Sehnsucht nach ehe­licher Harmonie“. „Dieser Wunsch“ sei „allerdings nicht in Erfüllung“ gegangen, ebensowenig wie der nach Ruhe, da wegen der Öffnung des Hauses für Touristen das Schloss keine ruhige Wohnung gewesen sei (Louise 2010b, S. 25).

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unter anderem auch die lateinische Inschrift über der Weihungstafel hindeutet, worauf schon Rüffer hingewiesen hat:311 FRANCISCUS FR: FEDIF. INSTRUXIT LUDOVICAE CONIUGI DIGNISS. D

Leopold Friedrich Franz zeigt sich hier also nicht in erster Linie als Privatperson, sondern als Fürst (Franciscus Princeps), der das Schloss „seiner würdigen Gemahlin Louise […] erbauete, meublirte und weihete“.312 Dass die „Liebe und Freundschaft“-Inschrift an einer so zentralen Stelle angebracht wurde, wo sie für jeden aus der Stadt Kommenden gleich lesbar war, stützt die Vermutung, dass sie einen politischen Charakter hat. Angesichts der Bedeutung, die der Fürst dem philanthropistischen Gesellschaftsentwurf beigemessen hat, lässt sich so annehmen, dass die Inschrift nicht einen Zustand oder Wunsch, sondern eine Norm formuliert, der sich das Fürstenpaar und seine Untertanen unterordnen sollten.313 Leopold Friedrich Franz zeigt sich in der Inschrift als ‚Landesvater‘, der von seinen Untertanen „Einigkeit und Ruhe“ erwartet und dafür „häus­liche Freuden“ verspricht. Eben das mussten aber ‚Landesvater‘ und ‚Landesmutter‘ ihren Untertanen auch vorleben. In der Öffent­lichkeit gelang ihnen das; im Privaten erwiesen sich jedoch diese ‚Liebe und Freundschaft‘ der Unterschied­ lichkeit ihrer Naturen und ihrer Lebensentwürfe wegen als schwierig. Dass die Ehe überhaupt geschlossen wurde, bedeutete für beide Partner, dass sie ihre „Sonderinteressen dem allgemeinen Besten zum Opfer“ bringen mussten, was Leopold Friedrich Franz gegenüber Reil als Bedingung für eine funktionierende Gesellschaft formuliert hat.314 Leopold Friedrich Franz musste 311 Vgl. Rüffer 2005, S. 283 ff., zum Portikus S. 86 ff. 312 Übersetzung nach Rode 1788, S. 14. Vgl. dazu Rüffer 2005, S. 284 f. Zum Begriff des Privaten im adeligen Leben vgl. Conze 2010, S. 375 – 380. 313 Rüffer ordnet das Schloss in seiner Studie zu dessen Entstehungsgeschichte zwar als traditionellen Repräsentationsbau ein; zugleich sieht er in ihm jedoch eine persön­liche Aussage und einen aufrichtigen Ausdruck von Empfindungen. „Mit dem Scheitern der Ehe“ sei es dann zu einer „repräsentativen Hülle“ verkommen, an der „deut­lich das Auseinanderklaffen von Anspruch und Realität abzulesen war“. Aus dem „­Tempel der Liebe und Freundschaft“ sei in der Folge „zunehmend ein ‚Tempel der Kunst‘ mit ‚musealem‘ Charakter“ geworden (Rüffer 2005, S. 307). Die Formulierung „­Tempel der Liebe und Freundschaft“ übernimmt Rüffer dabei aus einem Artikel aus der Magdebur­gischen Zeitung aus dem Jahr 1773. 314 Reil 1845, S. 92 f.: „Er sei überzeugt, daß das Volk, wenn es jeder Zeit seinen wahren Vortheil sähe, bereitwilliger sein würde, seine Sonderinteressen dem allgemeinen Besten zum Opfer zu bringen, als der Adel, die Geist­lichkeit und die Fürsten selbst.

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für diese Ehe auf die anscheinend tatsäch­lich auf Liebe gründende Beziehung zu Johanna Hoffmeyer und auf die Privatisierung in England verzichten. Keine geringere Zumutung scheint die Eheschließung jedoch für Louise gewesen zu sein. Schon nachdem ihr vom Herzog von Kurland 1765 ein erster, vom preußischen König nicht bewilligter Heiratsantrag gemacht worden war, schrieb sie in ihr Tagebuch: „Mir hatte seine Gegenwart sowohl, als sein Ansuchen ein Fieber zugezogen.“ 315 Von beinahe ‚töd­lichen‘, mög­licherweise psychosoma­ tischen Krankheiten berichtet das Tagebuch auch nach den ersten Begegnungen mit Leopold Friedrich Franz.316 Der ehe­liche Alltag war anscheinend voller Spannungen, weil sich Louise ihrem Ehemann nicht fügen wollte oder konnte. Leopold Friedrich Franz’ Unmut darüber findet sich noch Jahrzehnte später in einem Gespräch mit Reil, in dem er die Ehe schildert:317 Sie können glauben, schon nach den ersten vierzehn Tagen unserer Ehe haben wir uns überworfen. Ihr sentimentaler Platonismus war mir wider­lich; ihr Eigensinn, der zuweilen in Starrköpfigkeit ausartete, unerträg­lich. Sie gewährte mir nicht immer, was ich mit Recht verlangen konnte. Wollte ich schlafen gehen, so hörte sie nicht auf, Klavier zu spielen. Wollte ich ihr etwas vorlesen, so hörte sie kaum hin. Bat ich sie, mir vorzulesen,

Das Volk habe zwar von Natur einen Hang zur Gemeinschaft, lasse sich aber doch gern von dem regieren und leiten, der mit ihm gehe, stehe und falle, und Gut und Blut für seine, des Volkes Sache daran setze. Es hasse alle Willkühr und allen Zwang, unterwerfe sich aber ohne Widerrede weisen Gesetzen und Einem gerechten Willen.“ 315 Louise 2010a, S. 24. 316 So heißt es beispielsweise aus der Zeit vor ihrer Ehe: „Im April und May [1765] wiederholte der Fürst seine Besuche. Indeß aber wurde ich töd­lich krank.“ Von der nächsten Krankheit berichtet die in Fragen ihrer Gesundheit penible Chronistin Louise erst zwei Jahre später wieder, als Leopold Friedrich Franz von seiner England­ reise zurückgekehrt ist und sie wieder besucht: „Am 29ten [März 1767] besuchte er [der Fürst] uns wieder und blieb bis zum 5ten May. Ich ward hierüber sehr krank.“ (Louise 2010a, S. 24). 317 Reil 1845, S. 161. Da Louise ihre Tagebücher aus den ersten Jahren der Ehe später zensiert hat, ist keine Äußerung von ihr über die Ehe überliefert; es ist jedoch wahrschein­lich, dass die Reil 40 Jahre später von Leopold Friedrich Franz mitgeteilte Erinnerung, dass die Ehe keine Liebesbeziehung und nicht reibungslos war, prinzipiell mit ihrem Erleben übereinstimmte. Leider hat sie ihre Tagebücher aus den ersten Jahren der Ehe zerstört, nachdem sie ab 1798 eine sehr notizenhafte Zusammenfassung von ihnen angefertigt hat, die größtenteils nur Daten und Fakten wiedergibt und kaum persön­liche Sichten und Einstellungen, weshalb ihr Erlebnis dieser Beziehung Spekulation bleiben muss.

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so wählte sie ein Buch, das mir nicht zusagte. Auch ihr Umgang mit gewissen Gelehrten und Künstlern, und die Art, wie sie mit denselben verkehrte, gefiel mir nicht. Ich sah darin eine gewisse Zurücksetzung meiner eigenen Person.

Louise war in der Sicht ihres Mannes folg­lich nicht so „außerordent­lich liebreich, sanft und häus­lich und ohne alle Ansprüche“, wie es Johanna Hoffmeyer anscheinend gewesen war (und wie es anscheinend später auch seine bürger­liche Nebenfrau Luise Schoch war).318 Zwischen dem politischen und dem privaten Bereich lassen sich hier Paral­ lelen ziehen, denn sowohl als Herrscher als auch als Mann konnte sich ­Leopold Friedrich Franz „Einigkeit und Ruhe“ offenkundig nur bei einem Hierarchieverhältnis vorstellen, das ihm, dem Fürsten bzw. Ehemann, uneingeschränkte Macht gibt. Bei seinen bürger­lichen Geliebten war dieses Verhältnis von vornherein gegeben, da sie zugleich seine Untertanen waren. Louise zeigt sich dagegen in ihren Tagebüchern und Briefen als eine Frau, die sich mit einem anderen Rollenmuster identifizierte: Sie wollte ihrer eigenen Natur und ihren Empfindungen gemäß leben, wie sie es aus der empfindsamen Literatur und aus ihren Bekanntschaften mit Empfindsamen kannte.319 Obwohl sie sogar körper­ lich unter den Anpassungsschwierigkeiten litt, die aus dem Konflikt zwischen ihrem empfindsamen Anspruch auf authentische Subjektivität und den Konventionen und Pflichten eines Lebens am Hof resultierten, hat sie an dieser

318 Reil 1845, S. 17. 319 Ihre Tagebücher zeigen sie als zwar in ihre Rolle als Fürstin ergebene, höfische Pflichten jedoch gern fliehende Frau, die schon früh beginnt, auch allein zu reisen (vgl. Bode 2010, S. 9 f.). Ihre Freundschaften mit den Hochempfindsamen Jenny von Voigts und Elisa von der Recke (seit 1780 bzw. 1784) lassen eine Identifikation mit der empfindsamen Lebens- und Sichtweise vermuten, die allerdings im Tagebuch nur angedeutet wird, wenn sie etwa ihre „Freude am Lesen der Sternheim“ (18. Februar 1775) vermerkt oder an die „Harfe im Winde“ an einem Abend „auf dem See im Mondschein“ (24. März 1777) erinnert (Louise 2010a, S. 36 und 43). Jenny von Voigts wünscht sich in einem der vielen leidenschaft­lichen Briefe, die sie an Louise richtet (ihre Gegenstücke sind anscheinend nicht überliefert), dass Louise an ihrem (Jennys) „Herzen ausruhen“ könne „all des Zwanges und der l­eiden“ – mit denen sie anscheinend die Hofpflichten meint (Melle, 17. August 1780. In: Voigts 1971, S. 51). Glück­lich war Louise, wenn sie sich frei in der Natur bewegen konnte und keinen Förm­lichkeiten entsprechen musste. Von einer Schweizreise im Jahr 1793 behielt sie so etwa folgenden Eindruck im (zensierten) Tagebuch: „Groß! herr­lich! almächtig! riesig! Meine Seele empfand was Worte nicht deuten können.“ (29. September 1793. In: Louise 2010a, S. 84).

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Lebensvorstellung festgehalten.320 Nach ihrem Tod galt sie deshalb lange nur als hypochondrische Schwärmerin; ihre Emanzipationsleistung wird erst seit wenigen Jahren gewürdigt.321 Vergessen war diese lange, weil Louise anders als ihr Mann über keine Mittel verfügte, ihre Weltsicht publik und erinnerbar zu machen. Sogar ihrem Sommerpalais (dem Luisium) hat Leopold Friedrich Franz seine Vorstellung von einer guten Ehefrau eingeschrieben und damit Louises eigene Ansichten verdrängt.322 Während Louise in der Öffent­lichkeit als gute Gattin und ‚Landesmutter‘ auftrat, hat sie im Privaten das von ihrem Mann geforderte Verhalten verweigert. In den Monaten vor der Trennung berichtet ihr Tagebuch deshalb immer wieder von Spannungen, im März 1786 sogar von „fast täg­liche[n] Missverständnisse[n]“.323 Im Juli 1786 war Lavater, der langjährige Freund des Fürstenpaares, zu Besuch; zu ihnen stieß dann noch der Arzt und Anthropologe Johann Georg Zimmermann, nachdem er in Potsdam Friedrich II. am Krankenbett besucht hatte. Wahrschein­lich wurde während dieses Treffens die Trennung des Fürstenpaares diskutiert und beschlossen.324 Es ist in zwei 320 Den Widerspruch zwischen beidem (empfindsamem und höfischem Leben) hat Jenny von Voigts in einem Brief an Louise ausformuliert: „Heute meine Her­liche Luise habe ich Ihr Andencken in dem grosen Tempel der Natur gefeiert, ich fühlte sie um mich, dastehend – wie sich unsere Wünsche begegneten – o Luise wie Sie Ihre verschwisterte Seele dahin wünschten in den Gefilden die Ihr Fuß betrat, unter dem Himmel, dessen Bläue Ihr Auge erhelte – wie Sie wünschten Arm in Arm geschlungen Herz an Herz danckend für den Almächtigen zu treten, die Sie beyde so ein in den andern geflochten, beyde so finden ließ – Mitten auf dem Wege Ihres lebens. – Sie meine him­lische einzige Luise. Sie, mich finden ließ. Da wo ichs am wenigsten vermutete, da wo ich glaubte das nur gewohn­liche Auftritte des lebens auf mich warteten, da waren Sie, warteten Sie, um mich an Liebe glaubend zu machen – an Freundschaft, an allem fest zu binden, um mich Leben Hofnung einzuflössen Luise.“ (Melle, 7. April 1781. In: Voigts 1971, S. 73) – Kursivierung durch mich. 321 Einen guten Überblick über Louises Leben auf Basis der aktuell bekannten Quellenlage gibt Pfeifer 2009. 322 Vgl. Froesch 2002, S. 119 ff. 323 Louise 2010a, S. 63. 324 Leopold Friedrich Franz erzählt bei Reil, dass die Trennung während eines Besuches von Zimmermann und Lavater beschlossen worden sei, nennt aber keinen Zeitpunkt (Reil 1845, S. 161 f.). Von einem Besuch der beiden im Juli 1786 berichtet sowohl ein gleich noch näher zu betrachtender Brief Zimmermanns, der jedoch – natür­lich – nichts über die Trennung sagt, als auch das Tagebuch der Fürstin, in dem jedoch ledig­lich für den 12. Juli vermerkt ist: „Der Leibarzt Zimmermann kam mit seiner Frau vom kranken König von Preußen zurück. Der Fürst hatte ihn hierher eingeladen, um ihn

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Erzählungen ­überliefert, zum einen in einem Brief Zimmermanns an einen Freund in der Schweiz, den er wenige Wochen nach dem Besuch geschrieben hat; zum anderen aus der Fürstenbiografie von Reil, der eine etwa aus dem Jahr 1810 stammende Gesprächsnotiz wiedergibt. Zimmermann schrieb über seinen Besuch in Wörlitz:325 Der Fürst und die Fürstin von Dessau wohnten da ganz allein, in ­diesem himm­lisch schönen Orte, mit wenigen Bedienten und gar keinen Hofleuten. Meine Frau und ich wohnten da bey ihnen. Am frühen Morgen, den 11. Julius, reisten wir aus Potsdam ab; am frühen Morgen, den 12. Julius, waren wir schon in Wörlitz, und frühstückten da mit dem Fürsten und der Fürstin, die uns mit unaussprech­licher Freund­lichkeit und Liebe aufnahmen.

Dass er den eigent­lichen Grund des Besuches (näm­lich die Verhandlung über eine Trennung des Fürstenpaares) gegenüber dem Brugger Ratsherrn nicht erwähnt hat, ist selbstverständ­lich; seine Schilderung ist dennoch signifikant, wenn man sie vor dem Hintergrund der von Zimmermann propagierten Ideen liest. Zimmermann ist der Autor einer sehr einflussreichen Schrift Über die Einsamkeit, die auch der Dessauer Fürst kannte.326 Einsamkeit ist dabei eines der Themen, an denen sich die Ambivalenz der Empfindsamkeit, die offenbar für das Dessauer Fürstenpaar wichtiges Orientierungsmuster war, am deut­lichsten nachzeichnen lässt. In ihr verdichtet sich die Spannung, die zwischen dem Wunsch nach individuellem, authentischem Selbstsein und der Zugehörigkeit zu einer letzt­lich immer normierten Gesellschaft bzw. Gemeinschaft besteht. Einsamkeit ist ein positiver Wert, wenn sie für die Distanz zu oberfläch­lichen Geselligkeiten steht, aber ein negativer, über sich und mich zu consultieren.“ (Louise 2010a, S. 64). Da Leopold Friedrich Franz am nächsten Tag mit Lavater abreiste und die Fürstin nach seiner Rückkehr davon überzeugte, sich für ein paar Monate zur Kur aus Anhalt-Dessau zu entfernen, während der sie sich dann Gedanken „über ihre künftige häus­liche Einrichtung in Dessau oder Wörlitz“ (ebd., S. 65) machen sollte, ist mit Sicherheit zu sagen, dass die Trennung am 12. oder 13. Juli 1786 beschlossen wurde. 325 Brief von Johann Georg Zimmermann an Herrn Rathsherrn Schmid in Brugg. ­Hannover, den 23. Oktober 1786 (Zimmermann 1830, S. 349 f.). 326 Das 1778 angefertigte Verzeichnis für die Wörlitzer Schlossbibliothek nennt den Vorgänger, die 1773 erschienene kleine Studie Von der Einsamkeit. In der Dessauer Hofbiblio­thek befindet sich bis heute neben der Ausgabe von 1773 auch Über die Einsamkeit in der Ausgabe von 1784/85 (beides Leipzig: Weidmanns Erben und Reich). Vgl. zu Zimmermann Zenker 2007.

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wenn sie die Entfernung von den Menschen insgesamt meint – die Grenze ist schwer zu ziehen. Eben diese Ambivalenz der Einsamkeit ist im Wörlitzer Park thematisiert. In der circa 1784 eingerichteten 327 Betkammer des Eremiten bestimmen zwei Inschriften auf einem altarartigen Stein – eine von Lavater, eine von Leopold Friedrich Franz stammend – den Begriff der Einsamkeit in ­diesem Sinne näher (vgl. Abb. 7): DU NUR STILLE KANST MIR GEBEN WAS MIR KEIN VERTRAUTER GIEBT SELBSTGEFUEHL UND NEUES LEBEN UND GEFUEHL DASS GOTT MICH LIEBT LAVATER

und darunter vom Fürsten: EINSAMKEIT UND STILLE FUEHRET ZU GOTT WIE EINIGES UNGLUECK ZUM GUTEN FUEHRET.

Anschließend an Böttigers Erinnerung, dass Rode ihm die Szene so erklärt habe, wird die hier beginnende und zum Venustempel führende Szenenfolge oft als Kulisse für ein antikes Initiationsritual interpretiert, wie sie Apuleius im ebenfalls von Rode übersetzten Goldenen Esel beschrieben hat.328 Für den hier 327 Vgl. den Brief von Louise Gräfin zu Stolberg an ihren Bruder, den Grafen Johann Ludwig Reventlow, und dessen Gattin Anna Sibylla, in dem sie von einer feier­lichen Inszenierung in der Betkammer berichtet, die deren Einweihung gewesen sein könnte (Dessau, 13. September [1784]. In: Bergmann (Hg.) 1933, S. 38). 328 Vgl. u. a. Trauzettel 2006, S. 172 f. Obwohl Rodes Übersetzung des Goldenen Esels – des Referenztextes für die Vorstellung, die sich das 18 Jahrhundert vom Mysterienkult der Antike gemacht hat – schon 1783 erschienen ist, stellt Rode die Partie in seinem Führer von 1788 nicht in den Zusammenhang mit den Mysterien, sondern deutet die „Bethkammer des Eremiten“ und den sich anschließenden Felsenweg zum ­Venustempel aus empfindsamer Perspektive: „Feier­liche Einsamkeit und Andacht herrschen hier […] Die Einbildungskraft findet hier in den aufrecht stehenden Felsenstücken, und in einem angebrachten bedeckten Sitze Überbleibsel eines vormaligen Gebäudes.“ (Rode 1788, S. 171 f.). In Böttigers Reisebericht von 1797 ist erstmals Rodes Mysteriendeutung überliefert: Alle Grotten hinter der Eremitenklause hätten, so Rodes Erklärung für Böttiger, „auf Einweihungen und Prüfungen Bezug […]. Beim Venustempel träte der Einzuweihende

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untersuchten Zeitraum ist jedoch ein Vergleich mit Zimmermanns Überlegungen zur Einsamkeit aufschlussreicher. Wie Lavater in seiner Inschrift wertet Zimmermann die Einsamkeit positiv, wenn sie dem „Streben nach Ruhe und Selbstgenuß“ und der Erfüllung der eigenen Mög­lichkeiten dient:329 Trieb zur Einsamkeit ist also […] bey gesundem Geiste Trieb zu allem dem unbeneideten Glücke, das jeder in sich selbst finden kann. Das höchste Glück des Menschen ist Ruhe im Herzen, und die Freyheit, nur das zu thun, was man will und mag.

Unter „Ruhe“ versteht er ein spannungsloses Verhältnis zur (gesellschaft­lichen) Umwelt und unter Freiheit die Mög­lichkeit zur Entfaltung von Individualität, zum Sich-selbst-Leben.

nach allen Wanderungen und Prüfungen zuerst ans Licht.“ (­Böttiger 1797, S. 44). Seit 1788 war es tatsäch­lich zu Umgestaltungen in ­diesem Bereich gekommen: 1794 wurde der zuvor hölzerne Venustempel steinern ausgeführt, und 1798 wurde die Luisenklippe errichtet, die Trauzettel zur ‚Mystischen Partie‘ zugehörig sieht. Angesichts der dokumentierten Ablehnung der Freimaurerei durch Leopold Friedrich Franz, für die die aus der Antike bekannten Mysterien der Isis und Osiris von zentraler Bedeutung waren, mag diese Deutung als ‚Mystische Partie‘ zunächst als umdeutende Zuschreibung erscheinen. So hatte Leopold Friedrich Franz 1783 an Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach geschrieben: „Hüten Sie sich für der Freimaurerei!“ Leopold Friedrich Franz an Carl August. Dessau, 18. Dezember 1783 (Carl August u. a. 1958/1, S. 80 – Unterstreichung im Original; ähn­liche Belege bei Niedermeier 1996, S. 55). Hartmann nimmt an, dass der mystische Sinn dieser Szenerie von Rode nur zugeschrieben ist: „Die mystischen Ideen, ­welche nach dem Volksmunde den einzelnen Teilen zu Grunde liegen sollen, haben wohl dem Erbauer selbst nicht vorgeschwebt. Nur die reiche Phantasie des Herrn von Rode hat sie in sehr geistreicher Weise ersonnen.“ (Hartmann 1913, S. 93). Niedermeier hat allerdings 1995 plausibel für die Annahme eines Einflusses von Apuleius’ Goldenem Esel auf die Gestaltung des Wörlitzer Parks und insbesondere dieser Partie argumentiert (Niedermeier 1995a, S. 205 ff.). Angesichts der Tatsache, dass sich in der Dessauer Hofbibliothek die seit 1788 erschienenen Werke des Illuminaten Adam Weishaupt ­befinden, hat die Vermutung, dass Leopold Friedrich Franz die Partie später selbst umgewidmet hat, nachdem das Ehethema nicht mehr von so großer Bedeutung war, einige Wahrschein­lichkeit; zu ihrer Bestätigung wäre allerdings eine genauere Untersuchung dieses Themas notwendig (Weishaupts Werke in der Hofbibliothek: Geschichte der Vervollkommnung des mensch­lichen Geschlechts (1788), Apologie des Mißvergnügens und Übels (1790), Über die Selbstkenntnis und ihre Hindernisse und Vortheile (1794), Über Wahrheit und sitt­liche Vollkommenheit (1793 – 97), Über die geheime Welt- und Regierungskunst (1795) – nach: Dessauer Bibliothek 1829). 329 Zimmermann 1784/1, S. 43 und 46.

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Dem Kapitel über den positiv gewerteten „Trieb zur Einsamkeit“ stellt ­Zimmermann indes ein Kapitel über den „Trieb zur Geselligkeit“ voran. In ­diesem lehnt er Einsamkeit ab, weil das einsame, bindungslose Individuum eben nur das tue, was es „will und mag“ – und dieses Handeln nur der e­ igenen Befriedigung, nicht dem Gemeinwohl diene, das im Mittelpunkt stehen müsse. Wie die Philanthropisten beschreibt er Geselligkeit als „des Menschen erste Pflicht“ und begründet das folgendermaßen:330 Es ist frei­lich überhaupt nicht gut, daß der Mensch alleine sey. Nicht nur unzäh­liche Bedürfnisse, sondern ein natür­licher und angebohrener Vereinigungstrieb knüpfen die Bande der Gesellschaft, und bestimmen uns wahr­lich nicht zur Einsamkeit. Gesellschaft ist des Menschen erste Nothdurft.

Wie die Philanthropisten – und offenbar auch Leopold Friedrich Franz – geht Zimmermann davon aus, dass der „Trieb zu häus­licher Geselligkeit und vertrautem Umgange“ angeboren („angeschaffen“) sei.331 In seinem Brief über seinen Besuch in Wörlitz schreibt er dem Fürstenpaar also zu, in idealer Weise dieser ihrer Natur zu leben, da sie einerseits nicht schwärmerischer oder hypochon­ drischer Einsamkeit verfallen seien (wie er sie in seinem Buch anklagt), sondern andere Menschen „mit unaussprech­licher Freund­lichkeit und Liebe“ aufnähmen; und weil sie andererseits langweilige und leere Gesellschaft mit „Hofleuten“ vermieden. In seiner von Reil überlieferten Erzählung von der Trennung nennt Leopold Friedrich Franz den Grund, aus dem Zimmermann dennoch eine Trennung befürwortet habe:332 Zimmermann stimmte für die Änderung aus diätetischen Gründen. Die Ärzte sind bald fertig, besonders wenn sie sehen, daß es am Ende doch so kommen muß.

Er bescheinigte ihnen also, dass es ungesund und damit unvernünftig sei, wenn der Fürst seine Bedürfnisse unterdrücke und die Fürstin sich zu ihr unangenehmen Handlungen zwingen ließ – und gab Leopold Friedrich Franz damit ein Argument für die Rechtfertigung der Trennung, die das Potenzial hatte, seinen Ruf (und vielleicht auch sein Selbstbild) als guter und aufgeklärter Fürst zu beschädigen.

330 Ebd., S. 11 und 18. 331 Ebd., S. 19. 332 Reil 1845, S. 161 f.

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Schwerwiegender als alle charakter­lichen Unterschiede scheinen also die Diskrepanzen in Bezug auf Sexualität gewesen zu sein. So zeigte Louise eine „mehr oder weniger verdeckte Leibfeind­lichkeit“ (mit der sie nicht allein war – diese Tendenz war, wie Sauder herausarbeitet, bei Empfindsamen weit verbreitet).333 Leopold Friedrich Franz war hingegen nicht in der Lage, seinem sexuellen Trieb „Zaum und Gebiß anzulegen“.334 Obwohl er sich bemüht habe, wie er Reil gegenüber beteuert, „das Muster eines guten Ehemannes zu sein“, habe die Ehe deswegen scheitern müssen. Dieses „Muster eines guten Ehemannes“ geht vermut­lich auf das Konzept einer vernünftigen Empfindsamkeit zurück, das Gellert und die Philanthropisten vertreten haben.335 In ihrem Sinne sollte eine vernünftig empfindsame Ehe nicht auf Leidenschaft oder einem völligen Seelengleichklang basieren, sondern auf ‚zärt­licher Zuneigung‘, also einer „Synthese aus Sinn­lichkeit, Vernunft und Moral“.336 In der Theorie ist dieses Beziehungsmodell individuell beglückend und dennoch gesellschaft­lich verträg­lich, weil es den Empfindungen Raum gibt und dennoch die Vernunft und den (vermeint­lich vorhandenen) „Trieb zur Geselligkeit“ als Leitinstanzen setzt.337 Leopold Friedrich Franz sah darin in den ersten Jahren der Ehe offenkundig das Modell, nach dem die ungewollte Ehe überhaupt funktionieren und in Einklang mit seinem Selbstbild als aufgeklärter Fürst zu bringen war. Darauf sind wahrschein­lich seine Besuche bei Gellert zu beziehen; mindestens einmal (1769) ließ er sich und Louise von Gellert sogar eine private „mora­lische Vorlesung“ halten.338 Gegenüber Reil äußerte er später, dass er Louise zwar nicht 333 334 335 336 337 338

Sauder 1990, S. 170. Das und das Folgende: Reil 1845, S. 160 und 161. Vgl. Hasubek 1994, S. 158 ff. Wegmann 1988, S. 43. Vgl. Sauder 1974, Kap. 4.2.1. Zitat aus Zimmermann 1784/1, S. 11. Leopold Friedrich Franz lernte Gellert im Oktober 1765 auf dem Weg nach England in Leipzig kennen. Berenhorst vermerkte dazu in seinem Journal: „Le 18. D’Octobre 1765: Leipzig, nous fimes la connaissançe du célébre Professor Gellert; lequel nous trouvames un homme modeste et doux, mais nullement embarrasseé dans la conversation comme on nous l’avait dépeint.“ (Berenhorst 1775, S. 2). In einem Brief an die Karschin berichtet Gellert von der Vorlesung, die er dem Fürstenpaar gehalten hat: „Indessen danke ich Ihnen von Herzen für Ihren Brief und Ihr schönes Gedicht. Ich fand dieses Geschenk gestern auf meinem Tische, als ich eben von unserm vortref­lichen Fürsten kam, auf dessen Zimmer ich eine mora­lische Vorlesung im Beiseyn seiner Gemalin hatte halten müssen.“ (Gellert 1769, Sp. 68). Hirsch kommentiert ebd., dass Leopold Friedrich Franz und auch Fürstin Louise mehrere Male bei Gellert gewesen seien.

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geliebt habe wie seine ehemalige bürger­liche Geliebte Johanna Hoffmeyer, er aber zu ihr immerhin „eine herz­liche Neigung“ gefasst und „eine Hochachtung“ für sie entwickelt habe, „die nie aufgehört“ habe.339 Nach der Trennung als Ehepaar habe es deshalb zwischen ihnen „eine reine Herzensfreundschaft ohne alle Störungen“ gegeben. Angesichts der grundlegend verschiedenen Lebensentwürfe des rationalen Fürsten Leopold Friedrich Franz und der empfindsamen Louise ist allerdings frag­lich, ob die Trennung tatsäch­lich alle Störungen zwischen ihnen beseitigt hat. Auch wenn Leopold Friedrich Franz in Louises Tagebüchern als ihr wichtigster Bezugspunkt auftritt, lassen diese erkennen, dass Louise sich keineswegs von ihm so ernst genommen und respektiert fühlte, wie sie es wünschte.340 Für ihn war es jedoch einfacher und unproblematischer, die Trennung mit unterschied­ lichen körper­lichen Bedürfnissen zu erklären als mit einer von seiner eigenen abweichenden Weltsicht der ‚Landesmutter‘, wie der folgende Abschnitt zeigt. Der Wörlitzer Park als Rechtfertigung der „bösen Lust“ des Fürsten

Das Problem der unterschied­lichen körper­lichen Bedürfnisse beider Partner ließ sich zwar für Louise allein durch die Trennung lösen, nicht jedoch für Leopold Friedrich Franz. Deshalb empfahlen Lavater und Zimmermann ihm, sich eine Geliebte zu nehmen, um seine „böse Lust“ zu kanalisieren, wie er selbst Reil gegenüber seine sexuellen Bedürfnisse genannt hat:341 Recht geflissent­lich, ganz unverholen und meist in den derbsten Ausdrücken sprach Er Sich über das aus, was Er die böse Lust nannte. Wenn damals schon der Ausdruck Emancipation des Fleisches gang und gäbe gewesen wäre, so würde Er ihr, ich will nicht sagen das Wort geredet, doch Berechtigung zugestanden haben. So mäßig und enthaltsam Er auch in allen übrigen Stücken war, so wenig konnte und mochte Er Sich bezähmen, wenn es die Befriedigung sinn­licher Gelüstung galt. „Das Thier in uns,“ sagte Er einmal, „will auch sein Recht haben.“ Als ich Ihm erwiderte, daß es doch Pflicht sei, ihm Zaum und Gebiß anzulegen, antwortete Er: „Ja, das kann und will nur nicht Jeder.“

In der Beziehung mit Luise Schoch, der Tochter des Wörlitzer Parkgärtners Schoch, mit der er nach der Trennung von Louise ins Gotische Haus zog,

339 Reil 1845, S. 160 f. 340 Vgl. Bode 2010, S. 11. 341 Reil 1845, S. 159 f.

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scheint er diese Befriedigung gefunden zu haben. Dieses Eingehen einer neuen, unehe­lichen Beziehung war jedoch mora­lisch äußerst zweifelhaft und vor allem ein gefähr­liches ‚landesväter­liches‘ Vorbild, wie Leopold Friedrich Franz bewusst war. Lavater hat zwar angeb­lich versucht, diese Skrupel mit Verweis auf „Haus- und Staatsrücksichten“ und gebilligte Ausnahmen auszuräumen.342 Die Trennung von Louise und die unehe­liche Beziehung zu Luise Schoch bedeutete jedoch im Grunde das Scheitern der philanthropistischen patriarcha­lischen Theorie, das mit solch einfachen Argumenten nicht wegzuerklären war. Es ist Leopold Friedrich Franz nicht gelungen, individuelle Bedürfnisse und gesellschaft­liche Anforderungen zu harmonisieren, an der Stelle, an die ihn das Schicksal gesetzt hat, glück­lich zu werden, und zugleich ‚brauchbar‘ und ‚zufrieden‘ zu sein, wie er es von seinen Untertanen gefordert hat.343 Sein auf die Idee der ‚Landesfamilie‘ ausgerichtetes Herrschaftskonzept konnte aber nur funktionieren, wenn die Verpflichtung auf Gesellschaft und Gemeinwohl tatsäch­lich glück­lich machen konnte. Um die Plausibilität dieses Glücksversprechens (auch für sich selbst) wiederherzustellen und zu unterstreichen, waren also weitere Begründungen und vor allem die Einbindung seiner ‚bösen Lust‘ in sein aufgeklärtes Weltbild nötig. Es ist deshalb vermut­lich als symbo­lische Handlung zu verstehen, dass er sich mit Luise Schoch eine Wohnung im Wörlitzer Park gewählt hat, und zwar im Gotischen Haus, während er zuvor bei allen (und später bei repräsentativen) Aufenthalten in Wörlitz mit Louise im klassizistischen Schloss gewohnt hat. Es ist davon auszugehen, dass er sich dabei auf die in der Frühen Neuzeit und auch im 18. Jahrhundert weitverbreitete Vorstellung bezog, dass die unterschied­ lichen Baustile Ausdruck gesellschaft­licher Ordnungen seien: Der Klassizismus des Schlosses steht in d ­ iesem Sinne für eine hoch entwickelte, harmonische Gesellschaftsordnung, wie sie mit dem augusteischen Rom verbunden wurde.

342 Ebd., S. 161 f.: „Lavater sprach von Haus- und Staatsrücksichten, von Ausnahmen, die sich ein Fürst erlauben könne, von vorliegenden Fällen, die gebilligt worden. So umging er meine religiösen Skrupel, so beseitigte er die Bedenk­lichkeiten, die ich als Landesherr, der Allen ein Vorbild sein soll, hatte und aufstellte.“ 343 Parallel dazu zeichnete sich übrigens auch das Scheitern des Philanthropins ab (vgl. Fn. 167). Das Wunschziel ruhiger Glückseligkeit störten insbesondere Auftritte wie eine gehässig in die Öffent­lichkeit getragene Wirtshausschlägerei zwischen Basedow und zwei Lehrern (vgl. Reiche 1783). Der Philanthropismus ist allerdings nicht mit dem gescheiterten Dessauer Philanthropin untergegangen, sondern hat in den folgenden Jahrzehnten noch eine produktive Entwicklung genommen. Vgl. Lempa 1993, S. 188 ff.

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Die ‚Gotik‘ des Gotischen Hauses lässt sich dagegen als Zwischenstufe einer inner­lich stringenten, zur klassizistischen Abstraktion strebenden Architektur­ entwicklung und damit als Ausdruck einer wilderen Kulturstufe verstehen.344 Im naturidealisierenden 18. Jahrhundert erschien die Gotik zunehmend inter­ essanter, weil man in ihr eine unmittelbarere Naturnachahmung (die nach oben sich verzweigenden Streben wurden als Bäume wahrgenommen) und eine größere Individualität zu erkennen glaubte.345 Es lassen sich auch hier wieder Analogien erkennen. Hatte Leopold F ­ riedrich Franz als Erziehungs- und Herrschaftsmaxime formuliert, dass man Kinder wie „junge Bäume […] frei und lustig aufwachsen lassen müsse, wenn sie gedeihen sollten, wobei man denn doch auf sie achten und zur rechten Zeit in Zucht nehmen solle“, so visualisiert das Gotische Haus augenschein­lich einen Gegenentwurf zum patriarcha­lischen Gesellschafts- und Kulturmodell des Fürsten, da es in seiner Architektur eben keine ‚Zucht‘ gibt.346 Von innen wie von außen ist es unsymmetrisch und damit, übertragen gesehen, ‚verwachsen‘ und ‚krumm‘ (vgl. Abb. 42 und 43). Ebenso regellos und unangemessen konnte das Privatleben des Fürsten im Gotischen Haus erscheinen, in dem er sich die „Befriedigung sinn­licher Gelüstung“ verschaffte, etwa durch die dort aufbewahrten Erotika, zu denen eine Sammlung von antiken Gemmen mit oftmals erotischen Darstellungen aus der Sammlung des Freiherrn von Stosch sowie einschlägige Bücher wie Ovids Buch der Liebe, dessen Verwandlungen und Boccaccios Novellen gehören.347 344 Der Begriff ‚Gotik‘ wird hier nicht als wissenschaft­liche Stilbezeichnung verwendet, sondern im Sinne der Frühen Neuzeit als undifferenzierter Oberbegriff für mittelalter­ liches Bauen (vgl. Germann 1974, S. 27 ff.). 345 Anders als im Klassizismus schien mittelalter­liches Bauen nicht vom Gesamtbaukörper und einem festen Regelwerk auszugehen; die Einzelelemente wirkten dadurch weniger geordnet und mithin individualistischer (vgl. Germann 1974, S. 168). Das Gotische Haus besteht, wie die Bilder zeigen, aus zwei völlig verschiedenen Baukörpern, die in einem krummen Winkel miteinander verbunden sind. Der ältere Teil (die Nordseite) ist mehrfach erweitert worden und deshalb sehr verwinkelt (vgl. Korzus 2008 S. 32 f. und Becksmann 2002, S. 170 f.). 346 Reil 1845, S. 218 f. Das Gotische Haus entstand nicht als planmäßiger Bau, sondern war ursprüng­lich als kleine Gärtnerwohnung geplant, aus der dann durch verschiedene Anbauten nach und nach das heutige Gotische Haus wuchs. Die Wohnräume befinden sich im Nordteil des Gebäudes (vgl. Abb. 42 und 43). Sie sind überwiegend klein und durch enge, verwinkelte Flure verbunden. 347 Ebd. Zu den Gemmen: Der Fürst und Erdmannsdorff erwarben durch Vermittlung Winckelmanns von Francesco Dolce Abgüsse dieser Gemmen (vgl. Niedermeier 1995a,

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Da im Wörlitzer Park außerdem der Marstall im gotischen Stil erbaut ist, ließe sich vermuten, dass Leopold Friedrich Franz diesen mit der Mög­lichkeit assoziierte, dem „Thier“ in sich „sein Recht“ zu geben, also mit freier Sexua­ lität.348 Da er aber auch ­­Kirchen neugotisch erbauen oder umgestalten ließ, ist eine solch enge Interpretation unwahrschein­lich.349 Stattdessen lässt sich annehmen, dass die Gotik im Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ anscheinend nicht eine spezifische Ausprägung individuellen Lebens symbolisieren sollte, sondern eine von gesellschaft­lichen Zwängen freie Individualität überhaupt. So wie Leopold Friedrich Franz im nicht-öffent­lichen Gotischen Haus seine repräsentative Herrscherrolle ablegte und zumindest teilweise als Privatmensch entsprechend seinen natür­lichen Bedürfnissen lebte, gestand er seinen Untertanen zu, in der ­Kirche Menschen vor Gott zu sein. Als Verdeut­lichung dieses Gedankens lässt sich auch die ansonsten fragwürdige gotisierende Überformung von ohnehin mittelalter­lichen ­­Kirchen wie der St.-Petri-­Kirche am Wörlitzer Park verstehen – ebenso wie auf der anderen Seite die Wahl des klassizistischen Stils für Schulgebäude.350 Als konsequent muss es deshalb erscheinen, dass das Schloss als gesellschaftsrepräsentierender Bau allgemein zugäng­lich war, das Gotische Haus hingegen, in dem Leopold Friedrich Franz mit Luise Schoch und ihren gemeinsamen Kindern lebte, für die allgemeine Öffent­lichkeit verschlossen blieb.351

348 349

350 351

S. 194 f.). Die Bücher sind aufgeführt in: LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14a Nr. 5 – Acta, enth. verschiedene die literarischen Sammlungen in den herzog­lichen Schlössern betreffende Sachen, Bl. 656 f.: Verzeichniß einiger Bücher und Kupferstiche, w ­ elche des regierenden Fürsten Hochfürstl. Durchl. von der, alhier aus der Fürstl. Regierung befind­lichen Bibliothek befohlen haben. Dessau d. 2. März 1789. Reil 1845, S. 159 f. Vgl. zum Marstall Alex 2004, S. 41. In Vockerode und Riesigk ließ er neugotische ­­Kirchen erbauen und die ­­Kirchen in Wörlitz, Mosigkau und Mildensee sowie die Dessauer Schloss­kirche neugotisch umbauen. Ledig­lich die 1722 – 25 gebaute St.-Bartholomäus-­Kirche in Waldersee ließ Leopold Friedrich Franz 1816 klassizistisch umbauen; sie dient als Mausoleum für ihn und Fürstin Louise (vgl. Weiss 2001; Dittmer o. J.). Wie das Schulgebäude in Griesen. Vgl. Rode 1788, S. 162 (hier noch damit begründet, dass das Gebäude nicht fertiggestellt sei und deshalb niemandem gezeigt werde – obwohl Leopold Friedrich Franz dort seit 1786 mit Luise Schoch lebte) und Rode 1814/18, S. 76, hier mit Verweis auf die Privatsphäre des Fürsten: „Das obere Stockwerk bewohnt der Fürst selbst; und dieses ist auch die Ursache, warum ich die Neugier des Lesers durch keine Beschreibung des Innern reizen darf, da es niemand, ohne besondere Fürstl. Erlaubniß, gezeigt wird.“

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Dass die Gefahr einer Störung der öffent­lichen Ordnung und Ruhe – im zwischenmensch­lichen Bereich ebenso wie in der Natur – dennoch stets vorhanden blieb, war Leopold Friedrich Franz offenkundig bewusst. Der Preis für ihre Bannung (sich „Zaum und Gebiß“ anzulegen 352) war ihm jedoch zu hoch. Von d ­ iesem Problem ist offensicht­lich eine der Grundideen in der Gestaltung des Wörlitzer Parks abgeleitet, näm­lich der mehrfach präsentierte Gedanke, dass die gefähr­liche und zerstörerische Seite der Natur nicht sinnlos ist, sondern die Bedingung für ihre positiven Wirkungen. Auf die Idee, dass Zerstörung und Schöpfung untrennbar zusammenhängen, sind die Gestaltungen am Deich (siehe oben) und der künst­liche Vulkan bezogen, an dessen Fuß Blumenbeete angelegt sind (vgl. Abb. 44). Sowohl Hochwasser als auch Lava schaden zwar zunächst, erhöhen aber auch die Fruchtbarkeit des Bodens, wie Böttiger bei der Besichtigung des Wörlitzer Parks 1797 bemerkte:353 Bekannt­lich ist nirgends die Vegetation üppiger als in der Nähe der Vulkane in dem von Schwefel geschwängerten Boden. […] Von dieser Idee ist der Fürst auch bei der weiteren Ausschmückung seines Vesuvs ausgegangen.

In diesen Zusammenhang lässt sich auch die ‚böse Lust‘ einordnen und legitimieren. Da Leidenschaft zur Absonderung und zum Egoismus führt, muss sie in einem so stark auf Gemeinwohl, auf Ordnung und Ruhe orientierten Gesellschaftsentwurf wie dem des Fürsten problematisch erscheinen. Sexualität ohne Lust konnte Leopold Friedrich Franz aber nicht das Wort reden, wie er gegenüber Reil betont hat. Er löste dieses Problem, indem er Lust im Wörlitzer Park als Teil der wilden, gefähr­lichen Natur inszenierte und sie – auch räum­ lich – neben Hochwasser und Vulkanausbrüche stellte, und zwar in Form des 1774 errichteten Venustempels auf dem Deich.354

352 Reil 1845, S. 160. 353 Böttiger 1797, S. 70 f. (Unterstreichung im Original). Vgl. Umbach 1998, S. 127 und 132 ff. Sie zeigt, dass diese Vorstellung anders als in Deutschland in England weit verbreitet war und dass Leopold Friedrich Franz in Vulkanen auch deshalb eine konstruk­ tive Naturkraft sah, weil sie die geometrisch geformten Basaltsäulen und dabei ein geordnetes Produkt hervorbrachten. Vgl. dazu auch Richter 2005, S. 28 ff. Als ­Zeichen einer dem mensch­lichen Zugriff enthobenen ‚wilden‘ Natur und vor dem Hintergrund der entstehenden Industrialisierung deutet dagegen Johanna Geyer-Kordesch den Vulkan auf der Insel Stein (Geyer-Kordesch 2005, vor allem S. 47). 354 Zunächst aus Holz; 1794 dann in massiver Bauweise.

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Als Göttin der Liebe ist Venus laut Hederich ein Symbol für „die Ergötz­ lichkeiten“, ­welche die Liebe bietet, also die Lust. Darüber hinaus beschreibt er sie aber als „ein Bild der natür­lichen Zeugung derer lebendigen Dinge“ und damit der schöpferischen Seite der Natur insgesamt.355 Der Venustempel hebt offenkundig auf eine Vermittlung zwischen positiv aufgefasster Fruchtbarkeit und prinzipiell als gefähr­lich verstandener Erotik ab: Die in ihm aufgestellte Venusstatue (eine Kopie der Venus von Medici) blickt Richtung Elbe, also zur gefähr­lichen Natur; in ihrem Rücken befindet sich – umschlossen vom Park – ein Feld; sie zeigt, dass beides nur zwei Seiten der gleichen Sache ist (vgl. Abb. 49). Einen ähn­lichen Sinn hat anscheinend die Grotte der Egeria, die an der Südostspitze des Wörlitzer Parks ebenfalls direkt neben Feldern steht, nur durch einen schmalen Wasserstreifen von der Insel Stein mit dem künst­lichen Vulkan entfernt. Mit ihrem liegenden Halbakt inszeniert sie die Freundschaft zwischen der Naturgöttin und dem römischen König Numa Pompilius, der durch ihre Ratschläge ein guter König geworden sei, als erotisches Verhältnis.356 Am deut­lichsten auf die ‚böse Lust‘ des Fürsten bezogen ist die Szenerie um den Floratempel mit dem auf das Gotische Haus gerichteten, heute ­wieder angelegten Blumenbeet in Phallusform (vgl. Abb. 12). Sie erinnert an die antiken Floralia-Feste, bei denen Flora mit erotischen Tänzen und ritualisierten sexuellen Ausschweifungen um agrarische Fruchtbarkeit gebeten wurde.357 Eine ähn­liche Bedeutung scheinen zudem die verschiedenen Nymphen

355 Vgl. Hederich 1724, Sp. 1923 und 1927. 356 Vgl. Fn. 280. 357 Böttiger 1797, S. 37: „Schon waren gerade vor dem Tempel grüne Rasenstreifen mit Blumenrabatten durchschnitten, die eine üppige Vegetation verkündigten. Allein hier entdeckte auch, mirabile dictu, mein Auge ein sonderbares Kunstspiel in der Anordnung dieser Blumenbeete. Flora war ja bekannt­lich – wenigstens versichern uns dies die ­­Kirchenväter mit großer Ernsthaftigkeit – eine Dame von so viel gutem Willen (omnivola würde sie Catull nennen), daß sie auf Unkosten ihres schönen Leibes große Güter erwarb und damit zwar nicht, wie in spätern Zeiten, ein Kloster erbauete, aber doch heilige Spiele, die Floralia genannt, stiftete, wo Mädchen von bestem Willen den ehrbaren Römern durch ihre nackenden Tänze auf dem Theater keine geringe Gemütsergötz­lichkeit gewährten. Man darf noch lange kein Court de Guebelin oder Düpüis sein, um in dieser Flora das Symbol der allerzeugenden Natur zu finden, und da gehörten denn auch jene hochverehrten Werkzeuge der Fruchbarkeit hin, die im Phallus die alten Mysterien verehrten und im Lingam die fried­lichen Hindus noch anbeten. Frei­lich verhüllte man sie in jenen Mysterien doch wenigstens mit einem mystischen Körbchen. Allein der wohlbegabte Gott der Gärten trug sie doch auch sehr öffent­lich zur Schau. Und sehr öffent­lich und deut­lich sind sie auch hier vor Floras

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im Park zu haben, denen ebenfalls eine Doppelnatur eignet, da sie einerseits „Vieh und Thiere“ be­schützen und „mit dem Bacchus und der Ceres den Menschen ihren Unterhalt“ schaffen, wie Hederich schreibt, andererseits aber von Gemmendarstellungen (wie Leopold Friedrich Franz sie besaß) als ‚leichte Mädchen‘ bekannt waren.358 Mithilfe von Venus, Flora und den Nymphen wird die mensch­liche Sexua­ lität bzw. die ‚böse Lust‘ des Fürsten hier in den Rahmen pflanz­licher Fruchtbarkeit eingebunden. Dadurch lässt sie sich als ‚natür­lich‘ erklären und damit ent­skandalisieren. Diesen Zusammenhang betonen auch die landwirtschaft­lichen Geräte, die Leopold Friedrich Franz neben dem Gotischen Haus ausstellen ließ, und die unweit entfernt gelegene Baumschule. Illustriert wird er zudem durch einen sich vor dem Gotischen Haus ausbreitenden Panoramablick: In gerader Linie von der Nordseite des Gotischen Hauses ist der Floratempel zu sehen, rechts davon der Venustempel, links ein für die pflanz­liche Fruchtbarkeit stehendes (neugotisches) Palmenhaus. Dieser Blick bietet sich vor allem aus dem Eingangsraum im Erdgeschoss, in dem eine Reihe von Ahnenbildern hängen. Die Zeugungskraft der Natur wird damit in unmittelbaren Zusammenhang mit der Familiengeschichte der Askanier gesetzt, die ja nur durch Fortpflanzung weiter besteht. Aus dieser Sinnsetzung wird überdies die ungewöhn­liche Wahl der Säulen­ ordnung für Venus- und Floratempel verständ­lich, die angesichts der sonstigen eng auf die Tradition bezogenen Säulenverwendung im Wörlitzer Park (wie bei der Korinthia mit ihrem Romverweis) verwundern muss.359 Bei beiden Tempel mit Blumen in dem grünen Rasen gemalt. Es ist nicht etwa bloß zufälliges Spiel der Fantasie, es ist absicht­lich angeordnete unverkennbare Ähn­lichkeit. Eine neue Manier, die Priapen der Alten in den Gärten zu ersetzen!“ 358 Hederich 1724, Sp. 1402: „Sie waren hiernächst Ammen des Bacchi, Göttinnen der Hirten, Jungfrauen, tanzeten mit dem Pane auf den Bergen, oder erwiesen sich doch sonst stets lustig, gaben einen angenehmen Geruch von sich, beschützeten Vieh und Thiere, und schaffeten mit dem Baccho und der Cerere denen Menschen ihren Unterhalt.“ In der Ausgabe von 1770 (Sp. 1752) ist noch etwas zum Äußeren vermerkt: „Bildung. In derselben haben sie eben nichts besonders, was sie von andern Frauenspersonen unterschieden und eigent­lich kennt­lich machte. Nur sind sie gemeinig­lich leicht und vielmal bloß halb bekleidet, wie man aus verschiedenen Gemmen sehen kann, auf ­welchen sie oft mit den Faunen in Gesellschaft in allerhand Verrichtungen angetroffen werden.“ 359 So wurden beispielsweise am Pavillon auf dem Eisenhart (Neumarks Garten), der als Gartenliteratur-Bibliothek und Museum für die von Forster geschenkten Südsee-Artefakte genutzt wurde, Pilaster in der ionischen Ordnung als ­Zeichen der Bildung angebracht.

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finden sich neudorische Säulen, obwohl Vitruv für beide Gottheiten die korinthische Ordnung empfiehlt, „weil geschlanke, blumichte, mit Blättern und Schnörkeln geschmückte Gebäude der Weich­lichkeit dieser Göttinnen angemessen zu seyn und die ihnen eigenen Anmuth zu vermehren scheinen“.360 Der Venustempel weicht darin auch von seinem direkten Vorbild in Stowe ab, bei dem sich in traditioneller Weise korinthische Säulen finden. Plausibel wäre in der frühneuzeit­lichen Tradition höchstens noch die weib­ lich assoziierte ionische Ordnung, während die dorische zunächst widersinnig erscheinen muss, da sie laut Vitruv und im Verständnis der Frühen Neuzeit für Männ­lichkeit, Stärke und Einfachheit steht.361 Stilhistorisch lässt sich diese Wahl kaum erklären. Plausibler erscheint dagegen Hubertus Günthers Vermutung, dass „die altertüm­lichen Züge der Dorica“ hier allgemein „Naturnähe demonstrieren“ sollten, da sich im Park an verschiedenen Stellen Verweise auf sehr frühe Kulturzustände finden.362 So inszeniert das Wurzelhaus die vermeint­lichen Ursprünge der Baukunst (vgl. Abb. 8) und die Tahitisammlung im Pavillon auf dem Eisenhart präsentiert einen frühen Stand mensch­licher Kulturentwicklung. Dass die Dorica am Venustempel auf die Herkunft der Venus verweist, lassen die Grotten im Untergeschoss des Tempels vermuten, die mit ihrer Widmung an Vulkan, Aeol und Neptun auf die Zeugung der Venus aus den Elementen der Natur erinnern. In der Grotte unter der Insel Stein ist zudem eine ‚Geburt der Venus aus dem Meere‘ abgebildet.363 360 Vitruv 1796, S. 27. 361 Vgl. Forssman 1961, S. 50. 362 Anders als seine Annahme, es handele sich dabei um das Symbol für eine ablehnende Haltung gegenüber „Rom, wo die Sitten verderbt waren und dementsprechend oft Prunk das wahre Ideal von Kunst überwucherte“, was aber nicht nur angesichts des sonst so deut­lichen Rombezugs im Wörlitzer Park unwahrschein­lich ist. Zwar ist durchaus ein Griechenlandbezug erkennbar, wie ihn Günther unterstellt. So war beispielsweise bei der im Venustempel als Abguss aufgestellten Venus von Medici schon im 18. Jahrhundert bekannt, dass sie nach der Aphrodite-Statue von Praxiteles in Rom geschaffen worden war. Jedoch sind die Tempel im Wörlitzer Park römischen, nicht griechischen Göttinnen gewidmet, und die hier verwendete Dorica ist außerdem römisch geprägt. Mit der griechischen, die Leopold Friedrich Franz und Erdmannsdorff bei ihrem Besuch in Paestum kennengelernt haben, hat sie wenig zu tun, wie Forssman anmerkt: „Die stämmigen griechisch-dorischen Säulen ohne Basis unterschieden sich radikal von der viel schlankeren römisch-vitruvianischen Dorica“, wie sie in Wörlitz zu finden ist (­Günther 1996, S. 149; Forssman 1996, S. 105; Zitat im Text: Günther 2002, S. 26). 363 Vgl. Niedermeier 1995a, S. 217; Rode 1814/18, S. 105.

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Venus ist dabei neben Apollo die einzige Gottheit, die im Park mehrmals auftritt.364 Gemeinsam ist der Venus- und Apolloinszenierung im Wörlitzer Park, dass sie vor allem auf die Ambivalenz beider Gottheiten und ihre Stellvertreterschaft für die Natur allgemein abheben. Der Anschluss an die Apollo­ inszenierung und die damit erfolgende Einordnung der Venus in den Rahmen der Aufklärung suggeriert, dass die ‚böse Lust‘ des Fürsten sinnvoll und legitim sei.365 Leidenschaft wird dabei in Analogie zum Hochwasser als zwar gefähr­ licher, aber notwendiger Teil der Natur präsentiert. Wie Hochwasser (oder Bettler und Gaukler) wird sie jedoch eingedämmt bzw. in nicht öffent­liche Räume verwiesen, in das Gotische Haus oder in das finanziell abgesicherte Zuhause der Untertanen.366 Symbo­lische Bedeutung hat dabei vermut­lich auch, dass das Gotische Haus an einer der wenigen Stellen im Park steht, von denen aus das Schloss nicht gesehen werden kann. Es selbst liegt hingegen im Blickfeld des Schlosses, zumindest vom Belvedere aus, das schon zu seiner Entstehungszeit als ästhetisch zweifelhaft kritisiert wurde, aber ebenfalls einen tieferen Sinn vermuten lässt (vgl. Abb. 45).367 Als verglaster Raum, der von innen beleuchtet werden 364 Eine Verbindung zwischen Venus und Apollo lässt sich im Venustempel erkennen, einem Monopteros (offener Rundtempel). Zwar hatte Leopold Friedrich Franz einen als Venustempel gewidmeten Monopteros in Stowe gesehen; die meisten deutschen Hochadeligen kannten Monopteren jedoch eher aus dem Neuruppiner Park von Friedrich II. von Preußen oder aus dem Schwetzinger Park des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz (1735 und 1761 errichtet) – und damit als Apollotempel. Es lässt sich vermuten, dass eine Assoziation mit Apollo vom Dessauer Fürsten durchaus erwünscht war. – Der Monopteros ist eine Erfindung Vitruvs und wurde erst in der Neuzeit tatsäch­lich gebaut, meistens in Parks. In seiner geschlossenen Form als Peripteros (also mit vermauerten Abständen zwischen den Säulen) hat auch Lorrain ihn in seinem einflussreichen Gemälde Landschaft mit Apollotempel von Milet von 1662 geprägt, ein ­solcher findet sich im Park von Stourhead, den Leopold Friedrich Franz ebenfalls kannte (vgl. Weibezahn 1975, S. 15 ff.). 365 Vgl. dazu auch eines der Wandbilder in der Eingangsrotunde des Wörlitzer ­Schlosses, das in Rodes Führer wie folgt beschrieben und gedeutet wird: „Die Braut sitzt auf einer Wolfshaut, ­welcher man bei den Alten, so wie dem Wolfsfette, womit die Hausthüre der Braut bestrichen wurde, die Fruchtbarkeit befördernde, und vor Zauberei bewahrende Kräfte beilegte.“ (Rode 1788, S. 24). 366 Vgl. dazu die Verordnung, die es Männern unter 21 Jahren verbietet, zu heiraten, damit sie sich ein wirtschaft­liches Fundament aufbauen können. Verbot der Heirathen vor dem 21sten Jahre (Anhalt-Dessau 1819, Nr. 150). 367 Vgl. Rüffer 2005, S. 245 f. und die Radierung von Nagel (Abb. 45), die das Belvedere unverhältnismäßig groß darstellt und so ebenfalls auf eine befremdete Wahrnehmung

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kann, kann das Belvedere als ein weit sichtbares Symbol für die Aufgeklärtheit (‚Erleuchtetheit‘) des Fürsten gedeutet werden. Dass das Gotische Haus von hier aus zu sehen ist, lässt sich folg­lich politisch interpretieren: Das natür­lichindividuelle und dabei auch egoistische Privatleben des Fürsten durfte seinen Platz haben, weil der aufgeklärte Blick des ‚Landesvaters‘ – und damit die Vernunft – darüber wachte. Einen ähn­lichen Sinn hat offenbar die Sichtverbindung zwischen dem Belvedere und dem Turm der Coswiger Nikolai­kirche am anderen Elbufer (einer der ältesten ­­Kirchen in Anhalt), die durch die Verlegung der Straße von Wörlitz zur Coswiger Elbfähre entstanden ist.368 Einerseits stellt diese Sichtachse das ‚Gartenreich‘ in den größeren metaphy­sischen Zusammenhang der christ­lichen Religion. Andererseits visualisierte der Fürst hier sein Weltbild und seinen Herrschaftsanspruch: Von Coswig kommend, führt die Straße fast vier Kilometer geradlinig auf den Deich zu, auf dem, in der Sichtachse zum Schloss, seit 1807 das Monument steht. Dieses wirkt mit seiner unregelmäßigen, wie zufälligen Felsblockfassade, als wäre es durch die Kräfte der Natur dort aufgetürmt; auf seinem Dach steht eine korinthische Säule mit einer Wetterfahne, die das anhaltische Wappen zeigt. Dahinter erhebt sich – als ­Zeichen der mit der Natur verbundenen, aus ihr erwachsenen Aufklärung – das Belvedere des Schlosses.369 Römer und Germanen: Inszenierungen von Genealogien

Für die mehrfachen Venusdarstellungen im Wörlitzer Park ist noch eine andere Bedeutung wahrschein­lich. Venus wird hier nicht nur als personalisierte Natur, sondern auch als legendäre Urahnin der Askanier (des anhaltischen Fürsten­ geschlechts) präsentiert. Schon seit dem Mittelalter hatten die Askanier ihre Herkunft auf Julius Ascanius, den Enkel der Venus, zurückgeführt.370 Eine

schließen lässt. 368 Wie in einem Bericht von der Ersteigung des Belvedere aus dem Jahr 1781 bestätigt wird: „Der Fürst liebt die Points de Vüe und hat in verschiedenen Hölzern durchhauen lassen, daß man Koßwig und andere Örter, oder auch nur Jagd- und Forsthäuser, selbst unten im Garten, in der Ferne erblickt.“ (Meinecke 1781, S. 651). Mit den Jagd- und Forsthäusern im Garten meint Meinecke mög­licherweise das Gotische Haus; ansonsten kämen nur die Wallwachhäuser infrage. 369 Vgl. Alex 2007, S. 12 f. 370 Das aus der Gegend von Aschersleben stammende Fürstenhaus ließ dafür seinen lateinischen Geschlechtsnamen geringfügig umschreiben, wodurch aus den ­Aschariern die „Asschanie“ wurden, also die Askanier, wie das Fürstenhaus bis heute heißt. Damit

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Szenerie im Park illustriert das: Auf dem Weidenheger, in der Mitte des Parks, gibt es einen kleinen, als Venusbad bezeichneten Teich; in seiner Nähe, am Ufer des Sees, steht eine überlebensgroße Statue einer badenden Venus.371 Neben ­dieser Statue befindet sich eine Fähranlegestelle; ihr Gegenstück am anderen Ufer befindet sich neben der Synagoge, die in Form eines geschlossenen Rundtempels gestaltet ist (vgl. Abb. 47).372 Trotz der offensicht­lichen Unterschiede (etwa Pilaster statt Säulengang) kann die Synagoge als Nachahmung des in der F ­ rühen Neuzeit bekanntesten antiken Tholos (Rundtempels) verstanden werden: des Vestatempels in Tivoli.373 Die Kombination aus Venusstatue, Fährüberfahrt und ‚Vestatempel‘ lässt sich als Allusion auf die Aeneis und damit auf die Gründung Roms interpretieren.374 Die Fährüberfahrt illustriert dabei die Meerfahrt des Aeneas, die dem Abschied von seiner Mutter Venus in Troja folgte. Das andere Ufer des Wörlitzer Sees entspricht dabei der latinischen Küste, an der seine Reise endete und sein Sohn Julius Ascanius später die Stadt Alba Longa gründete. Dort gebar dann eine Priesterin des dortigen Vestatempels Remus und Romulus. Mit ­dieser doppelten Präsentation von Venus als Naturprinzip sowie als Stammmutter Roms wie auch der Askanier gelang es Leopold Friedrich Franz, traditionelle Herrschaftsrepräsentation harmonisch in den ‚Text‘ des Parks einzufügen. Im Monument auf dem Deich wird diese Herkunftslegende abermals aufgegriffen. Die Grotte unter ihm ist mit Muschelschalen ausgelegt, die die Geburt der Venus symbolisieren; die korinthische Säule auf seinem Dach verweist auf Rom.375 Es ist, wie die Inschrift über der Tür formuliert, den Vorfahren des Fürsten gewidmet („Meinen Vorfahren“), und zwar nicht nur den realen, deren Büsten im Inneren aufgestellt sind, sondern auch den legendären, wie sie eben durch die Venussymbole und die korinthische Säule evoziert werden. In den Fußboden des Innenraums eingelegte Wappen verweisen zudem auf die althergebrachten Herrschafts- und Erbansprüche der Askanier.376

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stellte es sich in eine genealo­gische Linie mit Julius Ascanius, dem Sohn des Aeneas. Vgl. für das und das Folgende Hecht 2006, S. 26 f., dort Quellennachweis. Eine Kopie der Kauernden Aphrodite von Doidalses. Tholos = Rundtempel mit umlaufendem Säulengang; in Wörlitz allerdings nur durch Pilaster angedeutet. Pilaster = flache Wandpfeiler, angedeutete Säulen. Tivoli hat Leopold Friedrich Franz 1766 besucht. Vgl. Berenhorst 1775, S. 114 ff. Vgl. Reimann 1999, S. 312. Vgl. Hecht 2006, S. 26 f. sowie zur Venussymbolik im Monument Alex 2007, S. 12. „Im Zentrum der Fläche liegt das anhaltische Hauptwappen mit dem säch­sischen Rautenschild und dem brandenbur­gischen Adler. Dieses Herzschild, vom Herzogshaus

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Wichtige Vorfahren sowie seinen von ihnen abgeleiteten Geltungs- und Herrschaftsanspruch präsentiert Leopold Friedrich Franz auch im Gotischen Haus.377 Im dortigen Sommersaal hängt ein ursprüng­lich aus dem Dessauer Stadtschloss stammendes Holzdeckengemälde aus dem späten 17. Jahrhundert, das die Apotheose der anhalt-dessauischen Fürsten und ihrer Verwandten darstellt. Auf ihm ist der Urgroßvater von Leopold Friedrich Franz, Fürst Johann Georg II. von Anhalt-Dessau, mit seinem holländischen Schwiegervater ­Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau und seinem Schwager Wilhelm II. von Oranien-Nassau zu sehen.378 Schwiegervater und Schwager Johann Georgs II. waren nacheinander Statthalter der Niederlande in deren ‚Goldenem Zeit­alter‘. Johann Georgs Ehefrau – und die Urgroßmutter von Leopold Friedrich Franz – war Henriette Catharina von Oranien-Nassau.379 Die Eheschließung des Dessauer Fürsten Johann Georg II. mit der nieder­ ländischen Prinzessin im Jahr 1659 verband sich mit enormen Vorteilen für das Land Anhalt-Dessau. Zum einen brachte Henriette Catharina mit Handwerkern und Künstlern den technischen, agrarischen und künstlerischen Fortschritt aus den Niederlanden nach Anhalt-Dessau mit.380 Zum anderen wertete die Einheirat des askanischen Fürstengeschlechtes in die Familie Oranien-­Nassau die Stellung der Anhalt-Dessauer im europäischen Hoch­adel auf, da sie nun sogar einen eng­lischen König zu ihren nahen Verwandten zählen konnten.381 Die Ehe mit der niederländischen Prinzessin war von dem

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Anhalt als kleines Wappen geführt, verweist auf Albrecht den Bären aus dem Geschlecht der Askanier (um 1100 – 1170). […] In einem Kreis sind die acht Einzelschilde angeordnet, darunter drei ‚Anspruchswappen‘, die das Weiterbestehen von Herrschaftsansprüchen auf die mittelalter­lichen Herzogtümer Sachsen, Engern und Westfalen augenfällig dokumentieren. Sie werden begleitet von Lorbeer- und Eichengirlanden, uralten Ruhmes- und Ehren­zeichen, den Symbolen für Sieg und Triumph, Männ­ lichkeit und Beharr­lichkeit, für Unsterb­lichkeit.“ (Alex 2007, S. 6 f.). Vgl. für das Folgende Harksen/Alex 1983, S. 14 ff. und 31 f. sowie Hecht 2008, S. 205 f. 1627 – 1693, 1584 – 1647, 1626 – 1650. 1637 – 1708. Vgl. Melzer 2003, Bandion 2003, Rohrschneider 2000. Der Dessauer Fürst Johann Georg II. war der Onkel Wilhelms III. von Oranien-Nassau, dem Sohn von Wilhelm II. und Maria Henrietta Stuart, der Tochter des eng­lischen Königs Karl I. und Schwester der nacheinander in England regierenden Brüder Karl II. und Jakob II. Nach der ‚Glorious Revolution‘ von 1688 wurde Wilhelm III. wegen seines Protestantismus zum eng­lischen König gewählt. Nachdem Wilhelm kinderlos gestorben war, hatte Johann Georg sogar eine kleine Chance, ihn zu beerben. Vgl. Bandion 2003, S. 176; Melzer 2003, S. 176.

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mit einer Schwester Henriette Catharinas verheirateten Kurfürsten Friedrich Wilhelm von ­Brandenburg vermittelt worden, um den talentierten General Johann Georg für seine Armee zu gewinnen, und begründete so auch eine enge Bindung der Anhalt-Dessauer an Preußen. Eine weitere wichtige Verwandtschaftslinie wird im Eingangsraum des Nordteils des Gotischen Hauses präsentiert. Diese führt über Henriette ­Catharina zu ihrem Urgroßvater, dem Hugenottenführer Gaspard II. de Coligny. Zusammen mit seinem Schwiegersohn Wilhelm I. von Oranien-Nassau, dem ersten Statthalter der unabhängigen Niederlande, ist Coligny als Vorkämpfer für den Protestantismus in die Geschichte eingegangen.382 Die Aufhängung seines Porträts diente der Statusrepräsentation, eröffnet aber noch einen weiteren Sinnhorizont des Gotischen Hauses: Sie verweist darauf, dass es auch hier, wie im Schloss, um den Anspruch auf Herrschaft und um eine bestimmte Vorstellung von ihr geht. Das Gotische Haus zeigt dabei frei­lich nicht den weisen und vernünf­ tigen ‚Landesvater‘, sondern den Vorkämpfer für die Freiheit des eigenen Standes und Glaubens, für die Leopold Friedrich Franz die ‚Ritterzeit‘ – eine im 18. Jahrhundert vage zwischen Hochmittelalter und Früher Neuzeit verortete Zeit – als Vorbild sah.383 Diese wird unter anderem im Rittersaal des

382 Leopold Friedrich Franz ließ 1780 auch Gatien Sandras de Courtilz’ La vie de Coligny (Köln 1686) aus der Hofbibliothek ins Gotische Haus schaffen. Vgl. Verzeichniß einiger Bücher und Kupferstiche…(LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14a Nr. 5). Der Hugenotte Coligny ist dabei Teil einer größeren Inszenierung der Dessauer Fürsten als Verteidiger des Protestantismus. So gehörte Fürst Georg III. von Anhalt-Dessau (1507 – 1553), der in einem guten persön­lichen Verhältnis zu Luther und Melanchthon stand, zu den ersten Unterstützern der Reformation. Im Gotischen Haus finden sich auch verschiedene Erinnerungsstücke an Luther. Ebenso erinnert das Gotische Haus mit verschiedenen Artefakten an die Symbolfigur für das protestantische Lager im Dreißigjährigen Krieg, Gustav II. Adolf von Schweden. Dazu gehören ein ihn darstellendes Glasfenster von 1635 und Bildnisse von ihm und seiner Frau Maria Eleonora (einer brandenbur­gischen Prinzessin). Zudem findet sich ein ihn als Reiter zeigendes überlebensgroßes und vergoldetes Relief am als Gast- und Wallwachhaus dienenden ‚Schwedenhaus‘ am Elbdeich in der Nähe von Waldersee. Vgl. Ev. Landes­kirche/ Anhalt. Landesbücherei (Hg.) 1997. 383 Vgl. Schmid 1979, S. 323 ff. Das Verzeichniß einiger Bücher und Kupferstiche im Landes­ hauptarchiv (LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14a Nr. 5) nennt eine ganze Reihe von im Gotischen Haus aufbewahrten ‚Ritterbüchern‘, wie: Vegetius [vermutl.: Von der Ritter­schaft, Augsburg 1475/76], Frontinus [vermutl.: Die vier Bücher Sexti Iulii F ­ rontini des consularischen Mans von den guten Räthen und Ritter­lichen Anschlegen der guten

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Gotischen Hauses inszeniert. Auf diese Zeit verweist auch der Name B ­ eringer, den L ­ eopold F ­ riedrich Franz für Luise Schoch bei ihrer Erhebung in den Adelsstand gewählt hat. Der Name stammt aus der anhaltischen Chronik von Ernst Brotuff, in der die Beringer oder Behern als säch­sisches Urgeschlecht beschrieben werden, das in der ursprüng­lichen anhaltischen Gegend gelebt haben soll und, wie Michael Hecht zusammenfasst, „unter den alten säch­sischen Adligen eine heraus­gehobene Stellung eingenommen habe“.384 Von diesen stammt der Legende nach auch Albrecht der Bär ab, auf den das Geschlecht der Askanier tatsäch­lich zurückgeht.385 Die Präsentation der Herkunft des Dessauer Fürsten von den Oranien-­ Nassauern und von Coligny spielte zudem eine wichtige Rolle bei der Suche nach einem geeigneten Selbstverständnis für den von Leopold Friedrich Franz vorangetriebenen Fürstenbund, zu dessen Planung sich die daran interessierten Fürsten mehrmals im Gotischen Haus in Wörlitz getroffen haben. Auf diesen Fürstenbund ist ein zweiter Motivkreis in der Gestaltung des Gotischen Hauses bezogen. Da dieser sich für das Daseins- und Selbstbestimmungsrecht der kleineren deutschen Länder einsetzte, das vom preußischen und österreichischen Großmachtstreben bedroht war, konnten seine Interessen nicht mit einem Verweis auf Rom inszeniert werden, da dieses selbst eine eroberungsfreudige Großmacht gewesen war.386 Stattdessen werden in der Ikonografie des Gotischen Hauses diejenigen beschworen, die vom römischen Großmachtstreben in ihrer Freiheit und Eigenheit bedroht waren und mit denen sich Leopold Friedrich Franz ebenso verwandt fühlen konnte wie mit Augustus: die germa­nischen Fürsten, die anderthalbtausend Jahre früher gegen Rom um ihre Unabhängigkeit gekämpft haben.387 Einen Ausschnitt dieses Kampfes zeigt ein 1781/82 entstandener Kaminschirm im Gotischen Haus, auf dem es um die von den Germanen gewonnene Schlacht im Teutoburger Wald geht. Die Germanen werden dabei, so Niedermeier, „als die unmittelbaren Vorkämpfer des Deutschen Reiches und damit als Stammväter der eigenen

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Hauptleut, Meyntz 1532], Pierre de LaNouës Cavalerie francoise (Straßburg 1620), Ritter­liche Reutter Kunst (Frankfurt a. M. 1584), Von Ade­lischen Mann­lichen Tugenten Erbarkeyt vnnd Zucht Ritter Pontus Ein Ruhmreich Zier­lich vnnd Fruchtbare Histori von dem Edlen Ehrnreichen vnnd mannhaffti gen Ritter Ponto (Frankfurt a. M. 1548). Brotuff 1556. Sie befand sich im Gotischen Haus, vgl. Verzeichniß einiger Bücher und Kupferstiche… (LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14a Nr. 5); Zitat: Hecht 2006, S. 18. Hecht 2006, S. 21 und 24. Vgl. Umbach 2000, S. 66. Vgl. zum Fürstenbund Aretin 1997, S. 174 ff. Vgl. Niedermeier 2002, S. 23 ff. und 111 ff.

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geschicht­lichen Herkunft“ präsentiert.388 Dass er für diese Selbstinszenierung das Gotische Haus wählte, in dem er mit seiner Geliebten lebte, ist dabei kein Zufall. Das Gotische Haus steht insgesamt für das Recht des Einzelnen – das des Menschen Leopold Friedrich Franz mit seinen Bedürfnissen ebenso wie das des ‚Reichsindividuums‘ Anhalt-Dessau. Dass eben der Moment der gewonnenen Schlacht im Teutoburger Wald im Gotischen Haus präsentiert wird, wirft allerdings Fragen auf, da die Germanen in dieser Schlacht eben jenen Kaiser besiegt haben, auf den im Wörlitzer Schloss als idealer ‚Landesvater‘ verwiesen wird. In w ­ elchem Verhältnis stehen die verschiedenen Epochen, die im Park gezeigt werden? Handelt es sich bei den Verweisen auf die Antike, die germanische Frühzeit, die ‚Ritterzeit‘ sowie einen kulturellen Urzustand nur um ein eklektizistisches Nebeneinander von Vorbildern und Orien­ tierungen, oder hat dieses Nebeneinander einen Sinn? Lassen sich Wertungen erkennen – und ­welche? Die nächsten beiden Abschnitte werden sich mit diesen Fragen genauer auseinandersetzen. Wichtige Ansätze zu ihrer Beantwortung gibt dabei die Beschäftigung mit einem weiteren Motivkreis im Wörlitzer Park, dem Tod, um den es auf den nächsten Seiten zunächst gehen wird. Tod und Geschichte: die Weltsicht des Fürsten

Die Darstellung von Erotik im Wörlitzer Park konnte noch vermuten lassen, dass sie in erster Linie das Leben des Menschen und die Stellung des Fürsten Leopold Friedrich Franz legitimieren sollte, also persön­lich motiviert war. Die mehrfache Thematisierung des Todes in der Gestaltung des Wörlitzer Parks (und ebenso an anderen Stellen in Anhalt-Dessau) lässt sich jedoch nicht nur mit einer Todesangst von Leopold Friedrich Franz erklären; sie hat offenbar noch andere Gründe.389 Der Tod scheint im Wörlitzer Park allgegenwärtig zu sein. In ihm wurden die im Säuglingsalter verstorbene Tochter des Fürstenpaares und der Gärtner Schoch begraben und auf dem alten Kirchhof befindet sich ein Sarkophag mit den Gebeinen Wörlitzer Bürger. Die Dietrichsurne, die Rousseauinsel sowie 388 Ebd., S. 23. 389 Die folgenden Ausführungen nehmen nicht für sich in Anspruch, allgemeine Erkenntnisse über den Sinn von Todesinszenierungen in Landschaftsgärten zu formulieren. Sicher­lich weisen die Todesdenkmäler im Wörlitzer Park auch noch andere Sinn­ ebenen auf als die hier nachgezeichnete. Einige grundlegende Überlegungen zu dem Thema finden sich bei Buttlar 1995; Dorgerloh 2002 und vor allem Dorgerloh 2012 (zu Wörlitz Kap. 3.2).

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das Monument erinnern an Verstorbene.390 Dazu kommen die bei der Anlage des Wörlitzer Parks gefundenen Aschekrüge und Urnen, die im Columbarium der Insel Stein aufgestellt sind.391 Außerdem finden sich im Park eine Reihe von Staffagen in Form historischer Grabmäler, wie der Kanopus im Untergeschoss des Pantheons, der Cippus und die Steinkreise auf der sogenannten ‚Toten­ insel‘, die großen, als „Hügelgrab nordischer Prägung“ interpretierbaren Findlingsblöcke neben dem Monument und das ‚Skaldengrab‘ auf dem Deich.392 Wie Leopold Friedrich Franz den Tod auffasste, lässt sich am deut­lichsten am Sarkophag auf dem ehemaligen Kirchhof (zwischen Sommersaal und K ­ irche) in Wörlitz ablesen. Er wurde auf dem alten Kirchhof aufgestellt, nachdem der bis dahin an dieser Stelle gelegene alte Kirchhof auf Befehl von Leopold ­Friedrich Franz, der sich dabei vermut­lich auch von aufklärerischen Hygieneüberlegungen leiten ließ, an den Rand der Stadt verlegt worden war (vgl. Abb. 48).393 In

390 So sieht Alex das Monument sogar nach historischen Vorbildern für Grabbauten ­gestaltet: „Ein schmaler, weißgetünchter Gang, der den Innenraum umschließt, dient ebenfalls s­ olchen bautechnischen Zwecken. Doch gleichzeitig erweckt er Erinnerungen an antike Bauwerke, speziell an Grabanlagen. Derartige Assoziationen eröffnen sich bei der Betrachtung auch anderer Bauteile des Monuments. Wozu etwa dient die in die Tiefe des Bauwerks führende Rotunde mit ihren Nischen und Natursteinverblendungen, in die man durch ein Fenstern hinabblicken kann? Sie ist nicht zugäng­lich, denn der Eingang weiter oben erweist sich als blind. Wieder liegt der Gedanke an eine antike Grabstätte nahe. Und unmittelbar daneben treffen wir am Wallumgang auf ein Hügelgrab nordischer Prägung, ähn­lich wie weiter west­lich auf das ‚Skaldengrab‘.“ (Alex 2007, S. 10 f.). 391 Vgl. Hartmann 2013, S. 120. 392 Vgl. zu den Findlingen Alex 2007, S. 10 f.; zu den Steinkreisen Niedermeier 2002, S. 29. 393 Wegen der ‚Luftangst‘ (der Angst vor der Ansteckung mit Krankheiten über die Luft oder Erkrankung durch die Giftluft der Toten), die im späteren 18. Jahrhundert allgemein verbreitet war und in Dessau auch zu der schon zitierten Anordnung, die Straßen sauber zu halten, geführt hatte, wurde in verschiedenen Publikationen darauf gedrungen, die Toten schnell zu begraben. Vorbild dafür war der habsbur­gische Kaiser Joseph II., der unter dem Einfluss der Aufklärung und der neuen Naturwissenschaften aus „Fürsorge für den Allgemeinen Gesundheitszustand“ 1772 und 1784 erfolglos versuchte, alle Begräbnistraditionen abzuschaffen – also Begräbnis in der K ­ irche, im Sarg, in guten Kleidern etc. (vgl. Fischer 2001, S. 28 ff.; Stecker 1979). Zur Anhalt-Dessauer Adaption: Anhalt-Dessau 1819, Nr. 229: Verordnung wegen der Ausstellung der Leichen (1801), in der die Verkürzung der Aufbahrungsdauer mit der Ansteckungsgefahr begründet wird (vgl. außerdem Boehlke 1981, S. 52 ff.). Von spürbarer Konsequenz für die Anhalt-Dessauer Untertanen waren auch die gesetz­lichen Trauerregelungen des Leopold Friedrich Franz, die die Dauer des Trauerns – nach Familiengrad – festlegten, den Personenkreis begrenzten, der bei einem Todesfall Trauer tragen durfte

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den Sarkophag wurden die beim Umgraben noch gefundenen, nicht mehr zuzuordnenden Knochen gelegt. Er trägt an den Längsseiten zwei Inschriften. Die Erste stammt von Leopold Friedrich Franz selbst:394 ANGEFÜLLT MIT ÜBERBLEIBSELN DER GEBEINE VOR UNS VERSTORBENER, DIE UNS ZU UNSERN WOHNUNGEN PLATZ EINRÄUMTEN WIE WIR ANDERN WIEDER PLATZ MACHEN WERDEN

Die zweite Seite trägt die Inschrift:395 DIE NOCH STERB­LICHEN KINDER DER ERDE WERDEN GESCHLECHT AUF GESCHLECHT AUCH SO SICH ALLE VERSAMMELN BIS SIE DEREINST VOLLENDET MIT NEUEM LEBEN UMGEBEN NACH VOLLBRACHTEM GERICHT ZU EINER SELIGKEIT KOMMEN. KLOPSTOCK

(nur nahe Verwandte), und die Art der Trauerkleidung vorschrieben und ebenfalls beschränkten. Dass ab 1789 gar keine Trauerkleidung außer einem Trauerflor erlaubt wurde, begründete der Fürst mit seiner Sorge um die wirtschaft­liche Situation der Untertanen. Vgl. Anhalt-Dessau 1784, Nr. 57: Erneuertes Trauer-Reglement (1769). Darin heißt es unter anderem: „Keinem, weß Standes oder Würden es auch sey, ist erlaubet, die Zimmer schwarz auszuschlagen, oder die Fenster, Tische und Stühle schwarz zu behängen, vielweniger die Wagen, Trage-Sessel und Pferde-Geschirre schwarz zu beziehen.“ (S. 122). Ebd. Bd. 2, Nr. 164: Verordnung wegen der Trauer (1789). Darin heißt es: „Wir haben bey verschiedenen Gelegenheiten bemerkt, daß die Trauer bey dem Absterben der Verwandten vielen Familien wegen der Kosten, so selbige verursachen, sehr nachtheilig gewesen; und Wir haben Uns daher schon immer vorgenommen gehabt, dieselbe in Unserm Fürst­lichen Lande abzustellen.“ (S. 31). 394 Urheberschaft von Rode angegeben (Rode 1788, S. 51). 395 Ebenfalls aus Klopstock, Messias, Erster Gesang, S. 17: „Die noch sterb­lichen Kinder der Erde / Werden, Geschlecht auf Geschlecht, zu euch sich alle versammeln, / Bis sie dereinst vollendet, mit neuen Leibern umgeben, nach vollbrachtem Gericht zu einer Seligkeit kommen.“

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Durch die im Klopstockzitat formulierte Heilserwartung wird die in ihrer Pragmatik fast ein wenig verstörende Deutung des Todes durch Leopold Friedrich Franz in die christ­liche Weltsicht eingebunden.396 Einen christ­lichen Betrachter mag sie dennoch irritieren, da für die Gestaltung des Sarkophags – der immerhin eine Gedenkstätte für die Vorfahren der Wörlitzer Bevölkerung sein sollte – keine christ­liche Ikonografie verwendet wurde, sondern das Motiv des Zwillingspaars Schlaf und Tod.397 Dieses Motiv war seit 1769 durch Lessings Aufsatz Wie die Alten den Tod gebildet bekannter geworden, in dem es als Symbol für die vermeint­lich gelassenere und freund­lichere Todesvorstellung der Antike gedeutet wird.398 Es ist anzunehmen, dass Leopold Friedrich Franz hier von Lessings Interpretation ausgegangen ist, da sein Gesellschaftskonzept eine die Schrecken des Todes relativierende Sichtweise brauchte, um seine Bindungskräfte entfalten zu können. Die Natur als der zentrale Wert dieses Konzeptes kann nicht als sinnvoll gedacht werden, wenn der Tod beliebig alles auslöscht und die durch mühsame Selbst- und Weltkultivierung erarbeitete Glückseligkeit schuld- und perspektivlos zerstört. Es musste also gezeigt werden, dass der Tod dem Streben nach Glückseligkeit nicht entgegensteht, um die Konsistenz des im Wörlitzer Parks präsentierten Gesamtweltsinns zu beweisen. Dafür hat Leopold F ­ riedrich Franz grundlegend an der Vorstellung eines nach dem Tod zu erwartenden Heils – gleichgültig ob christ­lich oder heidnisch gedacht – festgehalten. Seine Inschrift schreibt dem Tod jedoch darüber hinaus auch einen irdischen Sinn zu, da der Tod der Vorfahren „uns zu unsern Wohnungen Platz“ mache – also die Entfaltung und das Glück weiterer Generationen ermög­liche. Der Tod wird damit – ebenso wie Hochwasser, Vulkanausbrüche, Schiffbruch (den Basedow anführt) oder ‚böse Lust‘ – als notwendig erklärt, obwohl er oft willkür­lich erscheinen mag.399 Um diesen Gedanken sinnfällig zu machen, waren die traditionellen Darstellungen des Todes als Sensenmann oder Gerippe weitaus weniger geeignet als die Jünglinge Schlaf und Tod. Ihre schönen Körper und ihre gelassene Haltung können weitaus leichter begreifbar machen, dass der Tod kein schreck­liches 396 Vgl. Boehlke 1981, S. 34 ff. 397 Darauf weist Rodes Führer hin. Rode 1788, S. 139; Rode 1814/18, S. 51. Es hat sich allerdings immer noch nicht klären lassen, w ­ elchen Einfluss der Fürst auf Rodes F ­ ührer genommen hat, sodass hier nur vermutet werden kann, dass Leopold Friedrich Franz diese Rezeptionslenkung gewünscht hat. 398 Vgl. dazu Morton 2004, S. 139 ff. 399 Vgl. Kap. 2.3., Abschnitt: Der Wörlitzer Park als Rechtfertigung…

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Ereignis, sondern ein „allgemeines mensch­liches Phänomen“ ist, das als notwendig hingenommen werden muss.400 Der Suggestion, dass der Tod ein selbstverständ­licher Teil des Lebens sei, dient auch die arkadische Gestaltung des Wörlitzer Parks: Ein antiker Sarkophag wird in Neumarks Garten als Bank verwendet, Teile eines Sarkophages sind Bauteile im Floratempel, das Wachhaus ‚Zum Pferde‘ (eine Kopie eines an der Straße nach Tivoli gelegenen römischen Grabes) erinnert an die römische Tradition der „Bestattung im Freien“, d. h. an der Straße.401 Auch das über viele Jahre zum Geburtstag der Fürstin veranstaltete Volksfest am als Grabmal für das Fürstenpaar geplanten Drehberg verklärt den Tod, da das Fürstenpaar bei ­diesem Fest Bauernmädchen Geschenke zu ihrer Aussteuer machte. Dadurch wurde der Tod für die Beteiligten des Festes gedank­lich mit fröh­lichen Vorstellungen von glück­lichem Familienleben assoziiert und damit sublimiert.402 Dennoch bleibt ein Rest an beängstigender Unwägbarkeit, den diese Vorstellung eines sinnvollen Todes nicht beseitigen kann, denn es sterben nicht nur Menschen, die ihren Lebenskreislauf abgeschlossen haben, sondern auch Kinder, wie es das Fürstenpaar selbst erleben musste. Wie Leopold Friedrich Franz auf den Tod seiner und Louises früh verstorbener Tochter reagierte, zeigt die Inszenierung ihres Grabes, für das er eine Stelle am Fuß des Deichs im Wörlitzer Park gewählt hat. Von der auf dem Grab aufgestellten goldenen Urne lassen sich in der Ferne, aber fast nebeneinander, zwei Gebäude sehen: Die Synagoge und die Wörlitzer ­Kirche (vgl. Abb. 15).403

400 Bloch 1979, S. 29. 401 Zum Sarkophag in Neumarks Garten vgl. Böttiger 1797, S. 35. Das Wachhaus ‚Zum Pferde‘ ist eine Nachbildung des antiken Grabmals der Familie Serena zu Tivoli. Rode 1814/18, S. 90. Vgl. Matsche-von Wicht 1979, S. 47 f. 402 Der ‚Drehberg‘ war vor seinem Abriss im 19. Jahrhundert ein tempelartiges Gebäude im klassizistischen Stil, das auf einem in Sichtverbindung zu den Wörlitzer Anlagen liegenden Hügel errichtet worden war. Um dieses herum wurden zwischen 1776 und 1799 jedes Jahr zum Geburtstag der Fürstin Volksfeste mit sport­lichen Wettkämpfen veranstaltet, bei denen die umliegenden Dörfer gegeneinander antraten. Diese richteten sich besonders an Kinder und Jugend­liche; Mädchen im heiratsfähigen Alter bekamen vom Fürstenpaar Geschenke und Geld für ihre Aussteuer (vgl. Hirsch 2003, Kap. II.2.). 403 Die Synagoge ist Resultat und Ausdruck der vergleichsweise judenfreund­lichen Politik des Dessauer Fürsten. Sie wurde nach einem Entwurf von Erdmannsdorff zwischen 1789 und 1790 errichtet und als Tempel für die jüdische Gemeinde von Wörlitz geweiht (vgl. Hirsch 2003, Kap. 4.6.).

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Dieser Sichtenfächer wird für gewöhn­lich als ‚Toleranzblick‘ gedeutet, also als Ausdruck der von Leopold Friedrich Franz gewährten Religionstoleranz.404 Ledig­lich Buttlar sieht in ihr auch eine „Perspektive der Transzendenz“.405 Mit seinem Verweis auf die naturreligiösen Neigungen des Dessauer Fürsten bietet er eine plausible Interpretation dafür, dass dieser Sichtenfächer sich von der goldenen Urne eröffnet, also dem Grab der Tochter, deren Tod für den Fürsten sicher schmerzhaft war und der überdies die Ehe noch weiter belastet haben dürfte. Vor dem Hintergrund der bis hierher nachgezeichneten Weltauffassung des Fürsten lässt sich dieses Gartenbild frei­lich auch noch in einem anderen Sinn­ zusammenhang sehen (ohne dass die Toleranzinterpretation fallen gelassen werden muss). Vom Deich aus ist näm­lich der Davidstern auf der Synagoge, der sie als s­ olche kennt­lich macht, nicht zu erkennen. Von hier aus ist nur ein Gebäude zu sehen, das offensicht­lich dem Vestatempel in Tivoli und damit einem heidnischen Tempel nachgeahmt ist. Lorrains im 18. Jahrhundert breit bekanntes Bild Apollo und die Musen auf dem Berg Helikon dürfte diese Assoziation mit der antiken Mythologie bei Gebildeten noch verstärkt haben.406 Die Verbindung von antikem, als Vesta- oder Apollotempel identifizierbarem Tempel und gotischer bzw. neugotischer christ­licher ­Kirche (sie wurde erst ab 1804 umgebaut) verweist mit gleicher Plausibilität wie auf die religiöse Toleranz des Fürsten auch auf die Orientierung seines herrscher­lichen Selbstbilds am antiken Rom sowie an der deutschen ‚Ritterzeit‘. Mit der Gestaltung dieses Sichtenfächers vom Grab seiner Tochter zeigt Leopold Friedrich Franz ihre Zugehörigkeit zur großen und geschichtsträchtigen Familie der Askanier, deren Herkunft sich über das Mittelalter bis nach Rom zurückverfolgen lässt.

404 Vgl. u. a. Trauzettel 2004, S. 61: „Sichtachsen zu Synagoge und K ­ irche als Symbol religiöser Toleranz“; oder Küster/Hoppe 2010, S. 139 f. 405 Buttlar 1995, S. 103 f. 406 Das Bild befand bis etwa Ende des 18. Jahrhunderts im Besitz der römischen ­Familie Colonna, bei denen es vermut­lich von vielen höherstehenden Reisenden – mög­ licherweise auch den Dessauern – gesehen wurde. Dann wurde es nach England und von dort über einige Zwischenschritte an das Museum of Fine Arts in Boston verkauft, in dessen Besitz es heute noch ist (Provenienznachweis auf der Internetseite des MFA: http://www.mfa.org/collections/object/apollo-and-the-muses-onmount-helicon-31442, zuletzt abgerufen am 8.2.2015). Das Motiv dürfte außerdem spätestens seit 1777 durch das von Richard Earlom herausgegebene und bei John Boydell verlegte Liber Veritatis breit bekannt geworden sein (dort als Nr. 193). Dieses enthält Reproduktionen von fast 200 Zeichnungen, die Lorrain von seinen Gemälden angefertigt hat (Boydell 1777).

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Nur an wenigen anderen Stellen im Park sind beide Epochen – Antike und Mittelalter – in einem Bild zu sehen. Außer in ­diesem Sichtenfächer gibt es diese Verbindung nur im Blick vom Nordufer des Sees auf das Schloss, das ebenfalls neben der K ­ irche steht, und im Monument, dessen Dach mit mittelalter­lich anmutenden Zinnen sowie mit einer korinthischen Säule verziert ist. Sie hat offenbar eine tiefere Bedeutung, da Schloss und Gotisches Haus zwei miteinander im Konflikt stehende Vorbilder inszenieren: Im Gotischen Haus wird nicht nur allgemein an die germanische oder deutsche Geschichte erinnert, sondern dezidiert auch an den Moment der Niederlage der Römer in der Schlacht im Teutoburger Wald – die in die Zeit der Herrschaft des Augustus gefallen ist. Im Schloss wird diese den Verfall einleitende Politik des Augustus allerdings nicht thematisiert. Dort wird er nicht als Imperator und Feldherr ­präsentiert, sondern als ‚Landesvater‘, dem in seiner Regierung eine ideale Balance z­ wischen Kultur und Natur, zwischen Individuum und Gesellschaft gelungen ist.407 Der Wörlitzer Park zeigt Großmachtstreben als etwas Verwerf­liches, weil es zur Unterdrückung der Individualität anderer Nationen führt; der Kampf (sowohl der Germanen als der Fürstenbündler) gegen Hegemonisierung wird dagegen als legitim dargestellt. Rom wird ledig­lich zugestanden, sich von der ‚Wildheit‘ der Germanen zum Schutz der eigenen weiterentwickelten Kultur abzugrenzen, wie ein in Form eines Limesturmes gestaltetes Deichwachhaus öst­lich des Wörlitzer Parks zeigt. Als gefähr­lich wird also im Wörlitzer Park alles das gezeigt, was den F ­ rieden der Gesellschaft und die Produktivität von Kultur stört. Dazu gehören Naturkatastrophen, ‚böse Lust‘, selbstbezogene Einsamkeit und nicht zuletzt der Tod. In den Park ist aber auch der von Leopold Friedrich Franz als vernünftig angesehene Umgang mit diesen Gefahren eingeschrieben: Er fasste sie als notwendige Voraussetzung für alle Kulturentwicklung und alle Gesellschaft­ lichkeit auf, und deshalb sollte die Natur insgesamt – die umwelt­liche wie die des Individuums – zu ihrem Recht kommen. Ihr muss – so signalisiert es der Park – Raum gegeben werden, Kultur und Gesellschaft dürfen und müssen sich jedoch vor ihren negativen Auswirkungen ­schützen: Mit einem Deich vor den Schäden eines Hochwassers, mit einem nicht öffent­lichen Haus vor der schlechten Vorbildwirkung eines ehebrechenden ‚Landesvaters‘, mit der Förde­ rung von Heilkunst gegen einen zu frühen Tod. 407 Bezeichnend ist, dass sich Leopold Friedrich Franz 1790 bei einem Londoner Buchhändler Edward Gibbons’ History of the Decline & Fall of the Roman Empire (London 1788) bestellt hat. LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14a Nr. 5: Acta, enth. verschiedene die literarischen Sammlungen in den herzog­lichen Schlössern betreffende Sachen, Bl. 667.

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Die Inszenierung des Todes ähnelt dabei der der ‚bösen Lust‘, die am Floraund Venustempel mit Feldern und Blumenbeeten als Bedingung für die Entfaltung der Schöpfungskraft der Natur präsentiert wurde. Der Wörlitzer Park zeigt die verschiedenen ‚Geschlechter‘, die nach und nach durch den Tod ihrer Vorfahren ‚Platz‘ für ihre ‚Wohnungen‘ bekamen, wie es auf dem Sarkophag auf dem Kirchhof heißt. Es finden sich im Park Verweise auf ein mythisches Urvolk, das die Baukunst erfunden haben soll (im Wurzelhaus), ­Zeichen für verschiedene Kulturstufen der Antike sowie die germanische und die frühneuzeit­liche Geschichte. Besonders deut­lich illustrieren die in verschiedenen historischen Stilen gestalteten Brücken und die Deichwachhäuser diese Kulturentwicklung. Der Tod lässt sich allerdings kaum tröstend als sinnvoll erklären, wenn tatsäch­lich jedes Geschlecht gleich ist und sich in der Abfolge der Geschlechter keine Verbesserung bzw. kein Sinn erkennen lässt. Das Klopstockzitat auf dem Sarkophag verweist auf ‚neues Leben‘ und ‚Seligkeit‘; der Wörlitzer Park präsentiert noch ein anderes Heilsversprechen: das eines bald kommenden Zustands allgemeiner Glückseligkeit und Humanität, der alle Geschichte und damit auch alles Werden und Vergehen aufhebt. Um das zu erläutern, braucht es einen kleinen Umweg: Im Wörlitzer Park ist kein christ­liches Geschichtsverständnis inszeniert. So zeigen etwa an mehreren Stellen im Park ikonografische Schichtungen von Kulturstufen das kaiser­liche Rom als Höhepunkt. In der Porträtsammlung in der Bibliothek des Schlosses findet sich ebenfalls neben einer thematischen eine zeitalterbezogene Ordnung, die nicht chronolo­gisch ist, sondern in der Antike mündet: In der unteren Reihe sind bedeutende Zeitgenossen abgebildet, in den mittleren Reihen Persön­lichkeiten aus der Zeit zwischen der Renaissance und dem 18. Jahrhundert und ganz oben antike Autoren, Denker und Staatsmänner.408 In dieser Weise ist auch das Pantheon gestaltet, dessen Untergeschoss auf Ägypten bzw. die sich auf Ägypten berufende griechische Kultur verweist und dessen Hauptraum mit der Apollo-und-Musen-Gruppe ein aus Griechenland erwachsenes Rom veranschau­licht.409 Die Deckengemälde illustrieren darüber 408 Fünf der 25 abgebildeten Persön­lichkeiten der Antike haben zur Regierungszeit von Augustus gewirkt (Horaz, Livius, Strabon, Vergil und Vitruv). 409 Im Pantheon sehe ich allerdings anders als Pfeifer und Kansteiner nicht die g­ riechische Antike, sondern ein aus Griechenland erwachsenes Rom im Hauptraum, da Apollo zwar auf Griechenland verweist, hier doch aber in seiner römischen Adaption durch Augustus gezeigt wird, wofür auch spricht, dass die hier aufgestellte Musengruppe aus der römischen Kaiserzeit stammt. Auf Rom verweisen zudem die korinthischen

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hinaus die Instanz, der hier die Fähigkeit zu einem richtigen und vernünftigen Naturumgang zugeschrieben wird, näm­lich die ‚Weisheit‘. Ihre Personifikation Minerva ist in der Kuppel des Pantheons dargestellt,410 ebenso wie auf dem Fries an seinem Giebel, der Minerva als Sch­lichterin des Streits zwischen den Sirenen und Musen zeigt. Im Pantheon wird Minerva bzw. die Weisheit als Höhepunkt mensch­licher Kulturentwicklung dargestellt. Im Monument dagegen wird Anhalt-Dessau als Kulminationspunkt historischer Entwicklung inszeniert: Über einer durch Felsbrocken symbolisierten Urzeit steht in seiner Außengestaltung mit dem Zinnenkranz auf dem Dach das Mittelalter, darüber mit der korinthischen Säule Rom. Auf dieser Säule ist eine Wetterfahne mit dem anhalt-dessauischen Wappen angebracht, die mög­licherweise auf die Überzeugung des Fürsten schließen lässt, in Anhalt-Dessau einen ebenso idealen Kulturzustand wie den des augusteischen Roms erschaffen zu können – oder durch den Verzicht auf Eroberungskriege sogar einen idealeren. Diesen Gestaltungen liegt offenbar eine bestimmte Auffassung von Geschichte zugrunde, durch die vermut­lich die einzelnen den Park durchziehenden ‚Sinnfäden‘ miteinander verbunden sind. Ihre genauere Kenntnis sollte also ein besseres Verständnis des Parks insgesamt eröffnen – einen mög­ lichen Schlüssel zeichnet der nächste Abschnitt nach.

Pilaster, durch die der Innenraum gegliedert ist. Ägypten scheint hier allerdings tatsäch­lich als kulturelle Frühzeit inszeniert, aus der erst Griechenland und dann Rom entstanden sind. Ausgehend von dem Wissen, dass sich Leopold Friedrich Franz nicht nur mithilfe von Winckelmann, sondern auch mit allen wesent­lichen Werken der kunsthistorischen Antikeforschung zu einem für einen Dilettanten vermut­lich sehr kenntnisreichen Kenner der antiken Kunst ausgebildet hat, und in Hinblick auf die hier vertretene These, dass hier (auch in Anlehnung an ­Augustus) auseinander erwachsende Kulturabschnitte dargestellt werden sollen, kam dem Fürsten mög­licherweise gerade der von Rehberg vorgeschlagene Kauf der römisch-griechischen Musengruppe sehr gelegen. Wie das Monument mit seinem Nebeneinander von natür­licher Urzeit und römischer Antike zeigt, ist es ebenfalls unwahrschein­lich, dass Leopold Friedrich Franz mit dieser „Kulturenfolge“ im Wörlitzer Park und vor allem im Pantheon „eine an Winckelmanns Interpretation angelehnte Vorstellung von der Abfolge der antiken Kunstentwicklung“ geben wollte, wie Kansteiner und Pfeifer interpretieren (Pfeifer/Kansteiner 2007, S. 5; Zitat S. 4, zum Ankauf S. 7). 410 Nach Friesen der Ruine des Minervatempels auf dem römischen Nerva-Forum, die von Santo Bartoli als Kupferstiche überliefert wurden (Rode 1814/18, S. 95).

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Aufgeklärte Apotheose? Anlehnungen an Herders Geschichtsphilosophie

Es ist immer gefähr­lich, den Inhalt und Sinn von Gärten mit Verweis auf einzelne Texte erklären zu wollen, weil es in vielen Fällen zu Blickverengungen führt und weil zu selten reflektiert wird, dass es bei Verarbeitungen von Texten in Gärten immer zu subjektiven und selektiven Aneignungen und Umdeutungen kommt. Es sollte deshalb weder von einer einfachen Illustration noch von einer unmittelbaren Übertragung ausgegangen werden. Dennoch kann gerade die Auseinandersetzung mit literarischen Einflüssen und Zitierungen fruchtbar sein für die Beschäftigung mit dem Sinn von Gärten. Die folgende Diskussion von auffälligen Parallelen zwischen der Inszenierung von Geschichte im Wörlitzer Park und Herders Geschichtsphilosophie bezieht sich allerdings auf Texte, für die sich nicht nachweisen lässt, dass Leopold Friedrich Franz sie gelesen hat. Belegt ist, dass Johann Kaspar Häfeli, der vom Fürstenpaar zum Hofkaplan berufene Schweizer, in Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit sein „Leibbuch“ gesehen und er der Fürstin daraus vorgelesen hat.411 Das gute Verhältnis zwischen dem Dessauer Fürsten und Häfeli lässt vermuten, dass dieser die Ideen ebenfalls gelesen hat, obwohl er von der Person und theolo­gischen Ausrichtung ­Herders wenig hielt.412

411 Vgl. Hosäus 1890, S. 162 und 163. 412 Überliefert ist nur eine für die Beziehung zwischen beiden ungünstige Momentaufnahme aus dem Jahr 1785. Vgl. den Brief Johann Kaspar Häfelis an Johann Georg Müller, Wörlitz, 12. April 1785: „Meines Fürsten Urtheil über Herder beruhet natür­ lich nur auf dem was Er unmittelbar von ihm sah und hörte – hätte er ihn in andern Situationen gesehen, wo Er mehr als ordnungsliebender, treuer, fleissiger Geist­licher agiren kann, hätt er wohl anders von ihm geurtheilt.“ (zit. nach: Hosäus 1890, S. 161). Der Besitzer dieses Briefes, Eduard Haug, schließt in einer Anmerkung aus einem Brief Müllers an Häfeli auf einen Brief Lavaters an Häfeli, in dem er laut der Mitteilung Haugs geschrieben hat, dass Leopold Friedrich Franz „Herders Person und Geist­ lichkeit“ ärgere (ebd.). Ob die von Leopold Friedrich Franz gehörten, als „Fürsten­ spiegel“ gestalteten Predigten Herders zur Geburt des Weimarer Erbprinzen damit zu tun haben, in denen er unter anderem die „Wollust“ mancher Fürsten anprangerte, mit ­diesem negativen Urteil zu tun haben, muss allerdings offen bleiben. Vgl. Sengle 1993, S. 59 f. Der Weimaraufenthalt ihres Mannes während Herders Predigten ist in Fürstin Louises Tagebuch verzeichnet (Louise 2010a, S. 53). Herder äußert sich in seinen Briefen nur einmal zu Leopold Friedrich Franz: „Der Fürst von Deßau ist ein guter Mensch, wie man das Wort gewöhn­lich brauchet.“ Johann Gottfried Herder an Johann Georg Müller. Weimar, 12. Dezember 1784 (Herder 1979, S. 83).

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Böttiger erwähnt, dass er einen Band von Herders Briefen zur Beförderung der Humanität im Gotischen Haus gesehen habe, und auf dem Cippus auf der ‚Toteninsel‘ sind Zitate aus Herders Zerstreuten Blättern angebracht.413 Zudem ist anzunehmen, dass wegen der vielfältigen persön­lichen Beziehungen zu mit Herder bekannten Weimarern im Umfeld von Leopold Friedrich Franz über Herders Philosophie gesprochen wurde und der Fürst das, was er vielleicht nicht gelesen hat, von anderen gehört hat. Obwohl also nicht nachweisbar ist, dass Leopold Friedrich Franz Herders Geschichtsphilosophie durch eigene Lektüre kannte, gibt es genügend Indizien, um sie probeweise als Bezugsrahmen für den Wörlitzer Park anzulegen.414 Leopold Friedrich Franz’ Äußerungen und seine Gestaltung des Wörlitzer Parks zeigen in vier Punkten eine Nähe zu Herders Geschichtsphilosophie, die ein Einflussverhältnis wahrschein­lich machen: erstens in der Auffassung, dass sich alles in der belebten Natur in Analogien betrachten lässt, weil es „allgemeine […] Gesetz­lichkeiten“ – eine „underlying unity“, wie John Zammitto formuliert – gebe.415 Zweitens in der Überzeugung, dass diese „unity“ sich dennoch aus individuellen, „unverwechselbar einzigartigen“ und deshalb schätzenswerten Menschen, Kulturen, Geschichtsmomenten zusammensetze. Drittens in der Idee, dass die Menschheit sich in ihrer Entwicklung in einem natür­lichen und deshalb wertfrei zu betrachtenden Kreislauf befinde, den Herder wie den Lebenslauf eines

413 Vgl. Böttiger 1797, S. 51: „Wir fanden Herders Humanitätsbriefe auf dem Sopha liegen. Und hier war gewiß nichts zur Parade aufgeschlagen!“ Den das Gotische Haus betreffenden Teil seines Reisetagebuches hat Böttiger zwei Jahre nach seiner Reise im Taschenkalender auf das Jahr 1799 für Natur- und Gartenfreunde veröffent­ licht (S. 13 – 22). Die unverändert aus Herders Zerstreuten Blättern (Bd. 1, 1785) übernommenen Inschriften für den Cippus auf der Herderinsel lauten: STERB­ LICHE SIND WIR, UND STERB­L ICH / ALLE UNSERE WÜNSCHE. / LEID UND FREUD, SIE GEHEN, ODER / WIR GEHEN VORBEI sowie: SPIEL IST UNSER LEBEN UND SCHAUSPIEL. / MURRENDER LERNE / SPIELEN, ODER DU TRÄGST SCHMERZEN / UND SCHADEN DAVON (Die Wünsche, S. 36, und Das Spiel, S. 47). 414 Ein Einfluss Herders könnte bezweifelt werden, weil sich weder Herders Porträt noch seine Werke in der Schlossbibliothek finden. Allerdings wurde die Gestaltung der Bibliothek schon Anfang der 1770er-Jahre und damit zu früh ausgeführt, und auch das Verzeichnis der Schlossbibliothek von 1778 (Der Blick ins Innere) scheint zu alt zu sein. Jedoch verzeichnet auch der von Wilhelm Müller 1829 angefertigte Katalog der Herzog­lichen Bibliothek zu Dessau (Dessauer Bibliothek 1829) außer Herders Kritischen Wäldern nur die erst nach der Jahrhundertwende erschienenen Gesammelten Werke. 415 Dieses und das eng­lische Zitat im nächsten Satz aus Zammitto 2009, S. 77.

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einzelnen Menschen beschreibt.416 Viertens verg­lich Leopold Friedrich Franz ebenso wie ­Herder Menschen mit Pflanzen.417 Herders Überzeugung von der Gleichwertigkeit bzw. Unvergleichbarkeit der einzelnen Geschichtsmomente bestätigt dabei die Vermutung, dass keiner der im Wörlitzer Park präsentierten Kulturkreise als höherwertig gezeigt werden soll.418 Zudem findet sich in Herders Ideen eine plausible Erklärung für die im

416 Deutsches Zitat: Gaier 2007, S. 21; vgl. außerdem Jaeger 2011, S. 126. 417 Dabei handelt es sich – wie die häufige Verwendung dieser Metapher durch die Philanthropisten zeigt – allerdings um keine originale Idee Herders, sondern um eine in dieser Zeit weit verbreitete Vorstellung. Es gibt jedoch einen Text von Herder, der einen größeren Einfluss von Herders Auffassung dieser Metapher auf die Gestaltung des Wörlitzer Parks vermuten lässt. Im vierten Band der Briefe zur Beförderung der Humanität von 1797 ist ein Gedicht mit dem Titel Flora enthalten, in dem ähn­liche Ideen formuliert sind, wie sie der sich vom Gotischen Haus eröffnende Sichtenfächer (Venus- und Floratempel, Palmenhaus, vgl. Abb. 46) symbolisiert. So wird im Gedicht pflanz­liche Fruchtbarkeit wie mensch­liche Sexualität beschrieben – „weib­liche Blütenzweige“ neigen sich hier „liebesehnend“ zu „männ­lich befruchtenden Ästen“ und die „feuchte Nymphäa“ öffnet „über den Wellen den Schoß der zeugungfördernden Sonne“. Der Floratempel und die ihn umgebende Szenerie ließ Leopold Friedrich Franz zwischen 1796 und 1798 gestalten; 1797, also während der Entstehungszeit, sah Böttiger einen Band der Briefe im Gotischen Haus. Eine Inspiration durch Herder ist somit durchaus wahrschein­lich. Zielpunkt des Gedichtes ist das Lob einer vernünftigen und nachhaltigen Landwirtschaft (und ihrer Förderung durch den Staat), da ihr ein zentraler Wert für das Glück des Einzelnen und der Gesellschaft zugeschrieben wird: „Glück­lich ist der Hirte, der durch gesicherte Habe, / Der durch leitende Weisheit und Güte des Staates veredelt, / Lernte der Emsigkeit Wert und Zukunftahnende Vorsicht. / Ihn ergreifen mit eisernem Arm des darbenden Jahres / Schrecken nimmer; es spendet ihm nicht, wie dem übrigen Zugvieh, / Schlechte, kärg­liche Kost der unfreigebige Fronherr. / Ihn treibt nicht der Hunger aus Tränenloser Despoten / Ländchen, aus Deutschland hin zu des fernen Astrakans Öden. / Siehe, der reiche Gewinn von tiefergeackerten eignen / Saaten und üppiger Wiesen sich stets erneuernder Kleewuchs / Blieb ihm von besseren Jahren.“ Leopold Friedrich Franz hat sich dafür engagiert, die in Deutschland noch wenig bekannte Kleefütterung durchzusetzen, die im Gedicht angesprochen wird (ob Herder das bewusst war oder er sich hier sogar auf Leopold Friedrich Franz bezogen hat, lässt sich allerdings nicht klären). Der Dessauer Fürst konnte sich dennoch von Herders Gedicht bestätigt fühlen (Herder 1794, Zitate S. 232 und 230). Zur Entstehungszeit der Floratempel-Szenerie vgl. Kleinschmidt/Bufe 1997, S. 220; zur Förderung des Kleeanbaus vgl. Hirsch 1990 S. 34 f. 418 Vgl. Löchte 2005, S. 13.

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Wörlitzer Park mehrmals zu findenden Schichtungen verschiedener Zeitstile: Entgegen der herrschenden teleolo­gischen Geschichtsvorstellung der Aufklärung beschreibt Herder in den Ideen Geschichte nicht als eine aufsteigende Folge von Stufen zur Glückseligkeit. Statt von einer linearen geht er in seinem Modell von einer zirkulären Entwicklung aus; wie das einzelne Leben des Menschen oder einer Pflanze sei auch die Menschheitsgeschichte aufzufassen. In der patriarcha­lischen Urgesellschaft des Nahen Ostens sieht er so die Menschheit in ihrer Wiege, in Ägypten den Schuljungen, in Griechenland den Jugend­lichen und in Rom das Mannesalter. Zur Beschreibung der Neuzeit wechselt er das Bild und spricht vom Baum, deren höchster Gipfel die Gegenwart sei.419 Damit endet seiner Auffassung nach ein Leben und ein neues entstehe aus seinem Samen. Dieses sei nun tatsäch­lich einen Schritt weiter auf dem Weg zur vollkommenen Humanität, so wie sich zuvor der Mensch aus dem Tier entwickelt habe. Einen weiteren Sprung dieser Art erwartet Herder – hier nun doch den Optimismus der Aufklärung teilend – in naher Zukunft, weil er das in der Antike begonnene ‚Leben‘ an einem Ende seiner Entwicklungsmög­lichkeiten angekommen sieht:420 Alles ist in der Natur verbunden: ein Zustand strebt zum andern und bereitet ihn vor. Wenn also der Mensch die Kette der Erdorganisation als ihr höchstes und letztes Glied schloß: so fängt er auch eben dadurch die Kette einer höhern Gattung von Geschöpfen als ihr niedrigstes Glied an; und so ist er wahrschein­lich der Mittelring zwischen zwei ineinander greifenden Systemen der Schöpfung. Auf der Erde kann er in keine Organi­ sation mehr übergehen oder er müßte rückwärts und sich im Kreise umhertaumeln; stillstehen kann er nicht, da keine lebendige Kraft im Reich der wirksamsten Güte ruhet; also muß ihm eine Stufe bevorstehn, die so dicht an ihm und doch über ihm so erhaben ist, als er, mit dem edelsten Vorzuge geschmückt, ans Thier gränzet. Diese Aussicht, die auf allen Gesetzen der Natur ruhet, gibt uns allein den Schlüssel seiner wunderbaren Erscheinung, mithin die einzige Philosophie der Menschengeschichte.

Die Menschheit der Gegenwart sei ein „Mittelglied zweener Welten“, der tierischen und der gött­lich-humanen.421 Aus dieser Zwischenposition kann Herder dann (plausibler als die Philanthropisten) erklären, warum der Mensch

419 Herder 1774a, S. 59 ff. 420 Herder 1784/86, S. 335 f. 421 Ebd., S. 336.

Einzelne Sinnebenen im Wörlitzer Park

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nicht vollkommen ist, warum er immer wieder Fehler und Verbrechen begeht und warum er schäd­lichen Leidenschaften erliegt: Das Streben nach Humanität werde immer wieder durch die tierischen Triebe „wie die Schiffahrt des Lebens von widrigen Winden gestört“; der „Vater der Welt“ habe beide Anlagen gemischt, „um Eine durch die andre zu zähmen und die Sprosse der Unsterb­lichkeit mehr durch rauhe Winde als durch schmeichelnde Weste in uns zu erziehen“.422 Damit bietet Herder dem Dessauer Fürsten zum einen ein weiteres Erklärungsmuster für seine ‚böse Lust‘. Zum anderen hat sich Leopold Friedrich Franz Herders Ideen mutmaß­lich angeeignet, um die traditionelle Idee der herrscher­lichen Apotheose philosophisch zu begründen: Indem er das aska­ nische Fürstenhaus mit der Wetterfahne auf dem Monument symbo­lisch über die Antike stellt, antizipiert er im Sinne Herders dessen (bzw. seinen eigenen) Sprung zur Humanität.423 Andere Gedanken Herders ignorierte Leopold Friedrich Franz allerdings – die näm­lich, die seinem herrschaft­lichen Weltbild und seinen Interessen als ‚Landesvater‘ entgegenstanden. So hatte beispielsweise Herders Kritik an Lessings Todesvorstellung keine sichtbaren Folgen, obwohl angenommen werden kann, dass Leopold Friedrich Franz auch diesen Band der Zerstreuten Blätter gelesen hat.424 An dem im Jahr nach dem Erscheinen von Herders Aufsatz errichteten Portal des Neuen Begräbnisplatzes in Dessau ließ er dennoch die Figuren von Schlaf und Tod anbringen, wohl weil sich von Lessings Idee eines fried­lichen und schönen Todes die Beruhigung seiner Untertanen erhoffen ließ – trotz ihrer fehlenden historischen Plausibilität. Problematisch muss für Leopold Friedrich Franz gewesen sein, dass Herder offen eine fürstenkritische Haltung vertrat und zeitweise sogar die Franzö­sische Revolution befürwortete.425 So ist schon in den Ideen von Herders Überzeugung

422 Ebd., S. 339. 423 Dass sich diese Sicht in keinem der Rezeptionszeugnisse findet, verwundert nicht. Es ist davon auszugehen, dass auch hier von den Besuchern versucht wurde, kulturelle Deutungshoheit zu gewinnen, wie Stobbe es an Kassel-Wilhelmshöhe beobachtet, indem sie entweder die politischen Implikationen völlig unterschlagen oder sie auf das Leitbild des ‚guten Landesvaters‘ projizieren. Vgl. Stobbe 2009, S. 121 und 214 ff. 424 Herder 1774b (zuerst erschienen 1786 im zweiten Band von Herders Zerstreuten ­Blättern). Vgl. Morton 2004, S. 150 ff. 425 Es ist davon auszugehen, dass Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach seinem Dessauer Freund seinen Ärger über Herders positive Haltung zur Franzö­sischen Revolution mitgeteilt hat.

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zu lesen, dass die Natur „ihre edelsten Gaben nicht familienweise aus[theilt]“ und deshalb das „Recht des Bluts, nach w ­ elchem ein Ungeborener über den andern Ungeborenen, wenn beide einst geboren sein werden, durchs Recht der Geburt zu herrschen das Recht habe, […] eine der dunkelsten Formen der mensch­lichen Sprache“ sei.426 Wie in den vorigen Abschnitten gezeigt, inszenierte Leopold Friedrich Franz jedoch im Wörlitzer Park nicht nur seinen eigenen durch seine Tugenden begründeten Herrschaftsanspruch, sondern auch den nur durch Verwandtschaft legitimierten seiner Familie. Sein starkes Engagement für eine lobenswerte Regierung und seine Selbstdarstellung nicht nur als geborener, sondern dezidiert auch als gebildeter Herrscher lässt zwar vermuten, dass ihm die zunehmende Unhaltbarkeit einer vorrangig durch Geburt legitimierten Herrschaft in einer kritisch denkenden bürger­lichen Gesellschaft bewusst war.427 Indem er sich jedoch – ebenso wie andere Fürsten, aber erfolgreicher als die meisten – ein bürger­liches Leistungsethos zu eigen machte und die Forderungen nach Beglückung der Untertanen erfüllte, gelang es ihm, den von Herder benannten Widerspruch zwischen einer auf Emanzipation drängenden bürger­lichen Gesellschaft und den auf ihrem Geburts- und Naturrecht auf absolutistische Herrschaft beharrenden Fürsten zu verschleiern. Dieses Konzept war offensicht­lich von großer Plausibilität und Suggesti­ vität, da selbst Herder es akzeptierte, wie sein 1797 im zehnten Band der Briefe zur Beförderung der Humanität veröffent­lichtes Gedicht Der Fürst zeigt. Darin formulierte er (wahrschein­lich mit Blick auf Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, vgl. Kap. 3.1) den weitaus bescheideneren Wunsch, dass Fürsten wenigstens mensch­liche und aus warmem Herzen für ihre ‚Kinder‘ sorgende ‚Väter‘ sein müssten – und bestätigte damit, bewusst oder unbewusst, auch Leopold Friedrich Franz in seinem ‚landesväter­lichen‘ Herrschaftskonzept:428

426 Herder 1784/1786, S. 304. 427 Ebd., S. 305 f.: „Und so hängt das Recht der erb­lichen Regierung, sowie beinahe jedes andern erb­lichen Besitzes, an einer Kette von Tradition, deren ersten Grenzpfahl das Glück oder die Macht einschlug, und die sich hier und da mit Güte und Weisheit, meistens aber wieder nur durch Glück und Übermacht fortzog. […] So war’s mit denen, die die Nationen cultivierten: solange sie sie cultivirten, waren sie Väter, Erzieher des Volks, Handhaber der Gesetze zum gemeinen Besten; sobald sie eigenmächtige oder gar erb­liche Regenten wurden, waren sie die Mächtigern, denen der Schwächere diente.“ 428 Herder 1797.

Rezeptionslinien

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[…] Lob dem Erbarmenden, der ihn zum Pfleger Der Menschheit setzte! Heil der Stunde, da Sein großes Herz zum erstenmale schlug! Edler! siebenmal edler als Tages Licht, Was soll Dir Glanz des Goldes? Was soll Dir Schimmer des Lobes? Größe, die Du willst, ist Glückseligkeit der Völker. Name, den Du suchst, ist der Name, Vater. Führ’ ihn! denn Dein heilig Herz Ist Wohnung väter­licher Huld; Und jedes Blut der Deinen ist das Deine, Und jedes Leben Deiner Kinder Deins. […] Weisheit und Menschenliebe treten, Du winkest sie herbei, vor Deinen Stuhl – Du hörest ihre Rede, die Dir sagt: „Du bist ein Mensch! Auch Du, o Fürst, bist Staub! Sei Deines Thrones wert, sei groß und gut. Sei gut: dann bist Du groß.“

2.4 Rezeptionslinien Die Konjunkturen der öffentlichen Meinung zum Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘

Herders Gedicht macht deut­lich, warum dem Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ und seinem Fürsten gerade in den 1790er-Jahren so große Begeisterung entgegengebracht wurde: Wenn selbst der kritische Herder angesichts des immer erschreckenderen Verlaufs der Franzö­sischen Revolution wieder zum Glauben an die guten Fürsten zurückkehrte, verwundert es nicht, dass so viele andere es ebenfalls taten, auch wenn sie keine überzeugten Monarchisten waren. Bemerkenswert ist dennoch, dass sich keines der überlieferten Zeugnisse über den Wörlitzer Park auf dessen ikonografisch verschlüsselten Gehalt bezieht. Der Park wird entweder gelobt, weil er als großzügige Gabe des Fürsten an die Menschheit verstanden wird, die darin empfindsam die Natur, sich selbst und freundschaft­liche Geselligkeit genießen kann, oder weil der Fürst sich selbst mit dem Park einen Ort zur Naturbegegnung geschaffen hat, aus der er die nötigen Ressourcen bezieht, um ein guter Fürst zu sein.

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Der Wörlitzer Park ist durchaus aus der Perspektive der von Hirschfeld postulierten Wirkungsästhetik wahrnehmbar, nicht nur, weil jeder Park Gefühle auslöst. Szenen wie die Insel Stein mit ihrem Vulkan und den dunklen Felsengängen oder die ‚Mystische Partie‘ mit ihrer düsteren ‚Betkammer des Eremiten‘ und ihrer Kettenbrücke zielen offenkundig auf die Auslösung von Empfindungen ab (vgl. Abb. 7 und 44).429 Es dürfte Leopold Friedrich Franz bewusst gewesen sein, dass in den 1780er- und 1790er-Jahren kein Park berühmt w ­ erden konnte, der nicht gemäß der zeitgenös­sischen Gartentheorie stark auf die Empfin­dungen wirkte. Deshalb lässt sich annehmen, dass er mit seiner Gestaltung des Parks auch gezielt Angebote für eine empfindsame, nicht intellektuelle Wahrnehmung geschaffen hat.430 Es ist allerdings zu vermuten, dass dem Übersehen der ikonografisch verschlüsselten Botschaften auch ein politisches Motiv zugrunde lag, da es angesichts des Bildungshorizontes vieler Besucher unwahrschein­lich ist, dass sie die Ikonografie des Parks nicht verstanden haben.431 Indem sie jedoch die eigent­lich erkennbare Sinnebene der traditionellen fürst­lichen Repräsentation in ihren Texten über den Park ignoriert bzw. umgedeutet haben, brachten sie sie (teilweise bis heute) erfolgreich zum Schweigen.432 Da Leopold Friedrich Franz dennoch als guter Fürst gelobt wird, diente das seinen Herrschaftsinte­ ressen; die Deutungshoheit über die Welt, um die er sich im ‚Text‘ seines Parks bemühte, verlor er indes damit. Dass es sich bei Produktion und Rezeption des Wörlitzer Parks um Versuche handelt, eine bestimmte Weltsicht durchzusetzen, zeigen unter anderem die unterschied­lichen Vorstellungen von der Antike, von denen einerseits 429 Dazu kommt, dass Hirschfelds Theorie an vielen Stellen unkonkret ist und auf den ‚Genius des Ortes‘ verweist und dass die einzelnen Gartenbeschreibungen in den Anhängen der einzelnen Bände seiner Theorie der Gartenkunst keine besondere Prinzi­ pienfestigkeit in Bezug auf Gestaltungsvorgaben erkennen lassen. 430 Ebenso lässt sich auch die im 20. Jahrhundert verbreitete Auffassung, der Fürst habe wissenschaft­liche Interessen zum Ausdruck gebracht, als ermuntert verstehen, da alle im Wörlitzer Park aufgestellten Statuen – anders als es bis dahin üb­lich gewesen war – Kopien antiker Vorbilder waren. 431 Das Beispiel Böttiger lässt vermuten, dass man diesen Bezugsrahmen einfach nicht sehen wollte. Der Antikekenner Böttiger erkannte ja durchaus die Bedeutung von Floratempel und Phallusbeet und sieht diese also nicht nur ästhetisch. Dennoch bezieht er diese Szene letzt­lich nur auf die Persön­lichkeit des Menschen Leopold Friedrich Franz. 432 Den gleichen Schluss zieht Stobbe aus ihrer Untersuchung der Rezeptionszeugnisse zum Kassel-Wilhelmshöher Park. Vgl. Stobbe 2009, Kap. 5.2 und 8.1.

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Leopold Friedrich Franz und andererseits viele seiner Besucher ausgingen. Die Verdrängung der Ikonografie als gültige Bildauffassung stand in einem direkten Zusammenhang mit einer immer fundierteren Kenntnis der Antike selbst.433 Der wissenschaft­liche Blick auf die Antike unterschied sich jedoch grundlegend vom ikonografischen. Während die ikonografische Sicht auf die Antike nach Synthese, also nach einem übergreifenden, einheit­lichen Sinn suchte, zielt die im 18. Jahrhundert entstehende wissenschaft­liche Antikebetrachtung auf Analyse und Systematisierung ab. Indem Vertreter einer wissenschaft­lichen Antikeauffassung die Ikonografie (wie Herder mit Blick auf Schlaf und Tod) als unwissenschaft­lich bzw. unwahrhaftig kritisierten, nahmen sie den Fürsten nicht nur ihre traditionelle Kommunikationsform, sondern unterminierten auch das traditionelle, auf Einheit und kosmische Ordnung bauende Weltbild, in dem ihre Herrschaft verankert und legitimiert war. Für den Wörlitzer Park und seinen Schöpfer hatte das zur Folge, dass die zunächst so überschwäng­liche Begeisterung innerhalb weniger Jahrzehnte in Desinteresse oder gar verächt­ liche Ablehnung umgeschlagen ist. Um 1800 war der Wörlitzer Park so berühmt geworden, dass er als Musterbeispiel für einen schönen Garten schlechthin galt. So charakterisiert beispielsweise Ernst Moritz Arndt Söderforss als „Schwedens Wörlitz“, und auch Gustav von Schlippenbach kann die Wirkung des Pawlowsker Parks bei St. Petersburg nur mit einem Verweis auf Wörlitz beschreiben.434 In nur wenigen Jahren änderte sich die Wahrnehmung dieses einst so geliebten und bewunderten Parks jedoch grundlegend. Sind aus den ersten vier Jahrzehnten seit Beginn seiner Gestaltung mehr als 60 Texte und zahlreiche kürzere Erwähnungen überliefert (die den Wörlitzer Park fast ausschließ­lich preisen), sind aus den Jahrzehnten nach etwa 433 Büttner/Gottdang 2006 (S. 204) schreiben davon, dass mit Winckelmanns Neubegründung einer wissenschaft­lich fundierten Kunstgeschichte und der Entstehung einer kritischen Philologie „die Bahn freigemacht [wurde] für ein historisches und religionswissenschaft­lich begründetes Verständnis der Mythen, mit dem die tradierte Auffassung von der Mythologie als ein überzeit­lich gültiges, festes Begriffssystem überwunden wurde“ (vgl. insgesamt S. 203 ff.). So kritisiert beispielsweise Schelling 1796 die lo­gischen bzw. historischen ‚Fehler‘ des Parks, jede andere als eine wissenschaft­liche Wahrnehmung der Antike verurteilend: „In Wörlitz selbst ist alles romantisch und antik. Man könnte bisweilen ins Alterthum sich versetzt glauben, wenn nicht Spuren des neuen Zeitalters alle Augenblicke den Eindruck störten. […] Der unterirdische Gang führt in die elysäischen Felder. Auch dieß ist widernatür­lich. Man sollte doch vorher noch auf einem Fluß übersetzen. – Auch sah ich im Gehölz nirgends Aeneas goldnen Ast und die docta Sibylla fehlte uns vollends ganz.“ (Schelling 1796, Sp. 497). 434 Arndt 1816, S. 179 f.

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1815 gerade fünf bekannt, und diese werten überwiegend negativ. Die Menge der Äußerungen zum ‚Gartenreich‘ nahm dabei schon ab 1800 deut­lich ab.435 Eine der letzten positiven Veröffent­lichungen über den Wörlitzer Park erschien 1814, mitten in den Befreiungskriegen, in den Wochen der letzten Siege der napoleonischen Armee, und kam aus dem Umfeld des Fürsten. Ihr Autor, Friedrich Matthisson, lebte seit 1794 in Wörlitz, wo er Fürstin Louise von Anhalt-Dessau als Vorleser und Gesprächspartner diente. Auch mit Leopold Friedrich Franz hatte er Kontakt, und mög­licherweise sind die Wörlitzer Blätter auch ein Freundschaftsdienst für ihn, wobei nicht alles in ihnen im Sinne des Fürsten gewesen sein dürfte. Matthissons kleine Skizzen, die Wörlitzer Szenen aus den Jahren 1805 und 1806 schildern, vermitteln dabei nicht nur einen guten Eindruck von der Erscheinung des Parks um 1800, sondern lassen auch vermuten, warum der Wörlitzer Park plötz­lich an Beliebtheit verlor.436 Matthisson berichtet darin von neuen Bauten und Gartengestaltungen des Fürsten, von den Wörlitz­besuchen Seumes sowie des preußischen Königspaares und schildert Leopold Friedrich Franz’ Verhalten während der Besetzung Anhalt-Dessaus durch die franzö­sische Armee und bei der Begegnung mit Napoleon. In einem seiner Berichte beschreibt er einen Abend im Wörlitzer Park:437 Einer der schönsten Sommerabende, die vom nörd­lichen Himmel herabsinken können, übergoß die Wipfel des Parks mit grün­lich-goldnem Lichte. Kein Lüftchen regte die ­Flügel. Selber das Laub der Zitterpappeln und Espen schien zu schlummern. […] G ­ ruppen fröh­licher Lustwandler erschienen und verschwanden wechselnd in den Durchsichten und auf den Brücken. Gondeln, unter Flötenton und Gesang fortgleitend, beseelten das stille Flutengemählde. […] Versenkt in ahnungsvolle Phantasieen durchkreuzt’ ich Neumarks Garten. Bilder aus Alpenthälern und Hesperidenhainen wurden in meiner Seele lebendig. Aber die Gegenwart lächelte mehr wie jemals hold und beglückend, und konnte so den Wettstreit mit jeder Vergangenheit, an der Tiber und Seine, wie am Rhein und den Belten, wohlgemuth wagen. Nun betrat ich die lieb­liche, wie aus Feentraum in Wirk­lichkeit herübergezauberte, Roseninsel, ­welche Wieland nach Jonien in die Gärten der schönen Danae hätte versetzen dürfen, ohne der poetischen Wahrheit von ihren unveräußer­lichen Gerechtsamen auch nur das Mindeste zu vergeben. Hier hätten Agathon und Psyche 435 Zur Entwicklung der öffent­lichen Meinung zum ‚Gartenreich‘ vgl. meinen Aufsatz Mittelstädt 2013b. 436 Matthisson 1814. 437 Ebd. Nr. 56 vom 7. März 1814, S. 223.

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zusammentreffen müssen, und sie würden an die delphischen Lorbeerhaine nicht weiter mit Heimweh zurückgedacht haben. Der Himmel dämmerte tiefer. Die Spaziergänger verloren sich. Des großen Gasthofs hellbeleuchtete Fenster deuteten auf die Wiederkehr der fremden Bewohner. Mich aber zog es unwidersteh­lich nach dem Gotischen Hause, um aus tiefster Fülle des Gemüths dem Schöpfer der Anlagen, die mir so eben wahrhaft überirdischen Genuß gewährten, eine gute Nacht zu wünschen. Der Kammerdiener sagte, sein Herr sey noch spät ausgeritten, und habe nicht hinterlassen, wann er nach Hause kommen werde. Ich beschloß aber des Fürsten Ankunft abzuwarten, weil man um ihn Besorgniß zu hegen anfing. Nach zehn Uhr end­lich hörten wir den wohlbekannten Galopp seines Rosses über die Wolfsbrücke sprengen. Heitrer, als wir seit langer Zeit ihn gesehen hatten, trat er in das Zimmer und sagte: „Der schöne Abend riß mich fort und erhob meinen Sinn zu Gott. Mir war, als führe mein Weg mich durch den Himmel, und jede meiner Empfindungen wurde ganz Gebet. Eine ganz eigene Sehnsucht nach dem Grabe meiner Schwester Agnes trieb mich bis Ryßik. Ich ließ die ­Kirche aufschließen, und blieb ziem­lich lange darin. Das hat mich so verspätet.“

Matthisson schildert den Wörlitzer Park hier als einen märchenhaften Ort, an dem sich in literarische Welten träumen lässt, als einen Locus amoenus, an dem sich die politischen und kriegerischen Wirren, in die Europa verstrickt war, vergessen ließen; der Park biete einen „überirdischen Genuß“. Mög­ licherweise hat Matthisson – oder auch Leopold Friedrich Franz selbst – damit versucht, auf den zunehmenden Bedeutungsverlust der empfindsam-aufgeklärten Gartenvorstellung zu reagieren. Vielleicht kam diese Interpretation jedoch zur falschen Zeit. Ihr Erfolg stellte sich erst im 20. Jahrhundert ein, als die Vorstellung vom Wörlitzer Park als Traum- und Märchenort zur Konven­ tion und zur Grundlage der Vermarktungsstrategie der den Park betreuenden Stiftungen wurde. So wurde etwa irgendwann im 20. Jahrhundert an der Innenwand des Nymphäums ein sehr ähn­lich wertendes Zitat angebracht, das zudem den Park eng mit dem in seiner Bedeutung unangezweifeltsten aller deutschen Dichter verband, näm­lich Goethe, der in einem Brief an Charlotte von Stein 1778 die nun in Wörlitz zitierten Zeilen schrieb:438

438 Goethe an Charlotte von Stein. Wörlitz, 14. Mai 1778 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 20). Vgl. dazu Kap. 3.2.

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Hier ists iezt unend­lich schön. Mich hats gestern Abend wie wir durch die Seen Canäle und Wäldgen sch­lichen sehr gerührt wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben einen Traum um sich herum zu schaffen.

Dass diese Zeilen bis heute die Sicht auf den Park lenken, zeigt unter anderem die mit Unend­lich schön betitelte repräsentative Publikation der den Wörlitzer Park betreuenden Kulturstiftung DessauWörlitz.439 Als Traumort hat auch Heinz Biehn das Gotische Haus im Wörlitzer Park zu den romantischen Residenzen gezählt; in ihm habe sich Leopold Friedrich Franz der „Mittelalterschwärmerei“ ergeben, es sei „Kulisse für den Schauspieler“ und Ausdruck „romantisch gefärbter Lebenshaltung“.440 Es lässt sich vermuten, dass die Vorstellung von einer solch träumerischen Idylle und einem schwärmerischen und frömmelnden Fürsten, der mit ­Napoleon verhandelt, vielen Zeitgenossen vor dem Hintergrund der Befreiungskriege als aus der Zeit gefallen erschien. Bisher wurde das Vergessen des ‚Gartenreiches‘ im 19. Jahrhundert im Anschluss an Erhard Hirsch meist damit erklärt, dass das aufgeklärte Anhalt-Dessau ein „von Preußenlegende und Weimars litera­rischem Ruhm überstrahltes und zeitweise ganz vergessenes geistesgeschicht­liches Phänomen“ sei und dass es vor allem von der preußischen Geschichtsschreibung „verdunkelt“ und verdrängt worden sei für den „Ruhm ‚Friedrichs des Großen‘, ‚des Einzigen‘“.441 Dafür spricht etwa die Wiederentdeckung von Leopold I., dem kriegerischen Großvater von Leopold Friedrich Franz, der als preußischer General mitverantwort­lich war für den Aufstieg Preußens zur europäischen Macht.442 Während Leopold Friedrich Franz im 19. Jahrhundert belächelt wurde, behielt 439 440 441 442

Kulturstiftung (Hg.) 2006. Biehn 1970, S. 34 (erstes Zitat) und 38. Hirsch 2003, S. 1. Vgl. zur Präsenz von Leopold I. im Bewusstsein des 19. Jahrhunderts die im 19. Jahrhundert in sechs Auflagen erschienene Biografie von Karl August Varnhagen von Ense (Varnhagen von Ense 1825). Im Wilhelminischen Kaiserreich wurde er schließ­lich zu einer Vorbildfigur stilisiert, deren Heldentaten und Mut in zahlreichen Publikationen verbreitet wurde, etwa O. Lettau: Fürst Leopold von Anhalt-Dessau. Mohrungen, Königsberg: C. L. Rautenberg & Sohn 1859 (Preußische Volksbücher, 8); Adolf von Crousaz: Abbildung und Charakteristik Leopold’s I. Fürsten von Anhalt-Dessau. ­Berlin: Schneider 1874; Ferdinand Pflug: Leopold von Anhalt-Dessau: Ein Lebensbild. Glogau: Carl Flemming 1887; Friedrich Freiherr von Schrötter: Fürst Leopold von Anhalt-Dessau. Berlin: R. Eisenschmidt 1895; Hans Kania: Das Verhalten des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau vor der Schlacht von Kesselsdorf. Potsdam: Krämer 1901; Hermann Wäschke: Des alten Dessauers Jugendzeit. Ballenstedt a. H.:

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jener das ganze Jahrhundert über eine herausragende Stellung in der öffent­ lichen Wahrnehmung. Dieser Blick auf Preußen erklärt indes die Abwendung vom ‚Gartenreich‘ nur teilweise. Die Marginalisierung der Bedeutung Anhalt-Dessaus ist nicht erst das Resultat der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vorgenommenen Deutungen und Kanonisierungen von Geschichte. Die öffent­liche Meinung hat sich schon seit 1800 allmäh­lich von Leopold Friedrich Franz und ­seinem ‚Gartenreich‘ distanziert und dann in den 1810er-Jahren fast völlig von ihnen abgewendet. Um die Veränderungen der Bewertung des Parks näher zu verstehen, hilft vielleicht die Frage, was genau später abgelehnt wurde. Vor dem Tod des Fürsten 1817 ist das schwer zu erheben, da sich die Besucher zu dieser Zeit nicht negativ äußerten – sondern einfach gar nicht mehr. Eines der ersten ausführ­licheren Zeugnisse zu Anhalt-Dessau und zum Wörlitzer Park erschien erst wieder 1834 in Heinrich Laubes Reisenovellen. In ihnen schreibt Laube, der Lobredner des Muskauer Parks (vgl. Kap. 4.2), dass der Wörlitzer Park wie Anhalt insgesamt völlig bedeutungs- und interesselos seien:443 Der ganze Ausdruck des Landes und der Bewohner ist so mittelmäßig ausdruckslos, daß er auch nicht den kleinsten Gedanken erzeugt. Die Leute dort sind nicht dumm, sie sind nicht faul, nicht schlimm, aber sie sind mittelmäßig […] ein reizloses Verdauungsland. […] Dessau ist der hübscheste Kirchhof in Teutschland, und wenn es nicht noch muntre Judenmädchen dort gäbe, so hörte man den ganzen Tag über nicht ein Wort. Es hat sehr anmuthige Familienbegräbnisse: den Park beim Schlosse, das Luisium und Georgium, und wenn man einen ganz aparten Gottesacker sehen will, so geht man einen schattigen Weg einige Stunden bis nach Wörlitz. […] Und jenes gesegnete bib­lische Land der Philister ist in Teutschland Anhalt. […] „Leben und leben lassen“. Diese humane Indifferenz ist ganz Dessauisch… Es hat nur zwei geniale Männer hier gegeben: der eine war der Schuhsterssohn Wilhelm Müller, und der hatte auswärts singen gelernt, und starb bald in seinen besten Jahren an [!] Dessau, als er zurückkam. Der zweite war aber der alte Dessauer mit dem Zopfe und den Kamaschen, und seine Genialität bestand darin, daß er alle Lieder, auch die ­­Kirchenlieder, nach der Melodie des Dessauer Marsches sang.

Baumann 1906; Karl Linnebach: König Friedrich Wilhelm I. und Fürst Leopold I. zu Anhalt-Dessau. Berlin: Behr 1907 (Erzieher des Preußischen Heeres, 2). 443 Laube 1834a, S. 56 f., 58 und 61 und 63.

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Die ‚Leblosigkeit‘ Dessaus war, wie gezeigt, schon im 18. Jahrhundert kritisiert worden, da aber meist noch (außer wohl bei Knebel) ohne politische Kritik am Fürsten. Laubes Ablehnung hat dagegen ganz offensicht­lich politische bzw. weltanschau­liche Gründe. Leopold Friedrich Franz erwähnt er überhaupt nicht, nur seinen im 19. Jahrhundert weit mehr verehrten kriegerischen Großvater Leopold, den er jedoch als eine harmlose Witzfigur beschreibt. In keinem der beiden Anhalt-Dessauer Fürsten sieht Laube ein Modell für eine gute Fürsten­ herrschaft – weil das Konzept der Fürstenherrschaft für ihn nicht mehr alter­ nativlos ist. Bei seiner sehr kurzen Beschreibung des Wörlitzer Parks geht er mit keinem Wort auf ästhetische Fragen ein; er ist für ihn nur ein weiteres Beispiel für den ‚philisterhaften‘ Geist des Landes.444 Ein kurz nach Laubes Novelle veröffent­lichter Reisebericht in der Allgemeinen Gartenzeitung lässt vermuten, dass offenbar in vielen Zeugnissen zum Wörlitzer Park seine Bewertung weniger vom ästhetischem Empfinden als der weltanschau­lichen Einstellung des jeweiligen Betrachters geleitet wird. Sein Autor, der bedeutende Botaniker und Direktor des Breslauer Botanischen Gartens Dr. Conrad Schauer, betrachtet den Wörlitzer Park aus der Perspektive der in den 1830er-Jahren gültigen Gartenästhetik. Auf ihrer Grundlage fällt er ein ganz anderes Urteil als Laube. Der Wörlitzer Park sei „ohne Zweifel eine der großartigsten Schöpfungen im Gebiete der Landschaftsgärtnerei in Deutschland“; er habe „viele Vorzüge“, „die anderen der berühmtesten deutschen Anlagen abgehen“:445 Die ganze Behandlung der Anlage ist großartig; die meisten der vielen Gebäude, ­ elche im Garten zerstreut liegen, haben einen wirk­lichen Zweck. Die eigent­liche w Herr­lichkeit des Gartens aber sind, neben dem Wasser, die Waldparthien. ­Welche grandiose Natür­lichkeit in den kolossalen Massen und ­welche Pracht, wenn man die einzelnen Stämme betrachtet!

Nur in wenigen historischen Rezeptionszeugnissen wird der Wörlitzer Park wie hier vorrangig aus formaler Perspektive bewertet; sehr oft beziehen sich die Verfasser dagegen auf die Ideen, die sie mit dem Landschaftsgarten allgemein oder mit dem Wörlitzer Park konkret verbanden – und die sie meist aus der ‚Gartenliteratur‘ übernommen hatten. Viele Verfasser von ‚Gartenliteratur‘ waren weder mit der Geschichte noch mit der P ­ raxis der Gartenkunst vertraut;

444 Vgl. ebd., S. 57. 445 Schauer 1837, S. 44.

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für sie waren Landschaftsgärten eine Projektionsfläche für ihre Wünsche nach einer besseren, freieren Gesellschaft und einer Entfaltung als Individuum. Dass der Wörlitzer Park nach 1800 zunehmend an Attraktivität verlor, ist deshalb weniger auf einen Geschmacks- als auf einen Mentalitätswandel zurückzuführen. Wie auch die Untersuchung der Parks von Weimar und Muskau nahelegt, haben der Ruhm oder die Ablehnung von Landschaftsgärten in der gesamten Zeitspanne, in der der Landschaftsgarten in Deutschland die leitende Gattung der Gartenkunst war, nur an zweiter Stelle etwas mit ihrem Aussehen zu tun. Es muss deshalb immer geprüft werden, in w ­ elchem Deutungsrahmen die Bewertung eines Gartens steht. Nur aus dieser Perspektive wird auch die Entwicklungslinie der Rezeptionsgeschichte des Wörlitzer Parks verständ­lich. Zwar findet sich schon seit den 1790er-Jahren vermehrt Kritik an den vielen Staffagen des Parks, aber das erklärt nicht, dass er ab 1810 kaum noch Erwähnung findet. Obwohl der Weimarer Ilmpark ebenfalls eine Reihe von Staffagen enthält, wurde er dafür nicht kritisiert – weil er mit der Weimarer Klassik assoziiert und deshalb als wertvoll wahrgenommen wurde, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird. Das Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ wurde dagegen als Symbol für Konzepte verstanden, die um 1800 ener­gische Ablehnung erfahren haben. Die öffent­liche Meinung hat sich nicht vom Wörlitzer Park abgewendet, weil er niemandem mehr gefallen hat, sondern weil er in engem Zusammenhang mit dem Philanthropismus und mit dem Konzept ‚landesväter­licher‘ absolutistischer Herrschaft stand – und beides um 1800 von einflussreichen Denkern radikal kritisiert wurde. Hintergründe für die zunehmende Ablehnung des ‚Gartenreiches‘ nach 1800

Ablehnung des Philanthropismus durch den Neuhumanismus 1808 erschien mit Friedrich Immanuel Niethammers Der Streit des Philanthropismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit ein erziehungstheoretisches Traktat, das den Philanthropismus in polemischer Weise als für eine zeitgemäße Erziehung völlig ungeeignetes Mittel beschreibt.446 Niethammer war mit Goethe, Schiller, Hölderlin, Fichte und Hegel bekannt und wurde später zum bayerischen Zentralschulrat der protes­ tantischen Kommission.447

446 Niethammer 1808, S. 14 f. Obwohl sich keine rasche Umwälzung der Gesellschaft mehr von ihm erwarten ließ, konnten sich philanthropistische Erziehungsansätze bis ca. 1800 als Option im Schulerziehungswesen etablieren. Vgl. Lempa 1993, S. 5. 447 Vgl. Lempa 1993, S. 6.

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Seine ‚neuhumanistische‘ Erziehungstheorie ist ein von Klassik und idealis­tischer Philosophie geprägter, im 19. Jahrhundert enorm einflussreicher Gegenentwurf zum Philanthropismus. Dieser diene der „Bildung des Menschen für seine künftige Bestimmung in der Welt“, so Niethammer; dafür statte er ihn „mit der mög­lich größten Masse brauchbarer Kenntnisse“ aus. Er bilde den Geist „zu bestimmten Aufgaben in der Gesellschaft“ und sei also eine „Bildung für diese Welt“.448 Diese Bildungsauffassung lehnt Niethammer ab und schlägt stattdessen sein Konzept einer ‚humanistischen‘ Erziehung vor. Dieses hat die „Allgemeine Bildung des Menschen zum Ziel“ und stellt deshalb die „Übung des Geistes“ in den Mittelpunkt. Diese wird als „Selbstzweck“ verstanden, denn sie ist „Bildung für die andere Welt, für die Welt der wahren Ideen“.449 Diesem Gedanken liegt eine – wenn auch nicht explizit formulierte – ­Kritik am „obrigkeit­liche[n] Bildungsinteresse“ zugrunde, wie es zweifellos der ­Dessauer Fürst mit seinem nutzorientierten Gesellschaftskonzept vertreten hat.450 Er und die Philanthropisten beschworen zwar immer wieder die Rechte des Individuums und das Recht der Natur im Menschen; ihr Ideal war jedoch eine funktionierende Gesellschaft, für die passende, d. h. ordent­liche, fleißige und vernünftige Mitglieder notwendig waren, zu denen die Menschen folg­lich erzogen werden mussten. Die Philanthropisten lehnten zwar in ihrer Erziehung – wie Leopold Friedrich Franz in seiner Herrschaft – Zwang und Befehl ab, arbeiteten dafür jedoch mit Überwachung und Manipulation. Mit „Bildung für die andere Welt“ meint Niethammer dagegen eine Bildung, die nicht auf eine als Verpflichtung auf die Gesellschaft definierte ‚Glückseligkeit‘, sondern auf innere Freiheit und Unabhängigkeit abzielt. Es ist anzunehmen, dass ein Land, in dem Menschen dazu erzogen werden sollten, Mündigkeit und Mitsprache gegen ‚väter­liche‘ Fürsorge, „Ruhe und häus­liche Freuden“ einzutauschen, kein Vorbild für Anhänger von Überzeugungen wie den von Niethammer formulierten sein konnte. Dass sich diese immer weiter durchsetzten, war vermut­lich ein Grund für das Schwinden der Begeisterung für das Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ und seinen Fürsten.

448 Niethammer 1808, S. 14 f. 449 Ebd. 450 Vgl. Lempa 1993, S. 217.

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Kritik am Konzept des ‚Landesvaters‘ Kritik am ‚väter­lichen‘ Herrschaftskonzept gab es zwar schon seit dem 17. Jahrhundert; für die deutschen Aufklärer blieb es indes lange eine Idealvorstellung.451 Erst nach Beginn der Franzö­sischen Revolution wurden auch in Deutschland ablehnende Stimmen laut. So schrieb beispielsweise 1793 Immanuel Kant:452 Eine Regierung, die auf dem Prinzip des Wohlwollens gegen das Volk als eines Vaters gegen seine Kinder errichtet wäre, d. i. eine väter­liche Regierung (imperium paternale), wo also die Untertanen als unmündige Kinder, die nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nütz­lich oder schäd­lich ist, sich bloß passiv zu verhalten genötigt sind, um, wie sie glück­lich sein sollen, bloß von dem Urteile des Staatsoberhaupts, und daß dieser es auch wolle, bloß von seiner Gütigkeit zu erwarten: ist der größte denkbare Despotismus (Verfassung, die alle Freiheit der Untertanen, die alsdann gar keine Rechte haben, aufhebt).

Noch deut­licher benennt Johann Gottlieb Fichte in seinen Reden an die deutsche Nation den Gegensatz zwischen einer ‚landesväter­lichen‘ Regierung und der Mündigkeit bzw. ‚inneren‘ Freiheit der so Regierten.453 Die akute Bedrohung der Unabhängigkeit Preußens durch Napoleon, der sich wie Leopold Friedrich Franz als Verteidiger der Freiheit inszenierte, motivierte den in Berlin lehrenden Fichte zu einer genaueren Definition von Freiheit. Anders als der Dessauer Fürst oder der Philanthropismus (mit dem er sich in seinen Reden ebenfalls auseinandersetzt) versteht Fichte darunter nicht die äußere (Wirtschafts-, Religions- bzw. Reise-)Freiheit, sondern die innere, die Gewissensfreiheit.454 Diese werde aufgegeben, wenn sich das Individuum inner­lich auf einen Herrscher verpflichte. Statt von einem konkreten, mit Macht versehenen ‚Vater‘, dem das Individuum dienen solle, idealisiert Fichte deshalb ein abstraktes, überpersön­liches ‚Vaterland‘. Sein Ziel liegt nicht wie bei Leopold Friedrich Franz und den Philanthro­ pisten im Irdischen und Materiellen, sondern (wie das neuhumanistische ‚Sittengesetz‘) in einer empirisch nicht zugäng­lichen und folg­lich auch nicht 451 Vgl. Sørensen 1989, S. 190 ff. 452 Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch. Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die ­Praxis (1793). Zit. nach: Münch 1982, S. 37. 453 Fichte 1808, S. 127 – 145. 454 Die „Erhaltung des innern Friedens, des Eigentums, der persön­lichen Freiheit, des Lebens und des Wohlseins aller“ hat für Fichte dabei einen geringeren Wert als die Gewissensfreiheit. Ebd., S. 135.

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von außen beherrschbaren Sphäre.455 Damit stellt er sich gegen das Konzept der ‚Landesväter‘, das im späten 18. Jahrhundert viel Zustimmung erhalten hatte, weil ‚landesväter­liche‘ Fürsten sich um Ruhe, Ordnung und Wohlstand kümmerten und einige Rechte und Freiheiten gewährten. Als (unter anderem durch Fichtes Argumentation) der Glaube an die ‚Landesväter‘ schwand, verlor auch Leopold Friedrich Franz die Aufmerksamkeit, die ihm zuvor als Musterbeispiel eines ­solchen zugekommen war. Das Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘ und die bayerische Denkmallandschaft

Vor der in den nächsten Kapiteln folgenden Beschäftigung mit Sinn, Zweck und Hintergründen der Parks von Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und Hermann von Pückler-Muskau wird hier noch ein kurzer Seitenblick auf eine andere fürst­liche Rezeption des Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreiches‘ eingeschaltet. Ludwig I. von Bayern hatte schon als Erbprinz 1807 Anhalt-Dessau besucht, sich dabei aber wenig beeindruckt vom Wörlitzer Park gezeigt:456 Viel hübsches, wenigstens, [gestrichen: und eine Menge Kleinliges] und Lächer­lichkeiten enthält dieser Park an Bauereien und sonstigen Zierathen; eintönig seine Anlagen, stehend [gestrichen: stinkend] das Wasser, wie der höl­lische Schwefelpfuhl stinkend; dicht mit dickem Unrath grün überzogen. Ein Geist des Kleinligen waltet über das Ganze. […] Dem Gotischen giebt der Herzog den Vorzug, ein Oekonomiegebäude, Gärtnerswohnung ist in dem Stil konstruirt, an den andern Orten hätte man gebaut ein weißangesch[m]iertes Hauß platter Gemeinheit. Die Kunst muß sich aussprechen in allem und jeden, sie muß wieder verwebt werden dem Leben. Ach wie selten wird sie gefunden selbst in öffent­lichen Bauten!

Hirsch nimmt trotzdem an, dass Ludwig von seinem Besuch in Anhalt-Dessau eine Reihe von Anregungen für seine Herrschaft in Bayern mitgenommen hat:457 Das Volksfest am Drehberg gibt ihm schon 1810 Anregung für die Stiftung des Oktoberfestes, an dessen Beginn ebenfalls ein Pferderennen stand. Den Erdmannsdorff-Friedhof [Neuer Begräbnisplatz, I. M.] baute er noch im letzten Regierungsjahr 1847 als

455 Vgl. dazu auch Luhmann 1993, S. 139 f. 456 Bayern 1808, Sp. 858 und 861 f. 457 Hirsch 2003, S. 583 f.

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Erweiterung des Süd­lichen Friedhofs in München nach. ‚Damengalerie‘ wie im Georgium. Stilfibel am Königshaus analog Erdmannsdorffs Stilfibel am Fremdenhaus im Georgium.

Ein bedeutungsvoller Bezug besteht zudem zwischen den Repräsentationen von Geschichte, die im Wörlitzer Park und in der bayerischen ‚Denkmallandschaft‘, insbesondere der Walhalla, zu finden sind. Diesen antik-klassizistischen Tempel, der schon 1815 geplant worden war, ließ Ludwig I. zwischen 1830 und 1842 errichten (vgl. Abb. 18). Sein Unterbau enthält wie der des Wörlitzer Pantheons Verweise auf ältere Kulturen, durch die auch hier die natür­liche Ursprüng­lichkeit des darauf Errichteten symbo­ lisiert werden sollte.458 Mit der Sichtachse zum gotischen Dom von Regensburg sei, so Jörg Traeger, der „Anspruch auf Teilhabe am ewig gültigen Ideal und an der Wahrheit selbst“ visualisiert worden.459 Anders als im Wörlitzer Park, dessen politisch motivierter Bezugspunkt Rom war, bezieht sich die Walhalla – scheinbar ohne politische Bezüge – auf das antike Griechenland. Mit seiner Kaukasustheorie schuf Ludwigs Architekt Leo von Klenze zudem eine andere Herkunftslegende als die im Wörlitzer Park verarbeitete. Während Leopold Friedrich Franz im Wörlitzer Park die Genealogie seiner Familie inszenierte, schrieb Klenze in die Walhalla eine mythische Herkunftsgeschichte der Deutschen insgesamt ein; während der Dessauer Fürst seine Wurzeln in Rom sah, behauptet Klenze, dass die Deutschen ursprüng­lich wie die Menschheit insgesamt aus dem Kaukasus stammten und dass sie die direkten Nachkommen der (idealistisch gesehenen) Griechen seien. Diese Idee visualisiert die Walhalla, wie Traeger zusammenfasst:460

458 Vgl. Traeger 1991, S. 77 f. 459 Ebd., S. 97. 460 Traeger 1991, S. 69 f. Beides – die askanische wie die kauka­sische Herkunftslegende – steht dabei in einer älteren Tradition. So hatte auch der polnische Adel seine Herkunft auf ein mythisches Urvolk der Sarmaten zurückgeführt, w ­ elches angeb­lich ebenfalls aus dem Kaukasus stammte. Obwohl die Kaukasustheorie Klenzes anders als der Sarmatismus das gesamte deutsche Volk meinte und mit dieser „Herleitung aus dem gemeinsamen Ursprung der Menschheit […] das Vaterlandsverständnis in eine kosmopolitische Perspektive gerückt“ wurde (Traeger 1991, S. 197), beinhaltete auch sie eine Höherbewertung der Deutschen und eine Abwertung der romanischen und slavischen Nachbarvölker und hatte damit wie der Sarmatismus, der verheerende Folgen für die politsche und wirtschaft­liche Entwicklung Polens hatte, ein gefähr­ liches nationalistisches Potenzial. Vgl. zum Sarmatismus Borowski (Hg.) 2001 (dort auch weiterführende bibliografische Angaben).

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Klenzes Kaukasustheorie sollte nun unmittelbar einmünden in die Gestaltung der ­Walhalla und ihres Unterbaus. Dies konnte aber nur überzeugend geschehen, wenn der behauptete genetische bzw. historische Zusammenhang der germanischen, mittelmee­ rischen und altorienta­lischen Völker eine architekturgeschicht­liche Untermauerung erhielt.

Darüber gelang die „nationale Rechtfertigung des griechischen Tempels“. Der aus dem deutschen Mittelalter Regensburgs kommende Besucher steigt hier symbo­lisch ins ideale Griechenland auf, „indem er die Stufen des gewaltigen Unterbaus hinansteigt und dabei den historischen Zusammenhang seines vaterländischen Daseins nachgeht. Oben angekommen, hat er zwei scheinbar verschiedene Wege als deckungsgleich durchlaufen: den Auflösungsweg der Grundformel aller Architektur bis zur höchsten, hellenischen Klarheit und den Völkerwanderungsweg, der die Germanen einst nach Deutschland geführt hat.“ 461 Die Walhalla erfüllte damit für die Zeitgenossen die gleiche Funktion wie ein halbes Jahrhundert früher der Wörlitzer Park: Sie diente als Projek­ tionsfläche für Sehnsüchte. Während vom Wörlitzer Park jedoch erwartet wurde, dass er die Menschen (und den Fürsten) empfindsam verbessere und mensch­licher mache, proklamierte Ludwig I., dass die Walhalla – im Einklang mit der neuhumanis­tischen Weltsicht – der sitt­lichen Veredelung dienen solle, „auf daß teutscher der ­Teutsche aus ihr trete, besser als er gewesen“.462 Traeger kann allerdings zeigen, dass auch Ludwig dabei nicht selbstlos gehandelt hat, obwohl er eine Verfassung eingeführt und sich engagiert für seine Untertanen gezeigt hat: „Seine Kunstschöpfungen machten das könig­liche Individuum, zunächst einmal in seinen eigenen Augen, erhaben über Regierung und Revolution.“ 463 Die scheinbar so idealistische Schöpfung der Walhalla sei eine im Kleid der Utopie auftretende, gesellschaft­liche Forderungen ablenkende Illusion – und steht damit in der Wörlitzer Tradition:464 In der Walhalla ist die Aktualität der gesellschaft­lichen Gleichheitskategorie eingetauscht worden gegen eine utopische Zeitlosigkeit. Die Unsterb­lichkeit der Großen als das Gedenken der niedrigeren Nachwelt und als Egalité des Todes begriff das Denkmalspublikum als Ahnenschaft einer kommenden Vollendung. […] Unter den Bedingungen des offenen Landschaftsgartens und der kontinentalen Denkmalsreise konnte sich die 461 462 463 464

Traeger 2008, S. 72 und 76. Ludwig I. Zit. nach: Ebd., S. 216. Ebd., S. 262. Ebd., S. 223 und 225.

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Frühlingsfrische griechischer Kunst mühelos erneuern und mit dem Gleichheitsideal verschwistern. Dieses verlor dabei allerdings, so scheint es, seinen Ort im praktischen Bezugsnetz der Realität. Es blieb genauso imaginär wie die ästhetische Struktur des Denkmals auf der Höhe im Panorama seiner rahmenlosen Kunstnatur. Insofern führte der Weg nach Walhalla in ein Niemandsland.

Ludwig I. ist also ein Beispiel für die erfolgreiche Anpassung der traditionellen Strategien der Legitimation und Symbolisierung frühneuzeit­licher Fürstenherrschaft an die veränderten intellektuellen Rahmenbedingungen der beginnenden, sich letzt­lich als bürger­lich erweisenden Moderne. Wie das den Fürsten von Weimar und Muskau gelungen ist, wird in den folgenden Kapiteln beleuchtet.

2.5 Zwischenfazit Der Blick auf die bayerische Denkmalslandschaft und ihre Hintergründe hat gezeigt, dass die Tradition repräsentativer Gartenkunst nicht mit dem Wörlitzer Park untergegangen ist. Zur Sicherung der eigenen Stellung und Privilegien mithilfe der Gartenkunst bedurfte es jedoch zunehmend anderer, den Erwartungen des Publikums entsprechender Sinnangebote. Ein Thema, das im 19. Jahrhundert Bindekraft zu entfalten vermochte, waren die Beschwörungen des deutschen Vaterlands und der Größe des deutschen ­Volkes, vor denen sich Ludwig I. von Bayern mit der Walhalla symbo­lisch verbeugte. Leopold Friedrich Franz hatte dagegen im Wörlitzer Park ledig­lich Bedeutung und Alter seiner eigenen Familie sowie einiger anderer Fürsten inszeniert. Er visualisierte ein fürst­liches Selbst- und Weltbild, das von einem durch Geburt legitimierten Alleinherrscher und seinen unmündigen Untertanen ausgeht, die emotional und autoritativ aufeinander verpflichtet sind. Diese Vorstellungen scheinen der unausgesprochene Grund dafür zu sein, dass der Park seit Anfang des 19. Jahrhunderts zunehmend abgelehnt wurde. In die Gestaltung des ­Wörlitzer Parks ließen sich zwar empfindsame Gartenauffassungen integrieren; als Projek­ tionsfläche für die neuen Konzepte von Gesellschaft, Individuum und Natur (den Neuhumanismus, Fichtes Vaterlandsidee, aber auch das romantische Naturideal) funktionierte der Wörlitzer Park jedoch nicht mehr. Mit der Abwendung des öffent­lichen Interesses ist der Sinn des Parks frei­ lich nicht verloren gegangen, da die öffent­liche Auffassung von Gartenkunst nur einen beschränkten Einfluss auf die Gestaltung des Wörlitzer Parks gehabt hat. Obwohl Leopold Friedrich Franz offenkundig darauf hingewirkt hat, dass sein Park gemäß den Vorstellungen der wirkungsästhetischen Gartentheorie

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wahrgenommen werden konnte, war der Park nicht in erster Linie als Stimmungsauslöser und Kulisse für Selbst- und Freundschaftserlebnis intendiert. Er ist, wie hier gezeigt werden konnte, ein Text, in dem Leopold Friedrich Franz seine Auffassungen von der Welt, seine Überzeugungen, seine Ansprüche und sein Selbstbild dargelegt hat. Diese können noch heute ‚gelesen‘ werden, wenn der adäquate Deutungsrahmen angelegt wird. Dass Leopold Friedrich Franz seine Weltvorstellungen auf gärtnerische Weise kommuniziert hat, mag deshalb erklären, warum er sich nirgendwo schrift­lich dazu geäußert hat.465 Der Park ist jedoch nicht nur ein einfacher Ersatz für eine schrift­liche Reflexion. Leopold Friedrich Franz hat sich aller Wahrschein­lichkeit nach bewusst für einen gartenkünstlerischen Ausdruck seiner Gedanken entschieden, weil die ikonografische Verschlüsselung von Botschaften in einem ‚Gartentext‘ völlig anders funktioniert als ihre schrift­liche Ausformulierung; beides lässt sich auch nur schwer ineinander übersetzen. Schrift­liche Texte sind für eine lineare, lo­gische, kausale oder konditionale Darstellung und für Analyse geeignet; das auf Synthese abhebende, analo­gische und metaphorische Denken des Fürsten lässt sich in ihnen nur schwierig fassen. Eine ikonografische und damit assoziative Ausdrucksform kommt ­diesem Denken weitaus mehr entgegen, weil jedes Z ­ eichen im Park zugleich auf verschiedene Dinge verweisen kann. Es kann eine höhere symbo­lische Dichte und Bedeutungstiefe herstellen als ein sprach­liches ­Zeichen. Darüber hinaus

465 Das Verhältnis des Adels (und insbesondere des Hochadels) im 18. Jahrhundert zum Medium Schrift und zur Schriftkultur ist bis heute nur in Ansätzen erforscht. Edoardo Costaduro setzt sich in seiner Studie zum Edelmann am Schreibpult fast ausschließ­lich mit schreibenden Adeligen aus Frankreich und Italien auseinander. In einem Beitrag über die eine Generation ältere Landgräfin Henriette Karoline von Hessen-Darmstadt verweist Helga Meise auf – allerdings nicht genauer benannte – Konflikte zum höfischen Normsystem, die sich für die Landgräfin aus ihrer aufklärisch geprägten, also auf ‚Selbstdenken‘ und eine eigene Identität zielenden P ­ raxis von Lektüre und Schreiben ergeben haben. Bemerkenswert ist, dass sich auch die hes­sische Landgräfin – wie der Dessauer Fürst – eher andeutungshaft und fragmentarisch zu den sie persön­lich interessierenden Belangen geäußert hat. Meise erklärt das leider nur ansatzweise mit einer nicht näher erläuterten ‚Unmög­lichkeit‘, „im Medium der Schrift die ‚Wahrheit‘ zu sagen“ (Meise 2005, S. 198). Umbach (2000) bezieht das Fehlen ausführ­licherer schrift­ licher Selbstreflexio­nen im Nachlass von Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau auf die – politisch gegen Preußen gerichtete – Bevorzugung visueller Kommunikationsformen durch die kleineren Fürsten des späten 18. Jahrhunderts. Es wird hier indes davon ausgegangen, dass das Verhältnis vor allem des regierenden Hochadels zum Medium Schrift vielschichtiger ist und noch in andere als inneradelige politische Diskurse reicht.

Zwischenfazit

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bietet es auch ästhetischen und emotionalen Genuss, spricht also den ganzen Menschen an und kann so überzeugender wirken als ein schrift­licher Text. Durch die Verschlüsselung von Botschaften im Garten – insbesondere im Landschaftsgarten – lassen sich zudem sinnfällig die Natur- und damit Gottgemäßheit des inszenierten Weltbildes behaupten, denn anders als eine schrift­ liche Behauptung lässt sich ein Bild (vor allem ein in Natur gestaltetes) nur schwer hinterfragen. Antworten ließe sich darauf am eindrück­lichsten durch die Schaffung anderer Bilder – dafür fehlten den bürger­lichen Rezipienten jedoch die Ressourcen. Der Landschaftsgarten war damit ein geeigneteres ­Mittel, um den elaborierten gedank­lichen Entwurf einer umfassend sinnvollen, sich durch eine ordnende Verknüpfung aller ihrer Teile auszeichnenden Welt darzustellen und den Herrschaftsanspruch des Fürsten zu unterstreichen, als ein schrift­licher Text. Durch eine genaue ‚Lektüre‘ des Wörlitzer Parks und die Beschäftigung mit seinem Kontext konnte eine Vielzahl von Themen im Park identifiziert ­werden. Es geht in ihm um zwischenmensch­liche Beziehungen, um Fragen nach der idealen Herrschaft, um Aufklärung, die richtige Gesellschaftsordnung, die Notwendigkeit von Naturorientierung, die guten und die schlechten Seiten der Natur, um die Legitimation und Erklärung der sexuellen Bedürfnisse des Fürsten, den richtigen Naturumgang, den Fürstenbund, die antik-mytholo­gischen und frühneuzeit­lichen Vorfahren des Fürsten, um den Tod und um Geschichte. Dieser breiten Themenpalette entspricht eine Vielfalt von Gestaltungsformen. Es gibt klassizistische, neugotische und urtüm­lich-primitive Staffagen, Wohnhäuser, Deichwachhäuser, Grabmäler, Statuen, Brücken, kulissenhafte Szenerien wie die Betkammer des Eremiten. Es verwundert daher nicht, dass dem Wörlitzer Park bisher oft Eklektizismus unterstellt oder seine Gestaltung nur auf ein allgemeines Bildungsinteresse des Fürsten bezogen wurde. Wie sich zeigen ließ, hängt jedoch alles zusammen; alles ist aufeinander bezogen. Als Klammer fungieren zwei Grundmotive: Eine bestimmte Vorstellung von der Natur und die Überzeugung, dass die Orientierung an der Natur und der richtige Umgang mit ihr die Menschheit glück­lich und zufrieden machen und sie zur Humanität, d. h. einer höheren Daseinsstufe, führen könne. Die Sicht auf die Natur ist dabei von der aufklärerischen Erkenntnis geprägt, dass die wilde Natur nicht unterdrückt werden dürfe, weil sie unabdingbare Voraussetzung für die Entfaltung ihrer positiven Wirkungen sei. Auf diesen Gedanken verweisen im Wörlitzer Park die Blumenbeete am Fuße des künst­lichen Vulkans, das Pantheon mit der auf die Nilhochwasser verweisenden Isisfigur sowie der Venustempel mit der zwischen Überflutungswiesen und Feld stehenden Venusfigur.

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Im Wörlitzer Park ist ein Kulturkonzept visualisiert, das auf einer produk­ tiven Auseinandersetzung mit der Natur beruht und das nur den Schutz vor den schäd­lichen Wirkungen der umwelt­lichen Natur vorsieht, nicht ihre Beseitigung oder Unterdrückung. Die gleiche Sicht präsentiert der Park auf die mensch­liche Natur. Eine Schaltstelle dafür ist ebenfalls der Venustempel, der die ambivalenten Wirkungen der umwelt­lichen wie der mensch­lichen Natur präsentiert: Zusammen mit dem Floratempel verweist er auf die isolierende, das Gemeinwohl und die öffent­liche Ruhe zu stören vermögende Macht der ‚bösen Lust‘. Indem er diese jedoch an verschiedenen Stellen im Zusammenhang mit pflanz­licher Fruchtbarkeit präsentiert, behauptet Leopold Friedrich Franz ihre Notwendigkeit für das Gemeinwohl und die Erhaltung der Menschheit. Gleichermaßen wird der Tod als Voraussetzung für das Entstehen neuer ‚Geschlechter‘ gedeutet, durch die sich die Menschheit allmäh­lich einem Heilszustand annähern könne. Zielpunkt aller Gestaltungen ist indes Leopold Friedrich Franz selbst, der sich hier als Mensch, Nachfahre großer Vorfahren und idealer Herrscher inszeniert. Der Wörlitzer Park zeichnet ein tiefsinniges, philosophisch begründetes Weltbild, dient aber letzt­lich traditionell der Legitimation und Rechtfertigung der Macht und Herrschaft des Dessauer Fürsten.

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Abb. 1  Plan des Wörlitzer Parks (1788)

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Abb. 2  Daniel Chodowiecki: Schiffbruch (Tafel XCIIIa zu Basedows Elementarbuch, 1774)

Abb. 3  Daniel Chodowiecki: Nutzen der Geselligkeit (Tafel XXXI zu Basedows Elementarbuch, 1774)

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Abb. 4  Postkarte mit einem Luftbild von Stadt und Park Wörlitz (1930er/40er Jahre).

Abb. 5  Berrington Hall Park, Hertfordshire (1780 gestaltet)

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Abb. 6  Eisenhart mit Pavillons im Wörlitzer Park

Abb. 7  Betkammer des Eremiten im Wörlitzer Park

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Abb. 8  Wurzelhaus im Wörlitzer Park

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Abb. 9  Limesturm auf dem Deich

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Abb. 10  Das Nymphäum im Wörlitzer Park

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Abb. 11  Grotte der Egeria im Wörlitzer Park

Abb. 12  Floratempel mit Phallusbeet im Wörlitzer Park

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Abb. 13  Monument auf dem Deich im Wörlitzer Park

Abb. 14  Blick aus der Stadt auf die Synagoge/Vestatempel im Wörlitzer Park

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Abb. 15  Sichtenfächer von der Goldenen Urne zur Synagoge (links) und zur Kirche im Wörlitzer Park

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Abb. 16  Richard Earlom nach Claude Lorrain: Apollo and the Muses on Mount Helicon. In: Earlom 1777, Nr. 193.

Abb. 17  Rousseau-Insel im Wörlitzer Park

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Abb. 18  Walhalla bei Regensburg (um 1850)

Abb. 19  ,Luisenkloster‘ im Ilmpark (heutiger Zustand)

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Abb. 20  Felsentor im Ilmpark

Abb. 21  Der Große Stein im Ilmpark

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Abb. 22  Sphinx an der Läutraquelle im Ilmpark

Abb. 23  Der Schlangenstein im Ilmpark

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Abb. 24  Künstliche Burgruine im Ilmpark

Abb. 25  Blick vom Römischen Haus zu Goethes Gartenhaus im Ilmpark

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Abb. 26  Georg Melchior Kraus: Die Gothische Kapelle im Herzogl. Parck bey Weimar (1798)

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Abb. 27  Carl August von Sachsen-Weimar-­ Eisenach (um 1820) mit der Gotischen Kapelle im Hintergrund

Abb. 28  Wilhelm Schirmer: Kapelle für den Muskauer Park (in den Andeutungen, 1834)

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Abb. 29  Wilhelm Schirmer: Tempel der Beharrlichkeit für den Muskauer Park (in den Andeutungen, 1834)

Abb. 30  Wilhelm Schirmer: Burg für den Muskauer Park (in den Andeutungen, 1834)

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Abb. 31  Wilhelm Schirmer: Das Englische Haus für den Muskauer Park (in den Andeutungen, 1834, anscheinend tatsächlich in dieser Form gebaut) Abb. 32  Pückler in orientalischer Kleidung (1843)

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Abb. 33  Auguste Hüssener: Pückler (1837)

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Abb. 34 und 35  Wilhelm Schirmer: Der Zugang zum Muskauer Schloss vor und nach der in den Andeutungen beschriebenen und tatsächlich auch erfolgten Umgestaltung (1834). Nach dem Wegklappen des oberen Bildes ist das untere zu sehen.

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Abb. 36 und 37  Wilhelm Schirmer: Die Neiße im Muskauer Park vor und nach der in den Andeutungen beschriebenen und teilweise erfolgten Umgestaltung (1834). Der helle Umriss auf dem oberen Bild ist die wegklappbare Auflage, unter der das untere Bild zu sehen ist.

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Abb. 38 und 39  Wilhelm Schirmer: Partie des Badeparks in Muskau vor und nach der in den Andeutungen beschriebenen und teilweise erfolgten Umgestaltung (1834). Die Linie auf dem unteren Bild lässt die wegklappbare Auflage erkennen, unter der das untere Bild zu sehen ist.

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Abb. 40  Das Schloss in Wörlitz

Abb. 41  Der Deichweg im Wörlitzer Park mit einem alten Hochwasserresttümpel

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Abb. 42  Johann Friedrich Nagel: Das Gothische Schloss im fürstl. Garten zu Wörlitz. Radierung, koloriert (um 1800)

Abb. 43  Das Gotische Haus im Wörlitzer Park, Nordseite

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Abb. 44  Karl Kunz, Wilhelm Friedrich Schlotterbeck: Der Stein zu Woerlitz. Aquatinta, koloriert (1800)

Abb. 45  Johann Friedrich Nagel: Das Sommer Schloss des Fürsten im Garten zu Wörlitz. Radierung, koloriert (um 1800)

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Abb. 46  Blick vom Gotischen Haus auf Palmenhaus, Flora- und Venustempel (ganz rechts) im Wörlitzer Park

Abb. 47  Fähre zwischen Badender Venus und Synagoge im Wörlitzer Park

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Abb. 48  Sarkophag auf dem Kirchhof im Wörlitzer Park

Abb. 49  Mystische Partie und Venus­tempel vom Feld außerhalb des Parks gesehen

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Abb. 50  Goethes Gartenhaus mit ‚Kubus mit Kugel‘ im Ilmpark

Abb. 51  Das Römische Haus im Ilmpark

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Abb. 52  Blick vom heutigen Pücklerstein (projektierter Platz für den geplanten ‚Tempel der Beharrlichkeit‘) auf den Park (vgl. Abb. 31)

Abb. 53  Das Muskauer Schloss vor dem historistischen Umbau durch den Prinzen der Niederlande (Mitte des 19. Jhs.)

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Abb. 54 und 55  ‚Eingerahmte‘ Ausblicke aus der Gloriette auf den Muskauer Park

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Abb. 56  Die Hermannseiche (aus einem Artikel über Muskau in der Gartenlaube von 1859)

3. Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und sein Park an der Ilm 3.1 Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757 – 1828): der Fürst der Weimarer Musen Der Fürst und der Park der Weimarer Klassik? Einleitende Bemerkungen

„Ob der Name des Fürsten geläufig wäre, wenn sein Lebensweg sich nicht so eng mit dem Goethes verbunden hätte?“ – Karl-Heinz Hahn beantwortet diese Frage eindeutig negativ: „Gewiss nicht“, da Carl August von Sachsen-Weimar-­ Eisenach (1757 – 1828) kein ‚guter‘, aufklärerische Reformen effektiv durchsetzender, politisch erfolgreicher Fürst gewesen sei.466 Und durchaus herablassend charakterisiert Friedrich Sengle den Weimarer Herzog in seiner fundamentalen Doppelbiografie Goethes und Carl Augusts als einen „bei aller Launenhaftigkeit gutmütigen, wenn auch ein wenig primitiven Fürsten“.467 Die Forschung ist sich einig, dass Carl Augusts historische Leistung nicht auf politischem oder militärischem Gebiet zu suchen ist, sondern sich in der Offenheit, Liberalität und Unterstützung für die „Geisteswelt“ der verschiedenen Dichter, Künstler, Philosophen und Gelehrten manifestiert, die die Weimarer Klassik und den Jenaer Idealismus begründet und getragen haben. 468 Carl Augusts gartenkünstlerisches Engagement, das hier von Interesse ist, spielt in seiner Bewertung im Allgemeinen nur eine untergeordnete Rolle, da der Ilmpark nicht als sein Werk, sondern als eines der „zahlreiche[n], in eindrucksvoller Dichte und Authentizität erhaltene[n] Denkmäler“ (neben Goethes und Schillers Haus und Herders Wirkungsstätten) gesehen wird, die „von der Lebenswelt der Dichter“ künden, wie es in der Begründung für die Aufnahme des ‚Klas­sischen Weimars‘ in die Welterbeliste der UNESCO heißt.469 Der Wert dieser Denkmäler liege in „der Verbindung von histo­rischem Geschehen, bau­licher Hülle und authentischer Ausstattung“, also in ihrer auratischen 466 Hahn 1991, S. 60. Ähn­lich bei Ebersbach 1998, S. 7. 467 Sengle 1993, S. 64. 468 Zitat aus Tümmler 1978, S. 142. Vgl. Ventzke 2004, S. 47 ff.; Müller 2008, S. 70 ff.; Müller-Wolff 2007, S. 37 ff. 469 „Klas­sisches Weimar“. Auf: http://www.unesco.de/313.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012).

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Funktion in Bezug auf das eigent­lich wertvolle immaterielle Kulturerbe der Weimarer Dichter; als Gartenkunstwerk wird der Ilmpark hier anscheinend nicht aufgefasst. In gartenhistorischen Publikationen wird der Ilmpark zwar oft aus ästhetischen Gründen gelobt, aber es steht zu vermuten, dass auch diese ästhetische Wertschätzung eigent­lich in der Verehrung für die Klassiker begründet ist, da der allein von Carl August gestaltete Wilhelms­thaler Park nur selten Erwähnung findet, obwohl er in ­diesem viel konsequenter eine reine Landschaftsästhetik umgesetzt hat.470 Im ‚Ereignis Weimar-Jena‘471 hat Carl August nur eine Nebenrolle gespielt. Er hat zwar den Grundstein gelegt, indem er Goethe nach Weimar geholt und an der Jenaer Universität eine liberale Berufungspolitik unterstützt hat. Alles Weitere hat sich jedoch, so scheint es, ohne wesent­lichen Einfluss durch ihn entwickelt. Hahn postuliert sogar, dass die „literarisch-philosophische Bewegung, die damals vor allem von Weimar und Jena ausging, und die gleichzeitigen politischen Aktivitäten des weimarischen Staates […] nicht das geringste miteinander gemein“ gehabt hätten.472 Dennoch hat ein Teil des Nimbus der Weimarer Klassik auf Carl August abgefärbt, der vor allem im 19. Jahrhundert als ein aufgeklärter und vom verdorbenen Hofleben distanzierter, für bürger­lichen Rat offener, die Künste und Wissenschaften liebender und nicht zuletzt herzensguter Fürst verehrt wurde und der bis heute auch ein größeres wissenschaft­liches Interesse auf sich zieht als andere Fürsten seiner Generation.473 Carl Augusts Ruhm geht dabei im Wesent­lichen auf vier Punkte zurück: in erster Linie natür­lich auf seine Freundschaft zu Goethe. Zweitens darauf, dass er mit Wieland einen der populärsten und anerkanntesten Schriftsteller seiner Zeit zum Erzieher hatte. Drittens bezieht sich die Verehrung für ihn

470 Carl August selbst schätzte den Wilhelmsthaler Park mehr als die Weimarer Parks (den Ilmpark, Belvedere, Tiefurt), wie unter anderem aus einem Brief an Goethe hervorgeht: „Frey­lich, mein lieber Alter, hätte ich dich gerne hier gesehn, indem ich überzeugt war, daß das Lokale von Wilhelmsthal dir einen neuen Genuß verschaft haben würde; denn der Charackter dieser Gegend ist wirck­lich unvergleichbar mit allen hübschen Auffenthalten bey Weimar und mit vielen anderen in fremden Provinzen, die mann mit vieler Mühe und Reisen, um sie zu sehen, aufsucht…“ Carl August an Goethe. Wilhelmsthal, 6. Juli 1805 (Carl August/Goethe 1915, S. 332). 471 So der Name des Jenaer Sonderforschungsbereiches, der sich mit Weimarer Klassik, Jenaer Idealismus und ihrem Umfeld beschäftigt. Vgl. Ehr­lich/Schmidt (Hg.) 2008. 472 Hahn 2001, S. 54 f. 473 Wie etwa der Dessauer. Vgl. u. a. Sengle 1993, S. 64 f.; Hahn 2001, S. 61 ff.

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ganz allgemein darauf, dass er nicht Goethe, Wieland und noch vielen anderen talentierten und bedeutenden Dichtern, Künstlern, Philosophen und Gelehrten in Sachsen-Weimar-Eisenach ein Auskommen und Freiheit zur Entwicklung gegeben hat.474 Für die Zeitgenossen, die vom Gedanken einer ‚Gartenrevolution‘ begeistert waren, hat er sich zudem viertens als Schöpfer bzw. Besitzer des Ilmparks einen Anspruch auf Hochachtung erworben. Allerdings ist in der weiteren Rezeptionsgeschichte nach dem Abklingen des ‚garten­revolutionären‘ Enthusiasmus die Rolle Goethes bei der Entstehung des Ilmparks in den Mittelpunkt gerückt. Deshalb wird er seitdem eher als der Park gesehen, in dem die Klassiker spazieren gegangen sind, und weniger als von Carl August geschaffener Park – ein wesent­licher Unterschied, fasst man Parks als wirkmächtige Medien auf. Für die Untersuchung des Verhältnisses von Produktion und Rezeption beim Ilmpark ist dieser Unterschied vor allem deshalb interessant, weil es, wie bekannt, seit Anfang der 1780er-Jahre zunehmend Spannungen und weltanschau­liche sowie politische Differenzen zwischen Carl August und Goethe gab.475 Zudem stand Goethe der Landschaftsgärtnerei (bei aller Liebe zur Gärtnerei an sich) schon seit den 1770ern ambivalent bis schließ­lich ablehnend gegenüber.476 Dennoch hat er sich an der Gestaltung des Ilmparks beteiligt, ebenso wie ­Bertuch, der einflussreiche Weimarer Geschäftsmann und Verleger, der nach einer ­kurzen Phase herz­licher Freundschaft dem Herzog als Schatullverwalter und ab 1787 zudem mehrere Jahre als Verwalter des Ilmparks diente. ­Welcher Sinn in einem Park zu finden ist, der von drei so unterschied­lichen Persön­lichkeiten mit so 474 Er hat dabei die ihn interessierenden und ihn persön­lich angehenden Dichter und Intellektuellen nicht einfach subventioniert, sondern ihnen Anstellungen in Verwaltung und Regierung gegeben. In ihrem Schreiben waren sie dadurch zwar nicht unabhängig, aber doch freier, als wenn er sie als ‚Hofdichter‘ angestellt hätte. Abgesehen von Wieland und Knebel, die nach ihrer Tätigkeit als Prinzenerzieher bedingungslose Pensionen erhielten, waren alle Zuwendungen an Künstler, Dichter und Gelehrte in Sachsen-Weimar-Eisenach Gehälter für mit tatsäch­licher Arbeit verbundene Anstellungen. Während Carl August das wegen der hohen Verschuldung des Landes kleine Budget für Jagden, Ausritte und Repräsentationsbauten nach seinem Regierungsantritt immer wieder übertrat, stagnierten die Ausgaben für die Universität Jena zumindest in den von Ventzke analysierten Jahren zwischen 1775 und 1783. „Im Vergleich zu den Luxusaufgaben des Hofes“, so Ventzke, stachen „die mäzenatischen Aufwendungen überdies nicht sonder­lich hervor“ (Ventzke 2004, S. 40 f. und 95 ff. und 107). Vgl. Müller 2008, S. 72 f.; Ebersbach 1998, S. 87 f.; Tümmler 1978, S. 142 ff. 475 Vgl. Sengle 1993, S. 42 ff.; Hahn 2001, S. 61 ff. 476 Vgl. Kap. 3.2., Abschnitt: Goethes Beteiligung und Kritik.

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völlig verschiedenen Lebensentwürfen und Weltanschauungen wie Carl August, Goethe und Bertuch gestaltet wurde, wird im Laufe dieses Kapitels genauer beleuchtet und diskutiert. Am Ilmpark fällt im Vergleich mit anderen deutschen Landschaftsgärten seiner Zeit auf, dass er ohne Kenntnis der eng­lischen Vorbilder, trotz leerer Kassen und zudem an einer Stelle geschaffen wurde, die zuvor keineswegs als unbefriedigend wahrgenommen wurde, sondern stattdessen zu den Lieblings­ aufenthalten des Herzogs und seiner Freunde gehört hatte.477 ­Welche Motivation hatte Carl August also, das an sich schöne und angenehme Ilmtal zu einem Landschaftsgarten zu überformen? Da Carl August sich vor dem Hintergrund der Fürstenbundverhandlungen entschieden hat, einen Landschaftsgarten zu schaffen, könnte man vermuten, dass er mit seinem Park politische Vorstellungen kommunizieren wollte, dass also der Ilmpark wie der Wörlitzer Park eine empfindsame Variante des tradi­ tionellen Repräsentationsgartens ist. Der Weimarer Park unterscheidet sich jedoch grundlegend von seinem Wörlitzer Vorbild – abgesehen davon, dass es im Ilmpark ebenfalls ein Gotisches Haus gibt (das frei­lich weitaus weniger symbolträchtig eingerichtet ist als das Wörlitzer) und dass Carl August dem Dessauer Fürsten mit dem Großen Stein ein landschaftsgärtnerisches Denkmal gesetzt hat. Aus ikonografischer Sichtweise erschließt sich im Ilmpark anders als im Wörlitzer Park kein konsistenter Text; als autonomes Kunstwerk funktioniert er indes, anders als der Muskauer Park, auch nicht. Ausgangspunkt dieses Kapitels ist die Vermutung, dass Carl August mit ­seinem Park nach außen wirken und sein Selbst- und Weltbild bzw. seine Selbst­ inszenierung kommunizieren wollte, er dafür jedoch andere Wege gefunden hat als der Dessauer Fürst. Ob, warum und wie er Botschaften in seinen Park eingeschrieben hat, soll hier im Folgenden nachgezeichnet werden. Ebenso wie im Kapitel zum Wörlitzer Park wird hier zuerst Carl Augusts Sozialisierung als Fürst und seine Ausprägung von Herrschaft nachgezeichnet. Vor ­diesem Hintergrund werden dann Sinn und Zweck des Ilmparks genau betrachtet, einerseits mit Blick auf Carl Augusts Interessen und Intentionen, und anderer­ seits aus der Sicht der Zeitgenossen, der Freunde Carl Augusts ebenso wie der fremder Besucher.

477 Carl August kannte ledig­lich den Wörlitzer und Gothaer Park und Hirschfelds T ­ heorie der Gartenkunst. Nach England ist er erst 1814 gereist. Vgl. Müller-Wolff 2007, Kap. 3.4. und 4.7.

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„…einen jungen Souverain bilden“: Carl Augusts philanthropistische Erziehung

Der Mythos vom ‚guten‘ Fürsten Carl August zehrte lange davon, dass der zu dieser Zeit bereits berühmte Christoph Martin Wieland 1772 als Lehrer für Carl August nach Weimar berufen wurde. Allerdings war schon der Erziehungsplan von Johann Eustach Graf von Görtz, Carl Augusts seit 1762 tätigem Haupt­ erzieher, bemerkenswert aufgeklärt. Görtz gehörte anscheinend zu den ersten, die Basedows philanthropistische Erziehungstheorie auf die Prinzenerziehung anzuwenden versuchten. Er hatte sich intensiv mit Basedows Anmerkungen zur Prinzenerziehung im Methodenbuch und Agathokrator auseinandergesetzt und sogar einen Kommentar veröffent­licht, in dem er sich nur zu wenigen Punkten abweichend äußert, vor allem zu Basedows Meinung, dass Prinzen nicht mehr lesen müssten als notwendig und dass sie nie Langeweile haben dürften, da Lesen in Görtz’ Weichen stellender Auffassung der „edelste Zeitvertreib“ sei und Langeweile den künftigen Fürsten bei seinem Hofleben in jedem Fall erwarte und er deshalb rechtzeitig daran gewöhnt werden müsse.478 Insgesamt stimmt er jedoch mit Basedows Überzeugung überein, dass es auch ohne Zwang, trockene Pflichterfüllung und see­lische Verkümmerungen mög­ lich sei, Kinder zu guten, nütz­lichen und glück­lichen Mitgliedern (bzw. Herrschern) der Gesellschaft zu erziehen. Aus praktischer Erfahrung hatte Görtz allerdings schon früh (1771) das Utopische bzw. Hypothetische und Unbewiesene an der Überzeugung erkannt, dass Pflicht und Lust, gesellschaft­liche Anforderungen und individuelle Entfaltung bruchlos vereinbar seien (was ja dann im Dessauer Philanthropismus-Experiment zu einem Zerwürfnis der Lehrer und zur Entwicklung manipulativer Erziehungsmethoden geführt hat).479 So berichtet Görtz in seinen A ­ gathokrator-Briefen von

478 In ­diesem formuliert er jedoch zunächst seine Zustimmung zu Basedows Versuch einer Reformierung des Erziehens: „Und hätte Basedow für alle die Unterstützung, die er würck­lich zur Ehre unseres Jahrhunderts erhalten hat, nichts weiter als sein MethodenBuch geliefert, ein Buch, w ­ elches die vortref­lichsten Grundsätze der Erziehung enthält […]; hätten wir auch nichts von ihm als sein kleines Buch für Eltern und Lehrer aller Stände, so verdiente derselbe doch schon die Ehre, unter die nütz­lichen, und um die Wohlfahrt verdientesten Männer, gesetzet zu werden.“ (Görtz 1771, S. 3 f.). Zu den kritischen Punkten vgl. S. 6 f. und 12. Beide Punkte bei Basedow 1770a, S. 39 und 42. 479 Vgl. Niedermeier 1995b, Kap. 4 (Das Philanthropin und das literarische Leben in Anhalt-Dessau. Aufklärer und „Genies“: Der Kampf um das Philanthropinum); Tenorth 2000, S. 80 ff. sowie hier das vorige Kapitel.

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seiner offenbar in Weimar gemachten Erfahrung, dass der Gehorsam darunter leide, wenn Prinzen merkten, „daß man sich nach ihnen so viel richte, daß es auf ihre Neigung ankomme, wann sie still sitzen sollen“.480 Während er hier noch wie Basedow annimmt, dass der nötige Gehorsam zu erhalten sei, wenn „die Stunden gut abgetheilt sind, wenn auf eine ernsthafte Stunde Leibesbewegung folgt, wenn die erwehlten Lehrer die Fähigkeit besitzen, ihren Unterricht angenehm zu machen“, räumt er an späterer Stelle ein, dass zur Umsetzung dieser Idealerziehung auch in Weimar nicht die nötigen gesellschaft­lichen wie persön­lichen Voraussetzungen vorhanden seien:481 Sie sagen, Basedow verlangt so vieles, was nach unserer heutigen Einrichtung der Höfe, nicht mög­lich ist, und dieses übergehen Sie mit Stillschweigen. Ja, mein Freund, ich wolte ja nicht Basedowen zeigen, was nach denen GrundSätzen der meisten Höfe unmög­ lich ist, sondern nur das, was ich unter seinen GrundSätzen, für nicht vortheilhaft für die Erziehung der Printzen hielte. Und da ich noch selbst mit diesen kummervollen Geschäfte beladen bin, kan ich da wohl es wagen, Umstände, vielleicht Geheimnisse zu verrathen, die Pflicht und Neigung mir auflegen, ewig zu verschweigen?

Obwohl Görtz keine Mittel gefunden hat, diesen grundlegenden und Carl Augusts Leben als Fürst prägenden Konflikt zwischen Hofbedingungen und aufklärerischen Lebensvorstellungen konstruktiv zu lösen, hat der Versuch der Erziehung Carl Augusts gemäß der philanthropistischen Theorie Früchte getragen. Vergleicht man Basedows Vorstellungen, zu w ­ elchen ‚Tugenden‘ ein künf­tiger Regent erzogen werden solle, mit dem, was aus Zeugnissen von Zeitgenossen und von Carl August selbst über dessen Verhalten und Charakter hervorgeht, finden sich auffällige Gemeinsamkeiten, die vermuten lassen, dass Görtz dem Erbprinzen erfolgreich bestimmte Werte eingeprägt hat. Orientierungspunkt scheinen dabei Basedows Vorstellungen von den „eigent­lichen Regententugenden“ gewesen zu sein, die sich in seinen Anmerkungen zur Erziehung und zum Unterricht von Prinzen im Methodenbuch finden:482 Diese sind, zärt­liche Menschenliebe, ohne unfürst­liche Weichherzigkeit, – anständige Zuversicht in dem fürst­lichen Umgange mit allerley Ständen, – die Gewohnheit, nichts Wichtiges ohne Rath, und wider seine Einsicht, aus Gunst oder Scheu für jemanden,

480 Görtz 1771, S. 10 f. 481 Ebd., S. 17 f. 482 Basedow 1770a, S. 55.

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vorzunehmen, – die weise Vertheilung, Vermischung und Abwechslung der Geschäfte, – und end­lich Fertigkeit in der Kunst zu regieren.

Dass Carl August zu ‚zärt­licher Menschenliebe‘ fähig war, daran zweifelte niemand; Wieland war sogar bereit, „für sein Herz [zu] bürgen“.483 Louise ­Gräfin von Stolberg schrieb 1784 an ihren Bruder, der Herzog sei „freund­lich und natür­lich und gut in mancher Absicht. Pour un prince c’est un ange…“, und auch Madame de Staël bescheinigte ihm „Güte und Herzenseinfalt“.484 Dazu kommt, dass Carl August, wie von Basedow gefordert, „Zuversicht in dem fürst­lichen Umgange mit allerley Ständen“ zeigte, d. h. in einem offenen und freund­lichen Verhältnis zu seinen Untertanen stand – wahrschein­lich sogar in einem besseren als zum Hofadel.485 Er setze „sich mit allen Menschen parallel“, berichtete Johann Kaspar Riesbeck 1784, und die Gräfin Stolberg schrieb, dass er „sehr geliebt von den Leuten“ und sehr „populär“ sei; er nehme „sich ihrer bei jeder Gelegenheit an, die Bauern suchen ihn auf der Promenade auf und sprechen mit ihm“.486 Es ist außerdem bekannt, dass Carl August keinen falschen Stolz hatte, Rat zu suchen. Allerdings ist die Grenze zwischen Ratsuche und der Flucht vor Verantwortung hier nur schwer zu ziehen, da ihm die Sicherheit in der „Kunst des Regierens“ lange fehlte, zu der sich Basedow nur sehr vage geäußert hat. Sie bestehe „in der Fertigkeit Menschen zu kennen, in der Weisheit der Gesetzgebung und des Rechtsprechens, in dem Gebrauche des öffent­lichen 483 „Man mache aus ihm einen aufgeklärten Fürsten, so will ich für sein Herz bürgen…“ Wieland an die Herzogin Anna Amalia. [Erfurt,] 22. März 1772 (Bergmann (Hg.) 1933, S. 7). 484 Louise Gräfin zu Stolberg an ihren Bruder, den Grafen Johann Ludwig Reventlow, und dessen Gattin Anna Sibylla. Dessau, 13. September [1784] (Bergmann (Hg.) 1933, S. 38); Frau von Staël an Jacques Necker, ihren Vater. [Weimar,] 25. Dezember [1803] (ebd., S. 60). 485 Vgl. Ventzke 2002, S. 228; Kreutzmann 2008, S. 247 f. 486 Riesbeck 1784, S. 35; Louise Gräfin zu Stolberg an ihren Bruder, den Grafen Christian Ditlev Frederik Reventlow, und dessen Gattin Sophie Frederikke Louise Charlotte. Weimar, 17. Mai 1792 (Bergmann (Hg.) 1933, S. 41). Vgl. Basedows Forderung: „Die anständige Zuversicht in dem Umgange mit allerley Menschen wird dem Könige oder Fürsten nicht fehlen, wenn Sein Verstand, von Jugend auf, mit der nöthigen Erkenntniß erfüllet, und wenn Menschenliebe Seine Hauptneigung geworden ist. Zu dieser besondern Absicht aber ist es doch nütz­lich, wenn der Prinz, von Jugend auf, in jeder Woche angewöhnt wird, Menschen von allerley Ständen, sowol einzeln, als in grossen Haufen, zu sehn, und mit Einigen davon zu sprechen.“ (Basedow 1770a, S. 57).

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Schatzes, und in der Einrichtung des Militärwesens“.487 Als Voraussetzung für die „Weisheit der Gesetzgebung“ sieht Basedow allerdings nur „Menschenliebe“ und „genaue […] Landeskenntniß“.488 Doch obwohl Carl August durch Görtz’ Erziehung und die gemeinsamen Ausflüge mit Goethe über beides in hohem Maße verfügt haben dürfte, stellte sich die „Weisheit der Gesetz­gebung“ bei ihm nicht ein. Vielmehr erwies sich sein politisches Handeln in den ersten Jahrzehnten seiner Herrschaft als inkonsequent und glücklos; erkennbar die Lebenslage seiner Untertanen sowie die Finanzen seines Staates zu verbessern, gelang ihm trotz seines guten Willens lange Zeit nicht. In der Außenpolitik, in der er sich mit voller Kraft engagierte, scheiterte er immer wieder; für die Innenpolitik, konstatiert Ebersbach, fehlte ihm lange Lust und Glück – seine „quirlige Natur“ habe sich nicht „mit der Trägheit des übernommenen Beamtenapparates in Einklang“ bringen lassen; für den „Alltag des Regierens“ habe ihm die „Geduld“ gefehlt.489 Zwar waren die Voraussetzungen dafür auch wenig motivierend, da sein Land arm, rückständig und zerstückelt war, aber der Grund für Carl Augusts wenig bemerkenswerte Regierung wird in der Forschung im Allgemeinen in der Persön­lichkeit Carl Augusts gesehen. Unzufriedenheit mit dem Charakter Carl Augusts scheint auch ein wesent­ liches Motiv für Anna Amalia gewesen zu sein, dem Drängen ihres Sohnes nachzugeben und den schon berühmten, den Philanthropismus ebenfalls unterstützenden Wieland als seinen Lehrer zu berufen.490 Das Angebot, „einen jungen Souverain bilden zu helfen“,491 lockte Wieland tatsäch­lich an den Weimarer Hof, sicher nicht zuletzt, weil der Erbprinz ihn mit der begeisterten Willensbekundung warb, ihm „die Last unserer Instruktion so viel als nur mög­lich zu erleichtern“.492 Er wolle, so schrieb Carl August in seinem Brief an Wieland, mit der Hilfe seines „guten und lieben Mentors alle die guten Hoffnungen“ erfüllen, ­welche dieser von ihm habe, und seine „Lande und Leute glück­lich zu machen, wie es von einem rechtschaffenen Herren verlangt werden kann“.

487 Basedow 1770a, S. 58 f. 488 Ebd., S. 59. 489 Wie nicht nur Volker Ebersbach konstatiert (Ebersbach 1998, S. 97). Ähn­lich bei Tümmler 1978, S. 30 und 64; Pöthe/Jonscher 1994, S. 345 f. 490 So schrieb er 1775 im Teutschen Merkur: „­Welcher Mensch, ­welcher Christ, ­welcher Patriot, kann einem ­solchen Institut seinen Beyfall versagen…“ (Wieland 1775, S. 150). 491 Wieland an den Grafen Görtz. [Erfurt,] 21. Juni 1772 (Bergmann (Hg.) 1933, S. 8). 492 Das und die Zitate in den folgenden zwei Sätzen: Carl August an Wieland. Weimar, 23. Juli 1772 (Carl August 1918, S. 7).

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Zudem bewies Carl August mit seiner Anrede Wielands als „Leib-­Danischmende“ schon 1772 seine Belesenheit und literarischen Interessen und ließ damit geistige Formbarkeit nach den Vorstellungen der Aufklärung erhoffen. Für Literatur zeigte sich Carl August im weiteren Verlauf seines Lebens immer offen, doch stellte es sich bald als Irrtum heraus, dass literarische Bildung seine Persön­lichkeit grundlegend verändern würde. Auch sie konnte den aus Anna Amalias Sicht zwar prinzipiell gütigen, doch oft genug „anmaßend[en], aufbrausend[en], übermäßig stolz[en], gelegent­lich hart[en]“ Charakter Carl Augusts nicht in die Bahnen einer ruhigen Empfindsamkeit lenken, die für Anna Amalia anscheinend funktionierendes Rollenmuster und akzeptable Lebensweise geworden war.493 „…in allem und vor allem Mensch“: Entfernung von der traditionellen Fürstenrolle

Carl August ist dabei ein besonders gut dokumentiertes Beispiel für das Utopische an dem in den 1770er-Jahren unter Gebildeten weit verbreiteten Menschenbild mit seinem Naturoptimismus, auf dem nicht nur der Philanthropismus beruhte. Der Glaube daran, dass es in erster Linie auf die richtigen Anlagen, guten Willen und achtsame Geduld für die natür­liche Entfaltung ankomme, damit ein Individuum produktiv seinen dann doch oft genug durch die Geburt vorgegebenen Platz in der Gesellschaft ausfüllen könne, erwies sich als Irrtum. Carl August wurden zwar immer wieder beste Anlagen bescheinigt und er zeigte tatsäch­lich ernsthaft guten Willen; dennoch wurde aus ihm kein Fürst, der die Erwartungen seines aufgeklärten Umfelds erfüllte.494 Obwohl auch Wieland sich aus den Annahmen heraus, dass Carl August die „Idee der Vervollkommnung reiz[e]“ und er die Erfüllung „der Pflichten seines Berufs“ liebe, darum bemühte, Carl August zum Widerstehen „der Versuchung seiner eigenen Leidenschaften und derjenigen, die von Andern ihm bereitet werden“, zu erziehen, blieben gerade dessen ‚Leidenschaften‘ der Hauptkritikpunkt an Carl August, nicht nur aus Sicht seiner Mutter, die ihm noch 1784 „Vagabundismus“, Ruhelosigkeit und Vergnügungssucht vorwarf.495 493 Wieland an die Herzogin Anna Amalia. [Erfurt,] 22. März 1772 (Bergmann (Hg.) 1933, S. 7). Vgl. zum hier verwendeten Empfindsamkeitsbegriff nochmals Wegmann 1988, S. 26 ff. 494 Wieland an die Herzogin Anna Amalia. [Erfurt,] 22. März 1772 (Bergmann (Hg.) 1933, S. 7). 495 Ebd. Wie aus Carl Augusts Antwort auf einen nicht erhaltenen Brief von ihr hervorgeht: „Haben Sie doch ja die Gnade und geben mir keinen Vagabundismus mehr

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Dabei legte sich Carl August nach eigenem Bekunden durchaus Zwang auf, wie er 1783 an Knebel, seinen Freund und den ehemaligen Erzieher seines Bruders Constantin, schrieb:496 Ich muß mich erstaun­lich wehren, meinem Herzen und den Leidenschaften nicht den Zügel zu lassen; es ist gar zu schwer, sich wieder in den unnatür­lichen Zustand zu fügen, in ­welchem unser einer leben muß, und an den man nur so langsam sich gewöhnt zu haben glaubt. Jede kleine Unregelmäßigkeit wirft einen so weit wieder aus seinem Rade heraus.

Dass die Erfüllung der ihm durch seine Geburt bestimmten Rolle eine dauerhafte Einfügung in einen „unnatür­lichen Zustand“ notwendig machen könnte, war für die Anhänger des Philanthropismus ein blinder Fleck – wer als Fürst geboren war, musste zugleich zum Fürsten geboren sein.497 So heißt es in den Philanthropistischen Aussichten red­licher Jünglinge von 1774 (alle vier „Jünglinge“ wirkten später am Dessauer Philanthropin), dass die Talente bei den Menschen so verteilt seien, dass jeder mit ausreichend gutem Willen die ihm „von der Vorsehung […] im grossen Plan der Glückseligkeit der empfindsamen Welt“ angewiesene „besondere Stelle“ ausfüllen könne.498 Die Aufgabe des Erziehers sei es ledig­lich, die von Gott richtig verteilten Talente zur Entfaltung zu bringen und mithin „den Menschen zum wahren Menschen“ zu bilden.499 Die philanthropistische Grundmaxime, dass „Menschen

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schuld; ich finde wahrhaftig die beste Ruhe zu Hause, und die Freundschaft und Treue, die ich da geniesse, ersetzt mir reich­lich die Vergnügungen, die man mit mancherlei Beschwer­lichkeit an fremden Orten geniesset.“ Darmstadt, den 22. Dezember [1784] (Carl August/Anna Amalia 1938, S. 54). Carl August an Knebel. Weimar, 17. August 1783 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S. 48). So liest es sich beispielsweise in einem Huldigungs- bzw. Mahnungsgedicht Wielands an Carl August von 1773: „Dir hat die Vorsicht einen Ruhm bestimmt, / Der selten – Ach! zu selten für das Glück der Welt! – / Das Loos der Fürsten ist. Du bist dazu gebohren / Ein Held – kein Held, der allzutheure Lorbeeren / Mit Thränen seines Volks, mit Bürgerblute tränkt! – / O Prinz, du bist dazu gebohren / Ein Beispiel jeder Fürstentugend / Und deines Volkes Lust zu seyn! / Ergieb Dich ganz dem gött­lichen Gedanken! / Verschmäh den Reiz der Syrenen, / An deren Klippen oft der Ruhm der Fürsten strandet!“ (Wieland 1773). Schweighäuser/Simon/Mochel/Ehrmann 1775, S. 19. Vgl. zu den Autoren (Simon, Schweighäuser, Mochel und Schmohl), die dem Straßburger Sturm und Drang nahestanden und später am Dessauer Philanthropin wirkten: Niedermeier 1995c, v. a. S. 92 f. Schweighäuser/Simon/Mochel/Ehrmann 1775, S. 44.

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wieder Menschen werden sollen“, wofür „Rücksicht auf das mensch­liche Leben überhaupt[,] und dessen wirk­liche Bedürfnisse“ genommen werden müsse, war ganz offensicht­lich auch – bei allen Einschränkungen durch die höfischen Konventionen – der leitende Grundgedanke bei der Erziehung Carl Augusts.500 So äußerte Wieland 1772 Anna Amalia gegenüber, dass bei „den Fürsten […] Alles davon ab[hängt], daß sie sich gewöhnen, nie zu vergessen, daß sie Menschen sind, und daß sie folg­lich überall Ihresgleichen erkennen“.501 Aus dem Missverständnis heraus, dass die Geburt als Fürst zwangsläufig mit den dazu notwendigen Talenten einhergehen müsse, blieb bei allem Drängen auf die Entfaltung des individuellen Charakters Carl Augusts ‚der gute Fürst‘ die zentrale Zielvorstellung bei seiner Erziehung; einen Widerspruch haben die Weimarer lange nicht wahrgenommen bzw. benannt. Auch Goethe sah in Carl August bei ihrem ersten Kennenlernen (zumindest laut seiner Schilderung in Dichtung und Wahrheit) in erster Linie den „jungen Fürsten, der den besten Willen und den festen Vorsatz hatte, an seiner Stelle entschieden Gutes zu wirken“.502 Es war deshalb wohl tatsäch­lich nicht nur die Sympathie zu Carl August, die ihn nach Weimar lockte, sondern ebenso die Aussicht, etwas bewirken zu können – die Hoffnung, dabei helfen zu können, Carl August „von der feudalen hinweg zu mensch­lich freierer Lebensgestaltung“ zu führen, „die in Goethes bisherigen dichterischen Schöpfungen schon einen so deut­lichen, um nicht zu sagen revolutionären Ausdruck gefunden hatte“, wie Hans Tümmler schreibt, etwas pathetisch an den Carl-August-Mythos des 19. Jahrhunderts anschließend.503 In dieser Deutungstradition wird es als Carl Augusts größte Leistung gewertet, dass er „in allem und vor allem Mensch“ gewesen sei, wie es in der kleinen Carl-August-Schrift des Jenaer Geschichtsprofessors und Mitherausgebers der Allgemeinen Deutschen Biographie Franz X. Wegele 1850 heißt:504

500 Campe 1777a, S. 18 und 28. 501 Wieland an die Herzogin Anna Amalia. [Erfurt,] 22. März 1772 (Bergmann (Hg.) 1933, S. 7). 502 Goethe Münchner Ausgabe 16, S. 686 f. 503 Tümmler 1978, S. 23 f. 504 Wegele 1850, S. 7. Ähn­lich bei Gustav Zeiß 1857: „Und diese Herablassung flößte auch den Ungebildeten ein s­ olches Zutrauen ein, daß sie in Carl August den Fürsten vergaßen, daß sie in Ihm nur den edlen, theilnehmenden Menschenfreund vor sich sahen und sich in ihrer naiven Eigenthüm­lichkeit offen auszusprechen wagten. Diese leutselige Herablassung, diese edle Menschenliebe war doppelt schätzenswerth, da sie mit großer Energie des Charakters und hohem Adel der Seele gepaart war. Nur das

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…da sein Name nicht nur unzertrenn­lich mit der Blüthezeit uns’rer National-Poesie verwachsen ist, sondern […] das seltene Schauspiel eines vollständig ausgebildeten Charakters gewährt, der ein lebendiges Abbild seines Zeitalters ist, den der ererbte Herzogshut nicht abhalten konnte, in allem und vor allem Mensch zu sein…

Im Erleben der mit Carl August enger verbundenen Zeitgenossen erwies sich dieses in den 1770er-Jahren unternommene Experiment des ‚Menschseins‘ allerdings schon nach wenigen Jahren als Utopie. Das ‚mensch­liche‘, die Standes­anforderungen und -grenzen verdrängende, naturnahe Zusammenleben des Fürsten mit seinen begabten und gebildeten, teils aus dem ‚Mittel­stand‘ stammenden, teils adeligen Freunden – das gemeinsame Jagen und Feiern, die Nächte am Lagerfeuer im Wald – war anscheinend schon bald für Carl Augusts bürger­liche Freunde angesichts der realen Machtverhältnisse nicht mehr haltbar.505 Zunächst ließ sich Carl August jedoch tatsäch­lich von Goethe ‚Lektionen‘ ­schicken, und dieser war begeistert von dem „glück­lichen Einfluss“, den er hier in „Freyheit und Gnüge“ und im Vertrauen auf Carl Augusts bedingungslose Freundschaft auszuüben glaubte.506 Momentaufnahmen dieses Versuchs einer nur vom Herzen bestimmten Freundschaft auf Augenhöhe zeigen zwei Briefe von Goethe und Bertuch von einem gemeinsamen Ausflug mit Carl August nach Waldeck an den Weihnachtsfeiertagen 1775, die sie an den schon abgereisten Carl August richten. Sie sind von einer Vertrau­lichkeit getragen, die schon wenige Jahre später aus den Korrespondenzen verschwinden sollte. In diesen Wochen schien frei­lich ein gemeinsames Leben in Freundschaft, Freiheit und Natur mög­lich gewesen zu sein. So schreibt Bertuch in einem erhaltenen Briefentwurf – dem „Abdruck [s]eines Herzens“ – in hochempfindsamem Duktus:507

Edle und Würdige fand bei Carl August Beifall und Werthschätzung. In allen Lagen des Lebens zeigte Carl August einen hohen Adel der Seele und ein mensch­lich fühlen­ des Herz.“ (Zeiß 1857, S. 8 f.). 505 Vgl. Sengle 1993, S. 15 f. 506 Vgl. Goethe an Carl August. Ilmenau, 4. Mai 1776 (Carl August/Goethe 1915, S. 8 f.); Goethe an Johanna Fahlmer. Weimar, 5. Januar 1776 (WA IV.3, S. 14). Goethe an Merck. Weimar, 22. Januar 1776 (Merck 2007/3, S. 615). 507 Briefentwurf von Friedrich Justin Bertuch an Carl August. Waldeck, 26. Dezember 1775. (GSA 06/1590: Bestand Bertuch – Friedrich Justin Bertuch: Eingegangene Briefe von Carl August von Sachsen-Weimar an Friedrich Justin Bertuch, Bl. 1).

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Wir alle sind hier glück­lich wie die Halbgötter […]. Unzäh­lichemal haben wir auf Ihre Gesundheit getrunken, haben’s gefühlt, haben’s uns einander mit glühendem Herzen gesagt, was es für ein Glück sey Sie Theurer, Durchlauchter Herr, so von ganzem H ­ erzen und ganzer Seele lieben zu können. Gott erhalte Sie uns und bringe Sie uns glück­lich zurück! Ich lege mich, mein geliebtes Mädchen und die Meinigen Ihnen zu Füßen, liebster, gnädigster Herr. Göthe – der uns nebst Gh. v. Kalb morgen schon verläßt – verspricht mir Ihnen diesen Brief – nicht Brief! Abdruck meines Herzens – in Erfurth schon zu übergeben. Daß er auch so glück­lich seyn soll Ihr Angesicht eher wiederzusehen als [ohne Unterschrift]

Goethe beginnt seinen Brief mit dem Zigeunerlied aus seiner Geschichte ­Gottfriedens von Ber­lichingen, mit dem er – mög­licherweise unwissent­lich – den Bezugspunkt benennt, der für Carl August offenkundig von weitaus höherer identifikatorischer Faszination war als das abstrakte und oft vage aufkläre­ rische Bild von einem ‚guten‘ Fürsten, der er nach dem Wunsch seiner Erzieher und später Goethes sein sollte.508 Gottfried von Ber­lichingen musste dem ungestümen, im Geiste einer ihn einzwängenden Empfindsamkeit erzogenen Carl August eher als zur Nachahmung geeignetes Ideal erscheinen, wird der Ritter Gottfried doch von Goethe als gerechter und treuer Kämpfer für Freiheit und allgemeine Glückseligkeit und als mutiger Selbsthelfer beschrieben. Interessant mag für Carl August darüber hinaus die Behauptung Gottfrieds gewesen sein, dass es für Menschen wie ihn – unbändige ‚Kraftmenschen‘ – immer einen Platz in der Gesellschaft gebe, mit der er sein Tun und Sein zu legitimieren sucht. Auch in einer fried­licheren und vernünftigeren Zukunft als seiner werde der „unruhigste Kopf“ – wie Gottfried, aber in seinem Selbstbild wohl ebenfalls Carl August – „zu tun genug finden“:509 Auf die Gefahr wollte Gott Teu[t]schland wäre diesen Augenblick so. Wir wollten, die Gebürge von Wölfen säubern, wollten unserm ruhig Ackernden Nachbar, einen B ­ raten aus dem Wald holen, und dafür die Suppe mit ihm essen. Wär uns das nicht genug, wir wollten uns mit unsern Brüde[r]n gleich Cherubs mit flammenden Schwertern, vor die Grenzen des Reichs gegen die Wölfe die Türcken, gegen die Füchse der Franzosen lagern, und zugleich unsers teuern Kaisers sehr ausgesetzte Länder, und die Ruhe des 508 Goethe an Carl August. Waldeck, 23. Dezember 1775 (Carl August/Goethe 1915, S. 1). Mit nur wenigen Abweichungen in Goethe Münchner Ausgabe 1.1, S. 478. Eine Distanzierung Carl Augusts von Goethes Erziehungsversuchen erkennt auch Sengle 1993, S. 64. 509 Goethe Münchner Ausgabe 1.1, S. 462 f.

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ganzen be­schützen. Das wäre ein Leben Georg, wenn man seine Haut vor die allgemeine Glückseligkeit setzte.

Die Vermutung liegt nahe, dass Carl August aus Goethes Drama Legitimation für seine zu einem aufgeklärten Fürsten nicht passende Lust an der Gefahr bezogen hat, zumal Goethe vor dem Hintergrund ihres gemeinsamen wilden Naturlebens selbst auf den Gottfried verweist. Zudem hebt das Drama darauf ab, dass Fürsten in erster Linie „mensch­liche Herzen“ bräuchten – und ein ‚mensch­liches Herz‘ hatte Carl August ja.510 Ähn­lich wie Wieland glaubte Goethe nach der Ankunft in Weimar, dass es genügen würde, Carl August zum Menschen zu erziehen, um ihn zu einem ‚guten‘ Fürsten zu machen. In diesen ersten Jahren der Freundschaft Goethes und Carl Augusts, in dieser ‚Sturm-und-Drang‘-Phase des Herzogs galt deshalb die Prämisse, dass nur das Selbst-Sein beglückend und natür­lich sei. Das war für Goethe offenbar einer der wichtigen Faszinationspunkte an Weimar. So schrieb er im Juli 1776 in einem Brief an Herder, der größte Vorzug Weimars sei, dass man sich dort nicht verstellen müsse, sondern man selbst sein könne: „das ist iezt hier Politik“.511 Carl August spricht 1777 selbst davon, „gött­lich in [s]einem Selbst gebadt“ zu haben und beneidet Charlotte von Stein darum, „auf Erden“ zu leben, „ohne andrer Existenz gewahr zu werden“.512 Goethe bedauerte ihn, weil er dem Zwang und der Künst­lichkeit des Hoflebens nicht dauerhaft entfliehen konnte, anders als er, der in seinem Gartenhaus ein gutes Leben gefunden habe. So schrieb Goethe beispielsweise in einem Brief an die Gräfin Stolberg im Mai 1776: „Dadrüben auf dem Schlosse sah ich viel Licht 510 Gottfried: „Wenn sie das Übermaß von Wonne fühlen werden in ihren Unterthanen Glück­lich zu sein. Wenn sie mensch­liche Herzen genug haben werden um zu schmecken, w ­ elche Seligkeit es ist ein großer Mensch zu sein. Wenn ihr wohl gebautes Gesegnetes Land, ihnen ein Paradies gegen ihre steife gezwungene einsiedlerische Gärten scheint.“ (Goethe Münchner Ausgabe 1.1, S. 462). Es lässt sich vor d ­ iesem Hintergrund vermuten, dass Carl Augusts Literaturförderung nicht so selbstlos zu verstehen ist, wie das 19. Jahrhundert sie verstanden hat, sondern dass sie darin wurzelte, dass Literatur auch für Carl August – zumindest in seinen jungen Jahren – ‚Lebensführungsmacht‘ gewesen ist. Es ist offensicht­lich, dass er in ihr Ansatzpunkte für die Arbeit an seiner Identität als Fürst gesucht hat, weil er weder am Weimarer Hof noch an anderen Höfen Vorbilder fand, die mit seinem Selbstgefühl zusammenstimmten (vgl. Mix 2004 und hier Kap. 4.4. Abschnitt: Das bleibende ‚Programm‘, in dem es um Pücklers literarische Orientierungen geht). 511 Goethe an Johann Gottfried Herder. Weimar, 5. Juli 1776 (WA IV.3, S. 80). 512 Carl August an Charlotte von Stein. Juli 1777 (Carl August 1918, S. 18 f.).

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indess ich nach Einem Funcken schnappte, und wusste doch dass der Herzog gern mit mir getauscht hätte, wenn er’s in dem Augenblick hätte wissen können.“ 513 An Carl August selbst schrieb er schon im Dezember 1775:514 Gehab dich wohl bey den hundert Lichtern Die dich umglänzen Und all den Gesichtern Die dich umschwänzen Und umkredenzen. Findst doch nur wahre Freud und Ruh Bey Seelen grad und treu wie du.

„[W]ahre Freud und Ruh / bey Seelen grad und treu wie du“ – diese Wendung fasst die zentralen Ideen von empfindsamer und philanthropistischer Utopie zusammen, ihre Vorstellungen von Glückseligkeit und Zufriedenheit, von Wahrhaftigkeit, Ehr­lichkeit, Unmittelbarkeit und zärt­licher Liebe.515 Wie gezeigt, erwies sich das als Irrtum, da Carl August zwar als Mensch bzw. als ‚Seele‘, aber nicht als Politiker überzeugen konnte. Als Menschen haben anscheinend auch seine Untertanen ihn gemocht; unter seiner politischen Unfähigkeit haben sie jedoch nicht selten gelitten.516 Entsprechend desillusioniert über das Glücks- und Heilsversprechen des Selbst- und Menschseins zeigte sich Goethe bald. So schrieb er im März 1781 an Charlotte von Stein von seiner Enttäuschung über die sich nicht erfüllenden Versprechen im Charakter Carl Augusts:517 Mich wundert nun gar nicht mehr daß Fürsten meist so toll, dumm, und albern sind. Nicht leicht hat einer so gute Anlagen als der Herzog, nicht leicht hat einer so viel verständige und Gute Menschen um sich und zu Freunden als er, und doch wills nicht nach Proportion vom Flecke, und das Kind und der Fischschwanz gucken eh man sich’s

513 514 515 516

Goethe an Auguste Gräfin zu Stolberg. Weimar, 20. Mai 1776 (WA IV.3, S. 68.). Goethe an Carl August. Waldeck, 23. Dezember 1775 (Carl August/Goethe 1915, S. 3). Vgl. Sengle 1993, S. 15 f. So ist beispielsweise belegt, dass Carl August mehrfach beim Löschen von Bränden selbst mit Hand anlegte; die Einrichtung einer funktionierenden Feuerwehr und der Erlass von effektiven Brandschutzverordnungen gelangen ihm jedoch nicht (vgl. Ventzke 2002). 517 Goethe an Charlotte von Stein. Neuheiligen, 10. März 1781 (GSA 29/488 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 26).

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versieht wieder hervor. Das größte Übel habe ich auch bemerckt. So passionirt er fürs gute und rechte ist, so wirds ihm doch weniger darinne wohl als im unschick­lichen, es ist ganz wunderbaar wie verständig er seyn kan, wieviel er einsieht, wieviel kennt, und doch wenn er sich etwas zu gute thun will so muß er etwas Albernes vornehmen, und wenns das Wachs­lichter zerknaupeln wäre. Leider sieht man daraus daß es in der ­tiefsten Natur steckt, und daß der Frosch fürs Wasser gemacht ist wenn er gleich auch eine Zeitlang sich auf der Erde befinden kann.

Goethe hatte sich also 1775 in seiner Einschätzung von Carl August geirrt. Da es nicht in der Natur Carl Augusts lag, ein vernünftiger Herrscher zu werden, konnte ihn auch kein nur auf achtsame Begleitung setzender Erziehungsplan dazu machen – das scheint Goethe spätestens 1781 klar geworden zu sein. Wie Wieland hatte er zunächst nur den guten Willen des Erbprinzen wahrgenommen, auf ihm seine Hoffnungen aufgebaut und dabei ignoriert, dass Carl Augusts Ungeduld, seine Vorliebe für körper­liche Betätigung, für Gefahren und Abenteuer, für Dramatik und Heldentum den Notwendigkeiten einer zeitgemäßen, sich bürokratisierenden Regierung entgegenstanden. Für diesen Konflikt gibt es eine Reihe von Quellen; besonders deut­lich macht es 1793 der Weimarer Geheimrat Christian Friedrich Schnauß, als er den im Lager weilenden Herzog inständig bittet, „nicht so sehr nach ausgezeichnetem Ruhm und Ehre zu geizen, sondern sich von Ihrer Berufsarbeit und bekannten Diensteifer begnügen zu lassen“, da er Fürst sei und nicht ‚Held‘.518 Der 518 Das und das Folgende: Christian Friedrich Schnauß an Carl August. Weimar, 1. April 1793 (Carl August u. a. 1958/2, S. 58). Ein Brief des Weimarer Kammerpräsidenten Johann Christoph Schmidt an den Weimarer Rat Christian Gottlob von Voigt bezeugt, wie sehr Carl Augusts militärisches Engagement mit seiner Unlust zu Regierungsgeschäften zusammenhing: „Bedauern Sie mich, liebster Freund, wegen der Lage, worin ich mich hier befinde. Ich bin Tag und Nacht gefahren, um hierher zu kommen, bin nun 8 Tage hier und habe bis jetzt nicht mehr als eine einzige Viertelstunde Zeit gewinnen können, um mit dem Herzog von Geschäften sprechen zu können. Ich steige des Morgens bei Licht auf, ziehe mich eilfertig an, gehe von freien Stücken zu ihm, oder er läßt mich rufen. Ich komme in sein Quartier, er läßt sich frisieren, ankleiden, liest eine halbe Stunden lang im Moniteur, gibt ihn mir zu lesen; Besuche strömen herzu; die Zeit verfließt, es schlägt elf oder gar zwölf, und ich retiriere mich, töd­lich ermüdet vom Stehen. Von Geschäften kein Wort, ob ich gleich auf jeden leeren Augenblick passe, um davon anzufangen; aber nie dauert ein s­ olcher Augenblick auch nur so lange, daß er mir antworten könne. So geht es des Morgens und so des Abends, ob ich ihn gleich des Abends nur selten habhaft werden kann. Andern, die mit dem Herzog zu tun haben, geht

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Beruf eines ‚Helden‘ sei es zwar, Gefahren zu trotzen – als Herzog setze sich Carl August diesen jedoch „ohne Not“ aus, „bloß um andere zu übertreffen und ein größeres Stück vom Lorbeerkranz zu erringen“. „Regieren!!“: Notwendigkeit der Vermittlung von Selbst und Rolle

Weder Wieland noch Goethe wussten ein Mittel gegen Carl Augusts fehlende Begabung als Fürst – außer ihn wiederholt an seine Aufgaben und an das Vertrauen und die Liebe zu erinnern, die ihm von den besten Menschen entgegengebracht würden und die er gegebenenfalls verlieren könnte. Das hat Carl August indes wohl erst recht aus Weimar zu Fürstenbundverhandlungen, ins preußische Militär oder in den Krieg fliehen lassen, wie Sengle vermutet.519 Goethe sah nach 1780 zwei Optionen, um seine Vorstellung vom ‚guten‘ Fürsten aufrechtzuerhalten. Zum einen hielt er daran fest, dass ein Fürst durch Anlagen, Willen und Bildung ‚gut‘ werden könnte, wie er es vom offensicht­lich begabteren gothaischen Prinzen August erwartete, an dem er Carl August maß. Carl August sei, so schrieb Goethe 1782 an Charlotte von Stein, zwar „wacker“, doch er lasse „durch seine Unarten das Gesellige Leben gerinnen“ und mache es mit seiner „unaufhaltsame[n] Waghalsigkeit“ schwer, teilnehmend geliebt zu werden. August sei dagegen, „auserordent­lich bescheiden, bey sehr richtigem Gefühl, und hat keine fürst­lichen Queeren“:520

es nicht besser. Ob die fatale Campagne ihm die trockenen Regierungsgeschäfte verleidet hat, oder ob seine Aufmerksamkeit anjetzt zu sehr auf das große, weitumfangende Interesse der Welthändel im Ganzen geheftet ist, als daß sich s­ olche auf die in Vergleichung mit jenen sich verkleinernden Gegenstände, die ich mit ihm abzuhandeln habe, richten könne, mag der Himmel wissen.“ Johann Christoph Schmidt an Christian Gottlob von Voigt. Frankfurt am Main, 5. Januar 1793 (Carl August u. a. 1958/2, S. 47). 519 „Eine andere Frage ist, ob es nicht gerade ­solche Ermahnungen des von der fürst­ lichen Familie favorisierten ehemaligen Freundes waren, die dem leidenschaft­lichen und ehrgeizigen Herzog sein kleines Fürstentum verleideten und ihn in die Arme der den Fürstenbund planenden Fürsten trieben; denn dort war er der souveräne Fürst unter souveränen Fürsten. Dort musste er es sich nicht immer anhören, wie ein ­idealer Fürst aussieht.“ (Sengle 1993, S. 64). 520 Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 27. August 1782 (Goethe 1908, S. 80); Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 24. September 1782 (GSA 29/489 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 92).

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Ich bin ihm herz­lich gut und wollte er wäre unser, es wär ihm nütze und uns auch. Er hat die Kenntnisse und das Interesse das unsern fürstl. Personen fehlt, um das in Bewegung zu sezen und zu erhalten, was so reich­lich bey uns vorräthig ist, und was auserdem ieder für sich behält.

Zum Zweiten entwickelte er eine zweite Vorstellung davon, wie ein Fürst ‚gut‘ werden könnte: Näm­lich durch eine intensive und disziplinierte Bearbeitung der eigenen Natur. Dass das volle und unbegrenzte Ausleben der eigenen Natur nicht zur Bewältigung gegebener Aufgaben befähigt, hatte Goethe an sich selbst bemerkt, wie sein oft, aber meist zu kurz zitierter Tagebucheintrag vom 8. Oktober 1777 über das „Regieren!!“ zeigt, der bisher eher als positive – von Greiling sogar als „enthusiastisch[e]“ – Einstellung zur Politik gedeutet wurde.521 Goethe befand sich mit Carl August auf einer vierwöchigen Reise in die Eisenacher Gegend (7. September bis 10. Oktober 1777), die neben Vergnügungen eine Reihe von politischen Verhandlungen mit den anderen thürin­ gischen Herzögen und damit längere Hofaufenthalte mit sich brachte. Diese waren anscheinend ein Grund für die Niedergeschlagenheit, von der Goethes Tagebuch in diesen Wochen immer wieder berichtet. So heißt es darin etwa, er leide unter der „Armuth des Hof Treibens, überhaupt der Sozietät“, der er sich immer wieder aussetzen musste.522 Der Selbstverpflichtung auf das „Regieren“ geht die Klage voran, für das Hofleben und die „Sozietät“ nicht geschaffen zu sein (die sich beim Regieren allerdings nicht vermeiden ließen):523 Mein Zahn der sich wieder meldt hindert mich am Tanzen, die Klufft zwischen mir und denen Menschen allen fiel mir so grass in die Augen, da kein Vehikulum da war. Ich musste fort, denn ich war ihnen auch sicht­lich zur Last. Ins Herzogs Zimmer! konnts nicht dauern, sah den Mond über dem Schlosse und herauf. […] Unten hatte ich heute ein Heimweh nach Weimar nach meinem Garten, das sich hier schon wieder verliert. – Gern kehr ich doch zurück in mein enges Nest, nun bald in Sturm gewickelt, in Schnee verweht. Und wills Gott in Ruhe vor den Menschen mit denen ich doch nichts zu theilen habe. Hier hab ich weit weniger gelitten als ich gedacht, bin aber in viel Entfremdung 521 Johann Wolfgang Goethe: Tagebucheintrag vom 8. Oktober 1777 (Goethe 1998, S. 50). Vgl. Ebersbach 1998, S. 98; Greiling 1999, S. 131. Als ‚emphatisch‘ verstehen auch Stammen und Ebersbach den Eintrag (Stammen 1999a, S. 85). 522 Goethe, Tagebucheinträge vom 7. und 8. Oktober 1777 (Goethe 1998, S. 49). 523 Ebd., S. 50. ♃ = astronomisches ­Zeichen für Jupiter = Goethes Symbol für Carl August.

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bestimmt, wo ich doch noch Band glaubte. ♃ wird mir immer näher und näher u Regen und rauher Wind rückt die Schaafe zusammen. – – Regieren!!

Er versteht sich und Carl August hier also als Leidensgenossen von einer Art – nicht als Schaf und Schäfer oder Ähn­liches beschreibt er sich und ihn, ­sondern gleichwertig als Schafe, die beim Unwetter Schutz und Kraft beiein­ander suchen. Dieses Bild verweist allerdings auch auf die Passivität und Schwäche, die Carl Augusts Herrschaft und den sich dem herzog­lichen Freund verpflichtenden Goethe lähmte. Als Wiederkäuen mag Goethe das viele Reden über gute Vorsätze und Ziele empfunden haben, dem so wenige Taten folgten. Schon im Januar 1776 witzelte er in einem Brief an Charlotte von Stein, er sei „von oben biss unten nichts als gute Vorsäze, klingts doch fast als wär ich ein iunger Herzog“.524 Die Erkenntnis, dass die ‚Vermensch­lichung‘ Carl Augusts, die er selbst mit befördert hatte, zwar privat sehr angenehm war, jedoch ­dessen Unfähigkeit zum Regieren wohl verstärkt hatte,525 machte ein stärkeres Engagement Goethes erforder­lich. Dieses empfand er allerdings zunächst als ebenso bedrückend und einschränkend, weil auch seiner eigenen Natur nicht entsprechend, wie Carl August. In seinem sechs Jahre später verfassten Ilmenau-Gedicht (Ilmenau. Am 3. September 1783) zeigt Goethe aber eine grundlegend veränderte Haltung zur Frage des fürst­lichen ‚Selbstseins‘. Obwohl Goethe in den 1770er-Jahren zunehmend deut­licher gesehen hatte, dass es Carl August an den Eigenschaften für einen guten Regenten fehlte, setzt er hier nun doch wieder auf die Mög­ lichkeit persön­licher Reifung – Carl August werde sich schon noch zu einem guten Herrscher entwickeln, „die Jahre“ ihm „die rechte Richtung seiner Kraft“ geben und sich die „Neigung fürs Wahre“ schließ­lich durchsetzen. Als Leitbild formuliert Goethe hier aber nicht mehr das unbedingte Sichselbst-Leben, sondern die Beachtung der „Pflichten seines Standes“, zu denen gehöre, dass Carl August rational („kalt sich selbst und seinem Willen“ lebend)

524 Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 15. o. 16. Januar 1776 (GSA 29/486 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 6). 525 Vgl. dazu eine in Hinblick auf den Konflikt von Privatvergnügen und Regierungsverpflichtungen sehr aussagekräftige Quelle im Goethe-und-Schiller-Archiv, Bestand Bertuch, von Carl August: „Ich komme nicht um Mittag wieder, schickt, u. fertiget alle Suplicanten ab w ­ elche nicht bis Nachmittag warten wollen. Lebt wohl, ich habe mich verführen laßen u. bin mit Fischer (?) geritten. Lebt wohl. C. A. (ohne Datum)“ (GSA 06/1593: Bestand Bertuch – Friedrich Justin Bertuch: Eingegangene Briefe von Carl August von Sachsen-Weimar, Bl. 17).

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und konsequent („nicht schwankend“) regiere.526 Wie Sengle plausibel argumentiert, zeigt das Ilmenau-Gedicht ein „Wunschbild“.527 Dieses ist jedoch nicht als erkenntnismäßiger Rückschritt zu verstehen, denn es beruht auf der von Goethe selbst in den Jahren vor der Entstehung des Gedichts gemachten Erfahrung, dass Beschränkung, Disziplin und die Unterordnung unter zunächst unliebsam erscheinende Aufgaben doch befriedigend sein und die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten und Persön­lichkeit befördern könne, statt sie nur zu beschneiden. Goethe hofft hier also, dass Carl August gleichfalls entdecken werde, dass Selbstdisziplin und Pflichterfüllung befriedigender sind als nutzlos-hedonistisches Sich-selbst-Leben. Das von Carl August Mitte der 1770er-Jahre unternommene, von Görtz und Wieland vorbereitete und von Goethe beförderte Experiment eines ‚mensch­ lichen‘ Lebens und Selbstseins hatte auch noch eine andere Schattenseite, da es beinahe sofort zu Konflikten mit Carl Augusts eigent­licher gesellschaft­licher Sphäre, dem Hof, führte. Angesichts der starken hierarchischen Prägung der Höfe auch im 18. Jahrhundert und dem nur durch Disziplin und Anpassung an bestimmte Verhaltens- und Lebensregeln zu unterdrückenden Konfliktpotenzial musste Carl Augusts ‚unhöfisches‘ Leben als bedroh­liche Provokation der Ordnung wahrgenommen werden.528 Hatte Goethe Anfang 1776 in der sich in bösen Gerüchten entladenden Spannung zwischen Hof und Selbstsein-Projekt nur einen Ausdruck von Neid und Eifersucht der Höflinge gesehen, die es nicht vertragen könnten, dass der Herzog „ihnen nicht nach der Pfeife tanzt“,529 zeugt der Tagebucheintrag vom „Regieren!!“ von der wachsenden Erkenntnis, dass das naiv-ungestüme Wegfegen von Standesgrenzen und Rollenmustern ihn und 526 Johann Wolfgang Goethe: Ilmenau, am 3. September 1783 (WA I.1, S. 141 – 147, hier S.  145 – 147). 527 Sengle 1993, S. 58. 528 Bekanntestes Zeugnis dafür ist Friedrich Hildebrand von Einsiedels Schreiben eines Politikers an die Gesellschaft vom 6. Januar 1776, also nach nicht einmal zweimonatiger Anwesenheit Goethes: „…Aber wär’ ich der Herr im Land, / Würd’ er und all sein Zeugs verbannt. – / Nun denk’ man sich ’nen Fürstensohn, / Der so vergißt Geburt und Thron, / Und lebt mit s­ olchen lockern Gesellen, / Die dem lieben Gott die Zeit abprellen, / Die tun, als wär’n sie seines Gleichen, / Ihm nicht einmal den Fuchsschwanz streichen, / Die des Bruders Respekt so ganz verkennen, / Tout court ihn Bruderherz tun nennen, / Glaub’n, es wohne da Menschenverstand, / Wo man alle Etikette verbannt.“ (Einsiedel 1776). Wie noch zu zeigen sein wird, hat Goethe das „Zeit abprellen“ später selbst kritisch gesehen. Vgl. Kreutzmann 2008, S. 247 f.; Ventzke 2004, S. 42 ff.; Hahn 2008, S. 57 f. 529 Goethe an Johanna Fahlmer. Weimar, 19. Februar 1776 (WA IV.3, S. 30).

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Carl August in eine prekäre und durchaus gefährdete Situation gebracht hatte. Goethes Bild von den zwei Schafen, die beieinander Schutz gegen Wind und Wetter suchen, beschreibt auch das gemeinsame Leiden an der Isoliertheit ihrer Lage:530 Beide entfremdeten sich – vor allem durch ihre aus den gesellschaft­ lichen Normen der Residenzstadt Weimar ausbrechende Freundschaft – den Werten und Konventionen der jeweiligen ständischen Lebenswelt, in die sie geboren waren, ohne dass es ihnen gelang, tatsäch­lich einen neuen gemein­ samen ­sozialen Ort für sich zu schaffen. Carl August fühlte sich in der Hofwelt eingeengt; er litt unter dem „unnatür­lichen Zustand“, in dem er als Herzog leben musste und dem er oft genug entfloh.531 Anders als Leopold Friedrich Franz hatte er allerdings anscheinend nie die Idee, sich zu privatisieren, wahrschein­lich weil es ihm angesichts der zerrütteten Finanzen kaum mehr Freiheit gebracht hätte. Zudem mag es seinem durchaus vorhandenen Verantwortungsgefühl widersprochen haben, seinem ebenso wenig fürs Regieren talentierten Bruder Constantin die Herrschaft zu überlassen. Auch dass er so offensicht­lich (wie bei seinen verschiedenen Erbfolgeprozessen) einem fürst­lichen Selbstbewusstsein verhaftet blieb, ist auf seine Überzeugung von der Richtigkeit absolutistischer Herrschaft zurückzuführen, so wenig er sich zu der damit verbundenen Arbeit hingezogen fühlte.532 Auf der anderen Seite stand Goethe, der Sohn eines selbstbewussten Stadtbürgers, der sich durch seine Freundschaft mit einem Fürsten und seine Übernahme wichtiger politischer Positionen am Hof ebenfalls in eine spannungsreiche Situation gebracht hatte.533 Sich in das Hofleben einzufinden, fiel ihm lange Zeit schwer, wie aus verschiedenen Quellen hervorgeht. So erinnert sich beispielsweise 530 Goethe, Tagebucheintrag vom 8. Oktober 1777 (Goethe 1998, S. 50). 531 Carl August an Knebel. Weimar, 17. August 1783 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S. 130 ff.). Vgl. Hahn 2001, S. 51; Kreutzmann 2008, S. 251; Klauß 1991, S. 16. 532 Vgl. seine Äußerungen zur Franzö­sischen Revolution, wie bspw.: „Je mehr ich hier bin, höre und sehe, je mehr überzeuge ich mich, daß es, da die Sachen einmal so weit gekommen waren, ein wahres Glück ist, daß die großen Mächte der Anarchie, ­welche gewiß der ganzen Menschheit drohete, den Kopf abbeißen; es ist unglaub­ lich, wie sehr der Mittelstand in allen Ländern von dem Schwindelgeiste und von der Sucht, unter mora­lischen Vorspiegelungen, Scheingründen, poetischen Träumen sich zu den Herren der Schöpfung machen zu wollen, angesteckt sind [!]…“ Carl August an Voigt. Im Lager bei Rübenach, 27. Juli 1792 (Carl August u. a. 1958/2, S. 36). Vgl. Ebersbach 1998, S. 170; Hahn 2001, S. 54 f.; Klauß 1991, S. 51. 533 Vgl. Maurer 1999; Müller 2009, v. a. S. 66 ff.; Stammen 1999b, S. 26. In Hinblick auf Goethes von der politischen Arbeit eingeschränkte literarische Produktion vgl. Wild 1996, S. 148 ff.

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der Weimarer Kammerherr Karl von Lyncker, dass Goethe „in seinen steifen Bewegungen noch gar nicht für den Hof geeignet schien und statt der herkömm­ lichen Komplimente nur ganz kurze Kopfnicker zu machen pflegte“.534 Vor ­diesem Hintergrund lässt sich die von Carl August in dieser Zeit gegenüber Charlotte von Stein geäußerte Idee, „daß alle Leute mit Anstand mit Manieren nicht den Namen eines ehr­lichen Mannes tragen könten“, nicht nur als jugend­liche Rebellion interpretieren (die durch ein Zuviel an gut gemeinter Erziehung provoziert gewesen sein könnte), sondern vielleicht auch als ein Entgegenkommen für den mit dem Hofverhalten unvertrauten Goethe.535 Dieser beriet sich ebenfalls mit Charlotte von Stein über „Betragen, Lebensart, Anstand und Vornehmigkeit“ und versuchte, das ihn immer wieder exkludierende Geheimnis des höfischen Habitus zu verstehen:536 Den sogenannten Weltleuten such ich nun abzupassen worinn es ihnen denn eigentl. sizt? Was sie guten Ton heisen? Worum sich ihre Ideen drehen, und was sie wollen? und wo ihr Creisgen sich zuschließt? Wenn ich sie einmal in der Tasche habe werd ich auch dieses als Drama verkehren.

Die Wendung, sich nur aus literarischen Interessen und nicht etwa aus Verun­ sicherung mit diesen Fragen zu beschäftigen, ist dabei eine wohlbekannte, später auch von Pückler angewandte Strategie – als Autor konnte er Souveränität und Macht über die höfische Gesellschaft erringen, in der er sonst oft Außenseiter war.537 Weil das Sprechen über (autonom ästhetisch aufgefasste) Literatur und Kunst eine unverfäng­liche Kommunikation mög­lich machte, blieb Literatur (und Kunst) auch ein wichtiges Band der nach 1780 abkühlenden Freundschaft zwischen Goethe und Carl August.

534 Lyncker 1912, S. 54. 535 Charlotte von Stein an Johann Georg Zimmermann. Weimar, 8. März 1776 (Goethe 1908 S. 428). 536 Goethe an Charlotte von Stein. Gotha, 31. März 1782 (GSA 29/489 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 36; Goethe an Charlotte von Stein. Homburg, 3. Januar 1780 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 44). 537 So schrieb er beispielsweise über die höfische Konversation, dass sich die „Prinzen und Prinzessinnen […] immer etwas zu sagen“ hätten, während „uns andern“ die Unterhaltung „bey gewissen Umständen schwer“ falle, weshalb er ­solche gesellschaft­lichen Anlässe gern meide – in dem Bewusstsein, dass das „nicht von der sichersten Lebensart“ zeuge. Goethe an Charlotte von Stein. Tiefenort, 6. April 1782 (GSA 29/489 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 40).

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Goethe empfand es also zunächst als sehr schwierig, die ‚Weltrolle‘ zu lernen, und trotz schließ­lich erfolgreicher Adaption blieb für ihn der Konflikt zwischen Mensch und Rolle, zwischen dem Streben nach individueller Entfaltung und der Macht von (durchaus notwendigen) Konventionen sowie zwischen bürger­ licher und höfischer Lebenswelt lange spannungsreich.538 So kontrastiert er noch im Ilmenau-Gedicht „Freiheit sonder Zwang, / Stolz auf sich selbst und herz­liches Behagen“ mit ‚künst­lichem Betragen‘ – nicht realisierend, dass das ‚herz­liche Behagen‘ kein anthropolo­gischer Grundwert, sondern bürger­liche Lebensvorstellung war.539 Goethe sieht hier jedoch nicht ein bürger­liches, sondern ein ‚mensch­liches‘ Leben als Gegenentwurf zum höfischen. Aus dem Glauben an die Mög­lichkeit von gesellschaft­lich nicht vorgeprägten und -geordneten s­ozialen wie realen Räumen heraus setzte er sich zuerst für eine häufigere Nutzung des Ilmtals und später für seine Umgestaltung zu einem Park ein, wie im zweiten Teil dieses Kapitels genauer diskutiert wird. 538 Besonders anstrengend waren für Goethe die Besuche am Berliner Hof, der weitaus größer war als der Weimarer und an dem das alte Konzept des intriganten, berechnenden Hofmanns offenbar noch viel Gültigkeit hatte, das an den kleineren Höfen wie dem Weimarer, dem Dessauer oder auch dem Gothaer zunehmend vom empfindsamen Verhaltensideal verdrängt wurde. So schrieb er an Charlotte von Stein: „ie gröser die Welt desto garstiger wird die Farce“. Er klagte, wie ihm dort „die Blüte des Vertrauens der Offenheit, der hingebenden Liebe täg­lich mehr“ welke, wie „eiserne Reifen“ sein Herz mehr und mehr schützten, aber auch vom mensch­lichen Leben abschotteten. 1782, schon geübter in der ‚Weltrolle‘, berichtete er Charlotte von Stein von dem den Weimarer Hof besuchenden Ehepaar Brühl, das mit seinem Seifersdorfer Landschaftsgarten den Stereotyp der Empfindsamen repräsentierte. Carl August habe diese allein gelassen und damit den „heim­lich tückischen Hof­leuten“ ausgesetzt; Tina von Brühls größter Fehler sei, schrieb Goethe wohl aus eigener Erfahrung „daß sie nicht spielt“: „wenn sie klug wäre, würde sie alles thun um sich andern gleich zu stellen. […] Übrigens aber weh dem der sich von groser Herrn Gunst in’s freye locken läßt, ohne sich den Rücken gedeckt zu haben.“ Goethe an Charlotte von Stein. Berlin, 17. und 19. Mai 1778 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 21); Goethe an Charlotte von Stein. Tiefenort, 7. April 1782 (GSA 29/489 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 40). 539 „Und wenn ich unklug Muth und Freiheit sang / Und Red­lichkeit und Freiheit sonder Zwang, / Stolz auf sich selbst und herz­liches Behagen, / Erwarb ich mir der Menschen schöne Gunst: / Doch ach! ein Gott versagte mir die Kunst, / Die arme Kunst, mich künst­lich zu betragen. / Nun sitz’ ich hier zugleich erhoben und gedrückt, / Unschuldig und gestraft, und schuldig und beglückt.“ Goethe, Ilmenau, am 3. September 1783 (WA I.1, S. 145). Vgl. zum Thema ‚Behagen‘ bei Goethe Hermand 2005a, S. 64 ff.

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Auch Carl August wurde in den 1780er-Jahren – als er mit den Fürstenbundverhandlungen ein Ventil für den Druck, ein ‚guter‘ Fürst sein zu sollen, gefunden hatte – relativ schnell die Notwendigkeit einer zumindest oberfläch­lichen Anpassung an die gesellschaft­lichen Normen bewusst, wie seine Politik gegenüber seinem sich den Standesanforderungen ebenfalls verweigernden Bruder Constantin zeigt. Dieser schien erst durch die Ächtung der guten Gesellschaft und Carl Augusts zu lernen, dass eine unstandesgemäße Ehe tabu war und dass er, wie Carl August 1784 schrieb, „eines äußer­lich guten Anstrichs bedürfe, um wieder in Gesellschaften gut gelitten zu werden“, weil „sein Stand ihn selbst hier vor Verachtung“ nicht schützte.540 Aus dieser Zeit stammt eine Reihe von Zeugnissen dafür, dass sich Carl August intensiv mit der Frage auseinandergesetzt hat, wie er im Sinne zeitgenös­ sischer Vorstellungen ein ‚guter‘ Fürst und zugleich er selbst sein könne. Mehrfach finden sich in Carl Augusts Briefen Reflexionen über andere Fürsten und ihre Interpretation der Rolle des aufgeklärten Fürsten, bei denen er immer wieder – wohl aus eigener Erfahrung – zu dem Ergebnis kommt, dass guter Wille allein nicht genügte für eine funktionierende, effektive und wirkmächtige Herrschaftsausübung. So schrieb er beispielsweise 1783 über Franz Ludwig ­Freiherr von Erthal, den Fürstbischof von Würzburg, niemand habe „mehr Eifer und brennende Leidenschaft fürs Gute und fürs Wohlthun“ als dieser, aber er beweise leider, „daß nicht alle Journalisten-Maximen von Staatskunst wahr sind; denn thäts die Tugend allein, so wäre gewiß kein Land besser geführt wie die Fränkischen Bisthümer“. Doch „nirgends gehen die Geschäfte, das Recht, die Thätigkeiten langsamer und versäumender als wie hier, unter der z­ audernden, immer zweifelhaften, mit dem Vergrößerungsglas die Billigkeit suchenden Tugend“.541 Ähn­lich schrieb er über den Herzog von Gotha, der „wirk­lich sehr liebenswürdige Eigenschaften, viele Kenntniße, u. (das looß der Meisten modernen Fürsten) sehr guten willen“ hat: Er „thäte gern wirck­lich viel gutes, wenn sichs nur so thun ließe“.542 Obwohl Carl August suchte, fand er überall das gleiche Problem, den gleichen schwer zu überbrückenden Abstand zwischen aufklärerischem Anspruch bzw. Wunschdenken auf der einen und der politischen Tradition und Realität 540 Carl August an Knebel. Weimar, 15. Januar 1784 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S. 48). 541 Carl August an Knebel. Weimar, 17. August 1783 (ebd., S. 47). Ähn­lich in einem Brief an Merck. Weimar, 18. August 1783: Der Fürstbischof von Würzburg habe „eine leiden­schaft gutes zu thun die gantz unglaub­lich ist.“ (Merck 2007/3, S. 344). 542 Carl August an Merck. Weimar, 12. September 1785 (Merck 2007/4, S. 95).

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auf der anderen Seite. Auch für ihn selbst erwies sich somit die Idee als Illusion, dass allein durch Bildung, Kultur und Ermutigung zum Selbstsein gute Fürsten zu schaffen seien und dass diese nur guten Willen mitbringen müssten. Dieses Scheitern der letzt­lich bürger­lichen Ideen für die Herstellung ‚guter Herrschaft‘ wurde dann zu einem Grund für seine strikte Ablehnung aller demokratischen Bewegungen seit den 1790er-Jahren, da er überzeugt war, dass aus dem nur von „mora­lischen Vorspiegelungen, Scheingründen, poetischen Träumen“ motivierten, aber von keinem tieferen politischen Verständnis getragenen Machtbegehren des ‚Mittelstandes‘ nur Anarchie folgen könnte.543 Es ist bemerkenswert, dass selbst der mit Carl August am engsten befreundete Fürst, Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, kein Vorbild für ihn wurde, obwohl dieser sich aus seiner Sicht grundlegend von den anderen von ihm betrachteten Fürsten unterschied. Leopold Friedrich Franz stehe, so Carl August 1781 an Johann Heinrich Merck, im Widerspruch zu den „allgemeine[n] begriffe[n]“, also den oben skizzierten, zunehmend als Illusion e­ ntlarvten Vorstellungen von der Persön­lichkeit eines ‚guten‘ Herrschers.544 In der des Dessauer Fürsten fänden sich „farben, ­welche uns eintzeln häß­lich scheinen, in so sonderbaren vermischungen, die herr­lichsten dinten hervorbringen“, und „Sachen, u. säfte, w ­ elche man sonst für lauter Gift gehalten hätte“ – Charaktereigenschaften also, die einer guten Herrschaft eigent­lich entgegenstehen sollten. Was er damit meint, lässt ein im Jahr zuvor an Knebel gerichteter Brief über den Dessauer Fürsten vermuten, in dem Carl August dem Dessauer den F ­ ehler der „Sinn­lichkeit“ vorwirft. Ansonsten sei er „so rein und lauter, so gemäßigt und so liebevoll in seinem Leben, als vielleicht manche der Alten durch die tiefste Weisheit und größte Bearbeitung ihrer selbst zu sein nicht erlangt haben“ – und wie es wohl Carl August selbst nicht gelang.545 543 Carl August an Voigt. Im Lager bei Rübenach, 27. Juli 1792 (Carl August u. a. 1958/2, S. 36). 544 Carl August an Merck. Belvedere, 31. Mai 1781 (Merck 2007/2, S. 607). 545 Carl August an Knebel. Wörlitz, 7. Juni 1780 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S. 7 f.): „Unsere Zeit geht sehr angenehm hin; der Fürst ist vertrau­licher und freundschaft­ licher gegen mich als jemals. Es ist doch eine der schönsten Seelen, die ich kenne. Ich habe nie Jemanden gesehen, der durch seine bloße Existenz mehr Wohlwollen, Treuherzigkeit und Menschenliebe allen denen, so um ihn sind, mittheilt, als dieser Fürst. Man ist ordent­lich besser bei ihm. Er ist trotz der Sinn­lichkeit seines Wesens (denn daß er nicht im mindesten der Abstraction fähig ist, sehe ich alle Augenblicke mehr) so rein und lauter, so gemäßigt und so liebevoll in seinem Leben, als vielleicht manche der Alten durch die tiefste Weisheit und größte Bearbeitung ihrer selbst zu sein nicht erlangt haben.“

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Mit „Sinn­lichkeit“ meint Carl August jedoch nicht die naheliegende Tatsache, dass Leopold Friedrich Franz seine ‚böse Lust‘ so wenig verbarg.546 Carl August setzt „Sinn­lichkeit“ hier der „Abstraction“ entgegen, zu der Leopold Friedrich Franz nicht fähig sei. Adelung definiert das „Neuwort“ Sinn­lichkeit 1801 epistemolo­ gisch als die „Fertigkeit des überwiegenden Gebrauches der untern Seelenkräfte zum Nachtheil des pflichtmäßigen Gebrauches der obern“; übermäßige Sinn­ lichkeit sei also „zum Nachtheil vernünftiger Gründe“.547 Obwohl Adelung den Bezug zur Empfindsamkeit nicht herstellt (wohl weil diese 1801 ihre diskursive Bedeutung verloren hatte), ist offensicht­lich, dass der von Carl August beschriebene Gegensatz von Sinn­lichkeit und Abstraktion nur vor dem Hintergrund der Empfindsamkeit gesehen werden kann. Seine Kritik an Leopold Friedrich Franz’ Sinn­lichkeit ist hier auf die deut­liche Orientierung des Dessauer Fürsten an der empfindsamen Lebensvorstellung zu beziehen, in der ihm der Weimarer Herzog nicht gefolgt ist. Carl August stand dieser äußerst skeptisch gegenüber, wozu neben einer persön­lichen Disposition wahrschein­lich die Kritik Goethes, die deut­lich empfindsame Lebensgestaltung von seiner Mutter Anna Amalia und nicht zuletzt seine Erfahrungen mit der stark auf die Formung der Empfindungen abzielenden philanthropistischen Erziehungsmethode beigetragen haben.548 Bei ­diesem unterschied­lichen Verhältnis zur Empfindsamkeit geht es um weit mehr als um geschmack­liche Unterschiede. Es lässt sich ein deut­licher Zusammenhang zwischen der Adaption oder Ablehnung der Empfindsamkeit und bestimmten Ausformungen von Herrschaft erkennen, der sich hier an der jeweiligen Verwendung von Naturmetaphern nachvollziehen lässt. Während Leopold Friedrich Franz immer wieder von Menschen als Kindern oder ­Bäumen spricht, um damit die Natür­lichkeit hierarchischer und auf Unmündigkeit basierender Gesellschaftsbeziehungen zu suggerieren, wählt Carl August zur Beschreibung von Leopold Friedrich Franz Metaphern aus dem Bereich der Wissenschaft, indem er ihn als „Berg art“ oder „dinte“ mit spezieller chemischer Zusammensetzung bezeichnet.549 Beider Weltsicht scheint also p ­ rinzipiell

546 Vgl. Kap. 2.3., Abschnitt: Der Wörlitzer Park als Rechtfertigung… 547 Adelung 1801, Sp. 107 f. 548 Es fällt in ­diesem Zusammenhang auf, dass Carl August in einer Äußerung über die Franzö­sische Revolution den aus der Debatte über den Philanthropismus stammenden Begriff der ‚Treibhauspflanze‘ verwendet: „Der Mensch war nie (die Zone unter der er lebt, mag sein, wie sie wolle), er war nie, sage ich zur Treibhauspflanze bestimmt. Sobald er diese Cultur erhält, geht er zu Grunde.“ Carl August an Knebel. Erfurt, 13. Januar 1793 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S. 102). 549 Carl August an Merck. Belvedere, 31. Mai 1781 (Merck 2007/2, S. 607).

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empirisch – oder, nach Adelung, „sinn­lich“ 550 – ausgerichtet zu sein, doch während Leopold Friedrich Franz die Natur eher deduktiv betrachtet, um in ihr sein Weltkonzept bestätigt zu finden, ist Carl Augusts Wahrnehmung tenden­ ziell induktiv, auch weil er keiner Theorie anhing, nach deren Bestätigung er in der Natur suchen könnte. Das mag einer naturwissenschaft­lich geprägten Moderne fortschritt­licher erscheinen als das Denken des Dessauer Fürsten, ist aber weniger erkenntnistheoretische Entscheidung als die Folge von frustrierenden Erfahrungen, die Carl August mit Ideensystemen wie dem Philanthro­ pismus gemacht hatte.551 Diese unterschied­lichen Prämissen führten zu grundlegend verschiedenen Auffassungen vom Regieren (und darüber hinaus von der Gartengestaltung). Der Dessauer Fürst gewährte seinen Untertanen Freiheiten, solange sie sich ihm und seiner von ihm als ‚natür­lich‘ erklärten Vernunft emotional und ethisch verbunden zeigten; dazu war es jedoch notwendig, Denken und Fühlen seiner Untertanen auf bestimmte Bahnen zu lenken. Carl Augusts Politik gegenüber seinen Untertanen war – wohl auch aus seinem Misstrauen gegenüber allumfassenden Erziehungsplänen – weitaus zurückhaltender und damit liberaler. Er akzeptierte Abweichungen von seinen eigenen Ideen merk­lich länger als Leopold Friedrich Franz, wie beispielsweise die Berufung und lange Duldung des umstrittenen Fichte zeigt. Leopold Friedrich Franz bemühte sich dagegen intensiver um Reformen; seine Politik war dadurch umfassender und bedeutete mehr regulierende Eingriffe, als es für die Sachsen-Weimar-Eisenacher Politik zu verzeichnen ist.552 Diese unterschied­lichen Hintergründe und Weltanschauungen hatten wesent­lichen Einfluss darauf, dass sich der Ilmpark trotz der von Goethe und 550 Adelung 1801, Sp. 107. 551 Vgl.: „Ich halte für ein gutes Mittel, über die Mensch­liche Natur lichter zu ­bekommen, wenn man sich nie zuläßt, ein Factum zu überhüpfen, weil es uns inconsequent vorkömt; geht man jedem scharf nach, so findet man ­solche seltsame verbindungen u. zusammenhänge, daß, hat man sich an allgemeine begriffe gewöhnt, man durch die wiedersprüche zum Narren werden möchte.“ Carl August an Merck. Belvedere, 31. Mai 1781 (Merck 1807/2, S. 607). 552 Was oft als ­Zeichen für seine Fortschritt­lichkeit gelesen wird, bspw. von Karl-Heinz Hahn: „Sein Sinn für notwendige Konzessionen an moderne politische Ideen, gepaart mit einem unerschütter­lichen Vertrauen auf die eigene Fähigkeit, ihm unbehag­liche oder vermeint­lich gesellschaftsgefährdende Tendenzen und Praktiken abwenden zu können, waren Voraussetzungen dafür, dass das Großherzogtum Sachsen im frühen 19. Jahrhundert zum Aktionsfeld fortschritt­licher Kräfte und Bestrebungen werden konnte.“ (Hahn 1991, S. 67).

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Bertuch behaupteten Inspiration durch den Wörlitzer Park in seiner Gestaltung stark von ihm unterscheidet.553 ­Welche Rolle der Ilmpark bei Carl Augusts Suche nach einer funktionierenden Identität und einem geeigneten fürst­lichen Rollenmuster spielte, wird in den folgenden Abschnitten diskutiert. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass der Handlungs- und Legitimationsdruck erzeugende Konflikt zwischen Persön­lichkeit und Fürstenrolle, zwischen herrscher­lichen Pflichten und Selbstsein sowie zwischen adeliger und bürger­licher Lebenswelt in Weimar weitaus spannungsvoller war als in Anhalt-Dessau. So begann Carl August schon relativ früh, eigene, sowohl vom Anhalt-Dessauer Vorbild als auch von den Meinungen seines Umfelds abweichende Positionen und Überzeugungen zu entwickeln, wie er mit seiner Persön­lichkeit und in seiner Zeit ein ‚guter‘ Fürst sein könne. Diese haben sich in der Gestaltung des Ilmparks niedergeschlagen.

3.2 Entstehungs- und Sinngeschichte des Ilmparks „Unendlich schön“: das Ilmtal als Lebensort für ‚ganze Menschen‘

Schon seit dem 17. Jahrhundert besaß der Weimarer Hof mit dem sogenannten Stern und dem Welschen Garten zwei stadtnahe Parks (beide wurden ­später umgestaltet und in den Ilmpark integriert). Der Stern war ein von einem sternförmigen Wegesystem durchzogenes Waldstück, das heute den west­lichen Teil des Ilmparks ausmacht; der Welsche Garten war ein ummauerter formaler Garten an der süd­lichen Grenze zwischen Stadt und Ilmtal. Das Ilmtal selbst war um 1770 anscheinend noch relativ unberührt. Etwa in seiner Mitte befand sich der Garten auf dem Horne, den Carl August später Goethe schenkte. Wahrschein­ lich gab es einige ausgetretene Pfade.

553 Vgl. Johann Wolfgang Goethe: Schema zu einem Aufsatze die Pflanzencultur im Großherzogthum Weimar darzustellen (WA II.6, S. 228 – 236), worin er die seither oft wiederholte Behauptung formuliert, der Ilmpark sei vom Wörlitzer Park inspiriert worden: „Der Park in Dessau, als einer der ersten und vorzüg­lichsten berühmt, erweckte Lust der Nacheiferung…“ (S. 229). Bertuch schrieb 1808 an Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, als er ihm eine Karte vom Weimarer Park schickt, dieser habe dem Dessauer Fürsten „so Vieles, ja fast seine ganze Entstehung zu verdanken“. Bertuch an Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau. Weimar, 25. Mai 1808 (zit. nach Hirsch (Hg.) 2001, S. 166).

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Nach dem Brand des Weimarer Schlosses 1774 verlagerte sich ein Teil des Hoflebens in den Stern, der bei gutem Wetter immer wieder für höfische Tafeln benutzt und damit zu einem Teil der höfischen Sphäre wurde, anders als die Parks von Belvedere und Tiefurt, die als Rahmen für weniger fest geregelte Vergnügungen dienten und an denen die Hofordnung aufgeweicht gewesen zu sein scheint.554 Diese enthielt eine Reihe von Verhaltensnormen und schränkte die Geselligkeit zwischen Hofangehörigen und Bürger­lichen stark ein. ‚Mensch­ lich‘ konnte Carl August deshalb nur außerhalb des Hofes mit seinen Freunden zusammen sein. Deshalb sind für die 1770er-Jahre so viele Ausflüge des Herzogs und seiner Freunde in den Thüringer Wald überliefert – sie boten Gelegenheit für eine von Stand und Rang scheinbar unabhängige Geselligkeit, bei der Carl August mit seinen aus dem niederen Adel und dem Bürgertum stammenden Vertrauten ohne Zeremoniell und Überwachung Zeit nach seinem Geschmack verbringen konnte. Einen anderen, viel genutzten Rahmen dafür bot Goethes Garten, in dem öfter „[a]usgelassen lustig“ gefeiert und von dem aus bald das Ilmtal näher erkundet wurde (vgl. Abb. 50).555 So berichtet Goethes Tagebuch schon aus dem September 1776 von einem gemeinsam mit dem Herzog, dem weima­rischen Forstmeister Moritz von Wedel und dem Dessauer Fürsten unternommenen Ausflug von Weimar zum Belvedere, bei dem die Gesellschaft durch das Ilmtal und nicht über die an der Stadt entlangführende Belvederer Allee spaziert sei.556 Mit dem als Staffage für eine Inszenierung zum Geburtstag der Herzogin 1778 errichteten ‚Luisenkloster‘ bekam dann nach Goethe auch Carl August im Ilmtal einen eigenen Ort zum Rückzug in die Natur und für naturnahe Geselligkeit, wie unter anderem Goethes Tagebuch zeigt, das wiederholt Mahlzeiten im kleinen Kreis im Kloster verzeichnet (vgl. Abb. 19).557 Das Geburtstagsfest, für das das ‚Luisenkloster‘ errichtet wurde, war dabei offenbar der Versuch, die als positiv empfundene Wirkung der Natur auch den Mitgliedern des Hofes zukommen zu lassen, die dem Naturleben des Herzogs

554 Vgl. Ventzke 2008, S. 45 ff.; Müller-Wolff 2007, S. 94 ff. Zur Hofordnung vgl. ­Kreutzmann 2008, S. 246 f. 555 Vgl. Goethes Tagebucheintrag vom 2. Mai 1777: „Abends Crone, Mine, Neuh. ♃. [astro­ nomisches ­Zeichen für Jupiter = Goethes Symbol für Carl August, I. M.] Seckend. im Garten. Ausgelassen lustig.“ (Goethe 1998, S. 41). Vgl. dazu auch Balzer 1978, S. 13 ff. und Apelt, S. 202 – 212. 556 Tagebucheintrag vom 22. September 1776 (Goethe 1998, S. 26). 557 Tagebucheinträge vom 20. April 1779, 14. August 1779, 6. und 15. März 1780, 17. Januar 1781 (Goethe 1998, S. 80, 87, 106 und 121). Vgl. auch Huschke 1951, S. 58.

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und seiner Freunde bis dahin ablehnend entgegengestanden hatten. Das Festmahl zum Geburtstag der Herzogin sollte eigent­lich wie üb­lich im Stern statt­ finden; ein Hochwasser gab den vermut­lich sehr willkommenen Anlass für dieses Experiment. Die Hofgesellschaft wurde aus ihrem konventionellen ­Rahmen herausgelockt in die ‚freie‘ Natur des Ilmtals, wo sie eine provisorische Hütte fand.558 Zu den sechs Mönchen, die die Hofgesellschaft dort empfingen, gehörten mit Carl August, Karl Sigmund Freiherr von Seckendorff, Knebel und Goethe nicht zufällig einige der sonst so gern und anstößig in die Wildnis fliehenden Freunde, die den Hof somit einluden, sich kurz, wenigstens im Spiel, auf ihr Waldleben einzulassen. Allerdings schockierte das selbst als offensicht­liches Spiel, wie sich Goethe in seiner Beschreibung von 1830 erinnert.559 Durch die Zumutung des kärg­ lichen Mahls in der spartanischen Hütte erschien dann aber offenkundig die hinter dem Kloster angerichtete höfische Tafel für die Hofgesellschaft weitaus akzeptabler, obwohl auch sie in freier Natur stand.560 Das Fest ist so nicht nur als rousseauistische Lektion und Läuterung des Hofes zu verstehen, sondern auch als Versuch einer Harmonisierung der Konflikte zwischen dem Hof und dem mit dessen Werten im Widerspruch stehenden ‚mensch­lichen‘ Freundeskreis um den Herzog.561 Diese Idee von der versöhnenden und befreienden Kraft der Natur war in den ersten Jahren der Nutzung des Ilmtals anscheinend von großer Faszina­ tionskraft. Goethe verstand das Ilmtal als liebenswerten Gegensatz zur „weiten Welt“. Es befähige ihn zu den welt­lichen Geschäften, wie er an Charlotte von Stein schrieb, weil es ihm die Gewähr gab, nicht in einer der Rollen aufzugehen, 558 Vgl. die bei Müller-Wolff 2007, S. 326 f. abgedruckte Quelle aus dem Thürin­gischen Hauptstaatsarchiv Weimar: Großherzogl. Sächs. Hausarchiv Abt. E Nr. 27: Fourierbuch auf das Jahr 1778, Bl. 63 mit ihrer Beschreibung des Luisenfestes sowie Goethes Schilderung von 1830: Das Louisenfest, gefeiert Weimar am 9. Juli 1778 (WA I.36, S.  233 – 242). 559 Vgl. Goethe WA 1.36, S. 240: „Auf die einladenden Verbeugungen des Pater Guardian folgten die Herrschaften mit dem Hofe in das kleine Zimmer, wo, um eine Tafel, auf einem rein­lichen, aber groben Tischtuche, um eine Bierkaltschale, eine Anzahl irdener tiefer Teller und Blechlöffel zu sehen waren, so daß man bei der Enge des Raumes und den kümmer­lichen Anstalten nicht wußte was es heißen sollte, auch die Frau Oberhofmeisterin, Gräfin Gianini, sonst eine heitere humoristische Dame, ihr Mißbehagen nicht ganz verbergen konnte.“ 560 Das Fourierbuch verzeichnet einige Wiederholungen dieses Mahls in den Tagen nach Herzogin Luises Geburtstag. Vgl. Müller-Wolff 2007, S. 327. 561 Vgl. Schneider 2004, S. 95.

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die er am Hof und in der Regierung spielte, sondern er selbst – ein ‚ganzer Mensch‘ – zu bleiben.562 Im November 1776 schrieb er an Merck, er wohne im Garten und die „Abwechslungen der Witterung und der Welthändel“ frischten ihn „immer ­wieder neu an“, denn er sei „weder Geschäfftsmann, noch Hofmann“, obwohl er in ­beidem Erfolg habe – wohl weil ihn der unmittelbare Kontakt mit der Natur immer wieder auf seine eigene Natur, auf sich selbst zurückführte.563 Er spazierte nachts oft barfuß durch das Ilmtal, badete im Fluss, wartete auf dem Altan Gewitter ab und schlief immer wieder in seinem Garten unter freiem Himmel.564 Als im Januar 1778 die Hofdame Christel von Laßberg aus unglück­licher Liebe in der Ilm Selbstmord beging, war es für ihn kein Widerspruch, seine Betroffenheit durch die Gestaltung einer melancho­lischen Gartenszenerie (das Felsentor, vgl. Abb. 20) zu verarbeiten, obwohl er zur gleichen Zeit im Triumph der Empfindsamkeit die unauthentischen, selbstbezogenen und manipulativen Tendenzen im landschaftsgärtnerischen Umgang mit der Natur satirisch bloßgestellt hatte. Es ist allerdings zweifelhaft, ob sich Goethe im Triumph überhaupt auf reale Landschaftsgärten – von denen er bis dahin wohl nur wenige kannte – bezog oder nicht eher auf die natur- und lebensfremden literarischen Gartenfantasien, wie Helmut J. Schneider vermutet:565 Den Schmerz in die Natur hineinzubilden, ihn buchstäb­lich in sie hinein zu schlagen und zu hauen, die Landschaft zum Darstellungsmaterial eines wirk­lichen Todes zu machen – das könnte doch, über den selbsttherapeutischen Aspekt hinaus, eine Art Gericht über den Natür­lichkeitsanspruch der empfindsamen Literatur sein, ein Gericht, das als paradoxe Selbstüberbietung dieser Literatur angelegt ist, weil hier in Naturmaterial ‚geschrieben‘, aber dabei doch nur wieder eine Illusionswelt erzeugt wird. Die ästhetische Empfindungs­ sprache des Landschaftsparks, die in der Laßberg-Episode für einmal in einem authentischen Ursprung greifbar zu werden scheint, macht ja nur umso erbarmungsloser das Illusionäre jeder sich als authentisch begreifenden (und darstellenden) Kunstbekundung manifest.

562 Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 2. Juni 1778 (GSA 29/486 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 84). Vgl. für einen Überblick zum Thema des ‚ganzen‘ Menschen Riedel 1994, Kap. 3 sowie Ort/Lukas 2012, v. a. S. 10 ff. 563 Goethe an Merck. Weimar, 22. November 1776 (Merck 2007/1, S. 695). 564 Vgl. bspw. den Tagebucheintrag vom 1. Mai 1777: „Auf den Wiesen spazieren. Füsse gebadet.“ (Goethe 1998, S. 41) oder auch: „Nachts halb eilf der Mondschein war so gött­lich ich lief noch ins Wasser. Auf der Wiese im Mond.“ Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 2. Juli 1776 (GSA 29/486 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 119). 565 Schneider 2004, S. 100. Vgl. dazu auch: Oesterle 2008, S. 148.

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Die von Schneider hier angedeutete Kritik am Scheincharakter des Landschaftsgartens entwickelte Goethe jedoch erst später; in den ersten Jahren seines Aufenthalts in Weimar ist noch ein ungebrochener Glaube an die positive Wirkung des Naturerlebens erkennbar.566 So war er 1778 auch an der Errichtung und später der Erweiterung und Ausgestaltung des Luisenklosters beteiligt, durch das Carl August einen eigenen Ausgangspunkt für unmittelbaren Naturkontakt bekam, wie Goethe es ihm gewünscht hatte („dass der Herzog gern mit mir getauscht hätte“).567 Carl August glaubte in dieser Zeit offenbar ähn­lich wie Goethe an die erlösende Macht der Natur, wie der Brief vermuten lässt, den Carl August im Juli 1780 aus dem Luisenkloster an Knebel schrieb:568 Der Tag war ganz außerordent­lich schön, und der erste Abend der Freiheit (denn heute früh verließen uns die Gothaner) ließ sich mir sehr genießen. Ich bin in den Eingängen der kalten Küche herumgesch­lichen und ich war so ganz in der Schöpfung und so weit von dem Erdentreiben. Der Mensch ist doch nicht zu der elenden Philisterei des Geschäftslebens bestimmt; es ist einem ja nicht größer zu Muthe, als wenn man doch die Sonne so untergehen, die Sterne aufgehen, es kühl werden sieht und fühlt, und das Alles so für sich, so wenig der Menschen halber, und doch genießen sies und so hoch, daß sie glauben, es sei für sie. Ich will mich baden mit dem Abendstern, und neu Leben schöpfen.

Anfangs war das Ilmtal also für Carl August ebenso wie für Goethe ein Ort, der eine schnelle und unkomplizierte Flucht in die Natur, in die ‚Schöpfung‘ ermög­lichte. Diese gött­liche ‚Schöpfung‘ durch gestalterische Akte zu verändern, erschien beiden zunächst noch nicht als Problem; ob ursprüng­lich oder mit künst­lichen Elementen und damit vermensch­licht – beide sahen in der Landschaft zunächst allein die Natur; ein Bewusstsein für einen Unterschied zwischen Garten und Natur ist nicht zu erkennen. Ab den 1780er-Jahren entwickelten sich Goethes und Carl Augusts Vorstellungen von der Natur und vom Garten allerdings zunehmend auseinander. Um verständ­lich machen zu können, warum der spätere Ilmpark nicht allein oder in erster Linie aus Goethes Horizont gedeutet werden kann, folgt hier ein kleiner Exkurs zu Goethes Naturund Gartenauffassung. 566 Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller: Über den Dilettantismus (1799) (Goethe/ Schiller 1799), S. 167. 567 Goethe an Auguste Gräfin zu Stolberg. Weimar, 20. Mai 1776 (WA IV.3, S. 68). 568 Carl August an Knebel. Weimar, 17. Juli 1780 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S.  17 ff.).

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Goethes Natur- und Gartenauffassung der 1770er-Jahre manifestiert sich unter anderem in der in diesen Jahren mehrfach verwendeten Formel „unend­ lich schön“, die vor allem aus seiner Wörlitz-Beschreibung vom 14. Mai 1778 bekannt geworden ist.569 Das Wort ‚unend­lich‘ scheint, wie überliefert wird, in diesen ersten Weimarer Jahren nicht nur von Goethe häufig verwendet worden zu sein; es war allgemeiner Ausdruck des bei den Weimarer Freunden in dieser Zeit verbreiteten Enthusiasmus.570 Die Formel „unend­lich schön“ hat Goethe in diesen Jahren allerdings nur zur Beschreibung von Landschaft verwendet, und zwar sowohl für gewachsene als auch für gärtnerisch gestaltete Landschaften. Kern seines Genusses war dabei weniger die konkrete Form der Umgebung als die durch Licht – meistens Mond­licht – oder Witterung ausgelöste Stimmung, wie beispielsweise in seiner Beschreibung einer Gegend in der Schweiz zu lesen ist: „Die Nacht ist klar, ruhig, der See liegt still und der Breite Wiederschein des Monds drinn unend­lich schön.“ 571 Regen hatte eine besondere Wirkung auf die ihn umgebende Landschaft, wie er mit Blick aus dem Fenster seines Gartenhauses an Charlotte von Stein schrieb: „Der Tag kommt nach dem wenigen Regen unend­lich schön, das Grün wird satter und die Gegend treibt sich in die Fülle.“ 572 Vor allem diese Wirkung der Naturkraft, nicht eine bestimmte Gestaltung, bezauberte ihn bei seinem Besuch in Wörlitz im Mai 1778. Zum ersten Mal waren er und Carl August im Dezember 1776 dort gewesen; damals hatte er in 569 Vgl. den Brief von Goethe an Charlotte von Stein. Wörlitz, 14. Mai 1778 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 20). 570 Vgl.: Paul Fischers Anmerkungen in seinem Goethe-Wortschatz: „unend­lich, ein Lieblingswort Goethes in seinen Weimarer Anfängen. Man vgl.: Damals war das Wort ‚unend­lich‘ überall wiederkehrendes Stichwort. Wenn Goethe abends bei Wieland essen wollte, so schickte er seinen Bedienten vorher ins Haus und ließ sich eine unend­liche Schüssel unend­licher Borsdorfer Äpfel (gedämpft) ausbitten, Gespr. 136 vom Ende des Jahres 1775; im Zshg. a) = u. viel: u. zu gewinnen, Belag. v. Mainz; b) = unabseh­lich, unausführbar: Das Ganze erscheint mir nicht mehr u., Br. 16.7.94; c) = unbegrenzt, i. S. von außerordent­lich lang od. weit: Geßners lieb­ liche Idyllen öffneten eine unend­liche Bahn, DuW. 18“ (Fischer 1929, S. 661). Die Arbeit am neuen Goethe-Wörterbuch war zur Abfassung dieser Studie noch nicht bei ­diesem Stichwort angelangt. 571 Goethe an Charlotte von Stein. Nion, 26. Oktober 1779 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 34). 572 Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 21. April 1779 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 11).

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seinem Tagebuch jedoch nur die Besichtigung des Schlosses vermerkt.573 Diesmal, im Mai, machten Frühling, Regenwetter und der Kontrast zum großen Hofleben, das sie wenig später in Potsdam erwartete, den Besuch zu einem ma­gischen Erlebnis:574 Wörliz Donnerst. Nach Tische gehn wir auf Berlin über Potsdam. Hier ists iezt unend­lich schön. Mich hats gestern Abend wie wir durch die Seen Canäle und Wäldgen sch­lichen sehr gerührt wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben einen Traum um sich herum zu schaffen. Es ist wenn man so durchzieht wie ein Mährgen das einem vorgetragen wird und hat ganz den Charackter der Eli­sischen Felder in der sachtesten Manigfaltigkeit fliest eins ins andre, keine Höhe zieht das Aug und das Verlangen auf einen einzigen Punkt, man streicht herum ohne zu fragen, wo man ausgegangen ist und hinkommt. Das Buschwerck ist in seiner schönsten Jugend, und das ganze hat die reinste Lieb­ lichkeit. – Und nun bald in der Pracht der könig­lichen Städte im Lärm der Welt und der Kriegsrüstungen. Mit den Menschen hab ich, wie ich spüre weit weniger Verkehr als sonst. Und ich scheine dem Ziele dramatischen Wesens immer näher zu kommen, da michs nun immer näher angeht wie die Grosen mit den Menschen, und die Götter mit den Grosen spielen.

Als gött­liche Gunst erschienen Goethe zu dieser Zeit Mög­lichkeit und Fähigkeit zum Naturgenuss; eine Gunst, derer sich nicht nur der Dessauer Fürst, sondern auch er selbst erfreuen konnte. So schrieb er zwei Wochen später an Charlotte von Stein, ihm deuchte, dass ihn „die Götter wohl für ein schön Gemähld halten mögen weil sie so eine überkostbare Rahm drum machen wollten“.575

573 „zu Werlitz das Schloß besehn“ Tagebucheintrag vom 4. Dezember 1776 (Goethe 1998, S. 30). 574 Vgl. den Tagebucheintrag vom 13. Mai 1778: „Nach Tische im Regen die Tour vom Parck im Regen. Wie das Vorüberschweben eines leisen Traumbilds.“ (Goethe 1998, S. 63). Goethe an Charlotte von Stein. Wörlitz, 14. Mai 1778 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 20). Es sei hier noch einmal betont, dass sich aus dieser Quelle höchstens auf Goethes Verständnis von Gartenkunst, nicht aber auf den Sinn des Wörlitzer Parks schließen lässt, wie es gleichwohl immer wieder versucht wurde. Vgl. u. a. Holtzhauer 1965, S. 89; Kulturstiftung (Hg.) 2006 (Unend­lich schön. Das Gartenreich Dessau-Wörlitz) und auch jüngstens immer noch Müller-Wolff 2007, S. 43: „Diese Zeilen lassen den empfindsamen Geist, der die frühen landschaft­lichen Gartenanlagen prägte, abermals deut­lich fassbar werden.“ 575 Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 2. Juni 1778 (GSA 29/486 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 84).

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Goethe realisierte zwar, dass Wörlitz eine von Leopold Friedrich Franz geschaffene Landschaft ist; offenkundig imaginierte er die Kraft der Natur jedoch zu dieser Zeit noch als zu eigenmächtig, als dass so vorsichtige mensch­ liche Eingriffe sie verfremden oder gar missbrauchen könnten. Auch eigene Naturgestaltungen beschrieb er 1778 als „unend­lich schön“.576 Bis Anfang der 1780er-Jahre finden sich Belege, dass Park und Natur in dieser Zeit kein Widerspruch für ihn waren. So schilderte er etwa 1780 einen Nachtspaziergang im durch Wege mittlerweile zwar erschlossenen, aber sonst noch naturbelassenen Ilmtal mit den gleichen Worten („unend­lich schön“, „Traum“) wie zwei Jahre zuvor den Wörlitzer Park:577 Der Mond ist unend­lich schön. Ich bin durch die neuen Wege gelaufen da sieht die Nacht himm­lisch drein. Die Elfen sangen. Um Mitternacht wenn die Menschen erst schlafen Dann scheinet uns der Mond Dann leuchtet uns der Stern, Wir wandlen und singen Und tanzen erst gern. Um Mitternacht Wenn die Menschen erst schlafen Auf Wiesen an den Erlen Wir suchen unsern Raum Und wandlen und singen Und tanzen einen Traum.

Ein verändertes Verhältnis zur Natur und zum entstehenden Ilmpark lässt sich erst ab 1782 deut­lich belegen, dem Jahr also, in dem Goethe ins Haus am Frauenplan zog. Vorausgegangen war eine längere Phase der Reflexion, die ihn die Maßlosigkeit im Umgang mit der eigenen wie der äußeren Natur zunehmend als Gefahr sehen ließ. So vermerkte er schon im März 1780 in seinem Tagebuch eine „Verändrung meiner Sinnes art“.578 Er versuchte sich in seinem Alltagsleben in Beschränkung, in Selbstdisziplin, in einem reflektierten Verhältnis zur eigenen 576 „Die Gegend um meinen Garten wird aufs Frühjahr unend­lich schön, ich hab einige seltsam romantische Fleckchen ge und erfunden.“ Goethe an Merck. Weimar, 11. Januar 1778 (Merck 2007/2, S. 38). 577 Goethe an Charlotte von Stein. Weimar, 14. Oktober 1780 (GSA 29/487 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 105). 578 Goethe 1998, S. 106.

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Natur, das er am 13. Mai 1780, genau zwei Jahre nach dem ‚unend­lich schönen‘ Wörlitzbesuch, im Tagebuch mit den Worten zusammenfasste: „Niemand als wer sich ganz verläugnet ist werth zu herrschen, und kan herrschen“ – und er wolle „doch herr werden“.579 1782 zog er schließ­lich aus dem Gartenhaus in das Haus am Frauenplan, das ihm end­lich „die schönste Ordnung“ ermög­liche, die ihm die Arbeit erleich­ tere.580 In seinem Garten hatte er hingegen oft nur „vegetirt“, wie er im März 1778 im Tagebuch vermerkte, und noch 1789 notierte er, dass ihn der Ilmpark zum „Müßiggang“ einlade.581 Das Gartenhaus wurde zu einem nur noch gelegent­lich genutzten „Zufluchtsort“.582 Hier klingt schon die Kritik an, die er später im Dilettantismus-Fragment und in den Wahlverwandtschaften am allein ästhetischen, zu Pflicht- wie Zeitvergessenheit verführenden Landschaftsgarten äußern wird.583 Um 1782 nahm Goethe die Natur zwar noch als beseelt und beseligend wahr, jedoch nicht mehr so emphatisch und unmittelbar wie am Anfang seiner Weimarer Zeit.584 Die Erfüllung und Befriedigung, die ihm die Regierungsarbeit und die dafür nötige Anspannung seiner Kräfte mittlerweile gab, hat vermut­lich ebenso wie sein wiederholtes Scheitern, seine Naturempfindung bildnerisch auszu­drücken, zu einer Revision seiner ursprüng­lich scharfen ideolo­gischen Trennung z­ wischen Welt- und Naturleben geführt.585 So erkannte er schon 1779 den produktiven und seelendiätetischen Effekt des „Druck[s] der Geschäffte“, der ihn ja zunächst bei seinem Versuch eines Lebens in größtmög­licher Naturnähe und Unmittelbarkeit gestört hatte:586 Der Druck der Geschäffte ist sehr schön der Seele, wenn sie entladen ist spielt sie freyer und geniest des Lebens. Elender ist nichts als der Behag­liche Mensch ohne Arbeit, das schönste der Gaben wird ihm eckeln.

579 Ebd., S. 111. 580 Goethe an Carl August. Weimar, 16. Juni 1782 (Carl August/Goethe 1915, S. 33). 581 „Unerwartet schön anhaltend Wetter in wenig Tagen viel grün, blos vegetirt, still und rein. Die Felsen und Ufer sehr vorgerückt. Weiter vegetirt in tausend Gedancken an unsre Verhältnisse und unser Schicksaal.“ Weimar, 29. März 1778 (Goethe 1998, S. 62). Goethe an Carl August. Weimar, 12. Mai 1789 (Carl August/Goethe 1915, S. 142). 582 Goethe an Carl August. Weimar, 16. Juni 1782 (Carl August/Goethe 1915, S. 33). 583 Vgl. Niedermeier 1992, S. 43 ff. 584 Vgl. Müller-Wolff 2011, S. 163. 585 Vgl. dazu auch Vaget 2001. 586 Goethe 1998, S. 74.

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Dieses Herstellen von Abstand zu den eigenen Empfindungen schlägt sich besonders deut­lich im Epigramm Einsamkeit für den Ilmpark nieder, das im Frühjahr 1782 unterhalb des späteren Bauplatzes des Römischen Hauses auf einer Steintafel angebracht wurde. In d ­ iesem finden sich nicht mehr, wie zwei Jahre früher, traumtanzende Elfen als Ausdruck einer vom Naturer­lebnis unmittelbar angeregten Fantasie, sondern es werden Nymphen beschworen – und mit ihnen eine jahrhundertealte, vor allem höfische Tradition der Naturmetaphorik:587 Die ihr Felsen und Baeume bewohnet o heilsame Nymphen Gebet ieg­lichem gern was er im stillen begehrt. Schaffet dem Traurigen Muth dem Zweifelhaften Belehrung Und dem Liebenden goennt daß ihm begegne sein Glyk Denn euch gaben die Goetter was sie den Menschen versagten Jedem der euch vertraut hylfreich und troest­lich zu seyn

Auch der Vergleich des Epigramms mit der Idee hinter Goethes erster Staffage im eigenen Garten, dem 1777 aufgestellten Kubus mit Kugel, zeigt hier 1782 ein Umdenken in Richtung einer Objektivierung des eigenen Erlebens (vgl. Abb. 50). Beim Kubus hatte er versucht, seinem eigenen Gefühl unmittelbar, subjektiv und individuell Ausdruck zu verleihen. Wegen dieses Verzichts auf konventionelle ­Zeichen ist er indes bis heute rätselhaft geblieben.588 In Einsamkeit versucht er nun nicht mehr nur, sein Naturerlebnis festzuhalten, sondern er abstrahiert es, indem er die Natur – als das Bewirkende – in ein tradiertes Bild und das Erlebnis in praktische Wirkungen übersetzt.589 Das Gedicht soll nützen, indem es seine Leserinnen und Leser an die Wirkungen der Natur erinnert,

587 Nach Mende 2007, S. 320. 588 Vgl. Weiland 1986. Zur Auseinandersetzung Goethes und Oesers über die Gestaltung des Denkmals vgl. John 2001, der Oesers Bedenken wegen der Verständ­lichkeit des Steins zusammenfasst (S. 152): „Oeser sah für sich kein Problem in der Verwendung von Kubus und Kugel. Viel mehr sah er darin eine Schwierigkeit, nicht allgemein genug zu wirken, was zeigt, daß er sonst für eine breite bürger­liche Auftraggeberschicht arbeitete, die es anzusprechen galt. Problematisch wurde es für ihn, wenn eine individuelle Symbolsprache sich in ihrer Bedeutung einem allgemeinen Verständnis entzog. Zu abstrahieren und sich das ‚Glück‘ nur als eine auf einem Würfel liegende Kugel vorzustellen, schien nach Oesers Meinung einem allgemeinen Publikum nicht mög­lich.“ 589 Obwohl Leonardy zuzustimmen ist, dass es trotz der objektivierten Darstellung von Natur Ausdruck von Goethes ‚Glück‘ im Garten ist (Leonardy 2000, S. 108).

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die Goethe 1782 zwar weiterhin positiv, aber differenzierter und distanzierter sieht – sie soll „dem Traurigen Muth dem Zweifelhaften Belehrung“ geben.590 Nach einer Phase des Versuches eines un- bzw. überständischen Lebens mit dem Herzog entdeckte auch Goethe mehr und mehr den Wert bürger­licher Lebensvorstellungen für sich, vor allem den Ende des 18. Jahrhunderts wachsenden Wert der Arbeit.591 Dies brachte allerdings eine Entfernung von Carl August mit sich, der Arbeit und Pflichterfüllung wenig abgewinnen konnte und der sich offensicht­lich nicht ‚verbürger­lichen‘ lassen wollte. Carl Augusts Verhältnis zum Ilmtal war anfangs ebenfalls allein von einer mensch­lichen Freude an der Natur geprägt, wie sein Brief an Knebel aus dem Luisenkloster oder seine häufigen Jagdausflüge zeigen.592 Ein Verhältnis zur Gartenkunst scheint er bis in die 1780er-Jahre überhaupt nicht gehabt zu haben. Er kannte lange Zeit auch kaum andere Parks als Wörlitz, da er auf seinen beiden kleinen Reisen nur das süd­liche Deutschland und die Schweiz gesehen und dabei offenbar keine Gärten besucht hat. Erst 1780 erwähnte er in einem Brief einen Garten, den er besichtigen will, aber keinen Fürsten­garten, sondern Bertuchs Privatgarten ‚Monplaisir‘.593 Weitere Äußerungen – über verschönernde Bemühungen am Henneberg bei Meiningen und bei Homburg sowie über Schönbusch – stammen erst aus den Jahren nach 1785, als er die Regie über die Anlagen im Ilmtal längst ganz übernommen hatte. Bei diesen merkt er allerdings nur die Schönheit der Lage, der Gegend oder der Aussichten an.594 Es ist keine Quelle erhalten, in der Carl August die repräsentative oder die symbo­lische Tradition der (fürst­lichen) Gartenkunst reflektiert. 590 Jedoch nicht im Sinne der doch recht dogmatischen und auf Konvention abzielenden Wirkungsästhetik Hirschfelds; Goethes Vorstellung ist weitaus anthropolo­gischer und allgemeiner, da er nicht auf die Auslösung ganz bestimmter Empfindungen und Stimmungen abzielte. 591 Vgl. Hein 2005, v. a. S. 247 ff. 592 Vgl. Carl August an Knebel. Weimar, 17. Juli 1780 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S.  17 ff.). 593 Carl August an Knebel. Weimar, 27. Juli 1780 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S.  23 f.). 594 „Der Henneberg, ­welchen der Herzog hat aufputzen lassen, hat durch seine Lage sehr grosse Vorzüge; die Aussicht ist dorten ausnehmend schön.“ – „Ich war zu Aschaffenburg, um den sogenannten schönen Busch zu sehn, w ­ elchen der Kurfürst mit ungeheuern Kosten am insipidesten Platz von der Welt hat anlegen lassen.“ – „Gestern sahe ich die Anlagen von Benutzung einer schönen Jegend, w ­ elche mein Schwager in Homburg gemacht hat; ich kenne wenig Menschen, die so ein fassendes Auge für’s wirk­ lich Schöne haben, wie er hat. Sein Land ist so malerisch verteilt wie mög­lich.“ – Carl

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Bis 1782 – dem Jahr der Aufstellung des Großen Steins, der ersten Staffage im Ilmpark – ging es anscheinend in erster Linie darum, die Mög­lichkeit für einen bequemen naturnahen Aufenthalt zu schaffen, wie ein Brief Carl Augusts vom 11. Juni 1782 zeigt, aus dem sich schließen lässt, dass das Baden in der Ilm ein wichtiges Motiv für die (sehr pauschal benannten) Arbeiten am Stern, dem alten formalen Park im Westen des Ilmtals, war:595 Tiefurt leidet einige Verschönerungen, im Stern sind auch neue Gänge, in denen buschichte Quartiere gemacht werden. […] Heute habe ich zum ersten Male auf deine Gesundheit am Sterne gebadet; das Wasser war gar schön und warm.

Dass er das Ilmtal ab 1782 nicht nur allgemein öffnete, sondern auch sein Aussehen mehr und mehr gartenkünstlerisch umgestaltete, lässt vermuten, dass sich seine Auffassung von der Natur des Ilmtals und den Mög­lichkeiten ihrer Nutzung in der Folge veränderte.596 Bis zum Zeitpunkt der Aufstellung des Großen Steins August an Anna Amalia. Meiningen, den 27. Mai [1785] (Carl August/Anna Amalia 1938, S. 55); Carl August an Anna Amalia. Darmstadt, den 6. Juni 1785 (ebd., S. 55 f.); Carl August an Anna Amalia. Mainz, den 9. Juni 1785 (ebd., S. 57). 595 Carl August an Knebel. Weimar, 11. Juni 1782 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S. 40). Vgl. auch einen Brief Wielands an Merck, in dem er von den kleinen Geselligkeiten im Ilmtal berichtet: „Abends gieng ich mit meiner frau und beyden ältsten Mädchen über den (nach Göthens Plan und Ideen, seinem Garten gegenüber) neuangelegten ExercierPlaz, um von da nach dem sogenannten Stern zu gehen, und meiner frau die neuen Poëmata zu zeigen, die der Herzog nach Göthens Invention und Zeichnung dort am Wasser anlegen lassen, und die eine wunderbar Künst­liche Kunstlose anmuthigwilde, einsiedlerische und doch nicht abgeschiedene Art von Felsen und Grottenwerk vorstellten, wo Göthe, der Herzog und Wedel oft selbdrey zu Mittag essen, oder in Gesellschaft einer oder der andern Göttin oder halbgöttin den Abend passieren.“ Wieland an Merck. Weimar, 3. Juni 1778 (Merck 2007/2, S. 104). 596 Vgl. zur Geschichte der Bezeichnung des Ilmtals als ‚Park‘ Ahrendt 2007. Zur Öffent­ lichkeit des Parks: „Anstatt daß unser Herzog neuerdings alle Thüren und Brücken seiner Gärten und Anlagen eröffnet hat, so sind hier die Partien des Gartens gegen einander selbst verschlossen, und stellen Vorhöfe, Tempel und Heiligstes vor. Der Unterschied ist recht karackteristisch.“ Goethe an Charlotte von Stein. Gotha, 14. Juni 1783 (GSA 29/490 I: Goethe Ausgegangene Briefe, Bl. 25). Offensicht­lich gab es von Anfang an öffent­liche Wege im Ilmtal, wie Wielands Brief an Merck vom 3. Juni 1778 vermuten lässt, in dem er das mensch­lich-freie Naturleben des Herzogs, Goethes und Knebels im Ilmtal lobt, das „in den Augen aller Menschen, die da von Morgen bis in die Nacht ihres Weeges vorüber gehen“, stattfinde (Merck 2007/2, S. 104). In einem früheren Brief berichtet er jedoch von nicht öffent­lich zugäng­lichen Bereichen des

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(siehe nächstes Unterkapitel) zeigen sich Nutzung und Gestaltung des Ilmtals unabhängig sowohl von ikonografischen Traditionen als auch vom zeitgenös­ sischen wirkungsästhetischen Gartendiskurs, von dem Carl August bis dahin kaum etwas und Goethe vor allem die satirewürdigen Übertreibungen rezipiert hat.597 Dass der Wörlitzer Park eine Vorbildwirkung gehabt haben könnte, ist bis hierhin nicht zu erkennen.598 Zudem mag das selbst erlebte Scheitern der philanthropistischen Erziehungstheorie in der ­Praxis sowohl Carl August als auch Goethe misstrauisch gegen die ähn­lich klingenden Glücks- und Heilsversprechen der Landschaftsgartentheorie gemacht haben. Bis 1782 lagen bei der Nutzung und Gestaltung des Ilmtals anscheinend vor allem individuelle und lokale Interessen und Motive zugrunde: der Wunsch, sich auch als Fürst bzw. Rat mensch­lich und als Teil der Natur zu erleben; die Notwendigkeit eines Raumes für Standesgrenzen überschreitende Geselligkeit im

Tals, die es wohl sind, die Carl August 1783 öffnen ließ: „Göthen bekomme ich gar nicht mehr zu sehen; denn er kommt weder an den Concerttagen nach Hof, noch zu mir; und zu ihm kommen, wiewohl unsre domainen eben nicht sehr weit von einander liegen, ist auch keine Mög­lichkeit, seit dem er beynah alle Zugänge barricadirt hat. Denn alle nähere Wege zu seinem Garten gehen über die Ilm, und theils durch eine ehmals öffent­liche Promenade, der Stern genannt, theils über eine herrschaft­liche Wiese. Nun hat er zwar, pour faciliter la communication, in vorigem Jahre 3 bis 4 Brücken über die Ilm machen lassen; izt aber, Gott weiß warum, sind sie mit Thüren versehen, die ich, so oft ich noch zu ihm gehen wollte, verschlossen angetroffen habe. Da man nun nicht anders zu ihm Dringen kan als mit einem Zug Artillerie, oder wenigstens mit ein Paar ZimmerLeuten, die einem die Zugänge mit Äxten öfnen, so ist ein gemeiner Mann wie unser einer gezwungen, das Abentheuer gar aufzugeben und in seinem eignen zu bleiben.“ Wieland an Merck. Weimar, 12. April 1778 (Merck 2007/1, S. 68 f. – Hervorhebungen durch mich). 597 Vgl. Groß 2005 und ausführ­licher Groß 2009, Kap. 4 sowie Niedermeier 1993. Beide unterscheiden hier allerdings nicht zwischen realen Gärten und Gärten in Literatur. 598 Nachweisbaren Einfluss hatte Wörlitz erst ab 1782 und nicht auf den Ilmpark, ­sondern auf Tiefurt, an dem Anna Amalia, inspiriert von einem Wörlitzbesuch, einige Änderungen vornahm (bei denen Goethe sie unterstützte). Vgl. dazu den Brief Anna Amalias an Knebel vom 8. November 1782, der von den Folgen ihres Wörlitzbesuches berichtet: „Da Ihnen Tusnelde von meinem Aufenthalt in Wörlitz einige Nachrichten gegeben hat, so will ich weiter nichts davon sagen. Aber das müssen Sie wissen, daß meine Imagination etwas gelitten hat, denn ich ruhe und raste nicht, bis ich Tiefurt in einen (dürft’ ich doch sagen!) beinahe ähn­lichen Zustand gebracht habe. Kaum war ich wieder zurück, stürmte ich mit Projecten los; mein armes Tiefurt war ganz erstaunt über meine erhabenen Ideen; und in der That, die Hand wurde daran gelegt.“ (Knebel 1840, S. 192 f.).

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Freundeskreis; die Mög­lichkeit, die Konflikte zwischen Hof und dem s­ einer tradi­ tionellen Fürstenrolle entfremdeten Herzog durch einen natür­lichen ­Rahmen für Geselligkeit zu vermindern, der die Steifheit des Hofes zu mildern vermochte. Ein Landschaftsgarten ermög­lichte eine Verbindung von höfischen und persön­ lichen Interessen und Bedürfnissen, da sich in ihm die traditionelle höfische Festkultur mit dem neuen freien Naturgefühl verbinden ließ.599 Die Schaffung eines Parks im Ilmtal seit 1782 Vom Ilmtal zum Ilmpark

Das Jahr 1782 lässt sich als Wendepunkt in der Nutzung des Ilmtales verstehen, nicht nur wegen Goethes Auszug aus seinem Garten. Obwohl es noch zwei Jahre dauerte, bis tatsäch­lich größere gärtnerische Eingriffe begannen, bedeuteten sowohl die Anbringung der Steintafel mit Goethes Gedicht Einsamkeit als auch die Aufstellung des Großen Steins eine Veränderung in der Auffassung des Ilmtals. Dieser wurde im Oktober 1782 und damit nur wenige 599 Vgl. Müller-Wolff 2007, S. 48 ff. Diese Öffnung des Hofes für Unterhaltungen in der Natur war allerdings noch nicht selbstverständ­lich, wie eine kleine Anekdote über den am Weimarer Hof weilenden franzö­sischen Altphilologen Jean-Baptiste G ­ aspard d’Ansse de Villoison zeigt, die Luise von Göchhausen 1782 an Knebel berichtet: „Ich muß doch noch anmerken, daß sämt­liche Fräuleins den armen Villoison einen unversöhn­lichen Haß geschworren, weil er sich beygehn lassen, sie vom Sommer her les Nymphes de l’Ilm zu nennen, an deren Ufern sie sich, seines Erachtens nach zu oft verweilten. Hierüber sind sie so aufgebracht, daß keine in seiner Gegenwarth ein franzö­sisches Wort fallen läßt, er also genöthigt ist lauter Monologen an sie zu richten…“ Göchhausen an Knebel. Weimar, 2. November 1782 (Göchhausen 1923, S. 55). „[Z]u oft verweilten“ die Weimarer Hofdamen aus Sicht eines Weltmannes in der Natur; ein Bruch mit der höfischen Konvention und Etikette offenbar, der es für ihn rechtfertigte, sie als Nymphen und damit als ‚leichte Mädchen‘ zu verspotten, worauf sie nur mit der schlimmsten Strafe für ein Vergehen gegen die Höf­lichkeit zu reagieren vermochten – mit gesellschaft­lichem Ausschluss. Vgl. zu den Nymphen die entsprechende Anmerkung bei Adelung: „Wegen der vielen Liebeshändel, w ­ elche die ältern Dichter von diesen Schutzgöttinnen der Naturgegenden erzählen, pflegt man auch wohl zuweilen eine allzu freye weib­liche Person eine Nymphe zu nennen.“ (Adelung 1798, Sp. 549 f.). In dieser Bedeutung verwendet beispielsweise Wieland den Begriff immer wieder in seinem Agathon (z. B. über die verführerische Danae): „Auch sind wir weit davon entfernt, diese allzuzärt­liche Nymphe entschuldigen zu wollen, so scheinbar auch immer die Liebe ihre Vergehungen zu bemänteln weiß.“ (Wieland 1766, S. 209).

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Wochen nach einem Besuch in Wörlitz als erste eigent­liche Staffage in das Ilmtal gebracht (vgl. Abb. 21).600 Fünf Jahre später wurde dem zuvor leeren Stein eine lateinische Widmung an Leopold Friedrich Franz eingeschrieben.601 Man könnte vermuten, dass sich Carl August dabei an Goethe und dem von ihm etwa zeitgleich in seinem Garten aufgestellten Gedenkstein für Charlotte von Stein orientiert hat. Dieser war laut Gedichtinschrift als Zeugnis seines Glücks sowie zum Erinnerungsmal für seine intensive Beziehung zur Natur in den Jahren seines Gartenlebens bestimmt und diente damit einem persön­ lichen, nicht für die Öffent­lichkeit bestimmten Zweck.602 Für eine Orientierung an Goethes Vorstellungen spräche auch, dass Goethe sich mit der genaueren Ausgestaltung des Postaments und der Umgebung befasste, nachdem der Stein auf Carl Augusts Initiative hin (so legen es die Quellen nahe) herbeigebracht und aufgestellt worden war.603 Die zeit­liche Nähe der Aufstellung des Großen Steins zu einem Wörlitz­ besuch lässt indes noch eine zweite, konventionellere Sinnebene vermuten. So gibt es im Wörlitzer Park seit 1773 auf einer Ausbuchtung des Deichs Richtung Elbwiesen ein sogenanntes ‚Skaldengrab‘, das aus einer Ansammlung von mehreren großen Felsblöcken besteht. Es ist zwar nirgends überliefert, dass mit dem Großen Stein in Weimar germanische Frühzeit oder Ähn­liches assoziiert wurde, aber es ist wahrschein­lich, dass Carl August den Großen Stein im Zusammenhang mit den Fürstenbundverhandlungen als Symbol für das gemeinsame Eintreten des Dessauer und Weimarer Fürsten für die ‚altdeutsche Freiheit‘ der Fürsten aufgestellt haben könnte.604

600 „Heute wird das titanische Werk von Neuem angegriffen, der Stein dem Jägerhaus gegenüber fortgewälzt und auf seinen Platz gebracht.“ Carl August an Knebel. ­Weimar, 14. Oktober 1782 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S. 43). 601 FRANCISCO DESSAVIAE PRINICIPI. 602 „HIER GEDACHTE STILL EIN LIEBENDER SEINER GELIEBTEN / HEITER SPRACH ER ZU MIR: WERDE MIR ZEUGE DU STEIN / DOCH ERHEBE DICH NICHT DU HAST NOCH VIELE GESELLEN / IEDEM FELSEN DER FLUR DIE MICH DEN GLYKLICHEN NAEHRT / IEDEM BAUME DES WALDS UM DEN ICH WANDERND MICH SCHLINGE / RUF ICH WEIHEND UND FROH: BLEIBE MIR DENKMAL DES GLYKS / DIR ALLEIN VERLEIH ICH DIE STIMME WIE UNTER DER MENGE / EINEN DIE MUSE SICH WAEHLT FREUNDLICH DIE LIPPEN IHM KYSST.“ (Mende 2007, S. 319). 603 Vgl. zu Carl Augusts Initiative den Brief von Wieland an Merck. Weimar, 5. August 1782 (Merck 2007/3, S. 99) und zu Goethes Beteiligung John 2001, S. 157. 604 Vgl. Niedermeier 2001a, S. 144 ff.

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Dafür spricht, dass etwa aus der gleichen Zeit wie der Große Stein (1781/82) ein Kaminschirm des Gotischen Hauses in Wörlitz stammt, der mit Szenen aus der germanischen Geschichte bemalt ist und, wie Niedermeier schließt, „die Germanen aus der Schlacht im Teutoburger Wald als die unmittelbaren Vorkämpfer des Deutschen Reiches und damit als Stammväter der eigenen geschicht­lichen Herkunft zeigen sollte“.605 Der Große Stein könnte sich so – wie später die künst­liche Ruine und die Gotische Kapelle – sowohl auf den allgemeinen Topos einer erinnernswerten Vorzeit beziehen, in der die Menschen im Einklang mit der Natur lebten, als auch auf eine spezifische Vorstellung von der germanischen Geschichte, in der die Fürsten für die Freiheit eintraten. Wahrschein­lich wird diese Annahme dadurch, dass dieses (durch Carl Augusts Engagement für den Fürstenbund naheliegende) neue Interesse, das Ilmtal als Raum für politische Symbolik zu ­nutzen, nicht im Widerspruch stand zum älteren Motiv, durch die Natur im Ilmtal eine Verbesserung der höfischen Gesellschaft zu bewirken.606 Der Große Stein kann aber auch nur als ästhetische oder ‚erhabene‘ Aufwertung des Ilmtals verstanden werden; ein tieferer Sinn ist an ihm selbst nicht erkennbar, da die Benennung als Großer Stein anders als beim Wörlitzer Skalden­grab keinen Rückschluss auf Carl Augusts Intentionen und Assozia­ tionen zulässt. Er ist mithin kein ­Zeichen, sondern nur An­zeichen und bedarf zu seinem Verständnis genaueren Kontextwissens. Ab 1782 wandelte sich die Funktion des Ilmtales. Indem es durch Wege erschlossen und für die Allgemeinheit geöffnet wurde, wurde der frühere Rückzugsort Carl Augusts und Goethes zu einem öffent­lichen Raum. Als Landschaftsgarten zog er Aufmerksamkeit auf sich – und anscheinend beabsichtigte Carl August das auch, stattete er doch in dieser Zeit einer Reihe von Landschaftsgärten anderer Fürsten Besuche ab. Was er über sie dachte, ist leider nicht bekannt, da er sich über diese anderen Gärten nicht schrift­lich geäußert hat.607 Ein frühes Zeugnis dafür, dass nun zunehmend auch die Gegenden jenseits des Sterns als Park und spezifisch als Landschaftsgarten wahrgenommen ­wurden, ist die Erwähnung des Luisenklosters im letzten Band von Hirschfelds Theorie der Gartenkunst:608 605 Niedermeier 2002, S. 23. Vgl. hier Kap. 2.3., Abschnitt: Germanen und Römer. 606 Wie Müller-Wolff zeigt, war die sich über mehrere Wochen hinziehende Aufstellung des Großen Steins ein Anlass für Geselligkeit (vgl. Müller-Wolff 2007, S. 132). 607 Vgl. ebd., S. 131. 608 Hirschfeld 1782/4, S. 238 f. Bei den erwähnten „künst­lichen Ruinen eines weitläuftigen Gebäudes“ muss es sich um die etwa 1779 errichtete Schießmauer handeln,

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Das Kloster ist eine kleine Einsiedeley, mit einer Kapelle, am Ilma-Fluß. Man kommt durch Wege dahin, die sich durch Felsen schlängeln, bald Gewölbe sind, bald zu lichten Plätzen werden, und mit ihrem öden, wilden Anblick, hie und da angebrachten Höhlen und Sitzen, eine Vorstellung von den berühmten Felsengängen der sine­sischen Gärten geben können. Unten schleicht der Ilm-Fluß in seinen schattigten Ufern, und oben erblickt man die künst­lichen Ruinen eines weitläuftigen Gebäudes. Die Einsiedeley und Kapelle sind mit Moos und Baumrinden bekleidet, und werden durch das Wasser und eine Wiese von dem Stern, einem öffent­lichen Spatziergange, und Göthens Gartens geschieden, der Terrassenweg hebt, und schöne Aussichten, z. B. über die Wiesen nach Belvedere, hat.

Die für Goethe unend­lich und damit unbegreif­lich schöne Natur des Ilmtals wird hier umgedeutet zu einem beschreib- und vergleichbaren Kunstwerk, das konventionelle Eigenschaften aufweist und aus traditionellen Elementen besteht: Das Luisenkloster wird als für Lustgärten typische Einsiedelei wahrgenommen, die Felsen sind ganz mensch­liche Gewölbe und Plätze, die chine­sischen Vorbildern zu folgen scheinen. Auch ihr ‚öder, wilder Anblick‘ ist konventionell; seine Perspektive ist die der Erhabenheitstheorie.609 Die Zweckbindung des Luisenklosters – als improvisierte Kulisse für eine Festinszenierung und als Rückzugsort für Carl August – tritt in dieser Wahrnehmung in der Hintergrund zugunsten seiner ästhetischen Funktion und des empfindsamen Effekts. Es ist nicht überliefert, wie Carl August zu dieser öffent­lichkeitswirksamen Beschreibung seines Rückzugsortes gestanden hat. Die in den folgenden J­ ahren von ihm initiierten Gestaltungsarbeiten im Ilmtal lassen indes annehmen, dass es sich bei dieser Wahrnehmung des Ilmtals als Landschaftsgarten nicht nur um eine Zuschreibung gehandelt, sondern dass Carl August es selbst so gesehen hat. Im Sinne Hirschfelds scheinen jedenfalls die Gestaltungen der nächsten Jahre zu sein. Das Ilmtal wurde durch Wege weiter für Spaziergänger erschlossen, und ab 1783 wurde an der Quelle des Läutra-Baches eine Grotte mit einer Sphinx-Statue geschaffen (vgl. Abb. 22). Diese lässt sich im Zusammenhang mit dem in diese Zeit fallenden Freimaurer-Engagement Carl Augusts deuten.610 Sie kann aber auch allgemein als Geheimniswächterin im Sinne der Ödipusfabel verstanden werden, in der eine

die – allerdings erst zwei Jahre nach Erscheinen dieser Beschreibung – zur künst­lichen Ruine der Gleichen-Burg erweitert wurde. 609 Vgl. Trotha 1999, S. 96 ff. 610 Vgl. Buttlar 1995, S. 88 f.

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Sphinx jeden tötet, der ihr Rätsel nicht zu lösen vermag.611 Mit Bezug auf den antiken Mythos lässt sich die Weimarer Sphinx außerdem als sinniges Symbol für die Bedeutung verstehen, die das Ilmtal in den ersten Jahren für Carl August hatte: Nur wer den Menschen erkennt – oder: wer das Menschsein kennt –, kann die Sphinx unbeschadet passieren. Allerdings lenkt die Sphinxgrotte mit ihrer künst­lichen Felsengestaltung den Blick weg von der Natur selbst auf die Kunst. Vielleicht lässt sie sich also ebenso als ­Zeichen von Carl Augusts Erkenntnis lesen, dass ein Naturleben außerhalb von Konventionen und Traditionen nicht mög­lich ist.612 Allerdings gilt es, mit Vorsicht zu deuten, da hier ebenso wie bei der Gotischen Kapelle der dekorative Aspekt nicht zu unterschätzen ist. Grundlegend erfüllt die Sphinx zunächst einmal die – frei­lich nicht zu unterschätzende – Funktion, das Ilmtal als Park und damit als Carl Augusts Ruf dienende Leistung erkennbar zu machen (vgl. Abschnitt: Der ­Nutzen des Ilmparks für Carl Augusts Interessen). Neugotische Staffagen: Stimmungsarchitektur oder ikonografische Inszenierung?

Mit ihrem Antikebezug blieb die Sphinx für die nächsten Jahre singulär. Ab 1784 wendete sich Carl August zunächst dem Mittelalter bzw. der Neugotik zu. Er ließ die Inneneinrichtung des Luisenklosters neugotisch überformen 613 und die ehemalige Schießmauer auf dem Hang über dem Luisenkloster in die künst­ liche Ruine einer mittelalter­lichen Burg umbauen (vgl. Abb. 24).614 Gemeinsam ist der Sphinxgrotte und der künst­lichen Ruine ein deut­licher Naturbezug. So 611 Vgl. Hederich 1724, Sp. 2253 ff. Dass die Zeitgenossen mit der Weimarer Sphinx nicht nur Ägypten, sondern tatsäch­lich auch Griechenland – und damit den Ödipus-­ Mythos – assoziierten, zeigt Schumanns Beschreibung des Ilmparks von 1797: „Die Statue selbst ist von der geschickten Hand des Herrn Hofbildhauer Klauers, aus etwas groben Sandstein gehauen, und giebt der ganzen Parthie so viel Wahrheit, daß man sich wirk­lich mehrere Minuten in die alten Zeiten Griechenlands zurückgesetzt glaubt, und sich anfangs nach der Flucht umsieht, um nicht mit jenen unglück­lichen ­Griechen gleiches Schicksal zu theilen, ­welche Besorgniß durch das schauer­liche Dunkel, w ­ elches die Schatten der traurigen Cypressen, Lerchenbäume u. a. m. verursachen, noch um vieles vermehrt wird.“ (Schumann 1797, S. 9). 612 Zudem konnte mit der Figur der Sphinx um 1800 auch einfach die Macht der Natur assoziiert werden, wie Jan Assmann zeigt – was die Deutung als Mahnung ans (natür­ liche) Menschsein unterstreicht. Vgl. Assmann 2001, S. 35. 613 Vgl. Müller-Wolff 2007, S. 143 f. 614 Burkhardt 1907, S. 144 f.

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sieht Müller-Wolff in der Ruine ein Z ­ eichen für Vergäng­lichkeit, wofür die an ihr angebrachte Sonnenuhr sprechen würde.615 Zugleich kann sie jedoch wie das Wörlitzer Gotische Haus als Symbol für eine naturnähere deutsche Vergangenheit verstanden werden. Dafür ließe sich ebenfalls die Sonnenuhr als Beleg anführen, da sie auch als Symbol für ein Leben im Einklang mit der Zeit der Sonne, also der Natur, denkbar ist. Beides ist nicht zwangsläufig widersprüch­ lich; die Erinnerung an die Vergäng­lichkeit guter und glorreicher Zeiten mag als Mahnung gemeint sein, für den Erhalt des Richtigen – in ­diesem Falle der ‚altdeutschen‘ Fürstenfreiheit – zu kämpfen. Dass hier nicht die Ruine irgendeiner Burg gebaut wurde, sondern, wie das steinerne Wappen in der Wand zeigt, die der Familie von Gleichen, eröffnet noch eine weitere, konkret auf Carl Augusts Lebensumstände bezogene Sinn­ ebene.616 Carl August bezieht sich dabei augenschein­lich auf die Legende von der Ehe zu dritt, die der Graf von Gleichen geführt haben soll. Dieser wurde der Sage nach bei einem Kreuzzug gefangen genommen, doch er habe durch die Hilfe der Tochter des Sultans fliehen können. Dafür habe sie allerdings die Ehe von dem schon Verheirateten verlangt.617 Der Papst habe diese dann tatsäch­lich erlaubt, sodass der Graf in der Folge mit zwei Ehefrauen auf seinem Schloss im thürin­gischen Freudenthal gelebt haben soll. Goethe hatte diese Legende 1776 in seinem Schauspiel Stella verarbeitet; sie ist dort die Folie, die es Fernando ermög­licht, mit seiner Ehefrau Cäcilie und seiner Geliebten Stella zusammenzuleben. In ihrer Erzählung der Gleichen-­ Legende lässt Cäcilie die Ehefrau und die Sultanstochter einmütig für die Ehe zu dritt stimmen:618 „Wir sind dein!“ – – – Sie faßten seine Hände, hingen an ihm – Und Gott im Himmel freute sich der Liebe, und sein heiliger Statthalter sprach seinen Segen dazu. Und ihr Glück, und ihre Liebe faßte selig Eine Wohnung, Ein Bett und Ein Grab.

615 Müller-Wolff 2007, S. 147. 616 Burkhardt 1907, S. 12. 617 Schon im Dezember 1775 vermerkte Goethe in einem Brief an Carl August aus ­Waldeck „ein altes Schloß der Grafen von Gleichen“. Waldeck, 25. Dezember 1775 (Carl August/Goethe 1915, S. 3). Vgl. außerdem die von Jutta Assel und Georg Jäger zusammengestellte Sammlung von Bearbeitungen der Sage auf dem ­Goethezeitportal: Jutta Assel, Georg Jäger: Graf von Gleichen und seine Doppelehe. Abrufbar auf: http:// www.goethezeitportal.de/index.php?id=6355 (zuletzt abgerufen am 9.2.2015). 618 Goethe Münchner Ausgabe 1.2, S. 76 f.

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Mit Blick auf Carl Augusts Ehe mit Luise von Hessen-Darmstadt gewinnt die Anspielung auf den Grafen von Gleichen einige Brisanz, denn sie war wie die Ehe des Dessauer Fürsten arrangiert und ohne Liebe geschlossen worden. Sie war von Konflikten geprägt, und wie für Louise von Anhalt-Dessau ist auch für die Weimarer Herzogin eine ‚leibfeind­liche‘ Haltung überliefert.619 Die Legende vom Grafen von Gleichen, dessen Ehe zu dritt sogar der Papst gebilligt habe, weil „Gott im Himmel […] sich der Liebe“ freute, wie es bei Goethe heißt, mag für Carl August faszinierend gewesen sein. Dieses Konzept versprach, seine gesellschaft­lichen Pflichten als Fürst, zu denen eben auch eine standesgemäße Ehe gehörte, mit seinen Bedürfnissen als Mensch zu versöhnen. Allerdings hatte Carl August – vielleicht wegen seiner bürger­licheren Erziehung – offensicht­lich mehr Skrupel als Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, tatsäch­lich eine außerehe­liche Beziehung einzugehen. Erst 1802 nahm er mit Caroline Jagemann eine Mätresse, mit der er ein eheartiges Leben führte.620 In der künst­lichen Ruine greifen dabei politische und persön­liche Freiheitsvorstellungen ineinander. Beides, die ‚altdeutsche‘ Freiheit der Fürsten und die Freiheit, eine Geliebte haben zu dürfen, steht nicht nur für das Recht des Individuums (des einzelnen Fürsten bzw. Menschen) auf Unabhängigkeit und souveräne Entscheidungen, sondern zugleich für seine Verpflichtung auf die Gesellschaft (bzw. das Reich). Auch Carl August bemühte sich um die Versöhnung seiner eigenen Bedürfnisse mit den Ansprüchen an ihn, allerdings mit weniger Erfolg, wie die verschiedent­lich geäußerte Kritik daran zeigt, dass es Carl August bei seinem Engagement für den Fürstenbund und bei seinem Einsatz für das Reich als preußischer General augenschein­lich mehr um sich selbst als um die Sache (das Wohl Sachsen-Weimar-Eisenachs) gehe.621 Die 1786/87 errichtete Gotische Kapelle ist die Staffage im Ilmpark, die am deut­lichsten auf das Wörlitzer Vorbild zurückgeht (obwohl Carl August dort nicht mit einer Mätresse lebte).622 Es ist hier zwar kein so deut­licher Bezug zum Fürstenbund erkennbar wie im Wörlitzer Gotischen Haus, in dem viele Treffen von Fürstenbündlern stattfanden; dennoch diente auch sie anscheinend der Inszenierung von Carl Augusts ‚altdeutschem‘ fürst­lichen Selbstbewusstsein (vgl. Abb. 26). So ließ Carl August später auf dem Dach der Kapelle die 619 Vgl. Ebersbach 1998, S. 133 ff. Vgl. Sauder 1990, S. 170. 620 Es ist nicht bekannt, wann das Wappen derer von Gleichen an der künst­lichen Ruine angebracht wurde – mög­licherweise erst, als Carl August tatsäch­lich Liebschaften zu rechtfertigen hatte. 621 Vgl. Fn. 518. 622 Vgl. Ulferts 2007, S. 338.

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Statuen von vier Tempelherren aufstellen, weshalb die Kapelle später auch als Tempelherrenhaus bezeichnet wurde.623 Es lässt sich vermuten, dass Carl August hier mit dem Verweis auf den histo­ rischen, auf Betreiben des franzö­sischen Königs aufgelösten Tempelherrenorden einen eigenen symbo­lischen Ausdruck für die durch den preußischen Fürstenbund nicht wesent­lich verbesserte Situation der ‚kleinen‘, aber aufgeklärten und immer noch treu zueinander stehenden Fürsten in einem von Macht- und Territorialkämpfen geprägten Reich gefunden hat.624 Bezeichnend dafür ist, dass Carl August im Herbst 1787, nach dem Tod Friedrichs II. von Preußen, befahl, mit der Aufstellung der vier Tempelherrenstatuen auf seine Rückkunft zu warten, wohl weil er zuvor die politische Entwicklung in Preußen abwarten wollte.625 Von dieser Vermutung ließe sich auf eine politische Bedeutung der Tempelherrenfiguren schließen. So plausibel die Annahme erscheint, dass Carl August hier an die ikonografische Gartentradition anschließt, wie sie im Wörlitzer Park ausgeprägt ist, so wenig lässt sie sich frei­lich beweisen. Wie beim Dessauer Fürsten ist auch bei Carl August keine schrift­liche Äußerung einer politischen oder repräsentativen Intention seiner Gartengestaltung überliefert. In einem Brief an Knebel nennt er ledig­lich größeren Genuss als Ziel seiner Gartenarbeiten:626 Diesen Winter lass’ ich ein Stück Arbeit machen, w ­ elches dem Ganzen ein viel anderes Ansehen geben wird, indem es die Spaziergänge der kalten Küche mit dem Webicht verbindet, die Wiesen genießbarer macht und dem Exercierplatz die Unannehm­lichkeit nimmt, die er bisher gehabt hat, und ihn dafür zu einem Orte verändern wird, wo man sich künftighin gern aufhalten mag.

623 Dass hierbei in erster Linie oder sogar allein auf die Weimarer Freimaurerloge Bezug genommen worden sein könnte, wie vermutet wurde, scheint eher unwahrschein­lich, da deren letzte Sitzung nach der bisher bekannten Quellenlage schon 1782 stattgefunden hatte und Carl Augusts Verhältnis zu ihr nicht unbedingt positiv war. Vgl. Müller-Wolff 2007, S. 166, wo sie auch näher auf die entsprechende Forschungsdiskussion verweist. 624 Vgl. zum zeitgenös­sischen Wissen über den Tempelorden Zedler 1744, Sp. 744 – 757. 625 Großherzogl. Sächs. Hausarchiv Abt. B 8541: Acta privata die Herzogl. Plantagen betr. 1787/1788. Bl 10: Actum Weimar d. 4. Octbr. 1787. Abgedruckt bei Müller-Wolff 2007, S. 331. 626 Carl August an Knebel. Weimar, 9. Oktober 1785 (Carl August/Knebel/Herder 1883, S.  55 f.).

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In der Gotischen Kapelle, in der regelmäßig höfische Teegesellschaften gehalten wurden, findet sich tatsäch­lich anders als im Wörlitzer Vorbild keine Inszenierung der Familiengeschichte oder der historischen Größe der deutschen Fürsten. Hier wurden anscheinend keine oder nur wenige historische Artefakte aufgestellt; stattdessen hingen an den Wänden Jagdstücke von Adam Friedrich Oeser.627 Das ist indes nicht als ein völliger Verzicht auf diese Tradition misszuverstehen, wie der repräsentative fürst­liche Gedenkraum zeigt, der um 1800 im neu erbauten Schloss eingerichtet wurde.628 Es lässt sich vermuten, dass Carl August durchaus gewillt war, sich und seine Stellung wie der Dessauer Fürst zu inszenieren, dass Goethe einer solch offensiven Herrschaftsrepräsentation jedoch ablehnend gegenüberstand. Es ist in jedem Fall bemerkenswert, dass Carl August eines der für dieses Thema wohl wertvollsten sachsen-weima­rischen Erbstücke, die Rüstung Bernhards von Weimar (des Feldherrn im Dreißigjährigen Krieg), dem Dessauer Fürsten geschenkt hat, der sie im Gotischen Haus in Wörlitz aufstellte. Damit lagerte Carl August die Inszenierung seiner Familiengeschichte quasi aus; durch die Integration in die komplexe Wörlitzer Inszenierung gewann sie sogar noch an Bedeutungstiefe, bot aber keinen Konfliktstoff mehr im Verhältnis zu Goethe.629 Dass dieser gegen ­solche fürst­lichen Inszenierungen war, lässt sich mit Blick auf die von ihm schließ­lich abgelehnte Bitte Carl Augusts vermuten, die Geschichte Bernhards von Weimar zu dramatisieren, auch wenn er seine Absage dramentheoretisch begründet hat.630 Als Goethe 1797 den Hohenheimer Park besuchte, kritisiert er im Tagebuch die Staffagen, weil sie „theils einen

627 Vgl. Schumann 1797, S. 44. 628 Vgl. Ulferts 2007, S. 334 ff. 629 Vgl. Pfeifer 1999. Im Gotischen Haus in Wörlitz findet sich auch ein Ölgemälde Bernhards von Weimar (von einem unbekannten Künstler). Vgl. Museum digital Sachsen-Anhalt, Kulturstiftung DessauWörlitz, Originalausstattung Gotisches Haus auf http://h1863129.stratoserver.net/san/index.php?t=sammlung&instnr=15&gesusa=85 (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). 630 „Nach vielfachem Sammeln und mehrmaligem Schematisiren ward zuletzt nur allzu­ klar, daß die Ereignisse des Helden kein Bild machen. In der jammervollen Iliade des dreißigjährigen Krieges spielt er eine würdige Rolle, läßt sich aber von jener Gesellschaft nicht absondern.“ (Goethe WA I.35, S. 6 f.). Mög­lich ist aber auch die von Ebersbach geäußerte Vermutung, dass Goethe nicht noch ein ‚wildes‘ literarisches Vorbild für Carl August schaffen wollte, sondern sich lieber mit dem mu­sischer und ruhiger veranlagten Wilhelm IV., dem regierenden Bruder Bernhards, beschäftigt hätte (Ebersbach 1998, S. 32).

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engen, theils einen Repräsentationsgeist verrathen“.631 Es lässt sich annehmen, dass Carl August mit seiner Entscheidung, die Gotische Kapelle nicht allzu deut­lich zu einer symbo­lischen Inszenierung auszubauen, eben diesen Eindruck eines „Repräsentationsgeist[es]“ zu vermeiden suchte. Das muss frei­lich nicht zwangsläufig eine Ablehnung von Repräsentation bedeuten. Ebenso wenig ist die Gotische Kapelle angesichts der in ihr zu verzeichnenden Zurückhaltung in Bezug auf symbo­lische Gestaltungen aber als „selbstbewusster Ausdruck von Tradition und Kontinuität fürst­licher Herrschaft“ zu werten.632 Dass Carl August sich bemühte, Goethes offensicht­lich schwindende Loyalität in Hinsicht auf die Parkgestaltung zu behalten und ihn nicht durch fürst­liche Inszenierungen gegen sich aufzubringen, lässt vor allem der 1787 aufgestellte Schlangenstein vermuten (vgl. Abb. 23). Anders als das ausgebaute Luisenkloster, die künst­liche Ruine oder die Gotische Kapelle ist der Schlangenstein kein Fantasieprodukt; er geht auf ein aus den Pitture Antiche D’Ercolano bekanntes antikes Original zurück. Sein aus der Aeneis entnommenes Motiv zitiert den klas­sischen Bildungskanon. Der mit seiner Inschrift beschworene ‚Genius huius loci‘ bezieht sich anscheinend zugleich auf eine idealisiert verstandene Natur und die von ihr gespendeten Freuden wie auf Goethe, dem hier als Beförderer der Schönheit des Ilmtals und wohl auch als Schutzgeist des Regenten Carl August gedankt wird. Dieser wollte dabei, so mag man weiter denken, wie Aeneas (immer noch) auf dem Weg zu einem neuen Rom gesehen werden. In dieser Aktualisierung des antiken Mythos dürfte der Schlangenstein Goethes klassizistischen Vorstellungen entsprochen haben – und einen Ausgangspunkt für die Interpretation des Ilmparks als ‚klas­sischer‘ Landschaft gegeben haben.

631 Hohenheim, 1. September 1797 (Goethe 1999, S. 164). Goethes Wörlitzbeschreibung für Charlotte von Stein könnte zwar vermuten lassen, dass ihm der ikonografische Charakter des Parks nicht bewusst gewesen wäre; es ist jedoch kaum zu bezweifeln, dass Goethe mit der ikonografischen Kunst­praxis und Wissenswelt vertraut war, sie jedoch nur für einen kleinen, fest definierten Anwendungbereich wie die Haus­ gestaltung als legitim und künstlerisch tragbar fand. 632 Müller-Wolff 2007, S. 167. Ähn­lich u. a. bei Biehn 1970, S. 34 ff.

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Die Entwicklung des Ilmparks seit 1787 Goethes Beteiligung und Kritik an der Gestaltung des Ilmparks

Carl August hat Goethe die Aufstellung des Schlangensteins wahrschein­lich im Mai 1787 in einem der drei nicht überlieferten „lieben und werthen“ Briefe mitgeteilt, auf die Goethe ihm am 27. Mai aus Neapel geantwortet hat.633 Im ersten Teil des Briefes teilt er einiges über seine Reise mit, im zweiten geht er auf die Briefe Carl Augusts ein, in denen dieser ihm offenbar von einer Kurreise seiner Frau, seiner Kartensammlung, der Erwählung Dalbergs zum Koadjatur von Mainz und, an erster Stelle, vom Ilmpark (und dabei vermut­lich auch vom Schlangenstein) berichtet hatte. Dazu schreibt Goethe:634 An Ihre Anlagen habe ich oft gedacht, die schwarze Tafel soll auch nicht vergessen ­ erden. Ich habe manche Räzel unterwegs gefunden; vielleicht paßt eines in die Höhle w des Sphynx. Gartenhäuser und Brunnen bringe ich mit.

Es ist also nicht festzustellen, dass sich Goethe schon zu d ­ iesem Zeitpunkt vom Parkprojekt abgewendet hatte. Stattdessen finden sich Hinweise, dass er sich in den folgenden Jahren nicht nur mit dem Bau des Römischen Hauses, sondern auch mit der Gestaltung des Parks beschäftigt hat. So schrieb er Carl August im Februar 1790, dass er und Bertuch mit dem Weimar besuchenden ­Hamburger Architekten Johann August Arens neben den Schlossbauplänen mög­liche Staffagen für den Park besprochen hätten; 1791 teilte er die Fertigstellung des Weges von der künst­lichen Ruine ins Tal mit.635 Sein Tagebucheintrag über den „nichts wissens noch nachahmungswerthes“ enthaltenden Hohenheimer Park lässt vermuten, dass er noch bis in die späten 1790er-Jahre Anteil am Ilmpark genommen hat.636 Carl Augusts Interessen widersprachen Goethes Überzeugungen jedoch mehr und mehr. Dies zeigen seine Briefe an Johann Heinrich Meyer, mit dem 633 Es mag Zufall sein, doch mög­licherweise wählte Carl August bewusst eine herkula­ neische Vorlage, um die Widmung an Goethe zu unterstreichen, der sich zur Zeit der Aufstellung in Neapel und damit in der Nähe der untergegangenen Stadt befand. 634 Goethe an Carl August. Neapel, 27. Mai 1787 (Carl August/Goethe 1915, S. 87). 635 Vgl. den Brief von Goethe an Carl August. Weimar, Anfang 1790 (Carl August/Goethe 1915, S. 148 f.); „Der neue Weg von den Ruinen hinunter wird sehr gut und eine überraschende Parthie.“ Goethe an Carl August. Weimar, 8. Juli 1791 (ebd., S. 163). 636 Hohenheim, 1. September 1797 (Goethe 1999, S. 165).

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er zusammen am Römischen Haus gearbeitet hatte, vor allem sein Brief vom 20. Mai 1796. Zu dieser Zeit hielt sich Goethe – wie oft in den 1790er-Jahren – schon seit drei Wochen in Jena auf, wo er danach noch weitere zwei Wochen blieb; nur am Tag des Briefes war er für einen Tag nach Weimar gefahren. Dort kam es anscheinend zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Carl August über die Gestaltung des Ilmparks – „unsern Anlagen“ –, weil Carl August Goethes Rat nicht folgen wollte:637 Von unsern Anlagen überhaupt kann ich nichts sagen, alles was dabey geschieht, ist dem Zufall unterworfen. Ich hatte noch gestern Gelegenheit mich über die wunder­liche und unsichere Art, wie diese Gegenstände behandelt werden, zu verwundern und zu betrüben. Es will kein Mensch die gesetzgebende Gewalt des guten Geschmacks anerkennen und weil er frey­lich nur durch Individuen spricht und diese auch durch die Eigenheit und Beschränktheit ihrer Natur nicht immer das letzte vollkommene und ausschließ­lich nothwendige hervorbringen, so verliert man sich in einer Breite und Weite des Zweifels, leugnet die Regel weil man sie nicht findet oder nicht einsieht, geht von den Umständen aus anstatt ihnen zu gebieten, läßt sich vom Material Gesetze vorschreiben anstatt sie ihm zu geben. Bald will man abstracte Ideen darstellen und bald bleibt man hinter dem gemeinsten zurück, was sogar das Handwerk schon mög­lich macht. Bringt man ungeschickte und wider­liche Dinge hervor, so sollen sie sogar als Symbol verehrt werden, man arbeitet blos nach dunkeln Vorstellungen, auf unbestimmte Ideen loß, und weil das was daraus entspringt niemand befriedigen kann, so nimmt man seine Zuflucht zum ändern und abermals zum ändern und so kommt alles zum schwanken, daß man immer von einem Erdbeben geschaukelt zu werden glaubt. Die ewige Lüge von Verbindung der Natur und Kunst macht alle Menschen irre, und die falsche Verbindung der Künste unter einander, wo eine bald oben bald unten steht, bald herrschen will bald dienen soll, macht die Confusion vollkommen, besonders wenn die bestimmtesten Künste der Imagination, oder der Empfindung und wills Gott gar am Ende einer sitt­lichen Cultur unmittelbar zu Hülfe kommen sollen.

Goethe kritisiert hier die beiden Gestaltungsweisen, die für den Landschaftsgarten des 18. Jahrhunderts bestimmend waren, näm­lich die empfindsam-­ wirkungsästhetische, auf Empfindung und „sitt­liche […] Cultur“ abzielende sowie die „abstracte Ideen“ symbolisierende, die „Imagination“ (Einbildungskraft) ansprechende ikonografische. Carl August orientierte sich an ihnen,

637 Goethe an Johann Heinrich Meyer. Jena, 20. Mai 1796 (WA IV.11, S. 69). Vgl. Goethe 1999, S. 68 ff.

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obwohl beide für seinen Freund ästhetisch und kunsttheoretisch nicht tragbar waren. Noch genauer erhellt eine Notiz in Goethes Tagebuch von der Schweizreise 1797 über einen Tag am Rheinfall Goethes Auffassung von der Landschaftsgärtnerei:638 Beim Hinabsteigen nach dem flächern Ufer Gedanken an die neumodische Parksucht. Der Natur nachzuhelfen wenn man schöne Motive hat, ist in jeder Gegend lobenswürdig; aber wie bedenk­lich es sey gewisse Imaginationen realisiren zu wollen, da die größten Phänomene der Natur selbst hinter der Idee zurückbleiben.

Wie auch andere Äußerungen dieser Zeit zeigen, lag für Goethe der Fehler bei der im Ilmtal betriebenen Landschaftsgärtnerei nicht darin, dass sie kunstfremde, sondern dass sie naturfremde Zwecke verfolgte. Mit d ­ iesem Versuch einer harmonischen Verbindung von Natur und Kunst leiste sie einer „ewige[n] Lüge“ Vorschub.639 Goethe lehnte nicht die repräsentative Kunst an sich ab; jedoch sollte sie auf bestimmte Räume beschränkt bleiben wie das Schloss oder sein Haus am Frauen­ plan, weil ihr inszenatorischer Charakter dort erkennbar war. Das Römische Haus durfte diesen Zweck haben, wie unter anderem Meyers Wandmalereien im unteren Durchgang des Römischen Hauses zeigen, die ganz offensicht­lich eine „gewisse Imagination […] realisiren“ sollten, näm­lich die Vorstellung von Carl August als uneigennützigem und liberalem Kunstliebhaber und Kunstförderer, die hier vermut­lich auch als Mahnung dienen sollte.640 Goethe sah die repräsentative nicht als eigent­liche Kunst an, wie sein Brief an Meyer vom Februar 1796 zeigt, in dem er die Geschichte der zweckgebundenen, d. h. hier dekorativen bzw. repräsentativen Kunst erörtert und es als ­Zeichen einer barbarischen Zeit erklärt, wenn sich alles nur „auf Zierrath bezieht“.641 Dennoch forderte er auch für „Zierrath“ Professionalität, Geschmack und Kunstverstand. Auf die Nichterfüllung dieser Kriterien bezieht sich seine Klage über Carl Augusts Gartendilettantismus.

638 Schaffhausen, 18. September 1797 (Goethe 1999, S. 188). 639 Goethe an Johann Heinrich Meyer. Jena, 20. Mai 1796 (WA IV.11, S. 69). Vgl. ­Hermand 2005b, S. 83 ff.; Weinhold, S. 425; Schneider 2004, S. 103. 640 Vgl. Berger 2001, S. 30 f.; Broschüre: Römisches Haus/Wandmalereien im Durchgang. Hg. v. d. Klassik Stiftung Weimar 2011. 641 Goethe an Johann Heinrich Meyer. Weimar, 8. Februar 1796 (WA IV.11, S. 22 f.).

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Die Kritik, die Goethe und Schiller im 1797 entstandenen Schema Über den Dilettantismus an unprofessioneller Bau- und Gartenkunst äußern, geht offenkundig unmittelbar auf die Erfahrungen im Ilmpark zurück.642 So ­lassen sich bei den Bemerkungen zur dilettantischen Baukunst (allgemein und im Landschaftsgarten) leicht das Luisenkloster, die Gotische Kapelle oder die Chaumière als Bezugspunkt vorstellen:643 Dilett sucht mehr zum Ursprung der Baukunst zurückzukehren: a) Rohes Holz, ­Rinden etc b) Schwere Architektur dorische Säulen c) Nachahmung gotischer Baukunst d) Architektur der Phantasmen u Empfindungen e) Christmarkts Baukunst, klein­liche Nachäffung großer Formen. […] Die dabei [in der Gartenkunst, I. M.] vorkommende Gebäude werden leicht, spindelartig, hölzern, Brettern pp aufgeführt und zerstören den Begriff solider Baukunst. Ja sie heben das Gefühl für sie auf. Die Strohdächer Bretterne Blendungen, al macht eine Neigung zur Kartenhaus Architektur.

Die Kritik in beiden Texten (in Goethes Brief an Meyer und im Dilettantismusfragment) lässt sich unter zwei Hauptpunkte fassen: Sie betrifft einerseits die Maß- und Gesetzlosigkeit der landschaft­lichen Gartenkunst (wie sie in Weimar ausgeübt wurde) und andererseits die ihr zugrunde liegende Vermischung von Natur und Kunst sowie die daraus resultierende Scheinhaftigkeit dieser Gartenkunst. Der erste Punkt steht im Zusammenhang mit Goethes sich seit Ende der 1770er-Jahre festigender Grundüberzeugung, dass es für ein produktives und erfülltes Leben Ordnung, Beschränkung und Selbstbeherrschung bedürfe, wie er schon im Januar 1778 im Tagebuch notierte, dass er nun ein „[b]estimmteres Gefühl von Einschränkung, und dadurch der wahren Ausbreitung“ erlebe.644 Die Gartenkunst lasse sich jedoch nicht „in der Zucht halten“, wie es im Dilettantismusfragment heißt.645 Wie sehr Goethes Kunst- und Lebensauffassung in d ­ iesem Punkt parallel gehen, zeigt sich am deut­lichsten in den Wahlverwandtschaften, in denen die Regel- und Maßlosigkeit von Gartengestaltung und -leben mit dem Vergessen

642 Vgl. Müller-Wolff 2011, S. 165 f. 643 Goethe/Schiller 1799, S. 162 f. und 167. 644 Januar 1778 (Goethe 1998, S. 60), ebs. am 13. Mai 1780: „Niemand als wer sich ganz verläugnet ist werth zu herrschen, und kan herrschen.“ (ebd., S. 111). Vgl. dazu H ­ ermand, Freiheit in der Bindung, S. 78 f f. 645 Goethe/Schiller 1799, S. 167.

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der Notwendigkeit von ökonomischen und ­sozialen Maßnahmen korrespondieren.646 Die „zunehmende Zeitvergessenheit heißt nicht bloß, dass den Freunden die Uhrzeit oder die Jahreszeit anfängt gleichgültig zu werden“, wie ­Niedermeier zu d ­ iesem Motiv in den Wahlverwandtschaften schreibt, „sondern vor allem die Zeit, in der sie leben, und somit die Welt, die sie umgibt mit ihren Verhältnissen, ­sozialen Bindungen, ökonomischen Erfordernissen, Konventionen, Normen und Gesetzen“.647 „Dilettantismus und Subjektivismus“ werden im Roman, so Schneider, als das Gegenteil von „künstlerischer Professionalität und ­sozialer Verantwortung“ beschrieben.648 Ein Blick auf andere Parks dieser Zeit – insbesondere wieder Wörlitz – zeigt indes schnell, dass Landschaftsgärten nicht zwangsläufig mit einer Vernachlässigung von Ordnung, Maß, Disziplin, Nutzorientierung oder Verantwortung einhergingen. Grundlage für diesen Gedanken waren offenbar zum einen Goethes eigene Garten- und Naturerlebnisse in den 1770er-Jahren und zum anderen die Erfahrungen mit dem auch nach dem Friedensschluss 1794 für ordent­liche und konsequente politische Arbeit schwer zu begeisternden Weimarer Herzog. Die regellose Willkür, die dieser bei der Gartengestaltung walten ließ, entsprach dabei nur zu deut­lich (obwohl Goethe das nicht explizit benennt) der von verschiedenen seiner Freunde beklagten Willkür und Planlosigkeit von Carl Augusts Handeln als Fürst.649

646 Goethe zeichnet zwar in den Wahlverwandtschaften ganz offensicht­lich nicht, wie Geissler-Latussek zeigt, den Ilmpark – aus Takt und seinem Bewusstsein von der Rolle des Ilmparks für den Ruf Weimars (s. u.) –, aber er bezieht sich augenschein­ lich auf seine Erfahrungen bei der Gestaltung des Ilmparks durch Carl August. Vgl. Geissler-Latussek 1992. 647 Niedermeier 1992, S. 28. Vgl. Goethe/Schiller 1799, S. 174: „Die Kunst gibt sich selbst Gesetze und gebietet der Zeit: der Dilettantism folgt der Neigung der Zeit.“ 648 Schneider 2004, S. 102. 649 Vgl. Knebel an seine Schwester am 6. Dezember 1784 aus Jena: „Da die Regierungsart des Herzogs selbsten noch ungewiß und schwankend (doch dies bleibt unter uns!), so mag, nach mathematischen Gründen, die Peripherie schwer­lich in Ruhe ­kommen, wenn das Centrum in Bewegung ist.“ (Knebel/Knebel 1858, S. 35). Ebs. 1787: „Der Herzog liebt Krieg und Soldatenwesen, und ist deshalb unruhig, unbesitzend; das Land nimmt seine Gestalt an…“ Knebel an seine Schwester Henriette. Weimar [Goethes Gartenhaus], 2. August 1787 (ebd., S. 61 f.). Ähn­lich schrieb 1795 Bertuch an Justus Christian Loder, dass über das „Vertrauen der Fürsten […] gar viel zu sagen“ sei: „Es ist so journalier und gefällig, und hängt so sehr von Stimmung, Laune und zufälligen Lagen und Verhältnissen des Lebens der Fürsten ab, daß kein Mensch es berechnen kann, hingegen es auch gar nichts für den Werth oder Unwerth eines Mannes beweißt.“

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Der zweite Kritikpunkt trifft dagegen tatsäch­lich ein zentrales Merkmal des Landschaftsgartens, näm­lich sein „Vorliebnehmen mit dem Schein“, den in ihm gepflegten Illusionismus.650 Im Dilettantismusfragment wird dieser als gefähr­lich angesehene Schein jedoch nur als Resultat einer falschen Kunstauffassung verstanden, die zunächst einmal negative Folgen für den dilettantischen Garten­schöpfer selbst hat. Als „Schaden fürs Subjekt“ nennen Goethe und Schiller hier „Phantastische und Sentimenta­lische Nullität“, also Substanz­ losigkeit und innere Leere.651 Die Mög­lichkeit einer bewussten und zielgerichteten Erzeugung dieses Scheins wird nicht angesprochen. Die Scheinhaftigkeit wird nur als Kunst- und nicht als Machtthema verstanden, obwohl Lüge und Täuschung, die Goethe auch an anderer Stelle am Landschaftsgarten kritisiert, typische Machtmittel sind, wie Schneider zeigt:652 [D]er ästhetische Eigenwert der Wirk­lichkeitsstilisierung wird vom Dilettanten und seinen Produkten nicht einbekannt – im Sinne des „aufrichtigen Scheins“ Schillers – sondern verleugnet. […] Die ‚Natur‘ im Innern und die Natur draußen – die Landschaft – lassen sich nicht ineinander übersetzen, ohne dass der Abstand der Fiktion, der Repräsentation, der Kulisse, des Scheins und damit des Potentials der Lüge ins Spiel kommt.

Fiktiv ist die Landschaftsgartenkunst, weil sie der Natur fremde Bedeutungen und Wirkungen einzuschreiben sucht und diese – oder ihre „Phänomene“, wie Goethe in der Schweiz schrieb – damit verfälscht.653 Doch trotz dieser Kritik und obwohl Goethe in den 1790er-Jahren regelmäßig nach Jena floh, blieb er Carl August noch bis mindestens 1798 ein l­oyaler Freund und Berater in Gartenfragen, wie Briefe belegen.654 Grundkonsens

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Bertuch an Loder. Weimar, 8. Februar 1795 (GSA 06/2461. Zit. nach Schmidt-Funke 2005, S. 122). Goethe/Schiller 1799, S. 166. Ebd., S. 152. Schneider 2004, S. 100. Vgl. ebd., S. 101 und Groß 2009, S. 31 und 77. Schaffhausen, 18. September 1797 (Goethe 1999, S. 188). Vgl. einen den Ilmpark betreffenden Brief Carl Augusts an Goethe aus dem Jahr 1798: „Vent wird Dir gestern Abend gesagt haben, daß es mit der Idee eines zweyten Bades nicht gehe, weil die Böschung so flach wird, daß sie auf den Waßerstand des Baches mit 0 ausläuft, und daher alle Sitze, Tritte, oder was mann anbringen möchte unter Waßer stehn würde, und das Ding am Ende wie eine Schwemme außsehn möchte. Diese Böschung muß ich annehmen, weil sonsten der Bach ein hohler Graben wird,

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z­ wischen beiden scheint trotz allem die Hoffnung auf eine positive Wirkung der Natur auf den Herzog und die höfische Gesellschaft gewesen zu sein, die im Dilettantismusfragment zu den wenigen legitimen Seiten der dilettantischen Gartenkunst gezählt wird: „Eine rein­liche und vollends schöne Umgebung wirkt immer wohlthätig auf die Gesellschaft.“ 655 Ob es zwischen Goethe und Carl August zur Frage des Umgangs mit dem Ilmtal eine ganz offene Aussprache gegeben hat, ist nicht überliefert. Es steht allerdings zu vermuten, dass das Thema zu den „unaussprech­liche[n] Dinge[n]“ gehörte, von denen Goethe schon 1778 und 1779 – also während des weit engeren und vertrau­licheren Verhältnisses zwischen beiden – im Tagebuch schrieb, und die „sich nicht mit Worten ausdrücken“ durften, weil sie „leicht misverstanden und dann gefähr­lich“ wären.656 Wahrschein­lich hat Goethe auch beim Ilmpark versucht, die „Mängel an[zu]nehmen“ und sie dann zu „kontrebalanciren“. So lässt sich immerhin das Römische Haus deuten, bei dessen Inneneinrichtung Goethe akzeptiert hat, dass sein klassizistischer Kunstanspruch von den von fürst­lichem Luxus- und Repräsentationsbedürfnis bedingten Gestaltungswünschen Carl Augusts gestört wurde.657 Friedrich Justin Bertuch und der Park als ‚Wirtschaftsfaktor‘

Von ­solchen kunsttheoretischen Fragen schien Bertuch unberührt gewesen zu sein. Carl August hatte ihn 1788 als Parkverwalter eingesetzt, als er sich selbst für die preußische Armee verpflichtet hatte und deshalb lange Abwesenheiten von Weimar erwartete. Bertuchs Unternehmergeist und -geschick wie sein ­ elches ich zu vermeiden wünschte.“ Carl August an Goethe. 8. Dezember 1798 (Carl w August/Goethe 1915, S. 269 f.). 655 Goethe/Schiller 1799, S. 166. Als „­Nutzen fürs Subjekt“ verzeichnen Goethe und ­Schiller bei der Gartenkunst zudem: „Ideales im Realen. Spazierengehen.“ (ebd., S. 152). Vgl. zur Ende des 18. Jahrhunderts erfolgenden bürger­lichen Umdeutung des Spazierengehens Gamper 1998, S. 182 ff. 656 Diese und die folgenden beiden Zitate: Einträge 14. Dezember 1778 und 2. August 1779 (Goethe 1998, S. 68 und 85). 657 Vgl. Berger 2001, S. 36 f. Dieses Luxusbedürfnis wird beispielsweise von Rückert (Rückert 1800, S. 15) kritisiert: „An der Lage und äußern Gestalt dieses sehenswür­ digen Gebäudes hat der strengste Geschmack vielleicht nur wenig auszusetzen; gewiß aber stößt er sich an der hier und da hervorstechenden Pracht des Innern, neben der einfachern Schönheit, – an der bizarren Verschwisterung des Hofes mit der Natur.“ Auch die Briefe eines ehr­lichen Mannes von 1800 vermerken den „asiatische[n] Luxus“ der Inneneinrichtung (Anonym 1800, S. 50).

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ökonomisches Denken und seine Zuverlässigkeit hatten ihn für Carl August schon seit Jahren zu einem nütz­lichen Mitarbeiter gemacht. Für die Stelle des Parkverwalters empfahl sich Bertuch vermut­lich zudem wegen seiner langjährigen Erfahrungen in Gartenbau und -gestaltung und der von ihm bewiesenen Wirtschaft­lichkeit.658 Nicht zuletzt hatte er mit seinem Engagement für die Freie ­Zeichenschule in Weimar wie mit seinen bis dahin erschienenen Äußerungen über den ­Nutzen von Landschaftsgärten im Journal des Luxus und der Moden eine weitaus pragmatischere Auffassung von Kunst und von der Legitimität der Benutzung von Natur gezeigt als Goethe.659 So heißt es beispielsweise 1787 in Bertuchs Modejournal über Gartensitze:660 Sitze sind in einem Garten, er sey so groß oder so klein, und in w ­ elchem Geschmack er wolle, unentbehr­lich. Man will vom Spazierengehen ermüdet ausruhen; eine Gegend ein schönes Point-de-Vüe ruhiger betrachten; ja es thut uns selbst wohl, uns in freyer Luft hinzusetzen, und der schönen Natur um uns her zu genießen.

Da das Verhältnis zwischen Bertuch und Carl August mittlerweile deut­lich abgekühlt war, lässt sich vermuten, dass Bertuch die Stelle weniger aus persön­licher Verbundenheit übernommen hat als vielmehr, weil sie Mög­lichkeiten eröffnete, seine eigenen Ziele umzusetzen. Immerhin hatte Carl August ihn schon einige Male unterstützt, zwar nicht unmittelbar finanziell, aber beispielsweise durch die Vergabe von Lizenzen.661 658 So heißt es in Carl Augusts Instruction für den Legations Rath Bertuch im Betreff des Garten Wesens im Parcke zu Weimar, dass Bertuch Aufsicht führen solle, dass die Arbeiten im Park gut, zweckmäßig und mit mög­lichster Ersparung der Kosten geschehn“ (Tille 1913, S. 9 f.). Vgl. außerdem Steiner/Kühn-Stillmark 2001, S. 42 f. und 142 ff. sowie Schneider 2000, S. 635 f. 659 Über die ­Zeichenschule schreibt Angelika Emmrich: „Mit der Erklärung, die Freye ­Zeichenschule wolle keine Malerakademie sein, ‚die große Künstler zieht und bildet und brillante Werke der Kunst liefert‘, sondern ‚eine gemeinnützige fürstl. Anstalt, guten Geschmack und Kunstfertigkeit unter allen Klaßen und Ständen im Lande zu verbreiten und den Nahrungsstand der Handwerker dadurch zu verbessern‘, reagierte Bertuch auf die Krise des Handwerks am Ende des 18. Jahrhunderts.“ (Emmrich 2009, S. 121 f.). 660 Vermischte Artikel. 1) Eng­lische Garten-Sitze (Anonym 1787). 661 Bertuch sah schon um 1785 in Carl August nicht mehr den Menschen, sondern nur noch den Fürsten, wie im vielzitierten Brief an Jenny von Voigts zu lesen ist: „Aufs Wort, glauben Sie mir’s, liebe Theuerste Freundin, es ist ein leidiges elendes Ding um das Leben mit Fürsten, und das Glück ihr Leibdiener zu seyn. Kein Tag, keine Stunde ist unser eigen; sie disponiren wie Sultane darüber, und gehen mit unsrer Zeit

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Eine Auffassung, die Bertuch und Carl August vermut­lich teilten, war die Überzeugung von der Legitimität der mentalen Beeinflussung von Menschen, auf die die 1789 im Stern eingeführten Vauxhalls offenbar abzielten.662 So schrieb Carl August an seine Mutter, dort würde von den Spaziergängern „das Modejournal verhundertfacht an lebendigen Leibern zur Schau gestellt“.663 Das Journal des Luxus und der Moden hatte das Ziel, durch Geschmacksbildung zu zivilisieren und aufzuklären (Luxus und Bildung wurden auch theoretisch diskutiert) und zugleich durch die Generierung von Luxusbedürfnissen Handwerk und Handel im eigenen Land zu befördern.664 Allerdings wurden die Vauxhalls schon von Zeitgenossen als Ablenkung von den eigent­lich ‚guten‘ Ergötzungen durch die Natur kritisiert, und in der Tat animierten die zusätz­lich durch musika­lische Untermalung und Ausschank attraktiv gemachten Fest­lichkeiten vermut­lich vor allem zum gedankenverlo­ renen Müßiggang und zum Vergleich der eigenen mit anderer Kleidung.665 Das

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um, als wär sie auf dem Trödel gekauft.“ Weimar, 2. Oktober 1785 (Eberhard Crusius: Der Freundeskreis der Jenny von Voigts, geb. Möser. Neue Briefe aus ihrem Nachlass. In: Osnabrücker Mitteilungen 68 (1959), S. 234 – 236, hier S. 235. Zit. nach: SchmidtFunke 2005, S. 122). Der in Weimar verwendete Begriff Vauxhall geht auf die Londoner Vauxhall Gardens zurück, ein Art Vergnügungspark, der im 17. Jahrhundert eingerichtet worden war. Es gab in ihm beleuchtete Alleen und heim­liche Rückzugsorte, eine Reihe von Lokalen, regelmäßige Musikaufführungen und Illuminationen. Die Weimarer Vauxhalls fanden im Stern statt und boten musika­lische Unterhaltung und gastronomische Angebote. Vgl. zu den Londoner Vauxhall Gardens Hunt 1992, S. 50 f. Die Weimarer Vauxhalls sind in den Briefen eines ehr­lichen Mannes (Anonym 1800, S. 63 f.) von 1800 beschrieben: „Die Vergnügungen in Weimar sind des Sommers über der sogenannte Vauxhall, ­welcher darin besteht, daß sich alle Sonntage Nachmittags im Park eine große Menge Menschen versammelt, daß sich diese gruppiren, und während der Musik spazieren gehen, oder sich in Lauben oder in Rondels niederlassen, Erfrischungen zu sich nehmen, und so auf eine angenehme Weise die Zeit dahin bringen und sich vergnügen. Diese Einrichtung hat mir sehr wohlgefallen, denn man findet da manchen guten Freund, mit dem man den Abend froh erleben kann.“ Weimar, den 27. Juni 1789 (Carl August/Anna Amalia 1938, S. 91). Vgl. Flik 2004. Vgl. bspw.: Die Republik der Gelehrten. In: Journal des Luxus und der Moden 3 (1788), S. 469 – 472 oder den Abdruck eines kritischen Artikels von Benjamin Franklin: Über Luxus, Müßiggang und Kunstfleiß. In: ebd. 9 (1794), S. 372 – 379. Vgl. Rückert 1800, S. 17 f.: „Dieses künst­liche Orchester in der Natur brachte nothwendig eine Stimmung der Gemüther hervor, die dem reinen Genusse der Natur nicht günstig war. Deswegen vermuth­lich hat der Regent diesen Sonntags-Vauxhall im Parke gänz­lich abgeschaft, und die viel lieb­lichern von jener lärmenden Musik verscheuchten

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diente frei­lich weniger der Aufklärung als Bertuchs und Carl Augusts Interessen. Einerseits beförderte das Vergleichen die Modewirtschaft und damit Bertuchs Geschäfte,666 andererseits erzeugte es einen s­ozialen Druck, der die Lustwandelnden von anderen, gefähr­licheren Themen wie bürger­licher Freiheit oder Emanzipation ablenkte, was in Carl Augusts Sinne war. Es verwundert daher nicht, dass keine Zeugnisse überliefert sind, die eine Teilnahme von Mitgliedern der geistigen und künstlerischen Elite Weimars an diesen Festivitäten belegen. Carl August und Bertuch hatten außerdem noch ein weiteres gemeinsames Interesse, näm­lich die Beförderung des Rufs von Weimar. Eine geschickte Öffent­ lichkeitsarbeit gehörte, wie Ventzke zeigt, zu den Stärken des Unternehmers Bertuch, der erkannt hatte, dass nicht allein die Qualität einer Ware (oder eines Buches) für den Verkaufserfolg entscheidend war, sondern auch der ‚schöne Schein‘ – oder, in die Gegenwart übersetzt, das ‚Image‘. Aus Weimar eine bis heute strahlkräftige ‚Marke‘ gemacht zu haben, gehört zu Bertuchs bleibenden Erfolgen:667 Der ‚Projektenmacher‘ Bertuch erkannte in den ersten Jahren seiner geschäft­lichen Unternehmungen immer deut­licher, dass es vor allem auf das Verbreiten des ‚schönen Scheins‘ ankam, dass der Buch- und Kunsthandel auf dem Wechselspiel des außergewöhn­lichen Rufes eines Künstlers mit den Sehnsüchten der Leser basierte. […] Letzt­lich wollte Bertuch nicht mit den Büchern großer Schriftsteller Handel treiben, sondern mit dem Ruf Weimars. Um Wieland, Herder, Goethe und Knebel ließ sich dieser Ruf, dieses Bild einer wundersamen, freien Gelehrtenrepublik begründen. Nur allzugern machte der Schatullier des Herzogs Weimar zum Utopia eines großen Teils der deutschen und europäischen Intellektuellen, zur Projektionsfläche ihrer persön­lichen Wünsche, künstlerischen Sehnsüchte und politischen Hoffnungen. Virtuosen des Frühlings wieder in ihre Rechte eingesezt, wobey man gewiß mehr gewonnen als verlohren hat.“ Die Briefe eines ehrlichen Mannes beschreiben in dieser Stoßrichtung die Weimarer Gesellschaft, die sich regelmäßig bei den Vauxhalls vergnügte: „Die Weimaraner sind größtentheils betriebsam, zufrieden, und aufgeklärt, und in den übrigen Ständen herrscht ein ziem­lich guter Ton, ziem­liche Cultur und Geselligkeit, nur frei­lich ist vielen auch Plattheit, und die Unterhaltung von nichts als dem Hofe, dem Theater und dem Kartenspiele eigen.“ (Anonym 1800, S. 63 f.) 666 Es steht allerdings zu vermuten, dass sich Bertuch hierbei mög­licherweise selbst getäuscht und Geschmacksbildung für Geistesbildung genommen hat. 667 Ventzke 2004, S. 245. Ventzke zitiert hier auch eine von Böttiger überlieferte Äußerung Herders zum schönen Schein von Weimar aus dem Jahr 1795: „Zwei Dinge sind schänd­lich hier in Weimar. Der falsche erborgte Schimmer, mit dem wir auswärts Gleisnerei treiben, u. die jämmer­liche Geistes und Bücherarmuth, in der wir hier schmachten.“ (S. 247 f.).

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Teil dieser Öffent­lichkeitsarbeit war offensicht­lich ein 1792 geschriebener Aufsatz Über Ursprung und Alter der Eng­lischen Gartenkunst. Der Garten des See-Ma-Kouang, in dem Bertuch eine von dem franzö­sischen Missionar Cibot verfasste Beschreibung eines chine­sischen Lustgartens vorstellt und abdruckt.668 Bertuch behauptet, dass diese Quelle beweise, dass der Landschaftsgarten nicht in England erfunden wurde, sondern ursprüng­lich aus China stammt. Was See-Ma-Kouang beschreibt, hat allerdings nur wenig mit einem für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts typischen Landschaftsgarten zu tun. Während für diesen weite Ausblicke und weit schwingende Wiesen, erhabene Ruhe und Größe erwartet werden (vgl. Abb. 5), ist der Garten des See-Ma-Kouang kleinteilig und disparat. In der Mitte des chine­sischen Gartens befindet sich ein Pavillon auf einer Insel in einem Teich. Von ­diesem Teich zweigen fünf Wasserarme ab, die völlig unterschied­liche Szenerien umrahmen: Einen schroffen Felsen mit einer Laube, eine blumenbestandene Terrasse, eine von Nadelbäumen umgebene Fischerhütte und Blumenwiesen. Es gibt „viereckigte und ovale“ (also formale) Blumen- und Kräuterbeete, einen Zitrusfrüchtehain, et­liche weitere Lauben und Kabinette auf Hügeln, einen von Trauerweiden gesäumten Bachlauf, eine Grotte, weitere Felsen, die eine Schlucht mit Wasserfall umrahmen.669 Bertuchs These, dass ein Panoptikum wie dieses Vorbild für die eng­lische Gartenkunst gewesen sein könnte, muss jedem absurd erscheinen, der eng­lische Landschaftsgärten kennt. Bertuch scheint es aber ohnehin um etwas anderes als um neutrale Stilgeschichte gegangen zu sein. Einerseits hatte er als Patriot ein Interesse daran, die kulturelle Dominanz Englands zu unterminieren, die in besonderem Maße auf dem in England entstandenen Landschaftsgarten beruhte. Wenn dieser eng­lische Ursprung infrage gestellt werden würde, wäre es einfacher, einen deutschen Landschaftsgarten zu etablieren.670

668 Bertuch 1793. Nach seiner Vorstellung in Goethes Freitagsgesellschaft 1793 druckte er ihn – hier zitiert – 1793 im Journal des Luxus und der Moden und dann noch einmal 1804 im Allgemeinen Teutschen Garten-Magazin. Er begründet das damit, dass der chine­sische Text Klarheit über die Streitfrage der Herkunft der Landschaftsgartenkunst bringe; eine Frage allerdings, die zu dieser Zeit höchstens noch in Hinblick auf die Ausbildung einer nationalen Identität von Interesse gewesen sein dürfte, ansonsten aber kaum noch relevant war. Vgl. Müller 2000, S. 607 ff. (bezieht sich allerdings nur auf die 1804 im Allgemeinen Teutschen Garten-Magazin abgedruckte Version), ­Wimmer 2001, v. a. S. 36 ff. 669 Vgl. Bertuch 1793, S. 66 ff., Zitat S. 67. 670 Vgl. Müller 2000, Wimmer 2001.

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Andererseits lässt sich die Präsentation der chine­sischen Gartenbeschreibung auch als Versuch verstehen, die traditionelle adelige Prägung von Lustgärten zu überschreiben und ihnen einen bürger­lichen Sinn zu geben. See-Ma-Kouang ist anscheinend kein Adeliger, sondern – wie wahrschein­lich viele Leser von Bertuchs Zeitschrift – ein Beamter; er nutzt seinen Garten nicht, um sich dort die Zeit zu vertreiben oder zu flirten, sondern zur Bildung und zum Treffen mit Freunden. Sein Garten ist nicht Teil seines öffent­lichen, sondern seines Privatlebens, er ist ein Rückzugsort, an dem er sich von seinen beruf­lichen und gesellschaft­lichen Pflichten erholen kann:671 Zuweilen besuchen mich auch meine Freunde in meiner Einsamkeit, und kommen mir entweder ihre Werke vorzulesen, oder die meinigen zu hören. Sie gesellen sich dann zu meinen Vergnügungen. Weisheit würzt unser mäßiges Mahl, und der Wein macht es fröh­lich; und während der Hof die Wollust einladet, Verläumdungen nährt, Fesseln schmiedet, und der Tugend Fallen stellt, rufen wir die Weisheit an, und weyhen ihr unser Herz. Meine Augen sind immer auf sie gerichtet, aber ach! Ihre Strahlen erleuchten mich nur durch tausend Wolken. O wenn sie sich einmal zerstreueten, wäre es auch durch ein Gewitter, so sollte diese liebe Einöde für mich ein Tempel der Freuden seyn! Aber ach, was sage ich? Darf ich dies hoffen? Als Vater, als Gatte, als Bürger, als Gelehrter, habe ich tausend Pflichten, und mein Leben ist nicht mein. Lebe wohl geliebter Garten! Lebe wohl! Die Liebe zu den Meinigen und meinem Vaterlande ruft mich in die Stadt zurück. Erhalte mir alle deine Freuden, um bald wieder, wenn ich zu dir fliehe, meinen neuen Kummer zu zerstreuen, und meine Tugend aus einer tödtenden Hand zu retten.

Gebildete europäische Leser haben damit wahrschein­lich das von Seneca beschriebene Ideal der ‚Muße mit geistiger Beschäftigung‘, des ‚otium cum litteris‘, verbunden.672 1791 hatte Karl Philip Conz, von dem ein Gedicht über den Ilmpark stammt, Senecas De vita beata übersetzt, und zwar unter dem Titel Seneka über das glük­liche Leben, von der Kürze des Lebens und von der Musse des Weisen.673 Diese Idealisierung der Muße fällt in eine Zeit, in der Arbeit zu einem immer wichtigeren Wert, zu einem quasi-religiösen Sinnangebot wurde, wie Michael Maurer zusammenfasst:674

671 Vgl. Bertuch 1793, S. 71 f. 672 „Otium sine litteris mors est et hominis vivi sepultur“. Seneca: Epistulae morales X 82, 3. Vgl. Buck 1996, S. 30 f. 673 Conz 1791. Vgl. auch sein Gedicht Im Park zu Weimar. Jun. 1792 (Conz 1792). 674 Maurer 1996, S. 394.

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Die Beispiele unermüd­licher Arbeiter, die sich das Äußerste abverlangten, sind besonders zahlreich im Gelehrtenstand und im neuen Bürgertum der Funktionseliten. Der Hauptgrund für wirk­lich außerordent­liche Tätigkeit wird wohl im internalisierten Bewusstsein vom Wert der Arbeit und des Berufes zu finden sein, das Handarbeiter und abhängig Beschäftigte seltener haben (und haben können!). Die neuen Funktions­ eliten dagegen arbeiteten innengeleitet, zugleich im unerschütter­lichen Bewusstsein der Nütz­lichkeit ihrer Tätigkeit.

„Leistung und Effektivität“ wurden zu den Kriterien für ein erfülltes und nütz­liches Leben, und entsprechend „instrumentalisierte man Erholung zur Erreichung dieses Zweckes“.675 Die arbeitsfreie Zeit sollte nicht verschwendet, sondern sinnvoll und produktiv genutzt werden. Als ein besonders gutes Mittel zur Erholung wurde die Gärtnerei gesehen.676 Der Garten des See-Ma-Kouang ist deshalb weniger als mög­liches Vorbild für die eng­lische Gartenkunst als für die bürger­liche Gartenkunst um 1800 aufzufassen. See-Ma-Koung braucht seinen Garten, um dort zu jagen, zu fischen, spazieren zu gehen, Bücher zu schreiben und zu lesen, sich inspirieren zu lassen und sich mit seinen Freunden gebildet zu unterhalten. Ähn­lich haben Goethe, Wieland und Bertuch ihre Gärten genutzt. Der Garten des See-Ma-Kouang ist kein ästhetisches, sondern ein funktionales Muster. Indem Bertuch ihm eine so große Bedeutung beimisst, arbeitet er daran, dass es zur Norm wird. Daran hatte Bertuch aus zwei Gründen Interesse: zum einen, weil der der ‚Muße des Weisen‘ gewidmete Garten zur Arbeitskrafterhaltung und damit indirekt zur Aufklärung beiträgt. Zum anderen aber auch, weil er eine Nachfrage nach Garteneinrichtungen und -verzierungen schafft, die Bertuchs Geschäften (und den Weimarer Handwerksbetrieben) nützt. Auf den ersten Blick scheint der Artikel keinen Bezug zum Ilmpark zu haben. In der chine­sischen Quelle geht es nicht um einen Palastgarten, sondern um ein bürger­liches Refugium. Seine Verankerung des Aspektes der ‚Muße mit geistiger Beschäftigung‘ im Bedeutungsfeld des Landschaftsgartens hat jedoch mög­licherweise auch die Wahrnehmung des Ilmparks beeinflusst. Zumindest entwickelte sich die Tatsache, dass der Ilmpark der Spaziergang der Weimarer Dichter war, für Weimarbesucher zu einem wichtigen Attraktionspunkt, wie zu sehen sein wird. Davon profitierte Carl August, denn da

675 Ebd., S. 424. 676 Vgl. ebd.

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der Park mehr mit den Weimarer Dichtern als mit ihm assoziiert wurde, nahmen viele Besucher Carl August offenbar nur als den Freund Goethes und als Förderer von Kunst und Wissenschaft wahr; als absolutistischer Herrscher trat er für sie nicht Erscheinung. Obwohl das seinen Anteil an der gestalte­ rischen Leistung des Ilmparks marginalisierte, diente es seinen Interessen, da durch die Garten- und Literaturbegeisterung, mit der auf Weimar gesehen wurde, die Aufmerksamkeit von politischen Fragen und von Carl Augusts Herrschaftsausübung abgelenkt war. Der N ­ utzen des Ilmparks für Carl Augusts Interessen

Obwohl Goethe in den Briefen an Meyer Carl Augusts sture und uneinsichtige Willkür bei der Gestaltung des Ilmparks beklagte, assoziierten auswärtige Weimarbesucher mit dem Ilmpark nicht einen selbstherr­lich und gegen vernünftige Gründe agierenden Herrscher, sondern einen liberalen Fürsten, der sich von seinem talentierten Freund Goethe bei seiner hehren Aufgabe leiten ließ, einen Raum für die Entfaltung sowohl von Kunst und Literatur als auch von naturbasierter Mensch­lichkeit zu schaffen.677 Diese Sicht auf Carl August findet sich beispielsweise in einem Artikel in der Flora von 1794, dessen Autor in Carl August nur den Veranlasser und Förderer des Ilmparks sieht, der hier ledig­lich als Steigerung der ursprüng­lichen Landschaft verstanden wird: „[A]us einem wilden Dikkicht“ habe „die Sorge und der Fleiß vieler Jahre, aufgefordert und unterstüzt durch den Geschmak des Fürsten hier eine abhängige Gegend zum schönsten Tempel umgeschaffen“.678 Das bekannteste Zeugnis für eine Rezeption des Ilmparks im Geiste der ‚Gartenrevolution‘ sind jedoch Rückerts viel zitierte Bemerkungen über Weimar, in denen noch einmal nachdrück­lich die Idee betont wird, dass der Landschaftsgarten (bürger­liche) Freiheit symbolisiere bzw. befördere. Wie Hennings, in

677 Vgl. z. B. die 1816 im Wanderer erschienene Beschreibung des Ilmparks: „Nirgends ist mir bisher so viel Geschmack, Wahl, Anordnung, so viel wirk­lich poetische Zusammen­ stellung in der schönen Natur vorgekommen wir hier. Ich wurde es inne, wessen Geist hier wehte; die hohe Läuterung des griechischen Genius leuchtet auch hier in dem Reiche der Vegetation hervor. Nirgends drückende Überhäufung, nirgends ein übriger Wunsch – alles so einfach, und doch so reich und groß in dieser Einfachheit, so voll Spielraum für die gefälligste Mannigfaltigkeit, die auch benutzt wurde.“ (Anonym 1816a, S. 1058). 678 Anonym 1794, S. 300. Dass Carl August keineswegs nur ‚zugelassen‘ hat, zeigt auch Günzel 2001, S. 75 f.

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dessen Genius der Zeit Rückerts Artikel 1800 erschien, sieht auch Rückert im Landschaftsgarten nur die Wirkungen der Natur, die durch Kunst nicht verfälscht werden könnten:679 Wer staunt nicht in der Nähe über diese herr­liche Schöpfung von Natur und Kunst? Wer bewundert nicht die große glük­liche Anlage derselben im Ganzen und Einzelnen? – Eine so große und reizende Mannigfaltigkeit in einem nur kleinen Raume ohne Zwang und Mühe, das freiste Naturspiel innerhalb den engsten Schranken, die schönsten Baumgruppen, Wildnisse, fremde Gesträuche und Gewächse, mit jedem Schritt in ein neues Klima – Höhe und Tiefe, Licht und Schatten, versperrte Gänge, abwechselnd mit überraschenden mahlerischen Aussichten, tiefe verschlossene Einsamkeit, freier hoher Blik ins Unabsehbare, auf Leben und Freude, bedeutende Figuren, Mythen, Ruinen und romantisch verhüllte Einsiedeleien, erste Geistesworte in Stein und Felsen, – alles an seinem Orte im angenehmsten Wechsel, harmonisch wahr, und schön ohne den leisesten Anstrich von Affektation, Empfindelei und Erkünstlung, mit einem Wort, ein wahrer Garten der Liebe und Freiheit.

Carl August hat also den Geschmack und die Vorstellungswelt des zeitgenös­ sischen Publikums getroffen, das anders als Goethe und Schiller nicht bemerkte, dass der Landschaftsgarten Illusionen erschuf. Zu diesen gehört die Vorstellung, dass Carl August den Ilmpark als Mensch und nicht als Fürst geschaffen habe und dass er dort nicht als Fürst auftrete, wie es etwa die Aufstellung von ­Bitt- statt Verbotsschildern zu beweisen schien.680 Rückert wertet die allgemeine Öffnung des Parks als Ausdruck des liberalen Geistes des Fürsten und er lobt sie, weil so jeder in den Genuss der verschönerten Natur kommen könne und dadurch sogar die Erprobung eines fast revolutionären Gesellschaftsmodells mög­lich werde:681

679 Rückert 1800, S. 9 f. Vgl. zu Hennings Kap. 1.4. 680 Vgl.: „Der Park steht jedermann ohne Unterschied offen. Am Sonntage besonders ­findet man eine große Volksmenge hier; auch ist gewöhn­lich dann Vauxhall. Es charakte­ risirt den menschenfreund­lichen Geist des Herzogs, daß die Maasregeln, die getroffen wurden, bey der allgemeinen Erlaubniß, den Park zu besuchen, doch vorzüg­lich für seine Nichtbeschädigung zu sorgen, nicht in der Form des hohen Befehls, sondern bittweise ausgedrückt sind. Überall steht an den Pfeilern: Jedermann wird gebeten, hier nichts abzupflücken. Oder: Dieser Weg wird nicht passirt. Man wird ersucht, hier nicht zu wandeln. u. s. w.“ (Anonym 1794, S. 303 f., ähn­lich Rückert 1800, S. 12 f.). 681 Rückert 1800, S. 13 f.

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Der Park wird in der That von dem Geringsten in Weimar geschäzt und häufig genossen. Außer dem Sonntag schwärmen im Sommer in den Morgen- und Abendstunden blos die Musen-Söhne mit den Bienen unter den Blumen und Schatten dieses holdseligen Ortes, und der immerfeiernde, und immerfrierende Adel, der hier wie überall der Langweile und Kälte seiner Lebensart zu entlaufen sucht. Doch erblikt man hier auch in den spätern Abendstunden den rastenden Handwerker und den thätigen, braven Bürger, die in dem Balsam der Abendluft neue Kräfte schöpfen. Hingegen ist in der schönen Jahrszeit der Sonntag im Park ein republikanischer Festtag für ganz Weimar. Was da Herz, Augen und Beine hat, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, wandelt in den vielfältigen Gängen des Gartens im bunten Gewimmel frei und ohne Zwang durcheinander. Die Natur macht an ­diesem Orte und an ­diesem Tage alles gleich, wie das römische Karnevall; und wiewohl mit den Hofleuten selbst, die hier erscheinen, die Etikette sichtbar mit auf- und abgeht, so genirt das doch den andern Theil nicht im geringsten, der sich an ­diesem Schauspiel von Herzen erlustigt.

Diese Sicht auf einen Landschaftsgarten ist eine besonders enthusiastische, aber keine untypische für die ‚Gartenrevolution‘. Es lässt sich allerdings fragen, ob der Ilmpark für Rückert wirk­lich nur eine beliebige Projektionsfläche für seine Idee vom Freiheitsgarten war oder ob Carl August auch darauf hingearbeitet hat, dass dieser bestimmte Eindruck von seinem Park entstand. ­Welche Intentionen Carl August in den 1790er-Jahren mit der Gestaltung seines Parks verfolgt hat, lässt sich jedoch im Ilmpark selbst nur schwer­lich erkennen, da Carl August in dieser Zeit keine potenziell bedeutungstragenden Staffagen mehr geschaffen hat. Hatte er seit 1784 vor dem Hintergrund der Fürstenbundverhandlungen zunächst versucht, die einer wirkungsästhetischen Wahrnehmung geöffnete ikonografische Gestaltungsweise des Wörlitzer Parks zu adaptieren, wendete er sich nach 1787 offensicht­lich von ­diesem Konzept ab und überließ die Gestaltung und Aufstellung von Staffagen bis auf wenige Ausnahmen (Denkmal für seinen Hund) anderen. Die Drei Säulen stammen vermut­lich von Goethe; die Chaumière wurde von Johann August Arens entworfen, das Römische Haus von Goethe und Meyer, das Euphrosyne-Denkmal geht eindeutig auf Goethe zurück, und auch die Pompejanische Bank und der Ildefonso-Brunnen werden Goethe oder Goethe und Anna Amalia gemeinsam zugeschrieben.682 682 In Dohna-Schlobittens Reisetagebuch von 1798 ist zu lesen, dass die Drei Säulen auf Goethe zurückgehen. In Bezug auf Bank und Brunnen vertritt Müller-Wolff die Meinung, dass sie von Goethe oder Anna Amalia initiiert sind, ohne allerdings wie Haak-Macht auf die These von der Liebe zwischen Goethe und Anna Amalia

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Die überlieferten Anweisungen Carl Augusts wie die von Bertuch verfassten Gartenbau-Memoranden zeugen allerdings davon, dass Carl August damit keines­wegs die Kontrolle über den Garten abgab; er ist aus den Quellen eindeutig als die treibende Kraft der Gartengestaltung zu erkennen.683 Die Entscheidung, Anfang der 1790er-Jahre die Gotische Kapelle erweitern zu lassen, obwohl es an Geld für die Bauarbeiten fehlte, zeigt zudem, dass Carl August auch seiner Vorliebe für die Neugotik treu blieb.684 Indem er jedoch Goethe Verantwortung für Staffagen gab, sorgte er dafür, dass sich dessen Name noch deut­licher mit dem Ilmpark verband, als er es durch sein Gartenhaus tat. Dazu kommt, dass er zumindest den Eindruck zu vermitteln versuchte, dass er nicht auf einer bestimmten Gestaltung bestehe und immer offen für Goethes Vorschläge sei.685

einzugehen. Vgl. Dohna-Schlobitten 1798, S. 65; Müller-Wolff 2007, S. 241 ff. und Haak-Macht 2008. 683 Vgl. Thürin­gisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Acta privata die Herzogl. Plantagen betr. 1787/1788, Bl. 10: Actum Weimar d. 4. Octbr. 1787. Abgedruckt bei Müller-Wolff 2007, S. 331. 684 Vgl. Bertuchs Brief an Carl August vom 3. September 1792, in dem er ­diesem vorrechnet, dass für den Bau des Römischen Hauses und die Reparatur und Erweiterung der Gotischen Kapelle das bewilligte Budget um mindestens ein Viertel überschritten wurde (GSA 06/1590: Bestand Bertuch – Friedrich Justin Bertuch: Eingegangene Briefe von Carl August von Sachsen-Weimar an Friedrich Justin Bertuch, Bl. 3 f.). 685 Wie aus seinem Brief an Goethe über Probleme bei der Anlage eines zweiten Bades hervorgeht: „Wolte ich die projecktirte Vertiefung den Sphynx gegenüber doch anbringen, so müste ich den Fluß vertiefen, und zwar beträcht­lich; dann fiele der Waßerfall am Sterne ganz weg und dieser wird sehr schön und belebt die ganze Gegend. Ich solte glauben, es wäre beßer, mann ginge von der Idee, ein zweytes Bad zu graben ab, verziehrte die Grotte, wo der Sphynx liegt, auf eine beliebige Art, als ein verfallen Bad, z. B. mit einer in den Berg führenden Thür, mit Architecktur etc. und machte dieses zum Waschplatze. Der Weg ging dann doch daran vorbey.“ Carl August an Goethe. 8. Dezember 1798 (Carl August/Goethe 1915, S. 269 f.). Ähn­lich später in Bezug auf Goethes literarische Werke: „Das ist eine schwere Aufgabe, mein lieber Meccanus für einen Layen und einen höchst unsystematischen Dilettanten; indeßen will ich mein mög­liches thun. Der herz­liche Antheil, den ich an allem nehme, was von dir kömmt und zu dir geht, wird mir vieleicht Lichter aufstecken, die biß jezt noch nicht recht helle bey mir brennen wolten. Nur bitte ich um Zeit und Gedult; mein Kopf wird so ofte aus seinen Gleichgewichte gerückt, daß ich nicht immer für seine Brauchbarkeit stehn kan. Die beste Stellung, deren er fähig ist, soll aber den Cophta gewidmet werden.“ Carl August an Goethe. Weimar, wahrschein­lich im Februar 1800 (Carl August/Goethe 1915, S. 282).

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Als Huldigung an Goethes ästhetisches Ideal lässt sich so mög­licherweise die von ihm Ende der 1790er-Jahre befohlene Entfernung einiger um 1790 in ­seinem Auftrag geschaffener konventioneller Staffagen verstehen.686 Wie Goethes Brief an Meyer gezeigt hat, war Carl Augusts Orientierung an Goethes Vorstellungen frei­lich wenig substanziell. Vielleicht war das nur in Eigensinnigkeit und einem unsicheren Geschmack begründet; es hatte jedoch einen sehr wesent­lichen Effekt: Das von Goethe kritisierte ständige „ändern und abermals […] ändern“ führte dazu, dass der Park in jedem Fall als Park erkennbar war.687 Viele Weimarbesucher hätten vermut­lich auch ein ungestaltetes Ilmtal besucht, um in den Spuren ihrer literarischen Idole zu wandeln. Dann hätten sie jedoch nur die anscheinend so inspirierende Wirkung der Natur bewundert. So dankten sie Carl August als Schirmherren dieses Parks der Weimarer ‚Musen‘. Dass es Carl August genau darum gegangen sein könnte, lässt die Tatsache vermuten, dass er überhaupt das Ilmtal für die Anlage eines Landschaftsgartens gewählt hat, obwohl er damit den zuvor so genossenen Naturraum verfremdet und vor allem zu einem öffent­lichen Ort gemacht hat. Vor dem Hintergrund der im späten 18. Jahrhundert zu findenden Verherr­lichung des Landlebens wäre es plausibler gewesen, hätte Carl August seinen Landschaftsgarten außerhalb Weimars angelegt, beispielsweise um das Belvedere-Schloss. Der Wunsch nach einer Entfernung von der Stadt war ein wichtiges Motiv für die Anlage vieler eng­lischer Landschaftsgärten wie etwa des Wörlitzer Parks, und auch ­Hirschfeld hat in seiner Gartentheorie erklärt, dass der Landschaftsgarten die bessere Alternative zum Stadtaufenthalt sei.688 Das Belvedere hätte zudem schon eine bequeme Unterkunft geboten und die im Ilmtal notwendigen t­euren Grundstücksankäufe erspart. Es steht zu vermuten, dass Carl August seinen Landschaftsgarten vor allem deshalb im Ilmtal angelegt hat, weil dieses unmittelbar an die Stadt und damit die Wohnungen der Weimarer Dichter anschließt und weil diese durch frühere Aufenthalte in ihm oder sogar durch eigene Gestaltungen untrennbar mit dem 686 So das Triton- und Nymphenrelief an der Läuterquelle (1788 – 1798) oder eine Panstatue in der Nähe des Sterns (1791–vor 1800). Vgl. Müller 2001, S. 104 f. Zur ­Panstatue: Klebe 1800, S. 111; Müller-Wolff 2007, S. 161. Den Verzicht auf konventionelle Staffagen versteht Hennebo als „Abklärung der Formen und Inhalte“ (Hennebo 1979, S. 96). 687 Goethe an Johann Heinrich Meyer. Jena, 20. Mai 1796 (WA IV.11, S. 69). Vgl. Goethe 1999, S. 68 ff. 688 Vgl. Hirschfeld 1779/1, S. 154 ff.

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Ilmpark verbunden sein würden. Wahrschein­lich war Carl August bewusst, dass Reisende vor allem wegen der berühmten Dichter nach Weimar kamen und nicht wegen eines fürst­lichen Parks, der zudem weniger Attraktionen als Hohenheim oder Wörlitz zu bieten hatte. Wer aber schon einmal in Weimar war, ging auch in den Park. In dieser Ausrichtung an einem vor allem an Literatur interessierten, überwiegend bürger­lichen Publikum liegt auch ein plausibler Grund für Carl Augusts Verzicht auf traditionelle Formen fürst­licher Selbstinszenierung. So finden sich im Ilmpark keine Monumente für Verwandte oder Vorfahren Carl Augusts und keine mytholo­gischen Figuren oder illustrierte literarische Szenen, die die Größe Carl Augusts und seiner Herrschaft symbolisieren. Doch gerade durch diesen Verzicht auf eine konventionelle Inszenierung wie durch sein scheinbar so unhöfisches und unadeliges Auftreten und seine Freundschaft mit Goethe, den er am Ilmpark mitarbeiten ließ, gelang es Carl August, von einer breiteren Öffent­lichkeit als guter Fürst wahrgenommen zu werden, für den Standesgrenzen nicht zählten und der demütig die Künste und Wissenschaften liebte und förderte (vgl. Abb. 27). Der Ilmpark unterscheidet sich damit aber nur in der Form, nicht in seinem Sinn von anderen fürst­lichen Parks der Frühen Neuzeit. Er diente offensicht­lich in traditioneller Weise der Legitimation und Rechtfertigung des Machtanspruches und der Herrschaftsausübung des Herzogs, wenn hier auch dadurch, dass die im Park ermög­lichte kontemplative Natur- und Dichterverehrung von der kritischen Beschäftigung mit Politik ablenkte. Der Ilmpark selbst enthält dabei allerdings kaum noch eigene Botschaften. Er funktioniert als Verstärker für den durch Carl Augusts Auftreten und seine Leutseligkeit vermittelten Eindruck einer großen Persön­lichkeit, als materielles ­Zeichen seiner Kunstliebe und seines ausgebildeten Geschmacks. Als Medium funktioniert er nur noch im spirituellen Sinne, indem er den zeitgenös­sischen Besuchern des Ilmparks zu Begegnungen mit der Natur oder der Aura der Weimarer Dichter verhilft. Da Carl August für die Öffent­lichkeit freiwillig in den Schatten Goethes getreten ist, hat er jedoch Kritik von sich abgelenkt und sich einen die Zeiten überdauernden guten Ruf gesichert, wie im Folgenden zu sehen sein wird.

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3.3 Rezeptionslinien Der Ilmpark als ‚klassischer‘ Landschaftsgarten und als Park der Klassiker

Der Ilmpark war für die meisten zeitgenös­sischen Weimarbesucher eine der „schönsten Zierden der Stadt“ und der „Stolz Weimars“, und obwohl viele zunächst von den literarischen Berühmtheiten Weimars angezogen wurden, verpassten sie es selten, den Park zu besuchen.689 Graf Wilhelm zu Dohna-­ Schlobitten ging sogar täg­lich in ihm spazieren, als er sich 1798 für fünf Tage in Weimar aufhielt.690 Das am häufigsten und auch bei Dohna-Schlobitten zu findende Lob betrifft dabei die bewahrte ‚Natür­lichkeit‘ des Parks: „Dieser Park enthält eine interessante malerische abwechselnde Natur, an der die Kunst durchaus nichts verdorben, sondern sie vielmehr an vielen Orten schöner gemacht hat.“ 691 Die in einem Reisebericht von Carl Gottlob Küttner aus dem Jahr 1798 zu lesende Bemerkung, die Natur habe „sehr viel gethan und die Kunst mit dem feinsten Geschmacke nachgeholfen“, ignoriert den Gartenschöpfer und seine mög­lichen Absichten, wie es in vielen Quellen zu finden ist.692 Wenn Carl August in Hinsicht auf den Ilmpark gelobt wird, dann vor allem, weil er durch ihn schöne Natur allgemein zugäng­lich gemacht habe. Diese Marginalisierung des Gartenschöpfers und seines naturverändernden oder gar -verfremdenden Aktes der Gartengestaltung ist typisch für die Sichtweise der ‚Gartenrevolution‘. Jedoch auch im 20. Jahrhundert wurde Carl Augusts Rolle bei der Gestaltung des Ilmparks oft übersehen, weil vor dem Horizont einer unantastbaren Goetheverehrung nicht Carl August, sondern Goethe als der eigent­liche und verehrungswürdige Urheber angesehen wurde. So sieht Tümmler in seiner Carl-August-Biografie im Ilmpark eine „eigene, sich vom Fürstenwillen gleichsam emanzipierende ‚Biographie‘“, wegen der er auf eine ausführ­lichere Betrachtung des Parks verzichtet; er lässt es stattdessen bei

689 Anonym 1794, S. 300. 690 Vgl. Dohna-Schlobitten 1798, S. 59 – 70. 691 Ebd., S. 65. Ähn­lich beim Freiherrn von Eggers: „Der Park, eine der ersten Gartenanlagen Deutschlands, ist durchaus in einem großen Stil. Die Kunst hat der Natur nur wenig nachgeholfen“; ebenso im in der Flora 1794 abgedruckten Reisebericht von 1792: „Eine der schönsten Zierden der Stadt ist der Park, wo Kunst und Natur in der lieb­lichsten Eintracht zusammenstimmen“ und bei Rückert: „diese herr­liche Schöpfung von Natur und Kunst“ (Eggers 1809, S. 468 – 470; Anonym 1794, S. 300; Rückert 1800, S. 9). 692 Küttner 1804, S. 303 f.

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einem „knappen Hinweis auf die einzigartige naturnahe Landschaftsschöpfung an der Ilm, mit der das klas­sische Weimar vielleicht am augenfälligsten und lebendigsten in unsere Zeit hineinragt, bewenden“.693 Dies steht in der Tradition von Edwin Redslob, der den Weimarer Park 1932 sogar als „Hauptwerk“ Goethes bezeichnet, in dem es ihm „geglückt“ sei, „Lebensstil und Weltanschauung schöpferisch in die Natur selbst zu projizieren und so den Park von Weimar zum Dom der Klassikerzeit zu bilden“.694 Der Park wird als bedeutend repräsentiert, weil er im Zusammenhang mit der Weimarer Klassik stehe – weil er selbst ‚klas­sisch‘ sei. ‚Klassik‘ ist jedoch keine definierte Kategorie in der Gartenkunstgeschichte. Es gibt allenfalls klassizistische, und das heißt: formale Gartenkunst.695 Schon im 19. Jahrhundert ist indes gelegent­lich von ‚klas­sischen‘ Parks die Rede, vor allem in Bezug auf Pücklers Muskauer Park. Theoretisch begründet wurde die Kategorie der ‚Klassik‘ in der Gartenkunst anscheinend von Hallbaum, dessen Stiltheorie des Landschaftsgartens seither oft zitiert und zur Beschreibung von historischen Gärten herangezogen wurde. Als „Klassiker der Landschaftskunst“ bezeichnet er Sckell, Pückler und Lenné; ihr Ziel sei es gewesen, zur „Erkenntnis des natür­lichen Wesens vorzudringen und diese im Garten als wirkend anzuwenden“.696 Alles solle „[o]hne den Zwang einer ängst­lichen Nachahmung […] Wahrheit und doch das Urbild nirgends anzutreffen sein“. Es liege „im Wesen der klas­sischen Ideenauswahl, dass man aus dem Werk mehrerer Landschaftsmaler die vollendete Schönheit abstrahiert, d. h. ins Überpersön­liche und Überört­liche emporhebt“.697 Das sind sicher­lich richtige Beobachtungen. Es ist indes offensicht­lich, dass die Etikettierung dieses Stils als ‚Klassik‘ in erster Linie der Aufwertung historischer Gärten bzw. Gartenschöpfer dienen soll.698 Vor allem aber beschreibt Hallbaum damit nicht den Ilmpark, sondern die tatsäch­lich ins Monumentale tendierenden Gartenanlagen Sckells und Pücklers.

693 Tümmler 1978, S. 153 f. 694 Redslob 1932, S. 33. 695 Als klassizistisch beschreibt etwa August Grisebach die Gartenkunst vor dem und Tendenzen nach dem Landschaftsgarten. Vgl. Grisebach 1910, S. 116 f. 696 Hallbaum 1927, S. 80. 697 Ebd., S. 80 und 86. 698 Hallbaum hat diese Gartenstil-Theorie in den 1920er-Jahren erarbeitet, als die ­Weimarer Klassik noch unbestrittener Leitstern der deutschen Kultur war. Indem er Sckell zu einem ‚klas­sischen‘ Gartenkünstler erklärte, wertete er ihn auf.

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Von diesen unterscheidet sich der Ilmpark mit seiner relativ geringen Ausdehnung, der Kleinteiligkeit seiner verschiedenen Szenerien und mit Staffagen wie dem Luisenkloster jedoch beträcht­lich. Burckhardt schreibt deshalb in seiner Entstehung des Weimarer Parks von 1907 immerhin nur von einer „Schöpfung aus klas­sischer Zeit“.699 Helmut Holtzhauer, der langjährige Direktor der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klas­sischen deutschen Literatur in Weimar (NFG), interpretiert dagegen den Ilmpark als „klas­sischen Park (nach seinem Geiste)“.700 Ihm zufolge sei die hier ursprüng­ lich leitende Empfindsamkeit mit der Zeit aus dem Park verschwunden und statt ihrer habe dann die „Natur- und Kunstauffassung der Klassik ihren Einzug“ gehalten:701 Der Park an der Ilm, mit Goethes Zutun 1778 ebenfalls im empfindsamen Geiste begonnen, erhielt im Fortschreiten unter des Dichters Einfluss seine klas­sische Vollendung. Hier macht sich am deut­lichsten bemerkbar, dass in der Kunstanschauung eine Weiterentwicklung stattgefunden hatte, indem der Begriff des Schönen zu dominieren begann. Ein Bauwerk, ganz im Geiste der Wiedergeburt der Antike gedacht, krönt gewissermaßen die Anlage: das Römische Haus. Daneben aber behaupten sich Schlangenstein und Euphrosyne-Denkmal und vor allem die Inschriften tragenden Steine als kennzeichnend für den Park der klas­sischen Epoche Deutschlands.

Holtzhauer erklärt weder, wie sich diese auf das ‚Schöne‘ ausgerichtete Ästhetik von der nicht ‚klas­sischer‘ Gärten unterscheidet (die ja nicht ohne einen Wunsch nach Schönheit gestaltet wurden), noch diskutiert er, was den spezifisch ‚klas­ sischen‘ Charakter der von ihm erwähnten Staffagen ausmacht. Die im Brief Goethes an Meyer überlieferten Unstimmigkeiten zwischen Goethe und Carl August in Fragen der Gartengestaltung zeigen, dass der Ilmpark keineswegs als aus einem Geiste geschaffen verstanden werden kann. Zweifelsohne hat sich Goethe bei der Schöpfung von Staffagen von seinem Geschmack und seinem Kunstideal leiten lassen, gegen das Carl August jedoch bei seinen Gestaltungsentscheidungen im Ilmpark immer wieder verstoßen hat. Statt als Defizit lässt sich das auch als bewusste Entscheidung Carl Augusts auffassen. Durch seine oft willkür­lichen Eingriffe verhinderte er, dass sein Park 699 Burkhardt 1907, S. 1. 700 Die NFG war die Nachfolgeorganisation des 1885 gegründeten Goethe-Nationalmuseums in der DDR, die nach der deutschen Wiedervereinigung zur Klassik Stiftung Weimar wurde. Holtzhauer 1970, S. 2. 701 Ebd., S. 3 und 3 f.

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tatsäch­lich im ‚klas­sischen Geist‘ im „Moment seiner idealen Formvollendung […] alles Konstruierte, Bau­liche und Künst­liche [abstreift] und […] zu einem fragilen Naturkunstwerk [wird], dessen unmittelbare Kognition durch die überwiegende Mehrheit der mit seiner Lesart nicht vertrauten Betrachter nicht erfolgt“, wie Panning über den Muskauer Park schreibt.702 Indem er Goethe Staffagen schaffen ließ, drückte dieser dem Park dennoch so weit seinen Stempel auf, dass er als Werk Goethes oder immerhin als Werk im Geiste Goethes imaginiert werden kann. Ein Kunstwerk im Sinne der Klassik ist er jedoch nicht. Es ist offensicht­lich, dass es sowohl Carl August als auch, aus anderer Perspektive, den späteren Exegeten des Parks nur vordergründig um Ästhetik, eigent­lich um die Vermittlung eines den jeweiligen Interessen dienenden ­Bildes ging. So mag es aus sozialistischer Sichtweise erwünscht gewesen sein, die Bedeutung des Feudalherrschers Carl August zu marginalisieren, ohne den zur Volkserholung wichtigen Ilmpark abzuwerten. Der bundesdeutsche Gartenhistoriker Dieter Hennebo, der zusammen mit Alfred Hoffmann 1962 das lange gültige Standardwerk zur deutschen Gartengeschichte verfasst hat,703 bezweckte dagegen mög­licherweise eine Aufwertung der wenig beachteten Gartengeschichte, als er dem Ilmpark eine „Abklärung der Formen und Inhalte“ und eine „Abkehr von der Mode des sentimentalen Gartens mit seiner willkür­lichen Aufreihung kontrastierender Szenen und geschwätziger Staffagen“ bescheinigte.704 Angesichts der Tatsache, dass schon in Gartenbeschreibungen des 18. Jahrhunderts auf die unterschied­lichen Charaktere der einzelnen, teilweise kontrastierend aneinandergrenzenden Parkteile als Besonderheit des Ilmparks hingewiesen wird,705 muss bei Hennebos Äußerungen zum Ilmpark frag­lich erscheinen, ob sie überhaupt auf persön­licher Anschauung beruhen. So lobt Hennebo, dass sich der Ilmpark (anders als ‚sentimentale‘ Gärten wie der Wörlitzer) durch „sch­lichte großzügige Landschaftsbilder mit wenigen ernsten Bauwerken“ auszeichne.706 Das ästhetisch durchaus fragwürdige Luisenkloster wie die Kleinteiligkeit der Raumgestaltung, die im prinzipiell offeneren Bereich um die Ilm eine relativ enge Häufung von heterogenen Baumgruppen aufweist, machen eine ­solche Einschätzung allerdings zweifelhaft. Genauer fasst sein Hannoveraner Kollege Hoffmann in seinem dem Landschaftsgarten gewidmeten Band ihrer gemeinsam erarbeiteten 702 Panning 2006, S. 32. 703 Hennebo/Hoffmann 1962 – 65/1 – 3. 704 Hennebo 1979, S. 96. 705 Etwa Anonym 1794, Schumann 1797, Rückert 1800. 706 Ebd.

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Geschichte der deutschen Gartenkunst den Charakter des Ilmparks, wenn er schreibt, dass sich im Ilmpark „alle in der natür­lichen Gartenkunst zwischen 1775 und 1800 sichtbar gewordenen Züge erkennen“ ließen.707 Da die These vom ‚klas­sischen‘ Charakter des Ilmparks von Autoritäten wie den NFG oder Hennebo vertreten wurde, scheint es bis in die Gegenwart schwierig zu sein, sie kritisch zu hinterfragen. So verzichtet Müller-Wolff zwar auf den zu sehr mit dem Weimarkult des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verbundenen ‚Klassik‘-Begriff, interpretiert aber den Ilmpark dennoch wie Holtzhauer oder Hennebo aus dem Ideenkreis einer gartenkünstlerischen ‚Klassik‘ heraus, die sie dann allerdings irreführend als ‚Klassizismus‘ bezeichnet. Als ‚klassizistisch‘ beschreibt sie die Verbindung „einer nach modernsten ästhetischen Prinzipien gestalteten Architektur“ mit einer Landschaft, „die – ohne das gestalterische Eingreifen des Menschen – für sich selbst ­stehen kann“.708 Sie folgt dabei dem frei­lich nicht haltbaren K­lischee, dass es im empfindsamen Landschaftsgarten (also in den meisten deutschen Landschaftsgärten bis Weimar) nur „[k]ünst­liche Anlässe des Erinnerns“ gegeben habe und dass man dort anders als in Weimar zu viel „inszenatorische[n] Aufwand“ fände und nicht die Natur, die sich „selbst am wirkungsvollsten inszeniert“. Zuletzt deutet Müller-Wolff den Ausblick aus dem Römischen Haus als „panoramatische[s] Sehen“, das einen „distanzierten Blick“ ermög­ liche, „wie ihn die zu dieser Zeit sich entwickelten objektiven Wissenschaften benötigen“.709 Dagegen spricht nicht nur, dass sich die Pflanzung von Tausenden B ­ äumen durchaus als „gestalterische[s] Eingreifen“ und „inszenatorische[r] Aufwand“ bezeichnen lässt.710 Zudem war die von ihr angedeutete Kritik an der Scheinhaftigkeit von Grabmälern und Gedenkmonumenten in Landschaftsgärten Ende des 18. Jahrhunderts weit verbreitet und hilft nicht, die Klassizität eines Gartens zu beweisen, da es auch genügend ‚echte‘ Gräber in nicht als ‚klas­sisch‘ oder klassizistisch charakterisierten Gärten gab (wie z. B. in Ermenonville oder Wörlitz). Nicht zuletzt lässt sich der ‚panoramatische Blick‘ vom Römischen Haus keineswegs allein als Ausdruck eines ‚wissenschaft­lichen‘ Interesses deuten, da breite, alles überschauende Ausblicke eine lange Tradition in der Gartenkunst haben – man denke nur an das prominenteste Beispiel Versailles 707 708 709 710

Hoffmann 1963, S. 97. Müller-Wolff 2007, S. 323. Ebd., S. 323. Diese gehen aus Bertuchs Garten-Arbeits-Memoranden hervor, die bei Müller-Wolff im Anhang auszugsweise abgedruckt sind (ebd., S. 334 ff.).

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oder an den Rundumblick vom Belvedere des Wörlitzer Schlosses. Zudem führt eine Sichtachse vom Römischen Haus zur Oberweimarer ­Kirche, was nicht unbedingt auf eine naturwissenschaft­liche Weltsicht schließen lässt. Problematisch an der Behauptung, es habe eine gartenkünstlerische Klassik gegeben, die geistige Verbindungen zur Weimarer Klassik aufweise, ist jedoch in erster Linie die Tatsache, dass Goethe und Schiller der Landschaftsgärtnerei einen Kunststatus abgesprochen haben. Sie nennen dafür zwei zentrale Gründe: „1) weil sie in der Idee nicht bestimmt und begränzt ist; 2) weil das Materiale als ewig zufällig sich immer verändert und der Idee ewig entgegensteht.“ 711 In der landschaftsgärtnerischen ­Praxis sei in besonderem Maße die „Unart“ zu beobachten, „im ästhetischen unbedingt und gesetzlos sein zu wollen und willkür­ lich zu phantasieren“.712 Die Beachtung von Regeln war für Goethe und Schiller Voraussetzung für alle Kunst; der Ilmpark ist dagegen das Resultat von ganz verschiedenen Ideen, Orientierungen und Zielen, die keineswegs regelgeleitet oder einem theoretischen Konzept folgend, sondern intuitiv und entsprechend uneinheit­lich in der Gestaltung umgesetzt wurden. Dass der Ilmpark nicht wegen seiner ‚klas­sischen‘ Gestaltung von Bedeutung ist, sondern wegen der Beziehungen der Weimarer Klassiker zu ihm, sah schon 1821 ein eng­lischer Reisender. Das „Einzige, was Weimar einen Namen giebt“, heißt es darin, sei „sein literarischer Ruf“; der Ilmpark sei dagegen von zweifelhafter künstlerischer Qualität:713 Die Ilm, ein kleiner kothiger Strom, kriecht vor der Stadt vorbey, längs dem Wasser hat man Holz gepflanzt, Spaziergänge angelegt; Felsen, wo man sie fand, in einer perpendiculairen Richtung ausgehauen, und wo keine da waren, kleine Nischen angebracht; alles dies um einen Park, oder wie sie ihn öfters nennen, einen eng­lischen Garten anzulegen. 711 Goethe/Schiller 1799, S. 167 (zur Gartenkunst). Ähn­lich hatte es Schiller schon 1794 formuliert: „Seit den Hirschfeldischen Schriften über die Gartenkunst ist die Liebhaberey für schöne Kunstgärten in Deutschland allgemeiner geworden, aber nicht sehr zum Vortheil des guten Geschmacks, weil es an festen Principien fehlte und alles der Willkühr überlassen blieb.“ (Schiller 1794, Sp. 99). 712 Goethe/Schiller 1799, S. 167. 713 Russell 1825, S. 95 (Zitat im Fließtext) und 62 f. Man mag Russells Kritik Berechtigung zuerkennen, wenn man den Ilmpark vor der Folie vergleichbarer eng­lischer Landschaftsgärten betrachtet, wie beispielsweise Stourhead oder Bowood, die auch in Tälern liegen, oder Berrington Hall, der letzten von Brown gestalteten und immer noch erhaltenen Anlage (vgl. Abb. 5). Im Vergleich mit diesen lässt sich am Ilmpark durchaus Weite vermissen, und ebenso können die Komposition der Gewächse und die Bodenmodellierung im Ilmpark weniger gelungen erscheinen.

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Einzelne Verzierungen betreffend, sind die witzigen Köpfe Weimars ein wenig aufs Klein­liche verfallen, was vielleicht zu unbedeutend ist, als daß es erwähnt werden sollte, wenn wir nicht erwarten dürften, hier auch die geringste Kleinigkeit in Gegenständen des Geschmacks untadelhaft zu finden, weil Weimar die Pflegerin des guten Geschmacks von Deutschland geworden ist.

Von der Strahlkraft des literarischen Rufes profitierte jedoch auch der Ilmpark, vor allem, weil er als kreativitätsfördernde Umgebung oder gar als Inspirationsquelle für die Werke der großen Weimarer Dichter wahrgenommen wurde. So heißt es beispielsweise in einem Reisebericht von 1792:714 Man sagt, Wieland habe die schönsten Stanzen seines Amadis hier gedichtet, viele von seinem Oberon hier entworfen: und gewiß einige Schilderungen scheinen wie von da geborgt, auch hätte Titania diesen Feenort zum Aufenthalt wählen können. Herder und Göthe lustwandeln oft hier, und vielleicht danken wir manche Bilder ihrer hohen Phantasie den Eindrücken, denen sie sich hier in ­diesem Tempel der Musen und der Betrachtung überliessen.

Ähn­liches suggeriert das Ilmpark-Gedicht von Conz aus dem gleichen Jahr:715 Wo Teutschlands große Dichter oft geweilt, wo sie die Musen, Grazien und Horen bey Lunas Schein zum Zaubertanz beschworen, und ihren ewig frischen Kranz getheilt; wo Plato-Herder zu Begeisterungen der ernsten Weisheit sich emporgeschwungen.

Auch Rückert hebt den regelmäßigen Aufenthalt der Weimarer „Musen-Söhne“ im Ilmpark hervor.716 Der Herzog und sein Park erhalten Anerkennung, weil sie natür­lich, ungezwungen und angenehm und vor allem, weil sie beide scheinbar vom Geist der Weimarer Genies beeinflusst sind. „Ein Fürst, der mit zwei so edlen Männern“ wie Goethe und Herder „umgeht, kann nie etwas Böses

714 Anonym 1794, S. 302. 715 Conz 1792, S. 329 – 331. Auch Dohna-Schlobitten vermerkte, dass Goethe in seinem Gartenhaus und im Luisenkloster „viele seiner Schriften“ gedichtet habe (Dohna-­ Schlobitten 1798, S. 64). 716 Rückert 1800, S. 9.

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wollen“, schreibt der ‚ehr­liche Mann‘ von seinem Weimarbesuch 1800.717 Der so angenehme Ilmpark schien das zu bestätigen.718 Übersehen wurde dabei, dass Carl August ein unfähiger und lustloser Regent war, der dennoch auf seinem Geburtsrecht auf Herrschaft beharrte und tatsäch­ liche republikanische Mitbestimmung ablehnte. Im Privaten wurde er dafür eben von den Persön­lichkeiten, deren Freundschaft ihm einen so guten Ruf verschaffte, kritisiert. Davon drang aber nur wenig nach außen, wohl weil vor allem Goethe, Wieland und Herder von der Toleranz und ‚Mensch­lichkeit‘ ebenso viel Vorteil für sich zogen wie Carl August von ihrem Erfolg. Diese scheinbare Einmütigkeit des Herzogs und der Weimarer Dichter in Bezug auf den Ilmpark war jedoch eine Illusion. Karl Ludwig von Knebel und die Desillusionierung der ‚gartenrevolutionären‘ Utopie

Nicht nur Goethe kritisierte Carl Augusts Gartengestaltungen. Wieland, der in den 1770er-Jahren die Begeisterung für das freundschaft­liche Leben im Ilmtal geteilt hatte,719 verurteilte schon 1782 den Großen Stein als „armes 717 Anonym 1800, S. 48. 718 So liest außer Rückert beispielsweise auch der Autor des Gesellschafter 20 Jahre später noch aus der Offenheit des Parks die Liberalität Carl Augusts ab: „Künftig wird es hier gar kein stehendes Militair, sondern nur Landwehr und Landsturm geben, und die Kadres der ersteren werden abwechselnd den geringen Wachdienst versehen, der übrigens sehr leicht ist, da unser Fürst sich von seinen Unterthanen so wenig absondert, daß man nicht weiß, wo das Feld und wo der Park in Weimar angeht, und wo der Schloßhof sich von der Stadt trennt. Alles steht offen und ohne Umzäunung.“ Zeitung der Ereignisse und Ansichten (Anonym 1817b, S. 644). Und auch Jakob Glatz dankt 1817 angesichts des Ilmparks den „Fürsten, die durch Anlagen dieser Art dem Volke, über w ­ elches sie herrschen, einen reinen, unschuldigen Genuß gewähren!“ (Glatz, S. 28). 719 Vgl. den Brief von Wieland an Merck. Weimar, 3. Juni 1778 (Ende des in Fn. 595 anzitierten Briefes): „Übrigens, lieber bruder, solltest du einmal deinen braunen oder was es ist zwischen die füsse nehmen, und kommen und all unser Wesen selbst beaugen­ scheinigen. Denn die Dinge wollen schlechterdings gesehen und selbst gefühlt und beschnüffelt seyn. Z. ex. So wie du mit deinen Augen den Herzog, Göthen, die Schröterin, und ihre dicke Cypassis, die ihr zur folie dient, in vorbesagter felsenscene an der Ilm, die dort einen fall hat, dem Stern (einem Bosquet) Göthens Garten und einem lieb­lichen bis nach Belvedere sich hinabziehenden Wiesenthal gegenüber, gesehen haben würdest, NB. so offen unter Gottes Himmel, und in den Augen aller Menschen, die da von Morgen bis in die Nacht ihres Weeges vorüber gehen: So würde und

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­ assensteinchen“ und die dahinter stehende Idee als „verwünschte Poeterey“, G die „den Menschen den Genuß am Würk­lichen verderbt“.720 Vor allem aber betrachtete Knebel, der sich Anfang der 1780er-Jahre in ­Tiefurt selbst gartenkünstlerisch betätigt und sich mit Carl August und Goethe oft im Ilmtal aufgehalten hatte, den Ilmpark mit Skepsis und sah in ihm eine schlechtere Alternative zur ‚freien‘ Natur.721 So schrieb er etwa von einem Aufenthalt in Goethes Gartenhaus an seine Schwester, er freue sich, dass sie den Wald genieße und ihn von ihrem Fenster aus sehen könne; er hingegen „wohne zwar mitten unter Bäumen“, das seien jedoch „keine Wälder“.722 Diesen Gegensatz macht er zwölf Jahre später zum Grundmotiv seines politischen Gedichts Die Wälder, das wohl auch mit Blick auf Weimar geschrieben ist, zu dem er mittlerweile in spannungsvollem Verhältnis stand.723 Es beginnt mit folgenden Worten:724 Loben sich andre doch das reiche Leben in Städten, Und der Menge Gewühl, und den besuchteren Park: Nimmer ermüd’ ich, das Lob der stillen Thäler zu singen, Und den einsamen Gang, und das beschattete Moos. Hier erhohlt sich der Mensch: die eitlen Sorgen entfliehen; Ruhig, wie die Natur, kehret die Seele zu sich.

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müßte deine Seele Wohlgefallen dran haben, und du würdest einer ganzen Welt, die was dagegen hätte, in’s Gesicht speyen – und so ists mit 20 andern dingen.“ (Merck 2007/2, S. 104 – Hervorhebung dort). Wieland an Merck. Weimar, 5. August 1782 (Merck 2007/3, S. 99). Zu Knebels gartenkünstlerischen Tätigkeiten in Tiefurt vgl. Müller-Wolff 2007, S. 87 ff., Huschke 1951, S. 58. Knebel an seine Schwester Henriette. Weimar [Goethes Gartenhaus], 2. August 1787 (Knebel/Knebel 1858, S. 61). Vgl. als Zusammenfassung des Verhältnisses von Knebel und dem Weimarer Herzog Elschenbroich 1979. Knebel 1799. Vgl. für seine Haltung gegenüber Weimar die Briefe an seine Schwester Henriette, die mittlerweile als Erzieherin der Prinzessin Caroline in Weimar lebte und an die er beispielsweise 1797 schrieb: „so bitte ich meinen Schöpfer, mich nur nicht mehr in Weimar fortleben zu lassen. Bei allem Guten, was da ist und was ich da habe, ist diese Bitte hart, ich gestehe es; aber diese Geistesfessel und Gemüthsfesseln, die noch größtentheils durch Schonung angelegt werden, sind mir unerträg­lich. Auch ist es seltsam, daß der Herzog in der Ferne ganz wohlthuend ist, in der Nähe zernichtend u. s. w.“ Knebel an seine Schwester Henriette. Nürnberg, 11. Oktober 1797 (Knebel/ Knebel 1858, S. 134).

Rezeptionslinien

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Nicht mehr Barock- und Landschaftsgarten wie in der ‚Gartenrevolution‘, sondern Natur und Garten, Tal und Park werden hier verschiedenen Weltanschauungen zugeordnet.725 Das ‚stille Tal‘ steht dabei für die rousseauistische Vision eines guten und freien Lebens in einer vorgesellschaft­lichen Frühzeit.726 Diesem freien Naturleben stellt das lyrische Ich zuerst die Franzö­sische Revolution gegenüber, die mit ihren Schrecken, ihrem Chaos und der Willkürgewalt einzelner Vertreter die Idee der Freiheit pervertiere. Noch schlimmer als die Franzö­sische Revolution seien jedoch die Zustände in seinem „mütter­lich Land“, da in d ­ iesem Freiheit ganz unbekannt sei. Hier – im „reichen Leben in Städten“ und im „besuchteren Park“ – gebe es nur Herrschen und Beherrschtsein. Einen Ausweg aus dieser allgemeinen Herrschaft sieht das lyrische Ich allein in der Flucht in den Wald, also aus der korrumpierten Gesellschaft in Einsamkeit und Natur. Anders als in den 1770er-­Jahren, als Knebel mit Carl August und seinen Freunden durch die thürin­gischen ­Wälder gestreift ist und an ein mensch­liches Zusammenleben mit einem Fürsten geglaubt hat, geht sein Alter Ego im Gedicht nun in den Wald, um Jupiter, dem Herrscher, zu ‚trotzen‘:727 Seyd mir ewig gegrüßt, ihr thaldurchirrenden Bäche; Und du, steigender Wald, hohem Gedanken geweiht! Tragt mich näher hinan zu euerem Himmel, ihr Berge! Daß ich die reinere Luft athme, der Sümpfe befreit. Hier, an den Rücken gelehnt der ewig alternden Eiche, Trotz’ ich, den Göttern so nah, Jupiters Donnergeschoß.

Die Flucht in die Einsamkeit der Natur ist also keine Resignation, sondern eine Kampfansage. Es ist zwar nicht nachweisbar, dass Knebel mit Jupiter wie Goethe, der seinen herzog­lichen Freund in seinen Tagebüchern mit dem astro­ nomischen Symbol für Jupiter bezeichnet hat, Carl August meint. Knebel hat

725 Ähn­lich wie bei den Romantikern. Vgl. Tabarasi 2007, S. 332 ff. 726 „Einst, so sangen die Dichter der Vorzeit, führten die Menschen, / Unter dem goldnen Saturn, ähn­liches Leben auch hier. / Reichthum kannte man nicht, noch der Ehrfurcht eiserne Schwerdter, / Noch des Gerichtshofs Zwang, noch der Verfolgungen Wuth. / Unter dem eigenen Baum verlebete jeder die Tage, / Frei, wie die Gegend umher, und wie der Himmel beglückt. / In welch andere Zeit hat uns das Schicksal gestoßen! / Kaum erblick’ ich in ihr Ordnung gesitteter Welt.“ (Knebel 1799, S. 161 f.). 727 Ebd., S. 164.

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ihn jedoch immerhin nicht mehr ausgenommen aus dem Kreis der jupiterhaften Willkürherrscher, wie er es noch in einem Brief aus dem Jahr 1787 getan hatte. Darin hatte er den ins preußische Feldlager gehenden Carl August an seine Pflichten erinnert, ihm aber zugleich von dem Vertrauen geschrieben, das er in die so ganz andere „Gesinnungsart“ Carl Augusts habe:728 Nur unter edeln Menschen zu herrschen, verlohnt sich die Mühe. Wer einen Haufen Knechte anführt, und wann der Haufen auch noch so groß wäre, bleibt doch nichts als ein Führer der Knechte. Der Teutsche ist noch gar zu sehr Knecht, in knechtischen Begriffen; und den Häuptern des teutschen Reichs sollte selber daran liegen, sich einen edlen Körper zu verschaffen. Wann alle die Gesinnungsart von Euer Durchlaucht besäßen, so bin ich überzeugt, daß diese im Stoff noch genug reichhaltige Nation sich fühlbar verbessern und veredeln würde… Ermüden Sie nicht, gnädigster Herr, Gutes zu wirken! Auch fahren Sie fort, über unsre Gemüter zu herrschen, die Ihnen ohnehin schon eigen sind, und lassen Sie sich nie die schönere äußer­liche Ordnung verführen, das Kommando über fremde Leiber jener bessern Herrschaft vorzuziehen noch ihre Kräfte einem fremden Staate zu geben, die Ihnen selbst und den Ihrigen gehören!

Dieses Vertrauen scheint Knebel 1799 nicht mehr gehabt zu haben. Im Gedicht Die Wälder findet sich keine Hoffnung mehr auf einen Fürsten, der die Nation „fühlbar verbessern und veredeln“ könne. „Knechtschaft gebietet man nicht, als dem der Knechtschaft verdienet“, heißt es im Gedicht – der Blickwinkel ist hier also verschoben von denen, die verknechten, auf die, die sich verknechten lassen.729 Diese müssten sich jedoch, so Knebels wohl in den 1790er-Jahren gereifte Erkenntnis, selbst befreien und nicht auf Befreiung von oben oder auch von der Gartennatur warten.

728 Obwohl Knebel die deutschen Zustände um 1790 – im Angesicht der Franzö­sischen Revolution – als „gothische Finsternisse“ bezeichnet, drängt sich die Assoziation mit den von Carl August im Ilmpark errichteten neugotischen Staffagen auf, deren politische Symbolik Knebel wohl durchaus bewusst war. So schrieb er schon 1787 an Carl August selbst, dass die „deutsche Freiheit“ nur „in den Rechten der deutschen Fürsten gegen den Kaiser und einiger Unmittelbaren gegen diese Fürsten“ liege, während der Rest der Nation unfrei sei. Knebel an seine Schwester Henriette. Weimar [Goethes Gartenhaus], 11. Januar 1790 (Knebel/Knebel 1858, S. 107); Knebel an Carl August. Jena, 12. März 1787 (Carl August u. a. 1958, S. 309). Zitat im Text: Knebel an Carl August. Weimar, 4. November 1786 (ebd., S. 259 f.). 729 Knebel 1799, S. 163.

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Die Begeisterung, mit der das Gedicht vor der Drucklegung im Kreis der stillen Opposition um Wieland und das Ehepaar Herder in Weimar erstgelesen wurde, lässt vermuten, dass er mit dieser Sicht nicht allein war und dass es zwischen dem Mythos Weimar und dem, wie seine Protagonisten die Weimarer Zustände erlebt haben, eine Differenz gibt.730 Die breite Öffent­lichkeit wollte indes offensicht­lich weiterhin an gute Fürsten und an die befreiende Wirkung des Landschaftsgartens glauben. Zweifelsohne war die Schaffung eines Landschaftsgartens auch im Sinne der Aufklärung, da er sowohl Einsamkeit als auch eine ungezwungene Gesellschaft und vor allem eine scheinbar unmittelbare Begegnung mit der Natur ermög­lichte. Nur wenige Intellektuelle bemerkten, dass dieser enthusiastische Glaube an die erlösende und beglückende Macht des Landschaftsgartens letzt­lich Obrigkeitsgläubigkeit verfestigte und nicht zu kritischem Denken und Verantwortungsbewusstsein – Grundvoraussetzungen für eine freie Gesellschaft – anregte. Wegen seines Scheincharakters gingen auch die Romantiker in Distanz zum Landschaftsgarten und bevorzugten stattdessen vermehrt den formalen Garten oder eben wie Knebel die ‚freie‘ Natur.731 Um 1800 etablierten sich eine Kunstvorstellung und ein Geschmacksideal, für die jede Instrumenta­lisierung von Kunst anrüchig war. Repräsentativ für die intellektuelle Elite hat August ­Wilhelm Schlegel die Ablehnung des Landschaftsgartens auf den Punkt gebracht: In der siebzehnten seiner sehr erfolgreichen Berliner Vorlesungen zur Kunstlehre

730 So berichtet Böttiger an Knebel, dass das Lesen seiner Wälder eine „feier­liche Stunde der Weihe“ gewesen sei: „Die Elegie, ich weiß den Titel nicht, worin Sie den ausgearteten, Freiheit lügenden Franzosen den Fehdehandschuh zuwerfen, und unsere arme, zertretene Nation beklagen, brach uns allen das Herz. Es war eine feier­liche Stunde der Weihe. Wieland war außerordent­lich gerührt und ergriffen.“ Auch Caroline Herder schrieb ihm über die Lesung: „Wenn Ihnen in voriger Woche einen Abend einmal die Ohren nicht geklungen haben, so haben Sie, mit Ehren zu melden, nicht sympathetische Ohren. Ihre Stunden, Ihre Wälder wurden bei uns gelesen; und ich kann die Zustimmung nicht ausdrücken, die – rathen Sie wer? – Wieland, Wieland selbst und ein junger Maler, der unlängst aus Rom kam, darüber empfanden.“ Wieland hatte sich schon 1790 mit Blick auf die Franzö­sische Revolution für den Versuch einer „freyen Constitution, einer richtigen Vertheilung der politischen Macht und einer zweckmäßigen Organisation des Staatskörpers“ durch den „verständigste[n] und aufgeklärteste[n] Theil der Nation“ ausgesprochen (Wieland 1790, S. 61 f.). Briefzitate: Carl August Böttiger an Knebel. Weimar, 30. November 1799 (Knebel/Knebel 1858, S. 169); Herder an Knebel. Weimar, 30. November 1799 (Knebel 1840, S. 283). Vgl. zum Enstehen dieser ‚Opposition‘ Wilson 2004, S. 43 ff. 731 Vgl. Tabarasi 2007, S. 332 ff.

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sprach er der Gartenkunst an sich den Status einer eigenen Kunstform ab und attestierte den Vertretern der landschaft­lichen Gartenkunst „verkehrte […] Kunstmaximen“.732 Der Überzeugungskraft der mit dem Landschaftsgarten für einige Jahrzehnte assoziierten Ideen und auch dem Interesse von Schriftstellern an Gärten hat das deut­lichen Abbruch getan. Wie der Blick auf Pückler und seinen Muskauer Park jedoch zeigen wird, blieb es dennoch mög­lich, mithilfe eines Gartens die Erfüllung bürger­licher Wünsche zu suggerieren und somit adeligen Status und adelige Privilegien zu sichern. Dazu beigetragen hat vermut­lich – neben ­Pücklers Sehnsüchte ansprechender Inszenierung seiner Persön­lichkeit, um die es im Folgenden genauer gehen wird – das zunehmend entfremdete Verhältnis der urban geprägten bürger­lichen Gesellschaft zur dadurch mehr und mehr Erlösungsversprechen erzeugenden Natur.733

3.4 Zwischenfazit Der Weimarer Ilmpark teilt weitaus mehr Prämissen der Gartenliteratur als der Wörlitzer Park. Seine Entstehung hängt eng mit der ‚mensch­lichen‘ Identität Carl Augusts zusammen, die seine bürger­lichen (und niederadeligen) Erzieher und Freunde zu befördern versucht hatten. Carl Augusts erster Erzieher Görtz hatte sein Erziehungsprogramm an den philanthropistischen Ideen Basedows ausgerichtet; sein zweiter, selbst gewählter Erzieher Wieland versuchte dann, Carl August nach seiner bis dahin in Romanen ausgemalten Vision eines guten Fürsten zu formen. Goethe schließ­lich, den Carl August 1776 nach Weimar eingeladen hatte, unterstützte seinen Freund in seinem unhöfischen, wilden, ‚mensch­lichen‘ Lebensentwurf. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Aufenthalt in der freien Natur, in der sich Standesunterschiede und ständische Verhaltensanforderungen vergessen ließen. Neben den Thüringer Wäldern war das Ilmtal bei Weimar ein viel frequentierter Rahmen für ein ­solches naturnahes Leben. Goethe lebte dort in dem Gartenhaus, das ihm Carl August geschenkt hatte, um ihn in Weimar zu halten. Wenig später bekam auch Carl August selbst dort mit dem Luisenkloster, einer als Staffage für ein Hoffest errichteten Hütte, einen Rückzugsort.

732 Vgl. Schlegel 1963, S. 181. Vgl. dazu auch Apel 1983, S. 18 ff. 733 Vgl. dazu die in diese Richtung gehende Untersuchung der Landschaftsmalerei von Matthias Eberle (Eberle 1984, S. 200 ff.).

Zwischenfazit

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Die anfäng­liche Nutzung des Ilmtals für freundschaft­liche Begegnungen und für Naturgenuss ist in der von Wieland und Goethe geteilten Utopie begründet, dass Carl August nur lernen müsse, ein Mensch zu sein, um ein guter Fürst zu werden. Um 1780 sind in d ­ iesem Punkt bei Goethe allerdings eine Desillusionierung und ein Umdenken zu verzeichnen. Er erkannte den Wert von Arbeit, Disziplin und Askese und zog deshalb 1782 aus dem Gartenhaus in das Haus am Frauenplan in der Stadt, weil ihn das Naturleben vom konzentrierten Arbeiten abhielt. Carl August bekannte sich zwar weiterhin zum Leitbild des guten Fürsten, verstand darunter aber zunehmend etwas anderes als seine Freunde und insbesondere Goethe. Dieser wünschte sich Carl August als pflicht- und verant­wortungsbewussten Regenten, der sich gründ­lich mit den Problemen des Landes beschäftigt und fundierte Lösungen entwickelt; Carl August selbst sah sich jedoch als kämpfenden Ritter und Helden, der durchaus für das Wohl seines Volkes eintreten wollte, jedoch nicht durch das Studium von Akten und Kabinettsdiskussionen, sondern mit dem Schwert oder mit Löschwasser in der Hand. Während sich Goethe seit Anfang der 1780er-Jahre intensiver mit den Sachsen-Weimar-­eisenachischen Regierungsaufgaben beschäftigte, engagierte sich Carl August für den Fürstenbund; ein Unternehmen, das geheime Verhandlungen und geheime Botenaufträge mit sich brachte. Das Jahr 1782 lässt sich so als ein Wendepunkt ansehen, denn in d­ iesem Jahr stellte Carl August mit dem Großen Stein auch die erste Staffage in das Ilmtal. Nachdem das Ilmtal in den Jahren zuvor durch den Ausbau von Wegen besser zugäng­lich gemacht worden war, begann Carl August nun, dort einen Landschaftsgarten anzulegen. Die Sphinxgrotte beschwört noch einmal die Überzeugung der Bedeutung des Menschseins. In den 1780er-Jahren, in denen er eine künst­liche Burgruine und eine neugotische Kapelle erbauen ließ, sieht es zunächst aus, als würde Carl August hier in Anlehnung an den Wörlitzer Park seines Freundes Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau einen Symbol­ ort für sein Eintreten für den Fürstenbund und für sein ritter­liches Selbstverständnis schaffen wollen. Ende der 1780er-Jahre änderte sich die Gestaltung jedoch grundlegend, vor allem weil Carl August für mehrere Jahre kaum noch in Weimar war, seit er sich 1787 zum Generalmajor der preußischen Armee hatte ernennen lassen. 1787 ließ er mit dem Schlangenstein eine antikische Staffage aufstellen, die sich als Hommage an Goethe verstehen lässt und diesen vermut­lich vom guten Willen Carl Augusts überzeugen sollte. In der Tat hat sich Goethe nach seiner Rückkehr aus Italien wieder mehr für die Gestaltung des Ilmparks engagiert. Carl August behielt in der Folge zwar die Oberaufsicht und machte vor

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Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und sein Park an der Ilm

allem in Hinblick auf die Naturgestaltung genaue Vorgaben; die Schaffung von Staffa­gen überließ er jedoch seit den 1790er-Jahren weitgehend Goethe. Obwohl dieser der Landschaftsgärtnerei insbesondere in der von Carl August betriebenen ­Praxis zunehmend kritisch gegenüberstand, wie aus Briefen und seinem mit Schiller erarbeiteten Dilettantismus-Fragment hervorgeht, gelang es Carl August so, dass sich der Ilmpark mit dem Namen Goethes verband. Viele Besucher waren von dem von Carl August ermög­lichten angenehmen und freiheit­lichen Selbsterlebnis im Ilmpark begeistert. Sie werteten den Park mit den Kriterien der Gartenliteratur und fanden diese hier bestätigt. Oft wurde der Ilmpark darüber hinaus als Inspirationsort für die Weimarer Dichter und Denker gesehen und in ihm eine besondere Aura wahrgenommen. In jedem Fall gelang es Carl August mithilfe seines Parks, in einer breiten Öffent­lichkeit als guter Fürst wahrgenommen zu werden und damit Kritik an seiner Herrschaftsausübung zu vermeiden, wie sie in Weimar selbst von verschiedenen Seiten geäußert wurde. Indem der Ilmpark den Ruf Weimars noch verbesserte, diente er überdies den Interessen von Kulturunternehmern wie Bertuch, der Carl August lange Jahre als Parkverwalter diente. Dieser hatte in einem Aufsatz Landschaftsgärten als ideale Orte für die ‚Muße mit geistiger Beschäftigung‘ (otium cum litteris) umrissen und damit die Wahrnehmung des Ilmparks als Dichterort befördert. Es gab jedoch in Weimar auch kritische Stimmen gegen die Selbstinszenierung Carl Augusts in seinem Park; sein früherer Freund Knebel beschwor so etwa in einem Gedicht die Wälder als Gegenort zum Park, den er als Symbol für eine Gesellschaft von sich freiwillig unterdrücken lassenden Menschen steht, denen er aus den Wäldern seinen Wunsch nach Freiheit entgegenruft. Der Ilmpark erfüllt und konterkariert zugleich die Forderungen der Garten­ literatur. Als Carl August und seine Freunde in den 1770er-Jahren das Ilmtal für sich entdeckten, waren sie dabei von einem Wunsch nach Naturgenuss und von der Überzeugung der bessernden Wirkung der Natur getragen, wie sie Hirschfeld als Grundmotive der Landschaftsgärtnerei formuliert hatte. Die Anlage des Ilmparks seit den 1780er-Jahren ist aber im Grunde das Resultat einer Enttäuschung dieses Glaubens, dass allein die Natur und das natür­ liche Menschsein Carl August zu einem guten Fürsten (oder Goethe zu einem produk­tiven Dichter) machen könnten. Goethe zog sich aus dem Ilmtal in die Stadt zurück; Carl August legte einen Park an, doch nicht als Instrument zur Selbstbesserung, sondern zur Legitimation seines Lebensentwurfs. Anders als Leopold Friedrich Franz scheint Carl August dabei schon bald erkannt zu haben, dass eine traditionelle ikonografische Gestaltung kein geeignetes Mittel mehr für eine gärtnerische Selbstinszenierung war. Apollo- oder

Zwischenfazit

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Venusgestaltungen sind deshalb im Ilmpark nicht zu finden, ebenso wenig wie Gedenkorte für die Vorfahren des Herzogs. Im Mittelpunkt der Gestaltung scheint tatsäch­lich die Natur zu stehen sowie die Mög­lichkeit ihres Genusses, die durch Sitzplätze und Spazierwege befördert wird. Obwohl Goethe die ­seinen eigenen Kunstvorstellungen und -ansprüchen entgegenstehende Gärtnerei Carl Augusts verurteilte, etablierte sich in der Öffent­lichkeit die Vorstellung vom ‚klas­sischen‘ Ilmpark, die ­diesem und seinem Schöpfer Carl August dauernde Anerkennung sicherte. Der Park enthält damit weitaus weniger und weniger vielschichtige Botschaften als der Wörlitzer Park. Er kommuniziert einerseits Carl Augusts Naturliebe und seinen Willen, den Künsten in Weimar ein Feld zur freien Entfaltung zu geben, und andererseits seinen Wunsch nach einem ganzheit­lichen Menschsein, das er auch den Besuchern des Parks ermög­lichen will. Diese Botschaften waren offenkundig so angenehm und erfreu­lich, dass keines der bekannten Rezep­tionszeugnisse zum Ilmpark sie auf die Interessen des Herzogs hinterfragt. Wie der Blick auf die im Park veranstalteten Vauxhalls gezeigt hat, ging es jedoch auch Carl August darum, die gesellschaft­liche Ruhe zu sichern und die Weimarer von politischem Denken abzulenken. Der weitgehende Verzicht auf eine traditionelle ikonografische Selbstinszenierung des Fürsten ist dabei selbst eine Botschaft des Parks. Sie kommuniziert, dass Carl August die Vernünftigkeit der neuen Kunst- und Naturauffassung und die Geschmacklosigkeit der alten repräsentativen Kunst eingesehen habe. Seine bleibende Bedeutung verdankt der Ilmpark jedoch der Tatsache, dass er als Konserve für den Geist der Weimarer Klassik wahrgenommen wurde und wird. Während Leopold Friedrich Franz im Wörlitzer Park den Besuchern auch Gelegenheit zur Projektion von Wunschvorstellungen gegeben hat, sollte der Ilmpark in erster Linie Assoziationen wecken, vor allem mit dem ‚klas­sischen‘ Weimar (und so deren Leistungen mit Carl August als Schöpfer dieser Konserve verbinden). Ohne das Wissen um diesen Kontext, also den Dichter- und Denkerort Weimar, um Goethes Freundschaft mit Carl August und seine Beteiligung an der Gestaltung (und vor allem ohne Begeisterung für diesen Kontext) erscheint der Ilmpark ‚stumm‘ und ‚leer‘. Damit funktioniert er zwar als Medium, dekonstruiert jedoch das traditionelle gärtne­ rische Kommunikationsmodell.

4. Hermann von Pückler-Muskau und sein Muskauer Park 4.1 Hermann von Pückler-Muskau (1785 – 1871): ein Adeliger im bürgerlichen Zeitalter Park und Persönlichkeit: einleitende Bemerkungen

Pückler! Pückler? Einfach nicht zu fassen! lautet der Titel der 2008 eröffneten Dauerausstellung im Muskauer Schloss. Er bezieht sich auf die vielen Facetten von Pücklers Persön­lichkeit, die in der Ausstellung dann unter fünf Schlagwörtern gefasst werden: Fürst, Abenteurer, Gartenkünstler, Schriftsteller und Lebemann.734 Unfassbar sind jedoch nicht Pücklers Leben oder sein Auftreten, die in einer großen Menge von Briefwechseln, Biografien und Bildern überliefert sind, sondern die Frage, warum Pückler überhaupt so interessant und bedeutend ist, dass sich eine so große Bereitschaft findet, ihn und die Widersprüche, Verwirrspiele und Rätsel seines Lebens zu erkunden und begreifen zu wollen. Dass dieses Interesse vorhanden ist, zeigen die vielen Besucher in den Parks und Pücklerausstellungen von Muskau und Branitz sowie die zahlreichen, oft in mehreren Auflagen erscheinenden Publikationen zu Pückler. Dazu gehören kurzweilig erzählte Biografien, Anekdotensammlungen und sogar Liebes- und Kriminalromane, in denen Pückler als Hauptfigur auftritt.735 Eine 2006 in G ­ örlitz 734 Vgl. http://www.muskauer-park.de/?cat=1&lang_pref=de (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). 735 Zu den Biografien zählen Heinz Ohffs in insgesamt 13 Auflagen erschienenes, unterhaltsam erzähltes Buch Der grüne Fürst. Das abenteuer­liche Leben des Hermann Pückler-­Muskau (Ohff 2012), Erik Gloßmanns Hermann von Pückler-Muskau. Kavalier, Abenteurer, Parkgestalter (Gloßmann 2010) sowie Kleßmann 1992 und Jelaffke 1993. Anekdotensammlungen sind u. a. Der tolle Pückler und Fürst Pückler. Episoden & Facetten (Krönert (Hg.) 2002 und 2010) oder die Publikationen von Bernd-Ingo Friedrich (wie auch seine Internetseite www.kulturpixel.de, auf der er ebenfalls Essays zu Pückler veröffent­licht). Ältere Pückler-Romane sind A. C. Grabeins Der letzte große Kavalier (Grabein 1943) und Eva Caskels Gärten ruheloser Liebe. Ein Roman um den Fürsten Pückler-Muskau (Caskel 1955). Die Kriminalromane sind Ralf Günthers Der Gartenkünstler. Ein Fürst-Pückler-Roman (Günther 2010) und Franziska S­ teinhauers Sturm über Branitz. Historischer Kriminalroman (Steinhauer 2011). Günther durfte seinen Roman übrigens in den Räum­lichkeiten der Pückler-Stiftung in Branitz

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Hermann von Pückler-Muskau und sein Muskauer Park

uraufgeführte Pückleroper und ein für das Staatstheater Cottbus geschriebenes und 2010 inszeniertes Theaterstück über Pückler zeigen zudem, dass Pückler auch im 21. Jahrhundert ein breites Publikum anzusprechen vermag.736 Pücklers auf Dauer erfolgreichste Leistung ist also vermut­lich seine Selbst­ inszenierung als exzentrischer Märchenfürst, der wilde und exotische Abenteuer besteht und dennoch immer bis ins kleinste Detail elegant ist, der Frauen zu verführen weiß, mit den hellsten Köpfen seiner Zeit befreundet ist und den größten Park Kontinentaleuropas geschaffen hat. Diese Figur kommt offenkundig einer durch extensive Lektüre von Belletristik bzw. durch visuelle Medien geprägten Weltwahrnehmung entgegen; Pücklers Leben scheint unterhaltsam, Pückler selbst als protomoderner ‚Prominenter‘ greifbar (vgl. Abb. 32). Das alles erklärt jedoch nicht, warum die historische Person Pückler auch von wissenschaft­lichem Interesse ist. In d ­ iesem Punkt weisen die meisten Lexikon­ artikel zu Pückler eine Leerstelle auf: Sie informieren zwar durchgängig sehr umfassend über Pücklers Lebensstationen, erörtern jedoch nur selten, warum er überhaupt so bedeutend ist, dass das Wissen um sein Leben zum Kanon gehören sollte. In jüngster Zeit wird seine Relevanz häufig damit erklärt, dass Pückler „einer der meistgelesenen Autoren“ oder zumindest „der meistgelesene Reiseschriftsteller seiner Zeit“ gewesen sei.737 Zweifellos waren Pücklers Briefe eines Verstorbenen (1830) und seine Tutti Frutti (1834) für einige Jahre in aller Munde. Schon die Zeitgenossen bemängelten jedoch die in diesen Büchern zu bemerkenden und sich in seinen späte­ ren Werken verstärkenden Schwächen, auf die auch bis ins 20. Jahrhundert immer wieder in biografischen Skizzen zu Pückler verwiesen wird. So heißt es etwa im bei Brockhaus erschienenen Bilder-Conversations-Lexicon für das deutsche Volk von 1839 über Pücklers erste Bücher, dass die „angenehme Darstellung und was sie von wahrhaft interessanten Schilderungen besonders aus

vorstellen, wodurch die Fiktion und das Märchenhafte, die in seinem – übrigens gut erzählten – Buch geschickt mit realen Fakten verschmolzen werden (er orientiert sich in Inhalt und Stil an Pücklers Briefen eines Verstorbenen), wahrschein­lich noch ein stärkeres Gewicht bei der öffent­lichen Pückler-Wahrnehmung gewonnen haben. 736 Vgl. Enjott Schneider: Fürst Pückler – Ich bin ein Kind der Phantasie. Oper. UA 2006 im Görlitzer Stadttheater; Christoph Klimke: Fürst Pücklers Utopia. Anläss­lich des Pückler-Jubiläums von Johann Kresnik am Cottbuser Staatstheater inszeniert. Vgl. www.enjott.com (Pfad: Werke – Musiktheater) und http://www.staatstheater-cottbus. de/programm/mehrsparten/artikel_fuerst-puecklers-utopia.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). 737 Diecks 2001, S. 760; Marx 2010, S. 349.

Ein Adeliger im bürgerlichen Zeitalter

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den vornehmsten Kreisen der Gesellschaft enthalten, […] über die mitunter große Oberfläch­lichkeit, die verletzende Keckheit der Auffassung und die eitle Selbstgefälligkeit ihres Verfassers den Sieg davon“ getragen hätten, dass aber die späteren Werke wegen der in ihnen herrschenden „Geniesucht“ abzulehnen seien.738 In ähn­licher Weise kritisiert Wigand’s Conversations-Lexicon von 1850 das „Leichtfertige, Gesuchte, und Unerquick­liche“ und die „Selbstgefälligkeit“ in Pücklers Schriften, deren „Grundton in einer unangenehmen Schaustellung des fürst­lichen Verfassers besteht“.739 Aus Sicht vieler biografischer Autoren verdienten ledig­lich Pücklers Andeutungen über Landschaftsgärtnerei (1834) ungeschmälertes Lob; diese waren jedoch so teuer, dass sie kein breites Publikum erreichten.740 Es ist deshalb trotz des großen Erfolgs der Briefe eines Verstorbenen und auch der Tutti Frutti kaum vorstellbar, dass ihre Strahlkraft den Namen ­Pückler bis heute in Erinnerung hält. Dass die Muskauer Ausstellung Pücklers Rolle als Schriftsteller nur an vorletzter Stelle nennt, verwundert daher nicht. Vor der Schriftstellerei führt sie die Gartenkunst an – aber auch auf d ­ iesem Gebiet ist Pücklers Bedeutung keineswegs einfach zu fassen. Die Lexika des 19. Jahrhunderts erwähnen Pücklers gartenkünstlerische Leistungen nur als etwas Nebensäch­liches. So heißt es im Wigand’s über den „berühmte[n] Park zu Muskau“ ledig­lich, dass sein Wert durch die Einrichtung eines Heilbades erhöht worden sei – worin dieser Wert liegt, wird nicht erläutert.741 Meyer’s neues Konversations-Lexikon von 1859 teilt immerhin mit, dass Pückler mit seinem Park ein „anerkannte[s] Muster“ aufgestellt habe, frei­lich ebenfalls ohne nähere Erklärung.742 In gartenhistorischen Kompendien wird Pückler im Allgemeinen als einer der großen Meister seiner Kunst gewertet. Da sich Pücklers gartenkünstle­rische Leistungen ohne Spezialwissen nur schwer nachvollziehen und bewerten lassen, ist die Würdigung Pücklers als Gartenkünstler bisher auf Expertenkreise

738 Brockhaus 1839, S. 593 f. 739 Wigand 1850, S. 245. 740 Manfred Uhlitz macht die Höhe des Preises an Vergleichen deut­lich. Die Andeutungen kosteten 80 Taler und damit fast vierzigmal so viel wie die wenige Jahre zuvor erschienenen Beiträge zur bildenden Gartenkunst von Friedrich Ludwig Sckell und achtzigmal so viel wie Eduard Petzolds Beiträge zur Landschaftsgärtnerei von 1849. Pücklers Obergärtner verdiente seit 1838 monat­lich 42 Taler, wie Schäfer zeigt (vgl. Uhlitz 1988, S. 115 und Schäfer 2010, S. 117 f.). 741 Wigand 1850, S. 245. 742 Meyer 1859, Sp. 1176.

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beschränkt geblieben.743 Der Killy merkt nur an, dass Pückler selbst sein gartenkünstlerisches und gartentheoretisches Schaffen als weit bedeutender angesehen habe als seine literarischen Arbeiten, ohne aber auf dieses näher einzugehen.744 Ledig­lich der Weimarer Germanist Werner Deetjen würdigte auch Pücklers gartenkünstlerische Leistung. In der zweiten Auflage von Goedekes Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen von 1956, in der ­Pückler erstmals Aufnahme fand, schreibt er, dass die „größten Verdienste Pücklers […] auf dem Gebiet der Gartenkunst“ liegen und „weit höher zu bewerten“ seien „als seine früher überschätzte Schriftstellerei, der durchweg etwas Dilettantisches anhaftet“.745 In einer Artikelserie über die Espritperiode in unserer Literatur in den Jahrbüchern für Wissenschaft und Kunst von 1855 findet sich ein Aperçu, das die Problematik der historischen Einordnung Pücklers auf den Punkt bringt: Man wisse nicht, schreibt der anonyme Autor, ob Pückler „als Autor oder als Kunstgärtner bedeutender dasteht, weil die Kunstgärtner seinen Ruhm immer auf seine Bücher und die Schriftsteller auf seine Parkanlagen schieben“.746 Ähn­lich wie dieser anonym bleibende Literaturkritiker schrieb 1888 der Gärtner und Gartenschriftsteller Hermann Jäger über den Muskauer Park, er habe „die allgemeine Aufmerksamkeit um so mehr auf sich“ gezogen, „je bekannter die belletristischen Schriften, besonders die Reisen des Fürsten Pückler wurden, und je mehr derselbe durch manche Sonderbarkeiten und sein Auftreten in der Gesellschaft Aufsehen erregte“.747 In der Tat scheint die dauerhafte Verankerung des Namens Pückler im deutschen kulturellen Gedächtnis weder allein durch Pücklers Bücher noch durch seine Parks begründet zu sein. Pücklers Name wird zwar immer wieder mit seinen Büchern und Parks assoziiert; die Erinnerung an ihn ist jedoch tatsäch­ lich in erster Linie mit „biographischen Aspekten verbunden“, wie der Killy konstatiert.748 Die überlieferten Erzählungen von Pücklers Leben lassen indes schnell erkennen, dass nicht die Leistungen Pücklers faszinieren, sondern seine offenkundig außergewöhn­liche Persön­lichkeit und sein anscheinend gelungenes 743 So hat Pückler beispielsweise das von Repton entwickelte Zonierungsprinzip adaptiert und erfolgreich eine Reihe von gartenbautechnischen Neuerungen umgesetzt. Vgl. Panning 2006, S. 64 ff.; Rampenthal 2007, S. 53 ff. 744 Marx 2010, S. 349. 745 Deetjen 1956, S. 693. 746 Anonym 1855, S. 318. 747 Jäger 1888, S. 362. 748 Marx 2010, S. 349.

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Leben. Wissenschaft­liche Erkenntnis wird die Auseinandersetzung mit Pückler folg­lich nur dann erbringen können, wenn das bekannte Bild von Pückler nicht als ‚Wahrheit‘, sondern als Inszenierung und mithin als Kunstwerk betrachtet und nach der Genese und den Bedingungen seines so großen und dauerhaften Erfolgs gefragt wird. Diese zu erfassen ist allerdings schwierig, obwohl Pückler, anders als der Dessauer und Weimarer Fürst, unzählige Briefe und Schriften hinterlassen hat, in denen er sich zu seiner eigenen Person, seinen Überzeugungen, Zielen, Vorbildern und Interessen äußert. Er inszeniert sich darin als eine schillernde und widersprüch­liche Figur; die Bezugsrahmen, in denen er stand, sind kaum greifbar. Seine Briefe und Bücher zeigen einen Menschen, der republikanische Vorstellungen bejahte und zugleich den grausamen ägyptischen Vizekönig Mehemed Ali (Muhammad Ali) verehrte, der sich für die Freiheit aussprach und dennoch der Sklaverei das Wort redete, der Gleichheit als bürger­liches Grundrecht anerkannte, für sich selbst aber eine privilegierte Stellung beanspruchte, der den Luxus liebte, jedoch auch gern als armer Wanderer unterwegs war. Er spielte in seinen Briefen und Büchern eine Vielzahl von Rollen, war Pascha, Lou, Kind, Verstorbener, ‚Halbmüder‘ (Semilasso), Einsiedler, Künstler und Weltmann, er verführte seine Briefpartnerinnen und Briefpartner mit schmeichelhaften und leidenschaft­lichen Erklärungen und verwirrte sie mit boshaftem Spott. Selbst ehr­lich wirkende Bekenntnisse erweisen sich oft als Ironie. An Bettine von Arnim schrieb Pückler 1833, dass, wer ihn bzw. sein „Herz“ wirk­lich kennen wolle, seinen Park in Muskau besuchen müsse.749 Er behauptet also, dass der Park ein Schlüssel sei, um ihn zu verstehen. Als Bettine aber wenige Wochen nach ­diesem Brief Muskau besuchte, wurde ihr Wunsch nach einer Erfüllung dieses Versprechens enttäuscht. Weder in der persön­lichen Begegnung noch beim Parkspaziergang fand sie, was Pücklers Briefe hatten erhoffen lassen:750 Der Hauptgrund warum ich hierher kam war allerdings Dein in diesen Zauberparck verwünschtes Herz näher kennen zu lernen; aber was hilfts? – Da liegt es unter schwerer Schlummerdecke, die nicht zuläßt daß man seine Tiefen erforsche. – verwünscht bist Du; – ein Traumschauer schwebt über Dir, über Deinem Schloß, über Deiner Umgebung…

749 „wer Muskau gesehen, hat mir ins Herz gesehen“. Pückler an Bettine von Arnim. Muskau (Jagdhaus), 15. August 1833 (Pückler/Arnim 2001, S. 219). 750 Bettine von Arnim an Pückler. Muskau, wahrschein­lich 19. September 1833 (ebd., S. 226).

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Obwohl der reale Park Pücklers Sinnangebot nicht einlösen konnte, entfaltete allein die Idee von dem im Park zum Ausdruck kommenden Persön­lichkeitskern für Bettine so viel Faszinationskraft, dass sie auf sie im darauffolgenden Jahr in der Widmung ihres Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde an Pückler zurückkam, in der sie beschönigend von ihrem Besuch in Muskau berichtet:751 [S]o weit ich kam fand ich dieselbe Sorgfalt und eine fried­liche Anmuth, die sich über alles verbreitete. So entwickelt und pflegt der Liebende den Geist und die Schönheit des Geliebten, wie Sie hier ein anvertrautes Erbtheil der Natur pflegen. Gern will ich glauben, daß dies der Spiegel Ihres tieffsten Herzens sei, da es so viel Schönes besagt; gern will ich glauben, daß das einfache Vertrauen zu Ihnen nicht minder gepflegt und geschützt sei als jede einzelne Pflanze Ihres Parks.

Ähn­lich glaubte auch Heinrich Laube, „den Kern der Pückler’schen Existenz“ und „das ernste, gereifte, in Ruhe wohlthätige Gesicht“ seines Freundes im ­Muskauer Park zu finden.752 Beide, Arnim und Laube, zeigen, dass der ­Muskauer Park grundlegend genauso funktionierte wie die Parks von Wörlitz und Weimar: Pückler deutet mit seiner Äußerung an Bettine an, dass er den Park als Medium auffasste, und sie und Laube nahmen ihn dann als ‚Text‘ wahr, in dem sich etwas über Pückler ‚lesen‘ lässt. Pückler machte ein Sinnangebot, mit dem er vermut­lich auf Erwartungshaltungen reagierte und das von seinen Rezipienten in ganz eigener Weise aufgenommen wurde. Dieser Deutungsrahmen – also den Park als Medium wahrzunehmen – verwundert jedoch, da im Park kaum etwas enthalten ist, das als konventionelles ­Zeichen verstanden werden kann. Nachvollziehbar wird er erst, wenn man genauer hinsieht, auf was sich Laube und viele andere bei ihren Interpreta­ tionen beziehen: Eben nicht nur auf den realen Park, sondern auch auf Pücklers (in weiten Teilen unverwirk­lichten) Gartenentwurf in den Andeutungen über Landschaftsgärtnerei (1834). So bezieht etwa Laube sein Urteil auf „Park und das Gartenwerk“ (gemeint sind die Andeutungen) gleichermaßen,753 obwohl der reale und der fiktive Park so wenig miteinander zu tun haben, dass Pückler selbst fürchtete, dass man seinen realen Park als „Attrappe“ entlarven könnte, denn es sei „frei­lich von den angezeigten Wunderdingen nicht viel“ zu finden.754

751 Arnim 1835, S. IV–VI. 752 Laube 1840, S. 173. 753 Ebd. 754 Pückler an Lucie. Paris, 26. September 1834 (Pückler 1875/8, S. 285 f.).

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Zu diesen „Wunderdingen“ gehören eine künst­liche Ritterburgruine, ein Denkmal für Rüdiger von Bechlarn, den angeb­lichen Urahn der Pücklers, eine Rennbahn, ein ‚Tempel der Beharr­lichkeit‘, eine Ariadnestatue und nicht zuletzt eine als Mausoleum geplante Kapelle mit wendischem Altar auf dem Vorplatz sowie an die Rückwand anschließendem Apollotempel (vgl. Abb.  28 – 30).755 Der fiktive Park schließt damit offensicht­lich an die frühneuzeit­liche ikonografischbildersprach­liche Tradition an. Er soll mithilfe symbo­lisch aufzufassender Bilder kunstfremde Inhalte kommunizieren. Zentrales Thema scheint dabei die angeb­ lich bedeutende und bis in Urzeiten reichende Genealogie des Geschlechtes der Pückler zu sein, die die Burgruine, das Ensemble aus Wendenaltar, Apollotempel und christ­licher K ­ irche sowie das Bechlarn-Denkmal suggerieren – aber zugleich in ihrer Künst­lichkeit auch ironisch brechen. Die projektierte Rennbahn, die auf einen traditionell adeligen, Ritter­lichkeit belegenden Sport verweist, in dem Pückler einige beacht­liche Leistungen erbracht hat, lässt vermuten, dass Pückler mit ihnen von seiner hochadeligen Herkunft und Stellung zu überzeugen hoffte. Der Tempel der Beharr­lichkeit ist dagegen wieder uneindeutig, da er zwar durchaus als Ausdruck von Pücklers charakter­licher Güte und seiner Loyalität verstanden werden kann (der Tempel sollte dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. gewidmet werden), schon im 19. Jahrhundert jedoch als ironischer Seitenhieb gegen den ungeliebten und die Restauration vertretenden preußischen Herrscher verstanden wurde. Die Ariadne geht auf eine Zeichnung von Bettine zurück, die er mit der Umsetzung ihrer Idee in seinem fiktiven Park ebenfalls zugleich würdigt und verspottet.756 Von all dem findet sich im realen Muskauer Park nichts. In d ­ iesem spielen nicht Staffagen, sondern die Natur die Hauptrolle. Er zeichnet sich durch geschmackvoll gepflanzte Bäume, eine interessante Bodenmodellierung, schöne Wasserführungen, einen Wasserfall, weite Wiesen und Ausblicke sowie elegante Blumenpflanzungen in der Umgebung des Schlosses aus. Außer einigen zu Pücklers Zeit nur hölzern ausgeführten Brücken gibt bzw. gab es im Park einen offenen Aussichtspavillon (die ‚Gloriette‘), ein als ‚Eng­lisches Haus‘ bezeichnetes Ausflugslokal (vgl. Abb. 31) sowie die neugotisch-maurische Orangerie, die Pückler noch kurz vor dem Verkauf Muskaus erbauen ließ.757 Das ‚Eng­lische Haus‘ und die Orangerie erinnern an Pücklers Reisen nach England und in 755 Pückler 1834a, S. 230 (in der Heidelberger Universitätsbibliothek aufbewahrte und von dieser digitalisierte Ausgabe). 756 Vgl. Panning 2006, S. 49. 757 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Muskauer Parks Schäfer 1996, S. 29 – 41 sowie Rippl 1995a.

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den Orient. Darüber hinaus verweisen sie höchstens noch auf Pücklers Freude an geselligen Unterhaltungen und Südfrüchten; ein tieferer Sinn ist aus ihnen kaum zu dechiffrieren. Während Pückler also in den Andeutungen einen traditionellen adeligen Repräsentationsgarten entwirft, entspricht der reale Muskauer Park eindeutig den Normen des autonomen Kunstideals, für das die Staffagen – jahrhundertelang unentbehr­licher Bestandteil von Landschaftsbildern – nebensäch­lich geworden waren.758 Das macht insbesondere die ‚Gloriette‘ deut­lich, deren acht Streben, die das Dach tragen, den Park wie ein Bild einrahmen (Abb. 53 und 54). Nur wenige Rezeptionszeugnisse überliefern jedoch eine entsprechende Wahrnehmung des Parks. Zu diesen Ausnahmen gehört ein Reisebericht des Berliner Hofrats Friedrich Förster aus dem Jahr 1832, in dem zu lesen ist, P ­ ückler verfahre „bei seinen Anlagen ebenso, wie ein geistreicher, poetischer Landschaftsmaler, wie unser Schinkel bei seinen Kompositionen verfährt; wie dieser auf der Leinwand, so verfügt er in der Landschaft über Seen, Flüße, Wasserfälle, Rasenplätze, Baumgruppen, Brücken und Mühlen, die er zu seinen landschaft­ lichen Parthien nach Belieben verwendet“.759 Diese Sichtweise war im 19. Jahrhundert keineswegs selbstverständ­lich, wie eine Schilderung des weit gereisten Lemgoer Schuldirektors Karl Heinrich ­Brandes vermuten lässt, der 1859 „den weltberühmten Park“ von Muskau besucht hat.760 In seinem 1860 gedruckten Reisebericht würdigt er zwar die so natür­lich erscheinenden und alle Kunst verbergenden „Baumgruppen und Rasenplätze“, bemängelt aber eben das Fehlen von Staffagen im Park:761 Den Reisenden aber, der zum erstenmal in derselben umherwandelt, mag es wohl befremden, daß er hier keine Tempel, keine Hallen, keine Marmorstatuen, keine überdachte Laubengänge, keine Grottenwerke, überhaupt keine Prachtstücke der Kunst, daß er nur

758 Vgl. Strahl-Grosse 1991, Kap. V, VII und S. 173; Eberle 1984, S. 174 ff. und 200 ff. 759 Friedrich Förster an Pückler. Ohne Datum 1832 (Pückler 1875/7, S. 434). Es handelt sich dabei um den Auszug aus einem von Förster verfassten Ministerial-Bericht über die Friedhöfe der Lausitz für das in Berlin gegründete Museum für vaterländische Altertümer, in den er eine kurze Beschreibung des Muskauer Parks eingeschaltet hat. 760 Vgl. zur Biografie des zwischen 1824 – 29 wegen der „Mitwisserschaft an demago­ gischen Umtrieben“ eingesperrten und später viel reisenden und publizierenden Brandes, dem kein Artikel in der ADB gewidmet wurde, die biografische Skizze der Lippischen Landes­bibliothek: http://www2.llb-detmold.de/Autoren/Bran_H.pdf (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). 761 Brandes 1860, S. 119 und 120.

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eine schöne Waldgegend von einem Strom durchflossen, mit Berg und Thal, mit Rasenplätzen und Wiesen sieht, aber darin möchte eben der Gründer sein Verdienst gesucht haben, der die Kunst so zu verstecken wußte, daß man sie nicht gewahrt, sondern daß überall die reine lebendige Natur herrscht. Mir ist es so ergangen, und ich dachte oftmals, wenn dort auf der Waldeshöhe ein hübsches rundes weißes Belvedere-Thürmchen stände, […] oder wenn hier auf grünem Rasenplane das Marmorbild des Ferntreffers Phöbus Apollo mich anblickte, oder wenn da unter dem Blätterhimmel der Buche die Statue der pfeilfrohen Artemis in hochaufgeschürztem Faltengewande, Bogen und Köcher tragend, mit dem Hirsch zur Seite, das Jagdrevier schützte, – gewiß es würde mir nicht mißfallen haben.

Noch Hermann Jäger merkt in seinem Überblick zu Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt von 1888 an, dass in Muskau „ganz gegen den Gebrauch […] kein Tempel angebracht“ sei.762 Pückler hat indes nicht nur völlig auf den traditionellen bildersprach­lichen Code verzichtet, um Botschaften zu kommunizieren. Neuere Quellenfunde ­zeigen darüber hinaus, dass Pücklers Ehefrau Lucie und sein Obergärtner Jacob Heinrich Rehder einen weitaus größeren Einfluss auf die Gestaltung hatten, als bisher angenommen wurde (was angesichts von Pücklers teils jahrelangen Abwesenheiten ohnehin zu vermuten war).763 Pückler war also mitnichten der allein entscheidende Spiritus Rector des Muskauer Parks, als der er sich selbst inszeniert hat. Eine Inhaltsanalyse des Parks allein wird also aller Wahrschein­lichkeit nach kaum Erkenntnisse über seinen Sinn erbringen. Um die intendierte Funktion seines Parks zu verstehen, werden deshalb im Folgenden die Verflechtungen zwischen Pücklers Selbstinszenierung, seinem literarischen Erfolg und seiner Gartenkunst analysiert, beginnend mit der Frage nach der Genese von ­Pücklers Ruhm. Die folgenden Ausführungen setzen sich mit der Vermutung auseinander, dass Pücklers Ruhm nicht auf eine einzelne Leistung oder einen einzelnen Aspekt seines Lebens zurückzuführen ist, sondern dass Pückler sich als ein ‚Gesamtkunstwerk‘ inszeniert hat, das seine Leucht- und Faszinationskraft durch seine sich gegenseitig rechtfertigenden und steigernden Einzelbestandteile bezieht. Pücklers Erfolg als Schriftsteller beruhte zu großen Teilen auf seiner Selbstinszenierung als Person (und insbesondere als Adeliger), die Begeisterung für den

762 Jäger 1888, S. 362. 763 Vgl. Panning 2006, S. 43; Roscher 2009.

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Park war ein Resultat der Lektüre von Pücklers Büchern und der Park verstärkte wiederum die Wirkung der Figur Pückler, wie zu zeigen sein wird. Dazu werden zunächst wie in den vorigen Kapiteln das adelige Selbstbild des Fürsten, sein auf ­diesem beruhender Lebensentwurf sowie seine Strategien zur Unterstreichung, Sicherung oder Durchsetzung adeliger Privilegien und Ansprüche nachgezeichnet. Im Anschluss daran werden Pücklers Vorstellungen vom Sinn von Gartenkunst sowie die Hintergründe und Motive seiner Gartenleidenschaft betrachtet. Auf Grundlage der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse über die Ideen, Bedingungen und Interessen, die einerseits für Pücklers Selbstinszenierung als Adeliger, Schriftsteller und Gartenkünstler leitend waren und die andererseits seinen gesellschaft­lichen Erfolg und seinen Ruhm begründet haben, wird schließ­lich eine Deutungsmög­lichkeit für den Park selbst entwickelt werden. Pücklers Erziehung zwischen Aufklärung und adeliger Tradition

Hermann von Pückler-Muskau war kein souveräner Landesfürst (wie die Fürsten von Anhalt-Dessau und Sachsen-Weimar-Eisenach). Als Erbsohn eines Oberlausitzer Standesherren ist er indes mit dem Bewusstsein aufgewachsen, den kleineren deutschen Landesfürsten fast gleichrangig zu sein. Die Muskauer Standesherrschaft war zwar bis 1815 vom säch­sischen König lehnsabhängig und ihm steuer- sowie wehrpflichtig, doch g­lich sie ansonsten „mit ihrem gewiss reichhaltigen Schatz an Vorrechten und Privilegien fast einer Landesherrschaft im Miniaturformat oder war – wenn man so will – zumindest eine Art Unterlandesherrschaft“, wie Boelcke zusammenfasst.764 Im Unterschied zum Wörlitzer Park scheint in Bezug auf Pückler heute Einigkeit darüber zu herrschen, dass „Genese, Struktur und Ideengehalt“ seiner Gärten „in entscheidendem Maße von der ­sozialen Disposition ihres Schöpfers geprägt“ waren und dass sie nicht nur, aber auch der „Inszenierung der historisch-ästhetisch angelegten Vision der ständisch-patriarcha­lischen Ordnung“ dienten.765 Piepers Deutung, dass Muskau „als affirmative Ideallandschaft eine 764 Als Sachsen die Oberlausitz 1815 nach den Befreiungskriegen an Preußen abtreten musste, wurde Pücklers standesherr­liche Macht über seine Untertanen durch die 1816 auch hier angewendeten preußischen Agrarreformgesetze beschnitten. Mit der Ernennung zum Fürsten 1822 erhielt er immerhin die formale Bestätigung, zum höchsten Adel unter dem preußischen Königshaus zu gehören; neue Privilegien erhielt er jedoch nicht. Boelcke 1978, S. 19. 765 Berthy/Brey 1995a, S. 236; Jacob 1998b, S. 55.

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in der Auflösung begriffene ständische Weltordnung im Bilde festhalten“ sollte und der Muskauer Park „somit das Manifest des Lebens- und Behauptungswillens eines Aristokraten gegen die unausweich­lichen Wandlungen der Zeit“ sei, ist nicht widersprochen worden.766 Zweifelsohne folgte auch Pückler bei seiner Gartengestaltung der Tradition, mit landschaftsgärtnerischen Mitteln Dominanz zu zeigen und symbo­lisch Ordnung zu schaffen.767 Problematisch an entsprechenden Zuschreibungen ist allerdings, dass ihnen ausnahmslos eine wenig differenzierte Vorstellung von Adel und Adeligkeit zugrunde liegt. Der Erkenntnisstand der Adelsforschung, näm­lich dass Adelige im 19. Jahrhundert eine ganze Reihe verschiedener Strategien und Anpassungsformen im „permanenten Kampf des Adels um Obenbleiben“ entwickelt haben, ist für die Pücklerforschung bisher noch nicht fruchtbar gemacht worden.768 Bevor Pücklers Handeln und vor allem sein Park als Folge oder Ausdruck seiner Adeligkeit beschrieben werden können, müssen aber die Entwicklung und Konstitution von Pücklers Vorstellung von Adeligkeit und seinem adeligen Selbstbild genauer und differenzierter untersucht werden. Pückler wurde 1785 als Reichsgraf Hermann von Pückler auf Schloss ­Muskau in der Oberlausitz geboren. Seine Eltern waren Erdmann von Pückler, ein brandenbur­gischer Landadeliger, und die fünfzehnjährige Clementine von ­Pückler, geborene von Callenberg und Erbin der Standesherrschaft Muskau. Seine Großeltern mütter­licherseits waren die früh verstorbene franzö­sische ­Gräfin Olympia de la Tour du Pin und Graf Hermann von Callenberg, der sich mit seinem Klavierspiel und seinen Bildungsinteressen einen guten Ruf erworben hatte und der ein wichtiges Vorbild für seinen Enkel wurde.769 766 767 768 769

Pieper 1990, S. 62. Jacob 2007a, S. 34. Braun 1990, S. 87, ebenso S. 89 ff. Vgl. außerdem: Reif 1994, Marburg/Matzerath 2001. Hermann von Callenberg hat in Genf studiert und dabei angeb­lich Rousseau und Voltaire kennengelernt (wofür es allerdings keinen Beweis gibt). Dass seine ebenfalls überlieferte Bekanntschaft mit Winckelmann in Rom nur eine Legende ist, lässt ein Brief Winckelmanns an Stosch vermuten: „Diese Undanckbarkeit und das wenig erkennt­liche Betragen unserer Deutschen […] hat mich end­lich auf den Entschluß gebracht, mit niemanden eine Stunde zu verliehren, daher ich auch dem Säch­sischen Residenten Bianconi abschlug, einen jungen Grafen Callenberg aus Sachsen, auch nur bloß die Villa des Cardinals zu erklären und zu zeigen.“ Johann Joachim ­Winckelmann an Stosch. Rom, Februar 1765 (Winckelmann 1956, S. 80). Nach seiner Grand Tour durch Italien und Frankreich heiratete Callenberg; nach dem frühen Tod seiner Frau reiste er nach England und Schweden. Am schwedischen Hof erwarb er sich durch Übersetzungen Respekt. Er wurde Mitglied der schwedischen Gesellschaft der

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Pückler hat sich in seinem Leben oft und dabei fast immer pejorativ über seine Kindheit geäußert. Ausgehend von Pücklers Selbstbeschreibungen hat Ludmilla Assing in ihrer Pückler-Biografie 1873 das sich hartnäckig haltende Bild des hochbegabten, leidenschaft­lichen und schönen Kindes Hermann von Pückler gezeichnet, das zu bedauern sei, weil es von seinen Eltern „vernachlässigt, verwahrlost, ja sogar mißhandelt und von seiner ganzen Umgebung verkannt“ worden sei und „niemals eine Erziehung genossen“ habe.770 Wissenschaften und nach seiner Rückkehr nach Deutschland Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, als der er sich vor allem auch mit Fragen der Bildung auseinandersetzte, wie eine von ihm 1782 gestellte Preisaufgabe zeigt: „Worinnen bestehen die hauptsäch­lichsten Mängel der Erziehung des Landvolkes in der Oberlausitz, und wie können dieselben gehoben, wie kann die Erziehung, ohne Anlegung neuer kostbarer Anstalten, durch das Beispiel und das Mitwirken der Ältern, Beschäftigung der Jugend, Bemühung der Schulmeister, Theilnehmung der Pfarrer und Einfluß der Obrigkeit reformiret werden?“ (Provinzialblätter der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften 1 (1782), S. 119; zu Callenbergs Biografie Röhde 1795). Bernd-Ingo Friedrich zitiert in seiner Schrift zu Johann Andreas Tamm eine vermut­ lich von Callenberg stammende Instruktion für einen Hofmeister, die von Callenbergs Interesse an einer zeitgemäßen, d. h. aufgeklärten Erziehung zeugt. Ganz im Sinne des Philanthropismus fordert er darin, dass ein Hofmeister „des Jungen Herrn Naturel und Humeur wohl exploriren und ausforschen [soll], dahero seineß Untergeben Z ­ arteß ingenium nicht überhäuffen, absonder­lich mit Vielem außwendig Lernen maceriren und carnificiren, damit Er dem Studieren nicht feind werde, sondern mit Lust und Liebe die Studia treibe […]. Eineß Hofmeisterß oder Informatoris Vornehmste quali­ taeten bestehen aber sonder­lich darinn, daß Er gottfürchtig, Tugendhaft, gelehrt, aufrichtig, sittsam und Verständig, ein wohlerfahrner Politicus, Ein Liebhaber der Justiz und der Spraachen kundig sey. Eß soll aber ein Informator oder Hofemeister Dreyerley wohl in acht nehmen, wenn Er in seiner Information der Auferziehung seineß Jungen Herrn wohl reüssiren will. 1. Daß Er Seinem Untergebenen nicht zu hart sey, damit Er ihm nicht gehäßig und feind werde 2. Soll Er ihm auch nicht zu weich seyn, damit der Junge Herr nicht verzärtelt werde, und der Hofmeister seinen respect verliehre 3. Soll Er des Jungen Herrn Naturel und Humeur wohl exploriren und ausforschen, dahero seineß Untergeben Zarteß ingenium nicht überhäuffen, absonder­lich mit Vielem außwendig Lernen maceriren und carnificiren, damit Er dem Studieren nicht feind werde, sondern mit Lust und Liebe die Studia treibe…“ (wahrscheinl. Graf Hermann von Callenberg: Instruktion für einen Hofmeister. Staatsfilialarchiv Bautzen, Muskau 852 (zit. nach Friedrich 2006, S. 6 f.). Callenberg war zweimal zu Besuch beim Dessauer Fürstenpaar und kannte den Philanthropismus daher vermut­lich auch persön­lich (1782 und 1787. Vgl. LHASA, Abt. Dessau, Z 44 Abteilung Dessau, A12a Nr. 19: Fremdenliste von März 1770 bis September 1806). 770 Assing 1873, S. 8 und 10.

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Pückler machte meistens seinen Vater dafür verantwort­lich, den er in einem Brief an seine Mutter 1828 als „klares Beispiel, wie die Väter nicht handeln ­sollen“, beschrieb.771 Seine Mutter preist er in d ­ iesem Brief, dessen Hauptthema allerdings Pücklers Versuch war, sie von einem Treffen in England zu überzeugen. Deshalb ist frag­lich, wie glaubwürdig das Lob seiner Mutter hier ist; in Briefen an andere beschreibt er sie als oberfläch­lich und nicht an ihm interessiert.772 Interessegeleitet ist offensicht­lich auch die Schilderung seiner Kindheit in einem Brief an seine Schwester aus dem Jahr 1829, in dem es eigent­lich um eine Erbstreitigkeit zwischen den Geschwistern geht. Um seine eigene Unschuld am Ruin des Familienvermögens zu beweisen, beschreibt er den Vater als schlechten Menschen:773 Durch klein­lichen Geiz kamen wir end­lich um die Solidität unseres Vermögens, das nicht des Vaters Vermögen war, der wohl hier viel genommen, aber nie etwas hergebracht hat […]. Nie will ich mir selbst einen besseren Sohn wünschen, als das Kind Hermann war, das aus Feuer, Liebe und Geist zusammengesetzt, in der leitenden Hand eines edeln und würdigen Mannes, die Knospe alles Kräftigen, Guten und Schönen zur vollen Blüthe und Frucht hätte entfalten können. Wie diese Knospe geknickt, das Feuer erlöscht, die Liebe erkältet und der Geist erdrückt worden ist – von d ­ iesem Bilde will ich mich lieber abwenden…

Pückler verschweigt dabei, dass er selbst durch seine sorglose Schuldenmacherei während des Studiums und vor allem während seiner Zeit im Dresdner Garderegiment und später noch einmal bei seinem Versuch, die preußische Gesellschaft durch ausgesuchte Eleganz zu beeindrucken, einigen Anteil an der Verschlechterung der Vermögenslage hatte. Einen ­solchen Hintersinn haben alle überlieferten Schilderungen von Pücklers Kindheit durch ihn selbst. Regelmäßig schmeichelte er einem seiner Elternteile mit der Abwertung des anderen, um es von seinen Forderungen zu überzeugen, oder er versuchte, mit Verweis auf seine Kindheitsprägung sein lange glückloses und später unkonventionelles Leben zu rechtfertigen.774 Eine 771 Pückler an seine Mutter. Dublin, 30. August 1828 (Pückler 1874/6, S. 263). 772 „In unserer Familie hast Du großmüthig gegen Deine Kinder gehandelt, und es ist mehr, als Du glaubst, zu Deinem eigenen Vortheil ausgeschlagen, ich selbst habe großmüthig gegen meine Schwestern gehandelt, sie schlecht gegen mich, und mein Vater erbärm­lich für uns Alle.“ (ebd.). 773 Pückler an seine Schwester Clementine. Muskau, 2. März 1829 (Pückler 1875/7, S. 292). 774 So schiebt er in einem Brief an seinen Vater aus dem Jahr 1801 alle Schuld an seiner schlechten Erziehung auf seine Mutter – auch hier aus einem bestimmten Grund,

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e­ ndgültige, aus Versatzstücken früherer Beschreibungen bestehende Version seiner Kindheitsgeschichte findet sich in einem Brief an Gräfin Ida HahnHahn aus dem Jahr 1845:775 [B]etrachten Sie ein Kind, ein hübsches Kind, vom lebendigsten Geiste und der ­größten Impressionabilität im Guten wie im Schlimmen; dabei dennoch mit der Anlage zu tiefem, ja schwärmerischem Gefühl, leicht zum Enthusiasmus gesteigert, von heftiger, inniger Sinn­lichkeit, heroisch, gewaltsam, eitel, vornehm in seiner Essenz, aber offen und gutmüthig. Jetzt denken Sie sich dieses wilde, aber anmuthige kleine Wesen, als den einzigen Erben einer großen, damals fast souverainen Herrschaft, von der so viel Tausende abhingen, von aller Welt mög­lichst geschmeichelt, verführt und verdorben. Dazu einen Vater, der sich so gut als gar nicht um das Kind bekümmerte, ja dem es wegen seiner ganz und auffallend heterogenen Natur immer mehr zuwider wurde, ­ferner eine ganz junge, fast noch kindische Mutter, die den Vergnügungen der Welt sehr ergeben, mit ihrem Manne stets in Unfrieden lebte, sich im ganzen eben so wenig ihres Kindes ernst­lich annahm, als dieser, außer wenn sie, par bouffées, einmal wie mit der Puppe mit ihm spielte, ein anderesmal nach Maßstab der eben gemachten Lektüre auf den Einfall kam, es heute à la Rousseau, morgen à la Basedow, übermorgen nach einem anderen Schema zu erziehen, wobei die unglaub­lichsten Experimente vorfielen, bis man der g­ anzen Geschichte wieder überdrüßig wurde, und nun das Kind auf längere oder kürzere Zeit irgend einem Offizianten oder einem homme de confiance aus der Dienerschaft zu spezieller und unumschränkter Führung übergab. Von den schönsten und reinsten mensch­lichen Eindrücken, denen einer edlen und liebevollen Häus­lichkeit, erhielt also dies arme Kind nie den entferntesten Begriff. […] Da als es neun Jahr alt war, ward es den Eltern gar zu unbequem, und man sandte es, um es los zu sein, in die erste beste Anstalt in der Nähe, ­welches eine herrnhutische war. […] Einige Jahre später trennten sich Vater und Mutter de bon accord, und nach einem kurzen, widrigen Aufenthalt beim Vater, der nie ein Jota von der Natur seines Sohnes zu verstehen im Stande war, ward dieses empfäng­liche, heiße Kind rücksichtslos und theilnahmslos in das Eis

denn er will den Vater überzeugen, ihn nach Frankreich zu den Verwandten seiner Mutter reisen zu lassen, indem er sich ihm gegenüber als gereifter und vernünftiger Sohn und als Verbündeter gegen die Mutter präsentiert. Vgl. Pückler an seinen Vater. Leipzig, vermut­lich 1801 (Pückler 1874/4, S. 331 f.). Zur Rechtfertigung vgl. unter anderem einen Tagebucheintrag aus dem Jahr 1825 (Pückler 1876/9, S. 81), in dem es heißt: „Nur eine gute Erziehung fehlte mir, um daß alles ganz anders kam!“ oder den gleich noch ausführ­licher zitierten Brief an Gräfin Ida Hahn-Hahn vom 16. März 1845 (Pückler 1873/1, S. 328 ff.). 775 Pückler an Gräfin Ida Hahn-Hahn. Muskau, 16. März 1845 (Pückler 1873/1, S. 328 – 330).

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der Welt geworfen, wandernd von Anstalt zu Anstalt, von Hofmeister zu Hofmeister, im fünfzehnten Jahr an die Universität, im achtzehnten zu einem Garderegiment, im zwanzigsten auf Reisen, im dreißigsten im väter­lichen Besitz.

Es gibt zwei Herangehensweisen an eine s­olche Selbstrepräsentation. Sie lässt sich einerseits als authentischer Ausdruck von Pücklers eigenem Empfinden und damit als objektive Tatsache auffassen (wie es in der älteren Pücklerforschung oft getan wurde) oder andererseits als werte- und diskursgeleitete Interpretation einer Situation, die sich auch ganz anders deuten ließe. Lars Clausen und Günter J. Vaupel haben recht, wenn sie in den charakter­lichen und persön­lichen Widersprüchen in und zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern sowie dem Fehlen einer festen Bezugsperson des Kindes Pückler – dem „Komm-her-bleibweg-Verhältnis“, wie Vaupel schreibt – Gründe für eine dauerhafte „Unsicherheit und Selbstnegierung“ Pücklers sehen.776 Zweifellos gab es zahlreiche Konflikte in der Familie Pückler, nicht nur wegen der charakter­lichen Unterschiede zwischen Pücklers Eltern, deren Ehe von ihren Vätern arrangiert worden war. Der Blick auf Pücklers Kindheit muss jedoch erweitert werden, will man nicht auf der Ebene von Pücklers Selbstdeutungen und Inszenierungen b­ leiben. So beschreibt Pückler sich selbst fast durchgehend als Opfer seiner Eltern. Er deutet zwar an, dass er „vom lebendigsten Geiste und der größten Impres­ sionabilität im Guten wie im Schlimmen“ gewesen sei, wie sein Biograf Jäger zusammenfasst. Dass er aber nicht nur ein aktives und forderndes, sondern auch ein sehr schwieriges Kind gewesen ist, das „sich in muthwilligen Streichen gefiel und seinen Aufsehern und später seinen Lehrern gar viel zu schaffen machte“, kommt nicht zur Sprache.777 Jäger berichtet auch von einem Streich Pücklers: Pückler sei von seinem Lehrer Johann Andreas Tamm zur Strafe in den Schlossturm gesperrt worden. Von dort habe er eine aus Wäsche gefertigte Puppe in den Schlossteich geworfen, um seinen Selbstmord vorzutäuschen und den Lehrer sowie seine Eltern zu erschrecken.778 Jägers Erklärung, dass Pückler wegen dieser Unbändigkeit in die herrnhutische Schule nach Uhyst geschickt worden sei, scheint plausibler als Pücklers eigene, seine Eltern hätten ihn aus Eigennutz loswerden wollen. 776 Vaupel 2005, S. 44; Clausen 1981, S. 388. 777 Jäger 1843, S. 27. Jäger behauptet, sein Wissen über Pücklers Kindheit von „Männern aus verschiedenen Ständen, die mit dem Fürsten ungefähr in gleichem Alter stehen und daher wohl im Stande waren, ihn zu beobachten und mir die Wahrheit zu berichten“, zu haben, vor allem von Leopold Schefer. 778 Das und das Folgende ebd., S. 30.

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Sicher­lich entsprach das Familienleben der Pücklers nicht modernen Vorstellungen, aber diese sind auch der falsche Maßstab zur Einordnung von Pücklers Kindheit. Was Pückler als Versagen seiner Eltern beschreibt, war aller Wahrschein­lichkeit nach gang und gäbe in Adelsfamilien der Frühen Neuzeit.779 Wenn Pückler gegenüber seiner Schwester äußert, dass durch die Schuld des Vaters den Geschwistern ein glück­liches „Familienleben“ verwehrt worden sei, ­welches doch ein „früh gesammelter Schatz“ wäre, „der bis zum Grabe ausdauert, Freuden würzt und Unglück tröstet“, setzt er einen Wert als selbstverständ­ lich, der für den Adel auch im 19. Jahrhundert noch keine Allgemeingültigkeit ­hatte.780 Das „Glück eines harmonischen Familienlebens“ blieb dem von Assing bedauerten „armen Hermann“ nicht ohne Grund „völlig unbekannt“ – es ist im Wesent­lichen ein bürger­licher Wert, der zudem erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden ist und mit dem Prinzip der Konvenienzehe kaum vereinbar war.781 Obwohl Pücklers Großvater Hermann von Callenberg selbst aus Liebe und gegen den Widerstand der Familie seiner Braut geheiratet hatte, hatte er seine vierzehnjährige Tochter, die er bis dahin im Geist von Aufklärung und Empfindsamkeit erzogen hatte, aus akuter ökonomischer Bedrängnis in eine Konvenienzehe mit dem sechzehn Jahre älteren und ihr anscheinend wenig sympathischen Erdmann von Pückler gedrängt.782 Ähn­lich wie das Anhalt-­Dessauer Fürstenpaar, das die persön­lichen Differenzen und die fehlende Bindekraft von tatsäch­lich empfundener Liebe oder wenigstens Eros durch das aufgeklärte Konzept der ‚zärt­lichen Liebe‘ zu kompensieren hoffte und das er von einem Besuch 1782 persön­lich kannte, hoffte auch ­Callenberg, die von vornherein wenig Harmonie versprechende Verbindung 779 Vgl. Herrmann 2005, S. 77 ff. 780 Pückler an seine Schwester Clementine. 2. März 1829 (zit. nach: Assing 1873, S. 8). 781 Ebd., S. 7 f. Maurer schreibt dazu: „Während in älterer Zeit die Familie ganz wesent­ lich durch Pflicht definiert ist, durch das Gebot der Vermehrung der Menschheit und durch die Sicherung der Nachwuchsgeneration (bei hoher Kindersterb­lichkeit!), tritt im Laufe der Literarisierung und neuartigen Gefühlsmodellierung seit etwa 1770 an die Stelle der biolo­gischen Primärverhältnisse ein hochzivilisiertes und hochgepriesenes Ideal häus­licher Glückseligkeit, das sich in erster Linie auf die Übereinstimmung der Ehegatten und erst in zweiter auf deren Verhältnis zu den Kindern bezieht.“ (Maurer 1996, S. 535). 782 Vgl. Boelcke 1978, hier S. 119 ff. sowie einen von Vaupel abgedruckten Brief Callenbergs an Heinrich von Pückler (Erdmanns Vater), in dem er die Zwangslage zum Ausdruck bringt, die ihn zur Einwilligung in diese eigent­lich wenig gewollte Ehe gebracht hat (Vaupel 2013, S. 344).

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seiner Tochter mit Pückler durch den Verweis auf die Empfindsamkeit erträg­ licher zu machen.783 So richtete er sich bei der Verlobungsfeier mit diesen Worten an seine Tochter:784 Ein edler, guter, tugendhafter biederer Jüngling bietet Dir sein Herz und seine Hand mit warmer Liebe an, und läßt sich nicht von den Gefahren Deiner großen Jugend abschrecken. Er nimmt es auf sich, von nun an das Glück Deines Lebens zu bauen und das Seinige nur in Deinem Wohl zu finden.

Die Konvenienzehe seiner Eltern und der Versuch ihrer Umdeutung durch seinen Großvater enthält offenbar ein Kernmotiv von Pücklers Sozialisierung, das den enormen Selbsterklärungs-, Selbstrechtfertigungs- und Selbstinszenierungsdrang verständ­lich machen kann, der in Pücklers gesamtem Leben zu beobachten ist: Pückler ist nicht nur das Kind zweier charakter­lich sehr unterschied­licher Eltern, sondern er ist in einem Umfeld aufgewachsen, in dem das traditionelle adelige und das neue bürger­liche Wertesystem miteinander konkurrierten und oft genug auch in Konflikt gerieten.785 Die Beobachtungen der letzten beiden Kapitel lassen vermuten, dass eine zumindest partielle und wenigstens oberfläch­liche Adaption bürger­licher Werte durch Hochadelige weit verbreitet gewesen sein könnte, wie etwa von einer bestimmten Auffassung von Individualität (Mensch- bzw. Selbstsein), einem empfindungsgeleiteten Weltzugang und Weltumgang oder der Wertschätzung von Arbeit und Gemeinwohl.786 Auch bei Hermann von Callenberg lässt sich eine Übernahme bürger­licher Werte beobachten; in der Notsituation traf er aber dennoch eine traditionelle adelige Entscheidung und verheiratete seine vierzehnjährige Tochter ohne Rücksicht auf ihre Bedürfnisse oder Gefühle. Ebenso inkonsequent handelte diese dann später selbst, als sie sich vornahm, ihren Sohn nach den modernsten Ideen zu erziehen und ihn dann doch aus Ungeduld oder Unlust immer wieder für längere Zeiten den Dienern überließ. Bemerkenswert ist indes, dass sie ihren Sohn überhaupt nach aktuellen Methoden zu erziehen versucht hat. Es muss verwundern, dass die als leichtfertig, flatter­haft und vergnügungssüchtig beschriebene, noch nicht einmal volljährige Gräfin Bücher von Rousseau, Basedow und anderen Erziehungstheoretikern gelesen 783 Vgl. Kap. 2.3., Abschnitt: „Einigkeit und Ruhe“. 784 Zit. nach ebd., S. 124. 785 Vgl. für Überlegungen zum Verhältnis adeliger und bürger­licher Werte Frie 2005, S.  411 ff. 786 Vgl. ebd. und Maurer 1996, Kap. V und VI.

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hat, wie Pückler nicht nur an Ida Hahn-Hahn berichtet hat.787 Man möchte gern wissen, ­welche „unglaub­lichsten Experimente“ sie dann mit ihrem Sohn unternommen hat – dass es ­solche gab, lässt aber in jedem Fall annehmen, dass sie sich nicht nur aus Überdruss oder Faulheit immer wieder von der Erziehung ihres Sohnes abgewendet hat. Weit näher liegt die Vermutung, dass die junge, unreife und wenig systematisch gebildete Gräfin sch­licht überfordert war bei dem Versuch, aus den vielen verschiedenen und nur selten in der P ­ raxis erprobten Ideen der zeitgenös­sischen Erziehungstheoretiker einen funktionierenden Erziehungsplan für ihren Sohn zu entwickeln. Zudem ist vorstellbar, dass sie (wie Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach) mit der Unbändigkeit und überbordenden Energie ihres Sohnes nicht zurechtkam.788 Nicht zuletzt hat sicher die Ehrerbietung, die Pückler als künftigem Erben der Standesherrschaft von allen Seiten schon von frühester Kindheit entgegengebracht wurde, eine Erziehung zu einem bescheidenen und höf­lichen Menschen behindert. Seine Mutter hatte selbst zu viel Adelsstolz, um dem entgegenzuwirken; sein Vater hielt sich, wie es im Adel üb­lich war, aus der Erziehung des Sohnes größtenteils heraus. Allerdings wird er einigen Anteil an den Entscheidungen für Pücklers Bildungsweg gehabt haben, der, zumindest von außen betrachtet, Pücklers Vorwurf entkräftet, seine Eltern hätten ihm eine gute Erziehung vorenthalten. So war schon der 1790 als Hofmeister berufene Tamm ein gebildeter, frei denkender und leidenschaft­licher Lehrer, der sich völlig der Aufklärung verschrieben hatte.789 Die Erziehungskonzepte der Schulen, an die Pückler geschickt wurde, hatten 20 oder 30 Jahre früher zur pädago­gischen Avantgarde gehört. Obwohl sich ihr Ruf seitdem verschlechtert hatte, zeugen sie davon, dass ­Pücklers Eltern bemüht waren, ihn zu einem aufgeklärten und ‚guten‘ Menschen zu machen und ihn darauf vorzubereiten, seine künftige Rolle als Standesherr nach Maßstäben auszufüllen, die aktuell als vernünftig und richtig angesehen wurden. Pückler besuchte das von den Herrnhuter Pietisten betriebene Adelspädagogium in Uhyst, danach das Pädagogium der Franckeschen Stiftungen in Halle (bis zu seiner durch ein respektloses Spottgedicht auf die Ehefrau des Direktors 787 Vgl. den oben zitierten Brief von Pückler an Gräfin Ida Hahn-Hahn. Muskau, 16. März 1845 (Pückler 1873/1, S. 328 f.). 788 Vgl. Kap. 3.1. 789 Vgl. Friedrich 2006. Tamm hat unter anderem 1792 einen Aufsatz Noch Etwas über Leibeigenschaft, Erbuntertänigkeit und Laßgüter in der Lausitz veröffent­licht, während er noch im Dienst des bis weit ins 19. Jahrhundert an der Erbuntertänigkeit festhaltenden Pücklers stand (abgedruckt bei Vaupel 2005, S. 45 ff.).

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provozierten Exmatrikulation) und schließ­lich für ein Jahr die Dessauer Stadtschule (in ihr sahen die Muskauer wahrschein­lich die Nachfolgeeinrichtung des 1797 endgültig aufgelösten Philanthropins, von dem die Dessauer Schulordnung in der Tat geprägt war).790 Sowohl der in Uhyst und Halle verfolgte pietistische als auch der Dessauer philanthropistische Erziehungsansatz setzten zumindest der Theorie nach beim Individuum an und legten einen deut­lichen Schwerpunkt auf ­Praxiswissen, Nütz­lichkeit und Ökonomie 791 – offenbar hatte Pücklers Familie begriffen, dass eine Professionalisierung der Verwaltung ihrer Standesherrschaft notwendig war, um diese vor dem drohenden Ruin zu retten. Dafür spricht auch, dass ­Pückler von seinem Vater zu einem Jurastudium in Leipzig gedrängt wurde, das er allerdings – wie zuvor die Ausbildung in Halle und Dessau – abgebrochen hat. Es ist festzuhalten, dass Pücklers Eltern sich offenbar aus persön­lichem Inte­ resse und/oder wirtschaft­lichem Zwang bestimmte bürger­liche Werte wie die der Notwendigkeit einer gründ­lichen Fachbildung zu eigen gemacht haben. ­Pückler hat sie jedoch offenkundig nicht verinner­licht, wie sein weiterer Lebenslauf zeigt. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass es seinen Eltern an Willen oder Autorität fehlte, ihrem Sohn die zur Verwirk­lichung dieser Werte notwendige Disziplin und bürger­liche Vernunft zu vermitteln. Konterkariert wurde ihr Versuch, bestimmte bürger­liche Werte zu adaptieren und ihren Kindern anzuerziehen, außerdem durch die anscheinend auch im Hause Callenberg-­ Pückler ungebrochene Gültigkeit des traditionellen adeligen Lebensideals. Gutes Aussehen, ein elegantes Auftreten, Repräsentation und Gesellschaftsfähigkeit bezeichnet Pückler schon als Achtzehnjähriger als Lebensideal, weil es ihm 790 Vgl. insgesamt zu Pücklers Bildungsweg Vaupel 2005, S. 54 ff. Zum Dessauer Bildungskonzept vgl. Schöler 1957, Kap. V: Zur praktischen Durchführung der Schulreform von 1785 im Fürstentum Dessau. Zur Geschichte des Philanthropins vgl. hier Fn. 167 und 343. 791 Vgl. Blankertz 1992, S. 50 ff.; Plake 1991, S. 64 ff. sowie Maurer 1996, S. 165 f.: „Pietismus und Aufklärung sind in erster Linie mora­lisch: Sie wollen zum guten Leben anleiten, und zwar: den einzelnen, der aber, als mündig Gewordener, seine Gemeinschaft, die Gesellschaft, die Menschheit verbessern will. […] Pietismus wie Aufklärung stellen das Leben in den Mittelpunkt und reduzieren die Lehre. Der Mensch wird zum Maß aller Dinge – wenn auch in der Aufklärung anders als im Pietismus. Wie der Pietist seine persön­liche Erfahrung des Heils sucht, seine individuelle Wiedergeburt, sucht der Aufklärer die Vernunft in der Betätigung seiner individuellen Vernunftfähigkeit. […] Pietismus wie Aufklärung sind Erscheinungen des ‚pädago­gischen Jahrhunderts‘. Die von beiden Seiten angestrebte Erneuerung wird mög­lich nur als Umkehr des einzelnen, als Vervollkommnung, als Bildung.“

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wahrschein­lich zu Hause wie von seinen Schulkameraden vorgelebt worden ist. Arbeit, Wirtschaft­lichkeit, Sparsamkeit und eine fundierte breite Bildung sind für Pückler dagegen nie oder erst spät zu erstrebenswerten Tugenden geworden. Es ist nicht zu erkennen, dass Pücklers Eltern an sich selbst einen Anspruch der Selbstvervollkommnung gestellt hätten, wie er als Leitgedanke hinter den Werten stand, die sein dezidiert als Aufklärer auftretender Lehrer Tamm sowie seine pietistischen und philanthropistischen Schulen vertraten. Am deut­lichsten manifestiert sich das Scheitern des Versuchs einer vermischten adeligen und bürger­lichen Erziehung in Pücklers freiwilliger Exmatri­ kulation von der Leipziger Universität und seinem Eintritt in das Dresdener Garderegiment im Jahr 1803. Bis zum Jahr 1805 verschuldete er sich in Dresden bis zur Handlungsunfähigkeit bei dem Versuch, mit seinen Standesgenossen im Auftritt und bei gesellschaft­lichen Vergnügungen (vor allem beim Spielen) mitzuhalten oder sie sogar zu übertreffen.792 Seine Rückkehr nach Muskau ging jedoch nicht mit der Einsicht einher, dass die Konsolidierung der Finanzen der Standesherrschaft notwendig war, denn das hätte von ihm Arbeit und praktische Vernunft erfordert. Stattdessen beharrte er auf einer traditionellen adeligen Lebensgestaltung und begab sich 1806 gegen den Willen des Vaters auf eine insgesamt vier Jahre dauernde Reise.793 Pücklers adeliger Lebensentwurf

Diese Jugendreise führte zu einer anderen (zeitweisen) Form der Verbürger­ lichung Pücklers als die, die seine Eltern für ihn vorgesehen hatten. Während sich Pückler weigerte, wie ein Bürger­licher zu lernen und zu arbeiten, nahm er es gern hin, eine Zeit lang wie ein Bürger­licher zu reisen. Da sein Vater seinen Unterhalt gekürzt hatte, war Pückler oft gezwungen, inkognito und mit öffent­ lichen Kutschen oder sogar zu Fuß zu reisen; als die Unterhaltszahlung sich einmal verspätete, verbrachte er den Winter als Sekretär Hermann in einem schlechten Dachzimmerchen in Ulm. Den Bürger­lichen zu spielen, fiel ihm dabei leicht, weil er schon als Kind viele Begegnungen mit der bürger­lichen Lebenswelt gehabt hatte, sowohl in Muskau, wo er mit Leopold Schefer befreundet war, als auch in den nicht exklusiv adeligen Schulen in Halle und Dessau. Dass er deswegen, wie in 792 Vgl. Vaupel 2008, S. 706. 793 Vgl. hierzu insgesamt Vaupel 2013. Vaupel sieht in dieser Entwicklung Pücklers jedoch eine Entfernung von adeligen Lebensmustern und eine schon frühe ‚Konzentration auf sein Ich‘ (S. 352 f.), die ja dann später den Exzentriker Pückler ausmache.

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mehreren älteren Pücklerstudien aufgrund einiger tendenziöser Äußerungen Pücklers angenommen wird, eine liberale oder s­ oziale Haltung entwickelt habe, ist längst als Missverständnis und als Inszenierung erkannt worden.794 Pücklers Flucht von der Universität ins Dresdner Garderegiment, die Schuldenmacherei, um mithalten zu können, die zwar schnell allen adeligen Komfort verlierende, von der Route her jedoch ins Muster der Grand Tour einzuordnende, in der Wiener Duell-Episode charakteristisch adelige Jugendreise zeigen schon früh, dass Pückler für einen traditionellen adeligen Lebensentwurf optiert hat. Als er 1811 die Standesherrschaft von seinem Vater erbte, beschäftigte Pückler, der später oft über die angeb­lich so schlechte Verwaltung seines Vaters geklagt hat, sich nicht etwa damit, wie er die Herrschaft produktiver und gewinnbringender machen könnte, sondern er plante (laut Schefer noch am Todestag ­seines Vaters) die Anlage eines kostspieligen repräsentativen Landschaftsgartens.795 Nur wenig später ließ er, in die Rolle des Mäzens schlüpfend, Schefers Gedichte drucken.796 Die Reden, die er bei seiner feier­lichen Übernahme der Standesherrschaft an die Muskauer Bürgerschaft hielt, zeigen, dass ihm die Forderungen nach einer aufgeklärten Herrschaft durchaus bewusst waren. Er proklamierte, „Menschenwohl […] befördern“ und „Menschen erziehen“ zu wollen, womit er sich in die Tradition der an der Aufklärung orientierten, Kultur, Wirtschaft und Gemeinwohl fördernden kleineren Fürsten des 18. Jahrhundert stellte, zu denen unter anderem Leopold Friedrich Franz gehörte, dessen Wirken er 1798 in Dessau ein Jahr lang persön­lich miterleben konnte.797 794 Dabei bezog man sich vor allem auf Pücklers Äußerung in den Andeutungen über die „Freiheit der Bäume, nach der wir uns ebenfalls so sehr sehnen“ (Pückler 1834a, S. 148). Daraus schließt Rippl etwas vorschnell (obwohl auch er die aristokratische Motivation Pücklers sieht): „Allen Bäumen das gleiche Recht in individueller Entfaltung einzuräumen, ist ein demokratischer Ausdruck.“ Dagegen lässt sich einwenden, dass bei Pückler auch zu lesen ist, dass jeder Pflanze „etwas Luft und Licht […] gewährt werden muß“, aber nur „so weit […], als zur Gesundheit, Fülle und Dichtigkeit aller nötig ist“. Pückler fordert also weder Wohlstand noch Gleichheit für alle – die von Pückler genannten Bedingungen können ebenso als symbo­lisch auf eine materiell wie in Hinblick auf Privilegien hierarchisierte Gesellschaft verstanden werden (Rippl 1995b, S. 29). Vgl. dagegen Jacob 2007a, S. 33 f.; Jacob 1998b S. 57 ff.; Rippmann 1995, S. 165 ff. und 175. 795 Vgl. Schefer 1849, S. 88. 796 Ohne Nennung von Schefers Namen, aber Angabe seiner Herausgeberschaft: Gedichte. Hg. vom Grafen Pückler-Muskau (Schefer 1811). Vgl. Clausen/Clausen 1985/2, S. 377. 797 Assing 1873, S. 127 ff.

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Eingelöst hat Pückler diesen Anspruch indes nicht, ebenso wenig wie den, der aus seiner Kritik am lieblosen Familienleben resultierte. Seine 1817 geschlossene Ehe mit Lucie von Pappenheim basierte zwar auf Sympathie und Anhäng­lichkeit, war aber dennoch eine ohne Liebe oder Begehren geschlossene Konvenienzehe, die er mit Blick auf Lucies Vermögen und in der Hoffnung auf die Steigerung seines Prestiges eingegangen war, da Lucie die Tochter des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg war. Von ihm erwartete Pückler, dass er ihn in die bessere Gesellschaft einführen und ihm eine standesgemäße und interessante Stelle als Gesandter verschaffen könne.798 Zentral für Pücklers adelige Identität ist seine Fixierung auf die Verinner­ lichung eines adeligen Habitus, die schon in seiner Jugend zu beobachten ist. So warf er seinem Vater in einem in der Studienzeit geschriebenen Brief vor, dass er es ihm nicht ermög­licht habe, „den leichten, gefälligen Takt, die Konver­ sation, angenehme Gewandtheit des Körpers und eine gewisse unumgäng­liche nothwendige Dreistigkeit in Gesellschaft, (die ich, obgleich es zuweilen so schien, wahr­lich nicht besitze), mit einem Wort, den guten Ton im ganzen Umfang des Wortes“ zu lernen, weshalb er ihn nun zu seinem Onkel nach Frankreich ­schicken solle, in dem er ein adeliges Rollenvorbild zu finden hoffte.799 Sein Vater wünschte sich aber anscheinend weiterhin einen pragmatischen Verwalter und keinen glänzenden Höfling zum Erben der Standesherrschaft Muskau und verweigerte ihm seinen Wunsch.

798 Pückler war schon früh dazu bereit, eine Konvenienzehe einzugehen. Vgl. dazu seinen Brief an Wolff. Bern, 8. Juli 1808 (Pückler 1874/4, S. 401). Vgl. zu ­diesem Thema auch Berthy/Brey 1999b, S. 30 ff. Am Ende seines Lebens, 1866, bat Pückler den preußischen König zudem angeb­lich darum, mit in den Krieg ziehen zu dürfen, um vielleicht ganz traditionell den „Tod auf dem Schlachtfelde“ zu finden (Ehrhard 1935, S. 382 f.). 799 Er versuchte, dem Vater zu erklären, warum der Besuch der Universität bis dahin so fruchtlos gewesen ist, und wollte ihn damit von seiner geplanten Frankreichreise überzeugen: „Ein Jahr ist es nun, daß ich in Leipzig bin; ich habe wenig gelernt, ­Sprachen ausgenommen, und viel Geld verthan. Der Grund davon ist ein unaufhör­ liches Schwanken meines Karakters, das Unbestimmheit in meinen Handlungen hervorbringt; dies Schwanken aber kommt davon her, daß ich fühle nicht das zu sein, was ich zu sein wünschte. Um es zu werden, ahme ich fast unwillkür­lich Jedem nach, der ein Mann von Welt zu sein scheint, und es ist natür­lich, daß ich über dieses Bestreben oft in Thorheiten verfalle, und andere Sachen darüber vernachlässige, ohne je zur Gewißheit zu kommen. Alle Tage finde ich mir in Vergleichung mit Anderen tausend Kleinigkeiten feiner Lebensart fehlen, deren Mangel mich in Verzweiflung bringen möchte, und die ich von mir selbst nicht lernen kann.“ Pückler an den Vater. Leipzig 1803 (Pückler 1874/4, S. 336 f.).

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Dennoch hielt Pückler an d ­ iesem Ideal fest. Der Stolz auf die mittlerweile erworbenen feinen Manieren, auf sein Konversationstalent, seinen Witz und hervorragenden Geschmack in Kleidung, Pferden und Speisen ist ein immer wiederkehrendes Motiv in den Briefen an seine Frau Lucie. Minutiös referiert er darin über seine Kleidung, Einrichtungsgegenstände sowie über geplante Anschaffungen. Der Kenntnis des aktuellen ‚Zeremoniells‘ sprach er große Bedeutung zu, wie ein Brief an Lucie aus dem Jahr 1823 zeigt, der von einem Essen beim Herzog von Cumberland in Berlin berichtet:800 Als ich neu­lich beim Herzog aß, habe ich genau auf das Service Acht gegeben, und auch hier gesehen, was ich schon in England mich gesehen zu haben erinnere, daß näm­lich bei kleiner Gesellschaft die Bedienten auch bei Tisch in ihren Morgenjacken serviren (und nicht in Gamaschen). Das wird unsere Livreen sehr schonen, wenn wir es einführen. Die Jäger ohne Seitengewehr und Epauletten. Während des Essens werden bei jeder sauren oder süßen Schüssel, anstatt Silber, porzellainene Teller herumgegeben, (und auch die Schüssel ist natür­lich von Porzellain) wenn sie auch unmittelbar nach der Suppe kömmt, worauf der Dirigirende ein wachsames Auge haben muß. Mit dem Wein ist die franzö­sische Mode angenommen, nach der Suppe Madeira oder Xeres in Gläsern herumzupräsentiren, während des Essens Rheinwein oder Burgunder, zum Braten Champagner. Hiebei muß beobachtet werden, daß der trockene Wein in Gläsern auf dem Brett präsentirt wird, der Champagner aber, wenn er mousseux ist, erst vom Kammerdiener eingeschenkt wird, nachdem er angeboten und angenommen ist, damit er nicht verfliegt, wie es bei uns auch geschieht. Bei größeren Diners bin ich Deiner Meinung, daß es besser ist, so zu serviren wie vorigen Sommer. Halte nur recht genau auf reine Gläser und schön geputztes Silber. Daß wir übrigens zwei Kammerdiener behalten ist für die Schick­lichkeit des Hauses sehr gut, da in der That es ohne sie sowohl beim Präsentiren des Kaffees, als bei Tisch, wo doch nothwendig einer für die Speisen, und einer für den Wein sein muß, gar nicht dezent aussehen kann.

‚Dezent auszusehen‘ erschien Pückler wichtig, und deshalb färbte er sich die Haare und machte sich über die ungelungene Kleidung seiner ihm ansonsten sehr behagenden bürger­lichen Gastgeberin lustig.801 800 Pückler an Lucie. Berlin, 30. Mai 1823 (Pückler 1874/5, S. 410 f.) Vgl. dazu Gruenter 1983, S. 124 ff. 801 „Nun sind end­lich nach vielen Leiden die vermaledeiten Haare wieder jugend­lich schwarz, und der alte Lou erscheint als junger Elegant im Publiko.“ Pückler an Lucie. Berlin, 26. März 1823 (Pückler 1874/5, S. 408). Über unpassende Kleidung macht sich Pückler hier lustig: Pückler an Lucie. Berlin, 6. Dezember 1823 (Pückler 1874/5, S. 427).

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Stil und Habitus waren und sind zentrale Distinktionsmittel nicht nur für den Adel. Spezifisch adelig war lange Zeit eine demonstrativ zur Schau gestellte Furchtlosigkeit und Körperbeherrschung, wie Angelika Linke nachzeichnet.802 Beides bewies Pückler durch seine Passion für Pferderennen, seine weit bekannte Ballonfahrt 1816, indem er Gesangsunterricht nahm, um sich in kleinen Gesellschaften produzieren zu können, und nicht zuletzt durch D ­ uelle.803 Im Duell, also „dem Recht, sich umzubringen“, sieht Michael Sikora dabei „ein besonders symbolträchtiges Reservat der Autonomie“ des Adels.804 Selbst Pücklers exzentrische Auftritte lassen sich als bewusste Regelverstöße und somit als typisch für den adeligen Horizont verstehen, denn „nur derjenige, der von Geburt zum Adel gehörte und über die notwendige Sicherheit des Auftretens verfügte,“ konnte sich „­solche kalkulierten Regelverstöße leisten […], und damit das ganze mühsame, zum Teil nach Handbüchern erlernte, vornehme Benehmen des Parvenü ad absurdum“ führen.805 Dass er kein Parvenü war, sondern dieses Verhalten seiner Natur als Adeliger entsprach, ließ er sich in Paris von dem Phrenologen Franz Joseph Gall bestätigen, der ihm bescheinigte, dass ihm „das Organ der Sach­lichkeit“ fehle.806 Sowohl Phrenologie als auch die für Pückler offenbar sehr interessante Physio­ gnomik schienen zu beweisen, „dass das Äußere, der Gesichtsausdruck und die körper­liche Haltung, auf deren Kultivierung der Adel seit der Renaissance besonderen Wert gelegt hatte, ein Ausdruck des wirk­lichen Charakters war“.807 Einen weiteren Beweis für seine durch Geburt erworbene, nicht mehr als selbstverständ­lich angesehene herausragende Stellung versuchte er durch die Auszeichnung mit Orden zu erhalten.808 In einem Brief an Lucie ist zwar ­einerseits 802 Vgl. Linke 2004, S. 247 – 268. 803 Zum Gesangsunterricht vgl. einen Brief an Lucie aus dem Jahr 1820: „Heute fange ich meine Singstunden an beim Kapellmeister der Fürstin Partanna, der mich versichert hat, daß meine Stimme sehr gut sei, und nur der Ausbildung bedürfe, und ich mit Fleiß binnen 6 Monaten vollständig singen können solle. Ich werde sehr fleißig sein; denn ein s­ olches gesellschaft­liches Talent fehlt mir gerade.“ Pückler an Lucie. Berlin, 2. Februar 1820 (Pückler 1874/5, S. 271). Zur Ballonfahrt vgl. Kontrakt des Luftschiffers Reichard mit Pückler vom 1. Oktober 1816 (Pückler 1874/5, S. 466) sowie Anonym 1816b, S. 224. 804 Sikora 2009, S. 139. 805 Asch 2008, S. 9. 806 Vgl. Pückler 1831/4, S. 79 ff. und Assing 1874, S. 301. 807 Asch 2008, S. 279. Vgl. Rippmann 1994. 808 Vgl. beispielsweise seine Bemühungen, einen Orden vom Weimarer Herzog zu bekommen: „Wenn es die Gelegenheit erlaubt, so bitte ich Dich, mich den hohen Herrschaften

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seine Einsicht zu lesen, dass „Titel, Orden, Luxus“ nur „Klein­lichkeiten“ seien, andererseits aber auch seine Überzeugung, dass diese „alles regieren, alles repräsentiren und folg­lich eine fürchter­liche, eine unwidersteh­liche Macht ausüben“ (vgl. Abb. 33).809 Es wäre angesichts der Quellen leicht, Pückler als egoistisch und eitel zu charak­terisieren, doch das würde die gesellschaft­liche Dimension von Pücklers so dezidiert adeligem Lebensentwurf verkennen.810 Pückler ist trotz aller bürger­ lichen Erziehungsversuche seiner Eltern in dem Bewusstsein aufgewachsen, als geborener Standesherr ein Anrecht auf Privilegien, Wohlstand, Ansehen und gesellschaft­lichen Einfluss zu haben, und er glaubte offenbar, dafür nur das Beherrschen des adeligen Habitus als Gegenleistung erbringen zu müssen. Bis Ende der 1820er-Jahre blieb er damit jedoch gesellschaft­lich erfolglos, d. h. er erhielt weder eine Anstellung noch Anerkennung von seinen Standesgenossen. Pückler selbst schob das oft darauf, dass er 1815 mit dem Fall der Lausitz an Preußen preußischer Staatsbürger geworden sei.811 Aber: Adeliges Auftreten hatte zwar im ‚glänzenden‘ Sachsen einen größeren Stellenwert als in Preußen. Allerdings bedurfte es auch in Sachsen mittlerweile für eine politische Karriere als Gesandter, wie Pückler sie anstrebte, eines abgeschlossenen Studiums.812 Noch deut­licher unterschieden sich Pücklers Vorstellungen der für den Staatsdienst notwendigen Qualifikationen von denen der preußischen Regierung, von der Pückler deshalb nicht angestellt wurde.813

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zu Füßen zu legen. Ich höre, der Herzog hat seinen Kriegern eine Medaille gegeben. Ich hoffe, er wird mir auch eine ­schicken, da ich auch zu seinen Kriegern zu gehören die Ehre gehabt habe, und ihm wahr­lich nicht am wenigsten ergeben gewesen bin.“ Pückler an Graf Spiegel von Pickelsheim in Weimar. Muskau, 1. Januar 1816 (­Pückler 1874/5, S. 461); ebenso: Bemühungen um einen schwedischen Orden: Pückler an Lucie. Berlin, 20. April 1819 (ebd., S. 249), und um einen säch­sischen Militärorden: Pückler an Lucie. Glienicke, 30. Juni 1822 (ebd., S. 339). Pückler an Lucie. Muskau, 12. Mai 1832 (Pückler 1875/7, S. 232). Wie auch Jacob anmerkt (Jacob 1998b S. 56): „Bei aller Originalität war Pückler doch ein Kind dieser Verhältnisse und kolportierte in vielfacher Hinsicht konventionelle Rollenmuster. Unangefochten vom fortschreitenden Legitimationsverlust, gefiel er sich in der Pose des repräsentierenden und hofhaltenden Aristokraten.“ So schrieb Pückler etwa 1834 in einem Brief über sein ‚Preußischwerden‘: „Verzeihen Sie, verehrtester Freund, die lange Expektoration, die Galle läuft einem manchmal über, wenn man soviel verloren und so wenig gewonnen hat als ich…“ Pückler an Rother. Muskau, 26. Januar 1834 (Pückler 1875/8, S. 365 f.). Vgl. Matzerath 1996, S. 33 f. Vgl. zu d ­ iesem Thema (u. a.) Press 1988; Reif 2012, S. 15 ff. Später erkannte P ­ ückler seinen Irrtum, und weil er die Verantwortung, aber vor allem auch die damit

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Pückler wollte lange nicht wahrhaben, dass Habitus und Konversations­ geschick allein zunehmend weniger für eine Karriere genügten. So heißt es in einem Brief aus dem Jahr 1803 an seinen ihn zu mehr Studienfleiß drängenden Vater:814 Ich werde nie im Stande sein mich den ernsthaften Wissenschaften mit Festigkeit und so zu widmen, wie man es thun muß, um darin zu reussiren, ohne vorher von mir überzeugt zu sein, den Ton der guten Gesellschaft völlig in meiner Gewalt zu haben. Es kann dies bei hundert Anderen der Fall nicht sein, ich fühle es aber deut­lich, und bin zugleich überzeugt, daß man mit dieser Eigenschaft eher durch die Welt kommt, als mit aller Gelehrsamkeit, und ohne dieselbe überall anstößt, besonders ein Gesandter!! dem aber auch Kenntnisse nicht fehlen dürfen.

Es lässt sich hier die weitere Ausprägung einer Tendenz beobachten, die schon beim Weimarer Herzog zu bemerken war: die zunehmende Dissoziation fürst­ licher Identitätsbildung von der eigent­lichen Regierungsverantwortung. Es scheint dies eine Reaktion auf das Erstarken bürger­licher Werte, insbesondere des bürger­lichen Leistungsethos zu sein, denn sowohl Pückler als auch Carl August verwiesen darauf, bürger­lichen Vorstellungen gerecht zu werden (wie: ein Mensch zu sein oder zum N ­ utzen anderer zu wirken), um ihre Stellung zu legitimieren. Zugleich zogen sie sich jedoch auf spezifisch adelige Betätigungsfelder zurück wie das Engagement im Militär oder eben die Gartenkunst. Beides waren Bereiche, in denen sie keine bürger­liche Konkurrenz zu befürchten hatten, da die oberen Ränge im Militär dem Adel vorbehalten waren und es für die Anlage eines Parks mehr Grundbesitzes bedurfte, als ihn die meisten Bürger­lichen in Deutschland einhergehenden Verpflichtungen scheute, lehnte er das Angebot ab, in die Pauls­kirche entsendet zu werden. Auch auf das Angebot des preußischen Königs Wilhelm I., ins Herrenhaus aufgenommen zu werden, reagierte Pückler 1863 eher abwehrend: „Die Befehle meines Königl. Herrn sind mir heilig, weil es meine Religion ist, den König stets als einen von Gott gesandten Herrn anzusehen, aber mit etwas schwerer Besorgniß werde ich einem Beruf gehorchen, für den ich mich um so mehr unpassend fühle als ich, aufrichtig gestanden, das ganze modernere Constitutionswesen, seit ich gesehen wie es nur dies Üble befördernd u. für das Gute hindernd wirkt, keineswegs mit Sympathie bedachte, besonders in Preußen das ich unter absoluten, aber in der Hauptsache stets humanen und gerechten, ihr Volk liebenden Fürsten soviel beruhigter u. glück­licher gekannt!“ Pückler an den preußischen König. 1863 (Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek KCD29/135/ V146/Scans 147 – 151, hier Scan 150 f.). 814 Pückler an den Vater. Leipzig 1803 (Pückler 1874/4, S. 337).

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erwerben konnten. In Verwaltung und Bürokratie mussten sie sich dagegen mit Bürger­lichen messen, die ihnen darin aufgrund ihres anerzogenen Arbeitsethos und ihrer gründ­licheren Ausbildung weit überlegen waren. Während sich Carl August aber um den Anschein einer bürger­lichen Lebensführung bemühte, versuchte Pückler, an den höfisch-adeligen Lebensentwurf anzuschließen. Auf eigent­liches Regieren verzichtete er fast völlig; die Aufgaben, die mit der Bewirtschaftung eines so großen Besitzes wie der Muskauer Standesherrschaft einhergingen, überließ er ebenso wie die Verantwortung für seine Untertanen in den allermeisten Fällen Angestellten.815 Seine Bemühungen um einen Gesandtschaftsposten lassen sich ebenso wie Carl Augusts Eintritt in die preußische Armee als versuchte Flucht des Alleinerben der Muskauer Standesherrschaft vor den Pflichten und der damit verbundenen Verantwortung deuten. Vor ­diesem Hintergrund scheint es folgerichtig, dass der ihm 1822 verliehene Fürstentitel sich nur auf ihn persön­lich und nicht auf die Standesherrschaft bezog. Allerdings war, wie Pückler selbst schnell bemerkte, ein bloßer „Titularfürst“ in den Augen der preußischen Gesellschaft wenig wert.816 Pücklers fehlendes Verständnis für die mittlerweile geltenden Werte drückt sich nirgends so deut­lich aus wie in seinen Berichten vom Aachener Kongress 1818, zu dem er in der Hoffnung gereist war, sich einen Gesandtenposten oder immerhin einen Orden zu erwerben. In einem Brief an Lucie klagte er, „wie ennüyant dieser Kongreß“ sei: „Für das Theater ist nichts gethan worden, und es ist noch immer so elend als mög­lich. Die Redoute kann man gar nicht besuchen, 815 Schon die sehr häufigen und langen Abwesenheiten Pücklers lassen vermuten, dass er sich für die mit der Stellung eines Standesherren einhergehenden nicht repräsenta­tiven Verpflichtungen wenig interessierte. Bestätigt wird das durch das immer wieder neu angeworbene qualifizierte Personal, das für ihn nicht nur die Verwaltung, ­sondern auch die Aufgabe übernehmen sollte, die Herrschaft produktiver zu machen, um seine Einkünfte zu erhöhen. Geld brauchte er jedoch nicht für Investitionen in die Herrschaft, sondern für repräsentativen Aufwand, d. h. für Kleidung, Möbel, Geschirr, Kutschen, Pferde und nicht zuletzt die Anlage seines Parks (vgl. Clausen/Clausen 1985/2, S. 383 ff.; Boelcke 1978, S. 171). 816 „Ich bleibe also, da Lynar österreichischer Fürst ist, der einzige preußische Titularfürst, und auch Titularstandesherr, da die Rechte, die ich als Standesherr in meiner Provinz hatte, mir als Mitglied der Provinz Schlesien genommen sind. Eine sehr angenehme Stellung, die Wittgenstein sehr amüsiren wird, und alle unsere Freunde in Berlin. […] Es ist allerdings eine kleine Perfidie Deines Vaters gewesen, sowohl den Titel Durchlaucht, als die Benennung Muskau’s als Fürstenthum ausdrück­lich im Patent wegzulassen…“ Pückler an Lucie. Muskau, 26. Januar 1825 (Pückler 1874/6, S. 260).

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da nichts wie Plebs und Schlimmeres sich daselbst einfindet, und Gesellschaft existirt nicht.“ 817 Über Alexander von Humboldt, der sich zur Beförderung seiner Karriere als Adjutant verpflichtet hatte, machte sich Pückler wegen der damit einhergehenden mühseligen Pflichten lustig. Als Hardenberg ihm später eine niedere Anstellung bei einem anderen Gesandten anbot, lehnte er diese ab, weil sie nicht mit ‚seiner Stellung in der Welt‘ vereinbar sei – was sein Schwieger­ vater, der preußische Staatskanzler Hardenberg, tadelte.818 Der Misserfolg von Pücklers traditioneller adeliger Arrivierungsstrategie

Obwohl Pückler sich bemühte, den traditionellen adeligen Habitus zu erlernen, wurde er von der adeligen Gesellschaft in Preußen und vor allem von seinem Schwiegervater Hardenberg lange gleichgültig bis geringschätzig behandelt. Nachdem Lucie ihrem Vater von ihren Plänen zu einer zweiten Ehe berichtet hatte,819 schrieb Hardenberg an seinen Sohn Christian nur, Lucies Scheidung sei für ihn „nach der Lage der Dinge kein Unglück und die neue Heirath, ihre Sache“.820 Erst 1821 veränderte sich ihre Beziehung, und zwar nachdem ­Hardenberg Tochter und Schwiegersohn in Muskau besucht hatte. 817 Pückler an Lucie. Aachen, 4. Oktober 1818 (Pückler 1874/5, S. 138). 818 „…dagegen Sie es aber auch, gnädiger Vater, billig finden werden, daß meine Stellung in der Welt mir nicht erlaubt einen geringern als einen Gesandtschaftsposten anzunehmen.“ Noch 1822 lehnte Pückler Hardenbergs Vorschlag ab, sich als Freiwilliger der Gesandtschaft Bernstorffs anzuschließen, um sich auf eine diploma­tische Karriere vorzubereiten, offenbar mit der Begründung, dass seine Ehre darunter leiden würde, als Untergebener zu arbeiten. Vgl. den Brief Pücklers an Karl August von Hardenberg. Aachen, ohne Datum (Pückler 1874/5, S. 194); Hardenberg an Pückler. Berlin, 22. September 1822 (ebd., S. 353). Über Humboldt schrieb ­Pückler: „Schreck­lich ist das Metier eines Adjutanten, das ist gewiß; und ich danke jetzt Gott wahrhaft, daß ich keiner sein muß. Denke Dir, daß Humboldt überall sich mitschleppt, und immerwährend Kammerherrendienste verrichtet, und warum? Das erräthst Du bestimmt nicht. Weil er Graf werden will! Dies tröstet mich über meine Schwächen; denn schwächer kann nichts sein.“ Pückler an Lucie. ­Valenciennes, 23. Oktober 1818 (ebd., S. 176 f.). 819 Lucie war seit 1796 mit Karl Theodor Friedrich Reichsgraf von Pappenheim verheiratet, von dem sie allerdings seit 1802 getrennt lebte. Erst als Pückler um sie freite, betrieb sie die Scheidung. 820 Brief Hardenberg an den Sohn Christian. Berlin, 12. April 1817 (Gsta PK VI. HA, FA Hardenberg v., Nr. 135, fol. 2). Grund dafür war allerdings auch das bis dahin offenkundig schlechte Verhältnis zwischen Vater und Tochter Hardenberg, von dem Pückler mög­licherweise nichts wusste. Es lässt sich etwa in einem Brief von Lucies

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Vorher hatte Pückler fast keine Erwähnung in Hardenbergs Tagebüchern gefunden, obwohl er sich intensiv um dessen Wohlwollen bemüht hat. In Aachen, wo Pückler sich 1818 beim Kongress vom Schwiegervater die Einführung in bessere gesellschaft­liche Kreise und Unterstützung bei seinen Ambitionen auf einen Gesandtschaftsposten erhofft hatte, hatte Hardenberg ihm lange jeden Empfang verweigert und ihn schließ­lich nur zu privaten Diners in kleinem Kreis eingeladen, die ihm so wenig wichtig waren, dass er sie im Tagebuch nicht erwähnt.821 Bis zu Hardenbergs Besuch in Muskau haben Pückler und er sich gesiezt; in den Briefen nach dem Besuch duzten sie sich. Nach dem Besuch vertraute Hardenberg Pückler zudem im Herbst 1821 die Vermittlung im Konflikt mit seiner Ehefrau an, der er aus ­diesem Anlass schrieb, dass er Pückler nun „nebst seiner Frau näher habe kennen lernen“. Er sei eigent­lich „ein kluger, wohlmeinender und braver Mann, der seine Frau sehr glück­lich macht, und die Personen sehr richtig beurtheilt. Wir haben ihm früher sehr Unrecht gethan.“ 822 Für die nächsten Monate sind dann regelmäßige Besuche Pücklers und Lucies bei Hardenberg in dessen Tagebuch verzeichnet. Zudem bat Hardenberg Pückler um seinen Rat für die Gestaltung von Neuhardenberg. Was hat Hardenberg dazu gebracht, seine Meinung über den Schwiegersohn zu ändern? Waren es vielleicht Schloss und Park? „Muskau ist schön und liegt schön“, bemerkte Hardenberg dazu im Tagebuch, offenkundig

Bruder Christian an den Vater greifen, in dem er das frisch verheiratete Ehepaar Pückler beschreibt: Pückler spreche „mit Welt und Verstand“, und sei „letzterer auch nicht so glänzend, so ist er doch tiefer und bedachter als der seiner Frau, die außerdem seine Gutmüthigkeit und Sorgfalt für sie anpreiset. Er wirkt in der Folge sehr jung gegen sie, es scheint das sie gealtert hat. Möge ihr Glück von Bestand seyn und die Einkünfte hinreichen.“ (Gsta PK VI. HA, FA Hardenberg v., Nr. 145 – Brief Christian an Karl August von Hardenberg, 20. Juli 1818, fol. 1). 821 Vgl. dazu Pücklers Brief an Lucie: „Nach Tisch ging ich zu Deinem Vater, der mich vor seiner Stubenthür abweisen ließ, obgleich ich ihn darin sitzen sah. Es ist in der That niemand hier, der sich nicht freundschaft­licher gegen mich erweist, als der, ­welcher als mein Schwiegervater es am meisten sein sollte. Da ich ihn nie mit Bitten inkommodiert habe, und nie irgend eine Gelegenheit zur Unzufriedenheit gegeben, so ist ein ­solches Betragen wirk­lich unbegreif­lich, und, wie Du denken kannst, gegen alle anderen Personen sehr kompromittirend.“ Pückler an Lucie. Aachen, 3. Oktober 1818 (Pückler 1874/5, S. 137 f.). 822 Karl August von Hardenberg an seine Frau. Glienicke, 26. September 1821 (Pückler 1875/7, S. 82). Vgl. zu Pücklers Rolle in Hardenbergs Scheidungsaffäre 1821 Pückler 1875/7, S. 78 ff.

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nur mäßig beeindruckt.823 Wirkungsvoller scheint das abwechslungsreiche Unterhaltungsprogramm gewesen zu sein, das Pückler organisiert hatte. Es gab eine „sehr freundschaft­liche Aufnahme“, zu der auch die Tochter und Adoptivtochter von Lucie angereist waren. Pückler hatte zudem einige respektable Damen und Herren aus der Umgebung eingeladen. Der Muskauer Superintendent Vogel schenkte Hardenberg einen antikisierenden Fries mit einer Abbildung Helmines, der schönen Adoptivtochter Lucies; man unternahm Spaziergänge und -ritte im Park und Pückler führte seinen Schwieger­ vater ins illuminierte Alaunbergwerk, in dem dieser von einem ‚Berggeist‘ Wurst geschenkt bekam und wo es einen „Kampf unter der Erde und Musik“ gab. Deputierte der Oberlausitzer Städte machten Hardenberg ihre Aufwartung. Für den nächsten Tag hatte Pückler eine Jagd vorbereitet. Am Abend gab es im Schloss eine allegorische Theatervorstellung, bevor Hardenberg am nächsten Morgen wieder nach Berlin zurückreiste.824 Der Park war dabei Teil eines gelungenen Programms adeliger Unterhaltungen, er zeugte von Geschmack und wohl auch einem Gefühl für das Angemessene, also für Anstand, den Pückler zuvor bei einigen öffent­lichen Auftritten in Berlin hatte vermissen lassen.825 Pückler konnte damit zeigen, dass er das in Preußen erwartete standes­ gemäße Verhalten beherrschte, ein angenehmer Mensch war und folg­lich ­seinen Schwiegervater in Gesellschaft nicht blamieren würde. Seine Befähigung zum Staatsdienst konnte er frei­lich nicht beweisen. Ohne sonstige Leistungen nützten mittlerweile weder ein gelungenes Auftreten noch ein repräsenta­tiver Park; sie konnten ledig­lich als Verstärker wirken, wie ein Kontakt zwischen Hardenberg und Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau aus dem Jahr 1817 zeigt. Noch kurz vor seinem Tod schickte der Dessauer Fürst dem ihm schon lange persön­lich bekannten preußischen Staatskanzler kostbare Jungpflanzen für dessen Glienicker Garten, was er mit der Hoffnung verband, dass sich Hardenberg bei ihrem Anblick „bisweilen meiner dabey gütig erinnern“ werde und dass er für sein Land auch nach dem Tod des Fürsten das

823 Karl August von Hardenberg: Tagebuch 1818 – 1821, Eintrag vom 7. Juli 1821 über einen Besuch bei Pücklers in Muskau (Gsta PK VI. HA, Nl Karl August von Hardenberg, L 41, fol. 67). 824 Ebd., fol. 67 f. (Einträge 8.–11. Juli 1821). 825 Bspw.: „Übrigens moquirt sich Berlin etwas über meine Kanalaventüre, ich nehme aber die Parthie, selbst die besten Bonmots darüber zu machen.“ Pückler an Lucie. Berlin, ohne Datum 1817 (Pückler 1874/5, S. 83 f.).

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Wohlwollen behalte, „­welches Sie mir seit langen Jahren so red­lich widmeten“.826 ­Hardenbergs Achtung hatte Leopold Friedrich Franz aber nicht durch sein gartenkünstlerisches Schaffen, sondern durch sein umsichtiges und diplomatisches Vorgehen während der Revolutionskriegsjahre erworben. Da Pückler keine ähn­liche Leistung vorweisen konnte, bewirkten sein Park und seine Muskauer Unterhaltungen nur eine Verbesserung der privaten Meinung Hardenbergs, wie dieser Pückler gegenüber immer wieder betonte: „Noch einmal, liebster Pückler, begnüge Dich mit den glück­lichen Privatverhältnissen, in denen ich mit Dir und der lieben, guten Lucie stehe“, schrieb Hardenberg 1822 an ihn, weil Pückler ihn weiterhin drängte, ihm zu einer politischen Karriere zu verhelfen.827 Misstrauen behielt Hardenberg dennoch bis zu seinem Lebensende gegenüber seinem verschwenderischen Schwiegersohn, weshalb er wohl seiner Tochter nichts vererbte. Die einzige Unterstützung, die er Pückler kurz vor seinem Tod gewährte, war die durch ihn betriebene Erhebung in den Fürstenstand. Pückler erhielt den Fürstentitel allerdings nur als Titel ohne weitere Privilegien, für den er zudem eine hohe Gebühr und die Kosten für eine standesgemäße Ausstattung seiner Accessoires mit Wappen bezahlen musste.828 Die Reputation Hardenbergs beschädigte das trotzdem, weil der Verdacht der Günstlingswirtschaft aufkam, der Pücklers Ruf weiter verschlechterte, auch weil man ihm seinen Aufstieg neidete.829 Eine Notiz in der Zeitschrift Hesperus brachte die Vorbehalte der preußischen Gesellschaft gegenüber Pückler auf den Punkt. Das Publikum kenne nur Pücklers „Eigenheiten, seinen Aufwand und seine große Strenge gegen seine früher leibeignen Unterthanen“ und könne deshalb seine Fürstung nicht verstehen, heißt es dort:830 826 Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau: Rohschrift eines Briefes an Hardenberg (LHASA, DE, Z 44, A 10 Nr. 222: Correspondenz mit Staatscanzler Hardenberg. fol. 31 f., hier fol. 32). 827 Karl August von Hardenberg an Pückler. Berlin, 15. September 1822 (Pückler 1874/5, S. 354). 828 Vgl. Fn. 815 und Pücklers Brief: „Regen und Sonnenschein wechseln ewig ab. Heute bekam ich die Rechnung für das Fürstendiplom, auch eine kleine Knacknuß! 4000 Thaler sind dafür zu bezahlen, ­welche die Armen bekommen. Wir müssen nun noch dazu thun, unsere Grafenkrone von Livreen, Wappen und Silber fortzuschaffen, damit man nicht immer an die Neuheit der Würde erinnert wird.“ Pückler an Lucie. Berlin, 29. Juni 1822 (Pückler 1874/5, S. 339). 829 „Unser Avancement erregt hier mehr Neid, als Du Dir vorstellen kannst, und man haßt uns durchgängig mehr wie je, sucht mich auch mitunter zu kränken.“ Pückler an Lucie. Berlin, 29. Juni 1822 (Pückler 1874/5, S. 338). 830 Anonym 1822a.

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Die Preußen sind zu lange gewohnt, nur das Verdienst ausgezeichnet zu sehen, die Günst­ lichkeit ist ihnen bey ihren Regenten, wo nie ein s­ olcher Client empor kam, unbekannt, und deshalb das allgemeine Aufsehen. Referent wüßte auch nicht leicht etwas, was so allgemeinen Tadel erregt hätte als diese Erhebung.

Der Artikel traf Pückler tief.831 Er verfasste anonym eine Entgegnung, in der er die gegen ihn vorgetragenen Vorwürfe mit der Behauptung zu entkräften versuchte, dass er sich nie um gesellschaft­liches Avancement bemüht habe. Darüber hinaus habe er mit der Anlage seines Parks den keineswegs unter ihm leidenden Einwohnern der Standesherrschaft einen „Erwerbszweig eröffnet, w ­ elcher Viele vor dem Hungertod errettete“.832 Er habe seine Untertanen nicht im Rahmen traditionell üb­licher Dienste arbeiten lassen (was frei­lich durch Hardenbergs Agrargesetze ohnehin schwieriger geworden war), sondern ihnen Lohn gezahlt, was seine Orientierung am „Menschenwohl“ zeige und seinen „fast unverhältnismäßigen“ Aufwand rechtfertige.833 Pücklers Entgegnung provozierte den anonymen Autor des Hesperus, der die Vorwürfe gegen ihn vorgebracht hatte, allerdings nur dazu, seine anscheinend von weiten Teilen der Berliner Gesellschaft geteilte Meinung noch einmal deut­licher auszudrücken: Pückler sei als Muskauer Standesherr nie „etwas anderes als ein einfacher Gutsherr der L ­ ausitz“ gewesen und habe damit ebenso wenig wie „alle bürger­liche[n] Gutsbesitzer in Preußen“ für die durch die Agrarreformen erlittenen Verluste einen Anspruch auf Entschädigung oder sogar Rangerhöhung. Im Übrigen seien die Reformen „des Nationalwohls wegen“ durchgeführt worden (dem Pückler ja wohl nicht schaden wolle).834 Pücklers Behauptung, er habe den Muskauer Park zum Wohlergehen seiner Untertanen angelegt, sollte später breit akzeptiert werden. In den 1820er-Jahren

831 So schrieb Pückler an Lucie: „Aufrichtig gesagt, kam mir die Krankheit fast erwünscht, um mich vom Ausgehen bisher zu dispensiren. Erklär­lich ist es wohl in meiner Lage, warum. Auch schämte ich mich ein wenig, ehe meine Antwort auf jenen diffamierenden Zeitungsartikel erschienen war, dem Hohn, Mißgunst und Triumph der Feinde mich zu zeigen, ohne allen Halt in einer Gesellschaft, wo man uns haßt, weil man so unwissend ist, uns zu beneiden.“ Pückler an Lucie. Berlin 1823 (Pückler 1874/5, S. 398). 832 Anonym 1822b. 833 Bernd-Ingo Friedrich kann allerdings belegen, dass die Leibeigenschaft in Muskau tatsäch­lich erst in den 1840er-Jahren endgültig abgeschafft wurde (vgl. Friedrich 2006, S. 17). 834 Anonym 1823.

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überzeugte sie jedoch kaum jemanden, auch nicht seine Mutter, die ihm drei Jahre nach dem Erscheinen des Hesperus-Artikels vorwarf, dass seine „Parkleidenschaft“ ihn „so viel Zeit kostet“, dass er „gar keine übrig“ behalte, um die „Standesherrschaft besser kennen zu lernen“ und zu regieren. Die Anlage des Parks halte Pückler also, heißt das, von der Übernahme einer echten Verantwortung für seine Untertanen ab.835 Ganz fehl schlug Pücklers Versuch allerdings nicht, sich mit einem Park Anerkennung zu verschaffen. Pückler war lange nicht nur von Hardenberg, sondern auch vom preußischen Königshaus und einigen Kreisen der hoch­ adeligen Gesellschaft offensiv gemieden worden.836 Das hatte sich nach seiner Erhebung in den Fürstenstand sogar noch verschlimmert, da der König den von der Öffent­lichkeit erhobenen Vorwurf der Günstlingswirtschaft von sich zu weisen versuchte.837 Das führte etwa dazu, dass Pücklers Ankunft in Berlin von

835 Pücklers Mutter schrieb 1825 an Pückler: „Es ist schade, daß Deine Parkleidenschaft Dir so viel Zeit kostet, daß Du gar keine übrig behältst, um Deine Standesherrschaft besser kennen zu lernen, und ­solche zu bereisen, ­welches gewiß für Dich nicht ohne ­Nutzen sein würde, mit eigenen hellen Augen alles zu schauen, und mehr Liebe hat der Unterthan für einen Herrn, den er doch zuweilen sieht, als wenn er bloß durch die Offizianten den Willen des Herrn erfährt. Ich kenne Dein Herz, es will nur das Gute, und möchte gern alles mit Liebe umfassen, zeige es Deinen Unterthanen, und – sie werden Dich gewiß auf Händen tragen. Lasse den kalten herzlosen Bürger, und wende Dich an Deine Unterthanen, mache sie, die dir der Himmel anvertraut, so glück­lich als mög­lich, dann bist Du Arbeiter im Park Gottes, des Lohnes werth, Du ertheilst ihn ja selbst so gern den Deinigen noch über ihren Lohn – wenn sie ihre Kräfte auf Deinen Dienst verwendeten, wie vielmehr einst der Herr aller Herren!“ Pücklers Mutter, Gräfin Clementine von Seydewitz an Pückler. Bautzen, 10. ­November 1825 (Pückler 1874/6, S. 485 f.). 836 Wofür Bürklin-Aulinger auch Pücklers ‚Freigeistigkeit‘ verantwort­lich macht (die sie allerdings insgesamt zu einseitig und unkritisch sieht): „Der Plan, eine diplomatische Laufbahn einzuschlagen, scheiterte an der Missbilligung des preußischen Kronprinzen […], der dem als ‚Freigeist‘ geltenden Pückler nicht wohlgesinnt war. Dieser hatte kurz zuvor als Vertreter des ersten adeligen Hauses der Niederlausitz im Landtag in Berlin eine Rede gehalten, in der er eine Abfindung und Steuervorrechte für das von ­Preußen annektierte Sachsen forderte; dies machte ihn bei den konservativen Vertretern der Kronprinzenpartei unbeliebt. Was ihn dann völlig in Verruch brachte, waren seine Besuche bei Rahel Varnhagen, wo er, bis Rahels Tod 1833, mit Vertretern des – seit 1835 so genannten – ‚Jungen Deutschland‘ wie Gutzkow und Laube verkehrte, die bei der Reaktion als anrüchige ‚Republikaner‘ galten.“ (Bürklin-Aulinger 1993, S. 53). 837 Der König verweigerte Pückler auch lange, den Titel ‚Durchlaucht‘ führen zu dürfen. Erst 1861 stellte Wilhelm I. die vom preußischen Königshaus ernannten Fürsten

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den zuständigen Beamten nicht wie üb­lich in der Zeitung angekündigt wurde, weil er ihnen nicht als „eine so wichtige Person“ erschien, was Pückler zutiefst kränkte.838 Nur sechs Tage später konnte er indes Lucie stolz davon berichten, dass er doch vom König und Kronprinzen zum Diner geladen wurde und dort „außerordent­lich gnädig“ behandelt worden sei – und zwar augenschein­lich wegen seines Muskauer Parks:839 Ich muß überhaupt sagen, daß ich allgemein mit großer Zuvorkommenheit behandelt wurde, wozu ich keinen Grund, als die übertrieben vortheilhaften Erzählungen von Muskau finden kann, wovon alles wie von einem Paradiese spricht. Ich kann mich der Komplimente in dieser Richtung kaum erwehren.

Eines der Gerüchte über Muskau findet sich in einem Brief des Prinzen Carl von Preußen. Der Prinz war Pückler gegenüber schon länger freund­licher eingestellt als seine könig­lichen Verwandten. In einem Brief berichtet er, davon gehört zu haben, dass Pückler „mit nichts geringerem beschäftigt [sei], als die Neiße durch“ seinen Park zu leiten. Für diese „Riesenwerke“, mit denen er nicht mithalten könne, drückte er Pückler seine Bewunderung aus.840

recht­lich den auswärtigen Fürsten gleich und erlaubte ihnen die bis dahin verwehrte Anrede ‚Durchlaucht‘, was Pückler mit „Genugthuung“ im Tagebuch vermerkte. Eintrag vom 19. Oktober 1861 (Pückler 1876/9, S. 329). 838 Pückler an Lucie. Berlin, 22. Dezember 1825 (Pückler 1874/6, S. 276). Pückler beschwerte sich über diese Missachtung. Vgl. dazu den in der Varnhagen-Sammlung in Krakau/Kraków aufbewahrten, für die Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Schloss und Park Branitz verfilmten Brief des Berliner Wachbeamten Brauchitsch zu dieser Affäre vom 25. Dezember 1825 (Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek KCD01/001/V149/Scan 95 f.). 839 Pückler an Lucie. Berlin, 28. Dezember 1825 (Pückler 1874/6, S. 282). 840 Prinz Carl von Preußen an Pückler. Berlin, 15. Januar 1825 (Stiftung Fürst-­PücklerMuseum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek, KCD29/135/V146/Scan 328 – 331, hier Scan 329). In der Folge bat er Pückler deshalb auch um Rat für die Gestaltung des nach Hardenbergs Tod übernommenen Anwesens in Glienicke. Prinz Carl erlaubte Pückler später auch, ihm seine Andeutungen über Landschaftsgärtnerei zu widmen und diesen damit einen guten Weg in die Öffent­lichkeit zu bereiten. Vgl. den Brief Pücklers an Lucie: „Gestern war ich in Glienicke, wo mich der Prinz Karl eingeladen hatte, um meinen Rath wegen seiner Anlagen zu hören. Es geht dort schon alles darüber und drunter, und ich fühlte recht lebhafte Theilnahme und Freude bei einem Streben, das so sehr auch das meinige ist.“ Berlin, 4. Mai 1824 (Pückler 1874/6, S. 236).

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Mithilfe seines Parks konnte Pückler also Ansehen und Respekt erlangen, die ihm sonst verwehrt waren. Diese blieben jedoch auf einen persön­lichen Bereich beschränkt; eine Karriere oder andere Vorteile eröffneten sie ihm nicht. Immer deut­licher zeigte sich jedoch, dass Pückler einen Gesandtenposten nicht um seiner selbst willen anstrebte. Er versprach sich davon ein bequemes, geldsorgenfreies und interessantes Leben im Ausland, vor allem aber sah er darin ein Mittel zur Steigerung seiner gesellschaft­lichen Stellung und seines Prestiges, wie er Lucie gegenüber in Bezug auf einen Gesandtschaftsposten formulierte: „Mehr Ansehen erhält man doch auch dadurch in der Welt, da einmal die bloße Geburt nichts mehr gilt.“ 841 Es ging Pückler um Geltung, aber nicht nur zur Befriedigung von Eitelkeit oder eines Wunsches nach Anerkennung. Ein zentrales Motiv für Pücklers öffent­liches Handeln ist schon früh der Wunsch nach Macht gewesen, wie etwa aus seiner Antwort auf einen Brief Lucies hervorgeht, in dem sie den übertriebenen Aufwand auf sein Äußeres und seine exzentrischen Auftritte kritisiert hatte:842 Du irrst unter Anderem, wenn Du glaubst, daß ich mich der Welt wegen wie ein fashionable anziehe […] – bemerke wohl, wenn ich auch dergleichen um der Leute willen zuweilen thue, so bin ich es, der ihre Meinung hier hervorruft, leitet oder erzwingt, und dann kann ich sie nach meinem Geschmacke einrichten. […] Ich bin also nicht von der Leute Meinung abhängig, wenn ich nur auf die Äußerungen derjenigen achte, die ich hervorrufe […]. Deshalb habe ich sie so oft über mich in die lächer­lichste Wuth gerathen sehen, weil sie mir gar nicht beikommen konnten, denn hatte einer etwas recht Starkes erfunden, um mich nach seiner Meinung zu ecrasiren, so brachte ich gleich darauf noch etwas viel Unerhörteres von mir selbst auf das Tapet, so daß sie vor Erstaunen verstummten, und ihr Gift nun selbst verschlucken mußten. Bei Gelegenheit ließ ich auf diese Defensive auch noch die Offensive folgen, und da man mit Unbefangenheit und ohne Ärger gewöhn­lich mehr Witz hat, so genoß ich auch noch nicht selten das Vergnügen, die Lacher (­welche ich mir selbst aussuchte) auf meiner Seite zu haben.

841 Pückler an Lucie. Berlin, 21. März 1820 (Pückler 1874/5, S. 282). Als seine Mutter ihn mahnte, etwas aus seinem Leben zu machen und nach einem Amt zu streben, antwortete er ihr patzig, wer „glaubt, daß man ein Amt haben müsse, um beschäftigt zu sein, der muß geglaubt haben, ohne vorher gedacht zu haben“. Pückler an seine Mutter. Ohne Ort, ohne Datum [zwischen 1804 und 1807] (Pückler 1874/4, S. 344). 842 Pückler an Lucie. 24. Mai 1817 (Pückler 1874/4, S. 250).

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Ob Pücklers Ehrgeiz, Macht oder immerhin Meinungsmacht ausüben zu ­können, eher auf persön­liche Veranlagung oder auf seine adelige Sozialisierung zurückgeht, lässt sich nicht entscheiden. Prinzipiell sind jedoch die Kontrolle der öffent­lichen Wahrnehmung und der Erinnerung an die eigene Person zentrale Elemente europäischer Adelskultur. Der Wunsch nach Ruhm, Geltung und Einfluss ging für Pückler indes schließ­lich nicht durch sein Engagement in traditionell adeligen Bereichen, sondern auf dem eher bürger­lichen Feld der Literatur in Erfüllung.843 Dass literarischer Ruhm mittlerweile von mehr Konsequenz sein könnte als adeliger, vermutete Pückler schon 1825, als er Lucie schrieb: „Ach, ich wünschte, ich wäre so weit wie Lord Byron, und so berühmt! Er hat ein kurzes, aber ­schönes Leben gehabt.“ 844 Bestätigt wurde diese Vermutung, als mit dem enormen Erfolg der 1830 veröffent­lichten Briefe eines Verstorbenen und ihrer Nachfolger der bis dahin verachtete Lausitzer Gutsherr plötz­lich im Zentrum der öffent­ lichen Aufmerksamkeit stand und breite Bewunderung erfuhr.

843 1824 glaubte Pückler noch, dass er sich mit einer militärischen Karriere hätte Ruhm erwerben können; nach dem Erfolg der Briefe eines Verstorbenen ist davon keine Rede mehr. Pückler profitierte dabei von dem in der franzö­sischen Gelehrtenrepublik des 18. Jahrhunderts als bürger­liche Alternative zum traditionellen Heldenruhm ent­ wickelten Konzept eines auf künstlerischen oder wissenschaft­lichen Leistungen beruhenden Ruhms der ‚großen Männer‘, das seither große Bindekraft entwickelt hatte. Vgl. Ritter 2004 und Pückler selbst: „Ich sehe nur halbgern indessen militairische Übungen, denn das Herz lacht mir zwar dabei, aber der trostlose Gedanke peinigt mich auch immer dabei, daß gerade hier Glück und Ruhm für mich blühte, und ich in drei der schönsten Gelegenheiten sie schmäh­lich versäumt habe. Gelegenheiten, wie sie die Geschichte nur selten bietet: 1) Napoleons Glück, 2) Napoleons Fall 3) Spanien. Ich komme mir ganz nichtswürdig vor, wenn ich bedenke, daß ich bei dem, was ich leisten konnte, ruhmlos ­solche Zeit durchlebt habe, mit Studentenstreichen und Gärtnerarbeiten beschäftigt!“ Pückler an Lucie. Berlin, 21. Mai 1824 (Pückler 1874/6, S. 247). 844 Pückler an Lucie. Muskau, 5. März 1825 (Pückler 1874/6, S. 266).

Pücklers Erfolg als Schriftsteller: der Adelige in der Literatur

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4.2 Pücklers Erfolg als Schriftsteller: der Adelige in der Literatur Der überwältigende Erfolg der Briefe eines Verstorbenen

Trotz des Wohlwollens, das Pückler dank seines Parks für kurze Zeit beim preußischen König genießen konnte, ließ dieser sich nicht zu konkreten Hilfen für Pückler bewegen, dessen finanzielle Probleme sich immer mehr zuspitzten. Alle seine Versuche, sich durch eine Anstellung bei der preußischen Regierung oder durch das Aushandeln einer Entschädigung für verlorene Rechte zu konsolidieren, waren gescheitert. Als einzigen Ausweg sah er die Scheidung von Lucie und die Ehe mit einer reichen Erbin, die er sich in England suchen wollte, was ihm allerdings auch nicht gelang. Er sah sich aber immerhin gründ­lich um in England und schrieb Lucie eine Vielzahl von interessanten, witzigen, manchmal auch berührenden Briefen über das Land und seine feine und seine nicht so feine Gesellschaft. Auf Anraten seines Freundes Karl August Varnhagen von Ense überarbeitete er sie nach seiner Rückkehr und veröffent­lichte sie 1830/31 unter dem Titel Briefe eines Verstorbenen – und plötz­lich flossen ihm das Geld und die Anerkennung zu, um die er sich so lange vergeb­lich bemüht hatte.845 Während es ihm noch kurz vor Erscheinen der Briefe eines Verstorbenen leidtat, dass er „in dieser politischen Welt keine Stimme“ hat, vermerkte er 1832 mit Genugtuung, dass er beim Empfang durch den neuen franzö­sischen König zuvorkommender behandelt worden sei als die Gesandten, und er fragt zufrieden:846 [D]enn was ist ein preußischer Minister oder Gesandter, wie sie hier leben? Wenn er todt ist, ist er auch vergessen. Sein Name ist außer in Preußen oder dem Hofe, wo er accreditirt ist, unbekannt. Den meinigen kennt jetzt die ganze Welt, und ich kann gewiß sein, daß er auch noch etwas länger, als mein Leben dauert, bekannt bleiben wird.

845 So schrieb Pückler an Lucie, die seinem literarischen Unternehmen sehr skeptisch gegenübersteht, er sei „ein Schriftsteller für Geld geworden“; zwölf Jahre später prahlte er gegenüber Ida Hahn-Hahn, er habe 30 – 40.000 Taler mit seinen Büchern verdient. Pückler an Lucie. Jagdhaus, 15. Juli 1833 (Pückler 1875/8, S. 195); Pückler an Ida HahnHahn (Pückler 1873/1, S. 327). 846 Pückler an Lucie. Muskau, 27. Oktober 1830 (Pückler 1875/7, S. 209); Pückler an Lucie. Paris, 27. August 1834 (Pückler 1875/8, S. 264) und Pückler an Lucie. Tarbes, 15. Dezember 1834 (ebd., S. 309).

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Sein literarischer Erfolg setzte ihn end­lich in die herausragende gesellschaft­ liche Stellung, auf die er durch seine adelige Geburt einen Anspruch zu haben glaubte, die ihm jedoch bis dahin trotz seiner vielfältigen Anstrengungen, ein vollendeter Adeliger zu sein, verweigert worden war. Zudem kam die Schriftstellerei weit mehr seiner Persön­lichkeit entgegen als der Beruf, zu dem seine Eltern ihn hatten drängen wollen oder den er bei der preußischen Regierung angestrebt hatte, weil sie viel weniger Unterordnung, Abhängigkeit und trockenes genaues Arbeiten verlangte. Vor allem aber bestätigte sie seinen Lebensentwurf, da er nicht als ein Schriftsteller unter vielen, sondern dezidiert als adeliger Autor bekannt wurde. Erfolgreich waren die Briefe, weil sie ein interessantes und kurzweiliges Werk sind und in einer Zeit erschienen, als der Reisebericht eine beim Publikum beliebte Gattung war.847 Die enorme Aufmerksamkeit, die den Briefen in Deutschland, England, Frankreich und den Vereinigten Staaten zuteilwurde, verdankte sich allerdings nicht nur ihrer allgemeinen Gefälligkeit, sondern insbesondere auch den in ihnen enthaltenen Schilderungen von Adeligen und von adeligem Leben. Die Briefe boten damit bürger­lichen Lesern einen seltenen Einblick in die adelige Gesellschaft, die Pückler zudem an vielen Stellen karikiert. Obwohl die Ironie, mit der Pückler seine Standesgenossen schildert, oft genug Rache für erlittene schlechte Behandlungen ist, konnten sich adels­ kritische Bürger­liche mit ihr und ihrem Autor identifizieren. Deshalb wurden die Briefe ebenso wie Pücklers weitere Werke unter die literaturkritische Fit­ tiche von so einflussreichen Autoren wie Varnhagen und Laube genommen, die wegen dieser Adelskritik in Pückler eine geeignete Gallionsfigur für ihr s­ oziales Engagement sahen und deshalb ener­gisch den literarischen Erfolg Pücklers beförderten. So sorgte Varnhagen dafür, dass die nach ihrem Erscheinen wenig beachteten Briefe interessant wurden, indem er Goethe dazu bewegte, eine positive Rezension zu verfassen.848

847 Vgl. Brenner 1990, S. 344 f. 848 Wie Varnhagen Goethe dazu gebracht hat, eine Rezension von Pücklers Buch zu verfassen, haben Ekkehard Haak und Heinz Ohff zusammengefasst; die entsprechenden Briefe von Pückler, Varnhagen und Goethe hat Sophie von Arnim abgedruckt (Haak/ Ohff 1985, S. 412; Arnim 1932). Goethes überraschend positive Rezension war dabei offensicht­lich von dessen Verunsicherung durch die Pariser Geschehnisse motiviert; in Pücklers gefälligem, ganz und gar unrevolutionären und von Fragen bürger­licher Emanzipation freiem Werk habe er einen Schutz gegen das drohende Chaos der neuen Revolution gesehen (vgl. Wülfing 1983, S. 376 ff.).

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Die in den Briefen und vor allem in ihrem Nachfolger, den Tutti Frutti, zu findenden Lästereien gegen Mitglieder der Berliner Gesellschaft verschafften Pücklers Büchern auch dort Aufmerksamkeit, wo er bisher wenig Ansehen genossen hatte, wie der Korrespondent des Morgenblattes für gebildete Stände schon 1830 anmerkt:849 Hier aber hätte man es deshalb nicht mehr, wie jedes andere gute Buch gelesen, und es bleibt zweifelhaft, ob es je so bald bekannt geworden wäre; aber unter den circa 700 Seiten sind ungefähr 20, ­welche einige skandalöse Anekdoten vom Berliner Hofleben, eine sanfte Persiflage unserer Pietisten und anderer Leute enthalten, und mehr brauchte es nicht, wohl mit darum, weil man den Autor sogleich errieth, um es von Mund zu Munde zu tragen und aus den Händen sich zu reißen.

Mit seinem Gesellschaftsklatsch polarisierte Pückler, doch insgesamt profitierte er davon, da die meisten Berliner Adeligen ihm nun aus Angst, in seinem nächsten Buch zur Zielscheibe zu werden, sehr zuvorkommend begegneten.850 Für die dauerhafte Bekanntheit Pücklers sind jedoch weder die literarische Qualität seiner Bücher noch der in ihnen enthaltene Tratsch verantwort­lich, sondern die Tatsache, dass Pückler für einige meinungsbildende Autoren der 1830er-Jahre zur Projektionsfläche für ihre Visionen eines gesellschaft­lichen Wandels wurde. Seine Befürworter wie seine Gegner sorgten dafür, dass sein Name kanonisiert wurde und Pückler als bedeutende Persön­lichkeit ins kulturelle Gedächtnis einging. Darüber hinaus legten sie die Grundlage dafür, dass auch der Muskauer Park außerhalb eines Zirkels von mit Pückler bekannten Personen als bedeutsam und wertvoll wahrgenommen wurde und wird – vor allem, seitdem sein literarischer Ruhm verblasst war.851 849 Anonym 1830. 850 So berichtet Pücklers Jugendfreund Alexander von Wulffen von dem Ärger einer in den Tutti Frutti karikierten Frau von Goltz über Pücklers gesellschaft­lichen Einfluss, dem sie mit dem Satz, es „sei keine Kunst, Andere durch den Druck zu blamiren; man brauche dazu nur bös zu sein!“, Luft gemacht habe. Brief von Alexander von Wulffen an Pückler. Berlin, 25. Februar 1834 (Pückler 1875/8, S. 373 f.). 851 Was relativ schnell geschah. Nach seinem letzten Werk Die Rückkehr (erschienen 1846 – 48) verschwand der Name Pückler für fast 60 Jahre aus der literarischen Öffent­lichkeit, während seine Persön­lichkeit weiterhin bekannt blieb. Neuausgaben erschienen zuerst von den Andeutungen (1904, 1906 und 1911). 1910 veröffent­lichte Heinrich Conrad eine zweibändige Auswahl aus Pücklers Schriften und Briefen in der Reihe Ironie des Lebens (Pückler 1910), ab 1913 begann Conrad dann mit Semilassos vorletztem Weltgang auch eine neue Werkausgabe, die jedoch erst durch den Krieg und dann durch den Tod seines

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Verlegers Georg Müller unterbrochen wurde. (Vgl. Drangosch 1925, hier ergänzt durch eine vergleichende Recherche in den einzelnen Katalogen des KVK). Im öffent­lichen Bewusstsein blieb Pückler in der Zwischenzeit vor allem durch die Biografie von ­Ludmilla Assing (Assing 1873/74) und die von ihr herausgegebene neunbändige Ausgabe von Pücklers Tagebüchern und Briefwechseln (Pückler 1873 – 76/1 – 9). 1874 erschien zudem die biografische Skizze Pücklers von seinem langjährigen Gärtner Eduard Petzold (­Petzold 1874). Beide, Assing und Petzold, stammen aus dem engen Umfeld Pücklers und k­ önnen als sein verlängerter Arm im Bemühen um dauernden Ruhm und vielleicht auch Legendenbildung gesehen werden; Assing wurde direkt von Pückler beauftragt. Entgegen der späteren Heroenverehrung kritisierte der Germanist Hans von Müller schon 1912, dass Pückler zwar literarisches Talent für Beschreibungen habe, er selbst indes als „das Object dieser Beobachtungen in keiner Beziehung ein tieferes Interesse zu erregen“ imstande sei, denn „er hält sich im Wollen, Handeln und Denken immer in mittleren Grenzen; seine Seele ist im Grunde banal, wenn sie sich auch rastlos bemüht, sich und anderen interessant zu scheinen“ (Müller 1912, S. 598). Dennoch steht seitdem vor allem ­Pücklers Persön­lichkeit im Mittelpunkt des Interesses, wie die verschiedenen Biografien, Pückler-­Romane und auch Forschungen des 20. Jahrhunderts zeigen. Auch Georg Mletzkos Studie zur Deutschen Landschaft bei dem Fürsten Pückler-Muskau von 1914 (Mletzko 1914) enthält im Anhang eine „Allgemeine Würdigung“ Pücklers. Charak­ teristisch ist auch die 1927 – 28 in Paris auf Franzö­sisch erschienene, 1935 dann auch auf Deutsch aufgelegte Biografie Pücklers des in Frankreich lehrenden Germanisten August Ehrhard (Ehrhard 1935). Ihr Untertitel Das abenteuer­liche Leben eines Künstlers und Edelmannes zeigt deut­lich die in der Pückler-Forschung verbreitete positivistische Tendenz. Proble­matisch erscheint den meisten frühen Pückler-Forschern, dass Pücklers Ruhm zwar evident, jedoch schwer greifbar ist, wie bspw. bei Ehrhard zu lesen: „Der Stern des Fürsten Hermann von Pückler-­Muskau verblasste, nachdem er zwischen 1830 und 1850 am hellsten gestrahlt hatte. Sein Niedergang erklärt sich vor allem aus zwei Gründen: die launische Mode wandte sich von ihm ab, und das Deutschland von 1870 entwickelte sich im Gegensatz zu seinen Idealen. Die deutschen Literaturhistoriker begruben den Verstorbenen endgültig, und die große Masse bewahrte nur eine unklare Erinnerung an ihn als ein Original in türkischer Tracht, eine Art Tartarin. […] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat ein Umschwung ein. Auszüge aus Pücklers Werken und Briefen erschienen. Der Weltkrieg hat die völlige Wiederauferstehung zwar verzögert, aber sie wünschenswerter gemacht denn je, weil Pückler seinem Lande manche gute Lehre geben könnte.“ (Ehrhard 1935, S. 396) Ein Versuch, diese „Lehre“ näher zu bestimmen, findet sich 1933 und schon ins National(sozial)istische gewendet bei Alfred Weller: „Um es kurz zu sagen: Der Landschaftsstil Pücklers kann für den deutschen Landschaftsstil von ähn­licher Bedeutung werden, wie der Faustische Lebensstil für den Lebensstil des deutschen Volkes. Warum? Weil beide Stile dem Wesen des deutschen Volkes in einer Weise entsprechen, wie es bei keinem Personal-, Gruppen- oder Zeitstil der Fall ist. Pücklers Landschaftsstil kann zum deutschen Landschaftsstil weiterent­wickelt werden.“ Als Vorbild sei Pückler geeignet wegen seines „Welterobererwillen“ und als

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Literarische Qualität im hochkulturellen Maßstab war nicht der ausschlaggebende Grund für die große Menge literaturkritischer Reaktionen auf seine Werke. Förderer wie Kritiker (selbst Varnhagen) beanstandeten die Leichtigkeit, Dahingeworfenheit und Unausgereiftheit von Pücklers Schreibweise und Komposition.852 Pückler als selbst leidenschaft­lichem Leser waren die Mängel seiner Literatur bewusst. Er beschwerte sich sogar gegenüber Varnhagen und Laube, dass man ihn auf zu hohe „Stelzen“ gestellt habe und „den kleinen Funken meines litterarischen Talents, zu einem großen, leuchtenden Feuer anblasen“ wolle; er komme sich „wie auf der Maskerade als Schriftsteller vor“.853 Andererseits bat er Varnhagen um eine Förderung auch seiner Tutti Frutti, obwohl er sie selbst „als ein fortwährendes Geschwätz, und ohne wahren Gehalt“ sah, weil er das Geld aus dem Buchverkauf für seine Gartenanlagen brauche:854

„dämonische[r] Willensmensch“ (als den Weller auch Goethe sieht) (Weller 1933, S. 10, 13 und 14). Pücklers Selbstinszenierung als ganz eigenständige, von Moden und Tendenzen unabhängige Persön­lichkeit hat ihn zu einer Projektionsfläche für verschiedenste Weltanschauungen und Sichtweisen gemacht. Zuletzt haben Clausen und Clausen Pückler als „Super­zeichen […] der Epoche“ beschrieben und damit vor allem auf seine biografisch-psycholo­gische Besonderheit abgehoben (Clausen/Clausen 1985/1, S. 93). 852 Varnhagen wertet Pücklers „ungezwungenen Lauf der Feder, der in seiner behag­lichen Lässigkeit Eile und Fülle vereinigt“, in den Briefen eines Verstorbenen noch positiv; in Bezug auf die Tutti Frutti merkte er jedoch an, dass auch ihm einige Teile des Buches „etwas locker und ausführ­lich vorgekommen“ seien (Varnhagen 1833a, S. 313; Varnhagen an Pückler. Berlin, 24. März 1834. Pückler 1873/3, S. 203 f.). Die Blätter für literarische Unterhaltung bemängeln am vierten Teil der Briefe eines Verstorbenen „gesuchtes Wesen und Manier“ (Anonym 1832a). Neumann sieht den Konversationston als zentrales Charakteristikum der Tutti Frutti (Neumann 1834, Sp. 703). Diesen kritisiert auch Laube, ebenso wie das Fehlen einer „schöne[n], fertige[n] Form“ und den oft billigen Gesellschaftstratsch in Pücklers Werken (Laube 1835, S. 316 f.). Wienbarg sieht in ihnen „leichte Goldfische, die sich lustig im Wasser tummeln und zufrieden sind, wenn sie sich und anderen eine Stunde Unterhaltung verschaffen“ (Wienbarg 1838, S. 49), und auch Börne kann seinen Verriss leicht mit Pücklers oberfläch­lichem Schreibstil begründen: „Er schreibt leicht, sehr leicht. Das ist manchmal recht angenehm, doch darf es nicht den ganzen Tag dauern. In häus­lichem Kreise, zu häus­lichem ­Gespräche ist das gut; wenn aber die Gedanken unter die Leute gehen, müssen sie sich mit Würde und Anstand kleiden.“ (Börne 1832, S. 49). 853 Pückler an Varnhagen. Muskau, 28. September 1832 und Pückler an Varnhagen. ­Muskau, 29. November 1844 (Pückler 1873/3, S. 121 und 401). Mittleres Zitat: Pückler an Laube. Pesth, 20. Dezember 1839 (Pückler 1874/6, S. 32). 854 Pückler an Varnhagen. Muskau, 11. Januar 1834, und Pückler an Varnhagen. B ­ amberg, 5. Juni 1834 (Pückler 1873/3, S. 181 f. und 238). Pückler reiste dann nicht nach Amerika,

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Die eng­lischen Kritiken der Austin sind sonderbar genug, aber tant mieux – das wird noch helfen, mir eine gute Summe für die amerikanische Reise einzubringen, auf die England gewiß sehr begierig sein wird. Bin ich nicht schauderhaft gierig geworden? Aber doch nur zu löb­lichen Zwecken. Alles Futter für den Park, wenn ich zurückkomme.

Pücklers Motivation und Selbstverständnis als Schriftsteller sind also leicht zu umreißen: Der finanzielle Ertrag ermög­lichte ihm seine Reise (die ihn allerdings nicht nach Amerika, sondern in den Orient führte); die Berühmtheit schmeichelte ihm und öffnete ihm die Tür zu den exklusivsten gesellschaft­ lichen Kreisen. So berichtete er 1834 aus Paris an Lucie:855 Le prestige fait tout dans le monde. Ich bin nie weniger geistreich gewesen als hier, und dennoch werde ich überall ausgezeichnet als so. Heute ließ Mad. Recamier förm­lich Chateaubriand kommen, um mich zu sehen, und mit ihm bekannt zu machen. Er war sehr amiable. Die Journale sprechen oft von mir, und in den Gesellschaften, so wenige es jetzt im Sommer giebt, empressiert man sich um mich her, und alles das uniquement wegen der vogue meiner Briefe.

Die Motivation von Literaturkritikern wie Varnhagen und Laube, Pücklers Schriften in einem so großen Ausmaß zu befördern, ist weniger leicht nachvollziehbar. Da sie das öffent­liche Bild von Pückler in entscheidendem Maße mitgeprägt haben und zudem mit ihren Muskaudeutungen die Wahrnehmung von Pücklers Park beeinflusst haben, ist ein genauerer Blick auf die literaturkritische Debatte um Pückler in den 1830er-Jahren wichtige Grundlage für ein Verständnis der Genese der Bedeutung des Muskauer Parks. Lob und Kritik für die ‚Adeligkeit‘ von Pücklers Literatur

Der einflussreichste Verriss von Pücklers Briefen eines Verstorbenen stammt von Ludwig Börne und findet sich in seinen Briefen aus Paris (Februar 1831).856 Börne fordert darin, Pückler (bzw. den noch anonymen Autor) wegen seines Adelsstolzes und seinem Beharren auf Adelsrechten aus der literarischen Welt zu vertreiben. Als Dreh- und Angelpunkt der Briefe eines Verstorbenen sieht Börne egoistischen und reaktionären adeligen „Hochmuth“, der den Wunsch hege,

sondern in den Orient. 855 Pückler an Lucie. Paris, 26. August 1834 (Pückler 1875/8, S. 263 f.). 856 Börne 1832.

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„daß nicht Amt oder Titel, sondern Geburt allein den Rang in der bürger­lichen Gesellschaft bestimmte“, und der damit zwangsläufig in Widerspruch zu einer nach Freiheit und Gleichheit strebenden bürger­lichen Literatur stehen müsse. Gerade die Qualität der Natur- und Gesellschaftsbeschreibungen, die Börne durchaus zugesteht, wertet er dabei als gefähr­lich, weil ihre Gefälligkeit drohe, den bürger­lichen Geschmack einzulullen und damit die politische Arbeit der bürger­lichen Literatur zu unterwandern:857 Der Verfasser soll ein Fürst seyn; das ist schön. Da unsere bürger­lichen Schriftsteller nun einmal keine Leute von Welt werden wollen, so bleibt, diesen näher zu kommen, nichts übrig, als daß die Leute von Welt Schriftsteller werden. […] Doch müssen wir ihm, wie allen adligen Schriftstellern, sehr auf die Finger sehen. Nicht damit sie nichts mitnehmen, was nicht ihnen gehört (was wäre bei uns zu holen?) sondern, daß sie nichts da lassen, was nicht uns gehört – keinen Hochmuth, keinen Weltstolz. Der blickt, der dringt aber nicht selten in den Briefen eines Verstorbenen durch. Ruft er doch einmal, als er im Gebirge zwei Adler über seinem Haupte schweben sah, aus: „Willkommen meine treuen Wappenvögel!“ […] Hinaus mit ihm aus dem Meß-Katalog! Der Hochmuth soll Manuscript bleiben, nicht gedruckt werden. Wenn er oben auf dem Snowdon, dem höchsten Berge Englands, Champagner trinkt auf die Gesundheit seiner Julie, und den Namen der Freundin durch Sturm und Dunkel ruft – dann sind wir dem Fürsten gut. Wein, Liebe und Adler sind auch für uns; aber die Wappen sind gegen uns. Seyd vorsichtig, laßt unsern Zorn schlafen! Nur zu bald erwacht er euch!

Mit den ‚Wappenvögeln‘ beschäftigen sich in der Folge anklagend oder verteidigend die meisten Rezensenten. Eine ähn­liche Haltung wie Börne haben aus dem näheren und weiteren Umkreis des Jungen Deutschland vor allem Ludolf Wienbarg, Eduard Beurmann und Gustav F. Kühne.858 Wienbarg warnt vor dem Wolf im Schafspelz bzw. vor den ‚Hechten im Goldfischglas‘ und erkennt in den Tutti Frutti einen „Standeskrieg gegen die bürger­liche Bureaucratie in Preußen, die den Adel verdrängt und gegen die Democratie in der Welt, die den Adel 857 Ebd., S. 52 f. und 54 f. 858 Beurmann, der seit 1835 in Frankfurt lebte, arbeitete mit Gutzkow am Phoenix und veröffent­lichte nach dem Verbot Gutzkows unter seinem Namen Gutzkows Artikel für den Frankfurter Telegraphen. In Schriften wie Ludwig Börne als Charakter und in der Literatur (1837) oder Deutschland und die Deutschen (1838 – 39) äußerte er sich adelskritisch und reformfreund­lich. Seine Stellung ist allerdings nicht eindeutig, da er auch als Spitzel für Metternich arbeitete und u. a. Berichte über Gutzkow veröffent­ lichte (vgl. Grimm 2010, S. 87 und 197).

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nicht anerkennt“.859 Auch Beurmann kritisiert alle bürger­lichen Verteidiger von Pücklers Literatur, da sie jede echte gesellschaft­liche Veränderung behinderten; ihre gelegent­liche Kritik am Adel sei nur oberfläch­lich, da sie selbst nie „einen Adelsbrief ablehnen“ würden:860 Und mit ­welcher Hingebung ist nicht unsere moderne Literatur dem fürst­lichen Schriftsteller entgegen gekommen, sie konnte ihre Freude über den standesherr­lichen Collegen, der sie übrigens de haut en bas betrachtete und nie über seine Schwelle ließ, weder verbergen, noch war sie klug genug, aus dieser Herablassung eines hohen Adels den Vortheil zu ziehen, ­welcher der Lage der Sache nach daraus zu ziehen war, man betrachtete sich näm­lich so wenig ebenbürtig, daß man dem Fürsten Pückler-Muskau nur die Honneurs machte. So handeln Leute von Geist, was soll man nun von denen erwarten, mit ­welchen die Götter selbst vergebens kämpfen. Als der Adel bemerkte, daß die Literatur schamlos genug war, in den „Briefen eines Verstorbenen“ und dem ganzen modernen Reise-Wischiwaschi zunächst den Fürsten zu respectiren, war es ihm nicht zu verdenken, den Schriftsteller in ­diesem Fürsten zu ignoriren. Das ganze Resultat dieses Ereignisses war, daß einmal ein Standesherr Bücher schrieb, die von der Kritik eine Anerkennung fanden, w ­ elche einem Nicht-Standesherrn im Leben nicht zu Theil geworden sein würde.

Die hier zu findende Adelskritik muss allerdings differenziert betrachten werden, denn eine Ablehnung des Adels als Stand mit gesellschaft­lichen Privilegien ging oft einher mit einer Faszination für die adelige Lebensform. So warf August Lewald 1836 Börne vor, dass er sich „mit einem ziem­lich aristokra­tischen Luxus“ umgebe, worauf Börne konterte, dass er nicht „in den deutschen Eichwäldern leben müsse“, um bürger­licher Schriftsteller zu sein, und dass er wünsche, „alle deutschen Schriftsteller“ würden so leben wir er und end­lich ihren „Lakaien-Charakter“ ablegen.861 Er verwies zudem darauf, dass man sich und

859 Wienbarg 1838, S. 49 und 48. 860 Beurmann 1838, S. 257 f. 861 „So wenig Börne sich zu Genrebildern eignen mochte, indem er hinläng­lichen Charak­ ter besaß, um seine Person, oder die Tische und Stühle seiner Umgebung übersehen zu lassen, so hatte ihn Lewald doch von dieser Seite aufgefaßt, und zwar ganz in der sauberen Weise, die die Genrebilder dieses Schrifttstellers auszeichnet: Lewald nannte Börne’s Einrichtung eine aristokratische. Ein gar zu demokratischer Deutscher zog aus der aristokratischen Umgebung sofort den Schluß: Lewald habe Börne für einen Aristokraten erklärt. ‚Nun, glauben Sie denn, daß ich durchaus in den deutschen Eichwäldern leben müsse, um kein Aristokrat zu sein? Lassen Sie mir immer die aristokratische Umgebung, ich wollte, alle deutschen Schriftsteller hätten sie aufzuweisen.‘“

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sein Werk sogar mit Glanz versehen und auf ein eindrucksvolles Auftreten achten müsse, wie es traditionell adelige Manier sei, wenn man im kommerzieller geprägten franzö­sischen Literatursystem Erfolg haben wolle.862 Rahel Varnhagen schrieb 1831 an Pückler, dass sie während ihrer Krankheit entdeckt habe, dass sie „der größte Aristokrat“ sei, da sie „ein besonderes, persön­liches Schicksal“ verlange und nicht an irgendeiner Seuche, sondern „allein an meinen Übeln sterben“ will: „das bin ich; mein Karakter, meine Person, mein Phy­sisches, mein Schicksal“.863 Auch sie begriff Adeligkeit nicht im Sinne eines privilegierten gesellschaft­lichen Standes, sondern als besondere, individuelle Lebensform und schätzte aus dieser Perspektive – wie viele andere Kritiker – Pückler und seine Literatur.864 Ähn­lich wie sie beschrieb Jenny von Gustedt 1831 Pückler als „geistesadeligen Menschen“.865 Die bürger­liche Gesellschaft der 1830er-Jahre hatte also ein ambivalentes Verhältnis zum Adel. Der Vorstellung vom Adel als ­sozialer Schicht stand die Vorstellung vom Adel als kulturellem Konzept gegenüber. Einig waren sich die meisten darin, dass die Gesellschaft nur durch mehr Freiheit, Gleichheit und Teilhabe verbessert werden könne. Vor allem die Vorstellung von einer standes­ unabhängigen Adeligkeit erwies sich dabei als machtvoller Hebel für die Kritik am Adel als Stand. Schon seit 1800 hatte die gebildete und künstlerische Elite das Adelskonzept durch „Umcodierung und Neusemantisierung“ für sich fruchtbar zu machen versucht. In diesen „Hybridisierungsvorgängen“, wie sie etwa an Rahel Varnhagens Bemerkungen zu beobachten sind, erkennt Jochen Strobel eine grundlegende Gefährdung für die politische und s­ oziale Stellung des Adels als „­soziale Gruppe“.866

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(Beurmann 1837, S. 47 f.). Beurmann (bzw. der von ihm zitierte Börne) bezieht sich dabei auf Lewald 1836, Zitat S. 307. Vgl. Beurmann 1837, S. 43 ff. Rahel von Varnhagen an Pückler. Berlin, 9. Oktober 1831 (Pückler 1873/3, S. 62). Rahel über die Briefe: „Münd­lich mehr davon; wie von meiner vortreff­lichen, höchst amüsanten Lektüre! Sie spart mir nicht die Reise nach und in England; sondern sie läßt sie mich wirk­lich höchst nütz­lich und ergötz­lich machen. Übt den Zauber aus, den ich mir immer wünsche: durch ein Zauberperspektiv nach den Orten hinsehen zu können, die wir kennen möchten; mein Buch ist s­ olcher Gucker, und liefert noch die geistvollsten, launigsten, melancho­lischsten, sinnvollsten, tröst­lichsten Bemerkungen obenein!“ Rahel Varnhagen an Pückler. Berlin, 26. August 1830 (Pückler 1873/3, S. 17 f.). Jenny von Gustedts 1833 geschriebene Äußerung über Pückler als Autor der Briefe eines Verstorbenen (Braun 1910, S. 206 f.). Strobel 2010, S. 3.

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Dass gerade Pückler zur Projektionsfläche für Hoffnungen auf eine den Adel gesellschaft­lich relativierende Annäherung bzw. „Vermittelung der Stände“ (Theodor Mundt) wurde, liegt an seiner bei allem ‚Adelsstolz‘ konsistenten Inszenierung als fortschritt­licher Freidenker, der sich nicht scheut, seinen eigenen Stand zu kritisieren und zu provozieren.867 Selbst Karl Gutzkow sah es als Pücklers Verdienst, dass er vermittele, „wenn auch nicht die Stände, doch die Interessen derselben“, und dass er dabei „Ideen-Schleichhandel“ betreibe.868 Wie erfolgreich dieses Projekt des „Elitenkompromiss[es]“ war, ist allerdings schwer einzuschätzen, da die Wirksamkeit der in dieser Zeit ebenfalls gegen den Adel gerichteten preußischen Politik nicht unterschätzt werden darf.869 Für Pückler ist indessen zu konstatieren, was Dieter Langewiesche als Effekt der bürger­lichen Adelskritik insgesamt vermutet: dass sie „zur Selbstbehauptung des Adels beigetragen“ habe.870 Obwohl Pückler offen an seinem Anspruch auf adelige Privilegien und eine gesellschaft­liche Vorrangstellung festhielt, hat sich sein Ruf durch seine Literatur und ihre Akzeptanz auch im bürger­lichen Lager deut­lich verbessert. Es ist deshalb von Interesse, mit w ­ elchen Argumenten und mög­lichen Intentionen Pückler trotz seiner unübersehbaren adeligen Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit in der publizistischen Öffent­lichkeit von Autoren wie Varnhagen, Laube oder Mundt gefördert wurde. Ein Motiv für ihre Förderung lag sicher in persön­licher Verbundenheit; ­Varnhagen und Laube waren persön­liche Freunde von Pückler. Allerdings bestanden auch zwischen Heine und Pückler Sympathien, ohne dass Heine Pücklers Literatur nach kurzem Anfangsinteresse weiter unterstützt hätte. Vielmehr teilte er Pückler mit, dass er ihm zwar „wahr­lich recht herz­lich zugethan“ sei, aber nur „mensch­lich, nicht schriftstellerisch!“.871 Die Gründe für die öffent­ lichkeitswirksame Förderung von Pücklers Literatur sind folg­lich nur teilweise im Persön­lichen zu suchen.

867 Mundt 1835, S. 381. 868 Gutzkow 1836, S. 55. 869 Strobel 2010, S. 7. Vgl. dazu auch Reif 1994; Marburg/Matzerath 2001. Zum Adel in Preußen Reif 1995. 870 Langewiesche 1994, S. 11. 871 Heine an Pückler. Paris, vermut­lich 1835 (Pückler 1874/5, S. 51 f.).

Pücklers Erfolg als Schriftsteller: der Adelige in der Literatur

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Karl August Varnhagen von Ense: Pücklers ‚förderlicher‘ Adel

Karl August Varnhagen von Ense ist nicht als Konservativer oder gar Anhänger der Restauration bekannt. Dennoch engagierte er sich sehr für den sich als Adeligen begreifenden Pückler. Warum? Im von Assing publizierten Briefwechsel zwischen Pückler und Varnhagen lässt sich viel Respekt und Sympathie der beiden füreinander erkennen, die in der gemeinsamen Erfahrung begründet sein mögen, von der preußischen Regierung (und insbesondere von Hardenberg) abgelehnt und von einer öffent­lichen Rolle ferngehalten worden zu sein.872 Beide strebten nach gesellschaft­lichem Aufstieg und Erfolg und haben sich, wie einige Zeitgenossen es wohl gesehen haben, eine höhere gesellschaft­liche Stellung ersch­lichen, als ihnen zustand – Varnhagen sein Adelsprädikat ‚von Ense’, Pückler den Fürstentitel. Nicht zuletzt hat vermut­lich die Aura des Abenteurers und des großen Individuums, mit der Pückler sich zu umgeben wusste, Varnhagen fasziniert, in dessen Biographischen Denkmalen dieser Aspekt eine wichtige Rolle spielt.873 Allerdings hat Terry H. Pickett nicht zu Unrecht auf einen ironischen Unterton in den Denkmalen hingewiesen. Auch wenn Varnhagen also die Briefe eines Verstorbenen allein mit Verweis auf die durch Pücklers Zugehörigkeit zur „vornehmen Welt“ geprägte Sichtweise lobt, ist das nicht als opportune Bejahung gegenwärtiger gesellschaft­licher Zustände zu verstehen, wie Werner Greiling zeigt:874 Nach ­sozialer Herkunft, Ausbildungsgang und Tätigkeit ist Varnhagen als Intellektueller, als Angehöriger des Bildungsbürgertums anzusehen, der natür­lich sehr genau um die Privilegien des Adels wusste. Als sich in der Zeit der antinapoleonischen Kriege die Mög­lichkeit einer politischen bzw. diplomatischen Karriere für ihn abzuzeichnen begann, versuchte er den Bonus adliger Herkunft auch für sein Fortkommen zu n ­ utzen. […] Gegen den Adel als bevorrechteten Stand hat Varnhagen andererseits mehrfach Vorbehalte geltend gemacht. Er hielt ihn „für den tiefsten Giftstoff unsrer gesellschaft­lichen Zustände“, und formulierte etwas pathetisch: „Gegen dieses Übel zu kämpfen, ihm auf jede Weise und überall Abbruch zu tun, durft’ ich um so mehr für meinen Beruf und meine Pflicht halten, als die geistvollsten und red­lichsten Edelleute und die ersten Staatsbeamten hierin mit mir übereinstimmten.“ 872 Vgl. Greiling 1993, S. 63 ff. 873 Vgl. ebd., S. 70 und Gatter 2010, v. a. S. 215 ff. 874 Pickett 1985, S. 58; Varnhagen 1833a, S. 311; Greiling 1993, S. 73 (die von Greiling zitierte Stelle ist eine Notiz Varnhagens vom Februar 1830).

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Varnhagen unterstützte Pückler also, weil er zwischen ‚richtigem‘ und ‚falschem‘ Adel unterschied und Pückler ganz offensicht­lich zum ‚richtigen‘ zählte. Die Briefe eines Verstorbenen schätzte er, weil sie unmittelbarer und naiver Ausdruck dieses ‚richtigen‘ Adels seien – deshalb seien sie ein „ächtes und ursprüng­liches Buch“.875 Literatur ist für Varnhagen ein Medium der Erkenntnis, das die „Eigenthüm­ lichkeit [der] besondern Lebensstellung“ ihres jeweiligen Schöpfers „mitauszudrücken“ imstande sei. Das Spektrum der ‚Lebensstellungen‘ teilt er dabei in drei Bereiche: Den vornehmen, den „volksartigen“ und den des Genius. Die aus der privilegierten Sozialisierung entstehenden Charakteristika einer ‚vornehmen‘ Literatur, die sich in den meisten Rezensionen von Pücklers Werken wiederfinden, charakterisiert er so:876 Von ­solchem Verein höchst wirksamer Einflüsse gedeihen in der That auch für Gemüth und Geist ganz eigenthüm­liche Blüthen und Früchte, eine freie und kühne Grazie, eine nachlässige Sicherheit, ein feiner und scharfer Reiz, ein erwünschter Geschmack, wie andrerseits dem Volksartigen eine urkräftige Fülle, eine dunkle Tiefe des Gefühls und eine lieb­liche Naivetät eigen sind. Allerdings liegt zwischen den beiden Äußersten der Volkslitteratur und der vornehmen ein höheres drittes Gebiet, das des Genius, dessen Macht ohne Schranke waltet, auf gleiche Weise das wahrhaft Vornehme und das wahrhaft Nationale in sich zusammenfaßt und den Gegensatz aufhebt. Allein andern Ortes wird gleichwohl der Unterschied fortbestehn, und wir werden nicht umhin können, weil er besteht, ihn auch auszubilden, wie auf der Volksseite bisher auch genug geschehn ist, aber nicht auf der vornehmen, und wer dürfte läugnen, daß auch von dieser Seite in der Litteratur, wenn nicht die höchsten und großartigsten, doch gewiß die erfreu­lichsten und förder­lichsten Erscheinungen hervorgehn könnten?

Prinzipiell stimmt Varnhagen hier mit den meisten anderen Kritikern überein, die an den Briefen den sonst nicht mög­lichen Einblick in die Sphäre der Aristo­kratie – und damit indirekt auch deren oft satirische Darstellung – loben. Varnhagen schreibt jedoch nicht über den eng­lischen oder deutschen Adel, sondern über das ‚Vornehme‘ an sich, dessen literarischem Abbild bzw. Ausdruck er literaturästhetischen Wert zuschreibt, da es ‚erfreu­lich‘ und ‚förder­lich‘ sei. Seine Rezension handele nur vom „ästhetischen Werth“ des Buches und „von dem geistreichen Eindrucke, den es giebt, von der Bedeutsamkeit, ­welche es

875 Varnhagen 1833a, S. 313. 876 Ebd., S. 331 f.

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als Erscheinung in unsrer Litteratur hat“; für den „eigent­lichen Inhalt, für seine besonderen Ansichten und einzelnen Urtheile“ will er nicht einstehen.877 Es ist indes eher unwahrschein­lich, dass er hier tatsäch­lich einer politisch interesselosen ästhetischen Einstellung das Wort spricht, obwohl seine politische Haltung nur andeutungsweise erkennbar ist. So akzeptiert er den ‚vornehmen‘ Stand zunächst scheinbar uneingeschränkt und unterscheidet nicht zwischen ‚guten‘ oder ‚schlechten‘ Mitgliedern; die adelige Charakteristik von Pücklers Schreiben führt er auf eine adelige Sozialisierung zurück, wie sie auch beim konservativsten Adeligen zu finden ist. Vor allem aber verteidigt er Pücklers Adeligkeit gegen Börnes Forderung, das „eigenthüm­lich Ausgezeichnete der Vornehmheit“ und seinen Einfluss „wenigstens aus der Literatur hinweg[zu]weisen“, also seiner Ablehnung aller adeligen als ­soziale Ansprüche.878 ­Varnhagen sieht dagegen Literatur als geeigneten Katalysator für adelige Prätentionen, da sie hier im Gegensatz zur gesellschaft­lichen Realität nicht schaden könnten. Gerade in der Literatur könnten die Eigenheiten einer adeligen Erziehung, „deren verletzendes Übergewicht man in dem Weltleben oft hassen und meiden mag, sich am harmlosesten und freund­lichsten geltend machen“, und er bezeichnet es als „Vorurtheil und Beschränktheit, die eigenthüm­lichen Wirkungen thatsäch­ licher Zustände nicht anerkennen und würdigen zu wollen“.879 Darin kommen zwei Ideen zum Ausdruck, die auf eine subversive reformfreund­ liche Tendenz von Varnhagens Briefe-Rezension schließen lassen. Einerseits ist das die Forderung an den Adel, sich aufs literarische Feld zu begeben – vordergründig, weil die Produktionen adeliger Literaten von ganz eigenem Interesse seien und diese die Welt anders zu zeigen vermögen als bürger­liche Schriftsteller. Es lässt sich jedoch vermuten, dass dahinter die Hoffnung steht, dass er als Rezensent Deutungsmacht über den sonst entfernt von jeder bürger­lichen Öffent­lichkeit agierenden Adel bekommt. Andererseits spricht er von den „Wirkungen thatsäch­licher Zustände“, die man nicht ignorieren dürfe, und die die Literatur (die ‚vornehme‘ wie die ‚volksartige‘) prägten. Wovon er in der Rezension nicht schreibt, was aber als die feste Überzeugung des Goetheverehrers und Beförderers von Goethes Nachruhm Varnhagen angesehen werden kann, ist die Auffassung, dass nicht nur die Zustände die Literatur prägen, sondern auch Literatur die Umstände verändern kann, und zwar hin zu einem „von Standesgrenzen, s­ ozialen Gegensätzen

877 Ebd., S. 400. 878 Börne 1832, S. 54. 879 Varnhagen 1833a, S. 405.

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und politischen Vorurteilen freien Dasein“, wie es Goethe verkörperte und Varnhagen – in Greilings Sicht – mit der Gründung der Goethe-Gesellschaft befördern wollte.880 Vor allem vor dem Hintergrund von Varnhagens intensiver Auseinandersetzung mit dem Saint-Simonismus steht zu vermuten, dass seine scheinbar affirmative Sicht auf den Adel nicht Kritik, sondern die Hoffnung auf eine in kleinen Schritten, harmonisch und evolutionär zu erreichende Bewusstseinsänderung birgt.881 Nachdem er Pücklers Werk als typischen Ausdruck der ‚vornehmen Welt‘ deklariert hatte, unterstellt er, dass sich Pücklers „völlige Unbefangenheit“ zumindest teilweise aus ‚dem Vornehmen‘ ableiten ließe. Diese Unbefangenheit aber, „die ihn zu den höchsten Personen und Kreisen begleitet, und die gleich weit davon entfernt ist, sich imponiren zu lassen, oder in gereizte Opposition zu treten, w ­ elches letztere auch eine Art von Befangenheit ist“, ist hier als Resultat

880 Vgl. Greiling 1993, S. 91 ff., Zitat S. 94. Ähn­lich argumentiert übrigens auch ­Gutzkow, der Pücklers Berührungen mit adelsfremden Bereichen des Lebens lobt: „In Wahrheit hat sich der Verstorbene um die deutsche Literatur ein Verdienst erworben. Er vermittelt, wenn auch nicht die Stände, doch die Interessen derselben. Als ein ­geschickter Parlamentär bringt er zwei Feldlager zur gegenseitigen Verständigung. Bekränzt mit Seltsamkeiten, ein Füllhorn von Wunders, ­welche der Aristokratie neu sind, von bürger­lichen Silenen und Chironen erzogen, tritt er wie der jugend­liche Gott ­Phantasus in die Salons. Er ist wie ein aufgefundener Königssohn, den eine Wölfin säugte, und Hirten zu ihren eigenen Kindern gesellten; der in so wildfremden Anschauungen auflebte, daß ihm, zurückgekehrt zu seinen Eltern, die Liebkosenden alles Ungehörige und der Etikette nicht Zusagende vergeben müssen. Ein Ambassadeur passirt bekannt­lich an der Gränze zollfrei; aber es ist wohl schon geschehen, daß er in dem fremden Lande einen heim­lichen Detailhandel verbotener heimischer Waaren etablirt, dessen polizei­liches Risico der Kammerdiener tragen muß. So treibt dieser Fürst einen Ideen-Schleichhandel zwischen den verschiedenen Ständen; er nimmt in die Audienzsäle die Heimchen und Grillen der Dachstube, oder läßt auch zuweilen eine recht revolutionäre Ratte unter die Beine der vornehmen Herren und Damen springen. Er komme nur! die Demokratie wird ihm alles zeigen, was sich Heim­liches in ihren Arsenälen vorfindet; denn das ist wahr, der Fürst besitzt eine unverwüst­liche Ehr­lichkeit. Er reitet noch immer den Adel als sein Steckenpferd; und recht traurig muß es doch mit der Aristokratie aussehen, daß ein Standesherr, ein Pair über seine Leute so unglück­liche Ausdrücke fallen läßt. Spricht er vom Landadel doch so, als säete dieser nicht, und erntete nicht, und als reuete es unsern himm­lischen Vater end­lich, ihn dennoch zu ernähren. Doch schwebt leider das Alles, was der Fürst über die Reform des grundherr­lichen und dabei durch und durch verhypothecirten Adels sagt, in der Luft.“ (Gutzkow 1836, S. 54 – 56). 881 Vgl. Greiling 1993, S. 90 und Pickett 1985, S. 73.

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einer für jede ‚richtige‘ Gesellschaftsentwicklung unbedingt notwendigen Vorurteilslosigkeit zu verstehen, die er am Revolutionär Börne ebenso wie an der preußischen Oberschicht vermisst.882 Dass Pückler für Varnhagen trotz aller persön­licher Verbundenheit in e­ rster Linie ein geeignetes Symbol zur Propagierung seines Adelsbildes war, zeigt seine Version von Pücklers Biografie, die er 1833 für das Brockhaus Conversations-­ Lexicon verfasst hat. Zuvor hatte er Pückler um einige Notizen über sein Leben gebeten. Pückler selbst umriss daraufhin sich und sein Leben folgendermaßen für die Öffent­lichkeit:883 Geboren 1785, 30. Oktober als Sonntagskind um Mitternacht. Abstammend von einer uralten Familie, die sich von Rüdiger von Pechelaren, dem Nibelungenhelden herschreibt (S. Almanach de Gotha 1826.) Eine Linie derselben war reichsunmittelbar, die andere seit 1655 Reichsfreiherr­lich, seit 1690 in dem Reichsgrafenstand. 1802 in Leipzig studirt, dann bei der säch­sischen Garde de Corps gedient. 1804 als Rittmeister quittirt, und vier Jahre in Europa umhergereist. 1812 Besitzer der Standesherrschaft Muskau geworden. 1813 und 14 den Krieg als Volontair und Adjutant des Herzogs von Weimar mitgemacht. Gefechten in Holland beigewohnt, einen Partisanzug mit Oberst Geismar gemacht, wo ich einige Kanonen erbeutete, und unter der Rubrik „für persön­liche Tapferkeit“ zum Oberst-Lieutenant advancirt wurde, später für einzelne Affairen Wladimir- und St. Louis erhielt. Von Geismar durch den Herzog abberufen, einige Monate als provisorischer Civil- und Militairgouverneur in Bruges fungirt. Die Stadt machte mir ein Geschenk von 1000 Napoleond’or, die ich dem General von Vorstel mit 1000 Austern überschickte. Nach dem Frieden langer Aufenthalt in England. Von da auf meine Güter gegangen, und eine Reihe Jahre ihrer Verschönerung gewidmet. Park in Muskau. Aufenthalt in Berlin. Des Staatskanzlers Tochter geheirathet, und bis an seinen Tod eine Art Günstling von

882 Varnhagen 1833a, S. 405. 883 Pückler an Varnhagen. Muskau, 18. Dezember 1832 (Pückler 1873/3, S. 130 f.). Pückler war dabei offensicht­lich kurzzeitig dem Missverständnis erlegen, Varnhagen wolle auch über ihn eines seiner Biographischen Denkmale verfassen und ihn somit in eine Reihe mit historischen (adeligen) Helden stellen: „Sie werden verehrtester Freund, über mein letztes Billet gespottet haben, und gewiß geglaubt, ich bilde mir ein, Sie wollten eine lange Lebensbeschreibung von mir liefern. Nein, ich weiß sehr wohl, daß es nur eine Notiz sein soll, aber auch diese muß doch eben deshalb ein gewisses Interesse darbieten, weil der Gegenstand so sehr armselig ist.“ Pückler ist sich also in jedem Fall bewusst, dass seine Biografie „ein gewisses Interesse darbieten“ muss, dass es also um eine gut zu überdenkende Inszenierung geht. Pückler an Varnhagen. Berlin, 6. Januar 1832 (Pückler 1873/3, S. 86).

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ihm gewesen, ohne jedoch irgend eine, mir oft von ihm dringend angebotene fixirte Dienststellung annehmen zu wollen. Als Entschädigung für verlorene Ehrenrechte in den Fürstenstand erhoben, keineswegs aus Gunst. Später aus Familienursachen, aber im besten Vernehmen und Einverständniß mit meiner Frau, von dieser geschieden. Wo mög­lich ein paar vortheilhafte Worte über sie anzubringen. Abermalige Reise nach England. Präsumtiver Verfasser der „Briefe eines Verstorbenen.“

Abgesehen von dem Verweis auf seine ‚Sonntagskindschaft‘ und seine ‚präsumtive‘ Verfasserschaft der Briefe eines Verstorbenen bewegt sich Pücklers biografische Skizze ausschließ­lich in den Koordinaten adeligen Seins; bei der Beschreibung der Familiengeschichte folgt er sogar bis in die Wortwahl dem Gothaer Almanach.884 Den größten Part seiner Biografie nehmen in Pücklers Repräsentation militärische Stationen und Erfolge ein, ihnen widmet er über ein Drittel des Textes. Mit der Erzählung einzelner ‚Heldentaten‘ und Streiche (der Eroberung von Kanonen, der Übersendung von geschenktem Geld mit Austern) zeigen sich deut­liche Anklänge an Varnhagens Biographische Denkmale. In besonderem Maße deutet er jedoch seine Beziehung zu Hardenberg um. So verweist ­Pückler auf seine Ehe mit des „Staatskanzlers Tochter“, was verzerrt und respektlos erscheint, immerhin war das Verhältnis zwischen Hardenberg und seiner von ihm sogar enterbten Tochter lange schlecht; als Staatskanzler hat Hardenberg zudem ja versucht, jede Beziehung zu Pückler zu vermeiden. Pückler nutzte die ihm durch die Briefe eines Verstorbenen zugekommene Aufmerksamkeit also offensicht­lich vor allem dafür, die Schmach seines Scheiterns in der adeligen Gesellschaft und der Regierung von Preußen umschreiben zu lassen. Auffällig ist, dass er auf seine gartenkünstlerische Tätigkeit und seinen Garten nur stichpunktartig verweist und ihnen keinen größeren Rang einräumt. Als Pückler diese Notiz 1832 mit mehrmonatiger Verspätung end­lich an ­Varnhagen schickte, hatte dieser den Artikel schon längst geschrieben, versicherte Pückler aber, dass dessen „Rücksichten […] im voraus beachtet“ worden seien und der Artikel ganz im Sinne Pücklers sei, zumal „um so weniger Absicht­ liches durchschimmert, was durchaus vermieden bleiben muß“.885 Es gibt jedoch wesent­liche Unterschiede zwischen Pücklers und Varnhagens Lebensbeschreibung. Insgesamt ist Varnhagens Artikel weitaus detaillierter und ausführ­licher; er ist über viermal so lang wie Pücklers Notiz. Pücklers militärische Karriere

884 Gotha 1826, S. 131 ff.: „Maison comtale trés-anciennes…“. 885 Varnhagen an Pückler. Berlin, 23. Januar 1833 (Pückler 1873/3, S. 137).

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kommt bei Varnhagen ebenfalls zur Sprache, nimmt hier allerdings nur ca. ein Fünftel des Textes ein und damit weitaus weniger als bei Pückler. Auch Varnhagen geht auf Pücklers adelige Qualifikationen ein, erinnert daran, dass Pückler oft die Gelegenheit zu „Wagniß und Abenteuer“ wahrgenommen, als „geschickter und unerschrockener Reiter […] Aufsehen und Bewunderung“ erregt und sich in den Freiheitskriegen „in Waffenthaten und sonstiger entschlossenen und kraftvollen Thätigkeit“ ausgezeichnet habe.886 Abgesehen davon unterscheiden sich die Werte grundlegend, an denen P ­ ückler und Varnhagen ihre Lebensbeschreibungen ausgerichtet haben, vor allem in einem Punkt: Während Pückler auf seine Bildung kaum eingeht, widmet ­Varnhagen ihr nicht nur einen eigenen Absatz, sondern macht sie zum roten Faden ­seiner Lebensbeschreibung. Die pücklersche Familiengeschichte unterschlägt er zugunsten von Pücklers Bildungsweg:887 Pückler-Muskau (Hermann Fürst von), geboren den 30. Oct. 1785 zu Muskau in der Lausitz, erhielt seine früheste Erziehung theils daselbst, theils in Dresden, wo sein Vater, Graf von Pückler-Muskau, kursäch­sischer wirk­licher Geheimrath war. Vom siebenten bis zum eilften Jahre befand er sich in der herrnhutischen Lehranstalt zu Uhyst, höhern Unterricht empfing er sodann auf dem Pädagogium zu Halle, und weiterhin unter Leitung eines Hofmeisters zu Dessau. Er bezog 1800 die Universität Leipzig, wo er dritthalb Jahre sich dem Studium der Rechtswissenschaften widmete, aber auch andre Zweige einer gründ­lich gelehrten Bildung nicht verabsäumte.

Anschließend beschreibt der Artikel Pücklers Zeit im Garde du Corps in Dresden. Dieses „Treiben“ habe jedoch Pücklers „unruhig nach Höherm strebenden Geiste nicht lange genügen“ können, weshalb er seinen Abschied gesucht und auf eine Reise gegangen sei, deren Stationen – Wien, Südfrankreich, ­Italien – Varnhagen genau verzeichnet. Nach der Übernahme der Standesherrschaft habe Pückler dann „seinen Sinn auf Verschönerung und Erhebung des Stammguts“ gewendet; zur gleichen Zeit habe er (auch das ein Ausweis für Pücklers Bildungs- und Kulturinteresse) die noch anonymen Gedichte des später anerkannten Leopold Schefer herausgegeben, die man aber ihrer „eigenthüm­liche[n] Vortreff­lichkeit“ wegen schon damals Pücklers eigenem literarischem Talent zugeschrieben habe.888

886 Varnhagen 1833b, S. 673 f. 887 Ebd., S. 673. 888 Ebd., S. 673 und 674.

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Varnhagen unterdrückt zwar nicht die adelige Seite von Pücklers B ­ iografie (er erwähnt auch die von Hardenberg angeb­lich geplanten Anstellungen P ­ ücklers), beschreibt aber Pücklers Leben unter bürger­lichen Gesichtspunkten, näm­lich als Bildungs- und Geistesgeschichte. Das Motiv vom „unruhig nach Höherm strebenden Geiste“ gibt Pücklers Leben in Varnhagens Biografie Sinn und Einheit. Während Pückler in seiner Notiz von sich selbst nur mitteilt, was er war, berichtet Varnhagens Artikel von Pücklers Entwicklung. Herrnhut, Dessau und Leipzig stehen dabei in einer bürger­lichen Sichtweise ebenso wie ­Italien, Frankreich und England für Orte, an denen man eine fundierte Bildung erwerben und sich aufklären kann. Varnhagen geht durchaus auch auf Pücklers Abenteuer­lust ein, wohl weil seine Reiterkunststücke und die waghalsige Luftschifffahrt beweisen können, dass Pückler kein blasser Stubengelehrter ist. Varnhagen macht aber deut­lich, dass sie nichts mit Pücklers ‚Geist‘ zu tun haben, den Pückler nur als Gartenkünstler, Kunst- und Literaturförderer (erwähnt werden Schefer, ­Schinkel und – irrtüm­lich – Brentano) sowie end­lich auch selbst als Schriftsteller zur Entfaltung gebracht habe.889 Nicht zuletzt hebt Varnhagen die Erfahrungen hervor, die Pückler als mittel­ loser jugend­licher Reisender gemacht hat und durch die er „früh eingeweiht und geprüft in Gebieten und Richtungen des Lebens“ geworden sei, „­welche gewöhn­lich Personen seines Standes zum größten Nachtheil gänz­lich unbekannt bleiben“.890 Varnhagen zeichnet also das Bild eines zwar adelig geborenen

889 „Neben dem Ruhme dieser Genialität [als Gartenkünstler, I. M.] hat ihm das Gerücht inzwischen auch den Ruhm einer andern, in einem ganz neuen Gebiete, beigelegt. Es war näm­lich gleich anfangs den meisten Lesern sehr wahrschein­lich, und wird jetzt durch die allgemeine Stimme in Deutschland und England als unzweifelhaft angesehen, daß das berühmte Buch: ‚Briefe eines Verstorbenen‘, […] niemand anders als den Fürsten P. zum Verfasser habe. Das ungemeine Aufsehen, ­welches dieses Buch in Deutschland, wo es sogleich eine neue Auflage erlebte […], in den höhern ­Kreisen machte, das ausgezeichnete Lob, ­welche ihm Goethe bei uns ertheilte, und die Ohnmacht der dagegen von manchen Orten her versuchten Feindseligkeiten sind hinläng­lich bekannt, und sollte jene Behauptung sich bestätigen lassen, so unterliegt es keinem Zweifel, daß diese Autorschaft dem Namen des Fürsten von P. zu seinen übrigen Auszeichnungen, auch in der deutschen Literatur einen unvergäng­lichen Ruhm sichert.“ (Varnhagen 1833b, S. 675). 890 „Immer aufs neue zu seinem schönen und großen Wirken in Muskau hingezogen, fuhr er fort, mit persön­licher Thätigkeit dort einzugreifen, seine herr­lichen Anlagen zu erweitern, zu vervollkommnen. Er fand hiezu eine Reise nach England erforder­ lich, trat dieselbe 1828 an und verweilte daselbst und in Frankreich über ein Jahr. Nach seiner Rückkehr hat er die Verschönerungen in Muskau mit neuem Eifer nach

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und geprägten, jedoch mithilfe von Bildung, Reisen und genialem Geist die Beschränktheiten seines Standes aufbrechenden Künstlers, der nicht wegen seiner Geburt, sondern wegen seines Bildungsstrebens und seiner geistvollen Werke Ruhm verdient. Pücklers adelige Identität sowie sein Ehrgeiz in Bezug auf seine Stellung in der adeligen Gesellschaft sind hierin nicht zu erkennen, obwohl andere Zeitgenossen diese deut­lich aus Pücklers Werken herausgelesen und ihm zum Vorwurf gemacht haben. Heinrich Laube: Pücklers ‚moderner‘ Adel

Neben Varnhagen hat besonders Laube großen Einfluss auf Pücklers bleibendes ‚Image‘ wie Selbstbild gehabt. Laube war dabei ebenfalls schon früh von Pückler fasziniert. 1834 bat er ihn, sein Reisebegleiter werden zu dürfen, und obwohl Pückler das ablehnte (die Gründe werden noch zu sehen sein), entwickelte sich aus der damit begonnenen Korrespondenz ein bis zu Pücklers Lebensende währender freundschaft­licher Briefwechsel. Pückler war dabei vor allem von Laubes ihm deut­lich entgegengebrachter Bewunderung und Zuneigung motiviert. Diese zeigte sich etwa in Laubes Reaktion auf ein Gerücht über Pücklers Tod, von der ihm Varnhagen berichtete: Laube sei zutiefst bestürzt gewesen und habe beschlossen, Pücklers Biograf zu werden, weil er enthusias­tisch glaubte, dass „vielleicht niemand von des nun wirk­lich Verstorbenen bedeutender histo­ rischer Stellung so durchdrungen“ sei wie er, Laube, und deshalb „nicht einer so warm schreiben“ würde wie er. 891 Pückler, der 1832 noch bedauert hatte, nichts zu gelten, weil er keine historische Rolle spielte, war von Laubes „Einfall“ wie von allem, „was er sagt“, geschmeichelt und ließ ihm mitteilen, dass er ihn „nicht aufgeben soll“.892 Laube verstand Pückler vor allem deshalb als eine historisch bedeutende Figur, weil er in ihm ein Medium für die Durchsetzung seiner Vorstellung einer freien Gesellschaft sah, für die die Veränderung der Rolle des Adels notwendig sei. Wie die vielen Rezensenten von Pücklers Werken interessierte auch Laube vergrößertem Maße fortbetrieben und ­diesem Werke eine wahrhaft geniale Vollendung gegeben.“ (ebd., S. 674). 891 Varnhagen an Pückler. Berlin, 9. Dezember 1834 (Pückler 1873/3, S. 269). Die Nachricht von Pücklers vermeint­lichem Tod habe Laube „zu den bittersten Thränen“ gerührt; „erst an dem Schrecken“ habe er begriffen, wie sehr er „eigent­lich den Mann geliebt hatte“ (S. 268). 892 Pückler an Lucie. Muskau, 27. Oktober 1830 (Pückler 1875/7, S. 209); Pückler an Varnhagen. Marseille, 26. Dezember 1834 (Pückler 1873/3, S. 270).

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an Pückler in erster Linie seine Ausprägung von Adeligkeit; aus literaturkri­ tischer Sicht fand er seine Bücher hingegen medioker. So seien etwa die Tutti Frutti, „die Form anlangend, ein Monstrum“. Er bedauerte, dass Pückler „sich nicht die Mühe nimmt, eine schöne, fertige Form zu erstreben“, und bezweifelte, „daß er es je dahin bringt“.893 Zudem störte ihn Pücklers „Todtjagen dieses oder jenes mittelmäßigen Einfalls, […] seine Coquetterie mit dem anonymen Fürsten, mit den weggeworfenen Thalern und Goldstücken“.894 Pückler interessierte ihn als Schriftsteller, weil er davon überzeugt war, dass nur ein adeliger Schriftsteller vom Adel wirk­lich wahrgenommen werde und diesen beeinflussen könne. Alle Menschen seien „für Alles zugäng­lich, es ­müssen nur die rechten Wege gefunden werden, man muß nur die rechte Sprache finden“. „Der Edelmann“, so fährt Laube in seinem Aufsatz über Pückler fort, sei „der Schriftsteller für den Edelmann, Voltaire und Mirabeau hätten nicht so viel Macht gefunden unter den Chevaliers, wären sie nicht selbst Chevaliers gewesen“.895 Pücklers Verdienst sei es, dass er Adelige zum Lesen gebracht und ihr abfälliges Urteil über Schriftsteller revidiert habe. Wie Varnhagen hielt Laube sich und Pückler für gleichermaßen freigeistig. Pückler erschien ihm als Beispiel „einer neuen Bildungs-Aristokratie“; als „Gentleman-Schriftsteller“ vertrete er eine „demokratische Aristokratie“:896 Aber ich habe den Liberalismus seines saubern Geistes so lieb gewonnen, daß ich glaube, er spräche nicht viel anders, wenn er ein mächtiger regierender Fürst wäre. Der Adel wird nament­lich von ihm lernen, wie man alte verstorbene Dinge vergessen kann. Fürst Pückler ist von modernem Adel, man muß ihm kleine Reminiscenzen verzeihen, die

893 Laube 1835, S. 316 f. 894 Laube 1834b, S. 202. 895 „Es ereignete sich vor einigen Jahren das wunderbarste in meinem Heimathlande Schlesien: von Schloß zu Schloß flog das Gerücht, ein Edelmann, ein uns bekannter, befreundeter Edelmann, hat ein Buch geschrieben, und zwar, glaubt’s, ein geistreiches Buch. Dieser historische Moment hat mich über Vieles belehrt: alle Menschen sind für Alles zugäng­lich, es müssen nur die rechten Wege gefunden werden, man muß nur die rechte Sprache finden. Die höchst merkwürdige Freude, w ­ elche damals die Gesichter verklärte, war mir ein Trost für langes Leiden und ich sah ein Kriterium anerkannt, es war Verstellung gewesen, wenn sie so abgeschmackt von Schriftstellern gesprochen und Karl Schall einen Zeitungsschreiber genannt hatten – die Schriftsteller waren nur nicht die rechten gewesen. In jenem liebenswürdigen Winter fand man alle ad­lichen Herrn und Damen im Lesen begriffen“ (Laube 1835, S. 305 f. und 307). 896 Laube 1835, S. 311; Laube 1834b, S. 202 f.

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Wappenvögel, die ihm in schwacher Stunde hier und da durch den Sinn fliegen, haben keine Krallen, keine gefähr­lichen Schnäbel: es sind hohe Wolkenvögel, wie sie jeder Poet liebt.

Pücklers Briefe eines Verstorbenen seien zwar im „leichtsinnigen, gehaltlosen Styl“ eines „Salongespräch[s]“ geschrieben, aber „man ahnte doch durch ihr verstohlenes Lächeln, daß sie mehr seyen als ein ­solches“; ein „vornehmer Mann“ mache sich hierin gelungen „über die Vornehmen lustig“.897 Pückler habe eigent­lich ein „gründ­lich demokratisches Herz“, das nur, weil es die Schönheit zu sehr liebe, „aristokratische Formen dem verletzenden Sansculotismus“ vorziehe. Damit wertet Laube Pücklers Adeligkeit in erster Linie als ästhetisches Problem, das aber durchaus auch eine politische Bedeutung hatte: Laube schrieb für die Demokratie, aber die fehlende Bildung und Zivilisation des ‚Sansculotismus‘, der Pöbelherrschaft, störten ihn. So sehr er die Vorrechte des Adels abschaffen wollte, so sehr schätzte er die adeligen Umgangsformen aus ästhetischer Perspektive. Deshalb sah er in Pückler trotz seiner schwachen Werke einen bedeutenden Schriftsteller, denn an „einem liebenswürdigen Menschen lieben wir auch die Eitelkeit und das Geschwätz“.898 Das wichtigste Motiv für Laubes Wertschätzung war jedoch anscheinend seine Überzeugung, dass Pückler mit ihm auf einer Seite stehe gegen die ­stärker werdende Macht des Geldes und des ökonomischen Rationalismus, die er als weitaus bedroh­licher empfand als hierarchische Gesellschaftsstrukturen. ­Pückler war für ihn „der letzte moderne Ritter und Kämpe gegen die Helden des Geldes“; Pückler, Varnhagen und er gehörten „zu den mehr und mehr der Geschichte verfallenden poetischen Liberalen, die ein modernes Ritterthum wollen“, während die Gegenwart zunehmend zu einer „prosaische[n] Zeit des Geldes und des platten ­Nutzens“ werde.899 Poesie und Prosa waren dabei für Laube weit mehr als formal bestimmte literarische Gattungen; in seinen Äußerungen zu Pückler zeichnet er ein Konzept von Poesie und Prosa als Formen der Weltannäherung.900 Ihre konkrete Form ist dabei nebensäch­lich; Poesie und Prosa sind für Laube das, „was von

897 Laube 1834b, S. 202. 898 Ebd. 899 Varnhagen an Pückler (von Varnhagen aus einem Brief von Laube zitiert). Berlin, 9. Dezember 1834 (Pückler 1873/3, S. 268); Laube an Pückler. Berlin, 8. April 1835 (Pückler 1874/6, S. 8). 900 Vgl. Karg 1993, S. 31 ff.

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der Mehrheit der Gebildeten als s­ olche angesehen wird“, wie Jakob Karg pointiert.901 Mit seinem Poesiebegriff schließt Laube unter anderem an die Genie­ ästhetik des 18. Jahrhunderts an. So äußert er Pückler gegenüber, dass es für ihn „keine Poesie, als in der Persön­lichkeit“ gebe: „[D]ie Poesie ist aber die Gottheit in uns, sollen wir dieser die Macht und die Stimme in uns absprechen, und unsere innersten, unmittelbarsten Wünsche und Hoffnungen Lügen schelten!“ 902 Poesie wäre so gleichzusetzen mit jeder genia­lisch-subjektiven und zugleich engagierten Literatur; Prosa mit dem stärker werdenden rational-ökonomischen Diskurs. Laubes Überzeugung war, dass nur ein poetisches Sein zu wahrer Freiheit führen könne, wie er 1833 in seiner Briefnovelle Das junge Europa sein Alter Ego Valerius gegenüber dem konservativen William ausführen lässt:903 Der Freiheit widerspricht aber jede Art von Formel, sie betreffe Moral oder sonst etwas – erreichten wir selbst durch ­solche Formeln das allgemeine Wohl, so bezahlten wir dies doch mit dem allgemeinen Wohl, d. h. mit dem Wohle der Einzelnen, die von außen her nur gezwungen lebten, und nur in trostloser Gleichgewichtstheorie den allgemeinen Fall vermieden. So werden die Menschen beklagenswerte Negationen und die Haupttugend wird wie in manchem melancho­lischem Christenthume die Unterlassung, die Demuth. Es ist aber ein größeres Ziel unserer Richtung, die Menschen selbstständig zu veredeln, und die Veredelten Selbstherrscher werden zu lassen. – Die Millionen Selbstherrscher sind das äußerste Ziel der Civilisation. Dieses Ende verschließt Deine Autoritätstheorie für immer, Dein Schluß muß eine starre Monarchie sein, der meine ist die fröh­lichste, ungebundenste Allherrschaft, wo jede Individualität gilt, weil jede in sich gesetzmäßig ist und in ihrer Veredlung das neben ihr wandelnde Gesetz nicht stört. […] Drum bist Du Monarchist, ich Republikaner und mehr denn dies.

Damit das „Individuum selbstständig“ werden kann, müsse es sich jedoch „erst verschönern, geltend machen“.904 Diese Prämissen machen verständ­lich, warum Laube Pückler bewundert und gefördert hat, denn Pückler war „ein poetisches Gemüth“ und ein „Selbstherrscher“ – dass er an adeligen Formen und Ansprüchen festhielt, war verzeihbar, weil es keine starre „Formel“ zur ‚Selbstständigwerdung‘ gibt und dies eben der für Pückler passende Weg war.905 Auch die zweifelhafte Qualität von Pücklers 901 902 903 904 905

Ebd., S. 39. Laube an Pückler. Berlin, 8. April 1835 (Pückler 1874/6, S. 9). Laube 1833, S. 36 f. Valerius lebt wie Laube zu dieser Zeit in Breslau. Ebd., S. 39. Ebd., S. 42.

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Literatur schränkte Laubes Zustimmung zu Pückler deshalb nicht ein, da es Laube an erster Stelle darum ging, Literatur wieder mit einem „Bildungsauftrag“ zu versehen und ihr „durch Modernität des Stoffes und Popularität der Form […] einen Platz in einem fast ausschließ­lich mit Kategorien der Rationalität geführten öffent­lichen Diskurs [zu] sichern“, wie Karg zusammenfasst.906 Pückler war ein ideales Symbol für Laubes Überzeugungen. In seinen Modernen Charakteristiken von 1835 sah er in ihm „ein merkwürdiges Verbindungsglied zwischen den Extremen, ein merkwürdiges Zugeständniß der Intelligenz und eine nicht minder merkwürdige Rettung der durch Jahrhunderte erworbenen Form des Erscheinens, auch eine Rettung vor dem ­bloßen Golde, was uns bedroht“:907 Vieles, was wir umsonst sagen, wird ihm geglaubt, und Vieles, was wir glauben, sagt er. Seine Schriften sind eine gedruckte Conversation, und somit ebenfalls geeignet, Mancher­lei zu emancipiren; er ist kein Muster, aber doch in vielen Dingen ein Wegweiser.

In den Andeutungen über Landschaftsgärtnerei findet sich eine Stelle, die eine frappierende Ähn­lichkeit mit Laubes Poesievorstellung zeigt, wie er sie etwa im Jungen Europa formuliert hatte, das Pückler zumindest teilweise gelesen hat.908 So heißt es hier bei Pückler:909 Manche Ultra-Liberale werden vielleicht über einen ­solchen Gedanken lächeln, aber jede Form mensch­licher Ausbildung ist ehrenwerth, und eben weil die hier in Rede stehende sich vielleicht ihrem Ende naht, fängt sie wieder an ein allgemeines, poetisches und romantisches Interesse zu gewinnen, das man bis jetzt Fabriken, Maschinen und selbst Constitutionen noch schwer abgewinnen kann. Suum cuique. Euer ist jetzt das 906 Das und das Folgende Karg 1993, S. 20, 41 und 49. 907 Laube 1835, S. 319. 908 Ob diese Ähn­lichkeit zufällig ist oder ob Pückler sich dabei auf Laube bezieht, ist nicht zu klären. Im Januar 1834 wartete Rother noch auf das Erscheinen von Pücklers Gartenbuch, im Juli 1834 ist die erste Rezension erschienen (Rother an Pückler. Berlin, 11. Januar 1834. Pückler 1875/8, S. 359; Anonym 1834). Anfang April hatte Varnhagen Pückler die Lektüre von Laubes Das junge Europa ans Herz gelegt, weil er in Laube einen „natür­lichen Verbündeten“ Pücklers sah (Varnhagen an Pückler. Berlin, 2. April 1834. Pückler 1873/3, S. 213). Am 7. April schrieb Pückler ihm, schon ein Drittel des Buches gelesen zu haben und begeistert zu sein. Es ist also durchaus mög­lich, dass Pückler das Motiv von der ‚Poesie des Adels‘ von Laube übernommen hat (Pückler an Varnhagen. Muskau, 7. April 1834. Ebd., S. 218). 909 Pückler 1834a, S. 172.

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Geld und die Macht – lasst dem armen ausgedienten Adel seine Poesie, das Einzige, was ihm übrig bleibt. Ehrt das schwache Alter, Spartaner!

Offensicht­lich haben die Andeutungen Laubes Bild von Pückler bestätigt, denn als er Pückler im Juli 1834 bat, sein Reisebegleiter werden zu dürfen, begründete er sein Anliegen mit der Überzeugung, dass sie sich beide sehr ähn­lich seien und auf unterschied­lichen Wegen die gleichen Ziele verfolgten:910 Nun hat es mir immer geschienen, Ew. Durchlaucht, als kämen meine modernen Forderungen im Grunde mit den Ihrigen überein, meine kämen nur aus Herz und Kopf eines plumpen Bürgers, die Ihrigen aus Herz und Kopf eines unserer feinsten Weltmänner. Und die Kleidung macht ja so viel in dieser Welt, wo alles erst durch Erscheinung etwas wird.

In seiner Antwort gab Pückler Laube allerdings zu verstehen, dass seine Einschätzung zu idealistisch sei, und er lehnte Laubes Bitte mit der Begründung ab, dass sein geplantes Reiseziel Ägypten als „Land der Sklaverei dem liberalen Laube“ anders als ihm selbst wohl nicht „genießbar“ sein dürfte. Dennoch versuchte er, Laubes positives Bild von ihm zu bestätigen, indem er noch einmal das Motiv vom ‚alten‘ poetischen Adel aufgreift: Dieser begeistere sich vielleicht verwerf­licherweise für die Sklaverei, werde aber ohnehin bald absterben (worauf sich auch seine Pseudonyme des ‚Verstorbenen‘ und später des ‚Semilasso‘ beziehen ließen). Die Zukunft gehöre der Jugend und damit auch Laube:911 Ich, der schwer mit der Abspannung und dem Degout alles Irdischen kämpft, ich würde mich gewiß an Ihrer Jugend­lichkeit stärken, wenigstens wiegen, aber Ihnen werde ich schlecht genügen, höchstens das schwache, vorübergehende Interesse einer Ruine Ihnen erwiedern. Denn wir alten Adligen sind nichts anderes, und ich persön­lich auch nicht.

Um seinen bürger­lichen Verehrer in seiner guten Meinung zu bestärken, adaptierte er sogar dessen Ablehnung jedes pekuniären Egoismus. Laube und er seien wie überhaupt die ganze deutsche Nation „ritter­lich“ – abgesehen von denen, „die das Geld an die Stelle der Ehre setzen“.912 Dass das frei­ lich nur ein Lippenbekenntnis war, zeigen die vielen Äußerungen in seinen

910 Laube an Pückler. Berlin, 22. Juli 1834 (Pückler 1874/6, S. 3 f.). 911 Pückler an Laube. Paris, 1. August 1834 (Pückler 1874/6, S. 4). 912 Ebd., S. 5.

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Briefwechseln und Tagebüchern, in denen er Geld und Lebensgenuss bei aller Kunstliebe eine zentrale Rolle einräumt, so sehr, dass er sich seit Anfang der 1830er-Jahre sogar bemühte, sein großes, von Laube später so gepriesenes Kunstwerk ­Muskau zu verkaufen.913 Wolfgang Menzel: der ‚heitere Fürst‘ als Gegenbild zum ‚finstern Republikaner‘

Problematisch wurde der Versuch, Pückler über seine Literatur zum Mitstreiter für bürger­liche liberale Ziele zu erklären, durch Wolfgang Menzels Würdigung von Pückler in seiner Deutschen Literatur von 1836. Menzel, der einflussreiche Literaturkritiker des Literaturblatts des Morgenblatts für gebildete Stände, war einer der frühesten Befürworter von Pücklers Literatur gewesen; er hatte als Erster nach Goethe eine Rezension der Briefe eines Verstorbenen verfasst.914 In der Deutschen Literatur wiederholt er an sich nur, was bisher (auch von ihm selbst) über Pückler und seine „Grazie“ und „Eleganz“ geschrieben wurde:915 Der Fürst von Pückler-Muskau vereint mit angeborener Eleganz zugleich die feinste Berücksichtigung aller Tendenzen der Zeit, die ihn aus einem dunkeln aristokratischen Daseyn zu einer glänzenden und doch im strengsten Sinne nur bürger­lichen Rolle heraus­ gedrängt haben und er weiß der Neuheit dieser Situation jeden Reiz abzugewinnen. Er hat von seinem Stande nur die Comforts, nur den feinen Epikuräismus, die schönen Sitten beibehalten, und wenn er auch einmal seiner „Wappenvögel“ gedenkt, so ist es doch unpassend, ihm daraus einen Vorwurf zu machen, denn seine ganze literarische Erscheinung ist weit eher eine Concession, w ­ elche die hohe Aristokratie dem Zeitgeist macht, als eine Reklamation. Es ist eine Erscheinung, die ohne die Revolutionen des

913 Beispielsweise 1820 in einem Brief an Lucie: „Denke Dir, ­welches Vergnügen mit einer Million wohlplacirten Vermögens in der Welt umherzureisen, überall fremd, und überall zu Hause. Nur dies kann meinem Gemüth genügen, das immer Neues bedarf.“ Pückler an Lucie. Berlin, 3. Mai 1820 (Pückler 1874/5, S. 288). Zum gewünschten Verkauf von Muskau schrieb er wenige Monate vor seinem ersten Brief an Laube an den preußischen Rat Rother: „Kaufte man mir doch das Gouvernement Muskau ab! Dann wären wir uns gegenseitig los, und gern wollte ich den niedrigsten Preis machen. Ich würde es als das höchste Glück ansehen, was mir nur widerfahren könnte, und ich sehe nicht ein, was der Staat dabei verlieren könnte.“ Pückler an Rother. Muskau, 26. Januar 1834 (Pückler 1875/8, S. 366). 914 Vgl. Menzel 1830, S. 375. 915 Menzel 1836, S. 323 f.

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Jahrhunderts und insbesondere ohne die socialen Umwälzungen in Frankreich unmög­ lich wäre. Es ist ein Schlag­licht, aus Frankreich nach Deutschland herübergeworfen, und der Fürst Pückler verhält sich zu dem bürger­lich gewordenen neuen Frankreich, wie Friedrich der Große zum philosophisch gewordenen alten sich verhielt.

Dennoch diskreditierte Menzel mit seiner Würdigung jede weitere öffent­liche Unterstützung Pücklers für liberale Denker, da er den Bezugsrahmen so veränderte, dass Pückler als Vertreter einer liberalem Denken und Demokratie entgegengesetzten Weltanschauung erscheinen musste: Seine Kritik an der angeb­lichen religiösen und sitt­lichen Verdorbenheit von Gutzkows Wally die Zweiflerin hatte wesent­lich zum Verbot aller jungdeutschen Autoren 1835 beigetragen.916 Indem er Pückler für seine „schönen Sitten“ lobt, unterscheidet er ihn von den verbotenen Autoren und überschreibt die von Laube und anderen so mühselig konstruierte geistig-ethische Verbindung zwischen Pückler und dem liberalen Projekt. Noch verheerender dürfte indes seine Instrumentalisierung Pücklers für einen literaturkritisch nicht begründeten, antisemitischen Angriff auf den „finstern Republikaner“ Börne erschienen sein, den er dem „heitern Fürsten“ Pückler gegenüberstellt. Menzel lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er den eleganten und talentierten Fürsten dem ‚cynischen‘ jüdischen Demokraten und darüber hinaus die bisherige Gesellschaftsordnung jeder irgendwie gearteten Demokratie vorzieht.917 Börne antwortete darauf ein Jahr später in einer kleinen Schrift mit dem Titel Menzel der Franzosenfresser, in der er noch einmal seine schon 1831 formulierte Verachtung für den Adeligen Pückler wiederholt:918 Es ist wahr­lich noch niemand so tief in das Wesen und die Bedeutung der franzö­sischen Revolution vorgedrungen als Herr Menzel, und das heutige bürger­liche Frankreich wird mit Erstaunen erfahren, in ­welchem Verhältnisse es zum Fürsten Pückler stehe, daß die Tutti Frutti des hohen deutschen Adels von dem Baume der franzö­sischen Revolution gepflückt worden, und der Berg des Convents eine so lächer­liche Maus geboren. Das deutsche Volk aber und der Zeitgeist müßten sehr unverschämt seyn, wenn sie an die hohe deutsche Aristokratie noch weitere Forderungen machen wollten, nachdem diese freiwillig die große Concession gemacht, eines ihrer Mitglieder auf die Leipziger Büchermesse abzuordnen, um dort zum besten des dritten Standes ein Caffeerecept zu votiren. 916 Vgl. Koopmann 1993, S. 98 ff. Varnhagen wurde zwar nicht verboten; seine Beziehungen zu jungdeutschen Autoren wurden jedoch überwacht (vgl. Greiling 1993, S. 95). 917 Menzel 1836, S. 324. 918 Börne 1837, S. 19 f.

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Damit waren die Fronten geklärt. In der Folge fand sich kaum noch eine öffent­ liche Verteidigung von Pücklers Literatur durch liberale Autoren. ­Menzel hatte Pückler zu einem Vertreter für das konservative Lager umgedeutet und P ­ ücklers Literatur war nicht eindeutig oder gut genug, um weiterhin das Gegenteil behaupten zu können oder sich mit einem Literaturkritiker anzulegen, der (mittelbar) Autoren verbieten lassen konnte. Der Muskauer Park als Rechtfertigung des publizistischen Engagements für Pückler

Einer der vom Verbot des Jungen Deutschland betroffenen Autoren war Laube. Er wurde außerdem zu einer Festungshaft verurteilt, die er jedoch auf Betreiben Lucies von Pückler (Pückler selbst war im Orient) in Muskau verbringen durfte. Er nutzte die Zeit, um seine Geschichte der deutschen Literatur zu verfassen, die dann 1840 erschien. In dieser würdigt er Pückler nun nicht mehr als Schriftsteller, sondern dezidiert nur als große Persön­lichkeit – und vor allem als Gartenkünstler:919 Kurz all das Talent der Freude, des Genusses, des Glückes, was aus einzelnen Stellen der Briefe deut­lich, aus dem genannten Athmen derselben undeut­lich, allgemein entgegentritt, das hat hier in einer modern erschaffenen Kunstwelt einen so tiefen, dauernden Ausdruck gefunden, daß es in seiner That, im Park von Muskau, mit aller Ahnung eines großen Gedichtes lockt und kräftigt. Einander erklärend und fördernd erscheinen ­solchergestalt die beiden Hauptformen dieses Autors, der Brief und der Park. Und wem der Brief, im eigent­lich schöpferischen Interesse einer jungen Literatur, zu rasch vorüber­ eilend erscheint, der sieht in der Theorie des Parks, und was so selten gleichzeitig auftritt, im Parke selbst, dem schönsten Deutschlands, jene schöpferische Kraft in voller Blüthe, die man dem jetzigen Geschlechte so ungern zuerkennen will. Die Ritter­lichkeit, die anspruchsvolle Geschmacksforderung des Briefstellers sind nicht leere Äußer­lichkeit, sondern edle Symptome eines edeln Bedürfnisses.

Hatte er Pücklers Ruhm zuvor befördert, weil er Pückler als repräsentativ für das liberale Projekt ansah, betonte er nun, nachdem Menzel Pückler als Symbol für die Restauration missbraucht hatte, Pücklers Einzigartigkeit: Er sei in seinem Park der „Gründer einer Naturkunst“ und diese sei „ein neuer

919 Laube 1840, S. 174 f.

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Bereich der Ästhetik, der in unserer Kunstgeschichte noch keine Rolle zu spielen gehabt“ hat.920 Es lässt sich vermuten, dass der Blick auf den Garten Laube ermög­lichte, ein Dilemma zu lösen, näm­lich dass er sich für die Literatur eines Autors eingesetzt hatte, dem er persön­lich sehr verbunden war, dessen Schriften aber den Einsatz nicht rechtfertigten und zudem mittlerweile das Risiko mit sich brachten, für reaktionär gehalten zu werden. Laube musste sein Engagement für Pücklers Literatur im Nachhinein problematisch erscheinen, weil Menzel mit den gleichen Argumenten, mit denen er selbst Pückler gefördert hatte, die liberalen Ideale verraten hatte. Durch die Würdigung von Pücklers Gartenkunst konnte Laube indes den durch ihn selbst mitbeförderten unangemessenen Ruhm Pücklers erklären und legitimieren: Obwohl Pücklers Literatur, im Nachhinein besehen, wenig dauerhaft Wertvolles enthalte, trage sie doch die Spur des großen Talents und die „Symptome eines edeln Bedürfnisses“, das sich im Muskauer Park in voller Gänze ausdrücke.921 Ebenso wenig hat sich Varnhagen öffent­lich über Pücklers spätere Bücher geäußert, mög­licherweise auch Menzels wegen. Während aber für Laube der Muskauer Park erst im Nachhinein zu einer Begründung für seine Wertschätzung Pücklers wurde, stand sie für Varnhagen (der schon länger persön­lich mit Pückler befreundet war) am Anfang seines Engagements für den adeligen Freund. 1828 hat er Muskau besucht und dem abwesenden Pückler einen begeisterten Brief von dort geschrieben, von „Ihrer herr­lichen, einzigschönen Besitzung, und mehr als dieses, Ihrer großartigen, wunderbaren Schöpfung, in ­welcher Sinn und Erfolg so glück­lichen Verein zeigen, wie selten in mensch­ lichen Dingen getroffen wird!“922 Das hinter der Begeisterung für den Park stehende Motiv scheint jedoch für Varnhagen wie Laube das gleiche gewesen zu sein: Wie für Laube Ende der 1830er-Jahre, so bot Muskau auch für Varnhagen 1828 einen Grund, seine Sympathie und Faszination für den zwar immer charmanten und durchaus geistreichen, aber offensicht­lich adelig-eitlen, egoistischen und wankelmütigen Fürsten zu objektivieren und vielleicht vor sich selbst zu legitimieren, zumal ihm Pückler bestätigte, dass die Gartenkunst sein „innigstes Streben“ und „Ausdruck seiner Poesie“ sei. So heißt es in Varnhagens Muskauer Brief weiter:923 920 Ebd., S. 173 und 174; Laube an Pückler. Muskau 15. Februar 1837 (Pückler 1874/6, S. 18 f.); Laube an Pückler. Toulon, 14. September 1839 (Pückler 1874/6, S. 28). 921 Laube 1840, S. 174. 922 Varnhagen an Pückler. Muskau, 31. Juli 1828 (Pückler 1873/3, S. 2). 923 Ebd., S. 3 f.; Pückler an Varnhagen. Dublin, 28. August 1828 (Pückler 1873/3, S. 12).

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Lange Zeit schon hatte ich die Ehre, Sie persön­lich zu kennen; die Schärfe des Geistes, die Anmuth der Bildung, die seltnen Gaben des Umgangs, und überhaupt die geniale Eigenart, ja auch inmitten der welt­lichen Kälte der doch warme Herzschlage, waren mir wohlerkannt und geehrt nach Gebühr; ich kannte den Dichter, aber seine Gedichte kannt’ ich nicht, nur unbefriedigend hatte mir es verlautet, daß deren vorhanden wären. Und nun auf einmal eröffnen sich die reichen Blätter, ich schwelge in zauberischen Gedichten, ich sehe mich in eine nicht erwartete Welt versetzt, deren Urheber ich nun erst in ungeahndeten Bezügen seines Wesens neu erkennen lerne! Wahrhaftig, das Bad und der Park von Muskau sind ein mächtiges Gedicht, den größten und fruchtbarsten Werken schöner Kunst vergleichbar, dem widerstrebendsten Stoffe durch Geisteskraft siegreich abgewonnen, dem Hervorbringer ein leuchtendes Ehrendenkmal.

Weder Laube noch Varnhagen gehen dabei auf die konkrete Gestalt des Muskauer Parks ein. Sie empfanden ihn zwar allgemein als schön, in erster Linie diente er ihnen aber als Ausweis von Pücklers Talent und künstlerischem Streben, durch das sie sich ihm geistesverwandt fühlen konnten. Aber ist ihr Eindruck vom Park nur subjektiv? ­Welche Kriterien hatten sie, um ihn zu beschreiben und zu bewerten? Der Deutungsrahmen der ‚Gartenrevolution‘ hatte schon lange an Plausibilität verloren. Außer Pücklers Parks gibt es kaum andere dieser Zeit, die eine so breite Begeisterung auch bei bürger­lichem Publikum auslösten – durch einen Park allein, gleichgültig wie ästhetisch meister­haft gestaltet, ließ sich im 19. Jahrhundert kaum noch Ruhm erwerben. Das war Pückler offenkundig bewusst, deshalb bot er seinen Besuchern eine Reihe von verlockenden Deutungsansätzen, die diese – wie Laube und ­Varnhagen – gern annahmen. Diese Erzählungen vom Sinn des Parks, zu denen später auch andere aus dem Umfeld Pücklers beitrugen, sind ein zentraler Grund dafür, dass Pückler und seine Parks bis heute bekannt sind und als bedeutend wahrgenommen werden. Deshalb geht es im nächsten Abschnitt zunächst um diese narrative Erschaffung des Muskauer Parks, bevor er dann end­lich selbst in den Blick kommt.

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4.3 Pücklers Erfolg als Gartenkünstler: Konzepte eines Sinns von Gartenkunst jenseits von traditioneller Repräsentation und Wirkungsästhetik Der legitimatorische Sinn: Pücklers große Leistung

Zu den Kernmotiven von historischen Beschreibungen des Muskauer Parks gehört seit den 1830er-Jahren die Erzählung von der mühseligen völligen Umgestaltung des ursprüng­lichen Terrains. Sie geht ursprüng­lich zurück auf P ­ ücklers in den Andeutungen zu lesende Behauptung, er habe die Standesherrschaft 1811 „fast von jeder äussern Annehm­lichkeit entblösst“ gefunden; es habe zwar „einige Pracht“ gegeben, „aber nichts was der Cultur des Schönen angehörte war vorhanden, und die Gegend ihrer ganzen Armuth und Reizlosigkeit sorglos überlassen worden“.924 Als Hauptschwierigkeiten bei der Anlage des Parks nennt Pückler in den Andeutungen den nötigen Ankauf von Grundstücken und den Abriss von unpassenden Gebäuden; erst an dritter Stelle erwähnt er aber, dass außerdem „5 – 600 Morgen“ Landes – nur etwa ein Drittel des Parks – verbessert werden mussten.925 Nach der Veröffent­lichung der Andeutungen reiste Pückler 1835 in den O ­ rient, von wo er erst 1840 nach Muskau zurückkehrte. In der Zwischenzeit passierte anscheinend Erstaun­liches, denn schon 1838 schrieb der Korrespondent der Zeitschrift Der Freihafen nach einem Besuch über den Muskauer Park:926 Jedes Stückchen guten Landes beinahe mußte erst aufgefahren werden, und der große Park ist wie ein großer Zuckerkuchen – unten ein dicker, sandiger, dürrer Semmelteig – und darüber nur eine dünne, saftige, süße, wohlschmeckende Kruste…

924 Pückler 1834a, S. 161. Gröning deutet das wenig befriedigend als „kritische Haltung dem Bestehenden gegenüber“, die er als „Element des Entwerfens“ versteht (Gröning 2003, S. 159). 925 Ebd., S. 156. Rippl informiert darüber, dass der Muskauer Park, der ursprüng­lich 257 ha groß war, von Pückler zwischen 1829 und 1834 auf ca. 400 ha vergrößert wurde und so bis zu Pücklers Rückkehr aus dem Orient blieb (danach wurden noch w ­ eitere große Grundstücke zugekauft). Ein (preußischer) Morgen sind dabei 2553,22 m2 und entsprechend 0,255322 ha; der Park war als bis Ende der 1830er-Jahre etwa 1570 ­Morgen groß (Rippl 1986, S. 28; Noback/Noback 1849, S. 115). 926 Anonym 1838, S. 233.

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Obwohl Pückler in der Zeit, in der angeb­lich der Rest des Geländes 927 umgearbeitet wurde, gar nicht in Muskau war, wird aus der allumfassenden Verbesserung der natür­lichen Bedingungen seit den 1850er-Jahren ein anscheinend allen Besuchern mitgeteiltes Hauptargument, um die Leistung Pücklers zu belegen. Dieser Leistung zollte auch der hier anfangs zitierte Brandes 1859 Respekt, der ansonsten wenig mit Pücklers Park anfangen konnte:928 Wenn man erwägt, daß da, wo sich jetzt der bewundernswürdige Park entfaltet, vormals theils nackte Wüste zwischen Sand- und Moorstrecken, theils nur Föhrenwaldung oder unfruchtbarer Lehm oder Morast und Sumpf war, daß der Boden tragbar gemacht, die kostspieligsten Entwässerungsanstalten vorgenommen, die Waldung ge­lichtet oder ausgerodet, und die großen Eichen und Buchen aus der Ferne angekauft und hergeschafft, daß über 2000 Morgen fremden Landes von der Stadt und von einzelnen Dörfern um den höchsten Preis erworben werden mußten, und daß im ganzen Park sich fast kein Quadratfuß Raum befindet, der nicht von Menschenhand mit der Schaufel umzuarbeiten war: dann muß man den Unternehmungsgeist, die Ausdauer, die Geschick­lichkeit und den Kunstsinn des Fürsten bewundern, der diese Schwierigkeiten überwältigt und die herr­liche Anlage geschaffen hat.

Auffällig ist, wie sehr Brandes’ Text hier bis in die Wortwahl Eduard Petzolds vier Jahre zuvor erschienener Schrift Der Park von Muskau ähnelt. Es ist deshalb anzunehmen, dass Brandes hier wiedergibt, was er vor Ort – mög­licherweise von Petzold selbst – gehört hat. Petzold, der bei Pückler bzw. dessen langjährigem Obergärtner Rehder gelernt hatte und seit 1852 unter dem Prinzen der Niederlande Muskauer Parkdirektor war, berichtet in seinem Buch, „daß es also eigent­lich im ganzen, 4284 Morgen großen Park keinen Quadrat-Fuß Land giebt, der nicht durch Menschenhände mit der Schaufel bearbeitet worden wäre“. Die „herr­lichsten Pflanzungen“ seien da entstanden, „wo früher kaum ein Gräschen gedieh, wo das sumpfige Terrain nicht zu passiren war, und wo elende Sandberge, mit traurigen Kiefern bestanden, die einzigen Aussichtspunkte gewährten, ­welche sich dem Auge des Beschauers darboten“.929 Die

927 Vgl. Fn. 925. 928 Brandes 1860, S. 121 f. Ähn­lich auch ein im Jahr zuvor erschienener Artikel in der Gartenlaube, in dem es heißt: „Es war doch fast eine zurückschreckende Aufgabe, aus Sand, Fichtenwaldung und einem Flusse, der wie ein wüster Patron fortwährend sein Bett ändert, einen Park zu schaffen…“ (Loeffler 1859, S. 623). 929 Petzold 1856, S. 17 und 21 f.

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Leistung Pücklers bestehe darin, dass er das ursprüng­lich so häss­liche Terrain vollständig umgearbeitet habe:930 [D]enn es stellte sich sehr bald heraus, daß man hier nicht bloß nachzuhelfen, zu verbessern, hier und da einen schönen Punkt hervorzuheben und durch gut geführte Wege zugäng­lich zu machen hatte, wie man dies in den von der Natur reicher ausgestatteten Gegenden, wie die hiesige ist, nur nothwendig hat, um einen großen Landschaftsgarten herzustellen, sondern es mußte hier das Ganze erst geschaffen werden.

Zweifellos hat die Anlage des Muskauer Parks viel Arbeit und Geld gekostet. Es gibt indes einige Indizien, die vermuten lassen, dass es sich bei dieser Erzählung von seiner Entstehung zumindest teilweise um einen Mythos handelt, der von Pückler zur Legitimation seiner gartenkünstlerischen Leidenschaft erfunden und von Petzold zur Steigerung des Ansehens des Gärtnerberufes befördert wurde.931 Merkwürdig ist etwa, dass diese angeb­lich bis zum Verkauf Muskaus abgeschlossene vollständige Umarbeitung des Bodens außer von Petzold von k­ einem der Autoren erwähnt wird, die Muskau genauer gekannt und nach 1845 den Park beschrieben haben; weder bei Schefer noch bei Laube oder Georg L ­ iebusch ist davon zu lesen.932

930 Ebd., S. 18. 931 So würdigt Petzold nicht nur den „rastlos arbeitenden Genius des Fürsten“, sondern auch die „geschickten Hände“ des Gärtners Rehder, der „die riesenhaften Pläne desselben in einer beispiellos kurzen Zeit, und mit verhältnismäßig wenigen Kräften und Mitteln, auf das Geschickteste und Geschmackvollste“ ausgeführt und „üppige Bowlinggreens, auf das reichste gestickt, mit Blumengruppen aller Art, Wiesen mit den nahrhaftesten Futterkräutern, die malerischsten Baumgruppen und herr­lichsten Pflanzungen da“ geschaffen habe, „wo früher kaum ein Gräschen gedieh“ (Petzold 1856, S. 21 f.). Hans Wieck kritisierte schon 1900, dass Petzold hier in erster Linie sich „selbst in der bereits anerkannten Größe Pücklers ein Denkmal zu setzen“ versucht habe (Wieck 1900, S. 143 – Verweis auf diese Quelle bei Uhlitz 1988, S. 383). Von der „Autorität“ Pücklers wollte auch Hermann Jäger profitieren, der Eisenacher Hofgärtner, der sich bei Pückler entschuldigt, ihn in seiner Erzählung Reichenau oder Gedanken über Landesverschönerung (Leipzig: Weber 1851) zu augenschein­lich verarbeitet zu haben. Vgl. seinen Brief vom 5. September 1851 (Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek KCD04/09/ V154/Scan 316 – 319). 932 Schefer 1849, Liebusch 1860.

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Vor allem aber beschreiben Quellen aus der Zeit vor Pücklers Übernahme der Standesherrschaft nur die Muskau umgebende Lausitz als häss­lich; das Gelände von Pücklers späterem Park wurde dagegen mehrfach für seine natür­ liche und durch Pücklers Großvater noch erhöhte Schönheit gelobt. So ist in der 1784 erschienenen Schrift des Muskauer Superintendenten Johann George Vogel Der Clementinengang über Muskau zu lesen:933 Es liegt in einem anmuthigen, fruchtbaren Thale, dessen Mitte die Neisse durchwässert […]. Die ganze Gegend herum hat so viel Reiz und abwechselnde Schönheiten, daß sie jedem fühlenden Reisenden auffällt. Vielleicht trägt Überraschung des Unerwarteten zum erhöheten Gefühl etwas bey; denn man mag nach Mußkau kommen von ­welcher Seite man will, so muß man überall durch lange unwirthbare Wälder wohl 3 bis 4 Stunden das Auge mit ewigen Einerley ermüden. Wie überraschend ist es dann, wenn man aus dem Walde auf einmal von der Anhöhe ein herr­liches Thal übersiehet, in ­welchem die neuerbaute Stadt, Schloß, Thürme, ­­Kirchen, Alleen, Gärten, die hier sanft fließende Neisse und ein erweiterter Horizont mit allen Abwechselungen und Schönheiten in die Augen fallen.

Ähn­lich klingt Johann Bernoullis Bericht von seinem ebenfalls 1784 erfolgten Besuch in Muskau, das in einem „anmuthigen und fruchtbaren Thale an der Neisse“ liege:934 Der Anblick von Mußkau ist ungemein überraschend. Indem man sich ­diesem Orte nähert, stellt sich eine durch mannigfaltige Abwechslung reizende Gegend dar; Hügel und Thäler, Acker und Waldung; ein kolossa­lisches, und dabey schönes Schloß; die G ­ ipfel der majestätischen gereiheten alten Bäume des herrschaft­lichen Gartens etc.; beym Eintritt, eines der nied­lichsten Landstädtchen, das man sich denken kann…

Zwar ist von einer subjektiven Färbung dieser Beschreibungen auszugehen, da Vogel als Muskauer Superintendent in Graf Callenbergs Abhängigkeit stand (der Clementinengang ist vermut­lich als Auftragsdichtung anläss­lich der Vermählung von Callenbergs Tochter entstanden) und Bernoulli auf Einladung von Callenberg nach Muskau kam und die Standesherrschaft teilweise gemeinsam 933 Vogel 1784, S. 2 f. 934 Bernoulli 1784a, S. 393. Bernoulli bedient sich eines sehr ähn­lichen Vokabulars wie Vogel. Da er davon berichtet, mehrere Tage in Muskau gewesen zu sein und dort mehrere Ausflüge unternommen zu haben, ist es aber – auch angesichts der Ausführ­lichkeit seiner Beschreibung – unwahrschein­lich, dass er nur aus Vogel abgeschrieben hat.

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mit ihm besichtigte. Vogels Einschätzung kann aber insofern geglaubt werden, als er schon 15 Jahre zuvor einen sehr schwärmerischen Versuch einer Schilderung von denen natür­lichen Schönheiten in der Gegend Mußkau veröffent­licht hat, der eindeutig keine Auftragsdichtung war. Auch Bernoulli kann man ein Bemühen um Objektivität unterstellen, da er ein erfolgreicher, dabei aber der Aufklärung verpflichteter Reiseschriftsteller war. 935 Zudem schreiben auch Autoren, die mit den Callenbergs bzw. Pücklers nicht bekannt waren, noch kurz vor Pücklers Übernahme der Standesherrschaft, dass Muskau in einer „angenehmen“, „äußerst reizend[en] Gegend“ liege und dass sich das Schloss „wegen seiner Schönheit und Anlage vorzüg­lich“ auszeichne und darüber ­hinaus einen „vortreff­lichen Garten“ habe, wie ein Reisehandbuch aus dem Jahr 1809 schreibt (vgl. Abb. 54).936 Vogel und Bernoulli beschreiben die Muskauer Gegend als an sich schon schöne Landschaft, die Callenberg mit „warme[m] Gefühl für die Schönheiten der Natur“ und gutem Geschmack noch verbessert habe, wie ihm Bernoulli bescheinigt.937 Er bezieht sich dabei vor allem auf die Anlage des Clementinengangs, eine anscheinend eher kleinteilige Gartenanlage, die aus sich durch Wald schlängelnden Wegen, Rasenplätzen mit Ruhebänken sowie Pflanzungen, die Empfindungen stimulieren sollten, bestand. Dazu kamen einige Pavillons für gesellschaft­liche Zusammenkünfte. Bernoulli erwähnt außerdem noch andere „bewohnbare Lustörter in der Herrschaft“.938 Wie vor allem im Kapitel zu Wörlitz gezeigt, erlebte der ‚empfindsame Geschmack‘ (wie der empfindsame Diskurs insgesamt) schon um 1800 eine zunehmend deut­liche Ablehnung, sodass nachvollziehbar ist, warum diese früheren Muskauer Gartengestaltungen später kaum noch erwähnt wurden.939 Dennoch muss verwundern, dass Pückler die Gartengestaltungen seines geliebten Großvaters so völlig verleugnet, zumal er sich noch 1817 mit seiner Idee einer Eremitenklause mit lebendem Einsiedler dem veralteten Geschmacksideal verbunden zeigte.940 Ebenso verwunder­lich erscheint die in den Andeutungen zu findende Behauptung, es wäre „des Verständigen Bestreben und Triumph, dass man glaube: Alles, was man sieht, müsse so und nicht anders seyn, und sey 935 Vogel 1769, S. 12. 936 Leonhardi 1806, S. 282 (erstes Zitat); Fick 1809, S. 386 (erstes Zitat bei Leonhardi und Fick gleich). 937 Fick 1809, S. 398. 938 Bernoulli 1784a, S. 400. 939 Vgl. Anonym 1858. 940 Vgl. den Brief Pücklers an Lucie vom 5. April 1817 (Pückler 1874/4, S. 197).

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auch von jeher nicht viel anders gewesen“.941 Dann erinnert er jedoch an einen angeb­lich häss­lichen Ursprungszustand, durch dessen Folie der gegenwärtige nur positiv erscheinen kann, und löscht damit tatsäch­lich die Erinnerung an die reale Ausgangssituation aus:942 Es sollte mir sehr leid thun, wenn z. B. beim Anblick der üppigen Wiesen in meinem Park, jetzt noch Jemand sich mit der Vorstellung quälte, dass ehemals hier kaum die Distel wuchs, oder, wenn er im freudig wuchernden Gebüsch auf ebner Chaussée gemäch­lich dahinrollt, nur bei dem Gedanken stehen bliebe, dass früher hier ein grundloser Sumpf kaum dem weidenden Vieh die Annäherung erlaubte.

Pücklers Forderung nach einer Nichterkennbarkeit der Umgestaltung bezieht sich auf das auch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch gültige landschaftsgärtnerische Ideal von Natür­lichkeit. Ohne den Verweis auf einen angeb­lich völlig anderen vorherigen Zustand wäre die Anlage des ­Muskauer Parks frei­lich nur schwer als große Leistung zu beschreiben – dafür ist der Vorher-­ nachher-Vergleich von zentraler Bedeutung. Einen ­solchen bietet ­Pückler ebenfalls im Atlas zu den Andeutungen, in dem nach dem Vorbild der Red Books von Humphry Repton auf Pergamentpapier gedruckte Abbildungen des gestalteten Zustands auf Abbildungen des jeweiligen Ursprungszustandes gelegt werden können (vgl. Abb.  34 – 39). In dieser augenfälligen Darstellung des Unterschieds zwischen Vorher und Nachher wird einerseits die Leistung des Gartenkünstlers Pückler und andererseits der Kunstwert seiner Gestaltungen greifbar. Das Kunstschöne soll natür­ lich erscheinen und soll doch zugleich als Leistung des genialen Gartenschöpfers, nicht der Natur erkennbar bleiben. Dafür muss der Kontrast zwischen Alt und Neu groß genug sein. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Unterschied ­zwischen beiden Zuständen nicht in erster Linie ein formalästhetischer ist, sondern ein funktionaler: Alle von Pückler abgebildeten Vorher-Zustände zeigen Nütz­liches: Felder, Straßen, Wohnhäuser, Amtsgebäude und Bauern, also die Benutzer dieser Infrastruktur. Der gestaltete Zustand enthält hingegen (abgesehen von den Gebäuden des Hermannsbades und einigen Pavillons) nichts unmittelbar Zweckgebundenes und Nütz­liches mehr.

941 Pückler 1834a, S. 158 f. 942 Ebd.

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Der bürgerliche Sinn: Gartenkunst als nützliche und werteorientierte Arbeit Gartenkunst als Beruf

Der Erfolg der Briefe eines Verstorbenen brachte Pückler all die Anerkennung und Hochachtung, die er zuvor als Gesandter zu bekommen gehofft hatte. Darüber hinaus musste er sich dafür nicht wie für eine Anstellung mit anderen messen, er musste nicht viel arbeiten oder gegen seine „[o]rienta­lische Faulheit“ und die „Bedürfnisse [s]einer sybaritischen und krankhaften Bequem­lichkeit“ handeln.943 Die vielen gesellschaft­lichen Misserfolge der vergangenen Jahre hatten ihm aber deut­lich gezeigt, dass er „in einer Gesellschaft lebte, die die Fähigkeit, sich auf elegante Weise dem Müßiggang hinzugeben, nicht sehr achtete“, wie Dominic Lieven über den Typus des allein genießenden und kultivierten Adeli­ gen schreibt, der seit dem 18. Jahrhundert zunehmend seine „Funktion in der Gesellschaft eingebüßt“ habe.944 Pückler sah darüber hinaus die Vergäng­lichkeit seiner Geltung als Schrift­ steller, da diese ihm mehr durch Glück als durch ein großes Talent ­zugekommen war. Weil er seine Chancen auf dauerhafte Legitimation durch litera­risches ­Schaffen nicht sehr hoch einschätzte, entwickelte er um 1834 eine zweite Strategie: Er erklärte seine gartenkünstlerische Leidenschaft zum „Beruf“ und rechnete sich selbst wegen der Anlage des Muskauer Parks zu den „nütz­lichsten Staatsbürgern“.945 So heißt es in den Andeutungen:946 [D]a ich der Meinung bin, dass ein grosser Territorialbesitzer, ­welcher fortwährend alle seine Kräfte dazu anwendet, seine Güter eben so sehr zu verbessern als zu verschönern, die ihm untergebenen Bewohner der Gegend auf diese Weise zu civilisiren, ihren Wohlstand zu vermehren und sie dadurch zugleich für die Landeslasten contribuabler zu erhalten – dass, sage ich, ein s­ olcher sich wenigstens eben so viel Anspruch auf die Dankbarkeit des Staats erwirbt, und eben so gut ein wirk­licher, wenn gleich freiwilliger und unbezahlter Staatsdiener ist, als ein Beamter, der für schweres Geld einige Stunden des Tages am Schreibtische sitzt, oder ein Diplomat, dem zuweilen

943 Pückler an Laube. Pesth, 20. Dezember 1839 (Pückler 1874/6, S. 32 f.); Tagebucheintrag 1825 (Pückler 1876/9, S. 81). 944 Lieven 1995, S. 34. 945 Pückler 1834a, S. 162; Pückler an Rother. Muskau, 26. Januar 1834 (Pückler 1875/8, S. 365). 946 Pückler 1834a, S. 162.

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eine halbe Sinecure noch mit vielen Tausenden aufgewogen werden muss – eine Wahrheit, die vielen Beherrschern, nicht eben zum ­Nutzen ihrer Länder, noch sehr fremd geblieben zu seyn scheint.

Pückler schloss dabei deut­lich an ein bürger­liches Wertesystem an, in dem Arbeit eine zentrale Rolle spielt. So formulierte er 1833 in einem Brief an Lucie, dass er, hätte er Geld, Muskau „mit derselben Gleichgültigkeit wie einen alten Rock ablegen“ könne. Aber er müsse „etwas zu schaffen“ haben; ein „bloßes sinn­liches Genußleben oder sentimentaler Müßiggang würde mir nicht genügen“.947 Etwas opportuner schrieb er an Laube: Er habe sich gegen den Verkauf Muskaus entschieden, „weil man nicht bloß seinetwegen leben darf, und in der That am Tage des jüngsten Gerichts das, was ich in Muskau, trotz der ungünstigsten Umstände, geschaffen, mein Hauptargument sein wird, dem Verdammungsurtheil zu entgehen, umsonst gelebt zu haben“.948 Ebenfalls an Laube schrieb er 1841 stolz, dass es seine Eitelkeit befriedige, so viel an seinen Anlagen zu arbeiten, dass er sich „von den Damen die Benennung des fürst­ lichen Tagelöhners zugezogen“ habe.949 Es ist zudem überliefert, dass er davon gesprochen habe, in seine „Erdfabrik“ zu gehen.950 Nicht Arbeit allgemein sollte frei­lich Pücklers Sein legitimieren, sondern die demütige Anwendung des eigenen Talents „zum N ­ utzen des mir Anvertrauten“, wie Pückler 1863 im Tagebuch notierte. Arbeit war zwar an sich ein Wert, noch wertvoller war jedoch Arbeit zu einem bestimmten N ­ utzen. Eine entsprechende Deutung von Pücklers Wirken in Muskau hatte Varnhagen schon in seinem Brockhaus-Artikel vorgezeichnet, in dem er Pückler dafür lobt, nicht nur für die „Verschönerung“, sondern auch die „Erhebung seines Stammguts“ ­Muskau zu arbeiten. Er habe den „Werth dieser Schöpfung“ (des Muskauer Parks, den er als „reizendes Paradies“ beschreibt) unter anderem durch den Bau des Hermannbades und damit die Nutzbarmachung der in Muskau zu findenden „Quellen von bedeutender Heilkraft“ erhöht.951

947 948 949 950 951

Pückler an Lucie. Muskau, 22. Juli 1833 (Pückler 1875/8, S. 206 f.). Pückler an Laube. Jagdhaus, 28. November 1840 (Pückler 1874/6, S. 54). Pückler an Laube. Muskau, 30. Oktober 1841 (Pückler 1874/6, S. 94). Ilsemann 1901, S. 57. Varnhagen 1833b, S. 674 f.

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Der N ­ utzen der Schönheit: Pücklers Anleihen an Carl Friedrich von Rumohrs Deutschen Denkwürdigkeiten

Was der N ­ utzen des Muskauer Parks ist, lässt sich allerdings schwer benennen, da Pückler eine landwirtschaft­liche Nutzung seines Parks (wie sie in England üb­lich war) ablehnte 952 – aus geschmack­lichen Gründen und um die Konsistenz einer weiteren (hier im übernächsten Abschnitt besprochenen) Interpretation des Muskauer Parks als autonomes Kunstwerk zu wahren.953 Der ­Nutzen des Muskauer Parks kann also nur ein sitt­licher oder außerhalb seiner konkreten Gestaltung liegender sein. Pückler behauptete beides: Zum einen, dass er mit der Anlage des Parks Arbeit geschaffen und somit seinen Untertanen Verdienstmög­lichkeiten eröffnet habe. Zum anderen habe er sie durch den Park ‚zivilisiert‘. Bedeutender findet er das Zweite, wie er mit dem dem Text seiner Andeutungen vorangestellten Zitat aus Carl Friedrich von Rumohrs Deutschen Denkwürdigkeiten zeigt, das seiner These vom Vorrang des Schönen vor dem nur Nütz­lichen Nachdruck verleihen soll.954 Gestattet uns, auch das Schöne hier in Anschlag zu bringen; denn ich sehe nicht ein, weshalb man das Schöne vom Nütz­lichen ausschließen sollte. Was ist denn eigent­ lich nütz­lich? Bloß was uns ernährt, erwärmt, gegen die Witterung beschützt? Und weßhalb denn heißen ­solche Dinge nütz­lich? Doch nur weil sie das Wohlseyn des Menschengeschlechts leid­lich befördern? Das Schöne aber befördert es in noch höherem und größerem Maße; also ist das Schöne eigent­lich unter den nütz­lichen Dingen das Nütz­lichste.

952 Vgl. Pückler 1834a, S. 22 ff. und Uhlitz 1988, S. 249. 953 Plausibel ist auch Anne Schäfers Deutung, dass Pückler den Muskauer Park als Symbol einer „hochstilisierte[n]” adeligen „Lebensform” gestaltet hat, „der das Ökonomische des Alltäg­lichen und die Probleme der Zeit abhanden gekommen zu sein schienen”, weil der Bereich der Arbeit eben nicht zum adeligen Lebensentwurf gehört (Schäfer 1996, S. 19). 954 Pückler 1934a, S. 1 und stammt aus Rumohr 1832a/3, S. 168. Rumohr, ein norddeutscher Adeliger gleichen Alters wie Pückler, hatte sich anders als dieser für den Bildungsweg entschieden und war nach verschiedenen Italienaufenthalten zu einem bekannten Kunstkenner und -förderer geworden, der mit seinen Schriften die Grundlage für eine professionelle Kunstgeschichte gelegt hat. Er war am Aufbau der Berliner Gemäldegalerie beteiligt (vgl. Dilk 2005).

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Allerdings zeigen sich Rumohrs Denkwürdigkeiten bei näherer Betrachtung keineswegs so eindeutig als ein Plädoyer für eine ästhetisch orientierte Welt­ auffassung, wie es das von Pückler gewählte Zitat suggeriert – was aber vermut­ lich viele Leser von Rumohrs vierbändigem Roman nicht bemerkt haben, der tatsäch­lich, wie in zeitgenös­sischen Rezensionen kritisiert, einen „interesse­ losen, schläfrigen“ Plot hat und sich durch „Weitschweifigkeit“ auszeichnet.955 Das Zitat stammt auch dem dritten Band, der vielleicht nicht allzu oft gelesen wurde. Ebenso wie bei der Beschreibung des Muskauer Parks geht es Pückler in den Andeutungen auch beim Zitieren aus Rumohrs Roman nur scheinbar darum, das zu zeigen oder zu belegen, was tatsäch­lich ist und gilt. Schon die Tatsache, dass Pückler den ­Nutzen der Gartenkunst mit einem Verweis auf einen Roman (und nicht etwa auf eine gartentheoretische oder philosophische Abhandlung) begründet, irritiert, zumal Rumohrs Roman in vielerlei Hinsicht ironisch ist. Folgt man dieser von Pückler gelegten und zugleich verwischten Spur, zeigt sich deut­lich, dass nicht nur der Muskauer Park in den Andeutungen fiktiv ist, sondern auch Pücklers Identifizierung mit den Werten, von denen er behauptet, dass sie für sein gartenkünstlerisches Engagement leitend seien.956 Die Deutschen Denkwürdigkeiten sind das fiktive Tagebuch von ‚Auctor‘, einem ehemaligen Staatsbeamten aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, der nach dem Friedensschluss von Hubertusburg seinen Abschied nimmt und auf seine Güter ins Rheinland reist. Unterwegs schließt er Freundschaft mit einem älteren Grafen und dessen schöner Tochter, die er auf ihr Schloss begleitet. Nach mehreren Verwicklungen heiratet die Gräfin ihren Cousin, der nach dem Tod seines Schwiegervaters die Herrschaft übernimmt und Auctor um Rat für seine Regierung bittet. Der junge Graf wird dabei als Anhänger der Aufklärung und als glühender Idealist charakterisiert. Er verwendet etwa große Summen auf eine amerikanische Kolonie und lässt dort sogar eine Bibliothek

955 Anonym 1832c, S. 570; Anonym 1832d, S. 425. 956 Dass die Signifikanz von Pücklers Eingangszitat bisher nicht bemerkt wurde, mag auch daran liegen, dass Rumohr eher als Sachbuchautor (und vor allem als Kunsthistoriker) denn als Verfasser von Belletristik bekannt war und dass mög­licherweise schon vielen Zeitgenossen nicht bewusst war, dass es sich bei den Deutschen Denkwürdigkeiten, die zu den weniger erfolgreichen Werken Rumohrs gehören, um einen Roman und nicht um ein Sachbuch handelt. D ­ iesem Missverständnis arbeitet Pückler noch zu, indem er das Zitat einem „Kap. vom Regieren“ zuordnet und damit suggeriert, dass es einer fundierten Abhandlung entnommen sei (in Rumohrs Roman gibt es jedoch keine Kapitelüberschriften, was das Auffinden von Pücklers Zitat erschwert).

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aufbauen. Zudem erlaubt er einer Gruppe vermeint­lich mora­lisch geläuterter Zigeuner die Ansiedlung in seinem Land. Auctor hingegen ist ein biederer Mensch, der allem gegenüber vernünftig und pragmatisch eingestellt ist und sich außer für die Anmut hübscher Frauen fast ausschließ­lich für gutes Essen begeistern kann. Dem Versuch des jungen Grafen, seine Regierung auf eine rationale und philosophisch begründete Basis zu stellen, begegnet er mit Ironie. Auf des Grafen Frage, „­welche Kraftverwendung […] denn von dauerndem Nutzen sei“, antwortet Auctor genervt, dass das nütz­lich sei, „was Nutzen schafft; dauernd, was Dauer hat“. Er verweist auf Infrastruktur­ projekte, warnt aber zugleich vor falschen Investitionen und äußert dann den von Pückler zitierten Satz, den Rumohr jedoch im folgenden Absatz wieder ad absurdum führt:957 Übrigens muß ich eingestehen, daß man das Schöne nicht wohl, gleich dem Nothdürftigen und gemeinhin Nütz­lichen, nach einer verständigen Berechnung hervorbringen könne, daß Alles dabey von der Würksamkeit jener geheimeren Kräfte abhängig sey, ­welche der Absicht nicht gehorchen, sich nicht erzwingen lassen. Es möchte daher dem Regenten in dieser Beziehung nichts Anderes obliegen, als stets, gleich einem Vogelsteller, bey der Hand zu seyn, um den Genius, so oft er auftaucht, behend zu erhaschen, durch Gunst und Theilnahme ihn heranzupflegen, daß er wachse und sich heranbilde zu einem statt­lichen Jüngling; denn nur im tiefsten Orient giebt es bärtige Genien, unter uns aber zeigt sich der Genius stets in jugend­licher Gestalt. Bey diesen Worten räumte der Graf die Papiere auf, erzwang ein freund­liches Gesicht und sagte: für heute ist mit Ihnen nichts anzufangen.

An späterer Stelle bezeichnet Auctor seine Ratschläge als im „Muthwillen“ hingeworfene „Scherze“.958 Wie ernst ist seine Ausführung über den Nutzen der Schönheit also zu nehmen? Wie hier werden im Roman eine Vielzahl von Meinungen zu verschiedenen gesellschaft­lichen und künstlerischen Fragen geäußert, die frei­lich alle durch mora­lische Mängel ihrer Vertreter, durch die Geschehnisse oder die Ironie, mit der sie geäußert werden, relativiert werden. Auctor, der hier zugleich als Erzähler und Hauptperson auftritt, trägt zwar einige Züge von Rumohr (wie seine Vorliebe für gutes Essen und sein Interesse für Kunst), wird aber in ­seiner übertriebenen Biederkeit ironisiert. So wird er etwa von einem Irrenarzt

957 Rumohr 1832a/3, S. 167 – 169. 958 Ebd., S. 211.

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fälsch­licherweise für geisteskrank gehalten, woraufhin Auctor selbst an seinem Geisteszustand zu zweifeln beginnt. Sehr treffend bemerkt ein zeitgenös­sischer Rezensent, dass im Werk insgesamt eine „Ironie der Ereignisse gegen die mensch­lichen Veranstaltungen“ zu beobachten sei.959 Fast alle im Verlauf des Romans gesponnenen Pläne und Konzepte scheitern, während Unerwartetes einen positiven Ausgang nimmt. So verliert sich der scheinbar begabte junge Freiherr, der Auctor unterwegs zur Erziehung anvertraut wird, in Paris in Ausschweifungen und wird deshalb tatsäch­lich geistes­krank, während sich sein dem ersten Anschein nach hoffnungslos grober und ungebildeter Bruder plötz­lich zu einem verantwortungsbewussten und klugen Regenten wandelt. Die scheinbar so strenge und unversöhn­liche ‚Base‘ der Gräfin entpuppt sich als hingebungsvolle Ehefrau des alten Grafen, die in Trennung von ­diesem gelebt hat. Ihre Tochter, die Gräfin, heiratet anscheinend nur aus Zwang und ohne Liebe, wird dabei aber glück­lich. Nichts ist, wie es zunächst scheint. Ihr Mann bringt sich mit seinem großen und idealistischen Bemühen, gut zu regieren, in die Gefahr, die Grafschaft zu verlieren, weil die Untergebenen des aufgeklärten und idealistischen Zigeuner­hauptmanns trotz des dem Grafen gegebenen Versprechens weiterhin ihre kriminellen Machenschaften betreiben; deshalb wird dem Grafen bei Auctors Rückkunft mit Reichsexekution gedroht. Gelöst wird die Krise erst, als der Graf sich von seinen idealistischen Projekten verabschiedet, das Regieren Beamten überlässt und selbst zusammen mit dem gescheiterten Zigeunerhauptmann nach Amerika in den Krieg zieht, um seiner Kolonie dort nicht mit abgehobener Bildungsförderung, sondern mit persön­lichem Einsatz zu helfen. Alle hochgesteckten Ziele und Pläne missglücken; nur, wer sich zurücknimmt, unterordnet, fleißig und bescheiden ist, erhält im Werk Lob und Erfolg. So wirkt die Gräfin im Gegensatz zu ihrem Mann nicht durch eingreifendes Handeln, sondern durch ihr gutes Vorbild. Auch Auctor lässt sich, als er einmal der Pläneschmiederei zu verfallen droht, von der Vorsteherin der Mädchenschule überzeugen, dass es vernünftiger sei, wenn sie beide nicht heirateten, obwohl sie sich gern haben, weil so jeder seinen Pflichten besser gerecht werden könne.960 959 Anonym 1832b, S. 427. 960 Am deut­lichsten zeigt sich diese Tendenz aber an dem Vagabunden (‚Vagabond‘), den Auctor im vierten Band bei sich aufnimmt. Dieser erweist sich bei näherer Kenntnis als eigent­lich talentierter und gebildeter junger Mann, der jedoch immer wieder strauchelt, weil er zu ehrgeizige Ziele verfolgt (ein berühmter Schriftsteller zu sein, eine reiche Frau zu heiraten etc.) oder, wie Auctor es formuliert, weil er „bisher in jeder Beziehung schlecht hausgehalten habe“. Auctor rät ihm stattdessen

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Passivität und Bescheidenheit sind frei­lich keine Werte, von denen P ­ ückler glaubhaft behaupten konnte, dass es die seinen wären. Über eine an die Deutschen Denkwürdigkeiten angelehnte Deutung seines gartenkünstlerischen Schaffens gelingt es ihm indessen, sich in Rumohrs Sinne als bescheiden, passiv und fleißig zu inszenieren. Die Vorbildwirkung von Rumohrs Roman auf Pücklers Interpretation der Gartenkunst ist allerdings nicht auf den ersten Blick erkennbar. Für Auctor soll ein Garten näm­lich nur Rahmen für die aus dem Garten ­heraus zu sehende Landschaft sein; einen eigenen ästhetischen Wert schreibt er ihm nicht zu:961 Hier ist mein Plan. Man befreyet zunächst den mäßig großen, nicht ganz regelmäßigen, doch wohlgeebneten Platz längs des Wohngebäudes von dem vielen Gestrüppe, den halbverwilderten Obstbäumen. Nur zwey statt­liche Nußstämme zur Rechten, wo das Bild sich schließt, behalten ihre Stelle […]. Doch zu meiner Terrasse. Diese kleine Ebene will ich fächerartig durch breite Lustwege in so viele Blumenbetten theilen. Alle diese Wege sollen der Saalthüre gegenüber in einen halbrunden, wohleingeebneten Raum zusammenlaufen, ­welcher sich vortreff­lich eignen wird, darauf einige Sitze anzubringen. Denn […] Abends gerade liebe ich den Seitenausblick auf die beleuchtete Ebene, das hell blaue ferne Gebürg, im Gegensatze zu den tiefen Schattenmassen an den nahe gegenüberliegenden Felsen und Waldgehängen des Gebürgsfußes.

Der Schwerpunkt liegt hier also nicht auf einer durch den Menschen verschönerten Landschaft, sondern auf der ‚freien‘ Natur, die dem gestalterischen Zugriff des Landbesitzers entzogen ist. Die Gartenkunst selbst besteht für Auctor nur im „Wegräumen“, im Gegensatz zu Pückler, dessen Selbstverständnis als Gartenkünstler

zu Beschränkung, denn ein „guter Arbeiter“ suche „mit seinen Kräften Haus zu halten, damit er nicht einbreche, ehe das Tagewerk noch vollendet ist“. Die Metamorphose des glücklosen und lieder­lichen Vagabond vollzieht sich deshalb, während er mit Auctor an einer trockenen sprachwissenschaft­lichen Arbeit sitzt. Das festigt ihn sitt­lich, sodass er in der nächsten schwierigen Situation richtig handelt und seiner reichen und schönen, aber wankelmütigen ehemaligen Braut einen Korb gibt und sich stattdessen wenig später in die bescheidene und guterzogene Zofe der Gräfin verliebt. Nach einer Gewissensprüfung, in der sich Vagabond geläutert und demütig zeigt, adoptiert Auctor ihn, sodass dieser nach dessen Tod das ruhige und zurückgezogene Landleben führen können wird, das Auctor als Ideal sieht (Rumohr 1832a/4, S. 41). 961 Ebd., S. 14 f.

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im Schaffen liegt; eine auf das Entfernen von Pflanzen beschränkte Gärtnerei dürfte wohl kaum den Anspruch erheben, Kunst zu sein.962 Dennoch empfiehlt Pückler in den Andeutungen ganz im Sinne Auctors, bei einer schönen Umgebung nur „mit Anlegung schöner Wege einzugreifen, um den Genuss bequemer zu machen, und hie und da durch Hinwegnahme einzelner Bäume eine Aussicht zu öffnen, w ­ elche die, um die Ausstellung ihrer Schönheiten so unbesorgte, Natur mit zu dichtem Schleier verdeckt hat“. Den mit einer schönen Landschaft Begünstigten bescheidet er auf einen am Haus liegenden „reizenden Garten von geringem Umfange“.963 Seine weiteren Anleitungen richten sich an alle, die nicht das Glück haben, in einer idyl­lischen Umgebung zu leben. Bemerkenswert ist dabei, dass Pückler selbst trotz seiner vielfachen Klagen über Muskaus Häss­lichkeit und Unfruchtbarkeit nach dem Verkauf der Standesherrschaft nicht in eine „paradie­sische […] Gegend, mit vernünftigem Klima“ gezogen ist, sondern nach Schloss Branitz, dem in einer flachen, sandi­gen und klimatisch wenig angenehmen Gegend gelegenen pücklerschen Stammsitz in Brandenburg. Dabei hätte er nun genügend Mittel gehabt, um sich in Süddeutschland, Frankreich oder Italien anzusiedeln.964 Eine von vornherein schöne Gegend hätte aber jedes größere gartenkünstlerische Engagement überflüssig gemacht – nur durch seine Arbeit an der Verschönerung einer noch nicht von Natur aus gefälligen Landschaft konnte Pückler überzeugend behaupten, etwas Sinnvolles und Nütz­liches zu leisten, da er dem in den Deutschen Denkwürdigkeiten geforderten Tugendanspruch nicht gerecht werden konnte und wollte. Bei Rumohr findet er die Argumente, mit denen es ihm gelingt, sein Scheitern auf der politischen Bühne konstruktiv umzudeuten, indem er eben seine gartenkünstlerische Betätigung zum „Beruf“ erklärt.965 So schrieb er Ende 1832, also wahrschein­lich schon nach der Lektüre von Rumohrs Anfang 1832 erschienenem Roman, in seiner Lebensskizze für Varnhagens Brockhaus-Artikel, er habe keine ihm von Hardenberg „dringend angebotene fixirte Dienststellung annehmen […] wollen“.966 Er habe also freiwillig auf einen Posten verzichtet, und zwar, wie er in den Andeutungen suggeriert, um frei zu sein für die seinen Talenten angemessenere gartenkünstlerische Arbeit, in der er 962 963 964 965 966

Ebd., S. 13. Pückler 1834a, S. 24. Pückler an Ludmilla Assing. Branitz, 10. Juni 1863 (Pückler 1874/4, S. 97). Pückler 1834a, S. 162. Pückler an Varnhagen. Muskau, 18. Dezember 1832 (Pückler 1873/3, S. 130 f.).

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besser und für den Staat produktiver seine „red­liche […] und sch­lichte […] Gesinnung“ zeigen könne:967 Für die Regierung des Staats können wir doch in der That Alle nicht sorgen, sich aber und sein Eigenthum auf alle Weise zu veredeln suchen, das kann ein Jeder – und es ist sogar die Frage, ob auf ­solchem einfachen Wege, mit red­licher und sch­lichter Gesinnung, nicht selbst die so gewünschte Freiheit ruhiger und sicherer erreicht werden möchte, als durch noch so viele neue Proben äusserer theoretischer Staatsformen. Denn frei kann nur seyn, wer sich selbst beschränkt.

Dass diese Beschränkung nur Inszenierung ist und Pückler auch zu dieser Zeit noch Interesse an politischer Gestaltung hatte, ja seine Gartenkunst vielleicht nur als Ersatz für diese verstand, zeigt sein Aufsatz über Preußen.968 Pückler kritisiert darin, dass die preußische Politik seit dem Tod Friedrichs II. keinen „festen Plan“ mehr verfolgt und „weder an einem invariablen Grundgedanken festgehalten, noch […] thatkräftige Entschlossenheit gezeigt“ habe. Er fordert von der Politik einen „invariablen Grundgedanken […], ohne den, in seiner besonderen Beziehung, kein großer Staat prosperiren“ könne, und seine Vision ist:969 Preußen materiell wie geistig zu einer wahren und vollständigen Großmacht, als Repräsentanten Deutschlands, zu erheben, was es jetzt in Wirk­lichkeit kaum zur Hälfte noch geworden ist. Oft wird frei­lich die Verfolgung eines ­solchen Zwecks momentan ruhen müssen, so lange die Gelegenheit fehlt, aber sobald diese im Kleinen wie im Großen eintritt, muß sie auch im rechten Augenblick mit Muth und Entschlossenheit, so zu sagen, beim Haar gefaßt werden, und die verschiedensten Mittel dazu, nach den klug ermittelten Bedürfnissen der stets wechselnden Zeit und ihren jedesmaligen Verhältnissen, herzhaft gewählt werden. Hier muß und soll die angewandte Politik scheinbar sehr oft variabel sein, während der Grundgedanke, der Hauptzweck unerschüttert fest stehen bleibt.

967 Pückler 1834a, S. 275 f. 968 Der Aufsatz ist bei Assing ohne Jahresangabe abgedruckt. Angesichts der Kritik, die er darin an der preußischen Regierung äußert, ist jedoch zu vermuten, dass er ihn nach 1830 geschrieben hat, als er dank seines öffent­lichen und finanziellen Erfolges als Schriftsteller weniger abhängig vom Wohlwollen des Königs war. Mit Blick auf die hier im Folgenden nachgezeichneten Parallelen zwischen dem Aufsatz über ­Preußen und den Andeutungen lässt sich vermuten, dass sie ungefähr zeitgleich entstanden sind (Pückler 1873/2, S. 375 – 380). 969 Ebd., S. 375 und 378.

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Die Ähn­lichkeiten zwischen Pücklers hier formulierter Auffassung von Politik und seinen in den Andeutungen dargelegten Regeln für die Gartenkunst sind frappierend, da er für beide die gleiche Methode empfiehlt, näm­lich eine Varianz der Mittel bei Festhalten an einer Grundidee:970 Eine große landschaft­liche Gartenanlage in meinem Sinne muß auf einer Grundidee beruhen. Sie muß mit Konsequenz und, wenn sie ein gediegenes Kunstwerk werden soll, so viel als mög­lich nur von einer leitenden Hand angefangen und beendigt werden. […] Obgleich ich bei meinen Anlagen in Muskau mich nie einen Augenblick von der Grund-Idee entfernt habe […], so will ich doch gar nicht läugnen, dass sich viele ­Parthiien hier befinden, die nicht nur retouschirt, sondern oft gänz­lich, einmal, ja drei und viel Mal umgeändert worden sind. Man irrt sehr, wenn man glaubt, daß durch dieses mannigfache Ändern Verwirrung entstehe, sobald dasselbe überhaupt nur mit Grund und Verstand, und nicht aus bloßer Laune vorgenommen wird…

Mit dieser Forderung nach einer zu verfolgenden Grundidee steht er allerdings im Widerspruch zu der eher passiven Haltung, die in den Deutschen Denkwürdigkeiten befürwortet wird, in denen alle ideen- bzw. idealismusgeleiteten Projekte scheitern. Rumohrs Roman bot aber noch in einem weiteren Punkt Argumente für Pücklers Legitimation. Sicher nicht nur der Hesperus hat den von P ­ ückler betriebenen repräsentativen „Aufwand“ kritisiert, der umso zweifelhafter erschienen sein dürfte, je bekannter Pücklers schwierige finanzielle Lage war.971 Um den „Glanz, den große Häuser zu verbreiten pflegen“, dreht sich in den Deutschen Denkwürdigkeiten ein Gespräch zwischen Auctor und der pietistisch strengen Ehefrau des alten Grafen. Zur Bedingung für seine Akzeptanz macht die ­Gräfin die Frage, „ob der Beweggrund des Aufwandes bloß eine läppische und verwerf­liche Eitelkeit sey, oder ein richtiges Gefühl für Einklang und Übereinstimmung“.972 Dass er eitel sei, hatte Pückler im Jahr zuvor schon Varnhagen in seinem Dankesbrief für den Brockhaus-Artikel eingestanden, in dem zu lesen ist, dass er sich von seiner eigenen Mittelmäßigkeit „gedemüthigt“ fühle, weil er „eine so brennende Begierde […] nach einem Ausgezeichneten fühle“. Er leide ­darunter, das nicht erreichen zu können, obwohl er wusste, dass es „reine Narrheit“ ist,

970 Pückler 1834a, S. 13 und 16. 971 Anonym 1822, S. 823. 972 Rumohr 1832a/3, S. 194 f.

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„hervorgebracht durch eine mit den Seelenkräften nicht im Verhältniß stehende Eitelkeit“.973 Bei Rumohr konnte Pückler aber Ansätze finden, um sein Geltungsbedürfnis und seine Schwäche für Luxus, Eleganz und Statussymbole in anerkannte Tugenden umzudeuten. So inszeniert er 1859, also viele Jahre später, aber aus eben d ­ iesem Ideenkreis heraus, seine gartenkünstlerische Tätigkeit gegenüber Assing, die er als seine Biografin bestimmt hatte, als selbstloses und idealistisches Kunstschaffen:974 Der Grund, warum ich […] in der vorher erwähnten Thätigkeit allein ungetrübtes Glück empfunden, ist mir vollkommen klar geworden. Es fand […] statt, […] weil ich mich in Natur- und Geschmacksschöpfungen mir wirk­lich eines Talentes erster Klasse bewußt bin, etwas gött­lich Gegebenes, das eben so gut alle Eitelkeit, wie überhaupt alle niederen Affekte vollkommen ausschließt, und nur in sich selbst seinen reinen Genuß findet, ja von dem selbst der äußere Stoff gleichgültig abfällt, so bald er nur einmal durch die innere Kraft Gestalt gewonnen hat.

Die Gräfin in den Deutschen Denkwürdigkeiten will den Reichen gern zugestehen, „für wahrhaft Schönes, sey es der Natur, oder nur der Kunst, einigen wohlermäßigten Aufwand zu machen“, da das Schöne sonst ganz verschwinden könnte. Allerdings überwiegt bei ihr doch die Überzeugung, dass den „sogenannten standesmäßigen Aufwand die Schönheit“ wahrschein­lich nicht kümmere und sein „einziger Maßstab das Herkommen und die Sitte des Tages“ sei, wogegen Auctor in Pücklers Sinne die Reichen mit pragmatischen ökonomischen Argumenten verteidigt:975 Ich flüchtete mich daher hinter die Einwendung, daß ein ­solcher, allerdings übertriebener, Luxus doch einerseits viel Umschwung und Thätigkeit in die Gewerbe bringe, andererseits auch eine gewisse Überzeugung vom Vorhandenseyn großer Reichthümer hervorrufe, ­welche nothwendig viel Zuversicht, oder Credit, erzeugt. Die Staaten und Völker, sagte ich, werden ungleich häufiger von Meinungen bewegt, gelenkt und angetrieben, als man wohl zu bemerken pflegt. Der Credit ist daher ein nicht zu berechnender Zuwachs an Kraft, Muth, Unternehmungsgeist.

973 Pückler an Varnhagen. Muskau, 28. Januar 1833 (Pückler 1873/3, S. 140). 974 Pückler an Ludmilla Assing. Branitz, 29. November 1859 (Pückler 1874/4, S. 26 f.). 975 Rumohr 1832a/3, S. 195 f.

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Pückler hat sich hier mög­licherweise bestätigt gefühlt, da er so viel Aufwand für sein Äußeres und seine Umgebung eben in der Hoffnung betrieben hatte, dass „Meinungen bewegt, gelenkt und angetrieben“ würden und er dadurch kreditfähiger würde (in Hinsicht auf Geld wie auf Ansehen). Anders als ­Auctor, der das Gespräch abbricht, als die Gräfin auf die sich mit ihren Privilegien verbindenden Pflichten der Reichen zu sprechen kommen will, kommt Pückler auch in ­diesem Punkt Kritik zuvor, indem er auf den ökonomischen Nutzen seines Parks für seine Untertanen verweist:976 Gegen zweihundert Leute, die ich, theils in meinen Fabriken, (die auch für mich damals die einzige Einnahme lieferten) theils bei den erwähnten Anlagen, viele Jahre lang fast täg­lich beschäftige, danken denselben allein ihre Erhaltung, und es war daher gewiss ein ausgezeichnetes Glück für mich zu nennen, dass ich auf eine so leichte Art meine Pflicht mit meinem Vergnügen in Übereinstimmung bringen durfte.

Der geschichtsphilosophische Sinn: Gartenkunst als Element des ‚richtigen‘ Fortschritts

Dass Pückler seine Gartenkunst als Substitut für politische Arbeit oder sogar als besseres Mittel zur Erreichung politischer Ziele auffasste, lässt sich besonders prägnant in einem Tagebucheintrag aus dem Jahr 1863 lesen, in dem er nach dem Wiedersehen des Muskauer Parks das dort von ihm Geleistete für sich zusammenfasst:977 Von Anbeginn meines über dreißig Jahre verwalteten Amtes eines Standesherrn von Muskau, war es unausgesetzt mein Bestreben gewesen, der Vorschrift des gött­lichen Stifters unserer Religion folgend, mein geistiges Pfund, das ich von Gott erhalten, nicht zu vergraben, sondern so viel als mög­lich, keineswegs zu verinteressieren, sondern zum ­Nutzen des mir Anvertrauten geltend zu machen, ohne dabei irgend persön­liche Opfer zu scheuen. Zu ­diesem Ende bemühte ich mich gleich von Anfang an, eine ganz vernachlässigte Gegend fortwährend zu verschönern, unter den Bewohnern einen feineren Geschmack theils hervorzurufen, theils mehr auszubilden, den Geist der Industrie überall zu heben, geschicktere Handwerker in allen Fächern zu bilden, und end­lich vor 976 Pückler 1834a, S. 161. 977 Tagebucheintrag 1863 (Pückler 1876/9, S. 342 f.). Da Pückler zu d ­ iesem Zeitpunkt vermut­lich schon beschlossen hatte, seinen Nachlass veröffent­lichen zu lassen, sollte auch diese vermeint­lich private Äußerung als Teil von Pücklers Selbstinszenierung gesehen werden.

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allem jedem, der es be­nutzen wollte, die höchste Wohlthat des Arbeitgebens im ausgedehntesten und verschiedensten Maße zu ertheilen, was für alle Theile das Nütz­lichste, Befriedigendste, und selbst mora­lisch am meisten Bessernde ist […]. Also strebte ich ohne Unterlaß, und allerdings mit großer Schmälerung meines Vermögens nur darnach, mein geliebtes Muskau vorwärts in aller Augen zu bringen, den Fortschritt zu erreichen, dies Motto unseres Jahrhunderts, dessen Verwirk­lichung nur leider oft auf sehr falschen und unzweckmäßigen Wegen gesucht wird.

Der Text beginnt mit einer fast pietistischen Begründung seines Tuns, das er nicht etwa in Lust, Freude, Ehrbegierde oder Langeweile begründet, sondern in der gefühlten Verpflichtung, sein von Gott erhaltenes Talent nicht zu vergeuden. Dann begründet er den Nutzen seiner Gartenkunst, wobei Ästhetik auch hier nur am Rand steht, da weder der „Geist der Industrie“ noch die Ausbildung von Handwerkern oder das Arbeitgeben in einer zwangsläufigen Verbindung mit dem ästhetischen Charakter des Muskauer Parks stehen. Mit dem Verweis auf den ‚richtigen‘ Fortschritt, den er mit seiner Gartenkunst befördert habe, begab sich Pückler in die Geschichtsphilosophie. Mit den „falschen und unzweckmäßigen Wegen“, auf denen der Fortschritt sonst verfolgt würde, meinte Pückler anscheinend die sich seit den 1830er-Jahren durchsetzende Vorstellung vom Fortschritt als einer einseitigen, linearen Geschichtsentwicklung, die, befördert vor allem durch technische Neuerungen, zu einer immerwährenden Verbesserung des Lebens führen würde.978 Pückler habe dagegen, so Jacob, die zyk­lische Geschichtsvorstellung des Saint-Simonismus favorisiert, die der Kunst einen wichtigen Ort in der Gesellschaft einräumt.979 Zweifellos hat sich Pückler mit dem Saint-Simonismus auseinandergesetzt. Allerdings hat Pückler auch in dieser Theorie offenkundig in erster Linie ein Mittel gesehen, sich selbst und sein Tun zu legitimieren. Er sei „entzückt“ von den „Saint-Simon’schen Bücher[n]“ gewesen, die er neben dem Aufräumen seiner Wohnung gelesen habe, schrieb er im Februar 1832 an Varnhagen.980 Sie seien „wahr­lich eine neue Lehre, und die klare Erkenntniß einer beginnenden 978 Vgl. Wolff 2008, Koselleck 1975, Tagebucheintrag 1863 (Pückler 1876/9, S. 342 f.). 979 Vgl. dazu Jacob 1998a, S. 80 und Jacob 1998b, S. 66 f. 980 Pückler an Varnhagen. Berlin, den 5. Februar 1832 (Pückler 1873/3, S. 91). Genauer Wortlaut: „Nachdem ich einige Zeit mich etwas repandirt hatte, brachte ich gestern und heute zu Hause zu, um aufzuräumen, und die Saint-Simon’schen Bücher zu lesen, die mich entzückt haben. Dies ist wahr­lich eine neue Lehre, und die klare Erkenntniß einer beginnenden neuen Zeit, wenn auch diese sollte in Jahrhunderten. Übrigens

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neuen Zeit“ – die doch aber wohl „nur ganz langsam sich entfalten“ werde „in Jahrhunderten“. Und überhaupt solle man sie besser nur „als ein fernes Meteor […] beschauen, wenn man nicht nach Spandau wandern will“. Nach tief greifenderer Begeisterung klingt das nicht, eher nach Höf­lichkeit gegen den Freund. Dennoch lassen sich zwei Jahre später deut­liche Spuren des saint-­ simonistischen Denkens in den Andeutungen über Landschaftsgärtnerei erkennen, wie Jacob nachzeichnet:981 Pückler verband im Schlusswort der zweiten, dem Muskauer Park gewidmeten „Abteilung“ Gärtnerisch-Ethisches unmittelbar mit saint-simonistischen Verheißungen. Die Forderung, dass „jeder in dem Seinigen auch all das Seinige rastlos und vollständig“ vollbringen müsse, sah er im Typus des Landbesitzers, der sich vornehm­lich der Ideali­ sierung seines Eigentumes und der Kultur des Bodens widmet, beispielhaft verkörpert. Neben wirtschaft­lichem Nutzen und wahrem Kunstgenuss eröffne ­solcherart engagiertes Schöpfertum, „wenn die tausend Facetten sich […] zu einem Ring leicht und schön verbunden“, die Mög­lichkeit, dass „jener lieb­liche Traum der St. Simonisten: einer allgemeinen Verschönerung unserer Mutter Erde, einst verwirk­licht werden“ könnte. ­Pücklers Verknüpfung von Landeskultivierung und moderner Soziallehre war durchaus nicht abwegig, forderte doch schon im Jahre 1819 Saint-Simon: „Der gesamte Boden Frankreichs muss ein großer eng­lischer Park werden, verschönt mit all dem, was die schönen Künste zu den Schönheiten der Natur hinzufügen könnten.“ In Gestalt naturkund­licher und technikgeschicht­licher Museen sollte ­diesem nationalen Gartenreich ein historisches Gedächtnis implantiert werden.

Es ist allerdings frag­lich, ob es sich hier wirk­lich um eine ureigene Überzeugung Pücklers handelt oder ob es für Pückler nicht einfach opportun war, dem Saint-Simonismus zu huldigen, über den Varnhagen in einem Brief an Pückler geschrieben hatte, dass sich seine „ganze Größe […] grade darin“ zeige, „wie klein alles andere neben ihm wird, wie unbedeutend und gering fast alles, was uns bisher Hauptsache war und sein mußte“.982 Es ist anzunehmen, dass Pückler ungern auf der Seite des ‚Unbedeutenden‘ und ‚Geringen‘ stehen wollte und sich deshalb den Anschein gab, dass in „dem Paradiese von Muskau, bei dem Fürsten und Schöpfer desselben […] der Glauben an eine allgemeine Erdverschönerung gewiß leicht Eingang“ finden würde, wie steht sie uns noch weiter, und bleibt blos als ein fernes Meteor zu beschauen, wenn man nicht nach Spandau wandern will.“ 981 Jacob 1998a, S. 80 f. 982 Varnhagen an Pückler. Berlin, 4. Mai 1832 (Pückler 1873/3, S. 102).

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es Varnhagen suggeriert hatte.983 Dass Pückler dabei vor allem seine eigenen Interessen im Auge hatte, zeigt ein Tagebucheintrag aus dem Jahr 1848, in dem er einen saint-simonistischen Staat wünschenswert findet, weil er glaubt, dass dieser seine Geldprobleme lösen würde:984 Nur gehören frei­lich hierzu [zur Gartenkunst, I. M.] immer bedeutende Mittel, die mir im größten, und Tausende erfreuenden Maße, nur entweder ein sehr kolossaler Reichthum oder eine St. Simonistische Staatsverfassung gewähren könnten, wo – Jedem gegeben werden soll, was zu allen gemeinnützigen Thaten irgend erforder­lich sein kann – nach meiner Ansicht die erhabenste Idee, weil dadurch allein Sitte und Staat mit der Natur in Einklang zu bringen wäre, das Angeborene überall seine freie Entwicklung durch sichere äußere Unterstützung fände, Jeder in Wahrheit der Schmidt seines eigenen Glückes werden könnte, was, so lange die Privatfamilie, Ehe und Vererbung im jetzigen Sinne die Grundpfeiler der Gesellschaft bleiben, unmög­lich ist.

Zwei Jahre später bekannte er gegenüber Varnhagen, dass er eine Veränderung der Gesellschaftsordnung hin zu mehr Gleichheit, allgemeinen Rechten und Teilhabe nur dann wünschenswert finde, solange sie ihn selbst nichts koste, was diesen so erstaunte, dass er Pücklers Äußerungen in seinem Tagebuch festhielt:985 Von Politik bekannte er nichts zu verstehen, und daß ihm das Schicksal der Völker und Staaten ganz gleichgültig sei; dem besitzlosen armen Volke gestand er jede Berechtigung zu, und meinte auch, daß ein ungeheurer Wechsel in Besitz und Herrschaft vor sich gehen müßte, nur wünschte er für sich und alle zu seinem Leben gehörigen Menschen, außer den bisherigen genossenen Vorrechten auch noch das, bei dem großen Untergang verschont zu werden, seine Lebensweise möchte er unter allen Umständen fortsetzen, dazu gehört Geld und Rang, obschon er letzteren noch am leichtesten aufgäbe.

Pückler hatte für Demokratie und gleiche Rechte für alle im Grunde nicht viel übrig, worauf verschiedene Aussagen in seinen Werken hinweisen (die Börne entsprechend verstanden hat). So heißt es schon in den Briefen eines Verstorbenen, dass Gott „es selbst so angeordnet“ habe, „daß die einen genießen, die andern entbehren sollen“.986

983 984 985 986

Varnhagen an Pückler. Berlin, 7. Juni 1832 (Pückler 1873/3, S. 105). Tagebucheintrag vom 1. Juni 1848 (Pückler 1876/9, S. 265). Eintrag in Varnhagens Tagebuch, 4. Juni 1850 (Pückler 1873/3, S. 439). Pückler 1831/4, S. 71.

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Der Erfolg der Briefe eines Verstorbenen geht darauf zurück, dass Pückler darin geschickt eine Vielzahl von Meinungen vermengt und es damit sowohl Adeligen als auch Bürger­lichen mög­lich gemacht hat, sich (bei selektiver Lektüre) mit dem Verstorbenen zu identifizieren. So heißt es an einer Stelle, gut sein hieße „also in jeder Beziehung nichts anderes als: andere Menschen lieben und sich ihren Gesetzen unterwerfen – böse aber: sich nicht an diese Gesetze kehren, das Wohl anderer für wenig oder nichts achten, und bei seinen Handlungen nur die eigne momentane Gratifikation vor Augen haben“.987 Es ist ein für Pückler typischer Satz, da er viel Interpretationsspielraum lässt: Menschenliebe, Gesetzestreue und die Achtung des Gemeinwohls sollten sowohl in einer feudalen als auch in einer demokratischen Gesellschaftsordnung Werte sein. Zu Menschen- und Bürgerrechten äußert sich Pückler nicht. Wegen Aussagen wie dieser ist ihm dennoch oft eine liberale, ­soziale oder demokratische Haltung unterstellt worden, und sie wird dazu beigetragen haben, dass er im liberalen Lager so viel Erfolg hatte.988 Angesichts dieses Befundes müssen auch die Andeutungen kritischer gelesen werden. Sie enthalten, wie Jacob gezeigt hat, zweifellos Stichworte, die auf eine Orientierung am Saint-Simonismus als Alternative zum real einflussreicheren technisch-kapitalistischen Fortschrittskonzept schließen lassen. Jacob sieht deshalb im Muskauer Park die „Umsetzung einer antiurbanen Strukturpolitik mit gärtnerischen Mitteln“, also den Ausdruck einer Opposition zur technisch-kaufmännischen Moderne:989 987 Pückler 1831/1, S. 104. 988 So beispielsweise von August Ehrhard (Ehrhard 1835, S. 41): „Im Umgang mit ein­ fachen Menschen lernte der Adlige mensch­liches Solidaritätsgefühl. Seine Erlebnisse in schlechten Herbergen oder auf staubigen Landstraßen erklären seine späteren ­sozialen Ideen“. Ähn­lich auch in jüngerer Zeit Bürklin-Aulinger: „Kurz zusammengefasst, lässt sich die Entwicklung seiner Denkweise so beschreiben: während sein ­soziales Mitgefühl in den Jahren seiner Jugendreise geprägt wurde, bescherte ihm die Englandreise einen tieferen Einblick in die gesellschaft­lichen Verhältnisse und führte so zu einer Konsolidierung seiner Einstellung, dass die Herrschenden ein ihrer ­sozialen Position entsprechendes Verantwortungsbewusstsein entwickeln müssen. Seine schon frühe Abneigung gegen dogmatische Religionslehren verkehrte sich auf den britischen Inseln in offenen Hass. In England war es schließ­lich, wo seine Forderungen eines konstitutionellen Regierungssystems ganz deut­liche Formen annahmen.“ (Bürklin-Aulinger 1993, S. 58). Vgl. auch Bonnlander 1998, S. 141. Eine kritische Analyse von Pücklers ­sozialer Haltung findet sich hingegen bei Rippmann 1995. 989 Jacob 1998b, S. 61 f.

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Wie ein Ring legte sich der Park um Alt- und Neustadt, schnürte sie förm­lich ein und beeinflusste damit die Richtung ihrer weiteren Ausdehnung; als grünes Bollwerk verhinderte er ein Eindringen der Industrie und drängte deren Fabrikationsstätten an die äußersten Ortsränder ab. […] So erwies sich der Park auch als Hindernis für die Anbindung an das sich neu strukturierende Straßen- und Eisenbahnnetz. Mit der Verlagerung der modernen Verkehrswege verlor die Stadt ihre Funktion als Durchgangsstation im überregionalen Handelsverkehr.

Pückler inszeniert sich in den Andeutungen tatsäch­lich als idealistischer und selbstloser ‚Erdverschönerer‘, der mit seinem sich nicht in barer Münze auszahlendem gartenkünstlerischem Schaffen eine Auffassung von sitt­lichem ‚­Nutzen‘ als Gegenkonzept zu ökonomischer Logik und zum Effektivitätsideal von Kapitalismus und Bürokratie vertritt. Damit kommt er ebenso Varnhagens saint-­ simonistischen wie Laubes ‚poetischen‘ Idealen entgegen.990 Wie ein Blick in die im gleichen Jahr erschienenen Tutti Frutti zeigt, irrte sich indessen vor allem Laube, als er Pücklers Selbstinszenierung in den Andeutungen als ehr­liches Bekenntnis verstand. Im Abschnitt Zetteltöpfe eines Unruhi­ gen beschreibt Pückler verschiedene Vergangenheits- und Zukunftsvisionen der Geschichte seiner Familie, deren verbindendes Moment das Motiv der „Poesie des Adels“ ist. In einer Vision von Muskau in 100 Jahren wendet er diese gegen das „Dampf- und Geldregiment“, das seinen Park in eine große Industrie­anlage verwandelt haben wird und seinen in eine kleine Hütte abgeschobenen Nachfahren nach seinem Tod gemäß der wirtschaft­lichen Nutzlogik als Dünger verwendet.991 Mit seiner Kritik an einer ­solchen Nutzauffassung dürfte er mit Varnhagen und Laube auf einer Linie gewesen sein – nicht jedoch mit seiner Auffassung, dass ebenso bürger­liche Fantasien von „Freiheit und Gleichheit“ Schuld an der prophezeiten nutzorientierten Zerstörung seines Parks seien. „Wie könnte Einer so viel haben und Freiheit und Gleichheit bestehen!“, lässt er im Text einen Bürger auf seine Frage antworten, warum sein schöner Park zerstört 990 Pückler, Varnhagen und er gehörten „zu den mehr und mehr der Geschichte verfallenden poetischen Liberalen, die ein modernes Ritterthum wollen“, während die Gesellschaft mehr und mehr „eine prosaische Zeit des Geldes und des platten N ­ utzens“ sei, schreiben die beiden ihm dann auch. Varnhagen an Pückler (von Varnhagen aus einem Brief von Laube zitiert). Berlin, 9. Dezember 1834 (Pückler 1873/3, S. 268); Laube an Pückler. Berlin, 8. April 1835 (Pückler 1874/6, S. 8). 991 Aus den Zetteltöpfen eines Unruhigen. Erste Ziehung. Nr. 6. In: Pückler 1834b, S.  120 – 135, hier S.  133 – 135.

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wurde, um ihn unter Siedlern aufzuteilen. Die Parzellierung des Parks und die Entwicklung von Industrie setzt Pückler dann gleich mit dem Verlust jeg­licher Art von Poesie in der Welt. Hatten seine bürger­lichen Freunde postuliert, dass Adelige eine besondere Form der Poesie oder Kunst hervorbringen könnten, behauptet Pückler hier, dass nur der Adel Schönes schaffen könne, weshalb er ein Anrecht auf seine gesellschaft­liche Vorrangstellung habe. Pücklers Idee, dass Kunst nicht „Freiheit und Gleichheit“, sondern „Liebe“ brauche, ist eine feudale Fantasie und Pücklers Zukunftsvision mithin keine „hellsichtige Entlarvung des destruktiven Charakters technokratischer und ökonomistischer Hybris”, wie Jacob annimmt, sondern eine Drohung an alle, die Pücklers Vorrechte antasten wollen, wie im folgenden Abschnitt der Tutti Frutti deut­lich wird:992 Das wilde Streben nach Gleichheit, das nimmer hienieden Befriedigung erreichen kann, weil es Gott nicht gewollt hat – es ist der zweite Apfelbiß, der uns aus dem Rest des Paradieses werfen wird. […] Poesie und Kunst, Pracht und Luxus werden gleichmäßig dahinschwinden in der allgemeinen nüchternen Zweckmäßigkeit. Jeder wird das unumgäng­lich Nöthige haben und keiner mehr den Überfluß. […] Mit einem Wort: keine brennenden Farben werden mehr das Leben umspielen, ein todtes Grau in Grau allein seyd Ihr bestimmt, liebe Nachkommen, „in den sausenden Webstuhl der Zeit zu wirken“. Es bekomme Euch wohl!

Der opportune Sinn: Pücklers projektionsaffine Selbstinszenierung

Im dritten Band seiner Briefe eines Verstorbenen schildert Pückler seinen Besuch Goethes in Weimar im Jahr 1826. Dieser habe „viel Gütiges über Muskau und mein dortiges Streben“ gesagt, „mild äußernd, wie verdienst­lich er es überall finde, den Schönheitssinn zu erwecken, es sey auf ­welche Art es wolle, wie aus dem Schönen dann immer auch das Gute und Edle sich mannigfach von selbst entwickle“.993 Diese Sicht auf die Gartenkunst übernimmt Pückler in

992 Nutzanwendung. In: Pückler 1834b, S. 136 – 140, hier S. 136 f. Jacob versteht P ­ ücklers Zukunftsvision sogar als Vorahnung des Holocausts: „Dem latenten Wahnwitz, den der wache Literat karikierend bloßzustellen trachtete, folgten Taten. Es kam die Zeit, in der das Unfassbare geschehen konnte und die Produktionsmaschinerie einer enthuma­nisierten Gesellschaft den Rohstoff ‚Mensch‘ mit Haut und Haaren verwertete.“ (Jacob 1998b, S. 72). 993 Pückler 1831/3, S. 13.

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den Andeutungen, in denen er behauptet, dass der Muskauer Park dazu beitrage, seine ansässigen Untertanen „zu civilisiren“.994 Auf Grundlage dieses Urteils von Goethe und von Pücklers eigenen Bekundungen wurde wiederholt versucht, den Muskauer Park bzw. die Andeutungen als ‚klas­sische‘ Werke zu interpretieren. Eine der ersten und einflussreichsten Deutungen dieser Art stammt von Petzold, auf den wahrschein­lich auch das Pückler bis heute anhängende Etikett vom ‚Goethe der Landschaftsgärtnerei‘ zurückgeht.995 Petzold schreibt Pücklers Gartenkunst eine „Einheit der Idee und der Composition, des Styls und der Ausführung“ zu, die durch „Harmonie“ vermittelt würde und Pücklers Park zu einem „clas­sischen“ Werk machte:996 Ohne die Harmonie im Bilde möchte die Einheit leicht in Einförmigkeit, die Mannigfaltigkeit in Verworrenheit ausarten, sie ordnet also beide, und ist deshalb von größter Wichtigkeit für jede bildende Kunst.

Doch ist es nicht eine subjektive Wahrnehmung, wann die „Einheit“ in „Einförmigkeit“ und die „Mannigfaltigkeit in Verworrenheit“ kippt?997 Mit ähn­lichen Argumenten hat Böhmer jüngst Pücklers Literatur eine ‚klas­sische Haltung‘ attestiert, die sich „heuristisch beschreiben“ lasse „mit den bekannten Attributen: Klarheit, Mäßigung, Ruhe, Würde, schöpferisches Verhältnis zur Natur, Geschlossenheit von Inhalt und Form, Einheit von Geist und Sinn­lichkeit“.998 Pückler vereine darüber hinaus „das klassizistische Idealprinzip harmonisch mit der romantischen Mannigfaltigkeit der Formen und dem romantischen Fühlen überhaupt“, so Böhmer.999 Ähn­lich sieht Frank Maier-Solgk im Muskauer Park das „Ergebnis eines romantischen Lebensgefühls“.1000 994 995 996 997

Pückler 1834a, S. 162. Vgl. z. B. Stöckmann 2005. Petzold 1856, S. 54. Hallbaum zählt Pückler nur zu den ‚Nachklassikern‘: „In Muskau hat ohne Frage noch ein monumentaler Wille gewaltet, und die Größe der Naturform im Zusammenhang mit dem ungewöhn­lich schönen Baumwuchs zeigen noch immer das hohe formale Bewusstsein, das aus der Schule Sckells überkommen ist, und das wir ähn­lich auch in der Literaturgeschichte gerade bei den Nachklassikern antreffen (Hölderlin, Platen).“ (Hallbaum 1927, S. 80 und 92). Vgl. dazu auch hier Kap. 3.3. 998 Böhmer 2010, S. 196. 999 Böhmer 2007, S. 10. 1000 Maier-Solgk 2000, S. 186. Vgl. zudem Elizabeth Barlow Rogers, die den Muskauer Park als ‚romantische Landschaft‘ versteht, zu den Vertretern der ‚Romantik‘ in der Gartenkunst jedoch auch Hirschfeld und Goethe zählt (Barlow Rogers 2007, S. 22 f.).

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Erstaun­lich daran ist, dass ­solche Zuschreibungen auch heute noch vorgenommen werden, da sie in frühen Schriften zu Pückler ganz offensicht­ lich die Funktion erfüllen, Pückler und damit die eigene Beschäftigung mit ihm zu legitimieren und aufzuwerten.1001 Aus wissenschaft­licher Perspektive müssen sie fragwürdig erscheinen, nicht nur, weil sie mit dem Verweis auf Pücklers Persön­lichkeit oder gar ‚Seele‘ begründet werden. Wenn überhaupt, wäre es ohnehin nur für seine literarischen Werke diskutierbar, doch ist hier nicht belegbar, dass sich Pückler mit literatur- oder kunsttheoretischen bzw. kunstphilosophischen Fragen auseinandergesetzt hat (und weder Klassik noch Romantik sind anthropolo­gische Kategorien).1002 Für sein Gartenschaffen sind s­ olche Zuschreibungen nicht vertretbar, da es den ‚klas­sischen‘ oder ‚romantischen‘ Stil in der Gartenkunst de facto erst seit Ende des 19. Jahrhunderts als Konstrukt der Gartengeschichtsschreibung gibt. Ein entsprechendes historisches Selbstverständnis ist weder bei Sckell noch bei Pückler nachweisbar.1003 Als stilgeschicht­licher Referenzpunkt ist höchstens die eng­lische Garten­ geschichte denkbar, in der es tatsäch­lich theoretisch begründete Stilrichtungen wie den von Uvedale Price und Richard Payne Knight konzipierten ‚pittoresken‘ oder den reptonschen Stil gab.1004 So zeigt Manfred Uhlitz in seiner Studie zu Humphry Reptons Einfluss auf Pücklers Gartenästhetik, „dass die meisten Pücklerschen Gestaltungsprinzipien mit den Gestaltungsprinzipien Reptons übereinstimmen“ und dass „Pücklers Ideen weitgehend auf den Ideen 1001 Wie bei Petzold. Ähn­lich bei Grisebach: „Und so durchdringen sich auch bei ­Pückler – nicht anders als bei seinem großen Geistesverwandten Schinkel – roman­ tische und klas­sische Elemente. So sehr auch Pückler von den romantischen Mächten der Zeit ergriffen ist – seine künstlerische Sinnenkraft des Auges war sich der Gefahr bewusst, dass die gestaltende Phantasie in unsinn­liche, romantische Speku­lationen entgleite. Darum ist der ihn bei seinem Plane leitende Gedanke nicht litera­rischpoetischen Ursprungs, sondern von bildnerischen Erwägungen bestimmt. Darum lehnt er ­solche Requisiten im Garten ab, die nur der Einbildung Nahrung geben – wie etwa jene empfindsamen Inschriften…“ (Grisebach 1936, S. 6). 1002 Es ist durchaus wahrschein­lich, dass Pückler nur das weit verbreitete „romantisch gefärbte Vokabular“, wie Heidrun Laudel annimmt, oder „in der Luft liegende Ideen aufgeschnappt“ hat, wie Böhmer immerhin als Mög­lichkeit andeutet (Laudel 1998, S. 135; Böhmer 2007, S. 7). 1003 Wenn man davon absieht, dass Pückler das mit Schinkel geplante neue Schloss als etwas „bezaubernd Romantisches“ bezeichnet. Pückler an Lucie. Berlin, 21. März 1820 (Pückler 1874/5, S. 283). 1004 Vgl. Panning 2006, S. 36; Wimmer 1989, S. 214 – 227.

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Reptons fußen“.1005 Ähn­liches bemerkt 1851 Wilhelm Neubert im Deutschen Magazin für Garten- und Blumenkunde, in dem er konstatiert, dass man nicht sagen könne, „daß der Styl von Muskau etwas Eigenthüm­liches hätte“, aber dass er dennoch lobenswert sei, weil er „fast alle Vorzüge der gerühmten eng­ lischen Parks und Gärten [vereinigt], ohne ihre Fehler zu haben“.1006 Dessen ungeachtet ist die ‚klas­sische‘ oder ‚romantische‘ Deutung Pücklers offenbar bis heute für viele Pücklerforscher und -liebhaber plausibel, wohl auch, weil sie die vorausgesetzte Bedeutung Pücklers griffig zu erklären und zu verdeut­lichen vermag. Anscheinend macht es Pückler (bzw. das Bild, das er von sich in der Öffent­lichkeit, in seinen Briefen und Veröffent­lichungen sowie im Muskauer Park geschaffen hat) von jeher seinen Verehrern einfach, ihm wünschenswerte Eigenschaften zuzuschreiben wie die, klas­sisch, romantisch oder ein Demokrat zu sein. Dass sich in Pückler so vieles projizieren lässt, ist vermut­lich kein Zufall, sondern ein von ihm selbst bewusst herbeigeführter Effekt, wie aus einem Brief an seinen Neffen Louis Pückler hervorgeht, in dem Pückler dessen zu schroffes Verhalten kritisiert:1007 Ich habe es leider im Anfang nicht besser gemacht, mich aber bald corrigirt, weil ich Verstand genug hatte, es einzusehen, und wußte mich doch weit einschmeichelnder zu benehmen und mein Betragen nach dem Geschmack derer einzurichten, denen zu gefallen ich den Wunsch und das Interesse hatte. Die Natur hat Dir reich­lich alles Erforder­liche gegeben, um liebenswürdig zu sein. Vergrabe diese Pfunde ja nicht; es ist keines, was so reiche Zinsen trägt und dem Besitzer das Leben angenehmer zu machen im Stande ist.

Die an Pückler und seiner Literatur so gelobte „Liebenswürdigkeit“ ist offenkundig letzt­lich nichts anderes als eine aktualisierte „höfisch-politische […] Interaktionsrationalität“, die Wegmann als „ein strate­gisch-kluges, auf die erfolgreiche Durchsetzung eigener Interessen ausgelegtes Verhalten, das materiellen Erfolg – und d. h. auch persön­liches Glück – kalkulierbar macht“, umreißt.1008 1005 Uhlitz 1988, S. 383 f. Für seinen Versuch, Pücklers Bedeutung aus dem Verdienst zu erklären, „der Verbreitung des (eng­lischen) Landschaftsgartens in Deutschland entscheidende Impulse gegeben“ zu haben, erbringt er allerdings keine Belege. 1006 Neubert 1851, S. 242 f. 1007 Pückler an Louis Pückler. Jagdhaus, 17. November 1832 (Pückler 1875/7, S. 449). 1008 Wegmann 1988, S. 58 und 61. Vgl. dazu die Begeisterung, mit der Pückler Lucie von seiner Lektüre der Memoiren des Grafen Tilly berichtete: „Er war damals ein Ideal für mich, ein Roué des alten franzö­sischen Hofes in der Perfektion, außerordent­lich

Pücklers Erfolg als Gartenkünstler

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Dazu gehören bei Pückler Ironie, Rollenspiele, die von Böhmer konstatierte „fingierte Authentizität“, die passende Verwendung der richtigen Stichwörter und nicht zuletzt Lügen (wie die, freiwillig auf einen ihm von Hardenberg angeb­lich angebotenen Gesandtenposten verzichtet zu haben). In einem Entwurf für einen Zeitungsartikel aus den frühen 1830er-Jahren bekennt Pückler, dass er „gern Gefühle und Meinungen aller Art schildere“ und sich dabei „auch wohl zuweilen in Vornehmung einer erdichteten Maske gefalle, und manches ironisch vortrage, was nicht selten für baaren Ernst genommen“ werde.1009 Er beteuerte aber immer wieder, dass es ihm eigent­lich um Wahrheit, Ehr­lichkeit und Selbsterkenntnis gehe, wie in einem Brief an einen schle­sischen Verwandten:1010 Gerades Wort und gerade That, offenes Gesicht und offene Wahrheit sollte immer der Wahlspruch der Pückler sein. Der meinige ist es und die pfiffigen, hinterlistigen Duckmäuser waren mir von jeher von allen Wesen die unaussteh­lichsten.

Vermut­lich wird deshalb bis heute vieles, was Pückler von sich behauptet hat oder was andere ihm zugeschrieben haben, „für baaren Ernst genommen“, weil dieser höfische Bezugsrahmen nicht wahrgenommen wird. Da Pückler es schon lange vor seinen Erfolgen genoss, jemand zu sein, der die Meinungen von a­ nderen „hervorruft, leitet oder erzwingt“, und sie dann nach seinem „Geschmacke einrichten“ kann, und angesichts der gegenüber Assing formulierten Überzeugung, dass für bleibenden Ruhm eigent­lich nicht der eigene Verdienst, sondern nur die „Verklärung durch den historischen Dichter“ notwendig sei, ist anzunehmen, dass Pückler sehr gern Projektionsfläche für die Wünsche und Ideen von anderen (wie beispielsweise von Laube) war und ihre Projektionen auch befördert hat, solange sie seinen Ruf und Ruhm gemehrt haben.1011

schön. Dabei der Mensch von allen, die ich gesehen, mit dem ich meiste Ähn­lichkeit im Karakter habe, nur mit dem Unterschiede, daß er in Frankreich geboren und erzogen war. Ich bin überzeugt, unter diesen Umständen wäre ich ganz dasselbe geworden.“ Pückler an Lucie. 7. Januar 1826 (Pückler 1874/6, S. 299 f.). 1009 Neuntes Kapitel aus meiner Lebens-Reise [Bruchstück] (Pückler 1873/2, S. 371 – 374, hier S. 371). 1010 Pückler an Graf von Pückler in Breslau. Muskau, 12. Februar 1834 (Pückler 1875/8, S. 371). 1011 Pückler an Lucie. Muskau, 24. Mai 1817 (Pückler 1874/4, S. 250); Pückler an ­Ludmilla Assing. Branitz, 17. August 1858 (Pückler 1874/4, S. 1). Der genaue Wortlaut von Pücklers Brief an Assing ist: „Man hat übrigens wohl Recht, zu sagen, daß, was Einer

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Hermann von Pückler-Muskau und sein Muskauer Park

Dass Pückler mit seinem Park den Fortschritt befördert, eine beacht­liche nütz­liche Arbeit geleistet oder die Welt verschönert habe, sind alles Zuschreibungen, die nur das Anlegen eines irgendwie schönen Parks betreffen. Es geht in ihnen darum, Pücklers gartenkünstlerische Leidenschaft zu legitimieren und ihr Wert und Gewicht zu geben. Doch erschöpft sich der Sinn des mit so viel Aufwand gestalteten Parks darin, Ausweis von Pücklers Geschmack, Talent und Leistung zu sein? Oder hat er auch einen eigenen, in seiner konkreten Form liegenden Sinn? Der letzte Abschnitt dieses Kapitels widmet sich nun end­lich dem Park selbst und der Frage, wie er nach Pücklers Vorstellungen funktionieren sollte – und wie er zumindest teilweise auch tatsäch­lich bis heute funktioniert.

4.4 Der Muskauer Park und seine Botschaften Muskau als ‚Programmgarten‘

Auffällig ist, dass Laube und Varnhagen literarische Vergleiche wählen, um den Muskauer Park zu beschreiben: „mit aller Ahnung eines großen Gedichtes lockt und kräftigt [Muskau]“, ist bei Laube ähn­lich wie bei Varnhagen zu lesen, der den Park in seinem Reisebrief von 1828 ein „mächtiges Gedicht“ genannt ­hatte.1012 Die Tatsache, dass sich zwar eine Reihe von Schriftstellern über den Muskauer Park geäußert haben, anscheinend aber keine Maler oder Kunstkritiker, lässt vermuten, dass er tatsäch­lich eine irgendwie geartete literarische Qualität haben könnte. Wie aber lässt sich ein Park mit einem Gedicht vergleichen? Wie kommt es, dass Literaten in Wiesen, Blumen, Bäumen, Hügeln, auch Verdienst­liches gethan habe, er für die Anerkennung seiner Nachkommen doch erst einer Verklärung durch den historischen Dichter bedürfe! Eigent­lich ist, auch ohne Verdienst, nur das letztere nöthig. So darf ich denn hoffen, im Fall Sie dereinst diese lieb­liche Idylle Ihren weiteren Werken einverleiben, der Nachwelt in zehnfacher Verherr­lichung zu erscheinen, wenn auch meine schwachen Versuche, eine von Gott etwas verlassene Natur von neuem zu beleben, längst schon wieder vergessen, und der Gegenstand meines poetischen Bestrebens in sein altes Nichts zurückgekehrt sein wird.“ 1012 Varnhagen an Pückler. Muskau, 31. Juli 1828 (Pückler 1873/3, S. 3); Laube 1840, S. 174. Auch Leopold Schefer sah in Muskau ein „Maler-Epos“; Mundt ein „Märchen“, und in der Sagensammlung von Liebusch ist zu lesen: „er gleichet einer Ode, einer Hymne, geschrieben zum Preise des Schöpfers“ (Schefer 1849, S. 87; Mundt 1837, S. 25; ­Liebusch 1860, S. 90).

Der Muskauer Park und seine Botschaften

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Wasser und Wegen nicht etwas Schönes, Lieb­liches, Idyl­lisches oder Erhabenes, sondern etwas Poetisches gesehen haben? Der Grund dafür ist offenkundig die Voreingenommenheit, mit der die hier zitierten Muskau-Besucher den Park wahrgenommen haben. Wenn es bei Laube heißt, er habe sich bei seinem Spaziergang durch den Park an dessen „großen und kleinen Gedanken erquickt“, dann hat er offensicht­lich nicht in erster Linie die gestaltete Natur, sondern die Ideen im Park gesehen, von denen er in den schon lange vor seinem ersten Muskau-Aufenthalt gelesenen Andeutungen gelesen hatte.1013 Schon 1817 hatte Pückler an Lucie geschrieben, wie er „Leuten, die hierherkamen und alles höchst ordinair fanden, so eingesprochen habe, daß sie am Ende, sie wußten selbst nicht wie, mit der Idee fortgingen, sie hätten hier wirk­lich alles das gesehen, was ich ihrer Einbildungskraft vorgespiegelt hatte“.1014 Dass auch der mit Pückler schon länger bekannte Varnhagen 1828 nicht erwartungsfrei nach Muskau gefahren ist, lässt ein Nebensatz in seinem fünf Jahre später über Pückler verfassten Brockhaus-Artikel vermuten. Darin heißt es, dass gleich nach dem Tod von Pücklers Vater „der geniale Baumeister ­Schinkel, mit ihm zugleich der geistreiche Dichter Clemens Brentano, […] seiner [Pücklers, I. M.] Einladung nach Muskau“ gefolgt seien, „wo das Schloß durch neuen Anbau ein würdiges und großartiges Ansehen“ erhalten habe.1015 Brentanos Besuch ist nirgendwo dokumentiert und der Umbau des Schlosses durch Schinkel gehörte zwar zu Pücklers Lieblingsprojekten, wurde jedoch nie umgesetzt. Da Varnhagen Muskau persön­lich gesehen hat, muss er etwas Altes für den angeb­lichen neuen Anbau gehalten haben, wurde also von einer Legende getäuscht.1016 Abgesehen von wenigen Ausnahmen (wie Bettine von Arnim, die im Muskauer Park eben nicht, wie von Pückler versprochen, sein ‚Herz‘ gefunden hat) erschien der Park den meisten Besuchern als sinnvoll, wenn ihnen der Sinn

1013 Laube an Pückler. Muskau, 15. Februar 1837 (Pückler 1874/6, S. 18 f.). 1014 Pückler an Lucie, 15. Juni 1817 (Pückler 1874/4, S. 272). Andrea Hübener beschäftigt sich genauer mit der symbo­lischen Funktion des Schreibens über den Park für die Beziehung zwischen Pückler und Lucie; Klein zeichnet anhand der verschiedenen Frauenbriefwechsel Pücklers nach, wie Pückler auch noch im höheren Alter sein Talent zu suggestiver Beschreibung nutzte, um durch Beschreibungen des Parks von sich zu überzeugen (Hübener 2008, S. 330 ff.; Klein 2003, S. 125 – 168). 1015 Varnhagen 1833b, S. 673. 1016 Vgl. den Brief Pücklers an Lucie vom 24. Dezember 1825, in dem er von seinem Plan für eine Broschüre über Muskau berichtet (Pückler 1874/5, S. 277).

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des Parks zuvor erklärt worden ist. Auch Brandes empfand den zuvor als leer wahrgenommenen Park als sinn- und wertvoll, nachdem ihm sein Führer die Geschichte von der völligen Umarbeitung des Geländes erzählt hat. Es lässt sich hier eine Parallele ziehen zum zeitgleich in der Musikgeschichte eine Blütezeit erlebenden Konzept der Programmmusik, also von Instrumental­ musik, „der ein ‚außermusika­lisches‘ Sujet zugrunde liegt“, das meist in Form eines schrift­lich fixierten Begleittextes, eines ‚Programms‘, mitgeteilt wird. Die Gattung geht im Wesent­lichen auf Beethovens Sinfonien Pastorale und Eroica zurück und hat ihre stärkste Ausprägung in den Jahrzehnten von Pücklers hauptsäch­lichem Wirken gehabt.1017 Programmmusik wurde dabei als Gegenentwurf zur ‚absoluten‘ Musik – dem Pendant zur ‚autonomen‘ Kunst – verstanden. Mit dieser Folie lässt sich das Wesen des Muskauer Parks weitaus genauer erfassen als mit der ihm oft zugeschriebenen ‚autonomen‘ Klassizität, bei der davon ausgegangen wird, dass der Sinn des Parks nur in ihm selbst zu finden sei und keinen Bezug zur Außenwelt habe. Der Muskauer Park ist aber nur durch eine ­solche Bezugnahme zu verstehen. Für die Interpretation des Muskauer Parks als ‚Programmkunst‘ spricht, dass zu den wenigen Gestaltungselementen in ihm, die über die gärtnerische Formung und Komposition von Natur hinausgehen, Benennungen gehören, die als rezeptionsleitende ‚Überschriften‘ verstanden werden können. So gibt es den Luciesee, das Schnuckenbeet, den Lucieweg, das Hermannsbeet, die Hermannseiche, die nach Laubes Ehefrau benannte Iduna-Eiche, die Pücklers Schwestern gewidmeten Schwestern-Eichen, Cara’s Pfad (vermut­lich nach literarischem Vorbild), Sarah’s Walk (nach der eng­lischen Übersetzerin von ­Pücklers Werken, Sarah Austin, benannt) sowie den Großen Helminenweg und den Kleinen Helminensteig, die Lucies schöner Adoptivtochter gewidmet waren, in die Pückler lange verliebt war.1018 Diese haben jedoch keine bild­liche Quali­tät, sondern wecken beim Betrachter Assoziationen mit Geschichten – und begründen so tatsäch­lich eine literarische Qualität des Parks.1019

1017 Altenberg 1997, Zitat Sp. 1822. 1018 Vgl. Berthy/Brey 1999b, S. 39 ff. 1019 So hat beispielsweise die ‚Hermannseiche‘ ohne ihre Benennung keinen greifbaren Sinn, anders als beispielsweise eine spätestens durch ihre Attribute erkennbare Flora­ statue. Die Benennung eröffnet jedoch ein breites Bedeutungsfeld – sie gemahnt an die germanische Vorzeit, in der mög­licherweise ein Hermann unter einer Eiche mit seinem Gefolge Rituale abgehalten hat; zugleich auch an das Alter der Muskauer Herrschaft und nicht zuletzt kann sie als Symbol von Pücklers Stärke und Naturverbundenheit verstanden werden (vgl. Abb. 55). Eine suggestive Erzählung der heidnischen

Der Muskauer Park und seine Botschaften

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Dass sein Park in dieser Weise funktionierte und seine Beschreibung, sein ‚Programm‘, von hoher Suggestionskraft war, scheint Pückler recht früh bewusst geworden zu sein. So fürchtete er zu Unrecht, Lucie könnte nach seinen Schilderungen vom realen Muskau enttäuscht sein, wie er ihr 1817 schrieb:1020 Vom Schnuckenthal fürchte ich eine zu poetische Schilderung gemacht zu haben. Es wird einst so sein, aber jetzt, beste Schnucke, ist es noch himmelweit davon verschieden. Es ist mir ordent­lich ängst­lich wenn Du in ­solche Extasen über das höchst ordinaire Muskau ausbrichst, und dann Dich ohngefähr so getäuscht finden wirst, als wenn man jemand mit verbundenen Augen auf eine Felsenspitze führt, ihm die herr­liche Aussicht schildert, und erst wenn ihm die Binde abgenommen wird, bemerkt, daß er vor dem Kellerloche steht.

Dass der Park einen Sinn offensicht­lich nicht aus sich selbst, sondern nur durch Erzählungen über ihn entfaltet, zeugt einerseits von Pücklers Talent für die „Kunst der Beschreibung“, das Hubertus Fischer lobt, und andererseits vom Aufstieg der Literatur zum Leitmedium in der deutschen Kultur.1021 Nur selten wird das indes als zweckgerichtete Inszenierung erkannt; die meisten Rezeptionszeugnisse wie auch viele heutige Publikationen verstehen den Park als unmittelbaren und authentischen Ausdruck von Pücklers ‚Lebensgefühl‘, Persön­lichkeit oder Weltanschauung – und tradieren damit unbewusst Pücklers ‚Programm‘, das zum Genuss und zum Verständnis des Muskauer Parks notwendig ist.

Geschichte des Muskauer Tales, in der angeb­lich Eichen als Kult­örter verwendet ­wurden, findet sich ebenfalls in den Zetteltöpfen eines Unruhigen in Pücklers Tutti Frutti (Pückler 1834b). Das Thema wird später von Liebusch in seinen Sagen und Bildern aus Muskau und dem Parke aufgegriffen (Liebusch 1860). 1020 Pückler an Lucie. Muskau, 4. Mai 1817 (Pückler 1874/4, S. 232). 1021 Fischer 2003, S. 141.

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Hermann von Pückler-Muskau und sein Muskauer Park

Das ursprüngliche ‚Programm‘: moderner Adel

Pückler hat dieses ‚Programm‘ zuerst in den Andeutungen formuliert, wo er es als „Hauptidee“ bezeichnet:1022 [E]in sinniges Bild des Lebens unserer Familie, oder vaterländischer Aristokratie, wie sie sich eben hier vorzugsweise ausgebildet, auf eine ­solche Weise darzustellen, dass sich diese Idee im Gemüth des Beschauers, so zu sagen, von selbst entwickeln müsse.

Das ‚Programm‘ des Muskauer Parks lässt sich also wie folgt zusammenfassen: Der Muskauer Park inszeniert einen ‚modernen‘ Adel, der seinen Anspruch auf politische Macht und auf eine gesellschaft­liche Vorrangstellung zwar immer noch auf seine Geburt zurückführt, diese jedoch nun durch Leistung rechtfertigt. Die spezifische Leistung des Adels besteht in der Verschönerung und Poetisierung der Welt, die durch die Rationalisierungssucht der Bürokratie sowie das geist- und seelenlose Gewinnstreben des aufsteigenden Wirtschaftsbürgertums banalisiert und allen Zaubers beraubt zu werden droht. Adelige können dem etwas entgegensetzen und somit eine wichtige Funktion in der Gesellschaft erfüllen, indem sie ihre über Jahrhunderte erworbene Kultivierung sowie ihren verfeinerten Geschmack be­nutzen, um ihre ererbten Besitztümer zu verschönern und der Allgemeinheit zu öffnen, die dann durch den Genuss ihrer Schönheit besser wird. Da Adelige so das Wahre und Gute auf eine Art und Weise befördern, wie nur sie es können, sei es nicht nur legitim, sondern sogar notwendig, dass sie über mehr gesellschaft­liche Privilegien verfügen und vor allem weniger Steuern zahlen, da sie ihre Geldmittel ja auch dazu be­nutzen, Menschen in Lohn und Brot zu bringen.1023 Von ­diesem Verständnis des Muskauer Parks ausgehend, lässt sich der Unterschied zwischen dem fiktiven Park der Andeutungen und dem realen, staffagelosen Muskauer Park anders als bisher deuten. Der Park ist eben nicht nur ein „Phantasma, über das sich Autor und Leser, Künstler und Betrachter nur noch im Medium des illustrierten Buches verständigen“, wie Tausch 1022 Pückler 1834a, S. 172. 1023 Dass es Pückler um „die Ästhetisierung seines Lebensbereiches und die Abschottung desselben von der Banalität der modernen materiellen Welt“ gegangen ist, sehen auch Berthy und Brey; es ist allerdings frag­lich, ob das als „Resignation“ zu verstehen ist oder nicht doch eher als erfolgreiche Anbindung seiner adeligen Legitimation an das liberale Denken und die poetischen Fantasien seiner Freunde Laube und Varnhagen. Berthy/Brey 1999a, S. 233.

Der Muskauer Park und seine Botschaften

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annimmt.1024 Es ist davon auszugehen, dass der reale Park keine defizitäre Umsetzung der in den Andeutungen beschriebenen Vision ist, sondern als eigenständiges Kunstwerk ernst genommen werden soll, in dem bewusst auf bildersprach­liche Elemente verzichtet wurde. Er ist keineswegs nur ein Anhängsel zu den Andeutungen, sondern das eigent­liche Kunstwerk. Verständ­ lich wird dieses jedoch erst durch das in verschiedenen Texten (unter anderem den Andeutungen) und Erzählungen (wie der von der völligen Umarbeitung des Terrains) beschriebene ‚Programm‘. Pücklers Konzept stellt dabei eine grundlegende Wende in der Geschichte der Gartenkunst dar, die schon im Weimarer Ilmpark angelegt war, hier aber konsequent zu Ende geführt wurde: Der Muskauer Park ist kein Medium im traditionellen Sinn, da in ihm nichts abgebildet ist (weder literarische noch historische Figuren, Orte oder Ereignisse) und sich in ihm kein traditionelles Formenvokabular findet (wie die vitruvsche Säulenordnung oder die Neugotik des 18. Jahrhunderts). Als ‚Programmgarten‘ ist der Muskauer Park zwar kein autonomes Kunstwerk im Sinne der Weimarer Klassik, doch ist Pückler zweierlei gelungen: Zum einen wird der Muskauer Park seit jeher von Pücklers Verehrern als autonomes Kunstwerk wahrgenommen, weil sie bereitwillig den von Pückler angebotenen Deutungsrahmen übernehmen und diese Wahrnehmungslenkung durch Pückler nicht reflektieren, der seine auf eine Reihe von außerkünstlerischen Zwecken abzielende Parkgestaltung eben auch als autonomes Kunstwerk inszeniert hat. Zum Zweiten hat Pückler mit seinem Muskauer Park aber tatsäch­ lich eine künstlerische Emanzipation der Gartenkunst erreicht, um die sich die Garten­theoretiker des 18. Jahrhunderts vergeb­lich bemüht hatten. Während der formale Garten barocker Prägung sich in deut­licher Abhängigkeit von der Architektur zeigte, wurden bei der Gestaltung vieler Landschaftsgärten literarische Prinzipien (wie eine Szenenabfolge) adaptiert; in vielen wurden zudem literarische Werke illustriert.1025 Varnhagen und Laube nahmen den Muskauer Park zwar wegen seines ästhetisierenden, einen praktischen Nutzen ausblendenden Landschaftsumgangs als quasi lyrisches Werk wahr. Die Kenntnis literarischer Stoffe oder Techniken (abgesehen von Pücklers Werken, die seine Verehrer meist zumindest zitat- oder anekdotenhaft kennen) ist jedoch für eine sinnvoll erscheinende Rezeption des Muskauer Parks unnötig. Er kann deshalb mit Laube als das Werk einer ganz

1024 Tausch 1999, S. 13 f. 1025 Vgl. zur Literarizität des Landschaftsgartens des 18. Jahrhunderts Riederer 1998.

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eigenen „Naturkunst“ verstanden werden, die über eine „vollständig eigene Ästhetik“ verfügt.1026 Zu einem Verständnis von Pücklers Park ist nicht mehr wie in der älteren Gartenkunst eine besondere (meistens literarische) Allgemein- oder Spezialbildung notwendig, sondern nur noch die Kenntnis seines ‚Programms‘ – oder, wie zu sehen sein wird, zumindest das Wissen um die herausragende und faszinierende Persön­lichkeit Pücklers. Mit der Weimarer Autonomieästhetik hat das indes nichts zu tun. Gegen das Vergessen von Pücklers Deutungsrahmen und ‚Programm‘

Es ist frei­lich festzustellen, dass Pücklers ‚Programm‘ zeitgemäßer Adeligkeit, also der von ihm in Distanzierung von der gartenkünstlerischen als auch von der familiären Tradition begründete Deutungsrahmen, mittlerweile weit­gehend vergessen ist. Dennoch erscheint der Muskauer Park vielen Besuchern auch heute als sinnvoll und bedeutsam. Es lässt sich zwar vermuten, dass Pücklers Interpretation von Adeligkeit im Muskauer Park in den 1830er-Jahren – als die Frage nach der Rolle des Adels in der bürger­lichen Gesellschaft (der Pückler letzt­lich seinen literarischen Erfolg verdankte) ein breites Interesse auf sich ziehen konnte – von Besuchern erkannt und nachvollzogen wurde. Diese Frage hat jedoch im Laufe des 19. Jahrhunderts an Brisanz verloren. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass der Muskauer Park heute außerhalb enger wissenschaft­licher Kreise als spezifisch adeliger Park wahrgenommen wird. Pückler ist nicht deshalb immer noch bekannt, weil er einen zukunftsfähigen Adel definiert oder eine gesellschaft­lich nütz­ liche Arbeit geleistet hat. Von etwas zeitloserer Überzeugungskraft als Pücklers ursprüng­liches, auf seine persön­liche Situation und sein ­soziales Umfeld bezogenes ‚Programm‘ sind die Geschichte von der völligen Umgestaltung des Terrains sowie die Vorstellung einer ‚klas­sischen‘ Qualität des Parks. Aber auch diese Erklärungen sind nicht der Grund für die dauerhafte Berühmtheit des Parks. So hat etwa die Erzählung vom ‚klas­sischen‘ Muskauer Park den Nachteil, dass sie nur entsprechend gebildete Besucher erreicht; für die anderen ist dieses ‚Klas­ sische‘ so abstrakt, dass sie es nicht wahrnehmen, wie der Muskauer Park­ direktor Panning beobachtet hat:1027

1026 Laube an Pückler über dessen Wunsch, Muskau zu verkaufen. Toulon, 14. September 1839 (Pückler 1874/6, S. 28); Laube 1840, S. 174. 1027 Panning 2006, S. 32.

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Der Landschaftsgarten – zumal der naturidealisierende Typus in seiner vollendeten, nach Franz Hallbaum als klas­sisch bezeichneten Entwicklungsstufe – hat ein grund­legendes Dilemma: Im Moment seiner idealen Formvollendung streift er alles Konstruierte, Bau­ liche und Künst­liche ab und wird zu einem fragilen Naturkunstwerk, dessen unmittelbare Kognition durch die überwiegende Mehrheit der mit seiner Lesart nicht vertrauten Betrachter nicht erfolgt. Die Konsequenzen können schnell negativ und weitreichend für die Anlage ausfallen. Touristen verweigern sich womög­lich, weil sie beim besten Willen keine Attraktion zu erkennen vermögen, so dass die heutzutage unverzichtbaren Einnahmen ausbleiben.

Panning spricht damit einen wichtigen Punkt an. Im Gegensatz zu Werken der Hochkunst, die auch dann aufgeführt, gedruckt oder ausgestellt werden, wenn es nur ein kleines Publikum von Kennern gibt, braucht es für Werke der Gartenkunst ein größeres öffent­liches (oder privates) Interesse für ihre ununterbrochen kostspielige Unterhaltung, wie die vielen in den letzten Jahrhunderten verschwundenen Gartenanlagen zeigen. Es bedarf einer besonderen Attraktion, damit ein Park erhalten bleibt – und diese ist Pückler selbst. Der Muskauer Park ist nicht bis heute bekannt und ein beliebtes Ausflugs­ ziel, weil seine Besucher seinen Stil einzuordnen und zu schätzen vermögen, weil bei seiner Gestaltung angeb­lich das ganze Terrain umgearbeitet wurde oder weil der Park ein legitimes adeliges Handlungsfeld präsentiert. Seine Bekanntheit verdankt der Muskauer Park offenkundig auch weniger seiner künstlerischen Qualität (was diese nicht schmälert). Der wichtigste und wirkungsmächtigste Grund für die ungebrochene Faszination des Muskauer Parks ist das Wissen, dass der berühmte und faszinierende Fürst Pückler ihn erschaffen hat.1028 Pückler wird dabei nicht in erster Linie als großer Gartenkünstler imaginiert, sondern als faszinierende Persön­lichkeit. Er selbst – bzw. die Figur, die er inszeniert hat – ist die Attraktion des Muskauer wie auch des Branitzer Parks, den er als sein eigenes Grab- und Denkmal gestaltet hat.1029 Das ‚Programm‘ 1028 Deren Ausstrahlungskraft so groß ist, dass der Muskauer Park 2007 in einer Sendung des Mitteldeutschen Rundfunks (Die Top Ten Mitteldeutschlands) zum beliebtesten Garten in Mitteldeutschland gewählt wurde, obwohl zu den 50 zur Auswahl stehenden Gärten auch der Park von Pillnitz, der Dresdner Große Garten oder der Wörlitzer Park gehörten. Dazu beigetragen hat vielleicht auch, dass ein als Pückler verkleideter Schauspieler in der Sendung auftrat und sich mit dem Moderator über gartenkünstlerische Fragen unterhielt (vgl. Brinkop/Weiß 2007). 1029 Linda Parshall beschreibt das als „Self-Fashioning“ (Parshall 2004, S. 57 ff.).

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moderner Adeligkeit, das Pückler in den Andeutungen entworfen hat, wurde schnell verdrängt von einem zwar nirgendwo ausformulierten, aber umso wirkmächtigeren ‚Programm‘ der modernen Individualität Pücklers. Von dieser ging schon im 19. Jahrhundert eine bis heute ungebrochene Faszinationskraft aus, in der zentrale kollektive Wunschvorstellungen der west­lichen Gesellschaft zum Ausdruck kommen. Das bleibende ‚Programm‘: Die literarisch inszenierte Figur Pückler

Das Faszinierende an Pückler ist dabei, wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, nicht seine angeborene oder sozialisierte ‚natür­liche‘ Persön­ lichkeit, sondern seine Selbstinszenierung. Nicht nur das Alter Ego in P ­ ücklers Südöst­lichem Bildersaal ist, wie Böhmer interpretiert, ‚fingiert authentisch‘, sondern wohl die allermeisten nicht literarischen Selbstdarstellungen und -verarbeitungen Pücklers, ob im Park, in seinen Briefen oder Büchern.1030 Sicher fußen sie auf Pücklers Selbstwahrnehmung, die er in seinen Briefen und Büchern jedoch immer wieder überformt – und zwar oftmals nach literarischen Vorbildern. In Büchern hat er anscheinend passendere Vorbilder und ‚Ahnen‘ als in der Realität gefunden; Literatur war offensicht­lich „Lebensführungsmacht“ für ihn.1031 Diese ‚Macht‘ reichte so weit, dass Pückler sogar literarische Logik auf sein eigenes Handeln zu übertragen versucht hat. So schlug er 1817 Lucie vor, dass sie sich beide von ihrem „gefähr­lichsten Fehler, näm­lich dem der Verschwendung, durch das Schrecken, ­welches wir uns dadurch gegenseitig einflößen ­werden, beide kuriren“ sollten, „wie in der Komödie die zu hitzige Frau dadurch geheilt wird, daß sich ihr Mann noch zehnmal hitziger anstellt, oder der Vater den Sohn dadurch von der Leidenschaft des Spieles zurückbringt, daß er an unterrichtete Freunde vor den Augen des Sohnes selbst sein ganzes Vermögen zu verspielen scheint“.1032 Da Pückler in der Tat seine Verschwendung nicht beendete, hat er dabei vielleicht nicht nur gescherzt. Literarische (oder literarisch verarbeitete) Figuren, an denen Pückler sich laut eigener Aussage orientiert hat, sind (vermut­lich nicht nur) der Templer aus Scotts Ivanhoe, die Figur des Wentworth in Lady Trollopes One fault sowie Graf 1030 Böhmer 2007, Kap. 4. 1031 Vgl. dazu den diesen Ausdruck prägenden Aufsatz von York-Gothart Mix, der den Anfang der auch bei Pückler zu beobachtenden literarisierten Lebensform bei empfindsamen und gebildeten weib­lichen Adeligen beschreibt (Mix 2004). 1032 Pückler an Lucie. 29. Juni 1817 (Pückler 1874/4, S. 286 f.).

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Tilly der gleichnamigen Memoiren, der sein Leben ebenfalls nach literarischen Mustern ausgerichtet hat.1033 Vor allem in den 1820er-Jahren ist in Pücklers Briefen mehrfach zu lesen, dass er sich in der „Phantasiewelt“ von Romanen „am wohlsten“ fühle, dass er in ihr „Trost“ finde oder dass nur in ihr „wahres, seliges Glück blüht“.1034 1825 schrieb er an Lucie:1035 Ein dunkles Gefühl sagt mir, daß dieses Leben, dessen Repräsentant ich jetzt bin, zu keiner wirk­lichen Realität gelangen kann, woher es wohl auch kommen mag, daß der wahre Genuß für mich nur in der Phantasie besteht. Die Wirk­lichkeit scheint alles für mich zu entblättern, und nur das vage Reich der Illusionen ist mein eigent­liches Element. Daher auch meine leidenschaft­liche Liebe für die sogenannte todte Natur, deren geheimnißvolle, unsichtbare Kräfte ich nach Willkür für mich beleben und jede ­Deutung in sie legen kann. Es ist eine tiefe innere Poesie in meiner Seele, die aber vergebens ringt, sich plastisch zu gestalten, es bleibt beim Träumen!

Befriedigend mag es deshalb für ihn gewesen sein, dass sich der so lange erwünschte gesellschaft­liche Erfolg end­lich eingestellt hat, als er ein Buch veröffent­lichte, in dem er selbst die Hauptrolle spielte – und vor allem, dass das Buch schon erfolgreich wurde, bevor bekannt war, wer sein Autor und Prota­gonist war. Seine oftmals verspottete Selbstkultivierung und -inszenierung als besondere und herausragende, dabei auch etwas exzentrische Persön­ lichkeit kam, verkleidet als literarische Figur, offenbar einem tief sitzenden 1033 Wie beispielsweise seinen Einzug nach Versailles: „Ein zweiter Telemach, geführt von einem zweiten Mentor, erreiche ich Versailles, ohne unterwegs auf eine zweite Eucharis zu treffen; die wahren Eucharisse sind in Paris. Ich hatte mir vorgestellt, in ein Feenland versetzt zu werden, und, siehe da! nichts von dem, was ich sah, erregte mein Staunen. So geht’s mit allem, was man sich in der Ferne als bewundernswürdig ausmalt; die Wirk­lichkeit steht immer der Selbsttäuschung und den Bildern der Phantasie nach…“ (Tilly 1910, S. 26). Pückler an Lucie. 18. April 1824 (Pückler 1874/6, S. 231); Pückler an Lucie. Muskau, 5. März 1825 (Pückler 1874/6, S. 266); Tagebucheintrag vom 25. Juli 1840 (Pückler 1876/9, S. 126); Pückler an Lucie. 7. Januar 1826 (ebd., S. 299 f.). Darüber hinaus zitiert er in Briefen und Tagebüchern auch Stellen aus Büchern, die ihn zu charakterisieren scheinen, z. B. aus Lavater, wie im Tagebucheintrag 1839 (ebd., S. 115 f.). 1034 Pückler an seine Mutter. Muskau, 8. März 1834 (Pückler 1875/8, S. 379); Pückler an Lucie. 26. Dezember 1825 (Pückler 1874/6, S. 280); Pückler an Bettine von Arnim. 20. März 1832 (Pückler 1873/1, S. 96). 1035 Pückler an Lucie. 31. Dezember 1825 (Pückler 1874/6, S. 287 – Hervorhebung im Original).

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Bedürfnis der bürger­lichen Gesellschaft entgegen – einem Bedürfnis nach ausgeprägter und souveräner, von klein­lichen Vorurteilen oder Beschränkungen freier Individualität. Die „tiefe innere Poesie“ in Pücklers Seele, von der er 1825 noch schrieb, dass sie „vergebens ringt, sich plastisch zu gestalten“, hat den ihr wirk­lich angemessenen Gegenstand nicht in Gartenkunst und nicht in Literatur gefunden, sondern in der Gestaltung der eigenen Persön­lichkeit. Die Auseinandersetzung mit und die Arbeit an sich selbst, am eigenen Auftreten, an dem Eindruck, den er auf andere machte, an aufmerksamkeitswirksamen Selbstinszenierungen zieht sich wie ein roter Faden durch Pücklers Biografie; es ist eine quasikünstlerische Arbeit mit einem hohen Anspruch an den ästhetischen Wert, die Unverwechselbarkeit und Unvergess­lichkeit ihres Werks. Die „Poesie des Adels“, auf die Pückler in den Andeutungen verweist, meint im Laufe der Zeit mehr und mehr eine Poetisierung des Selbst. So erinnert sich beispielsweise Fanny Lewald an ihn als „Koloristen in der Unterhaltung“.1036 Diese Selbstkultivierung geht zwar auf adelige Prämissen und Traditionen zurück, führt aber mit der Überhöhung des Individuellen und Originellen dazu, dass Pückler kaum mehr als Adeliger wahrgenommen wird.

1036 „Wenn es Maler giebt, die man vorzugsweise als Koloristen bezeichnet, so konnt man den Fürsten einen Koloristen in der Unterhaltung nennen; denn wie jene Maler verfügte auch er mit Meisterschaft über die ganze Reihe der Farbentöne.“ (Lewald 1886, S. 287). Weniger schmeichelhaft schildert Paula von Bülow P ­ ückler, den sie als junge Frau in Berlin am Hof gesehen hatte: „Im Charlottenburger Schloß, in dem der König einen großen Teil des Jahres wohnte, versammelte er mehrmals wöchent­lich einen kleinen Kreis ihm angenehmer und wertvoller Menschen. Dazu zählten neben dem fast immer anwesenden General von Gerlach auch Fürst Pückler-Muskau und Alexander von Humboldt. Diese beiden hörten sich gerne sprechen, keiner wollte dem anderen das Wort lassen, sie gerieten auch des öfteren miteinander in Streit, was den König sehr amüsierte. Einmal sch­lichtete er einen s­ olchen Streit, in dem es sich um die Grundsätze der Malerei handelte, mit den Worten: ‚Ja, ja, meine Herren, schon gut! Der Eine von Ihnen malt nach der Natur, der Andere malt die Natur.‘ Letzteres traf den Fürsten Pückler, der seine grauen Haare färbte und, wie behauptet wurde, sich auch malte und schminkte.“ (Bülow 1925, S. 41).

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Der Muskauer Park als Teil von und Erinnerungsort für Pücklers ‚Lebenskunst‘

1840 vermerkte Pückler im Tagebuch, er habe einen „sehr guten Roman ‚­Arthur‘, von Eugène Sue gelesen, der mich schildert“.1037 Die Hauptfigur weist in der Tat erstaun­liche Ähn­lichkeiten mit dem Pückler auf, den man aus seinen Briefen kennt. Arthur ist wie Pückler der Sohn eines zurückgezogen lebenden, etwas schrullig-strengen Landadeligen. Anders als Pückler erbt Arthur allerdings 21-jährig ein enormes Vermögen. Er wird als gut aussehender und freidenkender Mann gezeichnet, der gewandt reitet und vor allem über das Talent verfügt, anderen zu gefallen. Die Handlung generiert sich aus den Konflikten, die aus einem bizarren Charakterzug Arthurs entstehen: Obwohl Talente, Aussehen und Vermögen ihm alle Mög­lichkeiten öffnen, um glück­lich zu werden, zweifelt Arthur daran, dass er um seiner selbst willen geliebt werden könne. Das führt dazu, dass er jede seiner Beziehungen in Anfällen von Misstrauen zerstört, weil er den ihn liebenden Frauen und seinem besten Freund ungeheuer­liche Motive für ihre Zuneigung unterstellt. Den Grund für diesen völligen Mangel an Selbstvertrauen sieht Arthur selbst (wie Pückler) in seiner Sozialisierung: Arthurs Mutter, die ihn bedingungslos geliebt hat, ist früh gestorben; sein Vater war ein aufgeklärter und dabei durch und durch rationaler Mann, der stets Leistung vom Sohn gefordert und ihn damit verunsichert hat. Lebensgenuss und see­lischen Frieden findet Arthur meist außerhalb von Städten in idyl­lischen Umgebungen, von wo er jedoch immer wieder nach Paris zurückkehrt. Erst die Liebe zur unschuldig-naiven Marie überzeugt ihn, ganz in der Einsamkeit und Abgeschiedenheit einer äußerst geschmackvoll und bequem eingerichteten Villa auf dem Land zu bleiben. Dadurch entgeht er ­seinem eigenen Misstrauen – und stirbt durch die Hand von Maries bösartigem, ihr durch Täuschung aufgezwungenem Ehemann, einem Piraten. Der Roman mag Pückler darin bestätigt haben, dass es richtig sei, sich nicht gesellschaft­lichen Normen anzupassen (wie etwa an die in der bürger­ lichen Gesellschaft so zentralen Werte des Fleißes und der Selbstdisziplin), sondern gerade auch seine schwierigen und exzentrischen Charakterzüge zu kultivieren 1038 – und dass gutes Aussehen, ein erlesener Geschmack und die 1037 Tagebucheintrag 1840 (Pückler 1876/9, S. 121). 1038 Was ihm bis heute immer wieder auch die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern verschafft, die seine spezifische Persön­lichkeitsstruktur zu ergründen versuchen (vgl. u. a. Jacob 1999).

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Vermittlung des Eindrucks geistiger Unabhängigkeit weiterhin anerkannte Werte waren. Der Erzähler in Arthur begründet die Herausgabe von Arthurs nachgelassenem Tagebuch mit all seinen psycholo­gischen Selbstergründungen mit der ‚Originalität‘ des Charakters von Arthur, die sich aus dem Widerspruch aus seiner Anziehungskraft und seinen Anfällen von Misstrauen ergebe.1039 Der Roman gewinnt zwar letzt­lich eine gewisse Spannung durch die verschiedenen Abenteuer, die Arthur erlebt (wie einen Kampf mit Piraten), aber im Grunde dienen alle Figuren und Ereignisse im Roman nur dazu, die Persön­lichkeit Arthurs mög­lichst umfassend und in allen ihren Facetten zeigen zu können. Das erinnert an Pücklers Reisebeschreibungen, in denen der Erzähler eine mindestens ebenso große Rolle spielt wie die besuchten Orte und Menschen. Pückler war schon seit seiner Jugend darum bemüht, bei anderen durch Reiter­ kunststücke, Streiche oder eine Ballonfahrt Interesse für seine Persön­lichkeit und sein Sein zu generieren. Nach seiner Rückkehr aus dem Orient gewann diese Selbstdarstellung eine neue Qualität, da Pückler von dort eine dunkelhäutige Sklavin mitbrachte und in Muskau begann, regelmäßig orienta­lische Kleidung zu tragen (vgl. Abb. 32). Ein Vorbild oder eine Bestätigung dafür findet sich ebenfalls in Sues Arthur, der noch einen weiteren Deutungsansatz für Pücklers Selbstinszenierung eröffnet. Arthur zieht sich zwischenzeit­lich, aus Furcht, weitere geliebte Menschen mit seinem Misstrauen zu verletzen, in eine orienta­lisch eingerichtete Villa auf einer Mittelmeerinsel zurück. Er verbringt dort über ein Jahr mit fünf Sklavinnen und in türkischer Kleidung ungetrübte ‚Sonnen­ tage‘ („Jours des soleil“), in denen er ganz im Genuss der schönen Natur und der Annehm­lichkeiten des Lebens aufgeht (bis ihm eine europäische Frau begegnet, in die er sich verliebt und der er wieder nach Paris und in neue Verwicklungen folgt).1040

1039 „En effet, une puissance rare: l’attraction; – un penchant peu vulgaire: LA DÉFI­ ANCE DE SOI, – servent de double pivot à cette nature excentrique, qui emprunte toute son originalité, de la combinaison étroite, et pourtant anormale, de ces deux contrastes.“ (Sue 1839, S. IX). 1040 „Cette résolution subite d’habiter l’île de Khios, et d’y vivre paresseusement dans l’oubli de tout et des tous, m’a été suggérée il y a un an par le souvenir cuisant des chagrins affreux que je venais de ressentir. […] La nature est si riche, si féconde, si inépuisable, que mon admiration devait encore être audessous des merveilles que la création prodigue. Sur quoi désormais ma défiance pouvait-elle d’ailleurs s’exercer?“ (Sue 1840, S. 102 f.).

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Das Leben voll und ganz genießen zu können, ist Arthurs wichtigstes Lebensziel, das er in seinem orienta­lischen Palast jedoch noch nicht ganz erreicht, weil ihm die Liebe zu einer Frau fehlt. Mit Marie und in einer geschmackvollen, aber einsamen Villa gelingt ihm schließ­lich die Verwirk­lichung seines Wunsches nach Glück und Genuss. Eben dieses literarische Muster legt Pückler an die Gestaltung seines Lebens an. Die ihm lange gemachten Vorwürfe, faul, vergnügungssüchtig und ein „Pfuscher in allen Dingen“ zu sein, der es zu nichts gebracht hat, kann er seit den 1830er-Jahren erfolgreich umdeuten, indem er sich in seinen Briefen und Reisebüchern als große Persön­lichkeit und als vielschichtiges, tiefgründiges, origi­nelles und vor allem unentfremdetes, ganz und gar souveränes Individuum inszeniert. Diesen Eindruck fasst etwa der Literaturwissenschaftler und Publizist Heinrich Hubert Houben 1925 zusammen:1041 Und wo Pückler nicht Schriftsteller und Gartenkünstler war, blieb immer noch etwas von ihm übrig, was der Öffent­lichkeit einen nicht leicht vergeß­lichen Begriff vermittelt, ein Mensch, der in einer vielfach beengten Zeit sich die Freiheit nahm, frei zu sein, um die Wendung eines politischen Lyrikers zu gebrauchen, und sich in einem echt romantischen Individualismus keck über alles hinwegzusetzen, was Tradition, Vorurteile des Standes, Gewohnheit und andere Kräfte an Hinderungsgründen stets reich­lich zur Hand haben. „Lebensbändiger“ möchte man ihn in Anlehnung an Rahels Wort nennen, wenn man die sechsundachtzig Jahre seines Lebens vorüberziehen läßt. […] Alle seine Schriften und ebenso seine zahlreichen Briefe verraten eine solch ungezähmte Lebensgier, eine so übermütige Lust, nur überhaupt auf der Welt zu sein, und eine wunderbare Kraft, alle Stimmungen, düstere und sonnige, auszukosten bis auf die Neige.

Muskau musste er dafür allerdings verkaufen, um genügend Geld zu haben für das unbeschränkt genussvolle Leben, das er sich dann in Branitz eingerichtet hat. Erst vor ­diesem Hintergrund kann die Entscheidung für Branitz und gegen ein Haus in Frankreich oder Süddeutschland wirk­lich als sinnvoll erscheinen: Pückler musste in der Nähe von Berlin und Dresden bleiben, weil er das Leben nicht für sich allein genoss, sondern dieser Genuss eine Inszenierung war, die sich an den Adel und die bürger­lichen Eliten in Preußen und Sachsen richtete. So bequem dieses Leben für ihn gewesen sein mag, hat er es offenkundig nicht

1041 Houben 1925, S. 67. Vgl. zu Houben Rudolph 1972.

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als Privatvergnügen verstanden, sondern als ein Kunstwerk, wie auch Rainer Gruenter bemerkt:1042 Er beherrschte die Kompositionsregeln der äußeren Eleganz wie kein Zweiter. Er wusste nicht nur, was in jeder Sparte des Komforts, vom Essgeschirr bis zum Schuhwerk das Beste war, sondern er kannte auch die Adressen des Besten. […] Pückler kümmerte sich um jede Kleinigkeit und Einzelheit. Das war nicht Pedanterie oder Marotte, s­ondern Befolgung einer Grundregel der Kennerschaft, die allein Extravaganz legitimiert. Diese sinn­liche Präzision im Detail bewirkte nicht zuletzt die besondere Qualität auch ­seiner literarischen Äußerungen, wie wir noch sehen werden. […] Hier decken sich die Grundstrukturen des Fürsten und des Künstlers.

Pücklers Genussfähigkeit und Geschmack wurden dann auch zunehmend zu den Eigenschaften, die seinen Ruhm sicherten. So begründet beispielsweise Felix Poppenberg 1904 seine Bewunderung für Pückler mit Verweis auf sie:1043 Zwei Tendenzen bestimmen dies Leben: Die neugierige Selbstgenußsucht als absolutistische höchste Instanz und der Geschmack als ihr erster Diener. „Meine Haupteigenschaft ist der Geschmack, der in allem das Vollkommenste zu erreichen sucht“, so sagte ­Pückler selbst. Dieser Geschmack äußert sich als selbstverständ­liches Stilgefühl, das für alle Lebensdinge, ob es Garderobe, Schmuck, die Einrichtung der Wohnung ist, oder die Prägung des Einfalls, die gelungenste Form erstrebt; es gibt für ihn keine Kleinigkeiten und es ist für ihn ein tiefes Bedürfnis, seine Umgebung, seine eigene Erscheinung, seine Äußerungen und seine Bewegungen als Reize zu genießen. Alles betrachtete Pückler als künstlerischen Stoff und er wurde auf das pein­lichste gestört durch das, was nicht stimmte, was schief und unharmonisch war.

Wenig später gab Heinrich Conrad in der Reihe Lebenskunst eine Auswahl von Pücklers Schriften heraus, die er mit der Bemerkung einleitete: „Wertvoller aber noch als das, was Pückler – abgesehen von seiner Spezialität der Gartenkunst – als berufsmäßiger Schriftsteller schuf, war sein Leben.“ 1044 Auch Assing fasst in ihrer Biografie Pücklers vielfältige Leistungen unter dem Schlagwort der „Lebenskunst“ zusammen:1045

1042 1043 1044 1045

Gruenter 1983, S. 124 f. Poppenberg 1904, S. 60 f. Pückler 1910, S. IX. Assing 1874, S. 299.

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Nur selten und ausnahmsweise konzentrirte er seine ganze Leidenschaft auf Eine Person, auf Einen Gegenstand, auf Einen Gedanken, auf Eine Beschäftigung; seine harmonische Lebenskunst vertheilte sich gleichmäßig oder auch abwechselnd in die verschiedensten Gebiete.

Dieses Lob von Pücklers ‚Lebenskunst‘ meint aber nicht nur seinen Geschmack und seine Genussfähigkeit, sondern auch, dass er es vermocht hat, „sich körper­ lich und geistig gesund zu erhalten, dadurch glück­lich zu werden und ein hohes Alter zu erreichen“, wie ein Ratgeber von 1868 Lebenskunst definiert, und dass er sich als „tüchtiger Lenker und Künstler“ seines Lebens „bewährt“ hat, wie Carus in einem Vortrag zu ­diesem Thema betont.1046 Mit Pückler wird bis heute der Erfolg auf zwei Gebieten assoziiert, die bis in die Gegenwart in der west­lichen Gesellschaft als Ideale gelten, näm­lich die Optimierung des Selbst und die Souveränität über den eigenen Lebenslauf. Pückler erscheint als jemand, dem beides glück­lich gelungen ist und hierin gründet ein großer Teil der Faszination, die er nur als begabter Gartenkünstler nicht auf sich ziehen konnte. Erst als ‚Lebenskünstler‘ – und damit in seinem zur Öffent­lichkeit gewendeten Sein quasi als Kunstfigur – konnte er so sehr zur Projektionsfläche werden, dass er bis heute zu beeindrucken vermag.1047 Dass die Würdigung durch Poppenberg zuerst in Fischers Neuer Rundschau und die Auswahlausgabe durch Conrad in Georg Müllers modernem Münchener Verlag erschienen ist, zeigt, dass Pückler dabei vor allem, wie schon in den 1830er-­ Jahren, die Wünsche und Sehnsüchte eines gebildeten und sich modern und liberal verstehenden Bürgertums anspricht, das von einem ‚ganzen‘ und erfüllten Sein träumte und träumt.1048 Das Konzept der ‚Lebenskunst‘ unterlegt außerdem den von Pückler bemühten Legitimationszusammenhang von Nutzen und Schönheit mit 1046 Vgl. Vogel 1868. Sein Vorbild war Reveillé-Paris 1835. Carus’ Definition lautet: „um wie viel mehr demnach werden wir Dem eine Kunst – d. h. die Lebenskunst – zugestehen müssen, der ein volles schicksalreiches Leben zum schönen und gekrönten Ende führt, und, wenn er auch nothwendig anerkennen mußte, daß dieß natür­lich immer nur unter der Bedingung eines höhern Beistandes und gött­licher Vergünstigung mög­lich war, dabei doch auch zu sagen berechtigt ist, daß er in der Leitung seines Lebens nicht willkür­lich selbst etwas verdorben, sondern überall als tüchtiger Lenker und Künstler sich bewährt habe.“ (Carus 1856, S. 5). 1047 Vgl. Fn. 735 und 736. 1048 In den 1830er- und 1840er-Jahren hat dabei zudem eine Rolle gespielt, dass viele Bürger­liche zwar Privilegien für den Adel ablehnten, aber gern die adelige Lebensweise adaptiert haben. So ging Laube beispielsweise bei seinem Gefängnisaufenthalt in Muskau regelmäßig jagen. Vgl. Kap. 4.3.

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einem weiteren Sinn. Dieser dürfte Pücklers Selbstverständnis am genauesten wieder­geben. In den von Pückler in den Andeutungen zitierten Deutschen Denkwürdigkeiten hatte sich Rumohr nur ironisch zu ­diesem Thema geäußert; eine weitaus aufschlussreichere Auslassung zur Begründung des Schönen durch das Nütz­liche findet sich in einem anderen und einflussreicheren Werk Rumohrs, näm­lich in seinem 1822 erstmals erschienenen Geist der Kochkunst von Joseph König:1049 Die Kunst zu kochen entwickelt in den Naturstoffen, ­welche überhaupt zur Ernährung oder Labung der Menschen geeignet sind, durch Feuer, Wasser und Salz ihre mehrsame, erquickende und ergötz­liche Eigenschaft. Auf die Kochkunst allein ist daher jener berühmte Ausspruch des Horaz anzuwenden, den man so oft von den höchst nutzlosen und ganz einseitig schönen Künsten der Poesie und Malerei hat verstehen wollen; näm­lich dieser: „Vermische Nütz­lichkeit mit Anmuth.“ Nütz­lich macht sich die Kochkunst, indem sie den dauernden Zweck des Essens, Ernährung und Labung, unablässig verfolgt. Ergötz­liches aber bringt sie auf zweierlei Wegen hervor; zunächst, indem sie dem voranbenannten Zwecke nachgeht, denn alle nahrhaften und gesunden Speisen sind meist auch wohlschmeckend; sodann, indem sie zu den bloß nahrhaften Gerichten und Speisen eine paß­liche Würze hinzufügt, ihnen dabei auch eine wohlgefälliges Ansehn gibt.

Nütz­lich ist deshalb auch Pücklers Gartenkunst nicht in erster Linie, weil sie abstrakten Kunstwerten entspricht, weil ihre Ästhetik erzieht oder weil sie ­Menschen Arbeit gibt. Nütz­lich ist sie, weil es gesund und entspannend ist, sich im Freien zu bewegen und die Natur anzusehen, und weil das in einem schönen Park umso angenehmer ist. Dass Genuss eine der zentralen Kategorien ist, in die sich Pücklers Wirken einordnen lässt, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er und seine Rezipienten auffällig oft in einer Semantik des kulinarischen Genusses bzw. Geschmackes über seine Werke kommunizierten. So hat nicht nur Pückler selbst seinem zweiten Buch einen kulinarischen Titel – Tutti Frutti – gegeben und seine Bücher insgesamt gern als „Kost“ oder „hors d’œuvre“ bezeichnet.1050 Auch die Rezeption seiner Bücher und seines Parks wurde mit kulinarischen Metaphern beschrieben.

1049 Rumohr 1832b, S. 18. 1050 Pückler an Houwald. Muskau, 12. März 1834 (Pückler 1875/8, S. 386); Pückler an Varnhagen. Muskau, 28. September 1832 (Pückler 1873/3, S. 121).

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So wurden seine Bücher etwa als „Geistesfrucht“ aufgenommen und wie „schäumende[r] Champagner“ von „wahre[n] Schmecker[n] genossen“.1051 In einem Brief Försters an Pückler ist über die Tutti Frutti zu lesen:1052 O könnten Sie doch nur sehen, mit w ­ elchem Appetit wir in diese „Tutti Frutti“ hinein­ beißen! und selbst auf die Gefahr, daß es eine kleine Indigestion geben sollte, wir Frühstücken, wir Mittagen, wir Abendmahlen und Nachtessen „Tutti Frutti“. Da giebt es aber nur täppische Gesellen, die beißen sogleich in die grüne Schale der Zueignung und finden selbige so bitter, daß ihnen gar nicht nach dem süßen Kerne verlangt, Andere tappen gleich mitten hinein, und verbrennen sich an den heißen Kastanien die Finger, und noch Andere gehen schlau um den heißen Brei herum, und blasen mit übervornehmen oder gelehrten, in jedem Falle aber aufgeblasenen Backen zur Abkühlung ­hinein und drüber hin, und denken, dies reiche hin, um drüber abzusprechen. Aber das Naschen kann doch keiner lassen…

Pücklers Jugendfreund Alexander von Wulffen berichtet 1834, dass Pücklers Bücher in Berlin nicht gelesen, sondern „verspeist“ würden, und zwar „mit einer Gourmandise, als wenn es nicht Gewürz, sondern Hausmannskost wäre“. Ein schon zitierter Artikel aus dem Jahr 1838 beschreibt den Muskauer Park 1838 als „Zuckerkuchen“.1053 Nicht zufällig hat auch die als Fürst-­ Pückler-Eis vertriebene, von einem Cottbuser Konditor erfundene Spezialität dauerhaften Erfolg. Wienbarg gehört zu den wenigen, die sich zu Pücklers Lebzeiten öffent­lich zu den wenigen aufrechten Deutschen zählten, die „noch nicht so weit herunter“ seien, dass sie „von Brosamen leben müßten, die von hoher Herren Tafel fallen“, zu denen er Pücklers „Gedankenabfall“ in den Tutti Frutti zählt.1054 Lebensgenuss ist bis heute die profane und alltäg­liche Form von Glück; viele verstehen unter einem erfüllten Leben ein Leben in Wohlstand und voller materiellem und sinn­lichem Genuss. Pückler hat sich in der Öffent­lichkeit als ein Mensch inszeniert, dem das in vollem Umfange gelungen ist, der imstande 1051 Varnhagen an Pückler. Berlin, 5. November 1830 (Pückler 1873/3, S. 33 f.); Varnhagen an Pückler. Berlin, 24. März 1834 (Pückler 1873/3, S. 203); Baron von Voght an P ­ ückler. Hamburg, 26. März 1834 (Pückler 1875/8, S. 411); Friedrich Förster an Pückler. Berlin, 14. Februar 1834 (ebd., S. 369). 1052 Friedrich Förster an Pückler. Berlin, 12. März 1834 (Pückler 1875/8, S. 387 f.). 1053 Alexander von Wulffen an Pückler. Berlin, 25. Februar 1834 (Pückler 1875/8, S. 373 f.); Anonym 1838, S. 234. 1054 Wienbarg 1838, S. 56.

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war, sich eine erfüllte Biografie und Persön­lichkeit und eine adäquate Umgebung dafür zu erschaffen. Er hat zwar versucht, seiner Gartenkunst und seinem Muskauer Park in der Tradition des 18. Jahrhunderts einen tieferen Sinn zu geben. Der Muskauer Park bietet jedoch im Grunde weit weniger ein ‚sinniges‘ als ein sinn­liches Vergnügen. Er sollte Pücklers Absicht nach zwar in erster Linie ein Kunstwerk sein; genutzt wurde und wird er indes vor allem für erholsame und vergnüg­liche Spaziergänge und -fahrten, also für den Genuss des Lebens in der Natur – oder aber für den Versuch, dem faszinierenden Leben des großen Abenteurers und Künstlers nachzuspüren. Diese von Pückler um sich erschaffene Aura ist bis heute die wichtigste und wirkmächtigste Attraktion der Parks von Muskau und Branitz. Aus dem Wissen heraus, dass seine Bücher nicht lange genug gelesen werden würden, um dieser Aura, also seiner Persön­lichkeit und seiner Lebenskunst, dauerhaft Aufmerksamkeit und Interesse zu sichern, hat Pückler zwei Dinge unternommen, um im kulturellen Bewusstsein präsent zu bleiben: Zum einen hat er Varnhagens talentierte und ihn bewundernde Nichte Ludmilla Assing überzeugt, seine Biografin und Nachlassverwalterin zu werden, die mit ihrer neunbändigen Briefausgabe und ihrer Biografie ein seither hundertfach zitiertes Referenzwerk für die Beschäftigung mit Pückler und damit einen leicht erreichbaren Zugang zu seiner Persön­lichkeit gegeben hat. Zum anderen hat Pückler alles dafür getan, dass seine Parks nicht als irgend­ welche Gärten, sondern als die unvergleich­lichen Werke des Fürsten Pückler wahrgenommen wurden und werden. So hat er den Muskauer Park nach 1840, als er den Verkauf Muskaus zur finanziellen Konsolidierung längst beschlossen hatte, fast auf die doppelte Größe ausgedehnt (von ca. 400 ha vor der Orientreise auf 750 ha danach) und ihn damit zum größten Landschaftsgarten Europas gemacht.1055 Er hat ihm dabei erfolgreich seinen Stempel aufgedrückt, denn obwohl seine Nachfolger Prinz Friedrich von Oranien-Nassau und die Grafen Arnim eine Vielzahl von Veränderungen und Umbauten vorgenommen haben (wie die Umgestaltung der Schlossfassade im Stil der Neorenaissance), wird der Muskauer Park bis heute als das Werk Pücklers angesehen.1056 Noch deut­licher zeugt der Branitzer Park mit seinen Pyramiden von P ­ ücklers Wunsch, das von sich erschaffene Bild unsterb­lich und unvergess­lich zu machen. 1055 Vgl. Rippl 1986, S. 28. 1056 Vgl. Rippl 1995a. Siegfried Sommer versteht „die Blumengärten bei Pückler als ein Spiegelbild seiner in so vielerlei Hinsicht widersprüch­lichen, vielgeschichtigen und exzentrischen Persön­lichkeit, als seine ganz individuelle Gartenlösung, für deren Nachahmung er nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann.“ (Sommer 1986, S. 80).

Zwischenfazit

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Der Park war und ist dabei dauerhafter als das sich in der persön­lichen Begegnung zur Geltung bringende Charisma Pücklers und er ist leichter rezipierbar als seine Briefe. Der Muskauer Park funktioniert damit noch stärker als der Weimarer Ilmpark als Konserve, die die Erinnerung an die Figur Pückler aufbewahrt und sie dadurch aktualisierbar macht.1057 Pückler selbst hat sich später anscheinend nicht mehr an der in den Andeutungen formulierten aristokra­ tischen „Hauptidee“ orientiert, sondern an dem, was die Gesellschaft dauerhaft interessieren könnte – und das ist das große Individuum, das die Kunst eines gelingenden Lebens beherrscht.

4.5 Zwischenfazit Durch die Beschäftigung mit Pückler ließ sich belegen, dass Gärten sogar noch im 19. Jahrhundert eine besondere Rolle für die Selbstrepräsentation von Fürsten und die Legitimation ihrer Ansprüche auf Macht und Privilegien spielen konnten. Angesichts des seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wachsenden Anpassungs- und Rechtfertigungsdrucks auf Adelige verwundert Pücklers Versuch, ein traditionell wirkmächtiges Instrument zur Erringung von Deutungshoheit für die eigenen Interessen zu adaptieren, nicht. Er hat allerdings, wie die letzten Kapitel gezeigt haben, zu einer Reduktion der konventionellen medialen Funktionen der Gartenkunst geführt. Pücklers Leben ist von seiner adeligen Sozialisierung in einer Phase gesellschaft­lichen Umbruchs geprägt. Geboren als Erbe der größten Standes­ herrschaft der Lausitz, wuchs er in einer Familie auf, in der aus persön­lichem Interesse und einer durch hohe Schulden verursachten Zwangslage Wert auf eine aufgeklärte Erziehung und Bildung gelegt wurde. Sein Großvater ­Hermann von Callenberg konnte sich durch Bildung Anerkennung in Kreisen der Aufklärung und an aufgeklärten Höfen verschaffen; seinem anderen Großvater Ludwig von Pückler gelang durch die Orientierung an neueren 1057 Wie erfolgreich das war, zeigt beispielsweise die 1936 erschienene Eloge von August ­Grisebach: „Die Anlagen in Muskau und Branitz sind […] die notwendigste, leidenschaft­lichste und beharr­lichste Äußerung seiner Persön­lichkeit. Besitz und Rang waren gewiss eine Voraussetzung zu ihrem Entstehen, aber über standesherr­ liche und repräsentative Beweggründe hinaus lag der Antrieb zu ihrer Verwirk­ lichung in der innersten Natur Pücklers, kam aus seinem Humanum. So offenbart sich in dieser von ihm geformten Landschaft zugleich der Wesenskern dessen, dem wir dieses Gartenglück verdanken. Le style c’est l’homme.“ (Grisebach 1936, S. 5).

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Hermann von Pückler-Muskau und sein Muskauer Park

ökonomischen Theorien eine kurzzeitige Verbesserung der Einkünfte der Standesherrschaft. Pücklers Eltern hofften, ihren Sohn durch eine aufgeklärte Erziehung – gemäß den neuesten Erziehungstheorien zu Hause und an namhaften Schulen der Aufklärung – dazu zu befähigen, die Standesherrschaft besser verwalten und ihren Ruin abzuwenden. Zugleich wurden ihm jedoch Adelsstolz und ein traditionelles adeliges Leben vorgelebt, mit Lust an Prunk und höfischen Vergnügungen. In d­ iesem Wertekonflikt entschied sich P ­ ückler schon früh für einen traditionellen adeligen Lebensentwurf, also nicht für bürger­liche Selbstdisziplinierung, die Tugenden des Fleißes und der gründ­ lichen Fachbildung, sondern für Selbstkultivierung, eine adelige Weltbildung und die Unterwerfung unter einen bestimmten Verhaltenskodex. Ausdruck davon ist auch die Anlage eines repräsentativen Parks. Allerdings scheiterte Pückler mit d ­ iesem Lebensentwurf zunächst in Preußen, da adeliges Verhalten dort nur noch einen Wert hatte, wenn es sich mit gründ­licher Bildung und fach­lichen Kompetenzen verband. Da Pückler über ­solche nicht verfügte, erhielt er von der Regierung weder eine Anstellung noch Unterstützung in seiner ihn immer weiter einengenden finanziellen Lage. Sein Park verschaffte ihm immerhin die private Anerkennung von Mitgliedern der politischen Elite; Konsequenzen hatte das jedoch nicht. Pücklers Stellung in der Gesellschaft verbesserte sich erst grundlegend, als es ihm als Schriftsteller gelang, Aufmerksamkeit auf und Deutungshoheit an sich zu ziehen. Mit seinen Lästereien gegen Mitglieder der High Society in England und gegen die bessere Berliner Gesellschaft konnte er sich Macht über die öffent­liche Meinung und damit Respekt bei den Kreisen erwerben, die ihn zuvor abgelehnt hatten. Pückler fand zudem viele Anhänger unter Bürger­lichen, die in ihm einen Verbündeten und eine Galionsfigur für ihre Auseinandersetzung mit dem Adel sahen. Als Schriftsteller und originelle Persön­lichkeit war Pückler für einige Jahre in aller Munde, was auch seinem Muskauer Park mehr Aufmerksamkeit verschaffte. In d ­ iesem fanden seine Anhänger mehr und mehr die Leistung des Genies Pückler, die sie in seinen wenig ausgereiften litera­rischen Werken zunehmend vermissten. Im Laufe der Zeit haben sich daraus drei von Pückler erschaffene oder beförderte Sinnebenen bzw. Lesarten des Muskauer Parks entwickelt: Erstens kann der Muskauer Park als das Lebenswerk des großen und genialen Künstlers Pückler betrachtet werden. Zweitens hat Pückler mit seinen Andeutungen über Landschaftsgärtnerei ein dem Konzept der Programmmusik ähn­liches ‚Programm‘ für seinen Park geliefert, der seine Botschaft nicht mehr durch gartenkunstfremde Elemente in sich selbst transportiert, sondern durch die in den Andeutungen beigegebene Erklärung, die den Besucher auffordert, die im Text

Zwischenfazit

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beschriebenen Bilder einer Ritterburg, eines Mausoleums etc. beim Spaziergang durch den Park selbst zu imaginieren. Dadurch konnte Pückler eine der Legitimation seines adeligen Lebensentwurfs dienende Botschaft in den Park einschreiben, ohne dessen aus Sicht seiner Freunde wesent­lichen autonomen Kunstwert zu beschädigen. Durchgesetzt hat sich jedoch vor allem die dritte Lesart, näm­lich der Blick, der in der Gestaltung des Parks die Persön­lichkeit Pücklers ausgedrückt zu finden glaubt. Der Muskauer Park hat damit eine doppelte Funktion: Einerseits legitimiert der ästhetische Park die Lebensweise und vor allem den Ruhm Pücklers. Andererseits dient der Park als Anker für die Erinnerung an die vergäng­liche Lebensleistung der originellen Persön­lichkeit Pücklers. Wer etwas über den Muskauer Park liest oder ihn besucht, wird zwangsläufig einiges über Pückler selbst erfahren und den Park durch dieses Wissen um Pückler wahrschein­lich auch sinnvoller und interessanter finden.

5. Schluss 5.1 Fazit: der Landschaftsgarten als adeliges Medium im Umbruch und Abstieg Ausgangspunkt dieser Studie war die Vermutung, dass sich in den Landschaftsgärten von Wörlitz, Weimar und Muskau die Identitätsentwürfe, Rollenbilder und auf Legitimation abzielenden Selbst- und Weltinszenierungen ihrer fürst­lichen Schöpfer Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und Hermann von Pückler-Muskau ‚lesen‘ lassen könnten. Diese Vermutung konnte bestätigt werden. Der Vergleich der drei Gärten, mit deren Gestaltung 1764, 1782 bzw. 1811 begonnen wurde, eröffnete dabei einen panoramatischen Blick auf die sich wandelnden Selbstverständnisse, Werte und Bezugsrahmen von Fürsten zwischen der Aufklärung und der Revolution 1848/49; die Untersuchung ihrer Rezeption bot zugleich neue Einsichten in das bürger­liche Wertesystem und in bürger­liche Wünsche dieser Zeit. Alle drei Fürsten standen in einem spannungsvollen Verhältnis zu Preußen, das ihre Souveränität, Unabhängigkeit oder zumindest ihre gesellschaft­liche Stellung bedrohte. Da sie weder militärisch noch diplomatisch gegen P ­ reußen ankamen, versuchten sie, die öffent­liche Meinung für sich einzunehmen. Zumindest für Pückler lässt sich nachzeichnen, dass seine Bücher und vor allem die Bedeutung, die ihnen von Rezensenten zugeschrieben wurde, auch die Wahrnehmung des preußischen Königshauses und der Berliner Oberschicht beeinflusst und Pücklers Ansehen verbessert haben. Für Leopold Friedrich Franz und Carl August lässt sich dieser Einfluss nicht nachweisen; dennoch ist davon auszugehen, dass sie mit Pückler den Wunsch nach einer Erhöhung ihres Prestiges teilten und deshalb ihr Handeln und ihre Selbstinszenierung an den in Literatur und Publizistik zu lesenden Wünschen ihrer bürger­lichen Zeitgenossen ausrichteten, da Literatur seit Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend die Macht gewann, Prestige zu verleihen. Damit erfuhren sie jedoch in ihrem fürst­lichen Selbst- und Rollenbild Konfrontationen von zwei Seiten: Auf der einen Seite ließ das in Preußen sich ausbildende Staatsmodell die traditionelle, eher unprofessionelle Regierung kleiner Herrschaften als uneffektiv und die ‚kleinen‘ Fürsten als überflüssig erscheinen

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(bei Pückler betraf das dann seine ungenügende Qualifikation).1058 Auf der anderen Seite wünschten viele gebildete Bürger­liche eine Einschränkung fürst­licher Machtbefugnisse und Souveränität. Die ‚kleinen‘ Fürsten wie Leopold Friedrich Franz, Carl August und Pückler mussten also gegenüber Preußen ihre Größe und Legitimität und gegenüber den Bürger­lichen ihre Liberalität, Aufgeklärtheit und Vernunftorientierung behaupten und belegen. Der Landschaftsgarten erwies sich als ideales Mittel dafür, da der Hochadel Gärten schon lange zur Repräsentation der eigenen Stellung gegenüber den Standesgenossen benutzt hat. Zugleich boten aber die im 18. Jahrhundert in den Landschaftsgarten proji­ zierten Idealvorstellungen eine hervorragende Mög­lichkeit, sich als Beförderer der herrschenden Gesellschaftsutopien darzustellen. Es ist den Fürsten von Anhalt-Dessau, Sachsen-Weimar-Eisenach und Pückler-­ Muskau gelungen, mit ihren Parks entsprechend positive Bilder zu kommunizieren und (unter anderem) dadurch ihre Herrschaft und Privilegien zu sichern. Leopold Friedrich Franz wurde als idealer ‚Landesvater‘ verehrt (oft als Gegenbild zum preußischen König); Carl August erhielt Zustimmung, weil er mit dem Ilmpark einen Ort für freiheit­lichen Selbst- und Naturgenuss sowie für die Inspiration der Weimarer Dichter geschaffen habe und Pückler wurde für die ‚klas­sische‘ Ästhetik seines Parks und die große Leistung seiner Schöpfung gelobt – und weil der Park nachträg­lich den durch seine Literatur nicht haltbaren Ruhm rechtfertigte, den seine bürger­lichen Freunde in einer Vielzahl von positiven Rezensionen und Aufsätzen genährt hatten. Um von einer überwiegend bürger­lich geprägten Öffent­lichkeit (d. h. von den meinungsbildenden Publikationen) positiv wahrgenommen und gelobt zu werden, war frei­lich eine immerhin oberfläch­liche Orientierung an bürger­ lichen Werten notwendig. Das hat offenkundig zu Identitätskonflikten geführt und neue Formen der Selbstrepräsentation notwendig gemacht. Den mit der funktionalen Ausdifferenzierung der bürger­lichen Gesellschaft einhergehenden „neue[n] und erhöhte[n] Anforderungen an die Identitätskonstitution und Verhaltensorientierung“ mussten sich, wie zu sehen war, auch die Fürsten stellen, die auf die Anerkennung dieser Gesellschaft abzielten.1059 Leopold Friedrich Franz stellte dieser beginnenden Fragmentisierung und Individualisierung der Gesellschaft noch einmal einen Entwurf eines sinnvollen Weltkonzepts entgegen, in dem sich jedes Individuum vermeint­lich konfliktlos 1058 Vgl. Umbach 2000, S. 10 ff. Als Preußen und Österreich Polen untereinander aufteilten, begründeten sie das eben mit der Uneffektivität der polnischen Regierung (vgl. Müller 1984, S. 34 ff.). 1059 Willems 2006, S. 174.

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einordnen ließ. Um Forderungen nach einer institutionalisierten und professio­ nellen Regierung abzuwenden, musste er jedoch selbst glaubhaft die von ihm entworfene Rolle des ‚Landesvaters‘ ausfüllen, der sich mit großer Ernsthaftigkeit und Disziplin um Lösungen für Probleme bemüht und für das Gemeinwohl arbeitet. Ihm gelang das, vermut­lich aus persön­licher Disposition, doch zu einem Muster für andere Fürsten im bürger­lichen Zeitalter konnte diese Rolle wegen ihrer enorm hohen Anforderungen an die persön­liche Disziplin nicht werden. Carl Augusts und Pücklers ambitionierten Erziehern gelang es nicht, die beiden zu ­solchen Persön­lichkeiten zu formen – obwohl sie sich an den Ideen und Anleitungen des Philanthropismus orientiert haben, den Leopold Friedrich Franz als geeignete Methode ansah, um für seinen Gesellschaftsentwurf passende Individuen zu formen. Weder Carl August noch Pückler fanden in der Realität geeignete und annehmbare Rollenvorbilder für einen verantwortungsbewussten, politisch klugen, fleißigen und zugleich mensch­lichen, seine Bedürfnisse und Individualität nicht unterdrückenden Fürsten. Sie haben darauf reagiert, indem sie sich literarische Vorbilder – Gottfried von Ber­lichingen, Tilly, Arthur – gesucht haben. Der in der Literatur seit den 1770er-Jahren immer wieder formulierte Anspruch an individuelle Entfaltung und authentisches Selbstsein hat jedoch ihren Identitätskonflikt noch zugespitzt, da er ein unentfremdetes Leben versprach, das aber in der Rolle als Fürst nicht einlösbar war. Die zunehmend an Allgemeingültigkeit gewinnenden Werte wie Arbeit, Fleiß, Sparsamkeit, Aufrichtigkeit und Selbstsein standen den traditionellen adeligen Werten diametral gegenüber; Selbstverwirk­lichung und Pflicht­erfüllung, bürger­ liche Werte und adelige Sozialisierung waren nicht ohne Weiteres vereinbar. Leopold Friedrich Franz, Carl August und Pückler zeigen zwei verschiedene Reaktionen auf diese veränderte Situation. Beide finden sich um 1800 vermut­lich häufig: Verhaltensanpassung bei Beharren auf uneingeschränkter Machtbefugnis oder Verzicht auf politischen Einfluss bei Beharren auf einer adeligen Lebensweise. Leopold Friedrich Franz hat auf die Forderungen der Aufklärung mit verstärkter Fürsorge für seine Untertanen und mit Wirtschafts- und Schulreformen reagiert; er hat dabei die Rolle des absoluten Herrschers, von der sich viele Aufklärer wegen ihrer unantastbaren Machtfülle provoziert fühlten, empfindsam umgedeutet in den zwar allmächtigen, aber verantwortungsvollen und liebenden, bürger­lich auftretenden ‚Landesvater‘. Bürgerrechte hat er nicht gewährt. Er hat die Aufklärung vor allem ethisch verstanden und deshalb auch sein eigenes Verhalten und Auftreten an das aufklärerisch-empfindsame Ideal angepasst. Carl August, der nach aufklärerischen Maximen erzogen wurde und mit Bürger­lichen befreundet war, hat sich dagegen bei seinem Lebensentwurf

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zunehmend wieder am adeligen Horizont orientiert, vor allem mit seinem heldenhaften Engagement für den Fürstenbund und als General der preu­ ßischen Armee. Inszeniert hat er sich frei­lich als ‚Mensch‘ und als bürger­lich auftretender Fürst. Er hat schon früh Bürger­lichen wie Goethe Regierungsverantwortung gegeben; die Franzö­sische Revolution und alle demokratischen Bewegungen hat er aber abgelehnt. 1816 hat er indes – anders als Leopold Friedrich Franz – eine Verfassung erlassen (dennoch hat auch er an seiner Macht als Letztentscheidungsinstanz festgehalten). Bei Pückler zeigt sich diese gegenläufige Tendenz am deut­lichsten ausgeprägt: Noch viel stärker und vor allem augenschein­licher als Carl August hat er für einen adeligen Lebensentwurf optiert, den er an das Vorbild des franzö­sischen Adels des 18. Jahrhunderts angelehnt hat. Dafür gestand er seinen bürger­lichen Freunden Varnhagen und Laube all ihre Wunschträume einer besseren, gerechteren Gesellschaft zu. Er war damit das Gegenteil von ­Leopold Friedrich Franz: Während dieser auf der althergebrachten Herrschaftsform und auf seiner persön­ lichen Macht bestand, jedoch in Äußer­lichkeiten und in seiner Lebensweise Zugeständnisse an bürger­liche Werte machte, war Pückler sogar bereit, eine Republik zu akzeptieren – zumindest solange seine Privilegien unangetastet und seine adelige Lebensweise legitim bleiben würden. Pücklers Adeligkeit ist eine individualisierte und ästhetisierte; einen Anspruch auf Macht oder politischen Einfluss wollte oder konnte er damit nicht mehr geltend machen. Pücklers hat sich als das erfolgreichste Konzept bewiesen, denn während die regierenden Fürsten ihre Macht 1918 verloren haben, haben die repräsentierenden die ihre über die öffent­liche Meinung bis heute behalten, wie das ungebrochene Interesse an Klatsch und Tratsch aus dem europäischen Hochadel zeigt, das sich in unzähligen Magazinen wie auch in den sogar von öffent­lichrecht­lichen Sendern durchgeführten Fernsehübertragungen von hochadeligen Hochzeiten dokumentiert. Die Strategien der drei hier untersuchten Fürsten konnten jedoch insgesamt nicht verbind­lich und vorbildhaft werden. Es sind auf die jeweilige Persön­lichkeit und konkrete Lebenssituation zugeschnittene Konzepte, die sich nicht zum Muster für andere Fürsten eigneten. So waren (vermut­lich nicht nur) ­Pücklers Versuche erfolglos, in die Rolle des ‚Landesvaters‘ zu schlüpfen oder einen ‚Musenhof‘ zu etablieren, weil ihm für das Erste Talent sowie Disziplin und für das Zweite an ausreichend bedeutenden Dichtern und Künstlern fehlten.1060

1060 Schefer, der nur zeitweilig in Muskau lebende Laube und der wenig erfolgreiche Carl Heinrich August Seidel genügten dafür nicht. Eine sie nennende Würdigung

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Auch in ihrer Selbstinszenierung in ihren Gärten sind sie alle erfolgreich gewesen – sie wurden und werden durch ihre Gärten als ‚gut‘, legitim oder gar bewundernswert und inspirierend wahrgenommen –, haben aber kein auch für andere funktionierendes Modell ausgeprägt. Die traditionellen Formen der gärtnerischen Repräsentation mittels ikonografischer Gestaltungen verloren schon zur Entstehungszeit des Wörlitzer Parks ihre öffent­liche Anerkennung und Bindekraft. Folg­lich zeigen sich nicht nur die fürst­lichen Rollenbilder von Carl August und Pückler, sondern auch die Formen ihrer Inszenierung und gärtnerischen Kommunikation als individuelle Lösungen, die wegen der starken Verflechtung von Persön­lichkeit und Park eine einfache Nachahmung unmög­ lich gemacht haben. Die Gartenkunst hat dann auch im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend ihre symbo­lische Bedeutung und ihren ehemaligen Sinn verloren. Es verwundert daher nicht, dass kein heute bekannter Hochadeliger für einen Garten berühmt ist. Ein Medium im engeren Sinn (als Kanal für Kommunikationen von einem Sender zu einem Empfänger) konnte die Gartenkunst sein, solange es einen konventionellen Code gab, mit dem sich Botschaften verschlüsseln ließen. ­Dieser war in der Frühen Neuzeit die Ikonografie. Die empfindsame Wirkungsästhetik, die die Ikonografie Ende des 18. Jahrhunderts verdrängte, hatte zwar noch codehafte Züge, indem sie einzelnen Formen bestimmte Wirkungen und damit Inhalte zuordnete. Da sie jedoch die Natür­lichkeit dieses Codes behauptete und es zu keiner Konventionalisierung des Formenvokabulars kam, wurde das kommunikative Potenzial von Gartengestaltung stark beschränkt.1061 Während Leopold Friedrich Franz im Wörlitzer Park noch ikonografische und empfindsam-wirkungsästhetische Gestaltungsweise verband, verzichtete Carl August im Ilmpark nach einer zwischenzeit­lichen Orientierung an der ikonografischen Tradition darauf, in traditioneller Weise konkrete Botschaften in seinen Park einzuschreiben – weil die hier zum wichtigsten Zielpublikum gewordene bürger­liche Öffent­lichkeit sie ohnehin nicht rezipiert

Muskaus als Literaturort findet sich dennoch in Anonym 1838, S. 235 ff. Zu Seidel vgl. Friedrich 2012. 1061 Gamper fasst diese Sicht der Zeitgenossen auf die Mög­lichkeit von Kommunikation durch den Garten so zusammen: „Die Ausrichtung der Ästhetik des Landschaftsgartens auf die unteren Erkenntniskräfte hat zur Folge gehabt, dass die Präzision der Mitteilung stark nachgelassen hat. Einen ‚einzigen wahren Sinn‘ gibt es im Landschafts­garten nicht mehr, weil die wichtigsten Rezeptionsinstanzen, die Einbildungskraft und das Gefühl, ihn nicht zu reproduzieren vermögen, sondern Polysemie hervorbringen oder zumindest diese nicht ausschließen.“ (Gamper 1998, S. 213).

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hat. Die Z ­ eichen, die sich im Ilmpark finden, genügen jedoch dank des voraus­setzbaren Kontextwissens über die Weimarer Klassik, um die von Carl August intendierte Botschaft verständ­lich zu machen: Dass er ein guter, weil mensch­licher, Kunst, Literatur und Wissenschaften liebender Fürst sei, der sich von seinen bürger­lichen Freunden leiten und lenken lasse und diesen Einflussmög­lichkeiten gewähre. Während es im Ilmpark immerhin noch Sinn-Indizien wie das Luisenkloster gibt, fehlen im Muskauer Park potenziell sinntragende Staffagen völlig. Hier spielt nun tatsäch­lich die Natur die Hauptrolle. Doch so schön eine verklärte Natur sein mag, so wenig können die Pflanzen und Bodengestaltungen des Muskauer Parks eine konkrete Botschaft transportieren, da es um 1830 keinen Code mehr gibt, in dem natür­liche Elemente als ­Zeichen funktionierten. Das, was bezeichnen könnte (die Pflanzen, Wege, Gewässer), und das, was bezeichnet werden bzw. was der Park kommunizieren sollte (die Botschaften über die Legitimität des Adels oder über Pücklers Größe und Originalität), stehen in keinem konventionellen Zusammenhang mehr. Der Muskauer Park ist aus ­keinem Bildungshorizont heraus mehr sinnhaft verständ­lich, sondern nur noch durch das spezifische Wissen um Pückler. Er ist tatsäch­lich kein Medium mehr, sondern ein Kunstwerk – das Werk einer Kunstform allerdings (der ‚Programmgartenkunst‘), die sich nie in gleichem Maße wie Literatur, bildende Kunst oder Musik im bildungsbürger­lichen Horizont etablieren konnte und deshalb bisher noch nicht theoretisch beschrieben wurde. Die hier nachgezeichnete Entwicklung, die zu einem Ende der ikonografischen Tradition der Gartenkunst geführt hat, ist dabei nicht, wie anzunehmen wäre, Folge eines zunehmenden Desinteresses von Fürsten an einer gärtne­ rischen Selbstdarstellung. Bei jedem der drei hier untersuchten Gartenschöpfer ließ sich ein deut­liches Interesse an Selbstinszenierung und an einer Verwendung des eigenen Parks zur Erreichung legitimatorischer Zwecke verzeichnen. Dafür war jedoch die Orientierung an den Vorstellungen des Zielpublikums notwendig, das seit dem Ende des 18. Jahrhunderts offensive Statusrepräsen­ tation und die Verwendung von Bildern als Z ­ eichen ablehnte. Schon während der letzten Hochkonjunktur ikonografischer Gartengestaltung im Umkreis der Fürstenbund-Verhandlungen in den 1780er-Jahren wurden Gärten von einem großen Teil des Publikums nicht mehr in entsprechender Weise, sondern im empfindsam-wirkungsästhetischen Deutungsrahmen rezipiert. In ­diesem wurde ein Gartenerlebnis ohne Vorbildung und ohne die Notwendigkeit rationaler Sinnentschlüsselung erwartet. Dass diese wirkungsästhetische Prämisse sich bei der Gestaltung der Parks von Wörlitz und Weimar niedergeschlagen hat, ist einer persön­lichen Prägung

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durch den empfindsamen Diskurs (bei Leopold Friedrich Franz) zu verdanken, war aber auch eine Reaktion auf die immer einflussreichere öffent­liche Meinung, die in Literatur und Publizistik formuliert wurde. Die Orientierung der Gartenschöpfer an den vom Publikum angenommenen Deutungsrahmen hat indes nur individuellen Erfolg erbracht; die Wirkungsmög­lichkeiten der Gartenkunst insgesamt hat sie stark beschnitten. Das betrifft vor allem die sich Ende des 18. Jahrhunderts etablierende Auffassung von Kunst als einem autonomen, von allen konkreten gesellschaft­lichen Funktionen freien Bereich, der nur seiner eigenen Logik, nicht der Repräsentation oder der empfindsamen Erziehung zu dienen habe. Carl August und Pückler ist es zwar gelungen, d­ iesem Ideal bei ihrer Garten­ gestaltung scheinbar zu entsprechen und dennoch mit ihren Parks die von ihnen gewünschten Botschaften über sich selbst zu kommunizieren. Medium im engeren Sinn waren ihre Gärten damit jedoch nicht mehr, weil sie keinen konventionellen Code verwendeten. Das Ziel ihrer Schöpfer – näm­lich Anerkennung und Akzeptanz zu erhalten – erreichten alle drei untersuchten Gärten stattdessen, indem sie die aus der Literatur vorgeprägten Erwartungshaltungen ihres Publikums erfüllten oder diesen zumindest nicht widersprachen. Die Parks waren damit immer weniger ein Medium, das vom Publikum zu entschlüsselnde Botschaften transportiert, und immer mehr Projektionsfläche für vom Publikum mitgebrachte Vorstellungen. Das traditionelle Modell visueller Kommunikation und dabei des Gartens als Medium verlor seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an Bedeutung; spätestens um 1830 hatte sich die Literatur in Deutschland als Leitmedium etabliert. Insofern ließe sich die ‚Gartenrevolution‘ eigent­lich als erfolgreich werten, da der Verzicht auf die Ikonografie (und damit das über Jahrhunderte am meisten benutzte Mittel zur adeligen Repräsentation im Garten) zu einem nicht unwesent­lichen Teil auf die geschmacksbildende Wirkung der unzäh­ligen Gartentheorien, Gartenbeschreibungen und fiktiven Gärten in der Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Allerdings ist, wie bekannt, in den deutschen Staaten um 1800 keineswegs eine Entwicklung zu mehr Freiheit, Gerechtigkeit oder allgemeinem Wohlstand zu verzeichnen, wie sie von einer Veränderung des Gartengeschmacks erwartet worden waren. Einige ‚aufgeklärt‘ absolutistische Herrscher haben zwar Reformen durchgeführt; Bürgerrechte, Mitwirkungsmög­lichkeiten oder eine Gewaltenteilung wurden jedoch entweder gar nicht, nur rudimentär und/oder ohne verfassungsmäßige Garantien gewährt. Es ist zwar seit dem 18. Jahrhundert eine immer breitere Gültigkeit bürger­licher Werte zu erkennen; die politischen Karriere- und damit Gestaltungsmög­lichkeiten blieben aber für Bürger­liche in den deutschen

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Staaten noch sehr lange stark beschränkt. Insofern muss gefragt werden, ob die ‚Gartenrevolution‘ einer Veränderung der gesellschaft­lichen Verhältnisse, die sich viele Aufklärer wünschten, letzt­lich nicht sogar im Wege stand, indem sie viele Kritiker des Absolutismus dazu verleitete, sich mit der im Landschaftsgarten manifestierten Illusion einer Verbesserung der Gesellschaft zufriedenzugeben, statt diese in der Wirk­lichkeit einzufordern.

5.2 Die Macht von Illusionen In seinem Buch Empire of Illusion. The End of Literacy and the Triumph of Spectacle behauptet der amerikanische Journalist und Pulitzerpreisträger Chris Hedges, dass die Demokratie in den USA durch ein einfaches, aber effektives Mittel zunehmend unterhöhlt werde von der Macht der Konzerne („corporate power“): indem diese bis an den Persön­lichkeitskern des Einzelnen rührende Illusionen schaffe, die so wirkmächtig seien, dass sie das Interesse an einer Auseinandersetzung mit der wirk­lichen Welt und vor allem mit der Frage, wer die Macht hat (und was diejenigen, die sie haben, damit machen), verdrängen. Das hat in Hedges’ Sicht dazu geführt, dass die amerikanische mittlerweile eine dominant bilderbasierte Kultur ist, die vor allem über Fiktionen und Pseudodramen kommuniziere – statt über Sach­ themen, Meinungen und Kritik.1062 Obwohl deutsche Landschaftsgärten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts von den USA des 21. Jahrhunderts weit entfernt zu sein scheinen, lassen sich hier einige bemerkenswerte Parallelen erkennen, vor allem in zwei Punkten: In Landschaftsgärten wurden ähn­lich wie im amerikanischen ‚Empire of Illusion‘ eindrucks- und wirkungsvolle Bilder und Fiktionen erschaffen, denen von den Autoren der ‚Gartenrevolution‘ eine enorme Macht zugesprochen wurde. Die hier untersuchten Gartenschöpfer versprachen zudem die Realisierung der von ihren Rezipienten gewünschten harmonischen und glück­lichen Gesellschaft, deren Kosten von den ‚Gartenrevolutionären‘ wie von den Anhängern der positiven Philosophie (siehe unten) nicht reflektiert wurden. Ein zentrales Thema der ‚Gartenrevolution‘ war, wie gezeigt, die Ablehnung der traditionellen Ikonografie in der Gartengestaltung, weil diese die Besucher zwänge, den Garten rational wahrzunehmen. Theoretiker und Liebhaber des Landschaftsgartens kritisierten es, wenn Staffagen nur mit intellektueller

1062 Hedges 2009, S. 49.

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Anstrengung verständ­lich waren, und forderten stattdessen eine Gartengestaltung, die unmittelbar die Empfindungen anspricht. Das hatte zwar einen kritischen Impuls, da es sich gegen die offene Macht- und Statusrepräsentation der Herrschenden im Garten richtete. Die von den Gartenautoren geforderte Verpflichtung auf die Natur bzw. den ‚Genius Loci‘ bei der Gartengestaltung war jedoch naiv, denn wie die vorigen Kapitel gezeigt haben, ließen sich auch naturähn­liche Landschaftsgärten zur Repräsentation von legitimatorischen Selbst- und Weltinszenierungen ­nutzen. Dabei hat den gartenschaffenden Fürsten geholfen, dass Gartenautoren ihre Leser auf einen Wahrnehmungsmodus einschworen, in dem (sowohl bei der Wirkungsästhetik als auch bei der auf die Gartenkunst übertragenen Autonomieästhetik) in erster Linie die Sinne oder das ästhetische Gefühl affiziert werden sollten, da dieser Modus eine Kritik am politischen Gehalt oder ein Hinterfragen des Zweckes von Gärten schwer machte. Zudem wurde die Wahrnehmung von den in der Literatur immer wieder aktualisierten Konnotationen mit dem Paradies, mit Arkadien oder dem Elysium gelenkt, die alle Symbole sind für Erlösung oder ein glück­liches Leben. Entsprechend oft wurde auch in realen Gärten ein Versprechen für einen oder ein Vorgeschmack von einem Idealzustand der Welt gesehen. Gefähr­lich ist das, weil sich viele Aufklärer mit der Illusion zufriedengaben, dass ein paradie­sischer, arkadischer oder ely­sischer Landschaftsgarten die mit diesen Mythen assoziierten Vorstellungen von Freiheit und Glück bewirken würde (oder dass diese im Garten schon realisiert seien und ihre Übertragung auf die Welt außerhalb des Gartens deshalb nicht schwierig sein dürfte). Deshalb forderten sie diese nur selten auch in der politischen Realität. Das führt zum zweiten Punkt, den Hedges als zentral für eine illusionistische Kultur ansieht, näm­lich ihre Fixierung auf s­oziale Harmonie und die planmäßige Herstellbarkeit von indivuellem Glück. Das Zweite wird heute von den Vertretern der positiven Psychologie versprochen, die Selbsttäuschung zu einem für die Psyche hilfreichen und für die Gesellschaft produktiven Instrument erklären.1063 Als Selbsttäuschung lässt sich indes auch die vielfach gepriesene empfindsame Gartenlust des 18. Jahrhunderts verstehen, die kein Regulativ und keine Vorsicht kannte (anders als die in der empfindsamen Literatur exemplifizierten zwischenmensch­lichen Beziehungen): Dass sie von Menschen getäuscht werden konnten, wussten die meisten Empfindsamen; dass Gärten das auch können, übersahen sie.

1063 Hedges 2009, S. 122.

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Sie glaubten, dass die Natur nur gute Wirkungen haben könne. So schön und angenehm Landschaftsgärten sind, bieten sie frei­lich eines nicht: ein unmittelbares Naturerlebnis. Ebenso irrig wie der Versuch der Physiognomik, von der Form des Kopfes auf den Charakter eines Menschen zu schließen, oder wie der empfindsame Glaube, dass körper­liche Äußerungen wie Tränen oder Ohnmächte die wahren Gefühle verrieten, ist auch die im 18. Jahrhundert so weit verbreitete Überzeugung, dass sich die Natur im Landschaftsgarten nicht verfälschen ließe. Doch aus dieser Prämisse heraus wurde angenommen, dass Fürsten vernünftig, aufgeklärt und ‚gut‘ sein müssten, wenn sie Landschaftsgärten schufen, in denen sie eine nicht unterdrückte oder verfremdete Natur genießen konnten. Das vom Garten vermittelte Bild von Leopold Friedrich Franz ließ sich immerhin noch mit greifbaren politischen Leistungen verknüpfen. Das K­lischee vom Landschaftsgarten als Symbol für die Güte seines Schöpfers verselbstständigte sich jedoch bald (vielleicht auch durch die Strahlkraft des Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreiches‘). Das führte dazu, dass von vielen Rezipienten die in den Parks von Weimar und Muskau vermeint­lich manifestierte richtige Haltung von Carl August und Pückler als Leistung selbst aufgefasst wurde. Dadurch konnten die beiden Fürsten mithilfe ihrer Gärten allgemeine Anerkennung erwerben, ohne greifbare Leistungen in ihrem eigent­lichen fürst­lichen Verantwortungsbereich vorweisen zu müssen. Damit zeigen die Rezipienten von Landschaftsgärten, denen die Gärten als Beleg für die Güte oder Legitimität der Herrschaft oder Stellung ihrer Besitzer genügten, eine ähn­liche Weltwahrnehmung wie die, die Hedges der derzeitigen US-amerikanischen Gesellschaft attestiert: Sie nehmen mit dem Schein und mit Illusionen vorlieb. Auf dem Erfolg von Illusionen beruht ein wesent­licher Teil des Ruhms der drei hier untersuchten Fürsten und ihrer Parks. Ihre Gärten sind zwar auch allein wegen ihrer Ästhetik schätzenswert; ihre über Jahrhunderte ausstrahlende Faszinationskraft haben sie jedoch wegen der Illusionen, die sie kommunizieren oder denen sie Wirkmacht und Dauer gegeben haben. Dazu gehört die Illusion vom Fürsten als liebendem und sorgendem ‚Landes­ vater‘, bei der die aufgeklärte Gesellschaft erst erstaun­lich spät bemerkte, dass sie die kind­liche Unmündigkeit der Subjekte einer ­solchen Herrschaft notwendig macht. Dennoch haben sich vor allem in den 1790er-Jahren viele aufkläre­ rische Publizisten angesichts der in Frankreich vorgehenden Gewalt gedank­lich in die heile Welt des Patriarchalismus geflüchtet und lieber auf die Liebe ihrer ‚Landes­väter‘ als auf die Rechtmäßigkeit ihrer Forderungen nach einer gerechteren und freieren Gesellschaft vertraut.

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Carl August ist dagegen die Abwendung öffent­licher Kritik an seiner Regierung gelungen, weil er sogar seine bürger­lichen Weimarer Freunde davon überzeugt hat, dass nur sein Schutz und seine Förderung ihnen künstlerische und persön­ liche Entfaltungsmög­lichkeiten geben könnten. Dass er seine Beamten schlechter bezahlte als andere Staaten und seine mäzenatische Leistung im Wesent­lichen aus einem Zulassen und einem freund­lichen Interesse an den literarischen und künstlerischen Produktionen seiner Freunde bestand, fiel dabei nicht ins Auge. Pücklers Erfolg begründet sich schließ­lich zumindest teilweise darin, dass er es den Bürger­lichen abgenommen hat, den unliebsamen Adel zu kritisieren. Seine im Muskauer Park vorgenommene Landesverschönerung schien zudem die Vision des von Varnhagen befürworteten Saint-Simonismus zu bekräftigen, der eine bessere und harmonischere Gesellschaftsordnung jenseits von absoluter Macht wie auch Parteienstreit versprach. Auch in den 1830er-Jahren wirkte dabei noch die ‚gartenrevolutionäre‘ Idee nach, dass der Landschaftsgarten ganz automatisch die wünschenswerte Abstellung aller gesellschaft­lichen Missstände bewirken könnte. Pücklers Zeitgenossen unterstellen dem Muskauer Park eine ethische Wirkung, die zu einer Verbesserung der Gesellschaft beitragen würde. Damit reaktivierten sie die alte Vorstellung, dass der Landschaftsgarten eine „sitt­liche Gewalt über die Gemüther der Bürger“ habe und eine „gänz­liche Reform in den Gesinnungen und in den Vorstellungen der Menschen“ erreichen könne, die eine politische Revolution überflüssig machen könnten.1064 Viele begeisterte Gartenbesucher des 18. und 19. Jahrhunderts wünschten sich eine bessere, aufgeklärtere und freiere Welt, aber sie glaubten nicht an eine Verbesserung des politischen Systems, sondern an die Verbesserung des Menschen. Um diese bemühten sich die Aufklärer und ihre Nachfolger zwar red­lich – die Hauptverantwortung dafür überließen sie jedoch der Natur und ihren Agenten, den Fürsten. Problematisch daran ist nicht, dass ein s­ olcher Idealzustand nicht erreicht wurde (weil frag­lich ist, ob er überhaupt erreichbar ist), sondern dass über der Begeisterung für die im Landschaftsgarten vermeint­lich verwirk­lichte Utopie vergessen wurde, ihre Umsetzung in der politischen und gesellschaft­lichen Realität einzufordern. Die Illusion, dass ausgeprägte Mensch­lichkeit, Natur­ orientierung und Kunstliebe Fürsten ‚gut‘ mache, ist problematisch, weil sie übersehen ließ (und lässt), dass es kein gewaltloses Mittel gab, um sie von ungerechten und egoistischen Entscheidungen abzuhalten oder um eine andere als den fürst­lichen Interessen dienende Politik durchzusetzen.

1064 Hirschfeld 1779/1, S. 157; Hennings 1797, S. 20.

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Schluss

Es ist dabei erstaun­lich, über w ­ elche Faszinationskraft die von allen drei Fürsten gefütterte Illusion vom großen, mensch­lichen Individuum, das ein erfülltes, gelungenes Leben führt, bis heute verfügt. Es handelt sich dabei ohne Zweifel um eine Illusion, weil das Leben der drei Fürsten keineswegs so stimmig, heil und krisenlos war, wie sie es inszeniert haben. Das wird frei­lich bis heute selbst in der Wissenschaft nur selten bemerkt. Diese Inszenierungen haben aber eine repressive Tendenz, da sie in ihrer schlüssigen Plausibilität und Faszinationskraft auch normativ wirken können. Das betrifft beispielsweise die von Leopold Friedrich Franz inszenierte und bis zur Trennung von seiner Frau aufrechterhaltene Illusion, dass eine auf zärt­licher Liebe beruhende Ehe auch bei gegensätz­lichen Charakteren funktionieren könne. Das kann andere Ausprägungen einer Liebesbeziehung bei genügender Distribution anormal erscheinen lassen (wie die heutigen Medien bestimmte weib­liche Figurnormen suggerieren). Ähn­lich kann Pücklers überausgeprägte Individualität wirken, die unoriginellere Lebensweisen leicht als weniger wertvoll erscheinen lässt. Von einem wissenschaft­lichen Standpunkt aus interessant, von einem politischen bedenk­lich ist die die Zeiten überdauernde Insistenz dieser Illusionen, denn es geht hierbei im Grunde um politische Fragen, zu denen eine demokratische Gesellschaft eine andere Haltung als die im 18. und 19. Jahrhundert gültigen vertreten sollte. All die Themen, die mit Landschaftsgärten assoziiert wurden, betrafen eigent­lich die Frage, wie eine Gesellschaft so organisiert werden könne, dass ihre einzelnen Mitglieder glück­lich, frei, erfüllt und wohlhabend sind und dass sie miteinander fried­lich und konstruktiv umgehen können und wollen. Die Beschäftigung mit dieser politischen Sinnebene in der Gestaltung und Diskussion von Landschaftsgärten macht die Brisanz der vermeint­lich nur ­schönen Gärten in ihrer Entstehungszeit deut­lich. Mit ihnen und dem Schreiben über sie haben Fürsten und Bürger­liche bis heute grundlegend wichtige Fragen verhandelt: Wie soll der Mensch leben? Wie soll unsere Gesellschaft aussehen? Was ist Freiheit? ­Welche Werte gelten in unserer Gesellschaft? Wer verteidigt sie? Werde ich rational von der Richtigkeit und Güte einer politischen Entscheidung überzeugt oder durch Illusionen manipuliert? Wie legitim und vernünftig ist die Macht, die unsere Gesellschaft verschiedenen Gruppen oder Akteuren einräumt? ­Welche Macht haben Bilder heute? Diese problematische politische Dimension ist indes weitgehend vergessen, weshalb die sich mit den einzelnen Gärten verbindenden Illusionen oft unreflektiert weiter tradiert werden – aus einem einfachen Grund: Sie sind bis heute faszinierend und locken somit zahlendes Publikum. In dieser Studie ging es vor

Die Macht von Illusionen

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allem um politische Fragen; der ökonomische Aspekt spielte jedoch für alle drei Fürsten eine ebenso wichtige Rolle (was noch einmal mehr unterstreicht, dass die Vorstellung von ihnen als selbstlose oder der klas­sischen Kunstauffassung anhängende Künstler eine Inszenierung war). Die Länder aller drei Fürsten hatten finanzielle Probleme, gegen die die Parks geholfen haben: Die vielen Reisenden, die in Wörlitz, Weimar oder Muskau übernachtet und gegessen oder die den Parks gewidmeten Publikationen gekauft haben, brachten Geld ins Land, mit dem die Untertanen in Lohn und Brot gebracht werden konnten – etwa als Arbeiter in den Parks. Nicht ohne Grund haben der Dessauer Fürst und Pückler mit dem Wörlitzer Eichenkranz und dem Muskauer H ­ ermannsbad sogar eigene Übernachtungsstätten gebaut. Ein ­solcher „Wirtschaftsfaktor“ sind die drei Parks auch heute noch.1065 Ledig­lich Weimar bräuchte den Ilmpark nicht, um ein Besuchermagnet zu sein; indem dieser jedoch immer noch wegen seines auratischen Wertes angepriesen wird, trägt auch er zur Attraktivität der Stadt bei. Den touristischen Wert der Dessauer Region, von Muskau und Branitz erhöhen die Parks dagegen ohne Zweifel wesent­lich. Die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Brandenburg finanzieren die Erhaltung der Gärten (und der mit ihnen verbundenen Schlösser) zwar, weil sie kulturhistorisch wertvoll sind. Diese Förderung muss sich jedoch auch bezahlt machen in messbaren Besucherzahlen und in einer durch den Tourismus erhöhten Wirtschaftsleistung der jeweiligen Region. Die sich mit den Parks verbindenden Illusionen sind dabei ein wichtiger Teil der Vermarktungsstrategien. So nennt die von der Kulturstiftung DessauWörlitz und dem sachsen-anhaltinischen Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie Das Gartenreich als Wirtschaftsfaktor eben nicht nur gartenkünstlerische, architektur- und kunsthistorische, naturräum­liche und erholungsbezogene Qualitäten als „kultur-touristische Potentiale des Gartenreichs“, sondern eben auch philosophische und „pädago­gisch-wissenschaft­liche“, unter denen immer noch das von Leopold Friedrich Franz angeb­lich in seiner Regierung und seiner Gartengestaltung umgesetzte „progressive humanistische Ideengut“ verstanden wird, durch das „dem geschicht­lich-philosophisch interessierten Besucher ein […] umfassende[r] Einblick in die Zeit der Aufklärung“ ermög­licht werde.1066 Dass der Wörlitzer Park eine „Anlage zur Volksbildung“ sei, die „auch Anregungen für moderne Lebensgestaltung am Beginn des 21. Jahrhunderts“ biete,

1065 Brandt 2002, ebenso Rimbach 2006. 1066 Brandt 2002, S. 7 und 26 f.

408

Schluss

ist eine für die Vermarktung hilfreiche, für die Stärkung eines demokratischen Selbstverständnisses frei­lich hinder­liche Sichtweise.1067 Auch die Stiftungen Fürst-Pückler-Park Bad Muskau und Fürst-Pückler-­ Museum Park und Schloss Branitz heben, wie ihre Namen andeuten, auf die Persön­lichkeit Pücklers ab, um die von ihnen betreuten Parks zu vermarkten. Die Muskauer Stiftung bemüht sich zwar, auf die künstlerischen und ästhetischen Qualitäten des Muskauer Parks hinzuweisen; ihre im Schloss untergebrachte Dauerausstellung Pückler? Pückler! Einfach nicht zu fassen ist aber ebenso wie die Präsentation auf ihrer Internetseite stark anekdotisch und märchenhaft angelegt. Die gemeinsame Veranstaltungsbroschüre der Muskauer und Branitzer Stiftungen für das Jahr 2012 wirbt damit, dass sich „hier wie dort […] der Geist dieses außergewöhn­lichen Mannes spüren“ lasse und viele Veranstaltungen „das Leben und Wirken des Fürsten“ aufgreifen, bei denen man den „Freidenker Pückler und seine besonderen Parklandschaften“ erleben könne.1068 Bei diesen Veranstaltungen wird der Blick unter anderem auf den „tollen Pückler“ sowie den „extravaganten Kosmopoliten“ und seinen „Esprit“ und seine „Lebenslust“ gelenkt.1069 Als Marken­zeichen für Pücklers Originalität wird in den meisten Broschüren und Publikationen ein Porträt Pücklers in orienta­lischer Kleidung abgedruckt. Es besteht offenbar Konsens darüber, dass das „abenteuer­liche Leben“ Pücklers interessant ist,1070 aber von Interesse ist hier mehr die F ­ antasiefigur Pückler als ihre realen historischen Hintergründe. Anders als bei der aus dem Zusammenhang gerissenen Goethezitierung im Wörlitzer Park wird hier jedoch ein von Pückler selbst begründetes Erfolgsrezept weitergeführt. Es wird nichts behauptet, was Pückler selbst nicht so inszeniert hat, weshalb die Tradierung 1067 Ebd., S. 26 f. 1068 Fürst-Pückler-Parks Park und Schloss Branitz, Muskauer Park Mużakowski. Fürst­lich verführen lassen. Veranstaltungen 2012. Abrufbar auf: http://www.fuerst-puecklerparks.de/cms/fileadmin/redaktion/downloads/2012/Veranstaltungskalender_Pueckler-­ 2012-Internet.pdf (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). 1069 Vgl. die Branitzer Ausstellungen: Fürst Pücklers Welt – Lebenskunst und Landschaftskunst sowie „alles ist anders als an anderen Orten, phantastisch, überraschend märchenhaft“. Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785 – 1871): Gartenkünstler – Schriftsteller – Weltenbummler. 1070 Mit Verweis auf dieses ‚abenteuer­liche Leben‘ lobte der säch­sische Ministerpräsident Stanislaw Til­lich 2008 die Eröffnung der Muskauer Pückler-Ausstellung. Vgl. Presse­mitteilung des Säch­sischen Staatsministeriums für Finanzen vom 13. ­September 2008: http://www.sib.sachsen.de/uploads/media/128 – 08.pdf (zuletzt abgerufen am 8.11.2012).

Abschließendes

409

der von Pückler geschaffenen Illusionen hier durchaus legitim ist: Ohne sie verliert vor allem der Muskauer Park seinen Sinn und seine Anziehungskraft. Menschen haben ein tiefes Bedürfnis nach schönen Geschichten und b­ unten Bildern; insofern ist verständ­lich, dass diese für die Vermarktung von Parks benutzt werden. Die Fähigkeit, Illusionen von Wahrheit zu unterscheiden und Handlungen und Auftritte nach den sie motivierenden Interessen zu hinterfragen, ist jedoch eine Grundlage für das Funktionieren einer demokratischen, freiheit­lichen Gesellschaft. Es ist durchaus legitim, Freude am Schein zu haben (dem Erzeugen eines schönen Scheins dient immerhin ein nicht kleiner Teil der Kunstgeschichte), solange die Scheinhaftigkeit bewusst bleibt.

5.3 Abschließendes Diese Studie ist kein Plädoyer gegen das Genießen von historischen Gärten. Die Parks von Wörlitz, Weimar und Muskau sind wundervolle Orte, an denen ich großartige und glück­liche Tage verbracht habe. Leopold Friedrich Franz ist für mich immer noch faszinierend; Pückler durch die Auseinandersetzung mit ihm überhaupt erst interessant geworden. Die Beschäftigung mit dem Ilmpark hat mich Goethe ganz neu entdecken lassen. Dass die drei Gärten lange dazu beigetragen haben, eine gerechte Gesellschaft mit Chancen für Menschen wie mich zu verhindern, ändert nichts daran, dass ich sie mit Begeisterung und Genuss besuche – und ich denke nicht, dass es andere Besucher abschrecken wird. Im Sinne einer wirk­lich freiheit­lichen und demokratischen Gesellschaft ist es jedoch wichtig, die Inszenierungen und Suggestionen im Auftreten und in den Gärten der drei Fürsten zu hinterfragen. Dabei geht es nicht um die Verurteilung früherer Zeiten, sondern darum, aus ihnen zu lernen – vor allem, wie wir uns nicht ebenso von Illusionen verführen lassen wie die Zeitgenossen der drei Fürsten.

6. Dank

Ich danke: Prof. Dr. Walter Schmitz für sein Vertrauen und die entscheidenden Hinweise, die mich immer wieder auf den richtigen Weg gebracht haben. Ulrich Rückmann – für alles, aber besonders, weil er immer gewusst hat, dass ich das schaffe, und weil niemand so kritisiert wie er. Meinen Eltern, die mir das alles ermög­licht, mir in so vielen Belangen geholfen und mich immer ermutigt haben, das Beste aus mir zu machen. Der TU Dresden für mein Stipendium, ohne das diese Arbeit nicht in dieser Form zustande gekommen wäre. Der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften sowie Karin Rückmann und meinen Eltern für die großzügige Unterstützung des Drucks. PD Dr. Stefan Schweizer für hilfreiche und inspirierende Gespräche und weil

er trotz vieler anderer Verpflichtungen diese Arbeit begutachtet hat.

Ines Byrne, Robert Denk, Simone Fleischer, Sylvia Hermsdorf-Drobny, Kevin Kuhne und Kathrin Müller fürs Lesen und Kommentieren (und nicht nur). Cornelia Bögel, Julia Meyer, Juliane Rehnolt, Eva Sturm und Simone Zupfer für den Austausch in unserem kleinen Doktorandinnenkreis. Prof. Dr. Klaus Schuhmacher für sein freund­liches Gutachten. Den Mitarbeiterinnen vom Böhlau Verlag für die gute Betreuung.

7. Anhang Zitierte Archivbestände Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau (LHASA, DE, Abt. Dessau)

Anhalt-Dessau, Leopold III. Friedrich Franz von: Brief an einen Londoner Buchhändler. LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14a Nr. 5: Acta, enth. verschiedene die literarischen Sammlungen in den herzog­lichen Schlössern betreffende Sachen, Bl. 667. Anhalt-Dessau, Leopold III. Friedrich Franz von: Brief an seinen Bruder Hans Jürge. Dessau, 28. März 1804. LHASA, DE, Abt. Dessau, A 10 Nr. 135, Bl. 2. Anhalt-Dessau, Leopold III. Friedrich Franz von: Rohschrift eines Briefes an Karl August von Hardenberg vom 18. März 1817. LHASA, DE, Abt. Dessau, A 10 Nr. 222, Bl. 31 f. Anhalt-Dessau, Leopold III. Friedrich Franz von; Campe, Joachim Heinrich: Fünf Briefe und zwei Briefentwürfe. LHASA, DE, Abt. Dessau, C 18b Nr. 34 Bd. 1, Blatt 253 – 260 und 282 – 285. Brugsch, Christian: Brief an Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau. ­Wörlitz, 22. November 1770. LHASA, DE, Abt. Dessau, C 2b III Nr. 6: Acta, enth. verschiedene die Stadt Wörlitz angehende Sachen (1759 – 1823), Bl. 24. Campe, Joachim Heinrich: Gesetzmäßige Konstitution des philanthropischen Erziehungs-Instituts zu Dessau. LHASA , DE , Abt. Dessau, C 18b Nr. 34 Bd. 1, Blatt 118 – 144. Fremdenliste von März 1770 bis September 1806. LHASA, DE, Abt. Dessau, A12a Nr. 19. Karte von Wörlitz 1789/90. LHASA, DE, Abt. Dessau, Slg. 19 Karten Dessau, 19/D 435. Das Philanthropin betreffende Sachen. LHASA, DE, Abt. Dessau, C 18b Nr. 34 Bd. 1. Verzeichniß einiger Bücher und Kupferstiche, w ­ elche des regierenden Fürsten Hochfürstl. Durchl. von der, alhier aus der Fürstl. Regierung befind­lichen Bibliothek befohlen haben (1789). LHASA, DE, Abt. Dessau, A 14a Nr. 5: Acta, enth. verschiedene die literarischen Sammlungen in den herzog­lichen Schlössern betreffende Sachen, Bl. 656 f. Wörlitz Acta, enth. verschiedene die Herzog­lichen Parks und Gärten im Allgemeinen betreffende Sachen. LHASA, DE, Abt. Dessau, Z 44, A 13c Nr. 14.

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Anhang

Anhaltische Landesbücherei, Wissenschaft­liche Bibliothek und Sondersammlung, Abteilung Stadtbibliothek Dessau

Berenhorst, Georg Heinrich: Journal de voyage de princes Leopold Frederic Francois et Jean George d’Anhalt du 18 Octobre 1765 jusqu’au 3 Mars 1768 connuit par de Berenhorst le 19 Avril 1775. Anhaltische Landesbücherei, Wissenschaft­liche Bibliothek und Sondersammlung, Abt. Stadtbibliothek Dessau, HB 23841a (Typoskript). Stiftung Weimarer Klassik: Goethe- und Schiller-Archiv Weimar (GSA)

Bertuch, Friedrich Justin: Brief an Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 3. September 1792. GSA 06/1590: Bestand Bertuch – Friedrich ­Justin Bertuch: Eingegangene Briefe von Carl August von Sachsen-Weimar an Friedrich Justin Bertuch, Bl. 3 f. Bertuch, Friedrich Justin: Briefentwurf an Carl August. Waldeck, 26. Dezember 1775. GSA 06/1590: Bestand Bertuch – Friedrich Justin Bertuch: Eingegangene Briefe von Carl August von Sachsen-Weimar an Friedrich Justin Bertuch, Bl. 1. Goethe, Johann Wolfgang: Briefe an Charlotte von Stein. GSA 29/486 I, GSA 29/487 I, GSA 29/488 I, GSA 29/489 I, GSA 29/490 I. Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl August von: Brief an Friedrich Justin Bertuch. Weimar, ohne Datum. GSA 06/1593: Bestand Bertuch – Friedrich Justin Bertuch: Eingegangene Briefe von Carl August von Sachsen-Weimar, Bl. 17. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Gsta PK)

Hardenberg, Christian von: Brief an Karl August von Hardenberg. 20. Juli 1818. Gsta PK VI. HA, FA Hardenberg v., Nr. 145. Hardenberg, Karl August von: Brief an den Sohn Christian. Berlin, 12. April 1817. GSta PK VI. HA, FA Hardenberg v., Nr. 135. Hardenberg, Karl August von: Tagebuch 1818 – 21. GSta PK VI. HA, Nl Karl August von Hardenberg, L 41. Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek

Brauchitsch (Berliner Wachbeamter): Brief an Hermann von Pückler-­Muskau. 25. Dezember 1825. Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss B ­ ranitz, Bibliothek KCD01/001/V149/Scan 95 f.

Verwendete Literatur

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Jäger, Hermann: Brief an Pückler vom 5. September 1851. Stiftung Fürst-­ Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek KCD04/09/V154/ Scan 316 – 319. Preußen, Carl von: Brief an Pückler. Berlin, 15. Januar 1825. Stiftung Fürst-­ Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek, KCD29/135/V146/ Scan 328 – 331. Pückler-Muskau, Hermann von: Brief an den preußischen König. Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek KCD29/135/ V146/Scan 147 – 151.

Verwendete Literatur Adelung 1798/1801  Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. Bd. 3 und 4. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1798 und 1801. Ahrendt 2007  Ahrendt, Dorothee: Vom Einzelnen zum Ganzen – der Park an der Ilm im Jahre 1790. In: Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar. Hg. v. Hellmut Th. Seemann. Göttingen: Wallstein Verlag 2007, S. 304 – 310. Ahrendt/Jäger 1981  Ahrendt, Dorothee; Jäger, Jürgen: Schlosspark Tiefurt, Schlosspark Belvedere, Park an der Ilm. Weimar: Nationale Forschungs- u. Gedenkstätten der klas­sischen deutschen Literatur 1981. Albert 1994  Albert, Jost: Wege und Orte im Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Eine Untersuchung zur Entstehungsgeschichte und den Gestaltungsprin­zipien einer bedeutenden Kulturlandschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts. In: Die Gartenkunst 6 (1994), S. 281 – 319. Alberti 1726  Alberti, Leon Battista: Della architettura di Leon Battista Alberti libri 10…/The architecture of Leon Battista Alberti in ten books. Übersetzt von Cosimo Bartoli und Giacomo Leoni. London: Thomas Edlin 1726. Alex 2004  Alex, Reinhard: Einige Reflexionen bei Betrachtung der Bauwerke Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs in Wörlitz. Wörlitz. Weltkulturerbe der UNESCO. Zwölf Beiträge zur Geschichte der Stadt. Hg. für die Stadt Wörlitz von Brunhild Höhling. Wörlitz: Stadt Wörlitz 2004, S. 40 – 44. Alex 2007  Alex, Reinhard: Das Monument auf dem Wörlitzer Elbwall. ­München: Deutscher Kunstverlag 2007. Altenberg 1997  Altenberg, Detlev: Programmmusik. In: Musik in Geschichte und Gegenwart. Hg. v. Ludwig Finscher. Sachteil Bd. 7. 2. Aufl. Kassel: Bärenreiter, Stuttgart: Metzler 1997, Sp. 1821 ff.

Verwendete Literatur

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Jäger, Hermann: Brief an Pückler vom 5. September 1851. Stiftung Fürst-­ Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek KCD04/09/V154/ Scan 316 – 319. Preußen, Carl von: Brief an Pückler. Berlin, 15. Januar 1825. Stiftung Fürst-­ Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek, KCD29/135/V146/ Scan 328 – 331. Pückler-Muskau, Hermann von: Brief an den preußischen König. Stiftung Fürst-Pückler-Museum, Park und Schloss Branitz, Bibliothek KCD29/135/ V146/Scan 147 – 151.

Verwendete Literatur Adelung 1798/1801  Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. Bd. 3 und 4. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1798 und 1801. Ahrendt 2007  Ahrendt, Dorothee: Vom Einzelnen zum Ganzen – der Park an der Ilm im Jahre 1790. In: Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar. Hg. v. Hellmut Th. Seemann. Göttingen: Wallstein Verlag 2007, S. 304 – 310. Ahrendt/Jäger 1981  Ahrendt, Dorothee; Jäger, Jürgen: Schlosspark Tiefurt, Schlosspark Belvedere, Park an der Ilm. Weimar: Nationale Forschungs- u. Gedenkstätten der klas­sischen deutschen Literatur 1981. Albert 1994  Albert, Jost: Wege und Orte im Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Eine Untersuchung zur Entstehungsgeschichte und den Gestaltungsprin­zipien einer bedeutenden Kulturlandschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts. In: Die Gartenkunst 6 (1994), S. 281 – 319. Alberti 1726  Alberti, Leon Battista: Della architettura di Leon Battista Alberti libri 10…/The architecture of Leon Battista Alberti in ten books. Übersetzt von Cosimo Bartoli und Giacomo Leoni. London: Thomas Edlin 1726. Alex 2004  Alex, Reinhard: Einige Reflexionen bei Betrachtung der Bauwerke Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs in Wörlitz. Wörlitz. Weltkulturerbe der UNESCO. Zwölf Beiträge zur Geschichte der Stadt. Hg. für die Stadt Wörlitz von Brunhild Höhling. Wörlitz: Stadt Wörlitz 2004, S. 40 – 44. Alex 2007  Alex, Reinhard: Das Monument auf dem Wörlitzer Elbwall. ­München: Deutscher Kunstverlag 2007. Altenberg 1997  Altenberg, Detlev: Programmmusik. In: Musik in Geschichte und Gegenwart. Hg. v. Ludwig Finscher. Sachteil Bd. 7. 2. Aufl. Kassel: Bärenreiter, Stuttgart: Metzler 1997, Sp. 1821 ff.

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Anhalt-Dessau 1784  Sammlung landesherr­licher Verordnungen, w ­ elche in dem Fürstenthum Anhalt-Dessau ergangen. Bd. 1. Dessau: o. V. 1784. Anhalt-Dessau 1819  Sammlung landesherr­licher Verordnungen, ­welche im Herzogthum Anhalt-Deßau ergangen sind. Bd. 2. Dessau: Christian Georg Ackermann 1819. Anonym 1778a  Bemerkungen auf einer Reise in Briefen an eine Freundinn. Halle: Hendel 1778. Anonym 1778b  Brief an einen Lehrer des Instituts. In: Pädago­gische Unterhandlungen 2 (1778) 9. Stück, S. 872 – 877. Anonym 1780  Der Landesvater. In: Pädago­gische Unterhandlungen 4 (1780), S.  3 – 5. Anonym 1787  Vermischte Artikel. 1) Eng­lische Garten-Sitze. In: Journal des Luxus und der Moden 2 (1787) H. 5, S. 178 – 180. Anonym 1788a  Die Republik der Gelehrten. In: Journal des Luxus und der Moden 3 (1788), S. 469 – 472. Anonym 1788b  Nur ein gutes Herz genießt die Schönheiten der Natur. In: Hannoversches Magazin 26 (1788), S. 577 – 582. Zit. nach: Deutschsprachige Quellen zum Landschaft­lichen Garten im 18. Jahrhundert. Hg. v. Julia B ­ urbulla und Susanne Karn. Ebook des Institutes GTLA. ­Rapperswil: Hochschule für Technik 2011. Abrufbar auf: http://www.gtla. hsr.ch/­Quellen-zur-Gartenkultur-und.5075.0.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012), S. 71. Anonym 1792  Meine Reise im Wonne u. Brach Mond 1792. Berlin: Ernst Fe­lisch 1792. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2006/3, Sp. 459 – 481. Anonym 1794  N.: Park in Weimar. Aus dem Tagebuch eines Reisenden. 1792. In: Flora 1 (1794), S. 298 – 304. Anonym 1800  Briefe eines ehr­lichen Mannes bey einem wiederholten Aufenthalt in Weimar. Deutschland 1800. Leipzig: Xenien-Verlag 1913. Anonym 1803  N., C.: Exkursion nach Dessau. In: Zeitung für die elegante Welt (1803), Sp. 1223 – 26, 1232 – 35. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2007/4, Sp. 806. Anonym 1805  Ohne Titel. In: Zeitung für die elegante Welt (1805), Sp. 797 – 799. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2007/4, Sp. 838. Anonym 1806  Dessau und seine Umgebungen. In: Georgia Nr. 118, 120, 127, 129, 130 und 131 vom 1., 6., 22., 27. 28. und 31. Oktober 1806, Sp. 933 – 993, 949 – 953, 1005 – 1009, 1025 – 1028, 1034 – 1036 und 1037 – 1041. Anonym 1816a  Fragmente einer Fuß-Reise von Prag nach Berlin. X. Weimar. In: Der Wanderer Nr. 262 vom 18. September 1816, S. 1057 – 1060. Anonym 1816b  Neuigkeiten aus Berlin. In: Ernst und Scherz oder der alte Freimüthige Nr. 56 vom 28. Oktober 1816, S. 224.

Verwendete Literatur

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Anonym 1817a  Herzog von Anhalt-Dessau. In: Magazin der Biographieen denkwürdiger Personen der neueren und neuesten Zeit. Hg. v. Carl Nicolai. Bd. 3, H. 1. Quedlinburg: Gottfried Basse 1817, S. 240 – 271. Anonym 1817b  Zeitung der Ereignisse und Ansichten. In: Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz Nr. 161 vom 1. Oktober 1817, S. 644. Anonym 1822a  Korrespondenz und Neuigkeiten. In: Hesperus Nr. 206 vom 28. August 1822, S. 823 f. Anonym 1822b  Debatten und Berichtigungen. Fürst Pückler. In: Hesperus Nr. 302 vom 18. Dezember 1822, S. 1206. Anonym 1823  Debatten und Berichtigungen. Erwiderung auf den Artikel: Fürst Pückler in Nr. 302 des Jahrgangs 1822. In: Hesperus Nr. 40 vom 15. Februar 1823, S. 157 f. Anonym 1830  Korrespondenz-Nachrichten. In: Morgenblatt für gebildete Stände Nr. 277 vom 19. November 1830, S. 1108. Anonym 1832a  Rezension der Briefe eines Verstorbenen (3. und 4. Band). In: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 33 vom 2. Februar 1832, S. 138. Anonym 1832b  Rezension von Rumohrs Deutschen Denkwürdigkeiten. In: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 100 vom 9. April 1832, S. 425 – 427. Anonym 1832c  Rezension von Rumohrs Deutschen Denkwürdigkeiten. In: ­Zeitung für die elegante Welt Nr. 72 vom 10. April 1832, S. 57 0 f. Anonym 1832d  Rezension von Rumohrs Deutschen Denkwürdigkeiten. In: Litera­turblatt des Morgenblattes für gebildete Stände Nr. 107 vom 19. ­Oktober 1832, S.  425 – 427. Anonym 1834  Rezension der Andeutungen über Landschaftsgärtnerei. In: Litera­ rische Zeitung Nr. 27 vom 2. Juli 1834, S. 477. Anonym 1838  v. Tr.: Muskauer Zustände. In: Der Freihafen 1 (1838) H. 2, S.  233 – 240. Anonym 1855  Die Espritperiode in unserer Literatur. In: Jahrbücher für Wissen­schaft und Kunst 3 (1855), S. 298 – 324. Anonym 1858  M.: Die Gartenkunst. In: Unterhaltungen am häus­lichen Herd N. F. 3 (1858), S. 581 – 587. Apel 1983  Apel, Friedmar: Die Kunst als Garten. Zur Sprach­lichkeit der Welt in der deutschen Romantik und im Ästhetizismus des 19. Jahrhunderts. ­Heidelberg: Winter 1983 (Beihefte zum Euphorion, 20). Apelt 1958  Apelt, Hans: Goethe und sein Garten. Aus einem Vortrag im Kreise von Gartenfreunden. In: Goethe-Jahrbuch 20 (1958), S. 202 – 212. Archenholz 1783  Archenholz, Johann Wilhelm von: Briefe eines Reisenden an seinen Freund. Dessau, den 12. Junius 1783. In: Litteratur und Völkerkunde 2 (1783), S. 127 – 131.

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Anhang

Aretin 1997  Aretin, Karl Otmar von: Das Alte Reich 1648 – 1806. Bd. 3: Das Reich und der preußisch-österreichische Dualismus (1745 – 1806). Stuttgart: Klett-Cotta 1997. Arndt 1806  Arndt, Ernst Moritz: Reise durch Schweden im Jahr 1804. Band 3 – 4. Berlin: Lange 1806. Arnim 1835  Arnim, Bettine von: Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde. ­Seinem Denkmal. Bd. 1. Berlin: Dümmler 1835. Arnim 1932  Arnim, Sophie von: Goethe und Fürst Pückler. Dresden: Zahn & Jaensch Nachf. 1932. Asch 2008  Asch, Ronald G.: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2008 (utb, 3086). Assing 1873/1874  Assing, Ludmilla: Fürst Hermann von Pückler-Muskau. Eine Biographie. 2 Bde. Hamburg: Hoffmann & Campe 1873 und 1874. Assmann 1996  Assmann, Aleida: Im Dickicht der ­Zeichen. Hodegetik – Herme­neutik – Dekonstruktion. In: DVjs 70 (1996), S. 535 – 551. Assmann 2001  Assmann, Jan: Hieroglyphische Gärten. Ägypten in der roman­tischen Gartenkunst. In: Erinnern und Vergessen in der europäischen Romantik. Hg. v. Günter Oesterle. Würzburg: Königshausen & Neumann 2001 (Stiftung für Romantikforschung, 20), S. 25 – 50. Balzer 1978  Balzer, Georg: Goethe als Gartenfreund. München: Bruckmann 1978. Bandion 2003: Bandion, Wolfgang J.: Das Haus Oranien. Eine europäische Dynastie. In: Oranienbaum. Huis van Oranje. Wiedererweckung eines anhaltischen Fürstenhauses. Katalog zur Ausstellung vom 14.6. bis 24.8.2003 in Oranienbaum (Landesausstellung Sachsen-Anhalt). Hg. v. Thomas Weiss. Dessau: Kulturstiftung DessauWörlitz 2003, S. 126 – 131. Barlow Rogers 2007  Barlow Rogers, Elizabeth: What is the Romantic Landscape? In: Pückler and America. Hg. v. Sonja Dümpelmann. Washington, D. C.: German Historical Institute Washington 2007 = GHI Bulletin Supplement 4 (2007), S. 11 – 24. Basedow 1768  Basedow, Johann Bernhard: Vorstellung an Menschenfreunde und vermögende Männer über Schulen, Studien und ihren Einfluß in die öffent­liche Wohlfahrt (1768). In: ders.: Ausgewählte pädago­gische Schriften. Hg. v. Albert Reble. Paderborn: Schöningh 1965, S. 5 – 80. Basedow 1770 – 1771  Basedow, Johann Bernhard: Viertheljährige Nachrichten von Basedows Elementarwerke und von andern Bemühungen die Erziehung und das Schulwesen zu verbessern 1 – 2 (1771 – 1772). Basedow 1770a  Basedow, Johann Bernhard: Methodenbuch für Väter und ­Mütter der Familien und Völker. Altona, Bremen: Cramersche Handlung 1770.

Verwendete Literatur

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Basedow 1770b/2 – 3  Basedow, Johann Bernhard: Des Elementarbuchs für die Jugend zweytes Stück/drittes Stück. Altona und Bremen: o. V. 1770. Basedow 1774  Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum, Eine Schule der Menschenfreundschaft und guter Kenntnisse für Lernende und junge Lehrer, arme und reiche… Leipzig: Crusius 1774. Baßler 2001  Baßler, Moritz: New Historicism – Literaturgeschichte als Poetik der Kultur. In: New Historicism. Hg. v. demselben. Tübingen, Basel: ­Francke 2001 (UTB, 2265), S. 7 – 28. Bayern 1808  Bayern, Ludwig I. von: Tagebuch. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2007/4, Sp.  858 – 862. Bechtoldt/Weiss (Hg.) 1996  Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft. Hg. v. Frank-Andreas Bechtoldt und Thomas Weiss. Ostfildern: Hatje 1996. Becksmann 2002  Becksmann, Rüdiger: Die Glasgemälde im Gotischen Haus zu Wörlitz. Zum Stand ihrer Erforschung und Edition. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 56 (2002), S. 163 – 180. Bender 1982  Bender, Brigitte: Ästhetische Strukturen der literarischen Landschaftsbeschreibung in den Reise-Werken des Fürsten Pückler-Muskau. Frankfurt a. M.: Lang 1982. Berenhorst 1775  Berenhorst, Georg Heinrich: Journal de voyage de princes Leopold Frederic Francois et Jean George d’Anhalt du 18 Octobre 1765 ­jusqu’au 3 Mars 1768 connuit par de Berenhorst le 19 Avril 1775. Anhaltische Landesbücherei, Wissenschaft­liche Bibliothek und Sondersammlung, Abt. Stadtbibliothek Dessau, HB 23841a (Typoskript). Berger 2001  Berger, Joachim: Carl August als Bauherr und Bewohner des Römischen Hauses. In: Das Römische Haus in Weimar. Hg. v. Andreas Beyer. München, Wien: Stiftung Weimarer Klassik bei Hanser 2001, S. 25 – 39. Bergmann (Hg.) 1933  Carl Augusts Begegnungen mit Zeitgenossen. Ein Bild seiner Persön­lichkeit in Briefen und Berichten, Tagebuchaufzeichnungen und Selbstzeugnissen. Hg. v. Alfred Bergmann. Weimar: Hermann B ­ öhlaus Nachfolger 1933. Bernoulli 1784a  Bernoulli, Johann: Kleine Reise in die Nieder- und Oberlausitz im Sommer 1782. Erster Abschnitt: Reise von Berlin nach Mußkau. In: ders.: Sammlung kurzer Reisebeschreibungen. Bd. 13. Leipzig: Buchhandlung der Gelehrten 1784, S. 385 – 424. Bernoulli 1784b  Bernoulli, Johann: Beschreibung einer kleinen Reise ins ­Dessauische 1783. In: Sammlung kurzer Reisebeschreibungen. Bd. 14. Berlin: Bernoulli, Leipzig: Buchhandlung der Gelehrten 1784, S. 345 – 360. Berthy/Brey 1999a  Berthy, Nicole; Brey, Michael: Bild in der Landschaft – Landschaft im Bild. Die Inszenierung romantisch-spekulativer Bildwelten

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Anhang

in Pücklers Landschaftsgärten und in Blechens Landschaftsmalerei. Fürst Pückler und Carl Blechen – Zwei Cottbuser Künstlerpersön­lichkeiten. In: Pückler, Pyramiden, Panorama. Neue Beiträge zur Pücklerforschung. Hg. v. Christian Friedrich u. a. Branitz: Stiftung Fürst-Pückler-Museum 1999 (Edition Branitz, 4), S. 227 – 270. Berthy/Brey 1999b  Berthy, Nicole; Brey, Michael: Ich bin ein Kind der Phantasie – beweg­lich wie ein Schmetterling. Fürst Pückler und die Frauen. Bad Muskau: Stiftung Fürst-Pückler-Park Muskau 1999. Bertuch 1793  Bertuch, Friedrich Justin: Über Ursprung und Alter der Eng­ lischen Gartenkunst. Der Garten des See-Ma-Kouang. In: Journal des Luxus und der Moden 7 (1793), S. 61 – 72. Beurmann 1837  Beurmann, Eduard: Ludwig Börne als Charakter und in der Literatur. Frankfurt a. M.: Karl Körner 1837. Beurmann 1838  Beurmann, Eduard: Deutschland und die Deutschen. Bd. 1. Hamburg: Hammerich 1838. Biehn 1970  Biehn, Heinz: Residenzen der Romantik. München: Prestel 1970. Blankertz 1992  Blankertz, Herwig: Die Geschichte der Pädagogik. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Wetzlar: Büchse der Pandora 1992. Bloch 1979  Bloch, Peter: Der Tod aus der Sicht der Hinterbliebenen. In: Wie die Alten den Tod gebildet. Wandlungen der Sepulkralkultur 1750 – 1850. Katalog zur Ausstellung in Bonn 1979. Hg. v. Hans-Kurt Boehlke, Zentral­ institut für Sepulkralkultur Kassel. Mainz: v. Hase u. Koehler 1979, S. 27 – 36. Blum 1779  Blum, Joachim Christian: Ode an den regierenden Fürsten von Anhalt-Dessau. In: Deutsches Museum 3 (1779) Bd. 1, S. 497 f. Bode 2010  Bode, Ursula: Leben mit Aussicht zum Park. Louise von Anhalt-­ Dessau macht sich ein Bild in eigener Sache. In: Der Alltag der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau. Ihre Tagebuch-Aufzeichnungen 1756 – 1805, zusammengefasst von Friedrich Matthisson. Hg. v. d. Kulturstiftung DessauWörlitz. München: Deutscher Kunstverlag 2010, S. 9 – 22. Boehlke 1981  Boehlke, Hans-Kurt: Wie die Alten den Tod gebildet. Wandlungen der Sepulkralkultur 1750 – 1850. Katalog zur Ausstellung in Kassel 1981. Kassel: Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. 1981. Boelcke 1978  Boelcke, Willi A.: Die Standesherrschaft Muskau von ihren mittelalter­lichen Anfängen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Hermann Graf von Arnim-Muskau, Willi A. Boelcke: Muskau. Standesherrschaft zwischen Spree und Neiße. Frankfurt a. M., Berlin u. a.: Ullstein 1978, S. 13 – 305. Böhmer 2007  Böhmer, Sebastian: Fingierte Authentizität. Literarische Weltund Selbstdarstellung im Werk des Fürsten Pückler-Muskau am Beispiel seines „Südöst­lichen Bildersaals“. Hildesheim u. a.: Olms 2007.

Verwendete Literatur

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Böhmer 2010  Böhmer, Sebastian: „Mit heiterer Neigung“. Die klas­sische Haltung im Werk des Fürsten Pückler-Muskau. In: „…ein Kind meiner Zeit, ein ächtes, bin ich…“. Stand und Perspektiven der Forschung zu Fürst Pückler. Hg. v. Christian Friedrich und Ulf Jacob. Berlin: be.bra 2010, S.  195 – 204. Bonnlander 1998  Bonnlander, Helene: Der vermittelte Imperialismus. Der Blick auf außereuropäischer Lebenswelten von Alexander von Humboldt zu Heinrich Brugsch. Frankfurt a. M., Berlin u. a.: Lang 1998. Börne 1832  Börne, Ludwig: 32. Brief vom 3. Februar 1832. In: ders.: Briefe aus Paris 1830 – 1831. Bd. 2. Hamburg: Hoffmann & Campe 1832, S. 47 – 56. Börne 1837  Börne, Ludwig: Menzel der Franzosenfresser. Paris: Barrois 1837. Borowski (Hg.) 2001  Słownik sarmatyzmu. Idee, pojęcia, symbole. Hg. v. Andrzej Borowski. Kraków: Wydawn. Literackie 2001. Böttiger 1797  Böttiger, Carl August: Reise nach Wörlitz 1797. Hg. v. Erhard Hirsch im Auftrag der Kulturstiftung DessauWörlitz. 8. überarb. u. erg. ­Auflage Berlin, München: Dt. Kunstverl. 2000. Boydell (Hg.) 1777  Liber veritatis or a Collection of two hundred prints after the original designs of Claude de Lorrain in the collection of the Duke of Devonshire executed by Richard Earlom in the manner and the taste of the drawings. Hg. v. John Boydell. 2 Bde. London: Boydell 1777. Brakensiek 2005  Brakensiek, Stefan: Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Praktiken lokaler Justiz, Politik und Verwaltung im internationalen Vergleich. In: Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Hg. v. Stefan Brakensiek und Heide Wunder. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2005, S. 1 – 21. Brandes 1860  Brandes, Heinrich Karl: Ausflug von Memel nach Muskau im Sommer 1859. Lemgo, Detmold: Meyer’sche Hofbuchhandlung 1860. Brandt 2002  Das Gartenreich Dessau-Wörlitz als Wirtschaftsfaktor. Grundlagen für eine Marketing-Konzeption. Eine Initiative der Kulturstiftung DessauWörlitz unter der Leitung von Arno Brandt. Hannover: Nord/LB, Magdeburg: Ministerium für Wirtschaft und Technologie Sachsen-­Anhalt 2002. Abrufbar auf: http://digital.bibliothek.uni-halle.de/pe/content/ titleinfo/1655093 (zuletzt abgerufen am 11.02.2015). Braun 1910  Braun, Lily: Im Schatten der Titanen. Ein Erinnerungsbuch an Baronin Jenny von Gustedt. Stuttgart: DVA 1910. Braun 1990  Braun, Rudolf: Konzeptionelle Bemerkungen zum Obenbleiben. Adel im 19. Jahrhundert. In: Europäischer Adel 1750 – 1950. Hg. v. Hans-­ Ulrich Wehler. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990, S. 87 – 95.

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Anhang

Braun 1995  Braun, Karl: Die Krankheit Onania. Körperangst und Anfänge moderner Sexualität im 18. Jahrhundert. Frankfurt a. M., New York: ­Campus 1995 (Historische Studien, 16). Breckwoldt 1995  Breckwoldt, Michael: „Das Landleben“ als Grundlage für eine Gartentheorie. Eine literaturhistorische Analyse der Schriften von Christian Cay Lorenz Hirschfeld. München: Minerva 1995. Bredekamp 1991  Bredekamp, Horst: Vicino Orsini und der Heilige Wald von Bomarzo. Ein Fürst als Künstler und Anarchist. Mit Fotografien von Wolfram Janzer. Worms: Werner 1991. Brenner 1990  Brenner, Peter J.: Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Tübingen: Niemeyer 1990 = IASL, Sonderheft 2. Brinkop/Weiß 2007  Brinkop, Angelika; Weiß, Regina: Pückler-Park bei Zuschauern ganz vorn (Lausitzer Rundschau vom 20.04.2007 (auch online: http://www.lr-online.de/regionen/weisswasser/Pueckler-Park-bei-Zuschauern-ganz-vorn;art13826,1608726, zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Brockhaus 1839  Bilder-Conversations-Lexicon für das deutsche Volk. 3. Bd. Leipzig: Brockhaus 1839. Buck 1996  Buck, August: Der italienische Humanismus. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd. 1: 15.–17. Jahrhundert. Hg. v. Notker Hammerstein. München: C. H. Beck 1996, S. 1 – 56. Bülow 1925  Bülow, Paula von: Aus verklungenen Zeiten. Lebenserinnerungen 1830 – 1920. Hg. v. Johannes Werner. Leipzig: v. Hase & Koehler 1925. Burbulla 2010  Burbulla, Julia: Allumfassende Ordnung. Gartenkunst und Wissen­schaft in Gotha unter Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772 – 1804). Bern, Frankfurt a. M. u. a.: Lang 2010. Burbulla/Karn (Hg.) 2011  Deutschsprachige Quellen zum Landschaft­lichen Garten im 18. Jahrhundert. Hg. v. Julia Burbulla und Susanne Karn. Ebook des Institutes GTLA. Rapperswil: Hochschule für Technik 2011. Abrufbar auf: http://www.gtla.hsr.ch/Quellen-zur-Gartenkultur-und.5075.0.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Burkhardt 1907  Burkhardt, Karl August Hugo: Die Entstehung des Parks in Weimar. 2. Aufl. Weimar: Böhlaus Nachfahren 1907. Bürklin-Aulinger 1993  Bürklin-Aulinger, Elvira: Geschichte in Literatur – Literatur als Geschichte. Fürst Pücklers literarische Stellungnahme zu den historisch-politischen und ­sozialen Zuständen seiner Zeit, dargestellt an den Werken Briefe eines Verstorbenen, Tutti Frutti und Südöst­licher Bildersaal. Diss. Phil. BC: Univ. of British Columbia 1993. Burns 1997  Burns, Howard: Andrea Palladio (1508 – 1580). Die Entwicklung einer systematischen, vermittelbaren Architektur. In: Bauen nach der Natur.

Verwendete Literatur

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Palladio. Die Erben Palladios in Nordeuropa. Begleitband zur Ausstellung im Museum für Hambur­gische Geschichte. Hg. v. Jörgen Bracker. ­Ostfilder: Hatje 1997, S. 40 – 49. Buttlar 1981  Buttlar, Adrian von: Eng­lische Gärten in Deutschland. Bemerkungen zu Modifikationen ihrer Ikonologie. In: „Sind Briten hier?“. Relations between British and Continental Art 1680 – 1880. Hg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München. München: Fink 1981, S. 97 – 125. Buttlar 1982  Buttlar, Adrian von: Der eng­lische Landsitz 1715 – 1760. Symbol eines liberalen Weltentwurfs. Mittenwald: Mäander 1982. Buttlar 1995  Buttlar, Adrian von: Das Grab im Garten. Zur naturreligiösen Deutung eines arkadischen Gartenmotivs. In: „Landschaft“ und „Landschaften“ im achtzehnten Jahrhundert. Hg. v. Heinke Wunder­lich. Heidelberg: C. Winter 1995, S. 79 – 119. Buttlar 2012  Buttlar, Adrian von: Geleitwort. In: Gartenkunst in Deutschland. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Stefan Schweizer und Sascha Winter. Regensburg: Schnell + Steiner 2012, S. 10. Büttner/Gottdang 2006  Büttner, Frank; Gottdang, Andrea: Einführung in die Ikonographie. Wege zur Deutung von Bildinhalten. München: Beck 2006. Campe 1776  Campe, Joachim Heinrich: Die Empfindungs- und Erkenntnißkraft der mensch­lichen Seele. Die erstere nach ihren Gesetzen, beyde nach ihren ursprüng­lichen Bestimmungen, nach ihrem gegenseitigen Einflusse aufeinander und nach ihren Beziehungen auf Charakter und Genie betrachtet. Leipzig: Weygandsche Handlung 1776. Campe 1777a  C.[ampe, Joachim Heinrich]: Von der eigent­lichen Absicht des Philanthropin. In: Pädago­gische Unterhandlungen 1 (1777) 1. Stück, S. 16 – 58. Campe 1777b  Campe, Joachim Heinrich: Versuch über die früheste Bildung junger Kinder-Seelen. In: Pädago­gische Unterhandlungen 1 (1777) 3. Stück, S.  227 – 258. Campe 1807/1808  Campe, Joachim Heinrich: Wörterbuch der deutschen Sprache. Bd. 1 und 2. Braunschweig: Schulbuchhandlung 1807 und 1808. Carl August 1918  Carl August von Weimar in seinen Briefen. Hg. v. Hans Wahl. Weimar: Kiepenheuer 1918. Carl August u. a.  1958/1 – 3  Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Hg. v. Willy Andreas u. bearb. v. Hans Tümmler. 3 Bde. Stuttgart: DVA 1958. Carl August/Anna Amalia 1938  Briefe des Herzogs Carl August von Sachsen-­ Weimar an seine Mutter, die Herzogin Anna Amalia. Oktober 1774 bis Januar 1807. Hg. v. Alfred Bergmann. Jena: Frommann 1938.

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Anhang

Carl August/Goethe 1915  Briefwechsel des Herzogs-Großherzogs Carl August mit Goethe. Hg. v. Hans Wahl. Bd. 1. Berlin: Mittler und Sohn 1915. Carl August/Knebel/Herder 1883  Briefe des Herzogs Karl August von Sachsen-­ Weimar-Eisenach an Knebel und Herder. Hg. v. Heinrich Düntzer. Leipzig: Wartigs Verlag 1883. Carus 1856  Carus, Carl Gustav: Über Lebenskunst. Ein Vortrag auf Veranlassung Ihro Majestät der verw. Königin Maria zum Besten der erzgebir­gischen Frauen-Vereine am 1. März 1856. Wurzen: Verlags-Comptoir 1856. Caskel 1955  Caskel, Eva: Gärten ruheloser Liebe. Ein Roman um den Fürsten Pückler-Muskau. Esslingen: Bechtle 1955. Clausen 1981  Clausen, Lars: Fürst Pückler auf dem Höhepunkt der Krise. Eine soziobiographische Erhellung des Landschaftskünstlers. In: Lebenswelt und ­soziale Probleme. Verhandlungen des 20. Deutschen Soziologentages zu Bremen 1980. Hg. v. Joachim Matthes. Frankfurt a. M.: Campus-Verlag 1981, S.  383 – 396. Clausen/Clausen 1985  Clausen, Bettina; Clausen, Lars: Zu allem fähig. Versuch einer Sozio-Biographie zum Verständnis des Dichters Leopold Schefer. 2 Bde. Frankfurt a. M.: Bangert & Metzler 1985. Clemens/König/Meriggi (Hg.) 2011  Hochkultur als Herrschaftselement. ­Italienischer und deutscher Adel im langen 19. Jahrhundert. Hg. v. G ­ abriele B. Clemens, Malte König und Marco Meriggi. Berlin, Boston: de ­Gruyter 2011. Comito 1993  Comito, Terry: Der humanistische Garten. In: Die Gartenkunst des Abendlandes. Von der Renaissance bis zur Gegenwart. Hg. v. Monique Mosser und Georges Teyssot. Stuttgart: DVA 1993, S. 33 – 42. Conz 1791  Conz, Karl Philipp: Seneka über das glük­liche Leben, von der Kürze des Lebens und von der Musse des Weisen. Stuttgart: Erhard und Löflund 1791. Conz 1792  Conz, Karl Philipp: Im Park zu Weimar. Jun. 1792. In: Der neue teutsche Merkur 3 (1792), S. 329 – 331. Conze 2010  Conze, Eckart: Grundlagen und Ausdrucksformen adeliger Lebensführung. Einführende Überlegungen. In: Adel in Hessen. Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert. Hg. v. ­Eckart Conze, Alexander Jendorff und Heide Wunder. Marburg: Historische ­Kommission für Hessen 2010, S. 375 – 380. Conze/Meier 1972  Conze, Werner; Meier, Christian: Adel, Aristokratie. In: Geschicht­liche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-­sozialen Sprache in Deutschland. Hg. v. Otto Brunner. Bd. A–D. Stuttgart: KlettCotta 1972, S. 1 – 48.

Verwendete Literatur

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Conze/Wienfort 2004  Conze, Eckart; Wienfort, Monika: Einleitung. Themen und Perspektiven historischer Adelsforschung zum 19. und 20. Jahrhundert. In: Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. v. Eckart Conze und Monika Wienfort. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2004, S. 1 – 16. Costadura 2006  Costadura, Edoardo: Der Edelmann am Schreibpult. Zum Selbstverständnis aristokratischer Literaten zwischen Renaissance und Revolution. Tübingen: Niemeyer 2006. Daniel 1983  Daniel, Gisela: Die Quellensituation zur Geschichte des Wörlitz-­ Dessauer Reformwerks in der Staatsarchivaußenstelle Oranienbaum. Abschlussarbeit Fachschule für Archivwesen „Franz Mehring“ Potsdam 1983. Daniel 2002  Daniel, Ute: How bourgeois was the public sphere in the Eighteenth century? Or: Why it is important to historicize Strukturwandel der Öffent­lichkeit. In: Das Achtzehnte Jahrhundert 26 (2002) H. 1, S. 9 – 17. Däumel 1961  Däumel, Gerd: Über die Landesverschönerung. Geisenheim: Debus 1961. Deetjen 1956  Deetjen, Werner: Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-­ Muskau. In: Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen. Hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin unter Leitung von Leopold Magon. Bd. 14, 3. Lieferung. Berlin: Akademie-Verlag; Düsseldorf: Ehlermann 1956, S. 691 – 693. Demel 2005  Demel, Walter: Der europäische Adel. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München: C. H. Beck 2005. Demel 2009  Demel, Walter: Perspektiven der Adelsforschung. In: discussions 2 (2009), abrufbar auf: http://www.perspectivia.net/content/publikationen/ discussions/2 – 2009/demel_perspektiven (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Dessauer Bibliothek 1829  Katalog der Herzog­lichen Bibliothek zu Dessau. Hg. v. Wilhelm Müller. Dessau: Heybruch 1829. Diecks 2001  Diecks, Thomas: Hermann Fürst von Pückler-Muskau. In: NDB 20 (2001), S. 759 – 761. Dietrich 2001  Dietrich, Manfred: Das bib­lische Paradies und der babylonische Tempelgarten. Überlegungen zur Lage des Gartens Eden. In: Das bib­lische Weltbild und seine altorienta­lischen Kontexte. Hg. v. Bernd Janowski und Beate Ego. Tübingen: Mohr Siebeck 2001, S. 281 – 324. Dilk 2005  Dilk, Enrica Yvonne: Carl Friedrich Ludwig Felix von Rumohr. In: NDB 22 (2005), S. 250 f. Disselkamp 1991  Disselkamp, Martin: Der Gelehrte und der Fürst. ­Winckelmann und Franz von Anhalt-Dessau im römischen Reich der Kunst.

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Anhang

In: Das literarische Antlitz des Grenzlandes. Hg. v. Krzysztof A. Kuczyński u. ­Thomas Schneider. Frankfurt a. M., Bern u. a.: Lang 1991, S. 221 – 234. Dittmer o. J.  Dittmer, Frank: ­­Kirchen im Gartenreich. Abrufbar auf: http:// www.landes­kirche-anhalts.de/projekte/­­Kirchen-im-gartenreich (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Dohna-Schlobitten 1798  Fünf Tage in Weimar. Aus dem Reisetagebuche des Burggrafen Wilhelm zu Dohna-Schlobitten 1798. Hg. v. Chr. Krollmann. In: Goethe-Jahrbuch 31 (1910), S. 59 – 70. Dorgerloh 2002  Dorgerloh, Annette: Zwischen Vergäng­lichkeit und Dauer. Grab und Erinnerung in der Gartenkunst des 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 56 (2002), S. 194 – 210. Dorgerloh 2012  Dorgerloh, Annette: Strategien des Überdauerns. Das Grabund Erinnerungsmal im frühen deutschen Landschaftsgarten. Düsseldorf: Grupello 2012. Dümpelmann (Hg.) 2007  Pückler and America. Hg. v. Sonja Dümpelmann. Washington, D. C.: German Historical Institute Washington 2007 = GHI Bulletin Supplement 4 (2007). Earlom 1777  Earlom, Richard: Liber Veritatis. Or, A Collection of Two ­Hundred Prints, After the Original Designs of Claude le Lorrain, in the Collection of His Grace the Duke of Devonshire. London: Boydell 1777. Eberle 1984  Eberle, Matthias: Individuum und Landschaft. Zur Entstehung und Entwicklung der Landschaftsmalerei. Gießen: anabas 1984. Ebersbach 1998  Ebersbach, Volker: Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Goethes Herzog und Freund. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1998. Eggers 1806  Eggers, Christian Ulrich Detlev Freiherr von: Reise durch Franken, Baiern, Oesterreich, Preußen und Sachsen [1806]. Vierter Theil. Leipzig 1810, S. 448 – 458. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2007/4, Sp. 842 – 846. Eggers 1809  Eggers, Christian Ulrich Detlev Freiherr von: Bemerkungen auf einer Reise durch das süd­liche Deutschland, den Elsaß und die Schweiz in den Jahren 1798 und 1799. 8. Bd. Braunschweig: Vieweg 1809, S. 468 – 470. Ehrhard 1935  Ehrhard, August: Fürst Pückler. Das abenteuer­liche Leben eines Künstlers und Edelmannes. Berlin, Zürich: Atlantis-Verlag 1935. Ehr­lich/Schmidt (Hg.) 2008  Ereignis Weimar-Jena. Gesellschaft und ­Kultur um 1800 im internationalen Kontext. Hg. v. Lothar Ehr­lich und Georg Schmidt. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2008. Einsiedel 1776  Einsiedel, Friedrich Hildebrand von: Schreiben eines Politikers an die Gesellschaft. In: Carl Augusts Begegnungen mit Zeitgenossen. Ein Bild seiner Persön­lichkeit in Briefen und Berichten, Tagebuchaufzeichnungen

Verwendete Literatur

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und Selbstzeugnissen. Hg. v. Alfred Bergmann. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1933, S. 13 f. Elschenbroich 1979  Elschenbroich, Adalbert: Karl Ludwig von Knebel. In: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 169 – 171. Emmrich 2009  Emmrich, Angelika: Von Friedrich Justin Bertuch zu Henry van de Velde. Die Idee, Kunst und Handwerk zu verbinden. In: Kunst und Handwerk in Weimar. Von der Fürst­lichen Freyen ­Zeichenschule zum Bauhaus. Hg. v. Kerrin Klinger. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2009, S. 121 – 135. Erdmannsdorff 1764  Erdmannsdorff, Friedrich Wilhelm von: Travel Notes from the Year 1764. Ed. u. komm. v. Thomas Weiss. In: For the Friends of Nature and Art. The Garden Kingdom of Prince Franz von Anhalt-Dessau in Age of Enlightenment. Hg. v. der Kulturstiftung DessauWörlitz und dem Institut für Auslandsbeziehungen. Ostfildern-Ruit: Hatje 1997, S. 37 – 71. Erdmannsdorff 1765 – 1766  Erdmannsdorff, Friedrich Wilhelm von: Kunsthistorisches Journal einer fürst­lichen Bildungsreise nach Italien 1765/66. Übersetzt, erläutert u. hg. v. Ralf-Torsten Speler. München, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2001. Erdmannsdorff 1797  Erdmannsdorff, Friedrich Wilhelm von: Architectonische Studien, in Rom gezeichnet, und zur Uebung für Bau- und andere Werk-­ Zeichen-Schulen bestimmt. Dessau: Chalkographische Gesellschaft 1797. Ev. Landes­kirche/Anhalt. Landesbücherei (Hg.) 1997  Reformation in Anhalt. Melanchthon – Fürst Georg III. Katalog zur Ausstellung der Anhaltischen Landesbücherei Dessau sowie Veröffent­lichung der wissenschaft­lichen Beiträge des Kolloquiums vom 5. September 1997 in Dessau. Hg. v. der Evange­ lischen Landes­kirche Anhalts und der Anhaltischen Landesbücherei. Dessau: Anhaltische Verlagsgesellschaft 1997. Faßhauer 2005  Faßhauer, Antje: Der kleine Staat bin ich! Die Kabinettsprotokolle des Fürsten Franz. In: Fürst Franz. Beiträge zu seiner Lebenswelt in Anhalt-Dessau 1740 – 1817. Hg. v. Heinrich Dilly und Holger Zaunstöck. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2005, S. 32 – 42. Faulstich 1998  Faulstich, Werner: Medien zwischen Herrschaft und Revolte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998. Fauth 1977  Fauth, Wolfgang: Der könig­liche Gärtner und Jäger im Paradeisos. Beobachtungen zur Rolle des Herrschers in der vorderasiatischen H ­ ortikultur. In: Persica 8 (1977), S. 1 – 53. Fichte 1808  Fichte, Johann Gottlieb: Achte Rede: Was ein Volk sei, in der höhern Bedeutung des Worts, und was Vaterlandsliebe. In: Reden an die deutsche Nation. Hg. v. Alexander Aichele. Hamburg: Meiner 2008, S. 127 – 145.

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Anhang

Fick 1809  Fick, Johann Christian: Neues Handbuch für Reisende jeder Gattung durch Deutschland und die angränzenden Länder. Nürnberg: Campe 1809, S. 386. Fischer 1929  Fischer, Paul: Goethe-Wortschatz. Ein sprachgeschicht­liches Wörter­buch zu Goethes sämt­lichen Werken. Leipzig: Rohmkopf 1929. Fischer 2001  Fischer, Norbert: Geschichte des Todes in der Neuzeit. Erfurt: Sutton 2001. Fischer 2003  Fischer, Hubertus: Kunst der Beschreibung – Park und Landschaft in Pücklers „Briefen eines Verstorbenen“. In: Historische Gärten heute. Hg. v. Michael Rohde und Rainer Schomann. Leipzig: Edition Leipzig 2003. Flik 2004  Flik, Reiner: Kultur-Merkantilismus? Friedrich Justin Bertuchs ‚Journal des Luxus und der Moden‘ (1786 – 1827). In: Das Journal des Luxus und der Moden. Kultur um 1800. Hg. v. Angela Borchert und Ralf Dressel. Heidelberg: Winter 2004, S. 21 – 56. Forssman 1961  Forssman, Erik: Dorisch, Jonisch, Korinthisch. Studien über den Gebrauch der Säulenordnungen in der Architektur des 16.–18. Jahrhunderts. Uppsala: Almqvist & Wiksell 1961. Forssman 1996  Forssman, Erik: Erdmannsdorff und die Architekturtheorie der Aufklärung. In: Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft. Hg. v. Frank-Andreas Bechtoldt und Thomas Weiss. Ostfildern: Hatje 1996, S. 99 – 115. Forster 1829  Johann Georg Forsters Briefwechsel. Hg. v. Therese Huber. Bd. 1. Leipzig: Brockhaus 1829. Franklin 1794  Franklin, Benjamin: Über Luxus, Müßiggang und Kunstfleiß. In: Journal des Luxus und der Moden 9 (1794), S. 372 – 379. Frass 2006  Frass, Monika: Antike römische Gärten. S­ oziale und wirtschaft­ liche Funktionen der Horti Romani. Horn, Wien: Berger 2006. Frey 1996  Frey, Manuel: „Offene Gesellschaft“ und „gemeinsame Klasse“. Adel und Adelskritik im bürger­lichen Trivialroman zwischen 1780 und 1815. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 44 (1996), S. 502 – 525. Frie 2005  Frie, Ewald: Adel und bürger­liche Werte. In: Bürger­liche Werte um 1800. Entwurf – Vermittlung – Rezeption. Hg. v. Hans-Werner Hahn und Dieter Hein. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2005, S. 393 – 414. Friedrich 2006  Friedrich, BerndIngo: Johann Andreas Tamm 1767 – 1795. Ein Außenseiter der Aufklärung. Hofmeister des Grafen von Pückler, Lehrer des Dichters und Komponisten Leopold Schefer. Weißwasser: Eigenverlag 2006. Friedrich 2012  Friedrich, Bernd-Ingo: Carl Heinrich August Seidel, geboren 1784. Maître de plaisir und Freund (2012). Abrufbar auf: http://schefer.kulturpixel.de/artikel/8_Heinrich_Seidel_Lauban_Pueckler_Schefer_Muskau_Theater_Gedichte (zuletzt abgerufen am 8.11.2012).

Verwendete Literatur

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Fritz 1995  Fritz, Hans-Joachim: Vitruv. Architekturtheorie und Machtpolitik in der römischen Antike. Münster: LIT 1995. Froesch 2002  Froesch, Anette: Das Luisium bei Dessau. Gestalt und Funktion eines fürst­lichen Landsitzes im Zeitalter der Empfindsamkeit. München, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2002 (Forschungen zum Gartenreich Dessau-Wörlitz, 1). Frömmer 2008  Frömmer, Judith: Vaterfiktionen. Empfindsamkeit und Patriarchat in der Literatur der Aufklärung. München: Fink 2008. Gaier 2007  Gaier, Ulrich: Humanität als Aufgabe. Physis als Norm bei Johann Gottfried Herder. In: Physis und Norm: Neue Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert. Hg. v. Manfred Beetz, Jörn Garber und Heinz Thoma. Göttingen: Wallstein 2007, S. 13 – 28. Gamper 1998  Gamper, Michael: „Die Natur ist republikanisch“. Zu den ästhetischen, anthropolo­gischen und politischen Konzepten der deutschen Gartenliteratur im 18. Jahrhundert. Würzburg: Königshausen & Neumann 1998. Garber (Hg.) 2008  „Die Stammutter aller guten Schulen“. Das Dessauer Philanthropinum und der Philanthropismus 1774 – 1793. Hg. v. Jörn ­Garber. Tübingen: Niemeyer 2008. Gatter 2010  Gatter, Nikolaus: „Es ist eine Täuschung, daß Varnhagen todt ist“. Fürst Pückler, der Varnhagensche Kreis und Ludmilla Assing. In: „… ein Kind meiner Zeit, ein ächtes, bin ich…“. Stand und Perspektiven der Forschung zu Fürst Pückler. Hg. v. Christian Friedrich und Ulf Jacob. ­Berlin: be.bra 2010, S. 213 – 230. Gazdar 2006  Gazdar, Kaevan: Herrscher im Paradies. Fürst Franz und das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Berlin: Aufbau-Verlag 2006. Gebhard 2002  Gebhard, Walter: Einleitung. In: Sozialgeschicht­liche Aspekte des Gartens/Gardens in Social History. Hg. v. Walter Gebhard. Frankfurt a. M., Berlin, Bern u. a.: Lang 2002, S. 7 – 18. Gellert 1769  Gellert, Christian Fürchtegott: Brief an Anna Louisa Karschin. Leipzig, 29. April 1769. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2003/1, Sp. 68. Germann 1974  Germann, Georg: Neugotik. Stuttgart: DVA 1974. Gerndt 1981  Gerndt, Siegmar: Idealisierte Natur. Die literarische Kontroverse um den Landschaftsgarten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Deutschland. Stuttgart: Metzler 1981. Geyer-Kordesch 2005  Geyer-Kordesch, Johanna: Vulkane und Industrie. Die ‚Feuer-Assoziationen‘ im Gartenreich. In: Der Vulkan im Wörlitzer Park. Hg. v. d. Kulturstiftung DessauWörlitz. Berlin: nicolai 2005, S. 35 – 55.

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Anhang

Glatz 1817  Glatz, Jakob: Rückerinnerungen an eine Reise von Schnepfen­ thal nach Ungarn. In: Neue Jugendbibliothek. Hg. v. dems. 2. Bd. Wien: ­Heubner und Volke 1817. Gloßmann 2010  Gloßmann, Erik: Hermann von Pückler-Muskau. Kavalier, Abenteurer, Parkgestalter. 2. Aufl. Leipzig: Verlag für die Frau 2010. Göchhausen 1923  Die Göchhausen. Briefe einer Hofdame aus dem klas­sischen Weimar. Hg. v. Werner Deetfen. Berlin: Mittler und Sohn 1923. Goethe 1908  Goethes Briefe an Charlotte von Stein. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Jonas Fränkel. Bd. 2. Jena: Diederichs 1908. Goethe 1998/1999  Goethe, Johann Wolfgang: Tagebücher. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik hg. v. Jochen Golz und Wolfgang Albrecht. Bd. 1 und 2. Stuttgart, Weimar: Metzler 1998 und 1999. Goethe Münchner Ausgabe 1.1  Goethe, Johann Wolfgang: Geschichte ­Gottfriedens von Ber­lichingen mit der eisernen Hand. In: ders.: Sämt­ liche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Bd. 1.1. Hg. v. Gerhard Sauder. München: Hanser 1985. Goethe Münchner Ausgabe 1.2  Goethe, Johann Wolfgang: Stella. Ein Schauspiel für Liebende. In: ders.: Sämt­liche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Bd. 1.2. Hg. v. Gerhard Sauder. München: ­Hanser 1987. Goethe Münchner Ausgabe 16  Goethe, Johann Wolfgang: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. In: Ders: Sämt­liche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Bd. 16. Hg. v. Peter Sprengel. München: Hanser 1985. Goethe WA 1.35  Goethe, Johann Wolfgang: Tag- und Jahreshefte als Ergänzung meiner sonstigen Bekenntnisse, von 1749 bis 1806. = WA 1.35. Goethe WA 1.36  Goethe, Johann Wolfgang: Das Louisenfest, gefeiert Weimar am 9. Juli 1778. In: WA I.36, S. 233 – 242. Goethe WA II.6  Goethe, Johann Wolfgang: Schema zu einem Aufsatze die Pflanzencultur im Großherzogthum Weimar darzustellen. In: WA II .6, S.  228 – 236. Goethe WA  Goethe, Johann Wolfgang: Goethes Werke. Weimarer Ausgabe. Hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Abtlg. I–IV. 133 Bände in 143 Teilen. Weimar: Hermann Böhlau 1887 – 1919. Goethe/Schiller 1799  Goethe, Johann Wolfgang; Schiller, Friedrich: Über den Dilettantismus (1799). In: Johann Wolfgang Goethe: Sämt­liche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe Bd. 6.2: Weimarer Klassik.

Verwendete Literatur

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Hg. v. Victor Lange, Hans J. Becker, Gerhard H. Müller, John Neubauer, Peter Schmidt und Edith Zehm. München: Hanser 1988. Görtz 1771  Görtz, Johann Eustach von: Briefe eines Printzen-Hofmeisters über Basedows PrintzenErziehung und hauptsäch­lich über dessen Agathokrator. Heilbronn 1771. Gotha 1826  Pückler-Muskau. In: Almanach de Gotha pour l’année 1826. Gotha: Justus Perthes 1826, S. 131 ff. Grabein 1943  Grabein, A. C.: Der letzte große Kavalier. Berlin: Bernard & Graefe 1943. Greenblatt 2001  Greenblatt, Stephen: Kultur. In: New Historicism. Hg. v. Moritz Baßler. Tübingen, Basel: Francke 2001, S. 48 – 59. Greiling 1993  Greiling, Werner: Varnhagen von Ense – Lebensweg eines Liberalen. Politisches Wirken zwischen Diplomatie und Revolution. Köln, ­Weimar, Wien: Böhlau 1993. Greiling 1999  Greiling, Werner: Goethe als Weimarer Minister. In: Goethe im s­ ozialen und kulturellen Gefüge seiner Zeit. Hg. v. Jürgen Voss. Bonn: Bouvier 1999, S. 113 – 141. Greiling 2004  Greiling, Werner: Verlagsprogrammatik und kulturelle Identität bei Friedrich Justin Bertuch. In: Identitäten. Erfahrungen und Fiktionen um 1800. Hg. v. Gonthier-Louis Fink und Andreas Klinger. Frankfurt a. M. u. a.: Lang 2004, S. 221 – 233. Grimm 2010  Grimm, Joachim: Karl Gutzkows Arrivierungsstrategie unter den Bedingungen der Zensur (1830 – 1847). Frankfurt a. M.: Peter Lang 2010. Grisebach 1910  Grisebach, August: Der Garten. Geschichte seiner künstle­ rischen Gestaltung. Leipzig: Klinkhardt & Biermann 1910. Grisebach 1936  Grisebach, August: Fürst Pückler als Landschaftsgestalter. In: Mitteilungen der Pückler-Gesellschaft 5 (1936), S. 5 – 12. Gröning 2003  Gröning, Gert: Nulla regula sine exceptione. Von der Idealisierung des Eigentums über die Kultur des Bodens zum wahren Kunstgenuss. Ein Kommentar zu Pücklers Andeutungen über Landschaftsgärtnerei. In: Entwerfen und Entwurf. P ­ raxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses. Hg. v. Gundel Mattenklott und Friedrich Weltzien. Berlin: Reimer 2003, S. 149 – 171. Gröning 2008  Gröning, Gert: Hermann Fürst von Pückler-Muskau und Humphry Repton. A Map of Influence. In: Landschaftsgärten des 18. und 19. Jahrhunderts. Beispiele deutsch-britischen Kulturtransfers. Landscape Gardens in the 18th and 19th Centuries. Examples of British-German Cultural Transfer. Hg. v. Franz Bosbach und Gert Gröning. München: K. G. Saur 2008, S. 49 – 78.

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Groß 2005  Groß, Stefan: Johann Wolfgang von Goethe und die Gartenkunst. Eine Gattung verliert an Einfluss – Die Gartenkunst und ihre Kritik. In: Die Gartenkunst 17 (2005), S. 311 – 318. Groß 2009  Groß, Stefan: Die Weimarer Klassik und die Gartenkunst. Über den Gattungsdiskurs und die ‚Bildenden Künste‘ in den theoretischen Schriften von Goethe, Schiller und Krause. Frankfurt a. M., Berlin, Bern u. a.: Lang 2009. Gruenter 1983  Gruenter, Rainer: Der reisende Fürst. Fürst Hermann Pückler-­ Muskau in England. In: „Der curieuse Passagier“. Deutsche Englandreisende des 18. Jahrhunderts als Vermittler kultureller und technolo­gischer Anregungen. Hg. v. Marie-Luise Spieckermann. Heidelberg: Winter 1983, S. 119 – 137. Günther 1996  Günther, Hubertus: Anglo-Klassizismus, Antikenrezeption, Neugotik in Wörlitz. In: Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft. Hg. v. Frank-Andreas Bechtoldt und Thomas Weiss. Ostfildern: Hatje 1996, S.  131 – 161. Günther 2002  Günther, Hubertus: Stilpluralismus in Wörlitz. Verwendung und Bedeutung der Stile. In: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff. Hg. v. Erhard Hirsch und Günter Ziegler. Dessau: Museum für Stadtgeschichte 2002 (Zwischen Wörlitz und Mosigkau 53 (2002) = Dessau-Wörlitzer Beiträge X), S. 8 – 35. Günther 2010  Günther, Ralf: Der Gartenkünstler. Ein Fürst-Pückler-Roman. 1. Aufl. Berlin: List 2010 (2. Aufl. 2011). Günzel 2001  Günzel, Klaus: Das Weimarer Fürstenhaus. Eine Dynastie schreibt Kulturgeschichte. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2001. Gutzkow 1836  Gutzkow, Karl: Beiträge zur Geschichte der neuesten Literatur. Bd. 1. Stuttgart: Balz’sche Buchhandlung 1836. Haak-Macht 2008  Haak-Macht, Ilona: Der Ildefonso-Brunnen in Weimar. Auferstehung oder ein Grabmal der Liebe? In: Alles um Liebe. Anna Amalia und Goethe. 1. Interdisziplinäres Symposium 2007. Hg. v. Ilse Nagelschmidt. Weimar: Denkena 2008, S. 79 – 125. Haak/Ohff 1985  Haak, Ekkehard; Ohff, Heinz: Anmerkungen. In: Fürst ­Hermann von Pückler-Muskau. Ausgewählte Werke in zwei Bänden. Hg. v. dens. Bd. 2. Frankfurt a. M., Berlin, Wien: Ullstein 1985. Hahn 1885  Hahn, Gustav Paul Richard: Basedow und sein Verhältniss zu Rousseau. Ein Beitrag zur Geschichte der Pädagogik im 18. Jahrhundert. Diss. phil. Universität Leipzig 1885. Hahn 2001  Hahn, Karl-Heinz: Carl August von Sachsen-Weimar. Ein Versuch. In: ders.: „Dann ist Vergangenheit beständig…“. Goethe-Studien. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2001, S. 39 – 69.

Verwendete Literatur

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Hahn 2008  Hahn, Hans-Werner: Gesellschaft­licher Wandel und kulturelle Blüte. Die gesellschaft­lichen Voraussetzungen und Folgen des Ereignisses Weimar-Jena im Spiegel der neueren Forschung. In: Ereignis Weimar-Jena. Gesellschaft und Kultur um 1800 im internationalen Kontext. Hg. v. Lothar Ehr­lich und Georg Schmidt. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2008, S. 47 – 65. Hallbaum 1927  Hallbaum, Franz: Der Landschaftsgarten. Sein Entstehen und seine Einführung in Deutschland durch Friedrich Ludwig von Sckell 1750 – 1823. München: Hugo Schmidt 1927. Hamann 2008  Hamann, Christof: „Neuer Sinn im Orient“. Pückler-Muskau und die Europäisierung Ägyptens nach 1800. In: Der Deutschen Morgenland. Bilder des Orients in der deutschen Literatur und Kultur von 1770 bis 1850. Hg. v. Charis Goer und Michael Hofmann. München, Paderborn: Fink 2008, S. 179 – 197. Harksen 1957  Harksen, Julie: Italienische Dichtkunst und der Dessau-Wörlitzer Kulturkreis. In: Dessauer Kulturspiegel 4 (1957), S. 190 – 195. Harksen 1971  Harksen, Hans: Joachim Heinrich Campes Flucht aus dem Philan­thropin zu Dessau. In: Dessauer Kalender 15 (1971), S. 41 – 53. Harksen/Alex 1983  Harksen, Marie-Luise; Alex, Reinhard: Das Gotische Haus im Landschaftspark Wörlitz. Staat­liche Schlösser und Gärten Wörlitz, ­Oranienbaum, Luisium 1983. Hartmann 1913  Hartmann, Adolph: Der Wörlitzer Park und seine Kunstschätze. Berlin: Merkur 1913 [Reprint Dessau: Anhaltische Verlagsgesellschaft 1991]. Hasubek 1994  Hasubek, Peter: Tugendspiegel und Lasterschelte. Gellerts Fabeln im soziokulturellen Kontext. In: Fabel und Parabel. Kulturgeschicht­ liche Prozesse im 18. Jahrhundert. Hg. v. Theo Elm und Peter Hasubek. München: Fink 1994, S. 157 – 174. Hauer 1834  Hauer, Heinrich: Selbstbiographie. Bd. 1. Quedlinburg: Taubstummeninstitut 1834, S. 146 – 150. Zit. nach: Hrsch (Hg.) 2007/4, Sp. 777 – 779. Haug 2006  Haug, Christine: Der Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch (1747 – 1822) – ein „merkantilistischer Bonaparte“ aus der Provinz. Bericht über die Forschungsergebnisse des DFG-Sonderforschungsbereichs „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 15 (2006), S. 359 – 393. Häußler 2008  Häußler, Heinz Georg: Der Schlangenstein im Weimarer Goethepark. Ein Interpretationsversuch im Hinblick auf die Beziehung von Anna Amalia und Goethe. In: Alles um Liebe. Anna Amalia und Goethe. 1. Interdisziplinäres Symposium 2007. Hg. v. Ilse Nagelschmidt. Weimar: Denkena 2008, S. 147 – 158.

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Anhang

Hecht 2006  Hecht, Michael: Die Erfindung der Askanier. Dynastische Erinnerungsstiftung der Fürsten von Anhalt an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Zeitschrift für Historische Forschung 33 (2006), S. 1 – 31. Hecht 2008  Hecht, Michael: Die Kraft der Vergangenheit. Historiographie und dynastische Erinnerung der Askanier im 18. Jahrhundert. In: Das Leben des Fürsten. Studien zur Biografie von Leopold III . Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 – 1817). Hg. v. Holger Zaunstöck. Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag 2008, S. 197 – 210. Hederich 1724  Hederich, Benjamin: Gründ­liches Lexicon Mythologicum. Leipzig: Gleditsch 1724. Hedges 2009  Hedges, Chris: Empire of Illusion. The End of Literacy and the Triumph of Spectacle. New York: Nation Books 2009. Heilmeyer/Bach 2010  Heilmeyer, Marina; Bach, Hans: Die Gärten der Könige. Stimmungsbilder aus den preußischen Gärten in Berlin, Potsdam und der Mark Brandenburg. München: Prestel 2010. Hein 2005  Hein, Dieter: Arbeit. In: Bürger­liche Werte um 1800. Entwurf – Vermittlung – Rezeption. Hg. v. Hans-Werner Hahn und Dieter Hein. Köln, Wien, Weimar: Böhlau 2005, S. 239 – 251. Hennebo 1979  Hennebo, Dieter: Goethes Beziehungen zur Gartenkunst ­seiner Zeit. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts (1979), S. 90 – 119. Hennebo/Hoffmann 1962 – 1965/1 – 3  Hennebo, Dieter; Hoffmann, Alfred: Geschichte der deutschen Gartenkunst in drei Bänden. 1. Aufl. Hamburg: Broschek 1962 – 65. Hennings 1792  Hennings, August: Über den Einfluß der Hofhaltungen auf das Verderben der Staaten. T. 1. In: Schleswigsches Journal 1 (1792), S.  386 – 423, T.  1, S.  410 – 412. Hennings 1793  Hennings, August: Über die Ursachen, warum wir vorerst in Teutschland wohl keine gefähr­liche Haupt-Revolution zu erwarten haben. In: Schleswigsches Journal 2 (1793), S. 273 – 290. Hennings 1797  Hennings, August: Über Baummahlerey, Garten, Inschriften, Clumps und Amerikanischen Anpflanzungen. In: Der Genius der Zeit 10 (1797) 1. Stück, S. 10 – 43. Herder 1774a  Herder, Johann Gottfried: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit (1774). In: ders.: Werke. Bd. 4. Hg. v. Jürgen Brummack und Martin Bollacher. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassikerverlag 1994, S. 9 – 108. Herder 1774b  Herder, Johann Gottfried: Wie die Alten den Tod gebildet? Ein Nachtrag zu Lessings Abhandlung desselben Titels und Inhalts (1774).

Verwendete Literatur

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In: ders.: Werke. Bd. 4. Hg. v. Jürgen Brummack und Martin Bollacher. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassikerverlag 1994, S. 579 – 630. Herder 1784/1786  Herder, Johann Gottfried: Werke. Bd. 6: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (2 Bde. 1784, 1786). Hg. v. Martin Bollacher. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassikerverlag 1989. Herder 1794  Herder, Johann Gottfried: Flora. In: ders.: Briefe zur Beförderung der Humanität. Vierte Sammlung (1794), 43. und 44. Brief. In: ders.: Werke. Bd. 7. Hg. v. Hans Dietrich Irmscher. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassikerverlag 1991, S. 227 – 241. Herder 1797  Herder, Johann Gottfried: Der Fürst. In: ders.: Briefe zur Beförderung der Humanität. Zehnte Sammlung (1797), 120. Brief. In: ders.: Werke. Bd. 7. Hg. v. Hans Dietrich Irmscher. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassikerverlag 1991, S. 727 f. Herder 1861  Von und an Herder. Ungedruckte Briefe aus seinem Nachlass. Hg. v. Heinrich Düntzer und Ferdinand Gottfried von Herder. Leipzig: Dyk’sche Buchhandlung 1861. Herder 1978/1979  Herder, Johann Gottfried: Briefe. Bd. 3 und 4. Hg. v. ­Wilhelm Dobbek und Günther Arnold. Weimar: Böhlau 1978 und 1979. Hermand 2005a  Hermand, Jost: Betrachtungen eines Unpolitischen? Goethes Selbsteinschätzungen in Dichtung und Wahrheit. In: ders.: Pro und contra Goethe. Dichterische und germanistische Stellungnahmen zu seinen ­Werken. Bern, Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2005, S. 49 – 68. Hermand 2005b  Hermand, Jost: Freiheit in der Bindung. Goethes grüne Weltfrömmigkeit. In: ders.: Pro und contra Goethe. Frankfurt a. M., Oxford u. a.: Lang 2005, S. 69 – 94. Hermand 2005c  Hermand, Jost: Rousseau, Goethe, Humboldt. Ihr Einfluss auf die späteren Befürworter des Naturgartens. In: ders.: Pro und contra Goethe. Bern, Berlin, Oxford u. a.: Lang 2005, S. 97 – 118. Herrmann 2005  Herrmann, Ulrich: Familie, Kindheit, Jugend. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd. III: 18. Jahrhundert. Hg. v. dems. und Notker Hammerstein. München: C. H. Beck 2005, S. 77 ff. Heyer 2006  Heyer, Andreas: Die politische Dimension der Anthropologie. Zur Einheit des Werks von Jean-Jacques Rousseau. Frankfurt a. M, Berlin u. a.: Lang 2006. Heyer 2009  Heyer, Andreas: Sozialutopien der Neuzeit. Bibliographisches Handbuch. Bd. 2. Berlin: LIT-Verlag 2009. Hirsch (Hg.) 2001  Hirsch, Erhard: Der Briefwechsel des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau (‚Vater Franz‘) mit Friedrich Justin Bertuch 1781 – 1808. In: Sachsen und Anhalt 23 (2001), S. 161 – 202.

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Anhang

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Verwendete Literatur

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Holtzhauer 1970  Holtzhauer, Helmut: Gärten und Parke in Weimar. Jahresgabe der nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klas­sischen deutschen Literatur in Weimar 1970. Hosäus 1890  Hosäus, Wilhelm: Johann Kaspar Häfeli in Wörlitz, 1794 – 1793. Mitteilungen aus den Briefen Häfelis an Lavater und Müller. In: Mittei­lungen des Vereins für Anhaltische Geschichte 5 (1890), S. 137 – 163. Houben 1925  Houben, Heinrich Hubert: Der Verstorbene, Semilasso und Kompagnie. In: ders.: Kleine Blumen, kleine Blätter aus Biedermeier und Vormärz. Ein Strauß zu meinem 50. Geburtstag. Dessau: Karl Rauch 1925, S.  60 – 86. Howald 2011  Howald, Christine: Der Fall Nicolas Fouquet. Mäzenatentum als Mittel politischer Selbstdarstellung 1653 – 1661. München: Oldenbourg 2011. Hübener 2008  Hübener, Andrea: Epistolarische Pflanzschule der Liebes- und Gartenkunst. Hermann und Lucie von Pückler-Muskau. In: The Love Letter/­ Der Liebesbrief. Schriftkultur und Medienwechsel vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Hg. v. Renate Stauf, Annette Simonis und Jörg Paulus. ­Berlin, New York: Walter de Gruyter 2008, S. 329 – 352. Hueneke 2004  Hueneke, Saskia: Aus dem Garten gelesen… Ikonographische Strukturen im Park Sanssouci. In: Jahrbuch Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg 6 (2004), S. 205 – 226. Hunt 1986  Hunt, John Dixon: Garden and Grove. The Italian Renaissance Garden in the English Imagination 1600 – 1750. London: Dent & Sons 1986. Hunt 1992  Hunt, John Dixon: Theaters, Gardens, and Garden Theaters. In: ders.: Gardens and the Picturesque. Studies in the History of Landscape Architecture. Cambridge, Mass.: MIT Press 1992, S. 49 – 74. Huschke 1951  Huschke, Wolfgang: Die Geschichte des Parkes von Weimar. Weimar: Böhlau 1951. Huyssen 1981  Huyssen, Andreas: Das Versprechen der Natur. Alternative Naturkonzepte im 18. Jahrhundert. In: Natur und Natür­lichkeit. Stationen des Grünen in der deutschen Literatur. Hg. v. Reinhold Grimm und Jost Hermand. Königstein im Taunus: Athenäum 1981, S. 1 – 18. Ilsemann 1901  Ilsemann, Fr. Theobald: Fürst Pückler und sein Branitz (1901). In: Im Spiegel der Erinnerung. Der Branitzer Park. Gartenparadies des Fürsten Pückler. 21 Beiträge aus der Zeit von 1804 bis 1939. Hg. v. Siegfried Kohlschmidt. Branitz: Fürst Pückler Museum 1997, S. 53 – 57. Ingensiep 1994  Ingensiep, Hans Werner: Der Mensch im Spiegel der Tierund Pflanzenseele. Zur Anthropomorphologie der Naturwahrnehmung im 18. Jahrhundert. In: Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im

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Anhang

18. Jahrhundert. DFG-Symposion 1992. Hg. v. Hans-Jürgen Schings. Stuttgart, Weimar: Metzler 1994, S. 54 – 79. Jacob 1998a  Jacob, Ulf: „Dies ist wahr­lich eine neue Lehre, (…)“. Hermann Fürst von Pückler-Muskaus „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ und die Geschichtsphilosophie des Saint-Simonismus. In: 3. Forschungskolloquium zur europäischen Gartenkunstgeschichte für Doktoranden, Magistranden und Diplomanden (1997). Typoskript, Christian-Albrechts-Universität Kiel 1998, S.  79 – 88. Jacob 1998b  Jacob, Ulf: „Es soll gut auf der Erde werden“. Die Gartenwelten des Hermann Fürst von Pückler-Muskau als ­soziale Raumstrukturen. In: Kultursoziologie 2 (1998), S. 55 – 79. Jacob 1999  Jacob, Ulf: „Ich möchte manchmal ganz sehn­lich, ich wäre todt“. Andeutungen über das Melancho­lische in Hermann Fürst PücklerMuskaus Persön­lichkeit und künstlerischem Werk. In: Pückler, Pyramiden, Panorama. Neue Beiträge zur Pücklerforschung. Hg. v. Christian Friedrich. Branitz: Stiftung Fürst-Pückler-Museum 1999 (Edition Branitz, 4), S. 110 – 128. Jacob 2007a  Jacob, Ulf: Identity, Knowledge, Landscape. Biography and Space in Pückler’s Work. In: Pückler and America. Hg. v. Sonja Dümpelmann. Washington, D. C.: German Historical Institute Washington 2007 = GHI Bulletin Supplement 4 (2007), S. 31 – 52. Jacob 2007b  Jacob, Ulf: Pückler-Diskurs im Werden. Neue Veröffent­lichungen über Hermann Fürst von Pückler-Muskau. In: kunsttexte.de 4 (2007), abrufbar auf http://edoc.hu-berlin.de/kunsttexte/2007 – 4/jacob-ulf-3/PDF/jacob. pdf (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Jacob 2010  Jacob, Ulf: Esprit und Empirie. Konturen einer neuen Pücklerforschung. In: „…ein Kind meiner Zeit, ein ächtes, bin ich…“. Stand und Perspektiven der Forschung zu Fürst Pückler. Hg. v. Christian Friedrich und Ulf Jacob. Berlin: be.bra 2010, S. 15 – 44. Jacobs 1984  Jacobs, Jürgen: Die Nöte des Hausvaters. Zum Bild der Familie im bürger­lichen Drama des 18. Jahrhunderts. In: Wirkendes Wort 34 (1984), S.  343 – 357. Jaeger 2011  Jaeger, Stephan: Performative Geschichtsschreibung. Forster, Herder, Schiller, Archenholz und die Brüder Schlegel. Berlin, Boston: de Gruyter 2011. Jäger 1843  Jäger, August: Das Leben des Fürsten von Pückler-Muskau. Stuttgart: Metzler 1843. Jäger 1888  Jäger, Hermann: Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt. Ein Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber. Berlin: Parey 1888.

Verwendete Literatur

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Jelaffke 1993  Jelaffke, Cordula: Fürst Pückler. Biographie. Berlin: Verlag Neues Leben 1993. John 2001  John, Timo: Adam Friedrich Oeser 1717 – 1799. Studie über einen Künstler der Empfindsamkeit. Beucha: Sax-Verlag 2001, S. 152. Abrufbar auf http://www.goethezeitportal.de/digitale-bibliothek/forschungsbeitraege/ autoren-kuenstler-denker/oeser-adam-friedrich/john-oeser.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Kadatz 1986  Kadatz, Hans-Joachim: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff 1736 – 1800. Wegbereiter des deutschen Frühklassizismus in Anhalt-Dessau. Berlin: Verlag für Bauwesen 1986. Kaiser/Seifert (Hg.) 2000  Friedrich Justin Bertuch (1747 – 1822). Verleger, Schriftsteller und Unternehmer im klas­sischen Weimar. Hg. v. Gerhard R. Kaiser und Siegfried Seifert. Tübingen: Niemeyer 2000. Kaiser/Völker 1991  Kaiser, Wolfram; Völker, Arina: Aufklärung und Philanthropismus. Medizinische Versorgung in Anhalt-Dessau. In: Medizinhistorisches Journal 26 (1991), S. 283 – 299. Kallenbach/Kallenbach 1993  Kallenbach, Hellmuth; Kallenbach, Günter: Wildgatter, Torhäuser und Forsthäuser. Ein Beitrag zur Jagdgeschichte der Mosigkauer Heide. In Dessauer Kalender 37 (1993), S. 53 – 59. Karg (Hg.) 1986  Fürst Hermann von Pückler-Muskau 1785 – 1985. Festansprache und Vorträge anläss­lich der Pücklerehrung. Hg. v. Detlef Karg für den Niederlausitzer Arbeitskreis für regionale Forschung beim Rat des Bezirkes Cottbus und das Stadtmuseum Cottbus. Cottbus: o. V. 1986. Karg 1993  Karg, Jakob: Poesie und Prosa. Studien zum Literaturverständnis des Jungdeutschen Heinrich Laube. Bielefeld: Aisthesis 1993. Käuser 2002  Käuser, Andreas: Medienumbrüche. In: Metzler Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft. Hg. v. Helmut Schanze. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 255 – 257. Kawa 1980  Kawa, Rainer: Georg Friedrich Rebmann (1768 – 1824). Studien zu Leben und Werk eines deutschen Jakobiners. Bonn: Bouvier 1980. Kehn 1985  Kehn, Wolfgang: Die Gartenkunst der deutschen Spätaufklärung als Problem der Geistes- und Literaturgeschichte. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (10) 1985, S. 195 – 224. Klausmeier 1997  Klausmeier, Axel: Lernen vom ‚Stein‘. Ein Beitrag zur Bedeutungsvielfalt des ‚Steins‘ in den Wörlitzer Anlagen. In: Die Gartenkunst 9 (1997), S.  367 – 379. Klauß 1991  Klauß, Jochen: Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Fürst und Mensch. Sieben Versuche einer Annäherung. Weimar: Klassikerstätten zu Weimar; Stiftung Weimarer Klassik 1991.

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Klebe 1800  Klebe, Friedrich Albrecht: Historisch-statistische Nachrichten von der berühmten Residenzstadt Weimar. Elberfeld: Mannsiusche Buchhandlung 1800. Klein 2003  Klein, Andrea: „Jede Kommunikation ist wie Kunst“. Die Sprache des Gartens. Würzburg: Königshausen & Neumann 2003. Kleinschmidt/Bufe 1997  Kleinschmidt, Harald; Bufe, Thomas u. a.: Dessau-­ Wörlitzer Parkreich = Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, Sonderband. Hg. v. Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt. Halle: Fliegenkopf 1997. Kleßmann 1992  Kleßmann, Eckart: Fürst Pückler-Muskau. Gartenkünstler, Literat und Kosmopolit. München: Bayerische Vereinsbank, Abt. Öffent­ lichkeitsarbeit und Werbung 1992. Kleßmann 1998  Kleßmann, Eckart: Fürst Pückler und Machbuba. Berlin: Rowohlt 1998. Kloeden (Hg.) 2008  Der Blick ins Innere. Das Verzeichnis der fürst­lichen Biblio­thek zu Wörlitz 1778. Bearbeitet von Karin von Kloeden unter Mitarbeit von Ute Pott und Uwe Quilitzsch. Dessau: Kulturstiftung DessauWörlitz 2008. Kluckert 2008  Kluckert, Ehrenfried: Gartenkunst in Europa. Von der Antike bis zur Gegenwart. Hg. v. Rolf Toman. Köln: Ullmann 2008. Knebel 1799  Knebel, Karl Ludwig von: Die Wälder (1799). In: Neuer Teutscher Merkur 11 (1801) Bd. 3, S. 161 – 165. Knebel 1835/1840  Knebel, Karl Ludwig von: Literarischer Nachlass und Briefwechsel. Hg. v. Karl August Varnhagen von Ense und Theodor Mundt. 2 Bde. Leipzig: Reichenbach 1835 und 1840. Knebel 1858b  Zur deutschen Literatur und Geschichte. Ungedruckte Briefe aus Knebels Nachlass. Hg. v. Heinrich Düntzer. Nürnberg: Bauer und Raspe 1858. Knebel/Knebel 1858  Aus Karl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette (1774 – 1813). Ein Beitrag zur deutschen Hof- und Litteraturgeschichte. Hg. v. Heinrich Düntzer. Jena: Friedrich Mauke 1858. Koopmann 1993  Koopmann, Helmut: Das Junge Deutschland. Eine Einführung. Darmstadt: WBG 1993. Korzus 2008  Korzus, Bernard: Neugotische Architekturen in deutschen Landschaftsgärten des Alten Reiches. In: ders.: Bagno – Neugotik – La Rouge. Beiträge zur europäischen Gartenforschung aus dem Nachlass = Mitteilungen der Pückler-Gesellschaft N. F. 23 (2008), S. 27 – 62. Kos 2013  Kos, Jerzy K.: Gärten des Adels. Programme schle­sischer Gärten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Adel in Schlesien und Mitteleuropa. Literatur und Kultur von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Walter Schmitz in Verbindung mit Jens Stüben und Matthias Weber. München: Oldenbourg 2013, S. 219 – 243.

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Koselleck 1975  Koselleck, Reinhart: Fortschritt. In: Geschicht­liche Grund­ begriffe 2 (1975), S. 351 – 423. Kreutzmann 2008  Kreutzmann, Marko: Zwischen ständischer und bürger­ licher Lebenswelt. Adel in Sachsen-Weimar-Eisenach 1770 bis 1830. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2008. Krönert (Hg.) 2002  Der tolle Pückler. Hg. v. Hans-Hermann Krönert. Cottbus: Regia-Verlag 2002. Krönert (Hg.) 2010  Fürst Pückler. Episoden & Facetten. Hg. v. Hans-­ Hermann Krönert. Cottbus: Regia-Verlag 2010. Kruft 1986  Kruft, Hanno-Walter: Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart. München: C. H. Beck 1986. Kuhn 1808  Kuhn, August: Ohne Titel. In: Der Freimüthige (1808), Sp. 372 – 376. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2007/4, Sp. 915. Kulturstiftung (Hg.) 2006  Unend­lich schön. Das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Hg. v. d. Kulturstiftung DessauWörlitz. Berlin: Nicolai 2006. Küster/Hoppe 2010  Küster, Hansjörg; Hoppe, Ansgar: Das Gartenreich Dessau-­Wörlitz. Landschaft und Geschichte. München: C. H. Beck 2010. Küttner 1804  Küttner, Carl Gottlob: Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien in den Jahren 1797, 1798, 1799. Bd. 1: Leipzig: Göschen 1804. Lafontaine 1800  Lafontaine, August: Karl Engelmanns Tagebuch. Eine Familiengeschichte. Berlin: Sander 1800. Landwehr 2007  Landwehr, Jürgen: Von verlorenen und nachgeschaffenen Paradiesen. Kulturwissenschaft­liche Anmerkungen zu Gartenbildern und Gartensymbolik. In: Gärten als Spiegel der Seele. Hg. v. Hans-Peter Ecker. Würzburg: Königshausen & Neumann 2007, S. 13 – 38. Langewiesche 1994  Langewiesche, Dieter: Bürger­liche Adelskritik zwischen Aufklärung und Reichsgründung in Enzyklopädien und Lexika. In: Adel und Bürgertum in Deutschland 1770 – 1848. Hg. v. Elisabeth Fehrenbach. München: Oldenbourg 1994, S. 11 – 28. Laube 1833  Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1. Leipzig: Wigand 1833. Laube 1834a  Laube, Heinrich: Anhalt. In: ders.: Reisenovellen. Bd. 1. Leipzig: Wigand 1834, S. 47 – 63. Laube 1834b  Laube, Heinrich: Fürst Pückler. In: Zeitung für die elegante Welt Nr. 51 vom 13. März 1834, S. 201204. Laube 1835  Laube, Heinrich: Fürst Pückler. In: ders.: Moderne Charakteris­ tiken. Bd. 2. Mannheim: Löwenthals Verlagsbuchhandlung 1835, S. 305 – 319. Laube 1840  Laube, Heinrich: Geschichte der deutschen Literatur. 4. Band. Stuttgart: Hallberger 1840.

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Laudel 1998  Laudel, Heidrun: Der Begriff des Organischen bei Semper und Pückler. In: Stilstreit und Einheitskunstwerk. Internationales Historismus-Symposium Bad Muskau 1997. Hg. v. ders. und Cornelia Wenzel. Dresden: Verlag der Kunst 1998, S. 134 – 151. Lempa 1993  Lempa, Heikki: Bildung der Triebe. Der deutsche Philanthropismus (1768 – 1788). Turku: Turun Yliopisto 1993. Leonardy 2000  Leonardy, Ernst: Schule geselliger Empfindung. Goethes Epigramme für den Weimarer und Tiefurter Park. In: Spuren, Signaturen, Spiegelungen. Hg v. Bernhard Beutler und Anke Bosse. Köln: Böhlau 2000, S.  93 – 111. Leonhardi 1806  Leonhardi, Friedrich Gottlob: Erdbeschreibung der Churfürst­ lich- und Herzog­lich-Säch­sischen Lande. 4. Bd. Leipzig: Barth 1806. Leschke 2010  Leschke, Rainer: Mediale Konstellationen und mechanische Bräute. Überlegungen zur Konzeption von Kommunikationsgeschichte. In: Randgänge der Mediengeschichte. Hg. v. Matthias Buch, Florian H ­ artling und Sebastian Pfau. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S.  29 – 46. Lewald 1836  Lewald, August: Pariser Tabletten. In: Europa. Chronik der gebildeten Welt 2 (1836), S. 289 – 311. Lewald 1886  Lewald, Fanny: Erinnerungen an Fürst Hermann von Pückler-­ Muskau und Bruchstücke aus seinen Briefen (1886). In: Dies.: Fanny Lewald: Zwölf Bilder nach dem Leben. Erinnerungen. Berlin: Otto Janke 1888, S.  282 – 330. Liebusch 1860  Liebusch, Georg: Sagen und Bilder aus Muskau und dem Parke. Muskau: o. V. 1860. Lieven 1995  Lieven, Dominic: Abschied von Macht und Würden. Der europäische Adel 1815 – 1914. Frankfurt a. M.: S. Fischer 1995. Linke 2004  Linke, Angelika: Das Unbeschreib­liche. Zur Sozialsemiotik adeligen Körperverhaltens im 18. und 19. Jahrhundert. In: Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. v. Eckart Conze und Monika Wienfort. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2004, S.  247 – 268. Löchte 2005  Löchte, Anne: Johann Gottfried Herder. Kulturtheorie und Humanitätsidee der Ideen, Humanitätsbriefe und Adrastea. Würzburg: Königshausen & Neumann 2005. Loeffler 1859  Loeffler, Ludwig: Im Spreewalde, Branitz und Muskau. In: Die Gartenlaube 7 (1859), S. 623 f. Lott 1994  Lott, Kirsten: Der Obstbau im Gartenreich. Einführung in die Geschichte der frühen Obstpflanzungen. In: Das Gartenreich an Elbe und

Verwendete Literatur

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Mulde. Aussstellungskatalog der Staat­lichen Schlösser und Gärten Sachsen-­ Anhalt 1994. Hg. v. Thomas Weiss. Wörlitz: Staat­liche Schlösser und Gärten 1994, S.  55 – 65. Louise 2007  Die Englandreise der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau im Jahr 1775. Hg. v. Johanna Geyer-Kordesch. Berlin: Nicolai 2007. Louise 2010a  Der Alltag der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau. Ihre Tagebuch-Aufzeichnungen 1756 – 1805, zusammengefasst von Friedrich ­Matthisson. Hg. v. d. Kulturstiftung DessauWörlitz. München: Deutscher Kunst­verlag 2010. Louise 2010b  Die originalen Tagebücher der Fürstin Louise Henriette ­Wilhelmine von Anhalt-Dessau. Hg. v. Thomas Weiss, Ingo Pfeifer, Uwe Quilitzsch und Kristina Schlansky. Bd. 1 (1795 – 1799). Halle: Mitteldeutscher Verlag 2010. Luhmann 1993  Luhmann, Niklas: Theoriesubstitution in der Erziehungswissenschaft. Von der Philanthropie zum Neuhumanismus. In: ders.: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft. Bd. 2. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1993, S. 105 – 194. Luserke 1997  Luserke, Matthias: Sturm und Drang. Autoren – Texte – ­Themen. Stuttgart: Reclam 1997. Lyncker 1912  Lyncker, Karl Freiherr von: Am Weimarischen Hofe unter ­Amalien und Karl August. Erinnerungen. Hg. v. Marie Scheller. Berlin: Mittler und Sohn 1912. Machlitt 1974  Machlitt, Ulla: Johann Bernhard Basedow und die Gründung des Dessauer Philanthropinums 1774. In: Dessauer Kalender 18 (1974), S. 25 – 38. Maier-Solgk 2000  Maier-Solgk, Frank: Landschaftsgärten in Deutschland. Frechen: Komet 2000. Mainzer 1989  Mainzer, Klaus: Von der Naturphilosophie zur Naturwissenschaft. Zum Wandel des neuzeit­lichen Naturbegriffs. In: Vom Wandel des neuzeit­lichen Naturbegriffs. Hg. v. Heinz-Dieter Weber. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz 1989, S. 11 – 31. Marburg/Matzerath 2001  Marburg, Silke; Matzerath, Josef: Vom Stand zur Erinnerungsgruppe. Zur Adelsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. In: Der Schritt in die Moderne. Säch­sischer Adel zwischen 1763 und 1918. Hg. v. dens. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2001, S. 5 – 15. Marx 2010  Marx, Reiner: Hermann Fürst von Pückler-Muskau. In: Killy Literaturlexikon. Hg. v. Wilhelm Kühlmann. Bd. 9. 2. Auflage Berlin, New York: de Gruyter 2010, S. 348 f. Matsche-von Wicht 1979  Matsche-von Wicht, Betka: Das Grabmal im Landschaftsgarten. In: Wie die Alten den Tod gebildet. Wandlungen der

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Sepulkralkultur 1750 – 1850. Katalog zur Ausstellung in Bonn 1979. Hg. v. Hans-Kurt Boehlke, Zentralinstitut für Sepulkralkultur Kassel. Mainz: v. Hase u. Koehler 1979, S. 45 – 56. Matthisson 1802  Matthisson, Friedrich von: Briefe. Zürich: Orell, Füssli und Comp. 1802. Matthisson 1814  Matthisson, Friedrich von: Wörlitzer Blätter (1805 und 1806). In: Morgenblatt für gebildete Stände Nr. 54 – 57 und 74 – 80 vom 4., 5., 7., 8., 28., 29., 31. März und 1., 2., 4. April 1814, S. 215 f., 218 f., 223, 225 – 227, 293 f., 297 f., 306 – 308, 309, 313 f., 318 f. Matzerath 1996  Matzerath, Josef: Adelsrecht und Ständegesellschaft im Kursachsen des 18. Jahrhunderts. In: Sachsen 1763 – 1832. Zwischen Rétablissement und bürger­lichen Reformen. Hg. v. Uwe Schirmer. Beucha: Sax-Verlag 1996, S.  24 – 39. Maurer 1996  Maurer, Michael: Die Biographie des Bürgers. Lebensformen und Denkweisen in der formativen Phase des deutschen Bürgertums (1680 – 1815). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. Maurer 1999  Maurer, Michael: Goethe als Prototyp. Zur ­sozialen Einordnung eines Bürgers von Adel. In: Goethe im s­ ozialen und kulturellen Gefüge s­ einer Zeit. Hg. v. Jürgen Voss. Bonn: Bouvier 1999, S. 17 – 40. Mecklenburg-Schwerin 1796  Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Ludwig, Erbprinz von: Tagebuch [1796]. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2006/3, Sp. 488 – 495. Meinecke 1781  Meinecke, Johann Christoph: Sendschreiben von einer kleinen, in die Fürstl. Anhaltischen Gegenden, gethanen Reise. In: Neueste Mannigfaltigkeiten 4 (1781), S. 641 – 652. Meise 2005  Meise, Helga: Lesen und Schreiben als Kulturkonflikt. Adelige Lese- und Schreibpraktiken im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Akten des XI. Internationalen Germanistenkongresses Paris 2005: ‚Germanistik im Konflikt der Kulturen’. Hg. v. Jean-Marie Valentin. Bd. 7: Bild, Rede, Schrift. Hg. v. Michael Curschmann und Wolfgang Harms. Bern, Berlin, Brüssel u.a.: Lang 2008, S. 193-198. Melville/Vorländer (Hg.) 2002  Melville, Gert; Vorländer, Hans (Hg.): Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2002. Melzer 2003  Melzer, Reinhard: Anhalt-Dessau und das oranische Erbe. In: Oranienbaum. Huis van Oranje. Wiedererweckung eines anhaltischen Fürstenhauses. Katalog zur Ausstellung vom 14.6. bis 24.8.2003 in Oranien­baum (Landesausstellung Sachsen-Anhalt). Hg. v. Thomas Weiss. Dessau: Kulturstiftung DessauWörlitz 2003, S. 174 – 183.

Verwendete Literatur

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Mende 2007  Mende, Bernd: In steinerne Tafeln eingegraben. Parkinschriften in Tiefurt und Weimar aus denkmalpflegerischer Sicht. In: Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar. Hg. v. Hellmut Th. Seemann. Göttingen: Wallstein Verlag 2007, S. 311 – 325. Menzel 1830  Menzel, Wolfgang: Rezension der Briefe eines Verstorbenen (3. und 4. Band). In: Literatur-Blatt des Morgenblattes für gebildete Stände Nr. 94 vom 13. September 1830. Menzel 1836  Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. 1. Teil. 2. Aufl. Stuttgart: Hallberger 1836. Merck 2007/1 – 5  Merck, Johann Heinrich: Briefwechsel. Hg. v. Ulrike ­Leuschner, Julia Bohnengel, Yvonne Hoffmann und Amélie Krebs. 5 Bde. Göttingen: Wallstein 2007. Meyer 1859  Meyer’s neues Konversations-Lexikon. Bd. 12. Hildburghausen, New York: Bibliographisches Institut 1859. Mittelstädt 2013a  Mittelstädt, Ina: Idylle als Politik. Wörlitz und Puławy – Hochadelige Gartenkunst in Mitteleuropa um 1800. In: Adel in Schlesien und Mitteleuropa. Literatur und Kultur von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Walter Schmitz in Verbindung mit Jens Stüben und Matthias Weber. München: Oldenbourg 2013, S. 181 – 217. Mittelstädt 2013b  Mittelstädt, Ina: Der Landschaftsgarten als Herrschaftsraum – Aufklärung und staat­liche Ordnung in Wörlitz. In: Räume der Macht. Metamorphosen von Stadt und Garten im Europa der Frühen Neuzeit. Hg. v. Anna Ananieva. Bielefeld: transcript 2013, S. 251 – 279. Mix 2004  Mix, York-Gothart: Literatur als Lebensführungsmacht. Die litera­ turbegeisterte Frau am Hofe zwischen ­sozialem Distinktionsbedürfnis und empfindsamem Eskapismus. In: Das achtzehnte Jahrhundert 28 (2004) H. 2, S. 181 – 189. Mletzko 1914  Mletzko, Georg: Die Deutsche Landschaft bei dem Fürsten Pückler-Muskau. Diss. phil. Universität Greifswald 1914. Möller 1995  Möller, Horst: Europäische Kultur im Fürstentum Anhalt-Dessau. Fürst Franz und die Wörlitzer Anlagen. In: Europa im Umbruch 1750 – 1850. Hg. v. Dieter Albrecht, Karl Otmar Freiherr von Aretin und Winfried Schulze München: Oldenbourg 1995, S. 229 – 240. Moravia 1978  Moravia, Sergio: From Homme Machine to Homme Sensible. Changing Eigtheenth-Century Models of Man’s Image. In: Journal of the History of Ideas 39 (1978) Nr. 1, S. 45 – 60. Morgenstern 1800  Morgenstern, Karl Simon: Tagebücher [1800]. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2006/3, Sp. 661 – 674.

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Morton 2004  Morton, Michael: Lessing’s and Herder’s Wie die Alten den Tod gebildet. A critical analysis of the arguments. In: Lessing Yearbook 35 (2004), S.  137 – 167. Müller 1912  Müller, Hans von: E. T. A. Hoffmann im persön­lichen und brief­ lichen Verkehr. Sein Briefwechsel und die Erinnerung seiner Bekannten. 2. Bd., 3. Heft. Berlin: Paetel 1912. Müller 1984  Müller, Michael G.: Die Teilungen Polens 1772, 1793, 1795. München: C. H. Beck 1984. Müller 1998  Müller, Adelheid: Reisende der Grand Tour in den Sammlungen Roms – Winckelmann als Cicerone. In: Römische Antikensammlungen im 18. Jahrhundert. Hg. im Auftrag der Winckelmann-Gesellschaft v. Max Kunze. Katalog zu den Ausstellungen in Wörlitz und Stendal 1998. Mainz: Zabern 1998, S. 155 – 163. Müller 2000  Müller, Ulrich: Friedrich Justin Bertuch und die landschaft­liche Gartenkunst. In: Friedrich Justin Bertuch (1747 – 1822). Verleger, Schriftsteller und Unternehmer im klas­sischen Weimar. Hg. v. Gerhard R. Kaiser und Siegfried Seifert. Tübingen: Niemeyer 2000, S. 607 – 627. Müller 2003  Müller, Matthias: Am Ende verstellten Bäume den Blick des Herrschers. Schloss und Garten als Spiegelbild des klugen Regenten in der Frühen Neuzeit. In: Fürst­liche Garten(t)räume. Schlösser und Gärten in Mecklenburg und Vorpommern. Hg. v. Melanie Ehler. Berlin: Lukas 2003, S.  15 – 32. Müller 2007  Müller, Gerhard: Goethe und Carl August. Freundschaft und Politik. In: Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Hg. v. ­Hellmut Th. Seemann. Göttingen: Wallstein-Verl. 2007, S. 132 – 164. Müller 2008  Müller, Gerhard: Kultur als Politik in Sachsen-Weimar-Eisenach. In: Ereignis Weimar-Jena. Gesellschaft und Kultur um 1800 im internationalen Kontext. Hg. v. Lothar Ehr­lich und Georg Schmidt. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2008, S. 67 – 84. Müller 2009  Müller, Gerhard: Weimar – Goethes politisches Projekt. In: Goethe-Jahrbuch 126 (2009), S. 65 – 78. Müller-Wolff 2007  Müller-Wolff, Susanne: Ein Landschaftsgarten im Ilmtal. Die Geschichte des herzog­lichen Parks in Weimar. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2007. Müller-Wolff 2011  Müller-Wolff, Susanne: „von der Kunst zur Natur, von der Natur zur Kunst zurück“. Goethe als Gartenkünstler und Kritiker der Garten­kunst. In: Goethe-Jahrbuch 128 (2011), S. 159 – 169.

Verwendete Literatur

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Münch 1982  Münch, Paul: Die ‚Obrigkeit im Vaterstand‘. Zu Definition und Kritik des ‚Landesvaters‘ in der Frühen Neuzeit. In: Daphnis 11 (1982) H. 1, S. 15 – 40. Mundt 1835  Mundt, Theodor: Feuilleton. In: Literarischer Zodiacus 1 (1835) Bd. 2, S. 381. Mundt 1837  Mundt, Theodor: Fürst Pückler. In: Deutsches Taschenbuch auf das Jahr 1837. Hg. v. Karl Blüchner. Berlin: Duncker & Humblot 1837, S. 1 – 63. Nelle 2005  Nelle, Florian: Künst­liche Paradiese. Vom Barocktheater zum Filmpalast. Würzburg: Königshausen & Neumann 2005. Neubert 1851  Neubert, Wilhelm: Geschichte und Literatur der Gartenkunst vom Anfang bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. In: Deutsches Magazin für Garten- und Blumenkunde (1851), S.  209 – 215, 241 – 248, 257 – 261, 273 – 276, 289 – 293, 305 – 307. Neumann 1834  Neumann, Wilhelm: Rezension der Tutti Frutti. In: Jahr­ bücher für wissenschaft­liche Kritik 9 (1834) Nr. 83, Sp. 701 – 704 und Nr. 84, Sp.  705 – 710. Niedermeier 1992  Niedermeier, Michael: Das Ende der Idylle. Symbolik, Zeitbezug, ‚Gartenrevolution‘ in Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“. Berlin, Bern u. a.: Lang 1992. Niedermeier 1993  Niedermeier, Michael: Goethe und die ‚Revolution‘ in der Gartenkunst seiner Zeit. In: Gärten der Goethezeit. Hg. v. Harri Günther. Leipzig: Edition Leipzig 1993, S. 9 – 27. Niedermeier 1995a  Niedermeier, Michael: Erotik in der Gartenkunst. Eine Kulturgeschichte der Liebesgärten. Leipzig: Ed. Leipzig 1995. Niedermeier 1995b  Niedermeier, Michael: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz als kulturelles und literarisches Zentrum um 1780. Dessau: Stadt Dessau 1995. Niedermeier 1995c  Niedermeier, Michael: Mitteldeutsche Aufklärer und elsäs­sische ‚Genies‘ im Kampf um das pädago­gische Musterinstitut des Philanthropismus in Dessau. In: Lenz-Jahrbuch 5 (1995), S. 92 – 117. Niedermeier 1996  Niedermeier, Michael: Aufklärung im Gartenreich Dessau-­ Wörlitz. In: Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft. Hg. v. FrankAndreas Bechtoldt und Thomas Weiss. Ostfildern: Hatje 1996, S. 51 – 66. Niedermeier 2001a  Niedermeier, Michael: „Die ganze Erde wird zu einem Garten“. Gedächtniskonstruktionen im frühen deutschen Landschafts­garten zwischen Aufklärung und Geheimnis. In: Weimar – Archäologie eines Ortes. Im Auftr. der Stiftung Weimarer Klassik hg. v. Georg Bollenbeck, Jochen Golz, Michael Knoche und Ulrike Steierwald. Weimar: Hermann Böhlaus Nachf. 2001, S. 120 – 175.

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Niedermeier 2001b  Niedermeier, Michael: Nütz­lichkeit und Mysterien der Mutter Natur. Pädago­gische Gärten der Philanthropen. In: Der imaginierte Garten. Hg. v. Günter Oesterle und Harald Tausch. Göttingen: ­Vandenhoeck & Ruprecht 2001, S. 155 – 198. Niedermeier 2002  Niedermeier, Michael: Germanen in den Gärten. „Altdeutsche Heldengräber“, „gotische“ Denkmäler und die patriotische Gedächtniskultur. In: Jost Hermand, Michael Niedermeier: Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der „alten Freiheit“ der Germanen. 1750 – 1820. Frankfurt a. M., Berlin, Bern u. a.: Peter Lang 2002, S. 21 – 116. Niedermeier 2003  Niedermeier, Michael: Wir waren vor den H ­ ohenzollern da. Zur politischen Ikonographie des frühen Landschaftsgartens. Mit einem Seiten­blick auf Fontanes Roman „Vor dem Sturm“. In: Gehäuse der Mnemosyne. Architektur als Schriftform der Erinnerung. Hg. v. Harald Tausch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003, S. 171 – 207. Niedermeier 2008a  Niedermeier, Michael: Arkadien als Alternative. Wörlitz und die arkadische Parthie im Kontext europäischer Gartenentwicklung. In: „…Mittelpunkt des Einfachen und Erhabenen…“ Neue Beiträge zum Dessau-­ Wörlitzer Kulturkreis. Hg. v. Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. in Verb. mit d. Kommission zur Erforschung und Pflege des Dessau-­Wörlitzer Kulturkreises. Sandersdorf: edition scriptum 2008, S. 131 – 152. Niedermeier 2008b  Niedermeier, Michael: Das Verhältnis zwischen Preußen und Anhalt-Dessau und die politische Zwangsheirat zwischen Fürst Franz und Louise von Brandenburg-Schwedt. In: Das Leben des Fürsten. Studien zur Biografie von Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 – 1817). Hg. v. Holger Zaunstöck. Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag 2008, S. 63 – 81. Niedermeier 2012  Niedermeier, Michael: Semantik. Ikonographische Gartenprogramme. In: Gartenkunst in Deutschland. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Stefan Schweizer und Sascha Winter. Regensburg: Schnell + Steiner 2012, S. 327 – 352. Niethammer 1808  Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena: Frommann 1808. Noback/Noback 1849  Noback, Christian; Noback, Friedrich: Vollständiges Taschenbuch der Münz-, Maaß- und Gewichtsverhältnisse. Leipzig: ­Brockhaus 1849. Oesterle 2008  Oesterle, Günter: Zwischen Dilettantismus und Professionalität. Goethes Gartenkunst. In: Goethe-Jahrbuch 125 (2008), S. 147 – 155. Ohff 2012  Ohff, Heinz: Der grüne Fürst. Das abenteuer­liche Leben des ­Hermann Pückler-Muskau. 13. Aufl. München: Piper 2012.

Verwendete Literatur

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Ort/Lukas 2012  Ort, Claus-Michael; Lukas, Wolfgang: Literarische Anthropologie der ‚Goethezeit‘ als Problem- und Wissensgeschichte. In: Michael Titzmann: Anthropologie der Goethezeit. Studien zur Literatur und Wissensgeschichte. Hg. v. Claus-Michael Ort und Wolfgang Lukas. Berlin, Boston: de Gruyter 2012, S. 1 – 31. Overhoff 2004  Overhoff, Jürgen: Die Frühgeschichte des Philanthropismus (1715 – 1771). Konstitutionsbedingungen, P ­ raxisfelder und Wirkung eines pädago­gischen Reformprogramms der Aufklärung. Tübingen: Niemeyer 2004. Panning 2006  Panning, Cord: Muskau – Naturmalerei an der Neiße. In: Fürst Pückler. Parkomanie in Muskau und Branitz. Ein Führer durch seine Anlagen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Hg. v. d. Stiftung FürstPückler-Park Bad Muskau. Hamburg: L & H Verlag 2006, S. 31 – 89. Panofsky 1998  Panofsky, Erwin: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst. In: ders.: Deutschsprachige Aufsätze. Bd. II. Hg v. Karen Michels und Martin Warnke. Berlin: Akademie-­Verlag 1998 (Studien aus dem Warburg-Haus, 1), S. 1064 – 1077. Panofsky 2006  Panofsky, Erwin: Ikonographie und Ikonologie [1955]. In: ders.: Ikonographie & Ikonologie. Bildinterpretation nach dem Dreistufenmodell. Köln: Dumont 2006, S. 33 – 59. Parshall 2004  Parshall, Linda: Landscape as history. Pückler-Muskau, the „Green Prince“ of Germany. In: Nature in German history. Hg. v. Christof Mauch. New York: Berghahn 2004, S. 48 – 73. Petzold 1856  Petzold, Eduard: Der Park von Muskau. Hoyerswerda: Erbe 1856. Petzold 1874  Petzold, Eduard: Fürst Hermann von Pückler-Muskau in seinem Wirken in Muskau und Branitz, sowie in seiner Bedeutung für die bildende Gartenkunst Deutschlands. Eine aus persön­lichem und brief­lichem Verkehr mit dem Fürsten hervorgegangene biographische Skizze. Leipzig: Weber 1874. Pfeifer 1999  Pfeifer, Ingo: Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach und Franz von Anhalt-Dessau – Splitter zu einer politischen Freundschaft. In: Dessau und Weimar. Zum 250. Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe. Ausstellung im Floratempel der Wörlitzer Anlagen, 28. August bis 31. Oktober 1999. Hg. v. Thomas Weiss. Wörlitz: Kulturstiftung Dessau-­ Wörlitz 1999, S. 43 – 49. Pfeifer 2009  Pfeifer, Ingo: Louise von Anhalt-Dessau. Eine Frau zwischen Empfindsamkeit und Selbstständigkeit. In: Frauen im 18. Jahrhundert. Entdeckungen zu Lebensbildern in Museen und Archiven in Sachsen-Anhalt. Hg. v. Thomas Weiss unter Mitarbeit von Katrin Dziekan und Ingo Pfeifer. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2009, S. 326 – 335.

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Anhang

Pfeifer/Kansteiner 2007  Pfeifer, Ingo; Kansteiner, Sascha: Das Pantheon im Dessau-Wörlitzer Gartenreich. München: Deutscher Kunstverlag 2007. Philanthropisches Archiv 1776  Von der täg­lichen Aufsicht im Philanthropin und den Sitten unserer Zöglinge. In: Philanthropisches Archiv 1 (1776) H. 3, S. 114 – 140. Philanthropisches Archiv 1776a  Verbrüderung der ersten Viermänner. In: Philanthropisches Archiv 1 (1776) H. 1, S. 9 – 14. Philanthropisches Archiv 1776b  Grundsätze im Philanthropin. In: Philan­ thropisches Archiv 1 (1776) H. 1, S. 14 – 37. Philanthropisches Archiv 1776c  Von Freyheit und Zwang in dem Philan­ thropin. In: Philanthropisches Archiv 1 (1776) H. 1, S. 52 – 54. Philanthropisches Archiv 1776d  Von Methoden und Büchern eines Philan­ thropins. In: Philanthropisches Archiv 1 (1776) H. 1, 59 – 73. Philanthropisches Archiv 1776e  Von dem Landesvater und Orte des Dessau­ ischen Philanthropins. In: Philanthropisches Archiv 1 (1776) H. 1, S. 100 – 107. Philipp 1997  Philipp, Klaus-Jan: Um 1800. Architekturtheorie und Architekturkritik in Deutschland. Stuttgart, London: Edition Menges 1997. Pickett 1985  Pickett, Terry H.: The Unseasonable Democrat. K. A. Varnhagen von Ense. Bonn: Bouvier 1985. Pieper 1990  Pieper, Jan: Semilassos letzter Weltgang. Der Totenhain des Fürsten Pückler-Muskau in Branitz. In: Daidalos 38 (1990), S. 60 – 79. Plake 1991  Plake, Klaus: Reformpädagogik. Wissenssoziologie eines Paradigmenwechsels. Münster, New York: Waxmann 1991. Plutarch 1777/1778  Plutarch: Biographien. Übersetzt von Gottlob Benedict von Schirach. Erster und Vierter Theil. Berlin und Leipzig: Decker 1777 und 1778. Poppenberg 1904  Poppenberg, Felix: Mein Fürst (1904). In: ders.: Maskenzüge. Berlin: Erich Reiss Verlag 1912, S. 38 – 70. Pöthe/Jonscher 1994  Pöthe, Angelika; Jonscher, Reinhard: Carl August – Herzog bzw. Großherzog von Sachsen-Weimar und Eisenach. In: Herrscher und Mäzene. Thüringer Fürsten von Hermenefred bis Georg II. Hg. v. Detlef Ignasiak. Rudolstadt u. a.: Hain-Verl. 1994, S. 333 – 365. Press 1988  Press, Volker: Adel im 19. Jahrhundert. Die Führungsschichten Alteuropas im bürger­lich-bürokratischen Zeitalter. In: Der Adel an der Schwelle des bürger­lichen Zeitalters 1780 – 1860. Hg. v. Armgard von Reden-Dohna und Ralph Melville. Stuttgart: Steiner 1988, S. 1 – 19. Pröhle 1893  Pröhle, Heinrich: Christian Wilhelm Spieker. In: ADB 35 (1893), S.  162 – 164.

Verwendete Literatur

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Pückler 1831/1 – 4  Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. 4 Bde. 2. Aufl. Stuttgart: Hallberger 1831. Pückler 1834a  Pückler-Muskau, Hermann von: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei verbunden mit ihrer praktischen Anwendung in Muskau. Stuttgart: Hallberger 1834. Pückler 1834b  Pückler-Muskau, Hermann von: Tutti Frutti. Aus den Papieren des Verstorbenen. Bd. 1. Stuttgart: Hallberger 1834. Pückler 1873 – 1876/1 – 9  Pückler-Muskau, Hermann von: Briefwechsel und Tagebücher. Hg. v. Ludmilla Assing. 9 Bände. Hamburg: Hoffmann & Campe 1873 (Bd. 1 und 2) und Berlin: Wedekind & Schwieger 1873 – 1876 (Bde. 3 – 9). Pückler 1910  Lebenskunst. Erster Band: Ironie des Lebens. Aus Schriften und Briefen des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau. Hg. von Heinrich ­Conrad. München: Georg Müller 1910. Pückler/Arnim 2001  „Die Leidenschaft ist der Schlüssel zur Welt“. Briefwechsel zwischen Bettine von Arnim und Hermann von Pückler-Muskau. Hg. v. Enid Gajek und Bernhard Gajek. Stuttgart: Cotta 2001. Puppi 1993  Puppi, Lionello: Kunst und Natur. Der italienische Garten des 16. Jahrhunderts. In: Die Gartenkunst des Abendlandes. Von der Renaissance bis zur Gegenwart. Hg. v. Monique Mosser und Georges Teyssot. Stuttgart: DVA 1993, S. 43 – 54. Quabius 1976  Quabius, Richard: Generationsverhältnisse im Sturm und Drang. Köln, Wien: Böhlau 1976. Racknitz 1793  Racknitz, Joseph Friedrich Freiherr von: Gedanken über die ehemals regelmäßigen Franzö­sischen, und die itzt sogenannten Eng­lischen Gärten. In: Berlinische Monatsschrift 11 (1793) H. 1, S. 62 – 78. Zit. nach: Deutschsprachige Quellen zum Landschaft­lichen Garten im 18. Jahrhundert. Hg. v. Julia Burbulla und Susanne Karn. E-Book des Institutes GTLA. Rapperswil: Hochschule für Technik 2011. Abrufbar auf: http://www.gtla. hsr.ch/Quellen-zur-Gartenkultur-und.5075.0.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012), S.  92 – 95. Rampenthal 2007  Rampenthal, Carolin: Der Eng­lische Landschaftsgarten: Funktionen im Verlauf seiner Entwicklung ausgeführt am Beispiel des Muskauer Parks. Saarbrücken: VDM Verl. Müller 2007. Rebmann 1795  Anselmus Rabiosus der Jüngere [Georg Friedrich Rebmann]: Wanderungen und Kreuzzüge durch einen Theil Deutschlands. Altona: Verlagsgesellschaft 1795. Redslob 1932  Redslob, Edwin: Gartenkunst, ein Grundmotiv in Goethes Leben und Schaffen. In: Die Gartenkunst 45 (1932), S. 33 – 35.

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Reiche 1783  Reiche, Carl Christoph: Getreue Darstellung der Umstände, unter ­welchen Herr Joh. Bernh. Basedow … Schläge bekommen und seinen Rock verloren, auch mit Herrn Dir. Chr. Heinr. Wolke einen schänd­lichen Prozeß angehoben hat. Dessau: Buchhandlung der Gelehrten 1783. Reif 1994  Reif, Heinz: Adelserneuerung und Adelsreform in Deutschland 1815 – 1874. In: Adel und Bürgertum in Deutschland 1770 – 1848. Hg. v. ­Elisabeth Fehrenbach. München: Oldenbourg 1994, S. 203 – 230. Reif 1995  Reif, Heinz: Friedrich Wilhelm IV. und der Adel. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43 (1995), S. 1097 – 1111. Reif 2011  Reif, Heinz: Der Adel im ‚langen 19. Jahrhundert‘. Alte und neue Wege der Adelsforschung. In: Hochkultur als Herrschaftselement. Italienischer und deutscher Adel im langen 19. Jahrhundert. Hg. v. Gabriele B. Clemens, Malte König und Marco Meriggi. Berlin, Boston: de Gruyter 2011, S. 19 – 38. Reif 2012  Reif, Heinz: Adel im 19. und 20. Jahrhundert. München: Oldenbourg 2012 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 55). Reil 1845  Reil, Friedrich: Leopold Friedrich Franz, Herzog und Fürst von Anhalt-Dessau, nach Seinem Wirken und Wesen. Dessau: Karl Aue 1845. Reimann 1999  Reimann, Christian: Zur Beschwörung des Altertums in Wörlitz. Mythos, Vision und Tatsachen. In: Gartenkunst 11 (1999), S. 308 – 314. Reimann 2004  Reimann, Christian: Vom Sinngehalt der Bibliothek im fürst­ lichen Landhaus zu Wörlitz. Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2004. Reimann 2010a  Reimann, Christian: Der Ätna, die Domus Augusti und der Wörlitzer See. In: Die Gartenkunst 22 (2010), S. 123 – 149. Reimann 2010b  Reimann, Christian: Armidas Reich in den Wörlitzer Anlagen. In: Die Gartenkunst 22 (2010), S. 223 – 246. Reinalter 2005  Reinalter, Helmut: Herrscherverständnis. In: ders.: Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher – Denker – Sach­ begriffe. Wien u. a.: Böhlau 2005, S. 303 f. Reveillé-Paris 1835  Reveillé-Paris, Joseph Henri: Lebenskunst für geistig beschäftigte Menschen: oder Untersuchungen über den gesunden und kranken Zustand so wie über die in beiden zweckmässigste Lebens- und Behandlungsweise der Gelehrten, Künstler, Staatsmänner und aller, die geistig wirken. Deutsch von Moritz Ka­lisch. Berlin: Hirschwald 1835. Richardson 2007  Richardson, Tim: The Arcadian Friends. Inventing the English Landscape Garden. London, Toronto u. a.: Bantam Press 2007. Richter 2005  Richter, Dieter: Der Vesuv von Wörlitz. In: Der Vulkan im Wörlitzer Park. Hg. v. d. Kulturstiftung DessauWörlitz. Berlin: Nicolai 2005, S. 21 – 32. Riedel 1972  Riedel, Manfred: Bürger­liche Gesellschaft. In: Geschicht­ liche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-­sozialen Sprache

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in Deutschland. Hg. v. Otto Brunner. Bd. 1. Stuttgart: Klett-Cotta 1972, S.  719 – 800. Riedel 1994  Riedel, Wolfgang: Anthropologie und Literatur in der deutschen Spätaufklärung. Skizze einer Forschungslandschaft. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte (1994) 6. Sonderheft, S. 93 – 155. Riederer 1998  Riederer, Barbara: Der Landschaftsgarten oder Die Entstehung der Zeit aus dem Raum. Heidelberg: Manitius 1998. Riem 1797  Riem, Andreas R.: Reisen durch Deutschland, Frankreich, England und Holland in verschiedener, besonders in politischer Hinsicht. Erster Band. Eigenverlag 1797. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2006/3, Sp. 516. Ries 2007  Ries, Klaus: Kultur als Politik. Das ‚Ereignis Weimar-Jena‘ und die Mög­lichkeiten und Grenzen einer ‚Kulturgeschichte des Politischen‘. In: Historische Zeitschrift 285 (2007), S. 303 – 354. Riesbeck 1784  [Riesbeck, Johann Kaspar:] Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland an seinen Bruder zu Paris [1784]. In: Carl Augusts Begegnungen mit Zeitgenossen. Ein Bild seiner Persön­lichkeit in Briefen und Berichten, Tagebuchaufzeichnungen und Selbstzeugnissen. Hg. v. Alfred Bergmann. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1933, S. 35. Rimbach 2006  Rimbach, Daniel: Gärten als Wirtschaftsfaktor. In: Heimat Thüringen 13 (2006) H. 2 – 3, S. 6 – 9. Rippl 1986  Rippl, Helmut: Pücklers Arbeiten in Muskau. In: Fürst Hermann von Pückler-Muskau 1785 – 1985. Festansprache und Vorträge anläss­lich der Pücklerehrung. Hg. v. Detlef Karg für den Niederlausitzer Arbeitskreis für regionale Forschung beim Rat des Bezirkes Cottbus und das Stadtmuseum Cottbus. Cottbus: o. V. 1986, S. 27 – 38. Rippl 1995a  Rippl, Helmut: Chronolo­gische Fakten zum Muskauer Park. In: Der Parkschöpfer Pückler-Muskau. Das gartenkünstlerische Erbe des Fürsten Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau. Hg. v. Helmut Rippl. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1995, S. 229 – 239. Rippl 1995b  Rippl, Helmut: Die im Park Branitz verborgene Weltsicht ­Pücklers – ein dynamisches Gesellschaftsmodell. In: Der Parkschöpfer Pückler-Muskau. Das gartenkünstlerische Erbe des Fürsten Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau. Hg. v. Helmut Rippl. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1995, S. 23 – 29. Rippmann 1994  Rippmann, Inge: Fürst Pückler. Ein Physiognomist zwischen Ancien régime und Jungem Deutschland. In: Physiognomie und Pathognomie. Zur literarischen Darstellung von Individualität. Festschrift für Karl Pestalozzi zum 65. Geburtstag. Hg. v. Wolfram Groddeck und Ulrich Stadler. Berlin, New York: de Gruyter 1994, S. 265 – 282.

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Anhang

Rippmann 1995  Rippmann, Inge: Tradition und Fortschritt. Das frühindus­ trielle England aus der Perspektive eines aristokratischen Individualisten, Fürst Pückler-Muskau. In: Recherches germaniques (1995), S. 159 – 179. Ritter 2004  Ritter, Henning: Die Krise des Helden. Der Ruhm und die großen Männer im Ancien Régime. In: Politische Kunst. Gebärden und Gebaren. Hg. v. Martin Warnke. Berlin: Akademie-Verlag 2004, S. 1 – 15. Rode 1788  Rode, August: Beschreibung des Fürst­lichen Anhalt-Dessauischen Landhauses und Eng­lischen Gartens zu Wörlitz. Leipzig: Crusius 1788. Rode 1814/18  Rode, August: Beschreibung des Fürst­lichen Anhalt-Dessau­ ischen Landhauses und Eng­lischen Gartens zu Wörlitz. Neue vollständige Ausgabe von 1814 mit Ergänzungen von 1818. Hg. v. Christian Eger. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2008. Roeck 2002  Roeck, Bernd: Macht und Ohnmacht der Bilder. Die histo­ rische Perspektive. In: Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bilder­sturm im Kontext der europäischen Geschichte. Hg. v. Peter Blicke u. a. München: Oldenbourg 2002, S. 33 – 63. Roeck 2004  Roeck, Bernd: Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004. Röhde 1795  Röhde, Johann Justus: Denkschrift auf den Präsidenten der Gesellschaft, Herrn George Alexander Hermann, Reichsgrafen von Callenberg. In: Lausitzisches Magazin 3 (1795) Bd. 2, S. 129 – 159. Rohrschneider 2000  Rohrschneider, Michael: Eine anhaltisch-oranische Eheschließung und ihre Folgewirkungen. Überlegungen zu Dynastie und Politik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts am Beispiel von Anhalt-Dessau. In: Die Niederlande und Deutschland. Aspekte der Beziehungen zweier Länder im 17. und 18. Jahrhundert. Hg. v. der Kulturstiftung DessauWörlitz und der Stiftung Historische Sammlungen des Hauses Oranien-Nassau. Dessau: Kulturstiftung DessauWörlitz 2000, S. 52 – 59. Roscher 2009  Roscher, Astrid: Lucie von Pückler-Muskau – heim­liche Haupt­ akteurin im Schatten des grünen Fürsten? In: Die Gartenkunst 21 (2009), S.  187 – 197. Rousseau 1762  Rousseau, Jean-Jacques: Du contrat social ou principes du droit politique. Amsterdam: Marc-Michel Rey 1762. Rückert 1800  [Rückert, Joseph:] Bemerkungen über Weimar. In: Der Genius der Zeit 7 (1800) H. 5, S. 5 – 28. Rudolph 1972  Rudolph, Gerhard: Heinrich Hubert Houben. In: NDB 9 (1972), S. 658 f.

Verwendete Literatur

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Rüffer 2005  Rüffer, Michael: Das Schloss in Wörlitz. Ein fürst­liches Landhaus im Spannungsfeld zwischen Absolutismus und Aufklärung. München, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2005 (Forschungen zum Gartenreich Dessau-Wörlitz, 2). Ruge 2008  Ruge, Berit: Erkenntnisbilder und Einweihungsmotive im Dessau-­ Wörlitzer Gartenreich. In: Das Leben des Fürsten. Studien zur Biografie von Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 – 1817). Hg. v. Holger Zaunstöck. Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag 2008, S. 211 – 223. Rumohr 1832a/1 – 4  Rumohr, Carl Friedrich von: Deutsche Denkwürdigkeiten. 4 Bde. Berlin: Duncker & Humblot 1832. Rumohr 1832b  Rumohr, Carl Friedrich von: Geist der Kochkunst von Joseph König. 2. Aufl. Berlin: Huncker & Humblot 1832. Russell 1825  Russell, John: Reise durch Deutschland und einige süd­liche Provinzen Oestreichs in den Jahren 1820, 1821 und 1822. Bd. 1. Leipzig: ­Liebeskind 1825. Sammler 2009  Sammler, Ingrid: Höfische Festkultur im Zeitalter Ludwigs XIV. Frankfurt a. M., Berlin u. a.: Lang 2009. Sauder 1974  Sauder, Gerhard: Empfindsamkeit. Bd. 1: Voraussetzungen und Elemente. Stuttgart: Metzler 1974. Sauder 1981  Sauder, Gerhard: „Bürger­liche“ Empfindsamkeit? In: Bürger und Bürger­lichkeit im Zeitalter der Aufklärung. Hg. v. Rudolf Vierhaus. Heidelberg: Lambert Schneider 1981, S. 149 – 164. Sauder 1990  Sauder, Gerhard: Empfindsamkeit – sublimierte Sexualität. In: Empfindsamkeiten. Hg. v. Klaus P. Hansen. Passau: Rothe 1990, S. 167 – 177. Schack von Staffeldt 1796  Schack von Staffeldt, Adolf Wilhelm: [Reisebericht 1796]. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2006/3, Sp. 503 – 512. Schäfer 1996  Schäfer, Anne: Hermann von Pückler-Muskau als Gartentheo­ retiker und Gartengestalter. In: Hermann von Pückler-Muskau: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei. Hg. v. Harri Günther. Stuttgart: DVA 1996, S.  9 – 46. Schäfer 2010  Schäfer, Anne: Die Gärtnerbriefe des Fürsten Pückler in der Sammlung Varnhagen. In: „…ein Kind meiner Zeit, ein ächtes, bin ich…“. Stand und Perspektiven der Forschung zu Fürst Pückler. Hg. v. Christian Friedrich und Ulf Jacob. Berlin: be.bra 2010, S. 105 – 128. Schanze 2002  Schanze, Helmut: Medien. In: Metzler Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft. Hg. v. Helmut Schanze. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 199 – 201. Schauer 1837  Schauer, Conrad: Reisebericht. In: Allgemeine Gartenzeitung Nr. 5, 6 und 7 vom 4., 11. und 18. Februar 1837, S. 34 – 37, 41 – 45, 50 – 55.

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Anhang

Schefer 1811  [Schefer, Leopold:] Gedichte. Hg. vom Grafen Pückler-Muskau. Berlin: Gottfried Hayn 1811. Schefer 1849  Schefer, Leopold: Der Park von Muskau. In: Illustrirte Zeitung Nr. 319 vom 11. August 1849, S. 87 – 90 und Nr. 320 vom 18. August 1849, S.  107 – 109. Schelling 1796  Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Brief an seine Eltern. Wörlitz, 1. Juli 1796 [von seiner Reise als Hofmeister zweier Barone von Riedesel]. Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2006/3, Sp. 495 – 503. Schiller 1794  Schiller, Friedrich: Taschenkalender auf das Jahr 1795 für Naturund Gartenfreunde. In: Allgemeine Literaturzeitung Nr. 332 vom 11. ­Oktober 1794, Sp.  99 – 104. Schiller 2005  Schiller, Friedrich: Was kann eine gute stehende Schaubühne eigent­lich wirken? In: ders.: Sämt­liche Werke. Berliner Ausgabe. Bd. 8: Philo­sophische Schriften. Hg. v. Barthold Petzer. Berlin: Aufbau-Verlag 2005. Schlegel 1963  Schlegel, August Wilhelm: Die Kunstlehre. Hg. v Edgar Lohner. Stuttgart: W. Kohlhammer 1963. Schlenker/Lehmann/Wille 1994  Schlenker, Gerlinde; Lehmann, Gerd; Wille, Manfred: Geschichte in Daten. Anhalt. München, Berlin: Koehler & ­Amelang 1994. Schlippenbach 1816  Schlippenbach, Ulrich Heinrich Gustav von: Erinnerungen von einer Reise nach St. Petersburg im Jahr 1814. Band 1. Mitau: Steffenhagen 1816. Schmid 1979  Schmid, Christoph: Die Mittelalterrezeption des 18. Jahrhunderts zwischen Aufklärung und Romantik. Frankfurt a. M., Bern u. a.: Lang 1979. Schmidt-Funke 2005  Schmidt-Funke, Julia A.: Auf dem Weg in die Bürger­ gesellschaft. Die politische Publizistik des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2005. Schmitt 2007  Schmitt, Hanno: Vernunft und Mensch­lichkeit. Studien zur philanthropistischen Erziehungsbewegung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2007. Schmitz 1974  Schmitz, Victor A.: Dänische Dichter in ihrer Begegnung mit deutscher Klassik und Romantik. Frankfurt a. M.: Klostermann 1974. Schmitz 1984  Schmitz, Walter: Literaturrevolten. Zur Typologie von Generationsgruppen in der deutschen Literaturgeschichte. In: Die Lebensalter in einer neuen Kultur? Zum Verhältnis von Jugend, Erwerbsleben und Alter. Hg. v. Rudolf Walter Leonhardt. Köln: Bachem 1984, S. 144 – 165. Schmitz 2002  Schmitz, Norbert: Repräsentation. In: Metzler Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft. Hg. v. Helmut Schanze. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 311 – 314.

Verwendete Literatur

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Schmitz 2013  Schmitz, Walter: Adel in der Mitte Europas in der Neuzeit. Von der Sozialgeschichte zur Kulturgeschichte. In: Adel in Schlesien und Mittel­europa. Literatur und Kultur von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Walter Schmitz in Verbindung mit Jens Stüben und Matthias Weber. München: Oldenbourg 2013, S. 11 – 51. Schneider 2000  Schneider, Angelika: Friedrich Justin Bertuch – ein Beförderer der Gartenkunst. In: Friedrich Justin Bertuch (1747 – 1822). Verleger, Schriftsteller und Unternehmer im klas­sischen Weimar. Hg. v. Gerhard R. Kaiser und Siegfried Seifert. Tübingen: Niemeyer 2000, S. 629 – 656. Schneider 2004  Schneider, Helmut J.: Dichter, Herrscher, Natur. Die Entstehung des Ilmparks und das Bild des Parks in Goethes Dichtung. In: Goethe Yearbook 12 (2004), S. 93 – 110. Schneider 2012  Schneider, Verena: Geschichtskonstruktionen ‚höherer‘ Garten­kunst. Modelle und Ansätze zur Geschichtsschreibung des Gartens seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Gartenkunst in Deutschland. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Stefan Schweizer und Sascha Winter. Regensburg: Schnell + Steiner 2012, S. 24 – 36. Schöler 1957  Schöler, Walter: Der fortschritt­liche Einfluss des Philanthropismus auf das niedere Schulwesen im Fürstentum Anhalt-Dessau 1785 – 1800. Berlin: Volk und Wissen 1957. Schulz 2009  Schulz, Martin: Die Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft. Paderborn, München: Fink 2009. Schumann 1797  Schumann, Wilhelm: Beschreibung und Gemälde der Her­ zog­lichen Parks bei Weimar und Tiefurt. In: Annalen der Gärtnerey 6 (1797), S.  1 – 62. Schuster 1985  Schuster, Ingrid: Goethe und der ‚chine­sische Geschmack‘. Zum Landschaftsgarten als Abbild der Welt. In: Arcadia 20 (1985) H. 2, S. 164 – 178. Schweighäuser/Simon/Mochel/Ehrmann 1775  [Schweighäuser, Johann; Simon, Johann Friedrich; Mochel, Johann Jakob; Ehrmann, Johann]: Philanthro­pische Aussichten red­licher Jünglinge ihren denkenden und fühlenden Mitmenschen zur Erwegung übergeben durch Isaak Iselin. Basel: bey Johann Schweighauser 1775. Schweinitz (Hg.) 2004  Fürst und Föderalist. Tagebücher einer Reise von Dessau in die Schweiz 1783. Hg. v. Anna-Franziska von Schweinitz. Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2004. Schweizer 2008  Schweizer, Stefan: ‚Funktion‘ und ‚Nutzung‘ als sozial­ geschicht­liche Deutungsperspektive der Gartenkunstgeschichte. In: Gärten und Parks als Lebens- und Erlebnisraum. Funktions- und

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Anhang

nutzungsgeschicht­liche Aspekte der Gartenkunst in Früher Neuzeit und Moderne. Worms: ­Wernersche Verlagsgesellschaft 2008, S. 9 – 20. Schweizer 2012  Schweizer, Stefan: Einführung. In: Gartenkunst in Deutschland. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Stefan Schweizer und Sascha Winter. Regensburg: Schnell + Steiner 2012, S. 11 – 21. Schweizer/Winter (Hg.) 2012  Gartenkunst in Deutschland. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Stefan Schweizer und Sascha Winter. Regensburg: Schnell + Steiner 2012. Sengle 1993  Sengle, Friedrich: Das Genie und sein Fürst. Die Geschichte der Lebensgemeinschaft Goethes mit dem Herzog Carl August von Sachsen-­ Weimar-Eisenach. Ein Beitrag zum Spätfeudalismus und zu einem vernachlässigten Thema der Goetheforschung. Stuttgart, Weimar: Metzler 1993. Seters 1989  Seters, John van: The Creation of Man and the Creation of the King. In: Zeitschrift für alttestamentarische Wissenschaft 101 (1989), S.  333 – 342. Sickler 1799  Sickler, Johann Volkmar: Beyspiele zur Beförderung der Obstkultur zum Besten der Länder durch Vorgang seiner Fürsten. In: Der teutsche Obstgärtner 12 (1799). Zit. nach: Hirsch (Hg.) 2007/4, Sp. 752 – 756. Siebigk 1883  Siebigk, Ferdinand: Leopold Friedrich Franz, Herzog von Anhalt-Dessau. In: ADB 18 (1883), S. 356 – 367. Sikora 2007  Sikora, Michael: Über den Umgang mit Ungleichheit. Bewältigungsstrategien für Mesalliancen im deutschen Hochadel der Frühen Neuzeit – Das Haus Anhalt als Beispiel. In: Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität des Hauses. Hg. v. Martin Wrede. Mainz: von Zabern 2007, S. 97 – 124. Sikora 2009  Sikora, Michael: Der Adel in der Frühen Neuzeit. Darmstadt: WBG 2009. Sittig 2010  Sittig, Claudius: Kulturelle Konkurrenzen. Studien zu Semiotik und Ästhetik adeligen Wetteifers um 1600. Berlin, New York: de Gruyter 2010. Sommer 1986  Sommer, Siegfried: Die Pflanzenverwendung bei Pückler. In: Fürst Hermann von Pückler-Muskau 1785 – 1985. Festansprache und Vorträge anläss­lich der Pücklerehrung. Hg. v. Detlef Karg für den Niederlausitzer Arbeitskreis für regionale Forschung beim Rat des Bezirkes Cottbus und das Stadtmuseum Cottbus. Cottbus: o. V. 1986, S. 71 – 80. Sørensen 1989  Sørensen, Bengt Algot: Die Vater-Herrschaft in der frühaufklärerischen Literatur. In: Tradition, Norm, Innovation. ­Soziales und litera­ risches Normverhalten in der Frühzeit der deutschen Aufklärung. Hg. v. Wilfried Barner. München: Oldenbourg 1989, S. 189 – 208.

Verwendete Literatur

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Sossenheimer 1988  Sossenheimer, Maria Anna: Georg Friedrich Rebmann und das Problem der Revolution. Revolutionserfahrungen, Revolutionsinterpretationen und Revolutionspläne eines deutschen Republikaners. Frankfurt a. M., Bern, New York u. a.: Lang 1988. Speer 2001  Speler, Ralf-Torsten: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs wissenschaft­liche Studien in Italien und seine kunsttheoretischen Schriften. In: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff: Kunsthistorisches Journal einer fürst­lichen Bildungsreise nach Italien 1765/66. Übersetzt, erläutert u. hg. v. Ralf-Torsten Speler. München, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2001, S. 49 – 54. Spieker 1808  Spieker, Christian Wilhelm: Feier der fünfzigjährigen Regierung des Herzogs und Fürsten von Anhalt-Dessau, Leopold Friedrich Franz. In: Zeitung für die elegante Welt Nr. 190 vom 29. Oktober 1808, Sp. 1513 – 1519 und Nr. 193 vom 3. November 1808, Sp. 1539 – 1544. Spieker 1809  Spieker, Christian Wilhelm: Vater Hellwig unter seinen Kindern. Nürnberg: Friedrich Campe 1809. Spranz o. J.  Spranz, Andrea: Biographische und bibliographische Skizze zu Karl Heinrich Brandes. Auf: http://www2.llb-detmold.de/Autoren/Bran_H. pdf (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Stackelberg 2009  Stackelberg, Katharine T. von: The Roman Garden. Space, Sense, and Society. London, New York: Routledge 2009. Stammen 1999a  Stammen, Theo: „Ilmenau den 3. September 1783“. Über Goethes Verhältnis zur Politik. In: ders.: Goethe und die politische Welt. Würzburg: Ergon-Verl. 1999, S. 69 – 104. Stammen 1999b  Stammen, Theo: Goethe und die Politik. Eine Annäherung aus aktuellem Anlass. In: ders.: Goethe und die politische Welt. Würzburg: Ergon-Verl. 1999, S. 15 – 37. Stecker 1979  Stecker, Cornelius: Über die Luftangst. Chemische Anmerkungen zum Tod. In: Wie die Alten den Tod gebildet. Wandlungen der Sepulkralkultur 1750 – 1850. Katalog zur Ausstellung in Bonn 1979. Hg. v. HansKurt Boehlke, Zentralinstitut für Sepulkralkultur Kassel. Mainz: v. Hase u. Koehler 1979, S. 147 – 150. Stehle 1913  Stehle, Bruno: Der Philanthropismus und das Elsass. Dessau – Strassburg – Colmar – Markirch. Strassburg: Friedrich Bull 1913. Steiner/Kühn-Stillmark 2001  Steiner, Walter; Kühn-Stillmark, Uta: Friedrich Justin Bertuch. Ein Leben im klas­sischen Weimar zwischen Kultur und Kommerz. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2001. Steinhauer 2011  Steinhauer, Franziska: Sturm über Branitz. Historischer Krimi­nalroman. Meßkirch: Gmeiner 2011.

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Anhang

Steinlein 1994  Steinlein, Rüdiger: „Aufgeklärte Gottesfurcht“ – das Gott-­ Vater-Paradigma als religionspädago­gisches und wirkungsästhetisches Prinzip erzählender Kinder- und Jugendliteratur der Aufklärung (am Beispiel von J. H. Campes „Robinson der Jüngere“). In: Zeitschrift für Germanistik 4 (1994), S. 7 – 23. Stobbe 2008  Stobbe, Urte: Wie Werther und Siegwart die Sicht auf den Garten veränderten – oder: Was kann Literaturwissenschaft zur historischen Garten­ kunstforschung beitragen? In: Gartenhistorisches Forschungskolloquium 2008. Zusammenstellung der Tagungsbeiträge. Hg. v. Sylvia Butenschön. = Graue Reihe des Instituts für Stadt- und Regionalplanung Technische Universität Berlin 17 (2008), S. 83 – 87. Stobbe 2009  Stobbe, Urte: Kassel-Wilhelmshöhe. Ein hochadeliger Lustgarten im 18. Jahrhundert. Berlin, München: DKV 2009. Stöckmann 2005  Stöckmann, Jochen: Der Goethe der Landschaftsgärtnerei. Vor 220 Jahren wurde Hermann Fürst von Pückler-Muskau geboren. Radio-Feature vom 30.10.2005. Abrufbar auf http://www.dradio.de/dkultur/ sendungen/kalenderblatt/432874/ (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Stollberg-Rilinger 2006  Stollberg-Rilinger, Barbara: Vom Volk übertragene Rechte? Zur naturrecht­lichen Umdeutung ständischer Verfassungsstruk­turen im 18. Jahrhundert. In: Naturrecht und Staat. Politische Funktionen des europäischen Naturrechts (17.–19. Jahrhundert). Hg. v. Diethelm Klippel. München: Oldenbourg 2006, S. 103 – 117. Strahl-Grosse 1991  Strahl-Grosse, Sabine: Staffage. Begriffsgeschichte und Erscheinungsform. München: tuduv 1991. Streidt 2010  Streidt, Gert: Branitz als ein Ort der Pücklerforschung. In: „… ein Kind meiner Zeit, ein ächtes, bin ich…“. Stand und Perspektiven der Forschung zu Fürst Pückler. Hg. v. Christian Friedrich und Ulf Jacob. ­Berlin: be.bra 2010, S. 267 – 278. Strobel 2010  Strobel, Jochen: Eine Kulturpoetik des Adels in der Romantik. Verhandlungen zwischen ‚Adeligkeit‘ und Literatur um 1800. Berlin, New York: de Gruyter 2010. Stürmer 1997  Stürmer, Michael: Arkadien an der Mittelelbe. Das Gartenreich von Wörlitz. In: Den Freunden der Natur und Kunst. Das Gartenreich des Fürsten von Anhalt-Dessau im Zeitalter der Aufklärung. Hg. v. Institut für Auslandsbeziehungen e. V. und der Kulturstiftung DessauWörlitz. Stuttgart: Institut für Auslandsbeziehungen; Wörlitz: Kulturstiftung DessauWörlitz 1997, S.  10 – 15. Sue 1839/1840  Sue, Eugène: Arthur. 2 Bde. Paris: Gosselin 1839 und 1840.

Verwendete Literatur

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Sühnel 1996  Sühnel, Rudolf: Der eng­lische Landschaftsgarten in Wörlitz als Gesamtkunstwerk der Aufklärung. Fünf historische Rundgänge. In: Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft. Hg. v. Frank-Andreas Bechtoldt und Thomas Weiss. Ostfildern: Hatje 1996, S. 67 – 84. Tabarasi 2007  Tabarasi, Ana–Stanca: Der Landschaftsgarten als Lebensmodell. Zur Symbolik der „Gartenrevolution“ in Europa. Würzburg: Königshausen und Neumann 2007. Tausch 1999  Tausch, Harald: Vom Bild der Natur zum imaginären Bilderbogen. Hermann von Pückler-Muskaus „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ und die Literarisierung des eng­lischen Landschaftsgartens. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 149 (1999) 1, S. 1 – 19. Tausch 2006  Tausch, Harald: „Die Architektur ist die Nachtseite der Kunst“. Erdichtete Architekturen und Gärten in der deutschsprachigen Literatur zwischen der Frühaufklärung und Romantik. Würzburg: Königshausen & Neumann 2006. Tenorth 2000  Tenorth, Heinz-Elmar: Geschichte der Erziehung. Einführung in die Grundzüge ihrer neuzeit­lichen Entwicklung. 3., überarb. Aufl. ­München, Weinheim: Juventa 2000. Tille 1930  Tille, Armin: Die Parkgärtner von 1788. In: Vimariensia für Max Hecker. Hg. v. Julius Wahle. Weimar: Böhlau 1930, S. 7 – 16. Tilly 1910  Die Memoiren des Grafen von Tilly. Erster Band. Hg. v. Fedor von Zobeltitz. Berlin: Marcus 1910 (Fotografischer Nachdruck Bremen: Europäischer Hochschulverlag 2010). Traeger 1991  Traeger, Jörg: Der Weg nach Walhalla. Denkmallandschaft und Bildungsreise im 19. Jahrhundert. 2. Aufl. Regensburg: Bosse 1991. Trauzettel 1993  Trauzettel, Ludwig: Das Gartenreich von Wörlitz und Dessau. In: Gärten der Goethezeit. Hg. v. Harri Günther. Leipzig: Edition Leipzig 1993, S.  45 – 75. Trauzettel 2004  Trauzettel, Ludwig: Wörlitzer Anlagen. In: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Kulturlandschaft an Elbe und Mulde. Für die Kulturstiftung DessauWörlitz hg. v. Thomas Weiss. 4. Auflage Hamburg: L & H Verlag 2004, S.  27 – 70. Trauzettel 2006  Trauzettel, Ludwig: Die Wörlitzer Anlagen – „Zierde und Inbegriff des 18. Jahrhunderts“. In: Unend­lich schön. Das Gartenreich Dessau-­Wörlitz. Hg. v. d. Kulturstiftung DessauWörlitz. Berlin: Nicolai 2006, S.  160 – 202. Trotha 1999  Trotha, Hans von: Angenehme Empfindungen. Medien einer populären Wirkungsästhetik im 18. Jahrhundert vom Landschaftsgarten bis zum Schauerroman. München: Fink 1999.

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Anhang

Tümmler 1978  Tümmler, Hans: Carl August von Weimar, Goethes Freund. Eine vorwiegend politische Biographie. Stuttgart: Klett-Cotta 1978. Uhlitz 1988  Uhlitz, Manfred: Humphry Reptons Einfluss auf die gartenkünstlerischen Ideen des Fürsten Pückler-Muskau. Diss. phil. Freie Universität Berlin 1988. Ulferts 2007  Ulferts, Gert-Dieter: Gotische Formen im klas­sischen Weimar. Der Memorialraum für Herzog Bernhard im Residenzschloss. In: Anna Amalia, Carl August und das Ereignis Weimar. Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar. Hg. v. Hellmut Th. Seemann. Göttingen: Wallstein Verlag 2007, S.  334 – 344. Umbach 1998  Umbach, Maiken: Visual culture, scientific images and ­german small-state politics in the late enlightenment. In: Past and Present 158 (1998), S.  110 – 145. Umbach 2000  Umbach, Maiken: Federalism and Enlightenment in Germany 1740 – 1806. London, Rio Grande: Hambledon Press 2000. Vaget 2001  Vaget, Hans Rudolf: The „Augenmensch“ and the Failure of Vision. Goethe and the Trauma of Dilettantism. In: DVjs 75 (2001) H. 1, S. 15 – 26. Varnhagen 1825  Varnhagen von Ense, Karl August: Preußische biographische Denkmale. Zweiter Theil: I. Freiherr Georg von Derfflinger. II. Fürst ­Leopold von Anhalt-Dessau. Berlin: Reimer 1825. Varnhagen 1833a  Varnhagen von Ense, Karl August: Rezension von Pücklers Briefen eines Verstorbenen. In: ders.: Zur Geschichtsschreibung und Litteratur. Berichte und Beurtheilungen aus den Jahrbüchern für wissenschaft­ liche ­Kritik und anderen Zeitschriften. Hamburg: Friedrich Perthes 1833, S.  311 – 333 und 400 – 411. Varnhagen 1833b  [Varnhagen von Ense, Karl August:] Pückler-Muskau. In: Conversations-Lexicon der neuesten Zeit und Literatur. In vier Bänden. Bd. 3. Leipzig: F. A. Brockhaus 1833, S. 673 – 675. Vaupel 2005  Vaupel, Günter J.: Zur Geschichte von Muskau unter den Grafen Callenberg. In: Hermann Graf von Pückler-Muskau: entre chien et loup. Briefe und Biographie 1785 – 1808. Hg. v. Günter J. Vaupel. Dresden: Thelem 2005, S. 12 – 59. Vaupel 2008  Vaupel, Günter J.: Anhang. In: Hermann Graf von Pückler-­ Muskau: entre chien et loup. Briefe und Biographie 1808 – 1815. Hg. v. Günter J. Vaupel. Dresden: Thelem 2008, S. 666 – 708. Vaupel 2013  Vaupel, Günter J.: Aus dem Nest geworfen. Zur Erziehungsbiographie und zu den frühen privaten Reisebriefen von Hermann Graf von Pückler-Muskau. In: Adel in Schlesien und Mitteleuropa. Literatur und Kultur von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Walter Schmitz

Verwendete Literatur

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in Verbindung mit Jens Stüben und Matthias Weber. München: Oldenbourg 2013, S. 343 – 363. Ventzke 2002  Ventzke, Marcus: Fürsten als Feuerbekämpfer. Handlungsmotive einer sich wandelnden Hofgesellschaft am Ende des 18. Jahrhunderts. In: Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen. Die Bedeutung des Hofes im späten 18. Jahrhundert. Hg. v. dems. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2002, S. 223 – 235. Ventzke 2004  Ventzke, Marcus: Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 1775 – 1783. Ein Modellfall aufgeklärter Herrschaft? Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2004. Vitruv 1796  Des Marcus Vitruvius Pollio Baukunst. Übersetzt von August Rode. Leipzig: Göschen 1796. Vogel 1769  Vogel, Johann George: Versuch einer Schilderung von denen natür­lichen Schönheiten in der Gegend Mußkau. Budißin: Scholtzin 1769. Vogel 1784  Vogel, Johann George: Der Clementinengang bey Mußkau. ­Görlitz: Fickelscherer 1784. Vogel 1868  Vogel, Julius: Lebenskunst. Anleitung, sich körper­lich und geistig gesund zu erhalten, dadurch glück­lich zu werden und ein hohes Alter zu erreichen. Leipzig: Denicke 1868. Voigts 1971  Freundschaftsbriefe der Mösertochter Jenny von Voigts an die Fürstin Luise von Anhalt-Dessau 1780 – 1808. Hg. v. Ulrike Sheldon und William Sheldon. Osnabrück: Wenner 1971. Wallace-Hadrill 1998  Wallace-Hadrill, Andrew: Horti and Hellenization. In: Horti Romani. Hg. v. Maddalena Cima und Eugenio La Rocca. Rom: „L’Erma“ di Bretschneider 1998, S. 1 – 12. Walpole 1785  Walpole, Horace: Essay on Modern Gardening. Strawberry Hill: Kirgate 1785. Warncke 2005  Warncke, Carsten-Peter: Symbol, Emblem, Allegorie. Die zweite Sprache der Bilder. Köln: Deubner 2005. Wattenbach 1880  Wattenbach, Wilhelm: August Hennings. In: ADB XI , S.  778 – 780. Wegele 1850  Wegele, Franz X.: Karl August, Großherzog von Sachsen-Weimar. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1850. Wegmann 1988  Wegmann, Nikolaus: Diskurse der Empfindsamkeit. Zur Geschichte eines Gefühls in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Stuttgart: Metzler 1988. Weibezahn 1975  Weibezahn, Ingrid: Geschichte und Funktion des Monopteros. Untersuchungen zu einem Gebäudetyp des Spätbarock und des Klassizismus. Hildesheim, New York: Olms 1975.

464

Anhang

Weiland 1986  Weiland, Werner: Der „Stein des guten Glücks“ im Garten am Stern. Überlegungen zu Goethes Tagebucheintragung „Agathe Tyche gegründet!“. In: Goethe-Jahrbuch 103 (1986), S. 344 – 361. Weinbrot 1978  Weinbrot, Howard D.: Augustus Caesar in ‚Augustan‘ England. The decline of a classical norm. Princeton, NJ: Princeton Univ. Press 1978. Weinhold 1983  Weinhold, Ulrike: Ebenbild und Einbildung. Zur Problematik des Garten-Motivs in Goethes ‚Wahlverwandtschaften‘. In: Neophilologus 67 (1983) Nr. 3, S. 419 – 431. Weiss 1997  Weiss, Thomas: „J’eus le bonheur de vous accompagnez…“. Travel Notes of Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff from the Year 1764. In: For the Friends of Nature and Art. The Garden Kingdom of Prince Franz von Anhalt-Dessau in Age of Enlightenment. Hg. v. der Kulturstiftung DessauWörlitz und dem Institut für Auslandsbeziehungen. Ostfildern-Ruit: Hatje 1997, S.  30 – 36. Weiss 2001  Weiss, Thomas: Kirchen ­­ im Dessau-Wörlitzer ‚Gartenreich‘. ­München: Deutscher Kunstverlag 2001. Weiss 2006  Weiss, Thomas: Unend­lich schön. In: Unend­lich schön. Das Garten­reich Dessau-Wörlitz. Hg. v. d. Kulturstiftung DessauWörlitz. Berlin: ­Nicolai 2006, S. 12 – 23. Weller 1933  Weller, Alfred: Fürst Pücklers Lebens- und Landschaftsstil. Cottbus: Albert Heine 1933. Weryha-Wysoczański 2004  Weryha-Wysoczański, Rafael de: Strategien des Privaten. Zum Landschaftspark von Humphry Repton und Fürst Pückler. Berlin: Tenea 2004. Wezel 1778  Wezel, Johann Karl: Präliminarien über deutsche Erziehung. In: Pädago­gische Unterhandlungen 2 (1778) 1. Quartal, S. 5 – 20. Wieck 1900  Wieck, Hans: Fürst Pückler-Muskau in der Beurtheilung ­seiner Zeitgenossen. In: Die Gartenkunst 2 (1900), S. 142 f., 166 – 168, 185 f., 202 – 204 und 219 f. Wieland 1766  Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Erster Theil. Frankfurt und Leipzig: o. V. 1766. Wieland 1773  Wieland, Christoph Martin: Die Tugend an den Durchlauchtigsten Herzog. In: Der Teutsche Merkur 1 (1773), S. 156 f. Wieland 1775  Wieland, Christoph Martin: Über das Philanthropinum in ­Dessau. In: Der Teutsche Merkur 3 (1775), S. 134 – 151. Wieland 1790  Wieland, Christoph Martin: Unpartheyische Betrachtungen über die dermalige Staats-Revolution in Frankreich. In: Der neue Teutsche Merkur 1 (1790) Bd. 2, S. 40 – 69.

Verwendete Literatur

465

Wienbarg 1838  Wienbarg, Ludolf: Fürst Pückler. In: ders.: Zur neuesten Literatur. 2. Aufl. Hamburg: Hoffmann und Campe 1838, S. 34 – 64. Wigand 1850  Wigand’s Conversations-Lexicon. Bd. 11. Leipzig: Otto Wigand 1850. Wild 1996  Wild, Reiner: Lyrik des ersten Weimarer Jahrzehnts. 1776 – 1786. In: Goethe Handbuch Bd. 1: Gedichte. Hg. v. Regine Otto und Bernd Witte. Stuttgart, Weimar: Metzler 1996, S. 147 – 155. Willems 2006  Willems, Marianne: Individualität – ein bürger­liches Orientierungsmuster. Zur Epochencharakteristik von Empfindsamkeit und Sturm und Drang (Bürger­lichkeit im 18. Jahrhundert. Hg. v. Hans-Edwin Friedrich, Fotis Jannidis und Marianne Willems. Tübingen: Niemeyer 2006, S. 171 – 200. Williamson 1995  Williamson, Tom: Polite Landscapes. Gardens and Society in Eighteenth-Century England. Baltimore, Maryland: The Johns Hopkins University Press 1995. Wilson 2004  Wilson, W. Daniel: Einleitung. In: Goethes Weimar und die Franzö­sische Revolution. Dokumente der Krisenjahre. Hg. v. dems. Köln: Böhlau 2004, S. 1 – 75. Wimmer 1989  Wimmer, Clemens Alexander: Sir Uvedale Price. In: ders.: Geschichte der Gartentheorie. Darmstadt: WBG 1989. Wimmer 2001  Wimmer, Clemens Alexander: Die Fiktion des deutschen Natio­nalgartens im 19. Jahrhundert. In: Gartenkultur und Nationale Identität. Strategien nationaler und regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Gartenkultur. Hg. v. Gert Gröning und Uwe Schneider. Worms: Werner 2001, S.  35 – 51. Wimmer 2009  Wimmer, Clemens Alexander: Frühe Perioden der Garten­ geschichte. Ein Überblick über die gartengeschicht­liche Literatur 1570 – 1913. In: Zandera 24 (2009) Nr. 1, S. 11 – 45. Winckelmann 1956  Winckelmann, Johann Joachim: Briefe. Hg. v. Hans ­Diepolder und Walther Rehm. Berlin: de Gruyter 1956. Wolff 2008  Wolff, Vera: Fortschritt. In: Handbuch der politischen Ikonographie. Hg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke und Hendrik Ziegler. Bd. 1. München: C. H. Beck 2008, S. 346 – 353. Wolke 1778  Wolke, Christian Heinrich: Über die Abreise einiger Lehrer. In: Pädago­gische Unterhandlungen 2 (1778) 7. Stück, S. 666 – 671. Wülfing 1983  Wülfing, Wulf: Reiseliteratur und Realitäten im Vormärz. In: Reise und ­soziale Realität am Ende des 18. Jahrhunderts. Überlegungen zu Schemata und Wirk­lichkeitsfindung im frühen 19. Jahrhundert. Hg. v. Wolfgang Griep und Hans-Wolf Jäger. Heidelberg: Winter 1983, S. 371 – 394.

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Anhang

Wurst 2011  Wurst, Karin A.: Topographie der Geselligkeit. Geselligkeit und Gartenkultur um 1800. In: Geselliges Vergnügen. Kulturelle Praktiken von Unterhaltung im langen 19. Jahrhundert. Hg. v. Anna Ananieva, Dorothea Böck und Hedwig Pompe. Bielefeld: Aisthesis 2011, S. 11 – 25. Zammitto 2009  Zammitto, John: Herder and Historical Metanarrative. What’s Philosophical about History? In: A Companion to the Works of Johann ­Gottfried Herder. Hg. v. Hans Adler und Wulf Köpke. Rochester, NY: ­Camden House 2009, S. 65 – 91. Zanker 2003  Zanker, Paul: Augustus und die Macht der Bilder. 4. Aufl. München: C. H. Beck 2003. Zaunstöck (Hg.) 2008  Das Leben des Fürsten. Studien zur Biografie von Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 – 1817). Hg. v. Holger Zaunstöck. Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag 2008. Zedler 1742/1744  Zedler, Johann Heinrich: Grosses Vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste… Bd. 31 und 42. Leipzig, Halle: Zedler 1742 und 1744. Zeiß 1857  Zeiß, Gustav: Carl August, Großherzog von Sachsen, Weimar und Eisenach, als Mensch, Fürst und Beschützer von Kunst und Wissenschaft. Eine Rede. Weimar: Kühn 1857. Zenker 2007  Zenker, Markus: „Kenne den Menschen muß man frei­lich ohne Aufhören dem Menschen zurufen!“ Anthropologie und Medizin bei Johann Georg Zimmermann im Kontext der deutschen Spätaufklärung. In: Physis und Norm: Neue Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert. Hg. v. Manfred Beetz, Jörn Garber und Heinz Thoma. Göttingen: Wallstein 2007, S.  107 – 119. Zimmermann 1784 – 1785/1 – 4  Zimmermann, Johann Georg: Über die Einsamkeit. 4 Bde. Leipzig: Weidmann und Reich 1784 und 1785. Zimmermann 1830  Zimmermann, Johann Georg: Briefe an einige seiner Freunde in der Schweiz. Hg. v. Albrecht Rengger. Aarau: Sauerländer 1830.

Internetseiten

467

Internetseiten Assel, Jutta; Jäger, Georg: Der Graf von Gleichen und seine Doppelehe. Quellensammlung. Auf: http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6355 (zuletzt abgerufen am 9.2.2015). Friedrich, Bernd-Ingo: Kulturpixel.de. Von Büchern, Bibliotheken, Brief­ beschwerern und Menschen [Beiträge u. a. zu Pückler, Schefer und Tamm]. Auf: http://www.kulturpixel.de (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Internetpräsentation der Dessau-Wörlitz-Kommission am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung. Auf: http://www. webdoc2.urz.unihalle.de/izea/cms/de/dessau-woerlitz-kommission (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Internetpräsentation der Stiftung Fürst-Pückler-Park Muskau mit Vorstellung der Dauerausstellung Pückler! Pückler? Einfach nicht zu fassen. Auf: http:// www.muskauer-park.de/?cat=1&lang_pref=de (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Museum digital Sachsen-Anhalt. Kulturstiftung DessauWörlitz, Originalausstattung Gotisches Haus. Auf: http://h1863129.stratoserver.net/san/index. php?t=objekt&oges=3098 (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Schneider, Verena; Schweizer, Stefan: Themenportal Gartenkunstgeschichte. Auf: http://www.arthistoricum.net/themen/themenportale/gartenkunst­ geschichte/ (zuletzt abgerufen am 8.11.2012). Bibliographie zur Gartenkunstgeschichte und Gartendenkmalpflege 1987 – 2010. Betreut von Frank Singhof, Matthias Bösel und Michael Niedermeier: Auf: http://www.pueckler-gesellschaft.de/haupt.html (zuletzt abgerufen am 8.11.2012).

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Anhang

Abbildungsnachweis Abb. 1: Rode 1788. Abb. 2, 3: Basedows Elementarwerk mit den Kupfertafeln Chodowieckis. Kritische Bearbeitung in drei Bänden, herausgegeben von Theodor Fritzsch. Dritter Band. Ernst Wiegand, Verlagsbuchhandlung Leipzig 1909 (Neuausgabe des ursprüng­lichen Elementarbuchs). Abb. 4: Fotograf unbekannt. Abb. 5 – 15, 17, 19 – 25, 40, 41, 43, 46 – 54: Ina Mittelstädt. Abdruck der Aufnahmen aus dem Wörlitzer Park mit freund­licher Genehmigung der Kulturstiftung DessauWörlitz. Abb. 16: Earlom 1777, Nr. 193. Abb. 18: Kunstanstalt des Bibliographischen Instituts Hildburghausen 1850 (Künstler unbekannt). Abb. 26: Deutsche Fotothek. Abb. 27, 42, 44, 45: Österreichische Nationalbibliothek (Inventarnrn.: PORT_00055325_01, KAR0501672, KAR0501680, KAR0501674). Abb. 28 – 31, 34 – 39: Atlas zu Pückler 1834a (= Bd. 2, digitalisiert durch die Foundation for Landscape Studies New York auf www.foundationforlandscapestudies.org). Abb. 32: Jäger 1843. Abb. 33: Mundt 1837. Abb. 55: Zentral- und Landesbibliothek Berlin (Sammlung Duncker). Abb. 56: Loeffler (Gartenlaube) 1859, S. 624.

Personenregister Folgende Namen wurden aufgrund ihrer häufigen Nennung nicht in das Register aufgenommen: Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach sowie Hermann von Pückler-Muskau.

Alberti, Leon Battista  84 Anhalt-Dessau, Hans Georg (Hans Jürge) von  53 Anhalt-Dessau, Johann Georg II. von  125 Anhalt-Dessau, Leopold I. von  22, 49, 148, 150 Anhalt-Dessau, Louise von  53, 95, 104, 106 – 108, 114, 115, 132, 146 Archenholz, Johann Wilhelm von  60 Arnim, Bettine von  283, 285, 373 Arnim, Sophie von  316 Assing, Ludmilla  290, 294, 318, 325, 360, 371, 386, 390 Basedow, Johann Bernhard  55, 56, 58, 59, 71, 115, 197, 198, 200, 274, 295 Bayern, Ludwig I. von  154, 156, 157 Bechlarn, Rüdiger von  285 Berenhorst, Georg Heinrich  97, 113 Bernoulli, Johann  347, 348 Bertuch, Friedrich Justin  24, 195, 204, 220, 230, 243, 247, 249, 250, 252, 253, 255, 259, 276 Beurmann, Eduard  321 Börne, Ludwig  319, 320, 322, 327, 329, 340, 364 Böttiger, Carl August  49, 58, 102, 110, 118, 138, 144, 273 Brandenburg, Friedrich Wilhelm von  126 Brandes, Heinrich Karl  286, 345, 374 Callenberg, Hermann von  289, 290, 294, 295, 347, 391 Campe, Joachim Heinrich  11, 55, 63, 64, 70 Conz, Karl Philipp  254, 268 Ehrmann, Johann  55

Einsiedel, Friedrich Hildebrand von  212 Erdmannsdorff, Friedrich Wilhelm von  51, 52, 77, 81, 82, 84, 90, 116, 121, 132 Fichte, Johann Gottlieb  151, 153, 219 Forster, Johann Georg  103, 120 Gellert, Christian Fürchtegott  101, 113 Goethe, Johann Wolfgang  24, 147, 193 – 195, 200, 203, 204, 206 – 209, 211, 213, 215, 218 – 220, 222 – 225, 227, 230, 234, 238, 241 – 246, 248, 249, 255 – 258, 261, 262, 264, 267 – 269, 274 – 276, 316, 367, 398 Görtz, Johann Eustach von  197, 200, 212, 274 Gutzkow, Karl  311, 321, 324, 328, 340 Hardenberg, Karl August von  300, 306 – 308, 311, 312, 325, 330, 357, 371 Hennings, August  36, 38, 74, 256 Herder, Johann Gottfried  58, 137 – 143, 193, 206, 252, 268, 273 Hirschfeld, Christian Cay Laurenz  10, 13 – 15, 36, 38, 42, 89, 144, 230, 236, 260, 276, 368 Hoffmeyer, Johanna Eleonore  53, 106, 114 Hölderlin, Friedrich  151 Jäger, August  293 Jäger, Hermann  282, 287, 346 Kant, Immanuel  153 Klenze, Leo von  155 Knebel, Karl Ludwig von  195, 202, 217, 222, 224, 230, 240, 270 – 272, 276 Lafontaine, August  32 Laube, Heinrich  17, 31, 149, 284, 311, 316, 319, 320, 324, 333, 335, 337, 338, 341, 342, 346, 351, 366, 372, 376, 377, 387, 398 Lavater, Johann Caspar  101, 108, 110, 114, 115

470

Lewald, August  322 Lewald, Fanny  382 Liebusch, Georg  346, 372, 375 Lorrain, Claude  122, 133 Lyncker, Karl Freiherr von  214 Matthisson, Friedrich von  77, 146, 147 Meinecke, Johann Christoph  123 Mundt, Theodor  324, 372 Neubert, Wilhelm  370 Niethammer, Friedrich Immanuel  151, 152 Oranien-Nassau, Henriette Catharina von  125 Oranien-Nassau, Wilhelm III. von  125 Oranien-Nassau, Wilhelm II. von  125 Oranien-Nassau, Wilhelm I. von  126, 304, 311 Petzold, Eduard  31, 281, 318, 345, 346, 368, 369 Plutarch  40, 41 Preußen, Carl von  312 Preußen, Friedrich II. von  51, 53, 62, 108, 122, 240, 358 Rebmann, Georg Friedrich  74 Recke, Elisa von der  107 Rehder, Jacob Heinrich  287, 345 Reil, Friedrich  29, 47, 50, 53, 62, 72, 105, 109, 112 – 114, 118 Riem, Andreas R.  87 Rode, August  30, 81, 96, 101, 102, 110, 122, 131 Rousseau, Jean Jacques  60, 83, 99, 289, 295 Rückert, Joseph  12, 33, 256, 268 Rumohr, Carl Friedrich von  352 – 354, 356, 357, 360, 388 Sachsen-Weimar-Eisenach, Anna Amalia von  200, 201, 203, 218, 232, 258, 296

Personenregister

Sachsen-Weimar-Eisenach, Constantin von  202, 213, 216 Schefer, Leopold  27, 31, 293, 298, 331, 346, 372, 398 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph  101, 102, 145 Schiller, Friedrich  151, 193, 246, 248, 257, 267, 276 Schlegel, August Wilhelm  273 Schweighäuser, Johann  55, 65, 70, 71 Simon, Johann Friedrich  55, 65, 70, 71 Stein, Charlotte von  147, 206, 207, 209, 214, 222, 225, 234 Stolberg, Louise Gräfin von  199, 206 Sue, Eugène  30, 383, 384 Tamm, Johann Andreas  290, 293, 296, 298 Varnhagen von Ense, Karl August  17, 315, 316, 319, 320, 324 – 326, 328, 330, 332, 333, 337, 340, 342, 351, 357, 362, 364, 366, 372, 377, 398 Varnhagen von Ense, Rahel  311, 323 Vitruv  81, 82, 84, 85, 121, 122 Vogel, Johann George  308, 347, 348 Voigts, Jenny von  107, 250 Walpole, Horace  42 Wezel, Johann Karl  464 Wieland, Christoph Martin  194, 197, 200 – 203, 206, 212, 231, 233, 255, 269, 273, 274 Wienbarg, Ludolf  321, 389 Winckelmann, Johann Joachim  82, 84, 90, 116, 136, 145, 289 Wolke, Christian Heinrich  55, 71 Zimmermann, Johann Georg  30, 108, 112, 114

ADELSWELTEN HERAUSGEGEBEN VON ECK ART CONZE, EWALD FRIE, GUDRUN GERSMANN UND TATJANA TÖNSMEYER

Die neue Reihe »Adelswelten« ist epochenübergreifend und europäisch orientiert. Die Reihe versteht Adelsgeschichte als eine integrale Dimension allgemeiner politischer, gesellschaftlicher und kultureller Entwicklungen und bietet Arbeiten zu adelshistorischen Themen in einem weiten Sinne einen Publikationsort. BD. 1 | ECKART CONZE, WENCKE

BD. 2 | ANDRÁS VÁRI, JUDIT PÁL,

METELING, JÖRG SCHUSTER, JOCHEN

STEFAN BRAKENSIEK

STROBEL (HG.)

HERRSCHAFT AN DER GRENZE

ARISTOKRATISMUS UND MODERNE

MIKROGESCHICHTE DER MACHT

ADEL ALS POLITISCHES UND

IM ÖSTLICHEN UNGARN IM 18. JAHR-

KULTURELLES KONZEPT, 1890–1945

HUNDERT

2013. 385 S. GB. | ISBN 978-3-412-21007-6

2014. 397 S. 28 S/W- UND 8 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-22145-4

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RIEKE BUNING, BEATE-CHRISTINE FIEDLER, BETTINA ROGGMANN (HG.)

Maria aurora von KönigsMarcK EIN ADELIGES FRAUENLEBEN IM EUROPA DER BAROCKZEIT

Maria Aurora Gräfin von Königsmarck (1662–1728) war schön, gebildet, geistreich und künstlerisch tätig. Sie wurde umschwärmt und verehrt. Binnen fünf Jahren wurde sie nacheinander die Mätresse des sächsischen Kurfürsten und späteren polnischen Königs August des Starken, die Mutter des späteren französischen Marschalls Moritz von Sachsen und die Pröpstin des weltlichen Damenstifts Quedlinburg, wo sie 1728 starb. Bis zu ihrem Lebensende war sie in europäische Netzwerke eingebunden. Hier präsentieren international ausgewiesene Wissenschaftler Beiträge zur schwedischen Grafenfamilie Königsmarck und zur Biographie der Maria von Königsmarck. Dabei stehen »Das Kunstschaffen adeliger Frauen« sowie »Die höfische Gesellschaft« im Vordergrund. Ziel des Buches ist es, frei von jeglicher, in über 300 Jahren entstandener Legendenbildung eine realistische und wissenschaftlich fundierte Annäherung an die Persönlichkeit der schwedischen Gräfin zu erreichen, die exemplarisch für das adelige Frauenleben zur Zeit des Barock und der Frühen Neuzeit steht. 2014. 392 S. 37 FARB. ABB. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-22386-1

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