Wolfgang Musculus (1497–1563) und die oberdeutsche Reformation [Reprint 2017 ed.] 9783050074474, 9783050032047

Wolfgang Musculus (1497-1563) war geprägt vom elsässischen Humanismus und vom benediktinischen Mönchtum, von Martin Luth

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German Pages 430 [436] Year 1997

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
I.
Wolfgang Musculus (1497–1563) Leben und Werk
Die Vita Wolfgangi Musculi. Die wiedergefundene erste für den Druck bestimmte handschriftliche Fassung
Wolfgang Musculus und das Benediktinische Mönchtum des ausgehenden Mittelalters und der Reformationszeit im südwestdeutschen Raum
Kirche und Theologie in Strassburg zwischen 1527 und 1531
II.
Augsburg und Nürnberg - ein reformationsgeschichtlicher Vergleich
Unter dem schein der concordien und confession: Wolfgang Musculus and the Confessional Identity of Augsburg, 1531-1548
Wolfgang Musculus und die Reformation im schwäbischen Einzugsgebiet der Stadt Augsburg
III.
Wolfgang Musculus und die radikale Reformation - die Auseinandersetzung zwischen Musculus und Kaspar Schwenckfeld
Wolfgang Musculus und die Römische Kirche: der Streit mit Johannes Cochläus
Wolfgang Musculus und Philipp Melanchthon
IV.
Gottesdienst und Kirchenlied bei Wolfgang Musculus
Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften für die Augsburger Stadtbibliothek 1543/44
Bilderstreit, Konfessionalisierung und Repräsentation. Zur Ausstattung protestantischer Kirchen in Augsburg zwischen Reformation und Restitutionsedikt
V.
Wolfgang Musculus in Bern (1549–1563)
Eucharistie Exhibition and Sacramental Presence in the New Testament Commentaries of Wolfgang Musculus
Die Loci Communes des Wolfgang Musculus: Reformierte Dogmatik anno 1560
Musculus' Auseinandersetzung mit der Begründung der Kirchenzucht als Beitrag zur reformierten Ekklesiologie im 16. Jahrhundert
VI.
Druckwerkeverzeichnis des Wolfgang Musculus (1497–1563)
Anhang
Index der Personen- und Ortsnamen
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Wolfgang Musculus (1497–1563) und die oberdeutsche Reformation [Reprint 2017 ed.]
 9783050074474, 9783050032047

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V V O L F G A N G V S MVSCVLVS TheologuSi

Corde plus,gram ore,facrofermone difettiti, Prtco Dei.paritervocefljlo^fotcns. M-

D.

LX III.

Rudolf Dellsperger, Rudolf Freudenberger, Wolfgang Weber (Hg.) Wolfgang Musculus (1497-1563)

Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg Colloquia Augustana Herausgegeben von Johannes Burkhardt und Theo Stammen

Band 6

Wolfgang Musculus (1497-1563) und die oberdeutsche Reformation Herausgegeben von Rudolf Dellsperger, Rudolf Freudenberger und Wolfgang Weber

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Evangelischen Kirche und der Stadt Augsburg Frontispiz: Wolfgang Musculus. Holzschnitt von Christof Murer (1558-1614), aus: Nicolaus Reusner, Icones sive imagines virorum literis illustrium, Bd. 2, lateinische Ausgabe, Straßburg 1590. Straßburg, 1587, Holzschnitt (R), München, Bayerische Staatsbibliothek (Biogr. c. 274).

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wolfgang Musculus (1497-1563) und die oberdeutsche Reformation / hrsg. von Rudolf Dellsperger ... - Berlin : Akad. Verl., 1997 Colloquia Augustana ; Bd. 6) ISBN 3-05-003204-9

ISSN 0946-9044 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1997 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Das eingesetzte Papier entspricht der amerikanischen Norm ANSI Z.39.48 - 1984 bzw. der europäischen Norm ISO TC 46. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck: GAM Media GmbH, Berlin Bindung: Verlagsbuchbinderei Mikolai GmbH, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Vorwort

Die Frühneuzeitforschung ist sich durch alle an ihr beteiligten Disziplinen hindurch einig, daß Reformation, Konfessionalisierung und Religiosität zu den entscheidenden Determinanten der europäischen Kulturgeschichte gehören. Sie stimmt außerdem weitgehend darin überein, Augsburg als einer der ersten Metropolen des Heiligen Römischen Reiches eine Schlüsselrolle zuzuschreiben im Prozeß der Ausdifferenzierung, der nur halb gelungenen Durchsetzung und schließlich des praktischen Arrangements eines Teils der reformatorischen Bewegung mit der römischen Kirche ab 1555, aus welchem ungeachtet des Zwischenspiels des Dreißigjährigen Krieges bedeutende soziokulturelle Grundlagen des 17. und 18. Jahrhunderts erwuchsen. Eine jüngere Forschungsrichtung postuliert darüberhinaus einen besonderen >oberdeutschen< Weg der Reformation, der auf der vergleichsweise stark entwickelten soziopolitisch-kulturellen Identität und der maßgeblichen Partizipation der Gemeinde (Kommune) an den Geschicken der jeweiligen Stadt bzw. des jeweiligen Ortes beruht habe. Diese Sachverhalte und Ansätze waren für das Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg Gründe genug, in Zusammenarbeit mit dem Evangelisch-Lutherischen Dekanat vom 1. bis 3. November 1996 eine internationale und interdisziplinäre Tagung zu veranstalten, die spezifische und übergreifende Aspekte gleichermaßen zu diskutieren erlauben sollte. In den Mittelpunkt der Untersuchungen wurde ein bisher weitgehend unbekannt gebliebener Straßburger, Augsburger und Berner Reformator der zweiten Generation gerückt, Wolfgang Musculus (1497 - 1563). Beteiligt waren Referenten aus Augsburg, aus der übrigen Bundesrepublik, aus den Niederlanden, aus der Schweiz, aus Frankreich und aus den USA. Die Vorträge und Diskussionen fanden hauptsächlich im Augustana-Saal, aber auch an geschichtsgesättigtem Ort in St. Anna und an Musculus' eigener Wirkungsstätte, in Evangelisch Heilig Kreuz, statt. Das Programm

schloß den Vortrag einschlägiger Lieder und die Präsentation zahlreicher Kunstgegenstände ein. Am Zustandekommen der Tagung, ihrer Durchfuhrung und der Umsetzung ihrer Ergebnisse in die vorliegende Publikation, die noch um einige unverzichtbare Zusätze ergänzt werden konnte, waren zahlreiche Kolleginnen, Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt, denen sich das Institut für Europäische Kulturgeschichte dankbar verpflichtet fühlt. Im Hinblick auf die ursprüngliche Tagungsidee, erste organisatorische Aktivitäten und tatkräftige finanzielle Unterstützung ist vorzüglich Dekan Dr. Rudolf Freudenberger, korrespondierendes Mitglied des Instituts, zu nennen. Die konzeptionelle Umsetzung des Vorhabens lag vor allem bei Prof. Dr. Rudolf Dellsperger, Ordinarius für Kirchengeschichte und Konfessionskunde an der Universität Bern, dessen freundschaftliche Kollegialität, profunde Sachkenntnis und unermüdliches Engagement alle Tagungsteilnehmer schätzen gelernt haben. Die Erarbeitung der wissenschaftlichen Ergebnisse im Einzelnen geht wie üblich auf die Gesamtheit der Referenten, Kommentatoren und Diskutanten zurück, die trotz mannigfaltiger anderer Verpflichtungen den Weg nach Augsburg gefunden haben. Von Seiten des Instituts lag die organisatorische Betreuung der Tagung teilweise noch in den bewährten Händen von Sabine Ullmann M.A., dann bei ihrer Nachfolgerin Stephanie Haberer M.A., erneut hervorragend unterstützt von Frau Heide Esmann. Die schwere Last der Herstellung, Redaktion und Gestaltung des Bandes dazu noch unter erheblichem Zeitdruck trugen in Bern vor allem Dr. Marc van Wijnkoop Lüthi und Rolf Zaugg, denen daher ganz besonderer Dank zukommt. Weitere Verdienste für wertvolle Mitarbeit an der Banderstellung haben sich in Bern Claudia Miller und Dr. Franz Dodel, in Augsburg Dr. des. Andrea Hilbk erworben. Gesonderter Nennung bedürfen das Doppelquartett des Augsburger Vokalensembles um Heinz Dannenbauer und der Organist Michael Nonnenmacher für ihre entgegenkommende Mitwirkung. Zu erwähnen sind ferner der Akademie Verlag in Berlin und dessen für die Reihe zuständiger Lektor Manfred Karras, der bei der Bandrealisierung einen erneuten Beleg für seine bewährt zuvorkommende Kooperationsbereitschaft geliefert hat. Schließlich fühlen sich die Bandherausgeber auch den Reihenherausgebern für ihre Aufnahme des Bandes in die Institutsreihe und Beratung bei der Bandgestaltung verbunden.

Augsburg, im Frühjahr 1997

Wolfgang Weber

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

11

Einfuhrung Rudolf Dellsperger, Rudolf Freudenberger

15

I. Wolfgang Musculus (1497-1563). Leben und Werk Rudolf Dellsperger

23

Die Vita Wolfgangi Musculi. Die wiedergefundene erste für den Druck bestimmte handschriftliche Fassung Reinhard Bodenmann

37

Wolfgang Musculus und das Benediktinische Mönchtum des ausgehenden Mittelalters und der Reformationszeit im südwestdeutschen Raum René Bornert

42

Kirche und Theologie in Strassburg zwischen 1527 und 1531 Marc Lienhard

68

II. Augsburg und Nürnberg - ein reformationsgeschichtlicher Vergleich Gottfried Seebaß

91

Unter dem schein der concordien und confession: Wolfgang Musculus and the Confessional Identity of Augsburg, 1531-1548 James Thomas Ford

111

Wolfgang Musculus und die Reformation im schwäbischen Einzugsgebiet der Stadt Augsburg Rolf Kießling

130

III. Wolfgang Musculus und die radikale Reformation die Auseinandersetzung zwischen Musculus und Kaspar Schwenckfeld Horst Weigelt

159

Wolfgang Musculus und die Römische Kirche: der Streit mit Johannes Cochläus Heribert Smolinsky

173

Wolfgang Musculus und Philipp Melanchthon Heinz Scheible

188

IV. Gottesdienst und Kirchenlied bei Wolfgang Musculus Andreas Marti

201

Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften für die Augsburger Stadtbibliothek 1543/44 Helmut Zäh

226

Bilderstreit, Konfessionalisierung und Repräsentation Zur Ausstattung protestantischer Kirchen in Augsburg zwischen Reformation und Restitutionsedikt Freya Strecker

246

V. Wolfgang Musculus in Bern (1549-1563) Marc van Wijnkoop Lüthi

281

Eucharistie Exhibition and Sacramental Presence in the New Testament Commentaries of Wolfgang Musculus Craig S. Farmer

299

Die Loci Communes des Wolfgang Musculus: Reformierte Dogmatik anno 1560 Herman J. Selderhuis

311

Musculus' Auseinandersetzung mit der Begründung der Kirchenzucht als Beitrag zur reformierten Ekklesiologie im 16. Jahrhundert Johanna Will-Armstrong

331

VI. Druckwerkeverzeichnis des Wolfgang Musculus (1497-1563) Marc van Wijnkoop Lüthi

351

Anhang Index der Personen- und Ortsnamen

417

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

431

Abkürzungsverzeichnis

a.o. Abb. Abt. ADBR ADM AKG Anm. Apogr. ARG Art. Ass AT atl. Aufl. Autogr. BBKG Bd., Bde. bearb. Beitr. bes. BHTh Bl. BNU BSHPF

and others Abbildung(en) Abteilung(en) Archives départementales du Bas-Rhin (Strasbourg) Archives départementales de la Moselle (Metz) Arbeiten zur Kirchengeschichte Anmerkung(en) Apographon Archiv für Reformationsgeschichte Artikel Association Altes Testament alttestamentlich Auflage(n) Autographon Beiträge zur Bayrischen Kirchengeschichte Band, Bände bearbeitet Beitrag, Beiträge besonders Beiträge zur historischen Theologie Blatt, Blätter Bibliothèque nationale et universitaire Bulletin de la société de l'histoire du protestantisme français

bzw.

beziehungsweise

c. CA ca. CCMon

caput, capitulum Confessio Augustana circa Corpus consuetudinum monasticarum Codex, Codices Column(s) Corpus Reformatorum Corpus Schwenckfeldianorum

Cod. Col., col. CR CSch d.Ä. d.Gr. d.h. d.i. ders. dies. Diss. DKL Dr. dt. EAug ebd. Ed. ed., éd. EKGB Eph erl. ETR

der Ältere der Große das heißt das ist derselbe dieselbe Dissertation Das deutsche Kirchenlied I, 1. Verzeichnis der Drucke. (RISM B/VIII/1) Kassel 1975 Doktor deutsch Etudes Augustiniennes ebenda Edition edidit, ediert, editus Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns Epheserbrief erläutert Etudes theologiques et religieuses

ev. EvTh evtl. Ex.

evangelisch Evangelische Theologie eventuell Exemplar(e)

f, ff Fase. Fig. fol. fortgef. FS

folgende(s) fasciculus, Faszikel Figur(en) folio, Foliant fortgeführt Festschrift

GA Gal geb. gedr. Gen ges.

Gesamtausgabe Galaterbrief geboren gedruckt Genesis (1. Buch Mose) gesammelt

H. hg. v. Hi hl. Hs., Hss.

Heft(e) herausgegeben von Hiob heilig Handschrift(en)

int.

international

Jes JFLF

Jesaja Jahrbuch für fränkische Landesforschung Jahrgang, Jahrgänge, jaargang Jahrhundert Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie Johannes(evangelium) Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte

JgJh. JLH Joh JVABG Kap. Kat. KDM KG kgl. KLK KO Kol I-II Kor Lit. LThK Luther

Kapitel Katalog(e) Kunstdenkmähler Kirchengeschichte königlich, kongelig Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung Kirchenordnung(en) Kolosserbrief 1. und 2. Korintherbrief Literatur(hinweise) Lexikon für Theologie und Kirche Luther. Mitteilungen der Luthergesellschaft

m.E. masch. MBW MGD MGG MKHF MQR Ms., Mss. Mt

meines Erachtens maschinenschriftlich Melanchthons Briefwechsel Musik und Gottesdienst Musik in Geschichte und Gegenwart Mitteilungen. Kommission für Humanismusforschung Methodist quarterly review Manuskript(e) Matthäus(evangelium)

Nachdr. Neudr. NF no. Nr. NS

Nachdruck(e) Neudruck Neue Folge number(s) Nummer(n), numero(s) neue Serie, new series, nouvelle serie, nova series, nuova serie, novaja serija

O.J. o.O. o.S. OSB

ohne Jahreszahl ohne Ort ohne Seitenzahlen Ordo Sancti Benedicti (Benediktiner)

P-,p. I-II Petr PG

Page(s) 1. und 2. Petrusbrief Patrologia cursus completus. Series Graeca Philipperbrief Patrologia cursus completus. Series Latina Professor protestantisch Proverbia (Sprüche) Psalm(en) publication, publicazione, Publikation(en)

Phil PL Prof. prot. Prov Ps Publ. QFRG QGT RDK Red. I-II Reg

Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte Quellen zur Geschichte der Täufer Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte Redakteur, Redaktion, Redaktor 1. und 2. Regum (Königbücher)

RHPhR RI Rom S. s. s.o. s.u. I-II Sam SBPK sc. Ser. SMRT sog. Sp. St. StArch SVRG Taf. ThB I-II Thess I-II Tim TRE u.a. u.a.m. u.ö. UB übers.

Revue d'histoire et de philosophie religieuses Regesta Imperii Römerbrief

v. VD 16

Seite(n) siehe, see siehe oben siehe unten 1. und 2. Samuelbuch Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz scilicet seria, Serie Studies in medieval and reformation thought sogenannt Spalte(n) saint, sainte, sankt Staatsarchiv Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte

vgl. VIEG

Tafel(n) Allgemeines Lexikon für bildende Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 1. und 2.Thessalonicherbrief 1. und 2. Timotheusbrief Theologische Realenzyklopädie und andere, unter anderem und andere(s) mehr und öfter Universitätsbibliothek übersetzt

Vol. vollst. WA WA.B WLB

von Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts vergleiche Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte, Mainz Volum, volume, Volumen vollständig Luther, Martin: Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe) WA Briefwechsel Württembergische Landesbibliothek

YSR

Yale studies in religion

Z. z.B. z.T. z.Z. ZBKG

Zeile(n) zum Beispiel zum Teil zur Zeit Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg zitiert Zeitschrift für Kunstwissenschaft

ZBLG ZGO ZHVS zit. ZKW

Einführung Rudolf Dellsperger, Rudolf Freudenberger

Für Pierre Bayle (1647-1706) war Wolfgang Musculus »l'un des plus célèbres Théologiens du XVI Siècle«. Mit anderen Worten: Als Bayle in Genf Theologie und Philosophie studierte, war Musculus noch unvergessen. Seither ist die Erinnerung an ihn auch nie ganz, aber doch so weit verblasst, dass das Urteil des grossen Aufklärers eher übertrieben erscheint. Zwar hat Musculus in den Lexika seit alters einen festen Platz, aber in aller Regel nicht viel Raum. Er figuriert in den Korrespondenzen fast aller bedeutenden Reformatoren und Theologen sowie zahlreicher Gelehrter und Politiker seiner Zeit, während Umfang und Bedeutung seines eigenen Briefwechsels sich erst in Umrissen abzuzeichnen beginnen. Musculus ist in die Reformationsgeschichte der Städte Augsburg, Bern und Strassburg eingegangen. Recht gut im Bild sind wir über die bedeutende Rolle, welche er zwischen dem Reichstag von 1530 und dem Interim von 1548 in der Augsburger Reformation gespielt hat. Bescheidener hingegen ist unser Wissen über seine Berner und über seine Strassburger Jahre. Das hat auch mit der Quellenlage zu tun. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein schöpften seine Biographen Pierre Bayle machte da keine Ausnahme - direkt oder indirekt aus e i n e r Quelle: der Lebensbeschreibung, die Abraham Musculus 1564, ein Jahr nach dem Tod seines Vaters, verfasst hat. Zu seinen Lebzeiten genoss Musculus als Patristiker, Exeget und Systematiker einen hervorragenden Ruf, der ihm im reformierten Bereich über drei, vier Generationen hinweg erhalten blieb. Erst unser Jahrhundert hat Musculus als Theologen neu zu entdecken begonnen, zaghaft vorerst, dann mit zunehmender Intensität: Heute darf man von einer, wenn auch noch jungen, Musculus-Forschung sprechen. Diese Entwicklung hat verschiedene Gründe. Einige seien kurz erwähnt. Erstens: Musculus war ein Mensch und ein Theologe, der dank der Weite seines Bildungshorizonts und seiner Ausstrahlung bei allen Grenzen, die auch ihm gesetzt waren, um seiner selbst willen Beachtung verdient. Zweitens: Er ist eine fur

16

Rudolf Dellsperger, Rudolf Freudenberger

seine Zeit höchst repräsentative Gestalt; folgt man seiner Lebensspur, so ergibt sich ein instruktiver Längsschnitt vom Humanismus und spätmittelalterlichen Mönchtum über die Anfänge der Reformation bis hin zum Augsburger Religionsfrieden und zum Tridentinum. Drittens: Musculus gehörte wie Bullinger und Beza - um nur sie zu nennen — zur zweiten Reformatorengeneration, deren Bedeutung für den Fortbestand der Reformation von der Forschung lange verkannt wurde; sie hat das begonnene, nicht nur von aussen, sondern auch von innen gefährdete Werk stabilisiert. Viertens: Als »Strassburger«, als zentrale Figur in der Augsburger Reformation und als Akteur im Tauziehen zwischen Bern und Genf war Musculus ein typischer Repräsentant der Stadtreformation. Fünftens: Er gehörte angesichts der lutherischen, zwinglischen und radikalen Spielarten der Reformation zu denjenigen Zeitgenossen, welche theologische Wahrheit und kirchliche Einheit verknüpften und beharrlich den mittleren, den oberdeutschen Weg suchten und beschritten. Zwar entwickelte er sich zum unerbittlichen Gegner Roms; und dennoch finden sich im Leben und Werk des Humanisten, Benediktiners und Reformators Spuren der Kontinuität, welche die Beschäftigung mit ihm, zumal im Zeitalter der Ökumene, lohnen. Die Herausgeber erheben mit diesem Tagungsband nicht den Anspruch, Musculus' facettenreichem Leben und Werk umfassend gerecht zu werden. Auch wollen sie der vertieften Beurteilung seiner Bedeutung für die oberdeutsche und darüber hinaus für die europäische Reformationsbewegung nicht vorgreifen. Sie wollten, indem sie zu einem internationalen, interdisziplinären und interkonfessionellen Symposium einluden, vielmehr der Forschung zum ersten Mal ein Forum anbieten, auf dem Resultate zur Diskussion gestellt, Probleme erörtert und Desiderate formuliert werden konnten. Der Werkstattcharakter einer derartigen Tagung hat im vorliegenden Band seinen Niederschlag gefunden - nicht in Form eines Gesprächsprotokolls, sondern in unterschiedlichen Sichtweisen und unvermeidlichen Überschneidungen, in einer Vielfalt allgemein-, kirchen-, kirchenrechts- und kunstgeschichtlicher, Institutionen- beziehungsweise personenzentrierter, exegetisch- und systematisch-theologischer Zugänge zum Thema. Der Band umfasst sechs bewusst unbetitelt gebliebene Abteilungen. Während die erste und die fünfte je vier Themen enthalten, die sich vorwiegend auf Musculus' Strassburger respektive auf seine Berner Zeit beziehen, bündeln die drei mittleren je drei inhaltlich verwandte Aspekte aus seinen Augsburger Jahren. Den Schluss des Bandes bildet als sechster Teil das Druckwerkeverzeichnis. Der Beitrag von Rudolf Dellsperger ist ein Versuch, aufgrund e i n e r Quellengattung, derjenigen der Dedikationsepisteln, auf engem Raum ein möglichst nuanciertes Musculus-Porträt zu entwerfen. Diese wenigen, gehaltvollen Briefe gewähren im Vergleich zur Vita von 1564 neue Einblicke in Musculus' Leben und Werk. Allerdings war bereits diese Biographie ursprünglich farbiger und um einige

Einführung

17

wesentliche Facetten reicher als die Druckfassung von 1595: Dies ergibt ein erster Vergleich mit dem Originalmanuskript von Abraham Musculus, das Reinhard Bodenmann im Nachlass von Theodor Beza kürzlich wiederentdeckt hat. Man darf auf Bodenmanns kritische Edition der Vita gespannt sein! Für die Zeit, welche Musculus im Benediktinerkloster Lixheim verbrachte, war man bislang ausschliesslich auf die Vita angewiesen. René Bornert OSB zeichnet die Geschichte dieses Priorats nach und stellt dessen Niedergang zu den Umbrüchen im sozialen, wirtschaftlichen und geistlichen Leben der spätmittelalterlichen Gesellschaft in Beziehung. Er befragt Musculus nach den Motiven, die zu seinem Austritt aus dem Kloster gefuhrt haben, zugleich aber nach dem Kontinuum zwischen benediktinischem Mönchtum und der von ihm vertretenen humanistisch-reformatorischen Via media. Während Musculus den theologisch entscheidenden Impuls Luther verdankte, erfuhr er seine nachhaltige geistliche Prägung in seinen drei Strassburger Jahren. Marc Lienhard beschreibt die damals in der freien Reichsstadt vorherrschenden kirchlichen und theologischen Verhältnisse. Wie war es um das Augsburger Umfeld bestellt, in dem Musculus 17 Jahre seines Lebens verbrachte und wirkte? Gottfried Seebaß beantwortet die Frage in Form eines Vergleichs mit Nürnberg und den dort in vielem ganz anderen wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kirchlichen Gegebenheiten. James Th. Ford sieht die Augsburger Kirche und in ihr an prominenter Stelle Musculus auf einem mittleren, dem oberdeutschen Weg zwischen Wittenberg und Zürich. Er exemplifiziert dies anhand dreier Beispiele: der Wittenberger Konkordie, der Polemik zwischen Musculus und Johannes Cochläus und dem gescheiterten Versuch, die Reformation nach dem Augsburger Modell in der freien Reichsstadt Donauwörth einzuführen. Auf den Export der Reformation nach Donauwörth geht auch Rolf Kießling in seinem Beitrag ein, setzt aber andere Akzente: Er misst dem konfessionellen Aspekt gegenüber den im Spätmittelalter geformten regionalpolitischen Interessen der ostschwäbischen Metropole untergeordnete Bedeutung bei und beschreibt das fachhistorisch besonders beachtete Phänomen der Instrumentalisierung der Reformation. Die Autoren der drei folgenden Beiträge orten Musculus in seinen Beziehungen zu bedeutenden Vertretern des mystischen Spiritualismus, des römischen Katholizismus und der Wittenberger Reformation. Horst Weigelt zeigt, wie Musculus und Kaspar Schwenckfeld, deren Verhältnis in Strassburg anfänglich unbelastet war, in Augsburg zu unversöhnlichen Gegnern wurden. Musculus liess sich dabei aber nicht von Bucers Agitation gegen den schlesischen Adligen leiten, sondern von seiner Sorge, Schwenckfeld gefährde die innerprotestantische Einheit. Derartige Rücksichten kamen, als er anlässlich des Regensburger Religionsgesprächs gegen die Messe predigte, zwar nicht in Betracht, aber er focht immerhin mit Sachar-

18

Rudolf Dellsperger, Rudolf

Freudenberger

gumenten. Argumente freilich waren, wie Heribert Smolinsky nachweist, in der anschliessenden Auseinandersetzung mit Johannes Cochläus immer weniger gefragt. An ihre Stelle trat die Diskriminierung des Gegners. Ungetrübt dagegen waren und blieben die Beziehungen der beiden Alters- und Gesinnungsgenossen Melanchthon und Musculus, denen Heinz Scheible in seinem Beitrag nachgeht. Zeitlebens hatten die klassische Antike und die Musik für Musculus einen hohen Stellenwert. Lange galt er als Verfasser einiger weniger, qualitativ hochstehender Kirchenlieder, bis in der neueren Forschung seine Autorschaft in Frage gestellt und tendenziell verneint wurde. Andreas Marti wägt das Für und Wider gegeneinander ab und stellt die Frage im weiteren Zusammenhang von Musculus' liturgischen Interessen und kirchenmusikalischen Aktivitäten erneut zur Diskussion. Sie bleibt für ihn vorläufig offen. Zu den schönsten Früchten von Musculus' virtuoser Beherrschung der alten Sprachen gehören seine zahlreichen Übersetzungen griechischer Kirchenväter. Es überrascht deshalb nicht, dass er 1543/44 die treibende Kraft beim kostspieligen, aufsehenerregenden Ankauf wertvoller griechischer Handschriften durch die Stadt Augsburg war. Helmut Zäh beschreibt und dokumentiert dieses einzigartige Ereignis in Augsburgs Bibliotheksgeschichte zum erstenmal in extenso. Wenn ferner Friedrich Roth Musculus Sinn auch für die plastische Kunst bescheinigt, so darf dies nicht auf die kirchliche Innenausstattung bezogen werden. Vielmehr setzten sich Musculus und sein Mitstreiter Bonifatius Wolfart nach Zwingiis Vorbild dafür ein, dass der Kirchenschmuck eingezogen und die erzielten Erträge in die Armenfürsorge investiert wurden. Dennoch ist, wie Freya Strecker ausführt, die auch nach 1548 in Augsburg vergleichsweise karge Ausstattung protestantischer Kirchenräume weder darauf noch überhaupt auf theologische Gründe, sondern auf das mangelnde Interesse der politisch tonangebenden Kreise zurückzuführen. Marc van Wijnkoop Lüthi leitet die fünfte Abteilung ein. Er gibt anhand ausgewählter Themen einen Überblick über Musculus' Berner Zeit. Der literarisch äusserst produktive und erfolgreiche, vielfach umworbene Professor hatte als Unterzeichner der Wittenberger Konkordie in der Aarestadt anfänglich keinen leichten Stand; auch seine Freundschaft zum Genfer Reformator Johannes Calvin war vorwiegend aus Gründen ekklesiologischer Natur schweren Belastungsproben ausgesetzt. Dass die von bernischer Seite gegen Musculus gehegten Befürchtungen unberechtigt und dessen 1549 zur Abendmahlsfrage abgegebene Erklärung glaubwürdig war, ist die These von Craig S. Farmers Untersuchung. Sie ergibt sich aus einem Vergleich einschlägiger Stellen aus den Kommentaren der Augsburger Zeit mit Äusserungen aus den späten Berner Jahren: Musculus änderte zwar, als er ihre Missverständlichkeit gewahrte, die Terminologie, blieb sich aber in der Sache treu, indem er stets den Geschenkcharakter des Abendmahls in den

Einßhrung

19

Vordergrund rückte. Neben den Exegetica haben vor allem die Loci communes Musculus' Namen in die Welt hinausgetragen. Herman J. Selderhuis setzt sie zu seinem Kommentarwerk und zur mittelalterlichen sowie reformatorischen dogmatischen Tradition in Beziehung, umschreibt ihre Zielsetzung und charakterisiert sie nach Form und Inhalt. Musculus war der erste reformierte Theologe, der die LociMethode seines Freundes Melanchthon übernahm und selbständig weiterführte. Die Kennzeichen der Kirche waren für ihn nicht nur die reine Lehre (pura doctrina) und der rechte Gebrauch der Sakramente (legitimus usus sacramentorum), sondern auch die Einheit der Kirche (unitas ecclesiae) und die allgemeine Übereinstimmung im Glauben (consensus catholicus). In der kirchen- und kirchenrechtsgeschichtlichen Forschung unseres Jahrhunderts wurde Musculus als früher, herausragender Vertreter des Territorialismus entdeckt und insofern kritisiert, als er diesen theologisch legitimiert habe. Man stützte sich dabei ausschliesslich auf sein Spätwerk, das man im Kontext der zwischen Bern und Genf umstrittenen Konzeptionen des Verhältnisses von Kirche und Staat interpretierte. Johanna Will-Armstrong kann die für Musculus charakteristische Zurückhaltung in der Frage der Kirchenzucht in seinem Spät- u n d in seinem Frühwerk nachweisen und zeigen, dass er dabei nicht Calvin und Genf, sondern das Täufertum vor Augen hatte: Die Spannung zwischen dem Reinheitsideal und dem Gemeinschaftscharakter der Kirche muss ausgehalten werden. Marc van Wijnkoop Lüthi ist das erste umfassende, diplomatisch exakte Verzeichnis der gedruckten Werke des Wolfgang Musculus zu verdanken. Es dokumentiert das literarische Werk eines vielseitig interessierten, umfassend gebildeten, unermüdlich tätigen und - die verschiedenen Auflagen, Übersetzungen und Druckorte weisen darauf hin - wirkungsgeschichtlich bedeutenden Geistes. Von einer angemessenen Würdigung dieses Werkes und seiner Nachwirkung ist die Forschung noch weit entfernt. Dieser Band möchte auf dem Weg dorthin eine erste und hoffentlich anregende Standortbestimmung sein.

I.

Wolfgang Musculus (1497-1563) Leben und Werk Rudolf Dellsperger

Wolfgang Musculus ist am 8. September 1497 in Dieuze zur Welt gekommen und am 30. August 1563 eine Woche vor seinem 66. Geburtstag in Bern gestorben.1 Seine Berufung von Strassburg nach Augsburg, die ihn um die Jahreswende 1530/31 erreichte, erfolgte also genau in der Mitte seines Lebens. Noch nicht eine Zeile seines gewichtigen wie umfangreichen theologischen Werks war publiziert, und obwohl er ein erfahrener Prediger war, hatte er die Verantwortung für eine Gemeinde noch nie allein tragen, geschweige denn die Mitverantwortung für die Durchführung der Reformation in einer Weltstadt übernehmen müssen. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Lebenshälften ist gross, auch hinsichtlich der Quellenlage; Briefe von und an Musculus sind erst seit den Augsburger Jahren erhalten,2 und nach sonstigen Quellen sucht man, jedenfalls für die drei ersten Jahrzehnte, umsonst. Nun darf der Biograph der karg belegten Lebensphase nicht weniger Beachtung schenken als der üppig dokumentierten. Wird er aber dabei, wie seine Vorgänger, allein auf die Lebensbeschreibung von Musculus' Sohn Abraham angewiesen sein?3

2

3

Eine im Anmerkungsteil stark gekürzte Fassung dieses Referats erscheint unter dem Titel >Wolfgang Musculus - ein Augsburger Reformator in: »... wider Laster und Sünde«. Augsburgs Weg in der Reformation. Katalog zur Ausstellung in St. Anna, Augsburg. 26. April bis 10. August 1997. Hg. v. Josef Kirmeier, Wolfgang Jahn, Evamaria Brockhoff. Haus der Bayerischen Geschichte. Augsburg 1997. Die Buchhandelsausgabe dieses Katalogs erscheint im DuMONT-Verlag. Ich verdanke diese Angabe Marc van Wijnkoop Lüthi, der ein Inventar der Briefe von, an und über Musculus erstellt. Z Y N C P E festalium concionum. Authore D. Wolfgango Musculo Dusano. Eiusdem vita, obitus, erudita carmina. Item Ciariß. Virorum in ipsius obitum Epicedia. Hg. v. Wolfgang Musculus d.J. Basel 1595. S. 1-55. Ex.: Bern Stadt- und UB. 8° e 343. Abrahams Quellen waren nach Auskunft des Herausgebers mündliche Äusserungen und Tagebuchaufzeichnungen seines Vaters sowie Berichte von Zeitgenossen (Bl. a2v). Zur Textgeschichte dieser

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Rudolf Dellsperger

Musculus hat seine grossen theologischen Werke Landesherren oder, repräsentiert durch ihren Magistrat, freien Reichsstädten zugeeignet; er tat dies, weil er sich ihnen im Glauben und aus biographischen Gründen dankbar verbunden wusste. Ich stütze mich im Folgenden vorwiegend auf einige dieser sogenannten Dedikationsepisteln. 4 Es handelt sich dabei nicht um private, sondern um für die Öffentlichkeit bestimmte Briefe; dennoch schlägt ihr Verfasser darin oft ganz persönliche Töne an. Darin besteht ihr besonderer Reiz. Vielleicht gewinnt der Versuch eines Musculus-Porträts dank diesem Quellenbestand authentische Züge? Es wird freilich kein Ölgemälde, sondern eine Kreideskizze werden. Beginnen wir in der Mitte seines Lebens, und zwar mit dem Schreiben, in dem die Strassburger Prädikanten Martin Bucer (1491-1551) und Wolfgang Capito (1478-1541) ihren jüngeren Amtsbruder und Freund dem Augsburger Rat überliessen. Es stammt vom 11. Januar 1531. Darin heisst es: bracht und schin ist an im zumal gering; der aber weißt was fridlichen, senften, richtigen und bescheidenen geists im der herr verliehen, wie auch einen feinen, Hechten, schleunigen, unzenckischen verstandt mit zimlicher belesung, bede gütlicher schrifft und der vätter, auch einem recht ingethanen, stillen und gantz unstreflichen leben, der wurt in nur desto werder und theurer halten, das er so eins niedertrechtigen anseLebensbeschreibung vgl. in diesem Band Reinhard Bodenmann: Abraham Musculus1 Lebensbild seines Vaters. Zu einem neuen Fund. - Zur Sekundärliteratur vgl. Rudolf Dellsperger: Wolfgang Musculus (1497-1563). In: Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 und ihr Umfeld. Hg. v. Reinhard Schwarz. Gütersloh 1988 (SVRG. Bd. 196). S. 91-110; ders.: Musculus, Wolfgang. In: TRE. 23. 1994. S. 439-441; ders.: Musculus (Müslin) Wolfgang. In: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne. Strasbourg 1996. P. 2790f. Musculus hat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, weder seine Gelegenheitsschriften noch seine Kirchenväterübersetzungen, wohl aber seine theologischen Hauptwerke dediziert. Aus der auch so noch stattlichen Anzahl seiner Dedikationsepisteln kann hier nur eine Auswahl eingehender behandelt werden, nämlich diejenigen zu den folgenden Kommentaren: Ps, Jes, Joh (2. Aufl., Fürst Ottheinrich von Pfalz-Neuburg zugeeignet), I-II Kor, Gal und Eph. Nur beiläufig oder gar nicht berücksichtigt werden die Widmungsbriefe der folgenden Werke (in Klammer der jeweilige Adressat): Matthäuskommentar von 1544 (Bürgermeister und Rat von Augsburg), Übersetzung der griechischen Kirchenhistoriker von 1549 (König Edward VI. von England), Erklärung des Dekalogs von 1553 (Georg von Stetten der Jüngere in Augsburg), Genesiskommentar von 1554 (Landgraf Philipp von Hessen), Römerbriefkommentar von 1555 (Herzog Georg von Württemberg), Loci communes von 1560 (Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz) und natürlich der 1564 postum von Abraham Musculus dem Bemer Magistrat zugeeignete Kommentar zu Phil, Kol, I-II Thess und I Tim. Die Zueignungen an Ottheinrich von Pfalz-Neuburg, König Edward VI., Landgraf Philipp von Hessen und an Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz waren wohl auch Dankesbezeugungen des Verfassers für die an ihn ergangenen Berufungen nach Neuburg und Lauingen, nach England, nach Marburg und nach Heidelberg. Vgl. dazu Franziska Nadwornicek: Pfalz-Neuburg. In: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650. Bd. 1. Der Südosten. Hg. v. Anton Schindling, Walter Ziegler. Münster 1989 (KLK. Bd. 49). S. 41-55, hier 41-49, und in diesem Band Marc van Wijnkoop Lüthi: Wolfgang Musculus in Bern (1549-1563). 281-298.

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hens und wandels gesehen wurt.5 Das sind wohlwollende, auch wohlüberlegte Sätze. Sie besagen: Musculus, Ihr vornehmen Augsburger, ist ein unscheinbarer Mann; indes entspricht er exakt Eurem Anforderungsprofil. Ihr sucht nach den Strapazen des Reichstags und in den Wirren des Abendmahlsstreits gebildete, konziliante evangelische Theologen. Er ist auf den Gebieten der Bibelwissenschaft und der Kirchenväter ungemein belesen, ist gesprächsfähig und fuhrt ein unanstössiges Leben. Das Folgende ist ein Versuch, diese knappe Charakterisierung, soweit die Quellen es erlauben, mit Leben zu füllen. Musculus war geprägt vom Geist des elsässischen Humanismus, von der Lebensform des benediktinischen Mönchtums, von Martin Luther und der Reformation in der freien Reichsstadt Strassburg. Er entstammte der unteren Mittel-, wenn nicht gar der Unterschicht seiner Zeit; sein Vater Anton war Küfer - damals sagte man: Büttner - in der lothringischen Salinenstadt Dieuze, seine Mutter war eine fromme, intelligente Frau. Musculus hiess von Haus aus Müslin. Wolfgangus Musculus Dusanus nannte er sich wohl seit der Zeit, da er als Knabe in Rappoltsweiler, in Colmar und in Schlettstadt die berühmten Humanistenschulen besuchte. Möglicherweise hielt er sich in Schlettstadt schon zur Zeit des Rektors Hieronymus Gebwiler (1473-1545) auf, sehr wahrscheinlich aber zur Zeit, da Johannes Sapidus (Hans Witz, 1490-1561) die Schule leitete.6 Das würde bedeuten, dass er hier in die Sprache und den Geist der klassischen Latinität eingeführt und mit einem kirchlichen, ethisch orientierten Humanismus vertraut wurde.7 Zur Kirchlichkeit der Schule gehörte die regelmässige Mitwirkung des Schülerchors im Gottesdienst. Ob Wolfgangs schöne Stimme hier geformt wurde? Sie öffnete ihm jedenfalls ohne sein Zutun die Tür zum Benediktinerkloster Lixheim, damit zur vertieften Beschäftigung mit den lateinischen Klassikern, zum Musik- und zum Theologiestudium. Abraham Musculus neigt dazu, seinen Vater als vorbildhaften Mönch unter disziplinlosen Patres darzustellen. Wolfgang hat die Pflichten des Ordensstandes, aber auch die Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, die dieser ihm eröffnete, zweifellos ernst- und wahrgenommen. Er wurde rasch zum beliebten und bekannten Prediger in Lixheim und Umgebung, bekannt besonders auch als lutherischer Mönch9. Was Abraham über die Klosterzeit seines Vaters berichtet, kann aber 5

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Zit. nach Friedrich Roth: Zur Berufung des Ambrosius Blaurer, des Wolfgang Musculus und des Balthasar Keufelin nach Augsburg im Dezember 1530. In: Beitr. zur bayerischen KG. 8. 1902. S. 256-265, hier S. 263. Gebwiler amtierte bis 1509, Sapidus ab Ende 1510. Zu Geschichte und Konzeption der Lateinschule von Schlettstadt vgl. Ernst-Wilhelm Kohls: Die Schule bei Martin Bucer in ihrem Verhältnis zu Kirche und Obrigkeit. Heidelberg 1963 (Pädagogische Forschungen. Bd. 22). S. 39-43; Martin Greschat: Martin Bucer. Ein Reformator und seine Zeit. München 1990. S. 19-23. £YNO*FIZ (Anm. 3) S. 11.

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unmöglich die ganze Wahrheit sein. Ist nicht Pater Wolfgang im Stundengebet mit demjenigen Buch der Bibel par coeur vertraut geworden, dem er seinen wohl schönsten und besten Kommentar widmen sollte: dem Psalter? Auch ist er insgesamt fünfzehn, als »lutherischer Mönch« fast noch zehn Jahre lang im Kloster geblieben, und dies in so gutem Einvernehmen mit dem Konvent, dass er Prior hätte werden sollen. 9 Er jedoch lehnte ab, trat 1527 aus und zog nach Strassburg, wo er, kaum angekommen, am zweiten Weihnachtstag mit Margaretha Barth den Bund der Ehe schloss. Seine Frau wurde Magd, er begann eine Weberlehre, die er wegen Differenzen mit dem taufgesinnten Meister abbrach. Da wurden Bucer, Capito und Jakob Sturm (1489-1553) auf ihn aufmerksam und bestimmten ihn zum Prediger für Dorlisheim.10 1528 wurde er an der Seite von Matthäus Zell (1477-1548) Diakon am Münster. Er besuchte Bucers und Capitos Vorlesungen, war Bucers Sekretär und lernte Hebräisch. In dieser Situation erreichte ihn der Ruf aus Augsburg. Fragt man, was die Widmungsbriefe für Musculus' erste Lebenshälfte hergeben, dann ist der Ertrag auf den ersten Blick nicht eben gross. Man wüsste gern mehr über seine reformatorische Wende, als der Biographie seines Sohnes zu entnehmen ist. Nach ihr erhielt er um das Jahr 1518 von einem Freund Abschriften von Luther-Schriften, die er eifrig studierte und deren Botschaft er sich bereitwillig öffnete. 11 Nun, es war nicht u m das Jahr 1518, es w a r 1518, anno Millesimo, quingentésimo, décimo octavo. Damals, schreibt Musculus in der an den Grafen Georg von Württemberg-Mömpelgard (1498-1558) gerichteten Dedikationsepistel zu seinem Römerbriefkommentar, sei ihm das Licht des Evangeliums aufgegangen, und er habe die im Angesicht Christi erkannte Wahrheit, geleitet von Gottes Gnade, voller Leidenschaft umfangen (cupide amplexus sum).n Ob sein Lands9

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Zu Musculus' Klosterzeit vgl. in diesem Band René Bornert: Wolfgang Musculus und das Benediktinische Mönchtum des ausgehenden Mittelalters und der Reformationszeit im südwestdeutschen Raum. S. 42-67. Musculus trat in Dorlisheim, das städtisches Territorium war, eine schwierige Aufgabe an: Das Dorf war im Bauernkrieg ein Unruheherd gewesen, und sein Prädikant Andreas Preunlin (Prunulus) hatte sein mutiges Eintreten für die Anliegen der Bauernschaft mit dem Leben bezahlt. Johann Adam: Evangelische Kirchengeschichte der Stadt Strassburg bis zur Französischen Revolution. Strassburg 1922. S. 104-107; Marc Lienhard, Jakob Willer: Strassburg und die Reformation. 2. Aufl. Kehl 1982. S. 188-191; Bernard Vogler: Elsass. In: TRE. 9. 1982. S. 524-234, hier die Karte S. 527. XYNCmX (Anm. 3) S. lOf. In Epistolam Apostoli Pauli ad Romanos, Commentarii. Bl. a2 r . Ex.: Bern Stadt- und UB. 2° D.45. Mir liegt die Ausgabe Basel 1562 vor. - Graf Georg von Württemberg-Mömpelgard war Inhaber der elsässischen Besitzungen des Hauses Württemberg. Er hielt sich seit 1519 meist in Strassburg auf. Um 1530 evangelisch geworden, trat er in die Dienste des Schmalkaldischen Bundes und fiel nach dessen Niederlage in kaiserliche Acht. 1555 ehelichte er als 57jähriger Barbara, die 19jährige Tochter des Landgrafen Philipp von Hessen. (P. Stalin: Georg, Graf von Würtemberg-Mömpelgard. In: ADB. 8. 1878. S. 709).

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mann und Freund, der damals in Basel tätige, nachmals berühmte Rechtsgelehrte Claudius Cantiuncula (geb. zwischen 1490 und 1499, gest. um 1560) der Überbringer der Luther-Texte war, muss vorderhand offen bleiben.13 Auch auf die Frage, welche Luther-Schriften denn Pater Wolfgang 1518 gelesen und für gut befunden hat, geben die Widmungsbriefe keine Antwort. Man wird es von ihnen auch nicht erwarten dürfen. Sie stammen, sieht man von dem dem Augsburger Rat zugedachten Matthäuskommentar14 von 1544 ab, alle aus der Berner Zeit und damit aus einem konfessionspolitischen Kontext, in dem der Rekurs auf Luther unerwünscht war. Dass er als junger Mann überhaupt die Freiheit hatte, sich gleich zu Beginn ihrer Wiedergeburt die evangelische Wahrheit zu eigen zu machen {in primordijs renascentis Evangelicae veritatis: das ist die Sprache des Humanismus!), dass er als Lutheranus monachus vor dem Zugriff des Bischofs von Metz geschützt war, dass er den Bauernkrieg unversehrt überstand, dies alles verdankte er der Protektion des kurpfälzischen Klostervogts Reinhard von Rotenburg. Musculus hat es 1560 in der Widmung seines Hauptwerkes, der >Loci communesVon der jetzigen entpörung im Reich etliche kurtze Gespräch< ohne Ortsangabe hat erscheinen lassen.

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Der Schmalkaldische Krieg, die Niederlage der Protestanten und deren Folgen haben nicht nur in seinem Leben, sondern auch in seinem Werk tiefe Spuren hinterlassen. Eine ist besonders augenfällig und bewegend. Der Exeget Musculus, der die Schrift aus der Schrift verstanden wissen wollte, dessen dogmatische und ethische Erwägungen auf sorgfältigen Ermittlungen zur Textgestalt und zum historischen Schriftsinn beruhten, der sich mit der altkirchlichen, mittelalterlichen, jüdischen und zeitgenössischen Auslegung auseinandersetzte, 24 dessen Kommentare aus all diesen Gründen einen stattlichen Umfang annahmen - Musculus hat 1547 einen Torso vorgelegt: den Johanneskommentar; sein dritter Teil ist viel schmaler als die beiden andern. Der Grund dafür, schreibt Musculus in einem kurzen Nachwort, seien die schweren, unruhigen Zeiten, die ihn zur Eile getrieben hätten; es folgt ein an Christus, unsern einzigen Herrn und Heiland, gerichtetes Gebet um Frieden für seine Kirche. 25 Am 26. Juni 1548 beugte sich der Augsburger Rat dem Interim. Musculus machte wahr, was er für diesen Fall angekündigt hatte, und kehrte der Stadt gleichentags aus Protest den Rücken. Zum zweiten Mal in seinem Leben machte er sich auf die Flucht. Die Stationen - Lindau, Konstanz, Zürich, Basel, wiederum Konstanz, dann St. Gallen, nochmals Zürich, schliesslich Bern - nehmen sich wie Relikte auf der Landkarte der schweizerisch-oberdeutschen Reformationsbewegung aus. Es war eine zum Teil dramatische Flucht, besonders in jener Phase, als der Vater seiner Frau und seinen neun Kindern nach Konstanz entgegeneilte und diese, nachdem er dort zweimal gepredigt hatte, vor den heranrückenden kaiserlichen Truppen gerade noch in Sicherheit zu bringen vermochte. Margaretha erkrankte unterwegs schwer und bedurfte in St. Gallen längerer Pflege. Ihr Zweitjüngster war erst zweijährig, und inzwischen hatte sie ein weiteres Kind geboren;

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Vgl. Paul Gerhard Langenbruch: Schriftverständnis und Schriftauslegung bei Wolfgang Musculus. Magisterschrift. Vervielfältigtes Typoskript. Göttingen 1969. Commentariorum in Evangelistam Ioannem heptas prima. Basel 1545; heptas altera, item tertia et postrema. Basel 1547. Ex.: Bern Stadt- und UB. 2° L.95a und C.55. Die Erklärung der Kapitel 1 bis 7 umfasst 449 Seiten, diejenige der Kapitel 8 bis 14 343 Seiten und diejenige der letzten sieben Kapitel 129 Seiten. Der erwähnte Vermerk und das Gebet finden sich auf S. 474 des zweiten Bandes: Hadems, lector optime, brevius quidem quam propositum erat, quae occurrerunt annotavimus: fusiora tè plura daluri, tiisi Germaniam nostram, tè multorum piorum spiritum, ßagellum Dei bellicis motibus, Anno hoc 1547. & praecedenti turbasset. Utere interim paucis istis Annotatiunculos ad Gloriam Christi, & aedificationem ecclesiae, donec largiora divini spiritus fluenta, & maior Germaniae nostra serenitas divino benefìcio concedantur. Ad Christum unicum nostrum Dominum ac Servatorem Promissam pacem tua nunc Ecclesia Christe, Insano mundi turbine pressa petit. Evigila tandem, ßuctus compesce furentes Fac tibi non pereant, quos pater ipse dedit.

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es ist entweder noch in Augsburg oder dann auf der Flucht zur Welt gekommen.26 Seit April 1549 wirkte Musculus, nachdem er einen Ruf des Rates angenommen hatte, als Professor der Theologie an der Berner Hohen Schule. Er konzentrierte sich nun auf seine Professur, predigte nur noch selten, stand aber seiner Kirche in den theologischen Konflikten und konfessionellen Spannungen der Zeit als Berater und Vermittler bei.27 Wahrscheinlich ist nach der Flucht noch ein - wenn man es so nennen darf - Umzug erfolgt; mehrere umfangreiche Manuskripte gelangten jedenfalls unversehrt nach Bern;28 vielleicht hatte Musculus am neuen Ort auch seine grosse Bibliothek zur Hand.29 Kennzeichnend für Musculus' zweite Lebenshälfte sind vor allem zwei Beobachtungen. Erstens: Versteht man unter dem >Werk< eines Menschen nicht nur sein literarisches Œuvre, dann werden Leben und Werk in Musculus' Fall nun mehr und mehr deckungsgleich. Er stellt sein Leben ganz in den Dienst der Reformation: einerseits als Reformator in der Stadt Augsburg, im Spannungsfeld zwischen Bern und der Calvin-Stadt Genf und auf europäischer Ebene, andererseits als Theologe auf den Gebieten der Patristik, der Exegese, der Dogmatik. Zweitens: Musculus hat 1548 die Stadt Augsburg zwar verlassen; innerlich losgekommen ist er von ihr aber lange nicht. Fast alle seine Gelegenheitsschriften aus der ersten Berner Zeit haben Augsburg, haben seine ehemalige Gemeinde zur Adressatin. Widmungsbriefe erübrigen sich. Ist Musculus ungern nach Augsburg gezogen, so ist er unfreiwillig von dort weggegangen. Die Stadt verlangte nämlich nicht nur viel von ihm - was auch umgekehrt galt - , sie bot ihm auch einzigartige 26

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Das jüngste Kind hiess Heinrich. Sein Geburtsjahr dürfte nicht, wie es die Überlieferung will, 1549 sein; denn Musculus liess seine Frau im Juni 1548 mit acht Kindern in Augsburg zurück und und teilte dem St. Galler Reformator Vadian bereits am 8. August brieflich mit, er habe neun Kinder. 1549 wird nicht das Geburts-, sondern das den ausserordentlichen Umständen der Flucht entsprechende Taufdatum sein. Heinrich dürfte Bullinger zum Paten gehabt haben und nach diesem benannt worden sein: Im Oktober 1549 widmete Musculus ein Exemplar seiner lateinischen Ausgabe der griechischen Kirchenhistoriker Heinrich Bullinger, seinem lieben Taufpaten (compatri suo charissimo). ZYNO^FII (Anm. 3) S. 37; Vadianische Briefsammlung. Hg. v. Emil Arbenz, Hermann Wartmann. St. Gallen 1908. Bd. 4. S. 742, Nr. 1620; das Widmungexemplar der Ecclesiasticae historiae autores: Zürich ZB. 2° Dr M 436. - Alle sechs Söhne des Ehepaars Musculus sind in den bernischen Kirchendienst eingetreten. Von den (vermutlich) drei Töchtern ist einzig Esther bekannt; sie verheiratete sich 1553 mit dem Theologen Valentin Rebmann (Ampelander) und begründete mit diesem eine bedeutende Pfarrer- und Gelehrtenfamilie. Vgl. dazu in diesem Band Marc van Wijnkoop Lüthi: Wolfgang Musculus in Bern (1549-1563). S. 281-298. Darunter der zu zwei Dritteln fertiggestellte Psalmen- und der abgeschlossene Römerbriefkommentar, wahrscheinlich auch die Übersetzung der Werke Gregors von Nazianz, die 1550 bei Herwagen erschien. Wann die Ausgabe der Griechischen Kirchenhistoriker bei Froben in Druck ging, entzieht sich meiner Kenntnis; das Vorwort datiert vom 11. Juli 1549. Nach der Genealogie von Johann Rudolf Gruner (Bern Burgerbibliothek. Mss. hist. helv. VIII 9. S. 496) wurde Musculus am 25. März 1549 eine Zollfreyung ertheilt.

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Möglichkeiten. Zu denken ist beispielsweise an den kostspieligen Ankauf alter Kirchenväterhandschriften von 1543/44, die aus dem Besitz des von den Türken vertriebenen Antonios Eparchos von Korfu stammten. Welcher Magistrat hätte sich von seinem Ersten Prädikanten davon überzeugen lassen, dass die Erwerbung dieser Codices nicht nur eine geschickte Kapitalanlage, sondern auch und vor allem eine sinnvolle geistige Investition darstelle?30 Musculus war freilich längst ein ausgewiesener Kenner der Materie. Schon Capito und Bucer hatten ihn 1531 als versierten Patristiker vorgestellt; mittlerweile hatte er, nachdem er bei Sixt Birk (1501-1554) Griechisch gelernt hatte, Johannes Chrysostomus (1539) und Basilius den Grossen (1540) ins Lateinische übersetzt; später folgten Cyrill von Alexandrien (1546), die griechischen Kirchenhistoriker (1549), Gregor von Nazianz (1550) und Athanasius (1556). Worin besteht nach Musculus der Sinn des Väterstudiums? Im programmatischen Vorwort zur funfbändigen Chrysostomusausgabe nennt er drei Gründe. 1. Das Väterstudium dient dem Verständnis der Bibel und wirkt dem eigensinnigen Streit über der Schrift entgegen. 2. Die Väter informieren über die ungesunden und gottlosen Lehren der alten Häretiker, die zu ihrer aktiven oder passiven Trennung vom einen Leib Christi gefuhrt haben. Die Thematik - Musculus erinnert an die Antitrinitarier - ist aktuell. 3. Das Väterstudium dient der Heiligung des Lebens und hilft die Schäden der Kirche beheben.31 Musculus versteht die Väter in reformatorischem Sinn; wenn er Basilius übersetzt, dann tut er es in der Hoffnung, dessen Regeln für das geistliche Leben seiner Zeit fruchtbar machen zu können.32 Worin besteht nun der Ertrag der Widmungsbriefe für Musculus' zweite Lebenshälfte? Ich beschränke mich auf drei Beispiele, die, jedes auf seine Weise, in dieser Beziehung besonders wertvoll sind. 1550 erschien der grosse Psalmenkommentar. Musculus widmete ihn aus Dankbarkeit dafür, dass dieser ihn an seine Hohe Schule berufen hatte, dem Berner Rat. Aber er wollte und musste auch nicht verschweigen, dass er den grössten Teil dieses Werkes der Augsburger Kirche verdankte. In der Tat war es bis zu Psalm 104 gediehen, als Musculus die Stadt verliess.33 Die Wendung >der Augs30

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Vgl. dazu in diesem Band Helmut Zäh: Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften für die Augsburger Stadtbibliothek 1543/44. S. 226-245. Opera D. Ioannis Chrysostomi. Basel 1539. Bd. 1. Bl. a3^ v . Ex.: Basel UB 2° FJ V.6-10. Irena Backus: Lectures humanistes de Basile de Césarée. Traductions latines (1439-1619). Paris 1990 (EAug, Sèrie >AntiquitéHistoria vitae et obitus clarissimi theologi D. Wolfgangi Musculi Dusani, S. Literarum apud Bernates professoris< in Basel gedruckt worden ist,4 wußte man

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Geboren in Augsburg 1534, gestorben in Bern 1591. Theodor Beza: Icones id est verae imagines virorum doctrina simul et pietate illustrium, quorum praecipue ministerio partim bonarum literarum studia sunt restituía, partim vera Religio in variis orbis Christiani regionibus, nostra patrumque memoria fuit instaurata [...] Genf, apud Johannem Laonium, 1580. (s. Frédéric Gardy unter Mitarbeit von Alain Dufour: Bibliographie des oeuvres théologiques, littéraires, historiques et juridiques de Théodore de Bèze. Genf 1960. S. 180-182, Nr. 338). Correspondance de Théodore de Bèze. Hg. v. A. Dufour, B. Nicoliier, R. Bodenmann. Genf 1996. Bd. XIX. S. 54. Die Vita bildet einen Teil eines größeren Werks unter der Bezeichnung lYNOTIX festalium concionum, authore D. Wolfgango Musculo Dusano, ejusdem vita, obitus, erudita carmina; item clarissimorum virorum in ipsius obitum Epicedia. Basel, Conrad Waldkirch, 1595;

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bereits, daß das Original dieses Textes von Abraham Musculus im Jahre 1564 geschrieben wurde. 5 Es war auch bekannt, und zwar spätestens seit des Erscheinens des dritten Bandes des Catalogus codicum mss. Bibliothecae Bernensis, der im Jahre 1782 von J.R. Sinner herausgegeben wurde, 6 daß die Burgerbibliothek in Bern eine handschriftliche Fassung dieser Biographie besaß (cod. 689), die aber nie auf ihr Verhältnis zum Text der gedruckten Vita hin untersucht worden ist. Diese Handschrift wurde der erwähnten Bibliothek im Jahre 1697 von einem Nachkommen namens Daniel Musculus 7 geschenkt. 8 Als einer der Herausgeber des Briefwechsels Theodor Bezas und durch den oben erwähnten Brief Bezas dazu veranlaßt, stieß ich auf das Original der ersten fur den Druck bestimmten Fassung dieser Biographie. Dieses Dokument wurde in der Sammlung Tronchin aufbewahrt, 9 und zwar als erstes Stück eines Sammelbandes, der die Signatur ms.Tr. 65 trägt. Es besteht aus zwanzig Blättern, die später mit roter Tinte von 3 bis 22 numeriert worden sind.10 Die rechten Randseiten der Blätter sind schwer beschädigt. Auf der Rückseite des Titelblattes befindet sich die Federskizze eines Porträts von Wolfgang Musculus, wahrscheinlich von der Hand seines Sohnes Abraham." Diese Sammlung geht bis auf Theodor Tronchin (1582-1657), ein Taufkind Theodor Bezas, zurück. Im Jahre 1607 heiratete Tronchin Theodora Rocca, die älteste Tochter Anna Taruffos. Letztere nannte man schon zur Lebzeiten Bezas »Mademoiselle de BèzeStudia Musculi< darstellen sollte.

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Ludwig Grote: Wolfgang Musculus: ein biographischer Versuch. Hamburg 1855. S. 102. Gräzisiert: Ampelander (gest. 1587); er wurde 1563 Professor der griechischen Sprache in Bern. Vgl. zu ihm Dictionnaire historique et biographique de la Suisse. Neuchâtel 1930. Bd. V. S. 401, Nr. 1. Ms.Tr. 65. Bl. 20'. Bezweifelt hatte sie nur kurze Zeit nach Grote Theodor Streuber: Wolfgang Musculus oder Müslin. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. In: Bemer Taschenbuch. Bd. IX. 1860. S. 62 - zu Unrecht, wie nun deutlich ist.

Wolfgang Musculus und das Benediktinische Mönchtum des ausgehenden Mittelalters und der Reformationszeit im südwestdeutschen Raum René Bornert

Wolfgang Musculus wurde 1497 im deutsch-französischen Grenzgebiet, im damaligen Dueze, dem heutigen Dieuze (département Moselle), geboren. Seine Muttersprache war der lothringische deutsche Dialekt. Musculus nannte sich nach seinem Geburtsort >Dusanusoboedientiaconversatio morum< und der >stabilitas loci< - die Benediktiner legen die Gelübde der Armut und der Ehelosigkeit nur implizite ab dann Theologiestudium als Vorbereitung auf das Priesteramt. Welche geistliche Tradition, welche sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, welche mitmenschlichen Beziehungen fand der junge Mönch in seiner klösterlichen Familie vor? Lixheim liegt in einem sprachlichen Grenzgebiet. Sein deutscher Name, der u.a. auch >LukesheimLuxheim< lautet, und die französischen Bezeichnungen >Lixin< oder >Lixim< kommen nach Augustin Calmet von >Luxa< oder >Lixe< und bedeuten so viel wie >Wassersalicae gentisMetensis urbis prefectusmonasteriolumpraeposituspars sanior< des Metzer Domkapitels auf Vorschlag des >primicerius< Albero von Montreuil zum Bischof von Metz gewählt. Er zögerte aber, diese Würde und Bürde anzunehmen und starb als einfacher Mönch 1119 in Cluny.7 Im 12. Jahrhundert wurde der Besitz von St. Georgen in Lixheim nicht weniger als viermal von Kaiser und Papst bestätigt, nämlich durch Kaiser Heinrich V. (1112), Papst Innozenz II. (1139), Kaiser Friedrich Barbarossa (1163) und Papst Alexander III. (1179). Noch 1354 wiederholte König Karl IV. die Bestätigungen seiner Vorgänger. 8

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Hans-Joseph Wollasch: Die Anfänge des Klosters St. Georgen im Schwarzwald. Zur Ausbildung der geschichtlichen Eigenart eines Klosters innerhalb der Hirsauer Reform. Freiburg i.Br. 1962; ders.: Die Benediktinerabtei St. Georgen im Schwarzwald und ihre Beziehungen zu Klöstern westlich des Rheines. Eine Skizze. In: Freiburger Diözesan-Archiv. 100 (FS Wolfgang Müller). 1980. S. 109-128. Zu Kaiser Heinrich V. vgl. Martin Gerbert: Historia Nigrae Silvae Ordinis Sancti Benedict! coloniae. St. Blasien 1788. Bd. 3 (Codex diplomaticus). S. 286-291, Nr. 225; Karl Friedrich Stumpf-Brentano: Die Kaiserurkunden des X., XI. und XII. Jh. Innsbruck 1865ff. Bd. 2. S. 255, Nr. 3026 und S. 261, Nr. 3088; Hermann Kuhn: L'ancienne abbaye Notre-Dame de Lixheim. In: Mémoires de la Société d'archéologie lorraine. Seconde série. 1868. Vol. 10. S. 95. Zu Papst Innozenz II. vgl. M. Gerbert (s.o.) Bd. 3. S. 72-74, Nr. 48; Wirtembergisches Urkundenbuch. Stuttgart 1858. Bd. 2. S. 10-12, Nr. 311; PL. 179. Sp. 437-439; Phillip Jaffé, Wilhelm Wattenbach: Regesta pontificum romanorum. Leipzig 1885. Bd. 1. S. 887, Nr. 7987 (5700); H. Kuhn (s.o.) S. 99f. Zu Kaiser Friedrich Barbarossa vgl. RI. IV,2. S. 166, Nr. 1214. Zu Papst Alexander III. vgl. Karlsruhe General-Landesarchiv. Kopialbücher von St. Georgen Bd. 6 S. 15-20 (Handschriften); Wirtembergisches Urkundenbuch (s.o.) Bd. 2. S. 10-12, Nr. 311; J. D. Schöpflin (Anm. 5) Bd. 1 S. 266f, Nr. 322; PL. 200. Sp. 1216-1219; Ph. Jaffé, W. Wattenbach (s.o.) Bd. 2 S. 342, Nr. 13342; H. Kuhn (s.o.) S. lOOf; Dagobert Fischer: Die

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2. Klösterlicher Material- und Personalbestand Der ursprüngliche Besitz nahm nach und nach etwas zu. Die Grundherrschaft und Gerichtsbarkeit des Priorats oder besser der Abtei St. Georgen erstreckte sich auf Lixheim selbst, Arzweiler (Arzviller), Bickenholz, Brauweiler, Fleisheim, Helleringen (Hellering-les Fenetrange). Weiter gelegenen Besitz hatte das Priorat in Berlingen (13. Jahrhundert) sowie einen Hof in Bütten (bis 1314).9 Im Elsass hatte es Besitz oder Zinse in Neuweiler (1163), Eckartswiller (1399, 1404), Zabern (1389, 1406, 1411).10 Rechtlich gehörte dieser Besitz unmittelbar der Abtei St. Georgen und wurde von dieser mittelbar dem Priorat Lixheim übertragen. Die umliegenden Dörfer wie Brauweiler, Fleisheim und Helleringen wurden vom Kloster aus als abhängige Pfarreien betreut. Hier versah Musculus als junger Priester seinen ersten Predigerdienst. Im 16. Jahrhundert verwaltete das Priorat noch die Pfarreien von Rode (Roth: abgegangener Ort, nördlich vom heutigen Saint-Louis) sowie von Eywiller im Landkapitel von Bockenheim (Sarre-Union) und diejenigen von Mittersheim und Domnon im Landkapitel von Vergaville." Das ländliche, am Westhang der nördlichen Vogesen gelegene Kloster Lixheim wurde trotz seines adeligen Ursprungs von den Metzer benediktinischen HochKlöstern Saint-Vincent und Saint-Arnould mit Geringschätzung behandelt. Als im Jahre 1142 der Prior von Lixheim den Bischof Stephanus von Bar um einige Reliquien der Diözesanheiligen Legontius, Viktor, Sperus und Appricia für sein Klösterlein anging, wurde er von seinen Mitbrüdern in Metz hintergangen und musste mit leeren Händen in sein Kirchlein zurückkehren. 12

ehemalige Abtei und die Stadt Lixheim. Mulhouse 1865 (SA des Elsässischen Samstagsblattes). S. 5. Zu Karl IV. vgl. M. Gerbert (s.o.) Bd. 3. S. 286-291. 9 Die alten Territorien des Bezirkes Lothringen. Strassburg 1898. Bd. 1. S. 157 (Berlingen), S. 198 (Bütten), S. 200 (Geroldingen). Bd. 2. S. 232-234 (die Güter des ehemaligen Priorates Lixheim: Lixheim, Arzweiler, Bickenholz, Brauweiler, Fleisheim, Helleringen), S. 144 (Eckartsweiler), S. 331 (Dordal), S. 352 (Sarraiben). S. auch Das Reichsland Elsass-Lothringen (Anm. 4) unter Arzweiler, Brouviller/Brauweiler, Fleisheim, Helleringen, Lixheim. 10 Vgl. J. D. Schöpflin (Anm. 5) Bd. 1. S. 254f, Nr. 308; H. Kuhn (Anm. 8) S. 103f; Strassburg ADBR. G 1003 (la); Strassburg ADBR. G 1003 (3); Strassburg ADBR. Inventaire analytique du fonds de la régence épiscopale de Saverne. Masch. Strassburg 1978. Serie 1 G. Nr. 310, 427, 699. S 668, 682, 708; H. Kuhn (Anm. 8) S. 22; D. Fischer (Anm. 8) S. 6. Vgl. ausserdem Strassburg ADBR. H 25, 3 und 3a. " Nicolas Dorvaux: Les anciens pouillés du diocèse de Metz. Nancy 1902 (Mémoires de la Société d'archéologie et d'histoire de la Moselle. 18). S. 61, 64f, 91. 12 Abschriften des 17. Jh.: Metz ADM. H 196, J 835; Les actes des évêques de Metz (1129-1179). Hg. v. Michel Parisse. Nancy 1966. S. 114f, Nr. 55; Actes des princes lorrains. 2e série: Princes ecclésiastiques. I. Les actes des évêques de Metz B. Etienne de Bar (1120-1162). Hg. v. Michel Parisse. Nancy 1980. S. 130f, Nr. 56; H. Kuhn (Anm. 8) S. 98f.

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Gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts zerfiel der Konvent in zwei verfeindete Parteien. Die Lage wurde brenzlig, denn die Mönche benützten nicht nur Verteidigungswaffen wie Schild, Harnisch und Panzerhemd, sondern auch Angriffswaffen wie Schwert, Lanze, ja sogar Feuergewehre.13 Der Abt von St. Georgen musste persönlich eingreifen, um eine Einigung zwischen den Parteien zu erreichen. Diesem bedauerlichen Missstand verdanken wir immerhin Dokumente, die uns einen tieferen Einblick in die psycho-sozialen Verhältnisse der Kommunität gewähren. Sie lassen drei Feststellungen zu.

a) Der Abt von St. Georgen im Schwarzwald ist der Oberherr des Priorats Lixheim Er ist oberste Instanz sowohl in weltlichen als auch in geistlichen Angelegenheiten, und dies seit der Gründung aufgrund kaiserlichen und päpstlichen Rechts. Der Abt von St. Georgen war geistlicher Vater der Mönche, Inhaber der kirchlichen Jurisdiktion für die Ernennung der Leutpriester in den abhängigen Pfarreien, Grundherr und Gerichtsherr im vom Kloster abhängigen Gebiet. Lixheim mit seinen zugehörigen Dörfern bildete ein kirchlich-feudales Fürstentum. Die Vogtei - das Recht, die weltliche Grundherrschaft und Gerichtsbarkeit auszuüben wurde je nachdem den Herren von Finstingen oder den Grafen von Lützelstein (La Petite-Pierre) übertragen. So konnte es auch geschehen, dass Lixheim territorial zur Grafschaft Lützelstein gezählt wurde. b) Vor Ort wird der Abt von St. Georgen durch einen Prior vertreten Der Prior seinerseits wird von einem Propst (>praepositusprior< war der erste, der >praepositus< der

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Armis potique offensionis quam defensionis. Quellenverweise: vgl. H. Kuhn (Anm. 8) S. 109; Metz ADM. H 3899/2 (Original); Franz Joseph Mone: Beiträge zur elsässischen Geschichte in ihren Verhältnissen zum rechten Rheinufer. Vom 9. bis 15. Jh. In: ZGO. 6. 1855. S. 421-440, dort S. 426f; Metz ADM. H 3899; Franz Joseph Mone: Urkunden über Lothringen. In: ZGO. 14. 1862. S. 398-427, dort S. 410f. Kassius Hallinger: Gorze-Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter. Rom 1950f. Bes. S. 757, 953; ders.: Consuetudinum saeculi X/XI/XII monumenta non cluniacensia. In: CCMon. 7,3. 1984. S. 11, 113; Lin Donat: Vie et coutume monastique dans la Vie de Jean de Gorze. In: L'abbaye de Gorze au X e siècle. Hg. v. Michel Parisse, Otto Gerhard Oexle. Nancy 1993. S. 159-182.

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zweite Vertreter des Abtes. Der Prior wurde gewöhnlich von den Brüdern in Lixheim gewählt, dem Abt von St. Georgen vorgeschlagen und erhielt von diesem seine rechtskräftige Ernennung.

c) Zuerst sieben, dann zwölf Mönche (1265) Die ursprüngliche Zahl von sieben Mitgliedern des Konvents wurde 1265 von Abt Diethmar von St. Georgen auf zwölf erhöht und begrenzt.15 Der Vertrag von 135316 gewährt Einblick in die geographische Herkunft der Mönche und die europäische Dimension ihrer Kommunität. Die Brüder kommen sowohl aus Lothringen (Sarraiben, Saarwerden, Romelfingen) als aus dem Elsass (Geudertheim, Gugenheim, Rosheim). Unter ihnen befindet sich sogar ein >SchwobDie Geschichte des glorreichen Feldzuges des Herzogs Anton von Lothringen gegen die gottlosen und verführten LutheranerDe votis monasticis iudicium< (1521) hatte eine regelrechte Fahnenflucht zur Folge. Bereits 1522 hatte der Strassburger Drucker Herwagen einen Neudruck der Wittenberger Erstausgabe veröffentlicht, noch unter dem angeblichen Jahr 1521.35 Im Juli 1522 trat Ambrosius Blarer (1492-1564) aus dem Kloster Alpirsbach aus, und am 21. März 1524 gratulierte der Abt Ulrich Hamma von Alpirsbach Thomas Blarer, dem Bruder von Ambrosius, zur Hochzeit; er weigerte sich freilich, seinen Mönchen zur Ehe zur verhelfen. 36 Zwischen dem 25. Juli und dem 6. September 1525 verliess der Hugshofer Abt Paul Volz seine klösterliche Stille im Weilertal und zog

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2 Y N O T I I (Anm. 20) S. 10. Archangelus Sieffert: Altdorf. Geschichte von Abtei und Dorf. Strassburg-Koenigshoffen 1950. S. 126f. Joseph Benzing: Bibliographie strasbourgeoise. Bibliographie des ouvrages imprimés à Strasbourg (Bas-Rhin) au XVI e siècle. Baden-Baden 1981 (Bibliotheca bibliographica Aureliana. Bd. 80). Bd. 1. S. 194, Nr. 1109. Ambrosius Blarer rechtfertigte seinen Austritt aus dem Kloster in einer 1523 erschienenen Flugschrift >Warhafft Verantwortung Ambrosij Blaurer an aynen ersamen weysen Rat zu Costentz, anzaygen warumb er auss dem kloster gewichen, und mit was geding er sich widerumb hynein begeben wöllcoenaAlemaniaexabbasabbas< wieder auf. Philibert Schmitz: Histoire de l'Ordre de Saint-Benoît. Maredsous 1948. Bd. 3. S. 3.

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schwere Schäden zu, so dass sie verarmten. Noch unheilvoller aber wirkte sich das Verflochtensein mit dem Feudalsystem aus, durch das manche Klöster ihre religiöse Existenz einbüssten. Sie wurden Adelsinstitute, die ein Territorium verwalteten; die >monasteri nobilia< Hessen nur Adelige zu. Die Klosterämter wie die Abtswürde wurden als Pfründen vergeben, der Adel betrachtete diese Klöster als Versorgungsanstalten seiner Kinder. Für viele Klöster wirkte sich die Isolierung unheilvoll aus. Die geistlichen und weltlichen Herren, denen das Schutzrecht zukam, vernachlässigten dieses oder missbrauchten es sogar. Ein Übelstand waren auch die vielen kleinen Priorate und Zellen«39. Am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts war das benediktinische Mönchtum an einem vorher noch nie erreichten Tiefstand angelangt.

2. Konkrete Beispiele aus der Lokalgeschichte Die Missstände dürfen weder verallgemeinert noch übertrieben, sie können aber auch nicht bagatellisiert werden. Über den Abt Franziscus Laesura (1519-1524) in Maursmünster sagt die vom späteren Abt Plazidus Schweigheuser verfasste Hauschronik, er habe »in seinem Leben nichts besseres getan als zu sterben«40. Eine bischöfliche Vorschrift für das adelige Stift Eschau (canton Geispolsheim) von 1476 besagt, wenn eine Klosterfrau sich vergessen habe, so solle die Frucht ihrer sündigen Liebe nicht in Eschau, sondern in einem Nachbardorf erzogen werden.41 In seiner eindringlichen Synodalrede vom 18. April 1482 mahnte der berühmte Strassburger Münsterprediger Geiler von Kaysersberg (1445-1510) den Bischof Albrecht von Bayern (1478-1506): »Was müsste ich erst sagen, wenn ich von dem Verkehr der Männer in Frauenklöstern und dem der Frauen in Männerklöstern reden sollte, der die Schuld an dem verabscheuungswürdigen Morde noch ungeborener Kinder trägt« 42 . Die klösterliche Lokalgeschichte stimmt mit der allgemeinen Ordensgeschichte überein. Wie konnte es soweit kommen?

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Stephan Hilpisch: Benediktiner. In: 2. Aufl. LThK. 2. 1958. S. 184-192, hier S. 188. Placidus Schweigheuser: Catalogus abbatum monasterii Sancti Martini in Maursmunster. 1752. Strassburg BNU. Ms 593. S. 186: nil nisi moriendo recte fecit. Strassburg ADBR. G 1576 (Nr. 7), G 1599 (Nr. 8); Francis Rapp: Réformes et réformation à Strasbourg. Eglise et société dans le diocèse de Strasbourg (1450-1525). Paris 1974 (Association des publications près les Universités de Strasbourg. Collection de l'Institut des Hautes Etudes alsaciennes. 23). S. 342. Max Sdralek: Die Strassburger Diözesansynoden. Strassburg, Freiburg i. Br. 1894. S. 67.

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3. Hauptursachen des Niedergangs: Das Mönchtum verkennt die zunehmende »Säkularisierung« der Gesellschaft und die wachsende Bedeutung der Laien für die Kirche Die soziologische Analyse der Ordensgeschichte zeigt allgemein, dass eine klösterliche Institution eine Lebensdauer von 250 bis 300 Jahren hat: nach einem 50jähriger Aufstieg, einer Phase des Suchens, der Inkubation und der Institutionalisierung, hält sie sich während 100 bis 150 Jahren auf gleichmässiger Höhe, um schliesslich einen langsamen Niedergang von einem halben Jahrhundert zu erleben. Der Zyklus endet mit der Auflösung, wenn nicht eine charismatisch begabte Persönlichkeit die Bewegung wieder ankurbelt.43 Das früh- und hochmittelalterliche Mönchtum war der Kirche und Gesellschaft seiner Zeit angepasst. Aber als Institution war es nicht fähig und zu träge, um die spätmittelalterlichen sozio-kulturellen Tendenzen zu deuten, geschweige denn sich ihnen anzupassen. Das spätmittelalterliche Mönchtum hat das Phänomen, das man heute >Säkularisation< oder >Säkularisierung< nennt, nicht verstanden. Dieser Prozess bedeutet nicht notwendigerweise die Abkehr von Gott, sondern die Loslösung menschlicher Bereiche und Aktivitäten aus der sakralen Sphäre. Die frühmittelalterliche Gesellschaft war noch archaisch, insofern die Religion integrierender Faktor war. Der Abt von St. Georgen war sakraler Würdenträger, politischer Grundherr, Leiter der ganzen klösterlichen Marktwirtschaft, Inhaber der hohen und niederen Gerichtsbarkeit. Das war für heutige Begriffe etwas zu viel. Nach und nach haben sich weite Bereiche individueller und sozialer Lebenswirklichkeit von dieser kirchlichen und klösterlichen Obhut gelöst.

a) Das politische Erwachen der Städte im 12./13. und der Dörfer im 14./15. Jahrhundert Stadtrechte werden neu geschrieben oder entworfen. Die Rechte der städtischen Klöster werden eingeengt, diejenigen der Bürgerschaft erweitert. Die Landgemeinden folgen im 14./15. Jahrhundert. Die alten Dinghofrödel werden, meist mit Hilfe des Leutpriesters, neu formuliert. Die Landleute wollen keine >Gotshuslit< - Gotteshausleute - mehr sein. Sie beanspruchen das Recht, als >ehrbarefamilia< unter dem paternalistischen Krummstab folgt die >communitas< oder die >universitas civiumÜber die Gelübde< in den >Loci communes< (1560). Das Thema bedürfte einer eigenen Untersuchung, bei der auch die >Nachfolgeperikopen< in den Evangelienkommentaren zu berücksichtigen wären. Ich beschränke mich auf einige Beobachtungen.

1. Kein »antimönchischer Affekt« Unter einem »antimönchische[n] Affekt«, wie Walter Nigg ihn bei Luther feststellte,54 litt Wolfgang Musculus nicht. Er musste im Unterschied zu Luther auch nicht »in einem sühnenden Selbstbekenntnis mit seiner eigenen Möncherei abrechnen« 55 . Musculus distanzierte sich unmissverständlich vom mittelalterlichen Mönchtum. Aber er blieb dabei objektiv und nüchtern. Das mag mit seinem persönlichen Charakter zusammenhängen. Das kann auch daher kommen, dass Musculus als Reformator der zweiten Generation kein Kampfwerk publizieren musste, sondern seinen Studenten Luthers Sicht der Dinge vermitteln konnte. 52

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Martin Bucers deutsche Schriften. Bd. 1: Frühschriften 1520-1524. Hg. v. Robert Stupperich. Gütersloh, Paris 1960. S. 143. WA. 8. 1889. S. 564-669. Weitere Literatur zu Luthers Stellung zum Mönchtum: René H. Esnault: Le »De votis monasticis« de Martin Luther. In: ETR. 31. 1956. Nr. 1. S. 19-56, Nr. 3, S. 58-91; Bernhard Lohse: Luthers Kritik am Mönchtum. In: EvTh. 20. 1960. S. 413-432; Bernhard Lohse: Mönchtum und Reformation. Luthers Auseinandersetzung mit dem Mönchsideal des Mittelalters. Göttingen 1963; René H. Esnault: Luther et le monachisme aujourd'hui. Lecture actuelle du De votis monasticis judicium. Genève 1964 (Nouvelle série théologique. 17). Walter Nigg: Vom Geheimnis der Mönche. Zürich 1953. S. 18. WA. 8. S. 565.

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2. Musculus und Basilius der Grosse In seiner Vorrede zu den Werken des hl. Basilius des Grossen56 drückt Wolfgang Musculus seine Hochschätzung für die asketischen Schriften des Kirchenvaters und Mönchslehrer aus, und dies aus drei Gründen: Erstens wollen sie die Menschheit nicht drillen, sondern zur inneren, wahren Frömmigkeit erziehen. Zweitens fuhren sie auf Grund der Schrift zu einem echt evangelischen Leben. Drittens stellen sie die Person des Herrn und Erlösers aus einer Haltung frommer Verehrung heraus dar und fordern zur persönlichen Nachahmung Christi auf. Das Herzstück evangelischen Mönchtums ist also die >Imitatio Christipietatis a;i(f||J.aÜber die Klostergelübde< der >Loci communes< (1560)57 folgt Wolfgang Musculus im allgemeinen den Thesen, die Martin Luther in seinem Traktat >De votis monasticis iudicium< formuliert hatte; er tut dies jedoch mit einigen persönlichen Akzentuierungen. Gelübde an sich sind gut und von frommen Männern und Frauen stets beachtet worden. Aber sie wurden durch Mönchtum und Götzendienst bis zur Unkenntlichkeit verfälscht. Die monastischen Gelübde stehen nämlich zum Grundgelübde der Taufe in Widerspruch. Sie unterteilen die Getauften grundlos in zwei Klassen: die Allgemeinchristen, die nur die Gebote zu halten haben, und Elitechristen, für die auch die evangelischen Ratschläge verbindlich sind. Zudem fuhren die Gelübde in der Praxis zu pharisäischer Heuchelei und Scheinheiligkeit. Die klösterliche Armut sei bloss eine formale Armut; auch wenn der Mönch keinen persönlichen Besitz habe, so fehle es ihm in seinem begü56

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Wolfgang Musculus: Opera D. Basilii Magni Caesariae Cappadociae Episcopi omnia [...]. Basel 1540. Bd. 1. S. a2v-a3r. Ex.: Basel UB. F.K.VII.3. Wolfgang Musculus: Loci communes in usus sacrae Theologiae [...]. Basel 1560. S. 724-738. Ex.: Strassburg BNU. E 13 122.

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terten Kloster doch an nichts! Der Gehorsam sei zuerst Gott und dann der von Gott bestellten Obrigkeit zu leisten. Hinsichtlich des Zölibats stellt er fest: Est enim [virginitas] carni impossibilis, nisi singulari dono Dei possibilis fiat5*. Das Gelübde aber mache aus dem Rat der Ehelosigkeit ein Gebot. So führe dieses Gelübde zu innerem Zwang, ja sogar zu psychischen Schäden, oder es werde auf heuchlerische Weise übertreten. Das Insistieren auf dem Problem der Ehelosigkeit scheint zu zeigen, dass Musculus auf diesem Gebiet besondere Probleme gehabt hat. Schliesslich verfuhren die klösterlichen Gelübde zur Werkheiligkeit. Menschen glauben durch ihr persönliches Verdienst ihr Heil selbst erwirken zu können. So stünden die Gelübde zum reinen Evangelium in Widerspruch.

4. Unterschiede zwischen Musculus und Luther Luther behauptet, die Gelübde seien wider den Glauben, die Liebe und die christliche Freiheit. Musculus hebt die Liebeswidrigkeit und die Freiheitswidrigkeit der Gelübde hervor, spricht aber nicht von ihrer Glaubenswidrigkeit. Warum? Die Frage bleibt offen. Aufgrund seiner monastischen Vergangenheit unterstreicht Musculus die Werkheiligkeit der klösterlichen Observanz. Diese sei aus zwei Gründen verwerflich: sie mache aus einer menschlichen Satzung ein Gebot Gottes; und sie gebe vor, das Heil beruhe nicht auf dem Verdienst Christi, sondern auf der frommen Leistung. Für Musculus ist das Problem nicht so sehr ein existentielles wie für Luther, sondern eher eine Frage der reinen Lehre. Musculus äussert sich zu den Klostergelübden aus einer gewissen Distanz. Luthers Sicht der Dinge erscheint ihm im wesentlichen als Lehrmeinung. Soviel ist der Einleitung zur Basilius-Übersetzung und den >Loci communes< über die Haltung zu entnehmen, die der reife Musculus dem Mönchtum gegenüber eingenommen hat. Zur Frage nach den Gründen, die 1527 zu seinem Austritt aus dem Kloster gefuhrt haben, lässt sich vorderhand wenig Gesichertes sagen. Ausschlaggebend dürfte der Einfluss Martin Luthers gewesen sein. Seit 1518 stand der lothringische Benediktiner unter dem Einfluss des ehemaligen Wittenberger Augustinereremiten. Die Reformation erreichte Lixheim im Vergleich zum damaligen südwestdeutschen Raum also relativ früh. In Strassburg beispielsweise begannen Matthäus Zell und Symphorian Pollio erst im März 1522 das reine Evangelium zu verkündigen. Die neue Lehre gewann in der elsässischen Reichsstadt erst mit der Ankunft von Wolfgang Capito im März und von Martin Bucer 58

W. Musculus: Loci communes (Anm. 57) S. 736.

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Mitte Mai 1523 an Bedeutung. A. Girardin 59 behauptet, leider ohne Beleg, sein Freund und Landsmann, der spätere Rechtsgelehrte Claudius Cantiuncula (Claude Chansonette) habe Musculus Abschriften von Luther-Schriften zukommen lassen. Nun ist diese These nicht unproblematisch, da der erasmianisch gesinnte Cantiuncula Basel 1524 wegen der aufkommenden Reformationsbewegung verliess und zeitlebens katholisch geblieben ist. In den Jahren 1525 bis 1535 verwaltete er als Kanzler des Bischofs von Metz das unweit von Lixheim gelegene bischöfliche Territorium von Vic-sur-Seille. 60 Hat Cantiuncula wirklich an Luthers ersten Schriften Interesse gezeigt und sich nachher von der evangelischen Bewegung abgewendet? Diese Frage, die Frage nach der Beziehung, die zwischen Cantiuncula und Musculus zweifellos bestand, und die Frage, auf welchem Weg Musculus mit den Schriften Martin Luthers in Berührung kam, bedürfte einer gründlicheren Untersuchung. Mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit darf angenommen werden, dass der Lixheimer Benediktiner sich mit Luthers Traktat >De votis monasticis iudicium< schon bald nach dessen Erscheinen befasst hat. Wie er auf ihn damals gewirkt hat, entzieht sich vorderhand unserer Kenntnis. Offenbar erlebte Musculus sein monastisches Leben mehr und mehr als Zwang. Die Gnade Christi, die das Heil als Geschenk gewährt, brachte ihm die innere Befreiung. Vielleicht wurde Musculus die Klostergemeinschaft mit der Zeit zu eng, konnte er in ihr seine literarischen, musikalischen und religiösen Bedürfnisse nicht mehr stillen?61 Die Eile, mit der Wolfgang die Nichte des neuen Priors Brisacius, Margaretha Barth, zur Ehefrau nahm, mag auch ein Hinweis darauf sein, dass er das Zölibat innerlich nicht wirklich assimiliert hatte. Schon am 27. Dezember 1527, unmittelbar nach ihrer Ankunft in Strassburg, wurden beide öffentlich in der Kirche Alt Sankt Peter durch Theobald Niger (1484/1485-1561) getraut. Die lothringische antiprotestantische Tradition vergleicht Margarethas Einfluss auf Wolfgang dem Einfluss, den Gretchen auf Faust vor dessen abenteuerlicher Lebensphase hatte. Das ist doch wohl eine Übertreibung. Aber die allzu grosse Beachtung, die Musculus dem Gelübde der Ehelosigkeit schenkte, und seine immerhin neunfache Vaterschaft scheinen darauf hinzudeuten, dass er eine zu starke Vitalität besass, um das klösterliche Zölibat problemlos halten zu können.

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A. Girardin (Anm. 21) S. 4. S. Guido Kisch: Claudius Cantiuncula. Ein Basler Jurist und Humanist des 16. Jh. Basel 1970 (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel. Bd. 19). Bes. S. 23-37, 114: »Bekanntlich ist Cantiuncula dem Katholizismus treu geblieben.«. F. A. Chevrier (Anm. 27) S. 97f: [...] Musculus étudiant la Religion des Protestants, résolut de l'embrasser; ce qu'il fît effectivement, moins par raison que dans la vue de remplir des désirs trop vastes pour un moine.

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Vielleicht spielte beim Austritt aus dem Kloster auch eine gewisse soziale Diskrepanz mit? Auf welcher Seite stand im Bauernkrieg der Küferssohn, der als Mitglied einer kirchlichen Grundherrschaft zu den Besitzenden und Ausbeutenden gezählt wurde? Eine persönliche Klärung war fällig! Schliesslich sei an zwei Motive erinnert, von denen schon die Rede war. Wie seine Mitbrüder, Paul Volz (ca. 1480-1544) und Ambrosius Blarer, ist Wolfgang Musculus als Humanist in das Benediktinerkloster eingetreten. Alle drei haben in der Folge den Schritt vom Humanismus zur Reformation getan, und alle drei nahmen in der protestantischen Kirche eine ähnliche Position ein. Dies ist das eine. Das andere: In den von Abt Theoger gegründeten Klöstern hatte die persönliche Aneignung des Wortes Gottes einen hohen Stellenwert. Vielleicht wurde Musculus hier für das von Martin Luther existentiell neuentdeckte Wort Gottes auch ein Stück weit prädisponiert. Es wäre allerdings verfehlt, den Aspekt der Kontinuität zu sehr zu betonen. Kurz vor seinem Tod erhielt Musculus den Besuch seines französischen Ordensbruders Merius. 62 Dieser fragte ihn, warum er den Glauben gewechselt habe. Musculus gab ihm zur Antwort: Mutavi, quia non mutavit me!61 Diese bündige Äusserung lässt eine tiefe Enttäuschung erkennen. Auf der Suche nach Gott hat Musculus im Kloster das nicht gefunden, was er erwartet hatte. Am Ende seiner Basilius-Ausgabe veröffentlichte Wolfgang Musculus einen fälschlich dem Kirchenvater zugeschriebenen Brief an einen abtrünnigen Mönch. Der hl. Kirchenvater schreibt dem ausgetretenen Bruder: "Opa ovu ¡ifjnoze, avv9f]Kag ßovXöpevög tIUCOV tpvXccTteiv, napaßfjq npög TÖV &£Öv ovvOrjKaq, äg cbßoÄöyrjaag ¿ni noXXcdv papxvpcop!'4

Zdg

Musculus übersetzt folgendermassen: Vide igitur, ne si quod quibusdam pactus es custodire volueris, quae Deo sub multis testibus pactus es, violes.6S

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Diese Person ist weiter nicht bekannt. F. A. Chevrier (Anm. 27) S. lOOf: Quelque temps avant sa mort, un de ses anciens confrères passant en Suisse, lui demanda pourquoi il avait changé de religion. >Mutaviquia non mutavit meein Sklave seines Bauchesfreien Zuges< fest, das vielen Dissidenten die Tore der Stadt öffnete. Das Mandat vom 27. Juli 1527, das den Täufern vorwarf, die weltliche Obrigkeit nicht anzuerkennen und die Stadt zu spalten, und den Bürgern verbot, Täufer aufzunehmen, blieb ohne Wirkung. Zwischen 1522 und 1534 wurde Strassburg zu einem wichtigen Druckzentrum für sektiererische Schriften. Auch die Schwankungen der Strassburger Prädikanten begünstigten die Dissidenten. Der Streit um die Kindertaufe schien ihnen in diesen Jahren (1524-1527) müssig zu sein. Wenn jemand die Erwachsenentaufe wünschte, so sollte man sie ihm gewähren, aber nur keine Spaltungen in der Stadt verursachen. In der Abendmahlsfrage hatten sie auch spiritualistisch unterschieden zwischen >innerem< und »äusserem Wort< und sich auf die Seite der Sakramentierer geschlagen.20 Am weitesten ging Capito, der u.a. Ludwig Hätzer, Martin Cellarius, Caspar Schwenckfeld und Michael Servet in seinem Haus beherbergte und ab 1527 gegen die Verfolgung der Täufer protestierte. Die Täufer und andere Dissidenten bildeten eine buntgemischte Schar.21 Zu den einheimischen Gestalten wie dem einflussreichen populären >Gartner< und Laienprädikanten Clemens Ziegler und einigen lokalen Predigtstörern wie Hans Wolff aus Benfeld gesellten sich Täufer von aussen: Wilhelm Reublin, Hans Denck, Michael Sattler, Cellarius und Hätzer tauchten auf. Im Frühjahr 1528 trafen hundert Augsburger Täufer ein und brachten revolutionäre Impulse in das Strassburger Täufertum. 1529 kamen Caspar Schwenckfeld, Sebastian Franck und Melchior Hoffman, um den sich ein Kreis von >Propheten< bildete mit Visionen und Endzeiterwartungen. »Im April 1528 wird die Zahl der in Strassburg lebenden Täufer auf 250 geschätzt. Nach dem Einströmen der Flüchtlinge aus Augsburg steigt sie im August 1528 angeblich auf 500 an. Im Oktober 1530 behauptete sogar ein Gegner der Täufer, daß es 2000 Täufer in der Stadt gäbe«22. Klaus Deppermann hat von sieben erkennbaren Gruppen des religiösen Nonkonformismus in Strassburg zwischen 1529 und 1533 gesprochen. In ideologischer Perspektive kann man von drei Haupttypen sprechen: vom biblizistischpazifistischen Typ der Schweizer Brüder, von der apokalyptischen Tendenz der Melchioriten und von den Spiritualisten, vorwiegend Schwenckfeld. Trotz verschiedener Querverbindungen waren sie oft untereinander zerstritten. Eines aber hatten sie gemeinsam: die Ablehnung der Strassburger offiziellen Kirche, die für 20

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Thomas Kaufman: Die Abendmahlstheologie der Strassburger Reformatoren bis 1528. Tübingen 1992 (Beiträge zur historischen Theologie. Bd. 82); dazu: Marc Lienhard: Etüde critique. RHPhR. H. 74. 1992. S. 265-272. Abraham Hulshof: Geschiedenis van de Doopsgezinden te Straatsburg van 1525 tot 1557. Amsterdam 1905; Klaus Depperman: Melchior Hoffman. Soziale Unruhen und apokalyptische Visionen im Zeitalter der Reformation. Göttingen 1979. K. Deppermann (Anm. 21). S. 241.

Kirche und Theologie in Strassburg zwischen 1527 und 1531

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viele so schlimm war wie das Papsttum. Darüber hinaus verlangten sie Duldung für ihre eigene Gruppe. Auf längere Sicht sollte für manche ihre eigene Gruppe als die einzig wahre Kirche übrigbleiben. Es wären auch die sogenannten >Epikuräer< zu erwähnen.23 Damit ist ein Kreis von Menschen gemeint, die die Reformation mit dem Begriff der Freiheit verbanden und sich der wachsenden Autorität des Rates über die Kirche widersetzten. Zum Teil scheinen sie auch einen libertinistischen Lebensstil vertreten zu haben, sehr zum Leidwesen Bucers.

II. Theologische Aspekte im Wirken der Strassburger Prediger 1. Das theologische Schrifttum Strassburg gehörte zu den bedeutendsten Druckzentren der damaligen Zeit.24 Alle Drucker ausser Johann Grüninger hatten sich der Reformation angeschlossen. Wenngleich auch die jährliche Produktion zwischen 1526 und 1530 von 100 auf 38 Titel gesunken war, so war doch die Möglichkeit, Schriften zu veröffentlichen, die im Dienste der evangelischen Bewegung standen, durchaus gegeben. Nach 1525 nahm der Anteil der Strassburger Autoren wesentlich zu; doch auch Martin Luthers Schriften wurden nachgedruckt. Veröffentlicht wurde nicht nur religiöse Literatur, sondern auch naturwissenschaftliche Schriften, u.a. botanische und medizinische Werke. Die Theologie stand in den Jahren zwischen 1526 und 1530 in voller Blüte. In dieser Zeit haben sowohl Bucer als auch Capito die meisten ihrer Bibelkommentare veröffentlicht. Capitos Kommentar zu Habakuk erschien 1526. Im Jahr 1527 veröffentlichte er einen deutschen und 1528 einen lateinischen Kommentar zu Hosea. Im Frühjahr 1527 erschien Bucers Auslegung der Synoptiker in zwei Bänden. Bereits im Sommer folgte ein Kommentar zum Epheserbrief und im April 1528 ein weiterer zum Johannesevangelium. 25 1530 fasste Bucer beide Werke über die 23 24

25

M. Lienhard (Anm. 15). Zur Buchproduktion: Miriam Usher Chrisman: Lay Culture, learned Culture. Books and Social Change in Strasbourg 1480-1599. New Haven, London 1982; dies.: Polémique, livre, doctrine: l'édition protestante à Strasbourg 1519-1599. In: BSHPF. H. 130. 1984. S. 319-344; dies.: L'édition protestante à Strasbourg 1529-1560. In: La Réforme et le livre. L'Europe et l'imprimé (1517-1570). Hg. v. Jean François Gilmont. Paris 1990. S. 217-238. Kritische Ausgabe von Irena Backus: Martini Buceri Opera Latina. Leiden u.a. 1988 (SMRL. Bd. XL). Bd. II.

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vier ersten Bücher des Neuen Testaments als >Evangelienkommentar< zusammen. Im September 1528 hatte er eine Auslegung des Propheten Zephanja veröffentlicht und ein Jahr später einen bedeutenden Kommentar über die Psalmen. Neben den grundlegenden Kommentaren erschienen auch andere theologische und religiöse Schriften, wie etwa das >Pandektbüchlein< von Otto Brunfels (deutsch und lateinisch, 1527), das biblische Zitate nach verschiedenen Rubriken vereinte, sein Katalog berühmter Männer des Alten und des Neuen Testaments (1527/28), ein Gebetbuch (deutsch und lateinisch, 1528). Auch mehrere Katechismen erschienen in diesen Jahren.26

2. Bucers Bibelkommentare Von Bedeutung waren vor allem Bucers Kommentare, die eine grosse Ausstrahlung besassen.27 Einige Aspekte von Bucers exegetischen Schriften möchte ich hier kurz beleuchten. Im Unterschied etwa zu Desiderius Erasmus von Rotterdam nimmt die Textkritik bei ihm nur wenig Raum ein. Er ist vor allem bestrebt, genau das zu erfassen, was der biblische Autor sagen wollte. Die Kenntnis sowohl der hebräischen wie der griechischen Sprache, die er ausgezeichnet beherrschte, war dazu unentbehrlich. Er träumte von der Zeit, wo einmal alle Christen das Hebräische beherrschen würden. Bis dahin bemühte er sich, »seine Übersetzungen zur Verfugung zu stellen, um die veralteten und unsicheren Ausdrücke, ja sogar die Fehler der Vulgata durch die klare und sichere Bedeutung des Originals zu ersetzen«28. Für das Neue Testament konnte er sich weitgehend auf Erasmus berufen, zum Alten Testament bot er dem Leser immer mehr seine eigenen Übersetzungen an, von denen sich aber nur einige Ausdrücke, wie beispielsweise >JehovaProphetenschule< eine Methode biblischer Auslegung entwickelt - auf der Basis der in diesem Aufsatz umrissenen neuen Grundlagen - die während einiger Jahrhunderte, besonders in der reformieren Welt, angewandt wurde. Diese Kommentare werden als Basiswerke von Johann Calvin, Bucers Schüler, übernommen und in eine zugänglichere und dauerhaftere Form gebracht werden. Die Bibelausgaben in den einheimischen Sprachen - Französisch, Schweizerdeutsch, Englisch, Italienisch - sowie die liturgischen Agenden und die gereimten Psalter werden den Einfluß dieser Schule an aufeinanderfolgende Generationen von Protestanten weitergeben und so zur Bildung der Frömmigkeit des Volkes beitragen«31.

29 30 31

G. Hobbs (Anm. 27) S. 32. M. Greschat (Anm. 13) S. 95. G. Hobbs (Anm. 27) S. 31.

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3. Capito als Ausleger der Schrift Neben Bucer befasste sich Capito besonders mit Büchern des Alten Testaments: Er war ein gewandter Hebraist, von dem Erasmus einst die kritische Gesamtedition der hebräischen Bibel erwartet hatte. Vornehmlich ihm war es zu danken, daß die hebräische Philologie im Sprachangebot der Strassburger Hochschule einen festen Platz erhielt. Daß Capito sich vorwiegend dem Alten Testament zuwandte, war naheliegend. »Die Anklagen der Propheten gegen den Götzendienst des Volkes Israel lassen sich j a unschwer auf die Gegenwart übertragen, wo der Kampf dem altkirchlichen Kultus, der Messe und der Bilderverehrung galt. Ferner schufen das Anliegen der Busspredigt und der Ruf nach moralischer Erneuerung ebenfalls eine Art Geistesverwandschaft zwischen den altjüdischen Propheten und den Reformatoren« 32 . Schwieriger wurde es jedoch, als sich der Einfluss von Cellarius auf Capitos Auslegung des Propheten Hosea bemerkbar machte. Capito vertrat u.a. die Ansicht, daß die am Ende der Apostelzeit durch Ritualismus und Gesetzlichkeit verlorene höhere Stufe der Gotteserkenntnis demnächst wieder hergestellt würde mit dem Anbruch einer dritten Periode des Geistes und der Erscheinung des Elia Redivivus. Auch die Juden würden zur wahren Gotteserkenntnis zurückgeführt, Christus als ihren König anerkennen und nach Palästina zurückkehren. Aufgrund dieser spiritualistischen Ausrichtung relativierte Capito das >äussere< Wort, die Sakramente, den Kirchenbegriff. »In Wahrheit vermitteln die Sakramente weder das Heil selbst, noch können sie einem Angefochtenen Trost spenden. In der Taufe verpflichtet sich nur der Täufling vor seinen Glaubensbrüdern, sein Fleisch zu töten und der Leitung des Geistes zu folgen. Deshalb muss das Verstehen des Wortes der Taufe vorangehen. Damit war Capito auf dem täuferischen Standpunkt der Glaubenstaufe angekommen« 33 . Die abweichenden Tendenzen Capitos haben Bucer tief bekümmert. Auch auswärtige Kollegen bemühten sich, auf Capito einzureden, der aber erst 1532 wieder einlenkte.34 Das unmittelbare Ergebnis war jedoch, daß Bucers Einfluss immer grösser wurde. Spätestens von 1528 an war er der anerkannte theologische Führer Strassburgs. Es liegt nahe, in Anlehnung an Gottfried Hammann 35 hier seine theologischen Tendenzen kurz darzustellen. 32 33 34

35

A. Schindling (Anm. 17) S. 347. K. Deppermann (Anm. 21) S. 171. Willem Van't Spijker: »Capito totus noster nunc est«. Capito's Return to the Reformed Camp. In: Probing the Reformed Tradition. Historical Studies in Honor of Edward A. Dowey Jr. Hg. v. Elsie Mc Kee, Brian G. Amstrong. Louisville 1989. S. 220-236. Gottfried Hammann: Martin Bucer. Zwischen Volkskirche und Bekenntnisgemeinschaft. Stuttgart 1989 (VIEG. Abt. für abendländische Religionsgeschichte. Bd. 139); ders.: La

Kirche und Theologie in Strassburg zwischen 1527 und 1531

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4. Bucers theologische Ausrichtung Norm aller Lehre war für ihn die Heilige Schrift und nicht das Magisterium der Kirche. Nur die Schrift war vollkommen und unfehlbar. Im Unterschied zu Luther hat Bucer nicht streng unterschieden zwischen Gesetz und Evangelium. In ihrer Totalität ist die Schrift durch den Heiligen Geist Wort Gottes. Bucer ist biblizistischer ausgerichtet als Luther. Bestimmend war aber für sein theologisches Denken der Heilige Geist und sein Wirken im Menschen und in der Welt. Bucer betonte die Freiheit des Geistes, u.a. gegenüber den kirchlichen Institutionen, aber auch gegenüber den Abendmahlselementen. Auch die Bibel konnte nicht automatisch als >geisthaltig< bezeichnet werden. Gott konnte letzten Endes seine Gnade auch anders mitteilen. Allein der Heilige Geist konnte das neue Leben schaffen und die Liebe wecken. Der Heilige Geist nimmt die Vollendung jetzt schon vorweg. Zugleich bewirkt er den rechten Fortschritt in der Heiligung. Auch die Besserung der Kirche (ein weiterer Grundbegriff ab 1530) wirkt der Heilige Geist. Bucer, der >Pietist unter den Reformatoren^ betonte unermüdlich die Notwendigkeit der >FrüchtefleischlicheApologia< von 1526 Luther überzeugen zu können. Zeitweise ging er dabei zu weit, wenn er z.B. seine eigenen Vorstellungen in zwei Bücher der Wittenberger, die er übersetzte, hineintrug. Als Musculus nach Strassburg kam, war es Bucer allmählich klar geworden, dass man den Streit nicht verharmlosen konnte und dass es ihm nicht gelingen würde, alle Gegner zu überzeugen und die eigenen Auffassungen durchzusetzen. Im Jahr 1528 schien sich jedoch ein Weg anzubahnen durch Luthers Schrift >Vom Abendmahl Christic Bucer reagierte sofort mit einer eigenen Schrift >Vergleichung Dr. Luthers und seines gegentheyls vom Abendmal Christisakramentlichen Einigung< der Elemente mit Leib und Blut Christi auf. Zwar waren >Brot und Leib zweierleyeingebackenen< Christus, sondern von seiner geistlichen Gegenwart im Sakrament. Wichtig war für Bucer die Möglichkeit, zu unterscheiden zwischen dem Essen und der Gemeinschaft mit Christus. Er war aber bereit zuzugeben, dass der Glaubende beim Abendmahl nicht nur Brot und Wein geniesst, sondern das Brot und den Kelch des Herrn. Dann ist das Brot und der Wein ein rechtes Sakrament, wahrhaft Zeichen und Abbild, denn das Herz wird geistlich und wahrhaftig durch das ergötzt, was die Worte und Zeichen leiblich abbilden undfurtragen.iS Das war natürlich nicht genug für Luther, der es Bucer auch wissen liess, aber es bahnte sich doch ein Weg an, der über das Marburger Scheitern in der Frage der Realpräsenz hinaus und 1536 zur Wittenberger Konkordie fuhren sollte, in der Luther die Strassburger in die Abendmahlsgemeinschaft aufnahm, insofern sie die >manducatio indignorum< vertraten und die wahre Gabe des Leibes Christi parallel zum Vorgang des Essens und Trinkens.

37 38

Bucers Deutsche Schriften. Hg. v. Robert Stupperich. Gütersloh 1962. Bd. 2. S. 295-383. Bucers Deutsche Schriften (Anm. 37) S. 358. Z. 19-22.

Kirche und Theologie in Strassburg zwischen 1527 und 1531

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6. Haupttendenzen der Strassburger Theologie: die Tetrapolitana Da die Strassburger wegen ihren Abendmahlsauffassungen nicht zur Unterzeichnung des Augsburgischen Bekentnisses zugelassen wurden, mussten sie in Augsburg, zusammen mit Konstanz, Lindau und Memmingen, ein eigenes Bekenntnis vorlegen: die sogenannte Tetrapolitana. 39 Die Nähe zum Augsburgischen Bekenntnis ist zwar in mancher Hinsicht offensichtlich, obwohl einige Artikel, so über die Erbsünde und die Willensfreiheit, fehlen. Einige besondere Akzente müssen jedoch hervorgehoben werden. Zunächst fällt auf, dass der Gegensatz zur traditionellen Kirche viel stärker betont wird. Der kirchliche Gebrauch der Bilder wird verworfen, der Mönchsstand als dienstparkeit menschlicher Satzungen abgetan, die Messe als erschrecklicher Grempelmarkt und vor Gott unlaidlicher grewel. Verglichen mit anderen protestantischen Tendenzen fehlt jede explizite Abgrenzung, wie sie in den Damnationen des Augsburgischen Bekenntnisses zum Ausdruck kommen. In der Frage des Abendmahls wird deutliche Zurückhaltung geübt, die Aussagen klingen sogar gut lutherisch: Christus gibt seinen jüngern und [...] in disem Sakrament seinen waren leyb und wares plut warlich zuessen und trinken. Abgewehrt wird die den Strassburgern unterschobene Meinung, es würde nichts denn Beckenbrot und schlechter wein im Abendmahl Christi gereichet. Typisch für die Tetrapolitana sind aber noch andere Tendenzen: Die Strassburger betonen, dass sie sich bemühen, das Volk von allen unnötigen und furwitzigen Disputationen abzuhalten. Das Leben ist für sie wichtiger als die Lehre. Wie können Kirche und Gesellschaft, Frömmigkeit und menschliche Existenz verbessert werden? Immer wieder taucht das Wort >Besserung< auf. Die Schrift ist zur >Besserung< gegeben. Die Gottesdienste, unter Einschluss des Abendmahls, sollen dem gemeinschaftlichen Leben dienen. Frömmigkeit ohne Nächstenliebe hat keinen Sinn. Zwar ist alles kirchliche Handeln auf Innerlichkeit auszurichten. Der Gesang und die Liturgie sind sinnlos ohne innere Andacht. Doch wichtig ist der Gemeinschaftsgedanke. Der erneuerte Mensch lebt seinen Glauben innerhalb und im Interesse der Gemeinschaft. Innerhalb der Gemeinschaft haben nicht alle den gleichen Dienst auszuüben. Die Kirche wird nicht nur bestimmt durch die Verkündigung des Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente, sondern als >So39

Bucers Deutsche Schriften. Hg. v. Robert Stupperich. Gütersloh 1969. Bd. 3. S. 36-185; Marc Lienhard: Bucer et la Tetrapolitaine. In: BSHPF. H. 126. 1980). S. 269-286; ders.: Evangelische Alternativen zur Augustana? Tetrapolitana und Fidei Ratio. In: Bekenntnis und Geschichte. Hg. v. Wolfgang Reinhard. München 1981 (Schriften der Philosophischen Fakultät der Universität Augsburg. Bd. 20). S. 81-100. Beide Studien sind wieder abgedruckt in: Un temps, une ville, une Réforme (Anm. 2).

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cietasder fromme Kaiser ConstantinRespublica< gäbe als diejenige des Moses. Der Magistrat solle sich an Mose, David, Ezechias, Josias ein Beispiel nehmen. Die Obrigkeit habe nicht nur das jus reformandi, sondern die Pflicht, in ihrem Bereich über die beiden Tafeln des Gesetzes zu wachen. Sie habe die Aufgabe, sich aktiv für die Ausbreitung und Durchsetzung des Evangeliums in der Gesellschaft einzusetzen. Sie hatte also nicht nur für Frieden und Ordnung zu sorgen. Ihre vornehmste 40

François Wendel: L'église de Strasbourg. Sa constitution et son organisation 1532-1535. Paris 1942 (Etudes d'histoire et de philosophie religieuses publiées par la Faculté de théologie protestante de l'Université de Strasbourg H. 38); G. Hammann (Anm. 35).

Kirche und Theologie in Strassburg zwischen 1527 und 1531

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Pflicht war die cura religionis. »Die Grenzen dieser Religionskompetenz erstreckt Bucer sehr weit: Aufrichtung und Predigt der reinen Lehre; Bestellung rechtgläubiger Geistlicher; Aufsicht über Gottesdienst und Zeremonien; Ermahnung zum Glauben, Wahrnehmung des >cogere intrareanraitzung zur Gottsäligkeit durch zeitliche Güter und das abtreiben von dem gottlosen wesen durch die zeittlichen strafengemeinen hauffenKinderberichtKinderberichtHundert und LVI gemeyner Fragstucke für die jungen Kinder in der teütschen kinder SchuleVater Unsen wurden Luthers diesbezügliche Anweisungen in Strassburg nachgedruckt, z.B. >Kurze Form das Pater noster zu verstonEtliche christliche gebet und Underweysung< oder im Kinderbericht Capitos. Zur Vorbereitung zum Abendmahl bot sich das Büchlein von Jakob Otter (1485-1547) an: >Christlich leben und Sterben, Wie sich des Herrn nachtmahls zu gebrauchen (1528). Nach 1530 folgten noch mehrere andere Erbauungsbücher, insbesondere für die Kranken und Sterbenden.

4. Soziale Fragen Die Strassburger Pfarrer richteten ihre Aufmerksamkeit über die Grenzen der Kirche und die Frömmigkeit ihrer Mitglieder hinaus. Nachdem sie sich schon in den Bauernkrieg eingeschaltet hatten (wohlgemerkt: ohne die Bewegung zu verteufeln!), nahmen sie auch in den folgenden Jahren gewisse Forderungen des gemeinen Mannes auf. Um die Jahreswende von 1528 zu 1529 verfasste der Notar 48

49

Marc Lienhard: La Réforme à Strasbourg. In: Histoire de Strasbourg. Hg. v. Georges Livet, Francis Rapp. Strasbourg 1981. Bd. 2. S. 496-498. Marc Lienhard: Prier au XVIe siècle. Regards sur le Biblisch Bettbüchlin du Strasbourgeois Othon Brunfels. In: RHPhR. H. 66. 1986. S. 43-55. Wieder abgedruckt in: Un temps, une ville, une réforme (Anm. 2).

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Fridolin Meyger in Beantwortung einer Bitte von Bucer eine Schrift, in der er sich über Zinskauf und Wucher äusserte50 und die diesbezüglichen Praktiken darlegte. Seine Kritik galt vor allem dem Weinzins, der seiner Ansicht nach zu hoch angesetzt war. »In einer Eingabe an den Rat verlangten die Prädikanten daraufhin, dass der Magistrat den Wucherzins von 7,5% verbieten sollte - freilich ohne Erfolg. Zwei Jahre später wurden von den evangelischen Prädikanten erneute Massnahmen gegen den Zinswucher gefordert. In seinem Psalmenkommentar von 1532 verurteilte Bucer die Praxis, Pfänder bis zum vierfachen Wert des Leihkapitals zu verlangen« 51 . Erhalten geblieben ist auch das Fragment einer Predigt über den Wucher.52 In einer Eingabe an den Rat vom 20. März 1529 bitten die Prediger um Abstellung des Wuchers und bemängeln den Weinzins.53

5. Die Ausstrahlung Strassburgs Wer sich mit der Strassburger Reformation in den Jahren 1527 bis 1531 befasst, kann sich nicht auf Strassburg beschränken. Zu reden wäre zunächst von den Flüchtlingen, die die Stadt in diesen Jahren aufgenommen hat.54 Sie waren längst nicht alle Täufer! Im Jahr 1524 waren sie vorübergehend aus dem badischen Kentzingen gekommen, 1525 kamen sowohl evangelisch Gesinnte aus Meaux (darunter Faber Stapulensis) als auch Opfer des Bauernkriegs. Auch in den folgenden Jahren trafen immer wieder Flüchtlinge ein, unter ihnen auch Musculus. Schon 1524 hatte Capito in einem Brief geschrieben: Strassburg ist der Zufluchtsort der vertriebenen Brüder. Hierher kommen alle, die anderswo verjagt wurden und von hierher werden sie wieder zum Dienst am Wort Gottes ausgesandt.55 Zugleich haben sich die Strassburger Reformatoren bemüht, die evangelische Bewegung in anderen Gebieten zu unterstützen. Sie übersetzten Lutherwerke und lieferten sie zusammen mit ihren eigenen Schriften nach Frankreich. Im Jahr 1528 haben Bucer und Capito bei der Einführung der Reformation in Bern mitgearbeitet. Der Anteil Bucers an der Reformation in Ulm (1531) und Augsburg (1537) ist 50 51

52

53 54 55

Quellen zur Geschichte der Täufer [...] Stadt Strassburg (Anm. 18) S. 218-223, Nr. 172. K. Deppermann (Anm. 21). S. 151. Zu Bucers Auffassung vgl. François Joseph Fuchs: Bucer et le prêt à intérêt. In: Martin Bucer and Sixteenth Century Europe (Anm. 35). S. 185-194. Quellen zur Geschichte der Täufer [...] Stadt Strassburg (Anm. 18). Beilage zu S. 224f, Nr. 172. Quellen zur Geschichte der Täufer [...] Stadt Strassburg (Anm. 18). S. 233, Nr. 178. Strasbourg au cœur religieux (Anm. 27). Zit. bei Rodolphe Peter: Strasbourg et la Réforme française vers 1525. In: Strasbourg au cœur religieux (Anm. 27). S. 269-283. Das Zitat S. 276.

Kirche und Theologie in Strassburg zwischen 1527 und 1531

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bekannt. Sein Einfluss war in ganz Europa spürbar.56 Im Jahr 1530 empfing er eine Delegation von italienischen Waldensern, die sich zwei Jahre später der Reformation anschlössen. Aber auch mit den Niederlanden und Osteuropa hatte er Verbindungen. In welchem Mass Musculus an alledem teilgenommen hat, ist uns natürlich nicht bis ins Einzelne bekannt. Doch aufgrund seiner Stellung bei Bucer liegt es nahe anzunehmen, dass er all dies aus nächster Nähe erlebt hat. Er hielt sich in Strassburg auf in einer Zeit, da der evangelischen Bewegung der entscheidende Sieg gelang. Es war aber auch die Zeit der Neuordnung und Organisation wie auch des wachsenden Abwehrens radikaler Tendenzen. Musculus hat nicht mehr teilgenommen an der Synode von 1533, die entscheidend wurde für die Strassburger Kirche. Auch die christlichen Gemeinschaften Bucers, die eine Distanzierung von dem Corpus christianum bedeuteten, hat er nicht mehr erlebt, doch war er durch briefliche und andere Kontakte stets informiert über die Strassburger Kirche. Es besteht Grund anzunehmen, dass die Strassburger Jahre für ihn viel bedeutet haben.

56

Marc Lienhard: Martin Bucer, le réformateur européen. In: BSHPF. H. 136. 1992. S. 161-180.

II.

Augsburg und Nürnberg ein reformationsgeschichtlicher Vergleich Gottfried Seebaß

Das Thema Stadt und Reformation ist in den letzten Dezennien ausgiebig verhandelt worden. So gibt es nicht nur eine ganze Reihe von Arbeiten zu einzelnen Städten, sondern eben auch zusammenfassende Darstellungen. 1 Man kann freilich fragen, wieweit solche im allgemeinen generalisierenden oder typisierenden Versuche angesichts der Kleinräumigkeit und Unterschiedlichkeit der Lage und der Vorgänge in den einzelnen Städten tatsächlich hilfreich sind. Um der Gefahr vorschneller Verallgemeinerungen zu entgehen, scheint es mir deswegen sinnvoll, den Vergleich anhand eines Rasters von Faktoren vorzunehmen, die den Zusammenhang von Stadt und Reformation bestimmten, um so dem Nebeneinander von Entsprechung und Differenz Raum zu geben. Einen solchen Versuch möchte ich im folgenden für die Städte Augsburg und Nürnberg vorlegen.2

I.

Wir beginnen damit, uns die Situation beider Städte zu Beginn der reformatorischen Bewegung vor Augen zu fuhren. 1

2

Einen Überblick über die Forschung in diesem Bereich bietet Heinz Schilling: Die Stadt in der frühen Neuzeit. München 1993 ( Enzyklopädie deutscher Geschichte. 24). S. 94-112. Ich erwähne hier als zwei vergleichende Arbeiten zu Augsburg und Nürnberg mit je unterschiedlichem Aspekt Wolfgang Zorn: Die soziale Stellung der Humanisten in Nürnberg und Augsburg. In: Die Humanisten in ihrer politischen und sozialen Umwelt. Hg. v. Otto Herding, Robert Stupperich. Boppard 1976 (MKHF. 3). S. 35-49; Angelika Nowicki-Patuschka: Untersuchungen zum Verhalten von Frauen in den Reichsstädten Augsburg und Nürnberg zur reformatorischen Bewegung zwischen 1517 und 1537. Pfaffenweiler 1990 (Forum Frauengesch. 2).

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Gottfried Seebaß

Augsburg und Nürnberg waren bereits von der Größe her sehr unterschiedlich. Während die Stadt zwischen Wertach und Lech um die 25 000 Einwohner zählte, wohnten in Nürnberg nach einer groben Schätzung eines Zeitgenossen in den beiden Pfarreien St. Lorenz und St. Sebald damals insgesamt 40 000 Einwohner; die Stadt war also um 60% größer als Augsburg. 3 Beide Städte besaßen neben dem von der Unsicherheit der Verkehrswege und der politischen Konstellationen stets bedrohten Fernhandel eine Fülle von Gewerbetreibenden und Handwerkern, bei denen in Augsburg die Weberei und die Barchentherstellung, in Nürnberg die Metallverarbeitung vorherrschte. Die sozialen Spannungen zwischen Arm und Reich waren in beiden Städten beträchtlich, doch dürften sie in Augsburg gravierender gewesen sein, da hier im Unterschied zu Nürnberg die Zahl der Habenichtse, derjenigen also, die nichts zu versteuern hatten, erheblich zunahm, 4 andrerseits die wenigen großen Vermögen mächtig wuchsen und die in Nürnberg deutlich übertrafen, während die mittleren Einkommensschichten immer weniger Menschen umfaßten. In der die Zeit bewegenden Monopolienfrage nahmen beide Städte eine durchaus unterschiedliche Haltung ein, da Nürnberg - gerade auch im Interesse seines metallverarbeitendes Gewerbes - gegen die Monopolien agitierte, während man sie in Augsburg zu wahren, womöglich sogar auszuweiten suchte.5 Im übrigen aber waren beide Städte des Handels wegen auf Sicherheit der Handelswege und also auf politische Stabilität und Frieden ausgerichtet.6 Allerdings befanden sie sich machtpolitisch in einer unterschiedlichen Situation: Nürnberg nämlich verfugte über ein von der Fläche her beachtlich großes Landgebiet, das der Rat durch seine >Landpfleger< wie eine fürstliche Obrigkeit regierte und das sich während der Reformationszeit noch einmal ausweiten ließ. An dieses Landgebiet grenzten verschiedene unterschiedlich starke Territorien. Dabei war es von erheblicher Bedeutung, daß gerade über die beiderseitige Wendung zur Reformation und die darauf fußende Zusammenarbeit bei der Visitation sowie der dieser folgenden Kirchenordnung der alte Zwist mit dem Fürstentum

4

5

6

Für Augsburg vgl. Joachim Jahn: Augsburgs Einwohnerzahl im 16. Jahrhundert - Ein statistischer Versuch. In: ZBLG. 40. 1977. S. 829-867; Barbara Rajkai: Die Bevölkerungsentwicklung von 1500 bis 1648. In: Geschichte der Stadt Augsburg. Hg. v. Gunther Gottlieb u.a. 2. Aufl. Stuttgart 1985. S. 252-258; für Nürnberg vgl. Rudolf Endres: Sozialstruktur Nürnbergs. In: Nürnberg - Geschichte einer europäischen Stadt. Hg. v. Gerhard Pfeiffer. München 1971. S. 194-199, bes. S. 194f. Vgl. Heinrich Lutz: Conrad Peutinger. Beiträge zu einer politischen Biographie. Augsburg [1958] (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. H. 9). S. 232. Vgl. etwa für Peutingers Stellung zur Monopolienfrage im Augsburger Interesse H. Lutz (Anm. 4) S. 206, 214-222, 269f, 300-302. Zur wirtschaftlichen Situation der beiden Städte vgl. für Augsburg Hermann Kellenbenz: Wirtschaftsleben der Blütezeit. In: G. Gottlieb (Anm. 3) S. 258-301; für Nürnberg Hermann Kellenbenz: Gewerbe und Handel am Ausgang des Mittelalters, und ders.: Wirtschaftsleben im Zeitalter der Reformation. Beide in: G. Pfeiffer (Anm. 3) S. 176-193.

Augsburg und Nürnberg - ein reformationsgeschichtlicher

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Ansbach/Bayreuth beigelegt werden konnte und auch andere Anrainer, wie etwa das Pfalz-Neuburger Fürstentum, sich der neuen Lehre öffneten. Augsburg dagegen war, abgesehen von einigen Rechten in den Dörfern des bischöflichen Gebiets, so gut wie ganz auf seinen eigentlichen Mauerring beschränkt, besaß jedenfalls kein wirkliches Landgebiet und war von Nachbarn umgeben, die nicht nur politisch stark waren, sondern auch unbeirrt - und nach dem Bauernkrieg noch härter als vorher - an einer antilutherischen Linie festhielten. Das galt für die bayerischen Herzöge im Osten wie für die Habsburger, die das Regiment über Württemberg führten, im Westen und das bischöfliche Gebiet der sogenannten >StraßeGenannte< im Großen Rat versammelten, versichern, wollte er sich unbestritten und akzeptiert an der Regierung halten; er

8

Vgl. für Nürnberg die Beiträge von Gerhard Hirschmann: Zeitalter des Markgrafen Albrecht Achilles, und von Fritz Schnellbögl: Zwischen Zollern und Wittelsbachern. Beide in: G. Pfeiffer (Anm. 3) S. 115-127; Gerhard Pfeiffer: Politische und organisatorische Sicherung der Reformation. In: G. Pfeiffer (Anm. 3) S. 158-164; für Augsburg vgl. Rolf Kießling: Augsburg zwischen Mittelalter und Neuzeit, und Heinrich Lutz: Augsburg und seine politische Umwelt. In: G. Gottlieb (Anm. 3) S. 241-251 und 413-433. Zur Entwicklung der Nürnberger Stadtverfassung vgl. G. Pfeiffer (Anm. 3) S. 17, 20-22, 25, 28, 31, 35-38, 41, 44, 73-75 und 196.

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mußte auf deren einhellige Wünsche Rücksicht nehmen und in strittigen Situationen möglichst schnell zu einer Entscheidung kommen, um eine gefährliche Fraktionierung in Bürgerschaft und Rat zu verhindern. Ganz anders war die Lage in Augsburg. Hier gab es nicht nur die 17 Zünfte, sondern deren Mitglieder bildeten auch die Mehrheit im regierenden Kleinen Rat, selbst wenn die Ämter jeweils paritätisch mit einem Vertreter aus den Zünften und einem aus den Patriziern besetzt wurden. Dieser Rat war zweifellos in ganz anderer Weise als in Nürnberg zumindest mit der in den Zünften vertretenen Bevölkerung verbunden. Deswegen konnten auch in der Einwohnerschaft oder den Zünften vorhandene Spannungen eher in den Rat hineinreichen. 9 Außerdem war die Kontinuität innerhalb des Rates deutlich geringer, da bei den Ratswahlen jedenfalls öfter als in Nürnberg mit neuen Leuten auch neue Konzeptionen Raum finden konnten. Auch der selten zusammentretende Große Rat war, anders als in Nürnberg, vor allem eine weitere Vertretung der Zünfte. 10 Einheitliche Beschlüsse waren unter diesen Umständen viel schwerer zu erreichen und durchzusetzen.11 Charakteristisch verschieden war aber auch in beiden Städten die Situation des Stadtregiments innerhalb der eigenen Mauern: Nürnberg hatte im Lauf der Zeit die ursprünglich in der Stadt bestehenden kaiserlichen Ämter in die eigene Hand gebracht. Wichtiger - und im Blick auf die Religionsfrage in der Reformation von entscheidender Bedeutung - war es aber, daß Nürnberg nie einen bischöflichen Stadtherrn in seinen Mauern gehabt hatte. Der Rat besaß darüber hinaus seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert auch erheblichen Einfluß auf die Kirche innerhalb der Stadt, da er nicht nur für eine Fülle von Meßstiftungen, sondern auch für die beiden Pfarrkirchen das Präsentations- und Besetzungsrecht besaß. Und über die Klostervogteien und Kirchenpflegschaften hatte der Nürnberger Rat das, was man heute gern als die >Kommunalisierung< der Kirche bezeichnet, ungleich weiter vorangetrieben, als das in Augsburg der Fall war.12 Denn in der schwäbischen Reichsstadt gab es eben nicht nur mit dem Bischof, selbst wenn der im allgemeinen nicht mehr in der Stadt, sondern in Dillingen residierte, sondern auch mit dem

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Zur Augsburger Stadtverfassung vgl. vor allem Katarina Sieh-Burens: Die Augsburger Stadtverfassung um 1500. In: ZHVS. 77. 1983. S. 125-149. Darüber darf nicht vergessen werden, daß verwandtschaftliche und Klientelbeziehungen auch für die Frage der Stellung zur Reformation von Bedeutung sind. Vgl. dazu Katarina Sieh-Burens: Bürgermeisteramt, soziale Verpflichtung und Reformation in der freien Reichsstadt Augsburg 1518-1539. In: Miscellanea Suevica Augustana. Hg. v. Pankraz Fried. Sigmaringen 1985 (Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens. 3). S. 61-88. Ein knapper Vergleich der Verfassungssituation findet sich bei Heinrich Richard Schmidt: Reichsstädte, Reich und Reformation. Stuttgart 1986 (VIEG. 122). S. 19-23. Vgl. dazu Gottfried Seebaß: Stadt und Kirche in Nürnberg im Zeitalter der Reformation. In: Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert. Hg. v. Bemd Moeller. Gütersloh 1978 (SVRG. 190). S. 66-86, bes. S. 68-71.

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Domkapitel, dessen Mitglieder ja nicht aus den städtischen Familien stammten, von der Stadt nicht zu assimilierende kirchliche Fremdkörper. Und gleiches galt für das adelige Damenstift St. Stephan. Vor allem aber besaß der Rat - wiederum im charakteristischen Unterschied zu Nürnberg - auch nicht das Präsentationsoder Besetzungsrecht für die in seiner Stadt sehr viel zahlreicheren Pfarreien. Zwar reichte über die >ZechpflegerWunderlichen Weissagunglinken Flügels< waren. Und nicht nur auf diesem Weg sorgte der Rat für Einheitlichkeit. Er ließ während des Bauernkrieges ganz gezielt Schriften, die sich mit den Forderungen der Bauern auseinandersetzten, verbreiten, gab wohl auch - wie im Fall der Täufer solche Schriften in Auftrag und ließ sie auf seine Kosten an die Pfarrer verteilen.21 Das förderte den lutherischen Charakter der Bewegung in Nürnberg. Demgegenüber war die Situation in Augsburg ganz anders. Hier gab es immer wieder einmal Mahnungen an die Drucker, doch konnten die Druckereien von einer wirklichen Ratszensur weithin unbehelligt auf den Markt werfen, was immer sie wollten und was ihnen geschäftlichen Ertrag versprach. 22 Die Breite dessen, was sich in den frühen Jahren der Reformation artikulieren konnte und wollte, war hier daher wirklich vertreten. Und wenn man bedenkt, daß die Drucker doch mindestens teilweise für den örtlichen Markt arbeiteten und ihn im Blick hatten, so mußte das zu einem völlig anderen Charakter der reformatorischen Bewegung als in Nürnberg fuhren. Spaltungen in der reformatorischen Bewegung, wie sie sich ja schon bald ergeben sollten, führten darum in Augsburg zu einer viel stärkeren Fraktionierung der Bürgerschaft, als das in Nürnberg der Fall war, wo jede sich bemerkbar machende Abweichung vom Rat argwöhnisch beobachtet und nicht geduldet wurde. Die Wege zu einer konfessionellen Ausprägung und Abschließung der Stadt konnten schon deswegen in Nürnberg sehr viel früher und leichter beschritten werden als in Augsburg. Für die Ausbreitung der Reformation spielte aber neben den Druckerzeugnissen dennoch die mündliche Kommunikation, und das heißt eben vor allem die reformatorische Predigt, eine ganz entscheidende Rolle. Auch in diesem Punkte war die Situation in Nürnberg und Augsburg vollkommen verschieden. Zum einen gilt es zu beachten, daß der Nürnberger Rat mit der Neubesetzung der beiden Pfarreien und der sich sehr bald anschließenden Neubesetzung der wichtigsten Predigerstellen in der Stadt faktisch ausschließlich solche Prediger und juristisch gebildeten Pfarrer anstellte, die in Wittenberg studiert hatten oder doch über die Schriften der Wittenberger Reformatoren zur Reformation gekommen waren. Hinzu kam, daß diese Prediger ohne irgendeinen Wechsel über einen längeren Zeitraum bis zur Ausarbeitung der Kirchenordnung im Jahr 1533 im Amt blieben. Schon dies garantierte eine wenn auch nicht einfach ein21 22

Vgl. G. Seebaß (Anm. 20) S. 138-141. Hans-Jörg Künast: Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks von 1468 bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555. In: Augsburg in der frühen Neuzeit. Beiträge zu einem Forschungsprogramm. Hg. v. Jochen Brüning, Friedrich Niewöhner. Berlin 1995 (Colloquia Augustana. 1). S. 227-239; ders.: Augsburg als Knotenpunkt des deutschen und europäischen Buchhandels (1480-1550). In: J. Brüning, F. Niewöhner (s.o.) S. 240-251.

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heitliche, so doch grundlegend ähnlich geprägte reformatorische Bewegung. Hinzu kam ein weiteres. Mit Andreas Osiander, Dominikus Schleupner und Thomas Venatorius besaß der Rat auf den Predigerstellen der Stadt wirklich überragende Kräfte, denen im Grunde weder die altgläubige Seite, deren Prediger denn ja auch bald — übrigens wiederum unter nachdrücklicher Beteiligung des Rates die Stadt räumten, noch die zwinglische oder gar eine schwärmerische Gruppierung einflußreiche Kräfte entgegenzustellen vermochten. Darüber hinaus hatte man in Osiander in der fränkischen Reichsstadt einen hervorragenden Theologen, mit dem zwar seine Kollegen im Amt keineswegs immer übereinstimmten, der aber mindestens bis zu den Auseinandersetzungen um die Erstellung der Kirchenordnung und den ihr folgenden Querelen der Jahre nach 1533 unbestritten die prägende und zentrale Figur war und blieb. Differenzen unter den Predigern, die sich schon früher andeuteten, ließ eine kluge, nicht selten verzögernde Ratspolitik gar nicht erst wirklich ausbrechen. Da außerdem alle Prediger den lutherischen Grundsatz der >Schonung der Schwachem vertraten, also in jedem Fall reformatorische Änderungen erst dann für notwendig und erforderlich hielten, wenn der größte Teil der Gemeinde deren theologische Berechtigung verstanden habe und akzeptieren könne, blieben alle Arten von spektakulären reformatorischen Vorkommnissen aus. Die Änderungen in den Gottesdiensten, die Eheschließungen von Priestern und anderen Geistlichen, die Entfernung anstößiger Bilder und vieles andere vollzog sich in Nürnberg in ganz geordneten Bahnen. 23 Dabei muß freilich auch darauf hingewiesen werden, daß der Rat keinerlei Ansätze zu einem unkontrollierten Einfluß der Prediger zuließ. Es gab in der Stadt keine regelmäßigen Zusammenkünfte der Prediger und Pfarrer. Die wurden nur je und dann vom Rat einberufen. Der Rat beteiligte die Theologen weder an der Verwaltung des Kirchengutes noch am Ehegericht, erlaubte ihnen auch keine vom Rat nicht kontrollierte Kirchenzucht und duldete bei der Einsetzung der Geistlichen keine kirchlichen Ordinationshandlungen. Er behielt also die eigentliche Kirchenleitung, nachdem er sie einmal erreicht hatte, ganz in seiner Hand.24 In der Reichsstadt an Lech und Wertach war die Situation in dieser Beziehung deutlich anders. Hier hatte der Rat angesichts des völlig anderen Verhältnisses von Kirche und Stadt keine Chance, die Pfarr- und Predigerstellen der Stadt in seinem Sinn, geschweige denn einheitlich zu besetzen. Die Stadt, die ja in ganz anderer Entfernung von Wittenberg und dem Einflußbereich der schweizerisch-oberdeutschen Reformation viel näher lag, hätte nur bei einer schon sehr früh und ganz massiv eingreifenden Ratspolitik zu einheitlicher Prägung der reformatorischen 23

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Vgl. dazu die Beiträge von Gerhard Pfeiffer: Entscheidung zur Reformation; Sozialrevolutionäre, spiritualistische und schulpolitische Bestrebungen; Politische und organisatorische Sicherung der Reformation. Alle in: G. Pfeiffer (Anm. 3) S. 146-164. Vgl. dazu G. Seebaß (Anm. 12) S. 84-86.

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Bewegung kommen können. Die aber war aufgrund der früher geschilderten Verfassung der Stadt und des Rates sowie seines Verhältnisses zur Kirche in der Stadt nicht zu erwarten, wäre aber wahrscheinlich auch nicht durchzusetzen gewesen. Schon die Zurückdrängung altgläubiger Predigt in der Stadt, die in Nürnberg bereits vor dem Religionsgespräch von 1525 begann und danach relativ mühelos durchgesetzt wurde, war in Augsburg nicht zu erreichen. Der Augsburger Rat griff im Grunde nur ein, wenn er es im Interesse innerstädtischer Ruhe für unbedingt notwendig hielt. So geschah es etwa bei dem Barfüßer Johann Schilling auf der einen und dem Dominikanerprediger Johann Faber auf der anderen Seite, die der Rat beide aus der Stadt schaffte. 25 Im übrigen aber nahm der Rat als solcher zunächst keinen Einfluß. Und da er später den Zechpflegern der einzelnen Kirchen gestattete, aus dem Kirchen- und Gemeindevermögen evangelische Prediger zu besolden, 26 mußten sich dabei dann auch die unterschiedlichen Richtungen innerhalb der Reformation auswirken. So kam es dann auch. Es fanden sich in der Stadt - übrigens auch mit häufigeren Wechseln verbunden - lutherische und zwinglische Prediger, ja sogar solche, die mehr oder weniger offen Anschauungen und Konzeptionen zuneigten, wie sie in den verschiedenen Gruppierungen des >linken Flügels< vertreten wurden. Faktisch gab es zunächst in Augsburg das Gegenüber der alt- und neugläubigen Prediger, auf der einen Seite Johann Faber bei den Dominikanern, Matthias Kretz am Dom und Ottmar Nachtigall bei St. Moritz, auf der anderen Stephan Agricola, Johann Frosch und Urbanus Rhegius bei St. Anna (den Karmelitern) 27 sowie Johann Speiser bei St. Moritz, der sich aber, obwohl anfangs ganz für die neue Lehre eingenommen, davon wieder abwandte. 28 Mit dem Abendmahlsstreit entstand dann eine deutlich zwinglische Partei in der Stadt, deren Führer der einflußreiche Prediger Michael Keller bei den Barfüßern wurde. Dabei waren die Mehrheitsverhältnisse vielleicht nicht so klar, wie es in der Äußerung Wann ein [...] Zwinglischer bey uns predigt, so sein by sechzehntausend zue-

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Vgl. dazu Friedrich Roth: Augsburgs Reformationsgeschichte. 2. Aufl. München 1901. Bd. 1. S. 157-170, 129f und 175f. Vgl. außerdem Philip Broadhead: Populär Pressure for Reform in Augsburg 1524-1534. In: Stadtbürgertum und Adel in der Reformation. Studien zur Sozialgeschichte der Reformation in England und Deutschland. Hg. v. Wolfgang J. Mommsen. Stuttgart 1979. S. 80-87. Zur Bedeutung und Rolle der Zechen in Augsburg vgl. Horst Immenkötter: Die katholische Kirche in Augsburg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 und ihr Umfeld. Hg. v. Reinhard Schwarz. Gütersloh 1988 (SVRG. 196). S. 9-31, bes. S. 16-18; ders.: Die Augsburger Pfarrzechen als Träger der Kirchenreform im 15. und 16. Jahrhundert. In: Papsttum und Kirchenreform. Hg. v. Manfred Weitlauff, Karl Hausberger. St. Ottilien 1990. S. 301-323. Für die 2. Augsburger Wirksamkeit von Rhegius liegt jetzt die Arbeit von Hellmut Zschoch: Reformatorische Existenz und konfessionelle Identität. Urbanus Rhegius als evangelischer Theologe in den Jahren 1520 bis 1530. Tübingen 1995 (BHTh. 88) vor (bes. S. 94-352). Vgl. dazu F. Roth (Anm. 25) Bd. 1. S. 126-134.

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hören, wan die andern doctores predigen, seynd yr kaum sechs oder sieben menschen aufs meysthe29 erscheint. Für die Einwohnerschaft mochte das möglicherweise stimmen, für den Rat keinesfalls.30 Auch deswegen - von politischen Überlegungen zur Zurückhaltung in der Religionsfrage einmal ganz abgesehen konnte und wollte der Rat, der offensichtlich keiner einheitlichen Linie folgte, sondern selbst von den Spannungen betroffen war, gegen keine dieser Parteien durchgreifend etwas unternehmen. Von einer »Schwäche der evangelischen Bewegung in Augsburg in den folgenden Jahren«31 sollte man freilich deswegen nicht reden. Die Situation blieb im Unterschied zu Nürnberg offen, eine Schwäche oder eine Schwächung braucht das nicht unbedingt zu bedeuten. Vielleicht wäre das alles noch auszugleichen gewesen, hätte jedenfalls nicht die Folge regelrechter Fraktionen haben müssen, wenn in einem der drei verschiedenen Lager eine theologisch und rhetorisch alle übrigen wirklich überragende Figur dagewesen wäre. Eben das aber war nicht der Fall. Denn unter den geschilderten Umständen gab es selbst für einen Mann wie Urbanus Rhegius, der zur prägenden Figur vielleicht das Zeug gehabt hätte, keine Chance, sich als solche wirklich durchzusetzen. Von der Fraktionierung der evangelischen Bewegung wurde denn auch die weitere Augsburger Reformationsgeschichte immer wieder eingeholt und schwer belastet. Denn als man nach dem Ende des Augsburger Reichstags daran ging, die evangelischen Prediger zurückzurufen, mußte man um ihres Anhangs im Rat willen, selbst wenn der bereits deutlich in der Minderheit war, auch die lutherischen Prediger wieder zulassen. Die konnte man dann zwar sehr schnell zugunsten der aus Straßburg kommenden Oberdeutschen 1532 loswerden, aber die Lutheraner blieben ein nicht zu integrierendes Element und wurden auch weiterhin mit eigenen Gottesdiensten versorgt.32 Außerdem bestanden auch in dem 1532 geschaffenen Predigerkollegium starke Spannungen, weil auf der einen Seite Bonifatius Wolfhart schwenckfeldischen Einflüssen offen war,33 auf der anderen aber Michael Keller und selbst die aus Straßburg gekommenen Prediger den Unionsbestrebungen Martin Bucers ausgesprochen skeptisch gegenüberstanden.34 Man darf die Bedeutung von Wolfgang Musculus in seinen Augsburger Jahren 29 30

31 32 33

34

F. Roth (Anm. 25) Bd. 1. S. 203. Zum Abendmahlsstreit in Augsburg vgl. F. Roth (Anm. 25) Bd. 1. S. 197-218; Walther Köhler: Zwingli und Luther. Leipzig 1924 (QFRG. 6). Bd. 1. S. 255-271, 315-324, 564-566, 710-721; im Blick auf die Stellung des Rhegius vgl. auch H. Zschoch (Anm. 27) S. 165-217 und 325-333. SoH. R.Schmidt (Anm. 11) S. 215. Vgl. dazu F. Roth (Anm. 25) Bd. 1. S. 351-353; F. Roth (Anm. 18) Bd. 2. S. 7-35. Vgl. dazu Horst Weigelt: Die Beziehungen Schwenckfelds zu Augsburg im Umfeld der Augsburger Kirchenordnung von 1537. In: R. Schwarz (Anm. 26) S. 111-122. Vgl. dazu W. Köhler (Anm. 30) Bd. 2. S. 276-284, 293, 314f, 321, 340f, 353f, 384-390.

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sicher nicht unterschätzen. Aber auch er konnte sich keinen unbestrittenen Respekt unter seinen Kollegen verschaffen. 35 Zusätzlich problematisch wurde dann, daß die politische Absicherung der Augsburger Reformation nur über den Beitritt zum Schmalkaldischen Bund, die Anerkennung der Confessio Augustana und die Wittenberger Konkordie zu erreichen war. Denn im Zuge dieser Verhandlungen fand sich die Stadt, der lutherischen Seite entgegenkommend, bereit, mit Johannes Forster wiederum einen dezidiert lutherischen Prediger zuzulassen, so daß sich die alten Auseinandersetzungen erneuerten. Erst 1538 verließ Forster dann die Stadt.36 Selbstverständlich war sich der Augsburger Rat darüber im klaren, daß in einer solchen Situation eine deutlich überragende Kapazität unter den Theologen wünschenswert war. Um die hat man sich denn auch immer wieder bemüht. Anfang der 30er Jahre dachte man zunächst an Ambrosius Blarer und Martin Bucer, 1534 dann an Theodor Bibliander auf der einen und Andreas Osiander auf der anderen Seite. Doch konnte eben niemand gewonnen werden. 37 Und bei den verschiedenen Aufenthalten Martin Bucers in der Stadt zwischen 1530 und 1537 zeigte sich dann, daß selbst dieser die Spannungen nicht zu überwinden und für eine klare und einheitliche Linie zu sorgen vermochte. 38 Als dann noch später Ambrosius Blarer wirklich kam, mußte man sehr schnell feststellen, daß auch dieser zu dem, was man sich erhofft hatte, nicht in der Lage war, ja sogar mit dem Rat überquer kam, so daß er sehr bald die Stadt wieder verließ.39 Unter diesen Umständen schien es dem Rat zunächst durchaus richtig und gut, entsprechend dem Wunsch der Prediger ihrem Konvent nach 1534 weltliche Mitglieder als Kirchenpröpste beizugeben, zunächst fünf, später sieben, zu denen ab 1537 noch die Pfarrkirchenpröpste traten.40 Auf diese Weise konnte der Rat ganz anders als früher auf die Kirche der Stadt Einfluß nehmen. Als sich allerdings später zeigte, daß die Pröpste bei Auseinandersetzungen zwischen Rat und Predigern zu letzteren hielten, schränkte man ihre Kompetenzen deutlich ein. Immerhin gab es in Augsburg damit seit 1534 einen Ansatz zu einer eigenständigen Kirchenleitung, wie es ihn in Nürnberg nie gegeben hat.

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Vgl. zu Musculus Rudolf Dellsperger: Wolfgang Musculus (1497-1563), Prädikant bei Hl. Kreuz von 1531 bis 1548. In: R. Schwarz (Anm. 26) S. 91-110. Zu den Auseinandersetzungen, die sofort mit dem Kommen Forsters im Jahr 1535 einsetzten und sich dann vor allem bei der Ausarbeitung der Kirchenordnung bemerkbar machten, vgl. Gottfried Seebaß: Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 in ihrem historischen und theologischen Zusammenhang. In: R. Schwarz (Anm. 26) S. 33-58, bes. S. 37-49. Vgl. F. Roth (Anm. 18) Bd. 2. S. 11, 18, 195. Vgl. dazu Gottfried Seebaß: Martin Bucer und die Reichsstadt Augsburg. In: Martin Bucer and sixteenth Century Europe. Actes du colloque de Strasbourg (28-31 aoüt 1991). Hg. v. Christian Krieger, Marc Lienhard. Leiden 1993 (SMRT. 53). Bd. 2. S. 479-493. F. Roth (Anm. 18) Bd. 2. S. 435-451. F. Roth (Anm. 18) Bd. 2. S. 327f.

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III. Damit sind wir bereits bei der Frage nach der Stellung der städtischen Obrigkeit zur Reformation. Auch in dieser Beziehung besteht zwischen Nürnberg und Augsburg ein deutlicher Unterschied, der selbstverständlich mit der früher erwähnten unterschiedlichen politischen Lage, aber auch mit den differierenden Verfassungen beider Städte zusammenhängt. Vor allem spielten wie im Fall der Prediger einzelne Personen eine wirklich bedeutende und einflußreiche Rolle. Wir müssen deswegen, bevor wir nach der Stellung der Räte fragen, zunächst die beiden zentralen Figuren der beiden Stadtregimente, die Stadtschreiber, in den Blick nehmen. Denn die Stadtschreiber stellen in den frühneuzeitlichen Reichsstädten nicht immer, aber doch sehr oft höchst einflußreiche Personen dar. Durch die Leitung der Kanzlei, die genaue Kenntnis aller Vorgänge und die Führung der Akten darüber sowie durch die genaue Kenntnis aller einlaufenden und auslaufenden Korrespondenz, die ja großenteils von ihnen selbst geführt wurde, nicht selten auch als Vertreter der Stadt in auswärtigen politischen Gremien, besaßen die Stadtschreiber auf die Politik des Rates nach innen und außen erheblichen Einfluß. Unter diesen Umständen war es von hoher Bedeutung für die unterschiedliche Entwicklung in beiden Städten, daß die Stadtschreiber - in der Reichsstadt an Wertach und Lech der angesehene Humanist Konrad Peutinger, in der fränkischen Reichsstadt der ebenso angesehene und humanistisch gebildete Lazarus Spengler - eine deutlich unterschiedliche Stellung zur Reformation einnahmen. Lazarus Spengler gehörte in Nürnberg zu den entschiedensten Anhängern Luthers, hatte diesen schon 1520 in einer Apologie verteidigt und war deswegen in die Bannandrohungsbulle mitaufgenommen worden. In seiner gesamten, erst mit seinem Tod im Jahr 1534 endenden Amtszeit tat er alles, um den Rat der Stadt zu einer nach innen und außen die evangelische, seit dem Abendmahlsstreit auch die speziell lutherische Seite fördernden Politik zu veranlassen und schließlich definitive Entscheidungen für sie herbeizuführen. Das wurde von den Evangelischen dankbar, von den Gegnern - wie etwa von Willibald Pirkheimer - aber mit Ingrimm wahrgenommen. Wohl nicht zu Unrecht sah dieser in Spengler die treibende reformatorische Kraft in seiner Stadt. Spengler war es auch, der später in enger Zusammenarbeit mit dem ansbachischen Kanzler Georg Vogler nachdrücklich die Visitation des Nürnberger Landgebietes und den Erlaß der Kirchenordnung betrieb. Und in deren Entstehungsprozeß hat er immer wieder und sehr massiv eingegriffen. Freilich mußte er in diesem Zusammenhang auch erleben, daß der Rat nicht bereit war, allen seinen Vorstellungen zu folgen, sondern in den

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Fragen des Eherechts, der Kirchenzucht und der vollen Übernahme der Verantwortung für die Kirchenordnung den Bedenken seiner Juristen nachgab.41 In Augsburg verfolgte der Stadtschreiber Conrad Peutinger, der Luther sehr früh persönlich kennengelernt, in Worms sogar zum Verhandlungsausschuß in der lutherischen Sache gehört hatte und als Humanist zunächst der lutherischen Seite auch durchaus gewogen war, eine völlig andere Linie. Denn als sich zeigte, daß die lutherische Sache und Theologie auch tiefgreifende Änderungen und Reformen mit sich bringen werde, und als sich herausstellte, daß man mit denen nicht bis zu einem Konzil oder einer nationalkonziliaren Lösung warten wollte, versuchte Peutinger vor allem das Ratsregiment unbeschadet über die Runden zu bringen, und das hieß faktisch, gefährliche Zuspitzungen auf allen Seiten zu verhindern, aber auch eindeutig klare Entscheidungen zu vermeiden.42 Eben das aber brachte Peutinger bei den entschieden Evangelischen den Ruf ein, >Chamaeleonte varior< zu sein.43 Er befand sich freilich auch in einer völlig anderen Lage als Spengler in Nürnberg. Denn die Situation der Stadtverfassung legte in Nürnberg eine möglichst schnelle und eindeutige Lösung der Religionsfrage nahe, und eine solche konnte auch erreicht werden. Das war in Augsburg ganz anders. Im Blick auf die außenpolitische Lage der Stadt und ihre dauernde Bedrohung durch die bayerischen Herzöge und den Schwäbischen Bund versuchte Peutinger, politisch durchaus klug, die Situation offenzuhalten. Er mußte das wohl auch, weil eine einheitliche Linie des Rates - der ja in sich selbst durchaus die in der Bürgerschaft bestehenden Friktionen in der Religionsfrage abbildete - kaum zu erreichen war. Stets aber sorgte er für den notwendigen Schutz der evangelischen Bewegung in der Stadt und verteidigte ihre von altgläubiger Seite angegriffene Haltung in der Religionsfrage. Das alles führte dazu, daß sich in Augsburg die erwähnten Lager weithin unbehelligt, höchstens hin und wieder einmal freundlich oder nachdrücklich ermahnt, bilden konnten. Lediglich gegen die Täufer ging man in der Stadt und Peutinger war daran intensiv persönlich beteiligt - vor, wenn auch keineswegs so rigoros und scharf wie an anderen Orten.44 Es war dann dem allem entsprechend auch nicht der Entscheidung des Kleinen, sondern des Großen Rates zu danken, daß Augsburg schließlich im Spätherbst 1530 die Annahme des Augsbur-

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42 43 44

Zu Lazarus Spengler vgl. B. Hamm (Anm. 14) S. 153-178; Gerhard Pfeiffer: Lazarus Spengler (1479-1534). In: Fränkische Lebensbilder Bd. 11. Hg. v. Alfred Wendehorst, Gerhard Pfeiffer. Neustadt/Aisch 1984. S. 61-79. Die Intensität, mit der sich Spengler für Luther und die Reformation einsetzte, belegen seine jetzt edierten Schriften, vgl. Lazarus Spengler: Schriften. Bd. 1: Schriften der Jahre 1509-1525. Hg. u. bearb. v. Berndt Hamm, Wolfgang Huber. Gütersloh 1995 (QFRG. 61). Zu Peutinger vgl. die Monographie von H. Lutz (Anm. 4). H. Lutz (Anm. 4) S. 231. Vgl. dazu H. Lutz (Anm. 4) S. 278-282. Zur Auseinandersetzung von U. Rhegius mit den unterschiedlichen Vertretern der Täufer in Augsburg vgl. H. Zschoch (Anm. 27) S. 218-295.

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ger Reichstagsabschieds verweigerte und sich mit der Rückberufung der evangelischen Prediger und der Berufung weiterer evangelischer Prädikanten aus Straßburg auf den Weg zu Reformation der Stadt begab. Mit Recht war Heinrich Lutz der Auffassung, daß damit die Peutingersche Politik des >mittleren Weges< eigentlich schon gescheitert war.45 Gleichwohl blieb Peutinger zunächst noch im Amt. Er gab es erst auf, als der Rat im Jahr 1534 eindeutig reformatorische Maßnahmen ergriff, indem er in allen Kirchen der Stadt die altgläubige Predigt verbot und die Messe nur noch in den Kirchen duldete, die dem Kapitel und dem Bischof direkt >verwandt< waren. 46 In jedem Fall aber kann die Bedeutung der beiden Stadtschreiber - eindeutig parteinehmend hier, vorsichtig lavierend dort - für den so unterschiedlichen Verlauf der Reformation in den beiden Städten kaum überschätzt werden.

IV. Wir haben schon mehrfach angedeutet, daß auch die Situation in den Räten Augsburgs und Nürnbergs grundsätzlich verschieden war. Sicher muß man annehmen, daß im Blick auf die Entscheidung für die Reformation auch im Nürnberger Rat einzelne Personen von besonderer Bedeutung waren. So wissen wir etwa, daß im ersten Dezennium der Reformation die beiden Losunger, und damit die Inhaber des einflußreichsten Amtes in der Stadt, schon früh für die Reformation gewonnen waren. Doch ist es wohl charakteristisch, daß wir im Unterschied zum Augsburger für den Nürnberger Rat nur ganz wenig über die Stellung der einzelnen Ratsherren zur Reformation und noch weniger über dessen innere Spannungen wissen. Das kann im Blick auf die insgesamt ausgezeichnete Quellenlage eigentlich kein Zufall sein. Vielmehr wurde derartiges in den offiziellen Quellen - Ratsverlässen und Ratsbüchern — offenbar bewußt nicht dokumentiert. Daß es gleichwohl auch im Nürnberger Rat im Blick auf das Vorgehen in der Religionsfrage und die Reformation der Stadt durchaus unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen gab, ist nicht nur eine naheliegende Vermutung. Es geht vielmehr sehr deutlich aus einem Gutachten Osianders zur Aufgabe der weltlichen Obrigkeit hervor. 47 Der Rat war aber stets auf eine nach außen - und das heißt in diesem Fall auch der eigenen Bürgerschaft gegenüber - einheitliche Linie in dieser Frage bedacht. Als von 1522 bis 1524 Reichstag und Reichsregiment in der Stadt tagten, schützte der 45 46

47

H. Lutz (Anm. 4) S. 295. Vgl. Horst Immenkötter: Kirche zwischen Reformation und Parität. In: G. Gottlieb (Anm. 3) S. 391-412, bes. S. 398f. Vgl. A. Osiander d.Ä. (Anm. 19) S. 51-65.

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Rat zwar die von ihm eingesetzten Prediger, vermied aber andrerseits doch jede deutlich reformatorische Maßnahme. Und auch die Prediger fugten sich dieser politischen Linie des Stadtregiments und griffen zu den wirklich einschneidenden Änderungen erst, als Reichstag und Reichsregiment die Stadt verlassen hatten. Der Rat duldete sie, wobei er wohl immer noch auf eine mindestens nationale Lösung der Religionsfrage hoffte. Als sich das aber mit der Absage des Speyerer Nationalkonzils im Herbst 1524 als unmöglich erwies, fürchtete der Rat - in ganz anderer Weise von der Menge seiner von der Mitregierung ausgeschlossenen Bürger bedrängt und von seinem Stadtschreiber und einem Teil der städtischen Juristen vorwärtsgeschoben über der reformatorischen Bewegung das Heft aus der Hand zu verlieren, und stellte sich mit der Veranstaltung des Religionsgesprächs vom März 1525 an die Spitze der Bewegung. Dabei ist es aber wiederum charakteristisch, daß die gesamte Vorbereitung des Religionsgesprächs und auch seine Durchführung vollkommen in der Hand des patrizischen Rates lag. Der Große Rat der Genannten wurde zwar zum Religionsgespräch eingeladen, gleichsam als dessen Zeuge, war aber weder an dessen Vorbereitung noch an den dann folgenden, die Reformation in der Stadt durchsetzenden Beschlüssen in irgendeiner Weise beteiligt. Faktisch wurde Nürnberg selbst damit eine evangelische Stadt.48 Doch hat der Nürnberger Rat seine Maßnahmen damals nicht mit einer gedruckt publizierten Rechtfertigung oder einem allgemeinen Ausschreiben begründet. Und auch später, als Spengler eine ausführliche Verteidigungsschrift für Veröffentlichung und Druck vorbereitet hatte, wurde sie letzten Endes vom Rat zurückgehalten.49 Bezeichnenderweise dehnte man die reformatorischen Maßnahmen auch nicht sogleich auf das Landgebiet aus. Vielmehr wartete der Nürnberger Rat die politisch günstigere Situation ab, in der er gemeinsam mit dem Markgrafen Georg von Brandenburg die Kirchenvisitation auch des Landgebietes vornehmen und mit einer Kirchenordnung die gesamte Neuordnung des Kirchenwesens abschließen konnte. Doch erschien die Kirchenordnung auf Rat der Nürnberger Juristen wieder nicht mit einer im Namen des Rats und des Markgrafen erlassenen Vorrede, sondern mit dem Titel >Kirchenordnung in meiner gnädigen Herrn der Markgrafen zu Brandenburg und eines ehrbaren Rats der Stadt Nürnberg Oberkeit und Gebieten, wie man sich beide mit der Lehre und den Zeremonien halten solleAuslaufen< zu altgläubigen Gottesdiensten untersagte. Andrerseits war man in bezug auf das Kirchengut und die Einkünfte der Benefizien in Augsburg vorsichtiger als in Nürnberg, insofern man darauf in keiner Weise zugriff. Von besonderem Interesse sind aber in diesem Zusammenhang auch die in beiden Städten mit durchaus ähnlichen Argumenten geführten Diskussionen und Erwägungen zur Frage des >ius reformationisConfession< (1530) and, twentyfive years later in the Religious Peace of Augsburg, won official recognition throughout Germany. Ironically, the city whose name is forever affixed to these historical events followed a confessional policy in the 1530s and 1540s which diverged from the position of the northern Lutheran states. Surprisingly, Augsburg did not adopt the >Augsburg Confession< until 1536 out of political expediency. Likewise, the city joined the Schmalkaldic League at a relatively late date.1 In fact, the City Council of Augsburg dismissed its Lutheran preachers shortly after the Diet of 1530 and replaced them with pastors whose theological views differed at key points from those of Luther. From the death of Zwingli to the Augsburg Interim of 1548 Augsburg, in its church government, liturgical practice and position on the Lord's Supper, forged a confessional identity which took neither Wittenberg nor Zürich as a model.2 Con-

2

Augsburg joined the Protestant League on 20 January 1536, before theological unity was reached five months later at Wittenberg. S. Friedrich Roth: Augsburgs Reformationsgeschichte. München 1904. Bd. 2. P. 287. Augsburg, fearing potential, punitive measures economic, political and military - from Catholic neighbors, delayed membership in the League as long as possible. On Augsburg's Reformation as an example of the >zwinglian-bucerian< paradigm, s. Paul Warmbrunn: Zwei Konfessionen in einer Stadt: Das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in den paritätischen Reichsstädten Augsburg, Biberach, Ravensburg und Dinkelsbühl von 1548 bis 1648. Wiesbaden 1983. P. 49; Wilfred Enderle: Ulm und die evangelischen Reichsstädte im Südwesten. In: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung: Land und Reformation 1500-1600. Ed. by Anton Schindling. Münster 1993 (KLK. Vol. 5). P. 208.

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James Thomas Ford

fessional politics of the Upper German cities in the 1530s, culminating in the Wittenberg Concord of 1536, centered on the attempt at theological solidarity and political alliance with Lutheran Saxony. Impulses emanating out of Strasbourg, charged by the ecumenical efforts of Martin Bucer, created an atmosphere for accord and compromise which in turn refined the contours of the confessional topography of southern Germany. Consequently, the evangelical church of Augsburg did not identify itself as Lutheran or Zwinglian, but defended an autonomous >Upper German< (oberdeutsch) position, a third type of confession which found expression in the Church Ordinance of 1537 and among other Upper German cities for instance in the >Confessio TetrapolitanaBischofssitz< and home of the richest bankers and merchants in Northern Europe, provides an exemplary case in investigating this confessional dynamic. During this period Augsburg found an ardent defender of its confessional stance in the reformer Wolfgang Musculus.4 Musculus, in the pulpit, at church convocations, and with the pen, was an active participant in Augsburg's confessional struggles. Throughout the late 1520s the Protestant community of Augsburg suffered from religious discord and lacked coherent spiritual leadership, as

The Ordinance is printed in Emil Sehling: Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Tübingen 1961 ff. Vol. 9. P. 50-64. The >Confessio Tetrapolitana< (Four Cities' Confession), represented by the imperial cities Strasbourg, Constance, Memmingen and Lindau, was largely a product of Strasbourg. Although the Augsburg Confession served as a model, the Tetrapolitana differs from its more known counterpart in its emphasis on Scriptural authority and the zwinglian-bucerian interpretation of the Lord's Supper. Augsburg, the host city of the Diet of 1530, could not affront the residing Emperor by adopting the Tetrapolitana, nor at first the Augsburg Confession. One can discern Augsburg's reasons not to accept the confession also in view of Strasbourg's grounds for promoting it. Augsburg was not yet prepared to align itself with a Protestant coalition of cities and alienate the Emperor. Unlike Strasbourg, which had abolished the Mass in 1529, Augsburg was not obliged to justify its actions. S. James Kittelson: Confessio Tetrapolitana. In: TRE. 8. 1981. P. 73-77; Martini Buceri Opera Omnia. Series I. Martin Bucers Deutsche Schriften. Hg. v. Robert Stupperich. Gütersloh 1960ff. Vol. 6/1. P. 23f. Musculus has received little treatment in the secondary literature. The reformer's numerous bible commentaries and above all his systematic >Loci Communes< (Basel 1560) helped to lay the theological foundation of the Reformed tradition. Accordingly, most scholars who have concentrated on Musculus have focused on his theology and biblical exegesis. For excellent recent accounts of the reformer's life, s. Rudolf Dellsperger: Wolfgang Musculus (1497-1563). In: Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 und ihr Umfeld. Ed. by Reinhard Schwarz. Gütersloh 1988 (SVRG. Bd. 196). P. 91-110; idem: Musculus, Wolfgang (1497-1563). In: TRE. 23. P. 439-441. All biographical sketches are based ultimately on the account of Musculus' eldest son published in 1595. Scholars still await a modern critical biography of the reformer to supplant Ludwig Grote: Wolfgang Musculus: Ein biographischer Versuch. Hamburg 1855.

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Zwinglians and Lutherans in this >German Corinth< had contended for control.5 The City Council of Strasbourg sent Musculus and other pastors to lift Augsburg out of its confessional quagmire. Although he did not enjoy the same undisputed authority among pastors as Luther in Wittenberg, Zwingli in Zürich, or even Bucer in Strasbourg, Musculus nonetheless became the most prominent pastor in Augsburg and by the late 1530s had acquired the trust and confidence of the Council. A concentration on Musculus's activity, then, offers a favorable vantage point in examining Augsburg's confessional position. I have two interrelated objectives in this essay. First, I want to explore the career of Musculus in an attempt to illuminate the confessional climate of Augsburg. Secondly, I want to set Musculus in his historical context. To gain an understanding of the man and the city, I will concentrate on Musculus's role as pastor, preacher and propagandist in Augsburg's search for, and defense of, a confessional identity. I will focus on the reformer's polemic with Lutheran and Catholic opponents who both emphasized Augsburg's divergence from Wittenberg and underscored its move toward Zürich. Lastly, I will examine Musculus's attempt to introduce >Upper German< Protestant reform in the free imperial city of Donauwörth. These conflicts, involving the Lord's Supper, the role of the civic magistrate, and worship liturgy, will demonstrate that the struggle for confessional hegemony occurred within Augsburg, in its environs and as a literary battle on a larger polemical field.

I.

Musculus's conflict with Johannnes Forster is only one skirmish in a larger confessional battle against Wittenberg. Though in the early days fellow Benedictines dubbed him the >Lutheran monkx, Musculus' mature theological views, particularly his sacramental theology, reflected the teachings of Bucer and Zwingli.6 5

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Hans von Schubert: Zwei Predigten Martin Bucers. In: Beiträge zur Reformationsgeschichte. Ed. by Otto Albrecht. Gotha 1896. P. 193. Musculus remained closer to Bucer. The reformer Johannes Haller, writing to Bullinger on 9 May 1546, describes Musculus thus: circumduceretur et penderet a Bucero, quicquid enim ille dicit aut scribit, hie pro oraculo adorat. Zürich, StArch. E II 346, p. 185f. Musculus seemed to move closer to Zürich in the late 1540s. As is the case with Bucer, church historians and theologians categorize him differently. Gottfried W. Locher [ Die Zwinglische Reformation im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte. Zürich 1979. P. 613] places Musculus in the Zwinglian camp, but tends to be overly liberal in his definition of >Zwinglianmanducatio infideliumwith the mouth of faith.< Citing Augustine, he disagreed with Luther's doctrine of ubiquity and held that Christ in his human nature can only be present in one place, at the right hand of the Father.7 The Augsburg preachers issued throughout the 1530s various statements regarding the Eucharist, including a short confession (1531) and a catechism (1533) which denied the corporal presence of Christ to one degree or another, depending upon the dominant author of the text and the time of composition. 8 In this controversy Musculus found himself at odds with Wittenberg in the 1530s, as Augsburg and other Upper German cities sought an alliance with Saxony. A Lutheran's description of the arrival of Musculus and his colleague into Augsburg as two camels bearing the devil on their backs marked no auspicious beginning. 9 At the outset Musculus defended the Bucerian understanding of the Lord's Supper against the Lutheran preachers at St. Anna, Stephan Agricola and Johann Frosch, and, together with his colleagues, quickly won the approval of the Council. However, Musculus's conflict with Forster became particularly vehement, as the two worked together with different aims to build a solid Protestant Church in Augsburg. In 1535 Luther, at the request of the Augsburg City Council, dispatched Forster to the Swabian metropolis as a first step toward confessional unity. Accordingly, Forster, until his dismissal three years later, kept a close eye on Augsburg's fidelity to Luther. Named with Musculus as one of the four presidents of the Augsburg >Kirchenconventpersona

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larly, Lutheran historians too readily place non-Swiss magisterial reformers in the Lutheran camp. Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer 1509-1567. Ed. by Traugott Schieß. Freiburg i.Br. 1908. Vol. 1. No. 438. The 1531 document, drawn up by Musculus, Michael Keller and Bonifacius Wolfart, is preserved in Augsburg, StArch. Evangelisches Wesensarchiv, Akt 506. The catechism is printed in: Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600. Ed. by J. M. Reu. In: Quellen zur Geschichte des Katechismusunterrichts. Gütersloh 1924. Part 1. Vol. 1. P. 756-774. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek. 4° Cod. Aug. 144. fol. 24 v : Also ritt der teufel wider auf ain neues zu Augspurg ain auf zweien kamelthieren von Straßburg mit Namen Bonifacius und Meißlin. The >Kirchenconvent< was established to maintain orderly church worship, provide discipline among the pastors, ensure unified church leadership, and allow magisterial surveillance over the clergy. As instituted in the Church Ordinance of 1537, it consisted of four presidents who rotated quarterly; pastors and deacons; two general church wardens (Kirchenpröpste); two parish wardens (Pfarrpröpste); and the civic lawyer. The >Kirchenconventconvocatz< (vgl. R. Stupperich (note 3) Vol. 5. P. 30f), met biweekly and held larger meetings at the beginning of each quarter and in special circumstances.

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n o n grata< a m o n g the A u g s b u r g pastors, challenging their v i e w s in the >Kirchenconvent< and preaching the Lutheran understanding o f the Lord's Supper from the pulpit. Forster s i n g l e d out M u s c u l u s as the o n e responsible for steering Augsburg a w a y from Wittenberg and introducing a more radical reform program." M u s c u lus, in s e r m o n s and written reports to the City Council, pressed m o s t ardently for the abolition o f Catholic w o r s h i p services in A u g s b u r g , w h i l e Forster o p p o s e d any hasty reform h e e d l e s s o f careful legal deliberations. 1 2 T h e t w o reformers wrangled o v e r the real p r e s e n c e in the Eucharist, church liturgy, and the role o f the clergy in politics. 1 3 Forster a l w a y s p l a c e d his squabbles w i t h M u s c u l u s and the other A u g s b u r g pastors o n a wider l e v e l o f confessional politics. Forster e n d e a v o r e d to e x p o s e Augsburg's true Z w i n g l i a n colors. H e

frequently

c o m p a r e d the city to Zurich and asserted that it sought unity w i t h Lutheran Saxo n y o n l y under the g u i s e o f c o n c o r d and c o n f e s s i o n . 1 4 C o n s c i o u s l y utilizing a Catholic ploy, he reiterated that A u g s b u r g adopted the >Confessio Augustana< as m e r e l y a political safeguard, an attempt to fulfill a prerequisite for membership in the S c h m a l k a l d i c League.' 5 H e buttressed this c l a i m b y observing that neither the

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S. Wilhelm Germann: Johann Forster, der Hennebergische Reformator. Meiningen 1894. P. 61-320. While Forster clashed also with the more radical pastors Michael Keller and Bonifacius Wolfart, he knew that Musculus carried more clout with the City Council and in this sense was the driving force toward a non-Lutheran confession in Augsburg. S. W. Germann (note 11) p. 159 and 188. In various >Gutachten< deposited in the StArch of Augsburg Musculus defended the council's seizure of church property and supported its efforts to implement religious reform. On the heated debate over Latin vespers and the struggle in hammering out a Church Ordinance acceptable to all sides, s. W. Germann (note 11) p. 191-197. On the reformers' dispute over the place of images in worship, s. p. 199-203. The conflict over the Lord's Supper (p. 181-186) centers on the appeal to patristic testimony and the validity of the sixth chapter of John as a proof-text for the >manducatio spiritualise Their disagreement on the role of the pastors in politics, which became poignant when Musculus from the pulpit tried to influence voters in the 1536 and 1537 burgomaster elections (p. 116 and 178), stemmed from a fundamental difference on the doctrine of the Two Kingdoms. Forster reprehended Musculus for presuming the duties of a burgomaster and Council member (p. 187f), and criticized the >Zwinglians< for instituting a new popery. He frequently compared Augsburg to Münster where Anabaptists took over the government and set up a theocracy (p. 116, 245, 254). Accordingly, Forster represented the Wittenberg position on the >ius reformandiAugsburg Confession< coalesced with his allegation that the Augsburg preachers were really radicals; for, while the >Confession< never received a blot of ink from a Protestant printing press in Augsburg, books from the spiritualists Sebastian Franck and Kaspar Schwenckfeld proliferated.21 Indeed, Augsburg printers, like their counterparts in Strasbourg, managed 16

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W. Germann (note 11) p. 256: [...] dan ichs noch nie dahin hab bringen können, das man zu Augspurg die confession gedruckt hette und viel unter burgermeistern, kirchenprobsten und predicanten, die sie [...] dazuweil noch nicht gehabt haben, unangesehen, ob sie ein jar zuvor dieselbige angenommen. V D 16. Stuttgart 1985. Section 1. Vol. 4. P. 543. The Catholic printer Alexander Weißenhorn I produced the only edition (1535) from an Augsburg press in the sixteenth century. Most sixteenth-century editions of the Confessio were printed in Wittenberg and other staunchly Lutheran cities. W. Germann (note 11) p. 69. Forster leveled this charge specifically at the pastor Michael Keller. W. Germann (note 11) p. 101,273,276,280. W. Germann (note 11) p. 238: Die von Augsburg, Ulm u.s.w. fielen bald nach gehaltenem reichstag zu Augspurg vom Luther ab, und dem Zwingli zu, legten auch den lutherischen predigern (wie mans nennet) beide ire predigen und abendmal darnider [...] Anno 31 fiel Ulm, Augspurg und etliche ort Luthern gar ab, hiessen die prediger, beide mit irer meß und predigamt still stehen und schickten gen Strasburg, Costnitz, Basel und anders wohin umb prediger, die auf Zwingiis che [...] das nachtmal und predigtamt anzurichten. Forster is citing Franck's >Chronic. Zeitbuch und Geschichtsbibeh, first published at Strasbourg in 1531; cf. F. Roth (note 1) vol. 2 p. 424. Augsburg in fact sought pastors in Strasbourg, Constance and Tübingen. S. Friedrich Roth: Zur Berufung des Ambrosius Blarer, des Wolfgang Musculus und des Balthasar Keufelin nach Augsburg im Dezember 1530. In: BBKG. 8. 1902. P. 256-265. Martin Bucer, in his >Dialogi oder Gesprech< (1535) dedicated to the Augsburg magistrate, denied Franck's claims. Under the marginal note >Unwarhaitt des Francken wider AugspurgKirchenprobsteKirchenconvent< for the Schwenckfeldian Johann Baumgartner, regardless whether or not he teaches in accordance with the Augsburg Confession, a precondition that had been established. 26 Musculus and the other pastors countered Forster's claims by appealing to the mentality of the people. When Forster preached the Lutheran view of the Lord's Supper, the >Kirchenconventgrievously< offend the people. Parishioners, he continued, would see Lutheran doctrines as a reinstatement of the popish teaching of transubstantiation which they sought to abolish.28

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Reformation. On Musculus's strife with Kaspar Schwenckfeld, s. W. Germann (note 11) p. 124 and 166; CSch. Vol. 8. P. 289. Vol. 9. P. 375. Schwenckfeld's spiritualist interpretation of the Eucharist and his antagonism to any affirmation of a >real< presence, posed a threat to the Upper Germans' reconciliation with Wittenberg. S. Martin Brecht, Hermann Ehmer: Südwestdeutsche Reformationsgeschichte. Stuttgart 1984. P. 237. His sojourn in Augsburg from October of 1533 to June of 1534, and the dissemination of his ideas threatened to discredit the Augsburgers' sincerity. Hans-Jörg Künast: Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks von 1468 bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555. In: Augsburg in der Frühen Neuzeit: Beiträge zu einem Forschungsprogramm. Ed. by J. Brüning, F. Niewöhner. Berlin 1995 (Colloquia Augustana. Vol. 1). P. 230. W. Germann (note 11) p. 243f: gar ein andere Ordnung, art, weise ist, weder in unser confession, welche die von Augspurg sollen angenommen haben. W. Germann (note 11) p. 289f. W. Germann (note 11) p. 255. W. Germann (note 11) p. 222. W. Germann (note 11) p. 97: Es kam fur die predicanten und kirchenprobst, das ist Caiphas und Herodes, versamelten einen convent, trugen fur die kirchenprobst, ich hette eine predigt gethan die brechte viel rede und Widerwillen under dem volk. Ich muste mich nach dem volk richten, damit ich es nicht ergerte, sondern zusammen in einikeit brechte, sie hetten auch von den hern befehl, das sie solten aufachtung haben, das man in der lare eintrechtig, gedachten eine einhellige lar in irer stat zu erhalten und allen span, zwitracht, uneinikeit so viel muglich aufheben und weglegen. W. Germann (note 11) p. 96: Musculus kam hernach in mein haus, war zornig, ich solte also nicht geredt haben. Es hette sich das volk greußlich darab geergert, man hette solche weis zu reden hie abgetrieben, von wegen der bepstler, die dadurch hetten wollen die transsubstan-

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Musculus was aware that Luther had retained the corporal presence of Christ in the Lord's Supper and most aspects of the Catholic mass.29 His argument illustrates one of the reasons why the Zwinglians were more popular among the burghers than the Lutherans. The people, whose anticlericalism had reached a feverish pitch in the 1520s and early 1530s, saw the Zwinglian doctrine of the Lord's Supper as a clear break with Catholic teaching and easier to comprehend. 30 Musculus's exhortation to Forster betrayed the overall sentiment of the Augsburg evangelical community. The Augsburg pastors, deacons and >Kirchenprobste< had objected to Forster's reintroduction of Lutheran teaching on the sacraments, claiming that the folk were opposed to such views. They exhorted him to preach to the laity in a way that corresponds to the people's understanding. 31 The pastors contended that they did not teach in a Zwinglian manner, but had their own ways of speaking (modos loquendi) to which the Augsburgers had grown accustomed. 32 The people would take offense, they argued, should someone introduce another approach. To be sure, the pastors were engaging in polemic, yet their claim contained some truth, as the Zwinglian preachers according to contemporary sources drew a vastly greater number of listeners by the late 1520s than the Lutherans. Burghers, >Kirchenprobste< and pastors alike reviled Luther as an arrogant pope and in a common chorus repudiated him as their master. 33 In 1536, as a delegate of Augsburg at the theological conference in Wittenberg, Musculus exclaimed: Should we bow to Luther like a pope!34 Luther's views seemed to go against the grain of the Augsburg parishioners' spirituality. Nonetheless, the Augsburg pastors used this argument to oppose Lutheran doctrines at the pulpit

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tiation statuiren und erhalten. At this time, 1535, the Augsburg magistrate had limited Catholic services to seven churches. The abolition of the Mass occurred two years later. Hermann Waldenmaier: Die Entstehung der evangelischen Gottesdienstordnungen Süddeutschlands im Zeitalter der Reformation. Leipzig 1916 (SVRG. Vol. 125/6). P. 7-10. Philip Broadhead: Internal Politics and Civic Society in Augsburg during the Era of the Early Reformation, 1518-1537. Ph.D. diss. University of Kent 1981. P. 215f. W. Germann (note 11) p. 187 and 290. W. Germann (note 11) p. 290: wie das sie Zwinglisch leren und solche gleichnis und argument, wesentliche gegenwertifkeit oder leibliche niessung nicht statuiren und der confession nicht gleichförmig seien oder das sie bei den Worten Christi nicht bleiben und derselbigen gebrauchen, geben sie wider antwort, sie leren nicht Zwinglisch, sie haben ire modos loquendi [...] welcher das volk gewonet, und sollen sie andere einfuren, die da ungewonlich, so ergerte sich das volk drab. Writing to the Frankfurt reformer Denis Melander on 20 March 1533, Musculus distinguished between essentials of doctrine and >ways of speakingc Luther [...] maxime cum mera sit rixa propter modos loquendi, cum re ipsa non admodum dissentiamus. Johann C. Füssli: Epistolae ab Ecclesiae Helveticae Reformatoribus vel ad eos scriptae. Zürich 1742. P. 180. S. W. Germann (note 11) p. 67, 144, 234f. W. Germann (note 11) p. 140: Ach was sol dis leben, mus man im doch schier gnaden und zu fuß fallen, wie dem pabst.

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without jeopardizing the fragile consensus between Augsburg, indeed Upper Germany, and Wittenberg. The Augsburg pastors implied that the citizens were predisposed to t h e i r methods, because they corresponded to the Upper German or Swabian mode of thinking.35 They defended their distinctive reform program by appealing to the local culture.

II. Forster's arguments reappeared under a new guise six years later in the polemic between Musculus and Johannes Cochlaeus. The debate, sparked by Musculus's two sermons on the mass delivered in Regensburg, involved responses from each side in both Latin and German. 36 The polemic centered upon the sacrificial character of the mass and the role of the priesthood. However, one can trace another dispute alongside the theological joust and patristic name-dropping. The essence of Cochlaeus's polemic, which aimed at driving a wedge between the Lutherans and Zwinglians by exposing their differences, finds full expression here.37 In the foreword to his >Sacerdotii ac Sacrificii Novae Legis Defensiofine, praiseworthy ordinances and ceremoniesWarhaffte Verantwortung« first promulgated on 26 February 1537. S. Herbert Immenkötter: >Wahrhafte Verantwortung Zur Abthuung der papistischen Abgötterey< in Augsburg 1537. In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte. 21. 1987. P. 72-111. J. Cochläus: Verthedigung unsers Priesterthumbs (note 36) fol. Aiii v : die von Augspurg, als sie des willens waren die Clerisey auß zu treyben, der Lutherischen Confession und Apologien haben angenomen, vii mehr zu eim Bantzer dann zum glauben, wie auß iren Predigen und sonst vermerckt wirdt. Perhaps Forster derived his similar allegation from this source.

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Catholic services and altars than in Zurich where Zwingli has wreaked havoc. Moreover, whereas Forster likened Augsburg to Münster in that the Augsburg pastors exerted political pressure on the Council, Cochlaeus compared the Swabian city to Constantinople in liturgy and church adornment, for more altars are found today in Turkey at Constantinople than in Augsburg. How then can you boast of Wittenberg, taunted Cochlaeus, when you are really more Zwinglian than Lutheran?42 There was something to Cochlaeus's claim. The Augsburg Church Ordinance of 1537 provided for a modest liturgy, practically devoid o f images and bereft o f ostentation. 43 Forster, writing to Luther on 8 September 1535, noted that the church o f Augsburg differed from Wittenberg in ritual and ceremony. 4 4 Cochlaeus sympathized with the princes and cities who turned Protestant, claiming the reformers deceived them with ornate words and veiled their discord. In his response to Cochlaeus, also dedicated to the City Council o f Augsburg, Musculus sought to defend the religious reforms in Augsburg and yet affirm theological unity with Wittenberg. In the foreword Musculus averred that the Augsburgers are Christians not Zwinglians, and do not follow Luther as preceptor and master. 45 Like many other reformers, Musculus considered himself above all a Christian, seeking spiritual counsel solely from Scripture. 46 Likewise, the

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J. Cochläus: Verthedigung unsers Priesterthumbs (note 36) fol. Aiiiv: Was kanstu aber drauff antworten, weyl noch heutiges tags ewr leer und kirchen brauch mer zwinglisch dann Lutherisch ist? Denn ist vil ein andre gstalt in kirchen zu Augspurg dann zu Wittenberg, andre cermonien, andre weyß des Abentmals und meß haltens. Ja es ist zu Augspurg, furnemlich durch dein angeben und raitzung, nicht mehr in kirchen von Meß und altärn überbliben, dann zu Zurg, do Zwinglius regirt, ja gewütet hat, das solch dein wüten mehr dann Türckisch ist. Denn heut zu tag in der Türckey zu Constantinopel noch mehr Meß und altär inn kirchen gefunden werden, dann zu Augspurg. Derhalben möchtestu deins rhühmens von Wittenberg wol geschweigen, weyl du in warheyt vil mehr Zwinglisch bist dann Lutherisch. S. Herbert Immenkötter: Kirche zwischen Reformation und Parität. In: Geschichte der Stadt Augsburg: 2000 Jahre von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Ed. by Gunther Gottlieb a.o. Stuttgart 1985. P. 399. One can find an eyewitness account of Augsburg church services in Wolrad von Waldeck: Tagebuch während des Reichstages zu Augsburg 1548. Hildesheim 1980. WA.B. 7. No. 2237: Prima huius Ecclesiae facies mihi non admodum displicuit, et quanquam ab Ecclesia Wittembergensi ceremoniis Ulis atque ritibus nonnihil variet [...]. W. Musculus: Auff das Büchlin Johannis Cochlei (note 36): Wir seind dir nitt Christen, sonder Zwinglisch, als ob wir in dem handel unsers hails, disem als unserm preceptor und maister Voigten, so wir doch weder dem Zwinglin noch Luthero, sonder allain Christo ergeben seind. Even into the later stage of his career Musculus fought off the Zwinglian label and objected to such categorizations. Writing to Sebastian Lepusculus on January 5, 1553, Musculus remarked: De eo quod nonnulli praelexunt, factum esse me Zwinglianum, in re sacramentaria, non est ut anxie respondeas. Extant mea scripta cum declaratione adjecta, si quid desiderant vel improbant, indicent et habebunt paratum responsum. Admodum ridiculum est, quod me ob hanc meam sententiam Zwinglianum vocant, et non magis Oecolampadianum [...] Et

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Augsburg pastors, in a letter to the Council aimed at defending their stance against Luther, denied adherence to both Luther and Zwingli.47 While Musculus's disavowal of Zwingli was probably sincere, he also sought to avoid Cochlaeus's trap, an attempt to pigeonhole him. He countered the charge of disunity among Protestant ranks by pointing to the numerous factions in the Catholic camp. Musculus acknowledged that the Wittenbergers retained elements of the mass, but not in the sense of a sacrificial offering (Meßopfer) as Cochlaeus claimed. He conceded a disparity between Augsburg and Wittenberg in external ceremonies, but declared Christian freedom concerning the >adiaphora< and affirmed unity between the two churches in faith and doctrine.48 Cochlaeus's observations on the Wittenberg Concord seemed to gnaw at Musculus. He denied that the Upper Germans recanted their views for Luther and cautioned Cochlaeus not to write about things that do not concern him.49 He asserted that Cochlaeus, ignorant of the facts, willfully portrays the event negatively and intends solely to throw suspicion on him. Regarding the comment on the >Augsburg Confession< by the bishop of Augsburg, wrote Musculus, Augsburg has accepted the creed and does not heed the bishop's opinions. Musculus likened Augsburg's abolition of the mass and the altars to Christ overturning the moneychangers' tables. Contrary to Cochlaeus's contention, Augustine had acknowledged a diversity in church practice, distinguishing ceremony, which stems from ecclesiastical tradition and councils, from matters of faith, which are rooted in Scripture.50 In sum, Musculus countered Cochlaeus's stratagem of >divide and con-

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quaeso quare vocarunt Blarerum? An judicarunt hutic factum esse Lutheranum? Scilicet. Bern, StArch. B III 38:823. Augsburg, StArch. Evangelisches Wesensarchiv, Akt 488, fol. 5-6; Thesaurus Baumianus: Thesaurus epistolicus reformatorum Alsaticorum. Ed. by Johann Wilhelm Baum. Strassburg, Bibliothèque National et Universitaire. 6. P. 272-276. W. Musculus: Auff das Büchlin Johannis Cochlei (note 36): Ich bekenn gleich wol hierinn zw den Wittenberg ceremonien belangt, in welchen wir bederseyts die Christliche freyhait erkennen und halten, und ist kain tail dem andern hierinn überlegen, allain das die ainhelligkait der gesunden leer und des glaubens steif bleibe. In In Primum Musculi Anticochlaeum (note 36), Cochlaeus exposes the Protestants' doctrinal differences on baptism, the keys of the Church, and the Eucharist, quoting the anti-Zwinglian sentiments of Andreas Osiander to support his claim. After Musculus fled to Switzerland for safety in the summer of 1548, the Swiss reformer Johannes Haller claimed that Musculus accepted the Wittenberg Concord in deference to Bucer. Haller may have embellished the account to make Musculus, who was seeking a teaching position, look more favorable to Zürich and Bern. S. Eduard Bähler: Bem und die Augsburger Interimsflüchtlinge. Neues Berner Taschenbuch. 26. 1921. P. 83. Musculus's modern biographer, L. Grote (note 4), singles out Musculus's participation in the Wittenberg Concord as one of the rare moments when the Reformer did not speak his mind openly. Cochlaeus refutes Musculus's views on altars in De Altaribus Christi in Ecclesiis, chapter 5 of his In Primum Musculi Anticochlaeum (note 36).

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quer< by distinguishing essentials from non-essentials and rejecting the notion that Luther is the ultimate authority.

III. At about the time the polemic with Cochlaeus abated (1544-5), the civic magistrates sent Musculus to introduce and consolidate the reformation in the imperial city of Donauwörth. 51 The election of Protestants to the City Council and disillusionment with a pro-imperial policy created in Augsburg's sister city an atmosphere conducive to Protestant reform. Augsburg, keeping an earlier promise to dispatch one of its pastors, hoped to extend its confession and political net northward and prevent the encroachment of Lutheran neighbors. Musculus's efforts as preacher in Donauwörth, as documented in his correspondence, illustrate not only his involvement in Augsburg's confessional and territorial ambitions, but also his role in shaping and defending Upper German Protestant reform. 52 Donauwörths adoption of Augsburg reforms was conditioned on its entrance into the >Dreistädtebund< (Three Cities' League), formed between Augsburg, Ulm and Nuremberg in 1533. The city, anticipating grave consequences after the abolition of the mass, sought refuge in a protective Protestant union. The City Council of Nuremberg refused Donauwörth membership in the League ostensibly because it believed the League would overextend itself; but it really feared Upper German influence from the other members of the League and specifically the introduction of the Augsburg Church Ordinance. 53 Nuremberg probably reckoned that Donauwörth's only recourse lay in unity with the neighboring Lutheranized principalities. Augsburg expressed keen interest in the introduction of the Reformation in 51

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On the Reformation in Donauwörth, s. Felix Stieve: Die Einführung der Reformation in der Reichsstadt Donauwörth. In: Sitzungsberichte der königlichen bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1884. P. 387-461; Friedrich Roth: Beziehungen der Stadt Augsburg zur Reformation in Donauwörth, 1538-1546. In: BBKG. 10. 1903. P. 172-188; Lore Grohsmann: Martin Luther und Donauwörth: Die Einfuhrung der Reformation in Donauwörth. In: Donauwörth. Vol. 23. 1985. P. 3-12. The correspondence between Musculus and the Augsburg burgomasters, encompassing twenty-nine letters, supplies the richest source for our knowledge of the early Reformation in Donauwörth. Eighteen letters from Musculus and four to Musculus have been deposited in Augsburg, Stadtarchiv (originals), and Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern, Äusseres Archiv (copies). Most of these letters have been printed by Friedrich Roth and Felix Stieve (note 51). Musculus's correspondence with Georg Herwart indicate another seven letters that have not been preserved. F. Roth (note 1) vol. 3 p. 263.

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Donauwörth, because it aspired to bring another city into its territorial web.54 In fact, Augsburg's policy of >shield and shelter< toward Donauwörth was aimed at a protection akin to that exercised by Nuremberg over Windsheim.55 Musculus's mission then did not involve simply the consolidation of the Protestant Reformation, the abolition of the mass and the search for a Protestant minister, but an attempt on the part of Augsburg and other Protestant Swabian cities to spread their church practice into other regions. Although Musculus was primarily interested in religious reform, his ministry fit into Augsburg's larger political objective.56 Musculus suspected that Donauwörth might move towards Nuremberg and took great pains to replace the unpopular Catholic mass, which still coexisted with the Protestant communion service, with >our church customs Concerned that the burghers might succumb under pressure to the Nuremberg liturgy, he introduced the Augsburg forms for the Lord's Supper, baptism and marriage ceremony. It was his explicit objective gradually to acclimate parishioners to Augsburg church practice. When the city bans Catholic services, wrote Musculus to the Augsburg >Altbürgermeister< Georg Herwart on 10 February 1545, the people will not imagine any other ceremony to fill the void than ours. Musculus mentioned repeatedly that the people of Donauwörth were accustomed to Augsburg's liturgical forms and would not take up another custom easily.57 Early on Musculus's sermons found a receptive audience: By the grace of God the work of the Divine Word does not stand still here, but grows and increases,58 To inculcate the Gospel into the hearts of the people and provide the Council with a confessional standard, Musculus composed for the Protestant Church of Donauwörth a catechism which

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Unlike the imperial cities Nuremberg and Ulm, Augsburg, sandwiched between Habsburg and Wittelsbach lands, did not have a territory at its disposal. The City Council hoped to extend Augsburg's political hegemony via Protestant reform and military protection. Augsburg, StArch. Ratsbuch no. 19/11, fol. 10r (22 August 1545): Herr Bürgermeister Jacob Herbrod hat relation gethann, was sein fursichtigkait mit und neben herrn Matheusen Langenmantel, anrichtung halb christlicher religion mit denen von Wörde gehanndlet, unnd weß sich die von worde darauf/ vernemen lassen, und beruet die Sachen darauff, daß sie inn meiner herren schütz unnd schirm sollen genomen werden, wie ungeverlich Windsheim unnd anndere dergleichen stett durch Nürnberg inn schütz genommen synnd. Paul von Stetten: Geschichte der Heil. Rom. Reichs Freyen Stadt Augspurg. Frankfurt, Leipzig 1743. Vol. 1. P. 383: »Als daneben der Rath zu Donauwörth die evangelische Religionsübung daselbst einführen wollen, lehnte ihnen der Rath zu Augspurg Wolfgang Mäusslin. Wie er dann auch den Burgermeister Jakob Herbrot und Mathäus Langenmantel mit dem Befehl dahingeschicket, dass sie dem Magistrat in dieser Sache mit Rat und That an Hand gehen sollen, auch überdiess ersagte Stadt in seinen Schutz und Schirm genommen.« S. F. Stieve (note 51) p. 417. Musculus to Georg Herwart (10 February and 18 March 1545); Musculus to Hans Welser and Jacob Herbrot (21 March 1545). Musculus to Jacob Herwart and Simprecht Hoser (15 January 1545).

Wolfgang Musculus and the Confessional Identity of Augsburg

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included the Bucerian interpretation of the Lord's Supper. 59 The reformer hoped to lay the groundwork for reform in accordance with Augsburg and the Swabian cities. Musculus's efforts to introduce the Augsburg Church Ordinance of 1537 seemed to promote to a wider extent the Upper German Protestant Church. Musculus regarded Memmingen as our church and would have preferred a league apart from Nuremberg and between only Augsburg and Ulm. 60 To consolidate the work he had begun, Musculus pressed for a >pious and learned< preacher from Memmingen, a familiar recruiting ground for Augsburg. 61 He informed the Donauwörth City Council that those who have adopted the Nuremberg liturgy have had difficulty introducing such >impure< ceremonies to the common people. 62 Despite Musculus's efforts and the Augsburg City Council's assurance of protection, the inevitable happened. Donauwörth, prevented from joining the Three Cities' League, adopted the Nuremberg-Brandenburg Church Ordinance of 1533, which in varying degrees had been accepted by its neighbors: the imperial city of Nördlingen and the graveships of Pfalz-Neuburg and Öttingen. 63 The differences between liturgy in Augsburg and Nuremberg, as conveyed in their Church Ordinances, mirrored the disparities more generally between the Protestant churches of Swabia and Franconia. The two practices diverged above all on the nature of the sacraments, the act of consecration, the use of hymns, and the role of images and adornments in the churches. While the theological origins of Musculus' attitude toward liturgy undoubtedly reach back into his early years as a monk in Lixheim 59

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Catechismus Christianae religionis institutionem paucis complectens. Augsburg, Philip Ulhart, 1545. The catechism is printed in Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600. Ed. by J. M. Reu. In: Quellen zur Geschichte des Katechismusunterrichts. Gütersloh 1924. Part 1. Vol. 3. P. 1657-1673. Although the catechism's treatment of the Lord's Supper is circumspect, avoiding the polemical overtones of an earlier Augsburg catechism, one can discern the Bucerian position and an attempt to sway the catechumen away from the Lutheran view. Significantly, Musculus places the Decalogue after the Apostles' Creed, breaking up Luther's sharp distinction between Law and Gospel and demonstrating the usefulness of the Law as a guide for Christian living. Musculus to Georg Herwart (25 February 1545). The City Council of Augsburg appointed the Memmingen pastors Leonard Bächlin (1539), Johann Traber (1543) and Ulrich Lederlin (1544). Musculus to Georg Herwart (10 March 1545); Musculus to Hans Welser and Jacob Herbrot (10 March 1545). The Ordinance is printed in E. Sehling (note 3) vol. 1 1 p . 140-225. Developed from an earlier 1528 version, the 1533 Ordinance was written mainly by the Nuremberg reformer Andreas Osiander and served as a model throughout Protestant Germany. Because of its detail, comprehensiveness and influence it is »one of the most important Church Ordinances of the sixteenth century«. S. Anton Schindling: Nürnberg. In: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung: Land und Konfession 1500-1650. Ed. by Anton Schindling, Walter Ziegler. Münster 1989 (KLK. Vol. 1). P. 38.

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and as a deacon in Strasbourg, he inherited as pastor at the Church of the Holy Cross from 1531 to 1536 an established liturgical practice, a vestige of the medieval preaching service hinted at in the 1537 Church Ordinance. 64 Musculus, whose account of Lutheran liturgical customs in Saxony in his travel journal of 1536 evinces a cool detachment, opposed ornate services on a practical level because he believed church property and funds should be used for the poor and needy.65 The struggle for confessional predominance between the Augsburg and Nuremberg liturgical forms was not merely a >great contention over ceremony, but was indicative of inter-Protestant strife throughout southern Germany. 66 Musculus's activities aroused the attention of Upper German and Swiss reformers. 67 Ambrosius Blarer, alluding to 1 Corinthians 3, mentioned to Heinrich Bullinger on April 13 Musculus's deep regret that the citizens of Donauwörth desire the stubble and hay of lifeless ceremonies, as practiced by the Nurembergers, rather than Christ, the solid foundation.^ Bullinger responded that Musculus did all he could do, adding sullenly that the world takes delight in ceremonies, but they obscure the love and purity of the Word of God.69 Musculus, for his part, expressed his exasperation to the civic secretary Georg Tedrenrieder: If you knew so well that the Council would adopt the Nuremberg worship service, why was I summoned from Augsburg? Why didn't you select a preacher from Nuremberg?10 But in fact 64

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E. Sehling (note 3) vol. 11 p. 56. Gradually the >PredigtgottesdienstZechpflegerPredigthäuserold< pastors, who remained loyal to Musculus, and the >Confessionistenoberdeutsch< type of Reformation that occurred in Augsburg from 1531 to 1548. A heterogeneous group of opponents, including Forster, Cochlaeus and Sebastian Franck, claimed that Augsburg adopted the Wittenberg position, as articulated in the >Augsburg Confession^ the Wittenberg Concord, and the >Schmalkaldic ArticlesGodly< city.

Wolfgang Musculus und die Reformation im schwäbischen Einzugsgebiet der Stadt Augsburg Rolf Kießling

In der Augsburger und schwäbischen Reformationsgeschichte werden jene Ereignisse der Jahre 1544 bis 1546 in der Regel meist nur flüchtig gestreift, in denen Wolfgang Musculus für kurze Zeit außerhalb der Stadt agierte, letztlich aber doch scheiterte: der immerhin dreimonatige Aufenthalt vom 27. Dezember 1544 bis 25. März 1545 in Donauwörth, der zwar mit einem entscheidenden Impuls für die dortige Einfuhrung der Reformation verbunden war, aber doch eine Orientierung der Stadt an der lutherischen Variante nicht verhindern konnte, sowie der kurze Abstecher in das Augustiner-Chorherrenstifit Wettenhausen an der Kammel, wo er vom 10. bis zum 16. September 1546 predigte, aber offenbar beim Propst und Konvent auf wenig Gegenliebe stieß, so daß sich der Augsburger Rat entschloß, das Vorhaben abzubrechen. So wenig erfolgreich sich diese beiden Aktionsfelder erwiesen, so scheinen sie doch geeignet, die Frage zu verfolgen, inwieweit die Ausbreitung der Reformation als ein Prozeß zu begreifen ist, der von den entscheidenden Zentren in die jeweilige Region ausstrahlte, auch wenn diese nicht in das unmittelbare Herrschaftsgebiet der zugeordneten Territorien gehörte. Die Reformationsgeschichte in Schwaben1 ist bisher gemäß dem bekannten Diktum Arthur G. Dickens als »urban event«2 vor allem in den Reichsstädten beschrieben worden. So konstatierte man, »daß die Reformation in ihrer urban-bürgerlichen Ausprägung zu keinem >Flächenbrand< führte, sondern im wesentlichen

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Nach Adolf Layer: [Ostschwaben] Vom Interregnum bis zum Augsburger Religionsfrieden. In: Handbuch der bayerischen Geschichte. Hg. v. Max Spindler. München 1971. Bd. III/2. S. 903-927; jetzt Wolfgang Wüst: Schwaben 1517-1648. In: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. Bd. II: Von der Glaubensspaltung bis zur Säkularisation. Hg. v. Walter Brandmüller. St. Ottilien 1993. S. 65-121, jeweils mit Hinweisen auf die ältere Literatur. Arthur G. Dickens: The German Nation and Martin Luther. London 1974. S. 182.

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auf die acht Reichsstädte f...] beschränkt blieb«, wobei die »Springflut des [...] oberdeutschen Protestantismus an der städtischen Peripherie verebbte« 3 . Erst jüngst werden daneben »in den zahlreichen landsässigen Städten und Märkten« Ansatzpunkte registriert und zugestanden, daß »allfällige Sympathien in den Landsgemeinden und in der Beamtenschaft« in der »neuralgischen Zone des Bischofsstaates in der Markgrafschaft Burgau« existierten.4 Bei kleineren Landstädten wie Mindelheim 5 ließ sich ein Scheitern aus der autochthonen Entwicklung ableiten: Die Herren von Frundsberg ließen die Reformation schlichtweg nicht zu. Nur wenn sich Landesherren wie die Grafen von Oettingen-Oettingen oder Ottheinrich von Pfalz-Neuburg für die Reformation entschieden, konnte eine Ausbreitung in flächenhafter Weise stattfinden, so wie im Falle der Reichsstadt Ulm das Territorium erst nach der Weichenstellung des Rates in den Prozeß der kirchlichen Neuordnung integriert worden sei. Eine derartige territoriale bzw. reichsständische Betrachtungsweise droht die Dynamik des Vorganges zu unterschätzen. Unter kommunikativen Vorzeichen gesehen gingen die Impulse von den jeweiligen Zentren aus und wurden im >Umland< und >EinzugsgebietDoppelstrategie< des Augsburger Rates: Der Export der eigenen Reformation und die politische Absicherung der protestantischen Position generell gingen im Fall Donauwörth Hand in Hand. Der entscheidende Punkt lag jedoch bei der zweiten Option, nicht bei der ersten. Insofern war das Führungsgremium durchaus bereit, wenn auch enttäuscht, zurückzustecken, was den Anschluß an die Augsburger Kirchenordnung betraf. Das erreichte Ziel der Zufuhrung der Nachbarstadt zum protestantischen Lager und das Schutzverhältnis wogen offenbar schwerer. Betrachtet man den Vorgang allerdings aus der Perspektive Donauwörths, so war dessen Entscheidung seinerseits schlüssig — und zwar wiederum aus der regionalpolitischen Stellung der Stadt heraus: Die Angleichung an die bereits vollzogene Reformation der benachbarten Stände lag näher als die Ausrichtung an Augsburg. Dadurch, daß Nürnberg bereits einen Schritt voraus war, konnte es seinen religionspolitischen Einfluß zunächst 1528/29 in seinem eigenen Territorium durchfuhren, dazu in seinen fränkischen Trabantenstädten; entscheidend aber war dann der Vorstoß zusammen mit der Markgrafschaft Ansbach zur Brandenburgisch-Nürn78 79 80 81

Zit. nach F. Stieve (Anm. 19) S. 460. Ausführlich dazu F. Roth (Anm. 14) S. 162-165. Nach F. Stieve (Anm. 19) S. 420. Vgl. dazu neben M. Zelzer (Anm. 25) S. 224f und L. Grohsmann (Anm. 19) S. 9f auch Eberhard Naujoks: Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung. Ausgewählte Aktenstücke zu den Verfassungsänderungen in den oberdeutschen Reichsstädten (1547-1556). Stuttgart 1985 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B. Bd. 3). S. 266-268.

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berger Kirchenordnung von 1533.82 »Modellcharakter für fast alle süddeutschen Landeskirchen« 83 entfaltete diese aber erst langfristig: Zunächst war - und das zeigt der Fall Donauwörth recht klar - das Einflußgebiet nach Süden bis zur Donau auszudehnen, während südlich davon dort das oberdeutsch-reichsstädtische Konzept dominierte. 84 Diese Entwicklung aber folgte den Bahnen, die sich bereits im Spätmittelalter als reichsstädtisches Beziehungsnetz ausgebildet hatten. Eine Expansion bzw. Verdichtung des Beziehungsnetzes war nicht möglich. Eine interessante Probe auf dieses Erklärungsmuster bietet der Fall Kaufbeuren. 85 Auch diese Reichsstadt stand wie Donauwörth in einem engen Nachbarschaftsverhältnis zu Augsburg; auch als Mitglied der oberschwäbischen Reichsstädte ähnlich wie Donauwörth aber nicht zum >KernRandgruppe< gehörig - war es in einem ökonomisch wie personalen Netz mit Augsburg verknüpft und lag zudem geographisch ebenfalls, wenn auch nicht ganz so exponiert, an der Grenze zum wittelsbachischen Einflußbereich. 86 Beim ersten Anlauf der frühreformatorischen Bewegung in den 20er Jahren hatte der Rat bezeichnenderweise im März 1525 ein Gutachten Dr. Konrad Peutingers eingeholt, das die vorsichtige Zurückhaltung gegenüber der alten kirchlichen Tradition empfahl - der Bauernkrieg stoppte allerdings die Entwicklung, so daß es anschließend wieder als >katholisch< gelten konnte. Im Gegensatz zu Donauwörth motivierte freilich eine andere Konstellation die weiteren Aktivitäten Augsburgs: Seit den 30er Jahren war in Kaufbeuren nach einer Phase einflußreichen Täufertums der Schwenckfelder Spiritualismus prägend, gefördert durch die Patrizierfamilie Honold über die von ihnen gestiftete Prädikatur, die mit Matthias Espenmüller besetzt war. Da diese Richtung seit 1543 auch vom Rat mitgetragen wurde, öffnete er den Weg zur vorsichtigen Umgestaltung des Kirchenwesens - Predigt, Schul- und Almo-

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Vgl. dazu zusammenfassend Anton Schindling: Nürnberg. In: Territorien des Reiches (Anm. 4) Bd. l . S . 32-42. Manfred Rudersdorf: Brandenburg-Ansbach/Bayreuth. In: Territorien des Reiches (Anm. 4) Bd. 1. S. 10-32, ZitatS. 19. Vgl. Wilfried Enderle: Ulm und die evangelischen Reichsstädte. In: Territorien des Reiches (Anm. 4). Bd. 5. S. 208f. Vgl. dazu neben F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 253-260 vor allem Karl Alt: Reformation und Gegenreformation in der freien Reichsstadt Kaufbeuren. München 1932 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns. Bd. 15). Vgl. dazu die Aspekte der Vertretung oben zu Anm. 22; die Zugehörigkeit zur oberschwäbischen Gruppe bei Peter Eitel: Die oberschwäbischen Reichsstädte im Zeitalter der Zunftherrschaft. Untersuchungen ihrer politischen und sozialen Struktur unter besonderer Berücksichtigung der Städte Lindau, Memmingen, Ravensburg und Überlingen. Stuttgart 1970 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde. Bd. 8). S. 10-16; vgl. auch zur ökonomischen Situation R. Kießling (Anm. 6) passim.

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senordnung stand jedoch im Gegensatz zur vorherrschenden oberdeutschen Bekenntnisvariante, die sonst in dieser Region beobachtet wurde. Diese Diskrepanz veranlaßte Augsburg offenbar zum Eingreifen: Diesmal übernahm Michael Keller die Rolle des theologischen Wegweisers, der im Juli 1544 zusammen mit Stadtschreiber Georg Frölich den Versuch unternahm, eine Angleichung Kaufbeurens an die Augsburger Ordnung zu erreichen, zwar in Abstimmung mit den Reichsstädten Ulm, Memmingen und Kempten, aber doch mit einem deutlichen Führungsanspruch.87 Bezeichnenderweise wurde zunächst zusammen mit Gervasius Schuler jener Hans Schallhammer aus Memmingen als Prädikant eingesetzt, den Musculus schon in Donauwörth ins Gespräch gebracht hatte - Espenmüller wurde aus der Stadt hinausgedrängt. Nachdem der Kaufbeurer Rat am 5. August die Augsburger Konfession angenommen hatte, stellte Augsburg dann selbst im September 1545 Michael Keller zur Verfügung, der bis zum 14. Dezember die Durchführung der neuen Kirchenordnung nach Augsburger Muster zu überwachen hatte und anschließend weitere Prediger vermittelte. Gleichzeitig beriet man Kaufbeuren bei der vertraglichen Regelung mit dem Domkapitel über die Übernahme des Patronats- und Präsentationsrechts auf die Pfarrkirche von St. Martin, die am 16. März 1545 zustandekam. Daß dahinter die politische Angleichung an den Schmalkaldischen Bund stand auch wenn es nicht gelang, Kaufbeuren tatsächlich zum Beitritt zu bewegen legt die Parallele zu Donauwörth aus der Perspektive der Augsburger Führungsgruppe nahe: Noch am 12. März 1546 drängte Frölich auf die Entscheidung, ob sie neben uns und anderen Ständen — wie uns denn die von Schwäbisch- Wöhrde zu tun und noch andere zu heben und zu legen zugesagt - bleiben und sich in die Einung einlassen wollen oder nit.iS Als Kaufbeuren wegen der Höhe des Anschlags zögerte, veranlaßte das Augsburg zu dem Angebot, 4 000 bis 5 000 fl. vorzustrecken, dieweil aber die von Kaufbeuren an der Grenze gelegen und sich viel beweglicher Ursachen halben mehr denn andere zu befiirchten und zu befahren haben und vornehmlich, wo solch Städtlin - wiewohl es klein und ringschätzig, jedoch ihro, derer von Augspurg auch anderer Städte mehr ein gute Vorstadt ist überzogen und erobert sollte werden*9. Die Ereignisse überholten allerdings die Entscheidung. Die Parallelität der Fälle Donauwörth und Kaufbeuren, was die Verknüpfung der Motive betrifft, ist offensichtlich: die Augsburger Kirchenordnung einzuführen und gleichzeitig das politische Bündnis in der eigenen Einflußzone zu verankern. 87 88 89

Brief Kellers vom 21. Juni 1544; F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 25f. Zit. nach K. Alt (Anm. 85) S. 76. Zit. nach K. Alt (Anm. 85) S. 77.

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Nur ging es im Gegensatz zu Donauwörth nicht um die Etablierung der Reformation selbst, sondern um die Umpolung ihrer Ausformung - sozusagen darum, einen >inneren Gegner< des eigenen Kirchenwesens auszuschalten, wie man das ja in Augsburg selbst auch versuchte.90 Auch Kaufbeuren konnte damit in ein von Augsburg ausgehendes Klientel-Verhältnis gebracht, der Weg zur Trabantenstadt eingeschlagen werden. Wenn allerdings noch im August 1547 der erneut aus Augsburg kommende Naogeorgus (Kirchmair) strikt an der von Keller eingeführten Kirchenordnung festhielt, der Kaufbeurer Rat dagegen, um die Gunst des Kaisers besorgt, bereits bereit war, die katholischen Feiertage wieder zuzulassen,91 so bevorzugte auch Kaufbeuren die Orientierung an den politischen Gegebenheiten, in vorsichtiger, aber realistischer Einschätzung seiner schwachen Position als kleine Reichsstadt. Im unmittelbaren Vorfeld des Schmalkaldischen Krieges war Augsburg also dabei, sich zur eindeutigen Metropole in Ostschwaben aufzuschwingen: nach der bereits seit langem erreichten wirtschaftlichen Dominanz 92 nun auch die kirchenpolitische und regionalpolitische Vormacht zu werden. Die politische Führungsgruppe Augsburgs in diesem Ereigniszusammenhang - die Bürgermeister Jakob Herbrot und Hans Welser (1545, 1547) bzw. Georg Herwart und Simprecht Hoser (1546), zusammen mit den Beratern Gereon Sailer, Georg Frölich und Sebastian Schertlin - waren eindeutig zwinglianisch-oberdeutsch orientiert.93 >Ihre< Prädikanten im Augsburger >Pluralismus< der Konfessionen 94 waren vor allem Musculus und Keller, die zu dieser Zeit eine gewisse Vorrangstellung genossen.95 Sie waren aber gleichzeitig diejenigen, die die wichtigen Außenposten zu sichern hatten. In diesen Kontext gehört auch der Versuch, das flache Land besser in den Griff zu bekommen. Die Verbindung von reformatorischem Export und regionalpolitischem Interesse kam in der wenn auch kurzen ersten Phase des Schmalkaldischen Krieges voll zum Durchburch. Dabei erscheint es bezeichnend für die langfristig angelegte Politik der Stadt, daß sie genau in jenen Regionen ihre Aktivitäten entfaltete, in denen die aus älteren Traditionen gespeisten territorialen Interessen lagen. 90

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Vgl. dazu den Beitrag in diesem Band von Horst Weigelt: Wolfgang Musculus und die radikale Reformation - die Auseinandersetzung zwischen Musculus und Kaspar Schwenckfeld: S. 159-172. K. Alt (Anm. 85) S. 80f. Vgl. dazu R. Kießling (Anm. 33) S. 45-52. K. Sieh-Burens (Anm. 28) S. 159f. Vgl. Hellmut Zschoch: »Augsburg zerfällt in sechs Richtungen!« Frühkonfessioneller Pluralismus in den Jahren 1524 bis 1530. In: H. Gier, R. Schwarz (Anm. 11) S. 78-82. Vgl. den Beitrag von J. Th. Ford (Anm. 62).

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Die ersten Schritte im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld des Krieges spiegeln noch die prekäre Lage für derartige reformatorische Inititativen, wie zwei signifikante Fälle belegen: Nach einigem Zögern versuchte der Augsburger Rat 1544 trotz Warnungen des Diplomaten Gereon Sailer und des Stadtschreibers Georg Frölich in Mindelaltheim,96 einem Dorf in der Markgrafschaft Burgau, in dem die Ortsherrschaft und der Kirchensatz dem Kloster St. Katharina zustanden und nun vom Rat in Anspruch genommen wurden, einen lutherischen Prädikanten einzusetzen. Auf Einspruch des Bischofs, der die Regierung in Innsbruck und den Kaiser mobilisierte, mußte man aber im Juli 1545 die Vertreibung durch den burgauischen Landvogt hinnehmen - ius reformandi wurde vom Landesherren erfolgreich in Anspruch genommen, wobei in diesem Fall noch die Verpfändung der Markgrafschaft an den Bischof verstärkend gewirkt haben dürfte. Auch der Schmalkaldische Bund war nicht bereit, diese Eigenmächtigkeit der Stadt zu decken. Andererseits leitete der Stadthauptmann Schertlin von Burtenbach, der seit 1532 im Besitz der kleinen Reichsritterschaft an der Mindel war, kurz darauf für sich das Recht der Reformation ab.97 In seiner Autobiographie heißt es lapidar: Anno 1546 auf Sonntag Judica [=11. April] hab ich das Papsttum zu Burtenbach verändert und einen christlich evangelischen Prädikanten aufgestellt, der hat Hans N. geheißen,98 Ohne Konsens der Landesherrschaft, wiederum die Markgrafschaft Burgau, hatte er am 17. Mai 1546 beim Augsburger Rat um einen Prädikanten gebeten und Johann Hilpert, den Helfer des Musculus bei St. Johannis am Dom, ausgeliehen bekommen. Offenbar hatte ihn die Zuspitzung der Konfrontation zu diesem Schritt ermutigt, und er hatte die Rückendeckung des Rates, der hoffte, damit viel ehrliche, der Ort gesessene Leute von der Ritterschaft zur Nachahmung zu bewegen.99 Jedenfalls ging er als Feldhauptmann des Augsburger Kontingents auf seinem Vormarsch nach Süden sofort in Füssen den eingeschlagenen Weg weiter.100 Nach der Besetzung der Stadt am 9. Juli erreichte Schertlin, daß Johannes Flinner von Hl. Kreuz in Augsburg als Prädikant tätig werden konnte, der seinerseits bereits 96 97

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F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 140-143. Vgl. Wolfgang Wüst: Sebastian Schertlin von Burtenbach als lutherischer Landesherr in der Markgrafschaft Burgau. In: Sebastian Schertlin (1496-1577) als Ortsherr von Burtenbach. Beiträge zur Entstehung einer lutherischen Herrschaft im konfessionellen Zeitalter. Hg. v. Georg Kreuzer u.a. Burtenbach 1996. S. 62-70. Zit. nach Gerhart Nebinger: Die evanglischen Pfarrer in Burtenbach zur Zeit Sebastian Schertlins. In: G. Kreuzer (Anm. 97) S. 56-60, hier S. 56. Zit. nach F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 332. F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 392-394; ausführlich Friedrich Roth: Zur Einführung der Reformation in der Stadt Füssen. In: Beiträge zur Bayerischen Kirchengeschichte. 9. 1903. S. 145-153; 10. 1904. S. 86-88.

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daran dachte, die Augsburger Kirchenordnung umzusetzen und lediglich vom Rat unter Hinweis auf die Kriegswirren gebremst wurde. Statt seiner wurde im Oktober wiederum Johann Schallheimer ins Allgäu beordert und das dortige Gebiet den oberschwäbischen Reichsstädten überlassen, denn Augsburg richtete sein Augenmerk auf das westliche Umland der Stadt. Bereits am 30. Juli hatte Schertlin, wie einleitend erwähnt, zur Besetzung von Wettenhausen und Edelstetten geraten, um den Ulmer Ambitionen in diesem Raum zuvorzukommen, das sich schon in Elchingen, Roggenburg, Ursberg und Ochsenhausen festgesetzt hatte; Oberschönenfeld dagegen lag eindeutig im Augsburger Einflußbereich, so daß die Ansprüche darauf unbestritten waren. Neben der militärischen Kontrolle und der Huldigung der Untertanen sollten daneben und zuvörderst Gottes Wort und Ehre bedacht und Prädikanten bereitgestellt werden.101 Die hier erneut anklingende doppelte Motivation auch für dieses Unternehmen spiegelt sich auch in den weiteren Vorgängen. 102 Nach der Huldigung setzte der Rat am 10. August ein dreiköpfiges Gremium zur Verwaltung des mittleren Hochstifts zwischen Augsburg und Dillingen ein - Sebastian Neidhart sowie die Zunftmeister Michael Sedelmair und Hans Heiß. Stadtschreiber Frölich war zuversichtlich, die Augsburger kämen so in die Posseß, und da es sonst in der Hauptsache glückte, möcht man sie nit wieder austreiben,103 Ja, man rechnete damit, vom Hochstift weitere Teile am Lech und dazu die gesamte Markgrafschaft Burgau übernehmen zu können. Gleichzeitig gebot der Rat seinen Bürgern, in ihren Besitzungen auf dem Land, soweit sie geistliche Lehen besaßen, für die Beseitigung des katholischen Gottesdienstes zu sorgen,104 und rief dazu im Namen des Schmalkaldischen Bundes auch den Adel in der Markgrafschaft Burgau auf. Auf dieser Grundlage folgte dann eine umfassende Predigttätigkeit der Geistlichen auf dem Land, wobei die Delegierung Augsburger Prädikanten durch Anwerbungen aus Zürich - Lorenz Meyer, Hans Ruma, Rudolf Schwytzer - und Basel Sebstian Häslin/Lepusculus; Hieronymus Genizius wurde allerdings abgelehnt ergänzt werden konnte und auch einige Landgeistliche zum Übertritt bereit waren. Als Handreichung erhielten sie zudem Drucke der Augsburger Konfession und die zehn Hauptartikel von 1535 mit der Augsburger Kirchenordnung. 105 Den Schlüsselstellen der drei Klöster und Stifte galt die besondere Aufmerksamkeit: Ihnen sollte gesondert die Huldigung auf die Stadt abverlangt und sie sodann mit Amtleuten oder Vögten besetzt werden; als Vollzugskommissar fun-

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So nach F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 395. Das folgende nach F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 393-402. Zit. nach F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 398. Zit. nach F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 395. F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 424, Anm. 62.

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gierte der Ratskonsulent Dr. Nikiaus Maier, den eine Instruktion dazu anhielt, die Bekehrung der Klosterinsassen und die Visitation und Verwaltung der Güter vorzubereiten. Während die Nonnen von Oberschönenfeld sich durch Flucht entzogen, fugte sich Wettenhausen' 06 offenbar dem Vorgehen Dr. Maiers am 1. September ohne Widerstand, und der Propst gab auch für die dem Stift zugehörigen fünf Pfarreien entsprechende Bereitschaftserklärungen ab, daß man sich nach der neuen Kirchenordnung richten werde. Die vorläufige Verwaltung vor Ort übernahm der Ratsherr Johann Zangmeister aus der Kramerzunft, der allerdings schnell einsehen mußte, daß der Propst sich eher nach Ulm orientierte - dorthin hatte man auch die Pretiosen geschafft. Parallel zur Tätigkeit des Hans Held in Edelstetten wurde Musculus als Prediger nach Wettenhausen geschickt. Doch er blieb nur wenige Tage vom 10. bis zum 16. September. Die Predigt stieß offenbar beim Konvent auf erhebliche Vorbehalte, während die Bauern hier - wie auch in Edelstetten größere Bereitschaft zeigten, gingen sie doch von Kemnat weiter zum Gottesdienst nach Burtenbach, als Musculus wieder abgezogen war. Die Dreizehner hatten die beiden Prediger, dweil dann nit gut, die berlen für die schwein ze werfen,101 einschließlich der Bibeln, die zur Verfügung gestellt worden waren, zurückbeordert und beschränkten sich darauf, von Wettenhausen wie von Edelstetten zumindest finanzielle Beiträge für die Kriegskasse einzufordern. Mit diesen drei Stiften bzw. Klöstern waren territorialpolitische Brennpunkte ins Blickfeld genommen, die sich in der >Umlandpolitik< des Spätmittelalters herausgeschält hatten, als die Reichsstädte Schutzfunktionen für die Klöster übernommen und sie zum Teil auch über das Paktbürgerrecht an die Stadt gebunden hatten. 108 Oberschönenfeld stand seit 1439 im Vertragsverhältnis mit Augsburg 109 ganz parallel zur Ulmer, Memminger und Kaufbeurer Politik, wobei Wettenhausen und Edelstetten seit dieser Zeit an der Grenze zwischen Augsburger und Ulmer Einflußbereich lagen. Das Augustinerchorherren-Stift Wettenhausen war 1471 in den Schutz Ulms eingetreten, nachdem die eigenständige Wahl der Vögte aufgrund des Privilegs von 1412 zunächst Adelige wie die Herren von Knöringen begünstigt hatte; der Übertritt der Stadt zur Reformation hatte jedoch den Über-

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F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 399f. Zit. nach F. Roth (Anm. 11) Bd. 3. S. 429, Anm. 77. Vgl. dazu speziell auch Rolf Kießling: Stadt und Kloster. Zum Geflecht herrschaftlicher und wirtschaftlicher Beziehungen im Raum Memmingen im 15. und in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Städtische Gesellschaft und Reformation. Kleine Schriften 2. Hg. v. Ingrid Bätori. Stuttgart 1980 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Bd. 12). S. 155-190. Vgl. mit Belegen R. Kießling (Anm. 43) S. 190f.

Musculus und die Reformation im schwäbischen Einzugsgebiet der Stadt Augsburg

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gang der Vogtei an den Bischof von Augsburg ausgelöst. Später erreichte das Stift über die reichsritterschaftliche Zugehörigkeit 1566 die Reichsunmittelbarkeit. 110 Etwas anders entwickelte sich die Situation in Edelstetten. 1 " Die Vogtei dieses seit etwa 1500 adeligen Damenstifts im habsburgischen Einflußbereich war ab 1452 an verschiedene Adelige weiterverpfändet worden, ehe die Äbtissin sie zugunsten des Stiftes auslösen und damit die Wahl der Schirmvögte selbst bestimmen konnte. Doch kamen auch die folgenden Kastenvögte aus der schwäbischen Reichsritterschaft des Kantons Donau. Die Verbindung mit Habsburg bewirkte schließlich ihren Übergang an 1557 an die Landvogtei Schwaben. Diese beiden ausgeprägten Enklaven mit ihrem nicht unbeträchtlichen und einigermaßen geschlossenen herrschaftlichen Besitz im Gebiet zwischen Günz und Mindel, die wie die Adelsherrschaften seit 1492 ihr relativ autonomes Eigenleben in der Markgrafschaft führten, boten somit für Augsburg die Chance, in einen Raum vorzustoßen, der traditionell eher zum Ulmer Umland tendierte, aber doch für die eigene Expansion wichtig war, zumal die wirtschaftlichen Entwicklungslinien Augsburgs vor allem im Textilsektor gerade in dieser Zeit eindeutig dorthin wiesen." 2 Doch bei aller Konkurrenz um diese beiden Stifte im Kammeltal macht die Kooperation mit den oberschwäbischen Reichsstädten insgesamt deutlich, daß die ökonomisch ohnehin dominanten Reichsstädte Augsburg, Ulm und Memmingen gemeinsam daran gingen, ihre Umlandpolitik auf eine neue Stufe zu heben, d.h. den herrschaftlich locker gefügten Raum im mittleren Ostschwaben gleichsam unter sich aufzuteilen - wie das auf der wirtschaftlichen Ebene bereits erfolgt war: Die Bannmeilenbestimmungen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts belegen das eindeutig.113 Augsburg war dabei schon aufgrund seines Gewichtes in der Vorhand und zielte auf die gesamte Markgrafschaft Burgau; Ulm und Memmingen versuchten zumindest ihr jeweiliges engeres Umland mit den Klöstern abzurunden. Man ist geneigt, in diesem Kontext die reformatorische Komponente nicht allzu gewichtig zu veranschlagen: Musculus' kurzer Auftritt in Wettenhausen war noch mehr als der in Donauwörth eingebunden in die Augsburger Umlandpolitik. Er

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Wolfgang Wüst: Das Reichsstift Wettenhausen. Besitz, Herrschaftsorganisation und Landeshoheit. In: Kloster Wettenhausen. Beiträge aus Geschichte und Gegenwart im Rückblick auf sein tausendjähriges Bestehen 982-1982. Weißenhorn 1983 (Günzburger Hefte. Bd. 19). S. 29-44, hier S. 37f; ders. (Anm. 41) S. 176f. Dazu neben Joseph Hahn: Krumbach. München 1982 (Historischer Atlas von Bayern. Teil Schwaben. Heft 12). S. 48-55 immer noch Alfred Schröder: Das Bisthum Augsburg historisch und statistisch beschrieben. Bd. V: Ichenhausen und Jettingen. Augsburg 1895. S. 144-165. Dazu ausführlich R. Kießling (Anm. 6) S. 721-741. Vgl. R. Kießling (Anm. 6) S. 738, Abb. 57.

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Rolf Kießling

wurde vom Rat instrumentalisiert - wie alle anderen Prädikanten, die auf dem Land tätig werden sollten. Das schließt nicht aus, daß die Ausbreitung der Reformation auf das Land, auf die eigenen und fremden Hintersassen, als ein ernsthaftes Anliegen einzuschätzen ist und dabei die Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen »oberdeutschem Konzeption mitschwang. Der Rat rekrutierte ja auch zusätzliche Prädikanten bezeichnenderweise aus Zürich und Basel, um den eigenen Predigermangel in diesem Jahr der Expansion zu überbrücken. Und so wie in Donauwörth bzw. in Kaufbeuren die Intention darauf zulief, der eigenen Kirchenordnung weiteren Raum zu verschaffen, so lag dem Rat naturgemäß daran, sie auch im ländlichen Bereich zu etablieren. Allerdings ist auch Skepsis angesagt, der spezifischen theologischen Nuancierung eine so weitreichende Bedeutung zuzumessen, daß sie diese Regionalpolitik in ihrem Kern geprägt hätte. Dabei ist sicher einzuräumen, daß Musculus' Stimme in diesem Krieg auch noch auf andere Weise zu vernehmen war. In seinen Flugschriften Etliche kurtze Gespräch/ die yetzigen kriegß=leüff im Teut/schem land be/langend und einer Vermanung an den/ Teutschen vnnd Euangelischen/ Kriegß/man versuchte er die Söldner auf die Verteidigung des Evangeliums einzuschwören:" 4 Daß er Christo Jesu, seinen obersten Herrn und Hauptmann, auf den er getauft und ergeben sei, diene', insofern sei er nicht der Herrschaft allein verpflichtet, sondern sich selbst, dem Vaterlande, Brüdern und Schwestern, Freunden und Verwandten, damit er insgesamt den gemeinen Handel treulich helfe erretten und seine eigene sach in gemeiner Wohlfahrt erhaltens. Trotz der Verurteilung von Plünderungen akzeptierte Musculus »die in aller Form im Namen des Bundes vorgenommene Beschlagnahme des >PfaffengutesUmlandpolitik< erhielten einen zusätzlichen Motivationsschub durch die Reformation. Das Bestreben, den eigenen ländlichen Untertanen und Hintersassen das Evangelium zu bringen, bedurfte der Landeshoheit, erforderte also Territorialpolitik im großen Stil - während die wirtschaftliche Anbindung auch über die Gravitationskraft des Marktes zu steuern war. Erst die Rückversicherung des Schmalkaldischen Bundes eröffnete die Möglichkeiten, nicht nur die Wende in der städtischen Kirchenpolitik zu wagen, sondern auch regionalpolitisch zu operieren. Nicht zufällig waren gegenüber Donauwörth und Kaufbeuren in diesem Kontext die strategischen Überlegungen in eine Erweiterung des Bündnisses eingebettet. 4. Die >konfessionelle< Orientierung erscheint demgegenüber eher als zweitrangig. Nicht die Durchsetzung einer bestimmten Form der Reformation war zentral, sondern, wie gerade der Fall Donauwörth zeigt, die Etablierung der Reformation selbst und damit ihre Implikationen. Wolfgang Musculus, so läßt sich zugespitzt formulieren, war wie die anderen Prädikanten Instrument dieser Politik, nicht eigentlich Initiator. Die Prädikanten versahen sie allerdings mit einer neuen und notwendigen Legitimation: Dem Kaiser zwar in weltlichen Dingen Gehorsam zu leisten, ansonsten aber sich auf das Gewissen zu berufen. Der Gleichklang der Argumentation mit der anderer schwäbischer Städte ist offensichtlich. »Turning Swiss« als politisches Konzept einer Vereinigung freier >selbständiger< kommunaler Verbände gar mit der Tendenz der Lösung aus dem Reichsverband' 20 gehörte (längst) der Vergangenheit an und hatte anderen Vorstellungen Platz gemacht, in denen die oligarchische Herrschaft in den Städten sich verstärkt auf das Umland auszudehnen versuchte. Aber auch die Orientierung an der oberdeutschen Variante der Reformation, wie sie Musculus vehement vertrat, war eine Konsequenz der traditionellen politisch-ökonomischen Einbindung Augsburgs, nicht so sehr eine religiöse Grundentscheidung. Schon der Beitritt zur Wittenberger Konkordie 1536 galt einer derartigen politischen Absicherung. Selbst das so früh und betont oberdeutsche Memmingen wird neuerdings solchen Prämissen zugeordnet. 121 Erst langfristig, in den späten 50er und 60er Jahren, formte sich daraus eine lutherische Kirche, in der Folge der Niederlage und ihrer Konsequenzen, sodann des Religionsfriedens selbst.

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Thomas A. Brady jr.: Turning Swiss. Cities and Empire, 1450-1550. Cambridge/Mass. ect. 1985 (Cambridge Studies in Early Modem History). Vgl. die Arbeit von P. Frieß (Anm. 10), besonders akzentuiert in der Zusammenfassung S. 258-268.

III.

Wolfgang Musculus und die radikale Reformation die Auseinandersetzung zwischen Musculus und Kaspar Schwenckfeld Horst Weigelt

Musculus (1497-1563) stand nicht nur während seines vierjährigen Aufenthaltes in Straßburg, sondern auch während seiner langjährigen Wirksamkeit als Prädikant in Augsburg und als Theologieprofessor in Bern in mannigfachen Beziehungen zu den großen Gestalten des Linken Flügels der Reformation. So hatte er Kontakte zu einflußreichen Täuferfuhrern, zu namhaften Antitrinitariern und nicht zuletzt zu angesehenen Repräsentanten des mystischen Spiritualismus. Unter diesen kommt insbesondere dem schlesischen Adligen Kaspar Schwenckfeld von Ossig (1489-1561) große Bedeutung zu, weil sich ihre Lebenswege sowohl in Straßburg als auch in Augsburg gekreuzt haben und sie jahrzehntelang in theologischer Auseinandersetzung gestanden haben. Deshalb sollen im Folgenden ausschließlich die persönlichen Beziehungen zwischen Musculus und Schwenckfeld dargestellt, Entwicklung und Verlauf ihrer theologischen Kontroverse aufgezeigt und ihre divergierenden Grundintentionen herausgearbeitet werden.

I. Als Schwenckfeld offensichtlich kurz vor dem 18. Mai 1529 in Straßburg, dem Sammelbecken der verschiedensten religiösen Gruppen und Individualisten, eintraf, war Musculus bereits dorthin gekommen. 1 Zuvor war dieser bekanntlich für 1

Brief: Capito an Zwingli, 18. Mai 1529. In: CR. Bd. 97. S. 124, Nr. 842. Vgl. auch QGT. Bd. 7. S. 237, Nr. 183. Bezüglich Schwenckfelds Ankunft in Straßburg s. besonders Seiina Gerhard Schultz: Caspar Schwenckfeld von Ossig (1489-1561). Spiritual Interpreter of Christianity, Apostle of the Middle Way, Pioneer in Modern Religious Thought. Norristown (Pennsylvania) 1946. S. 162 u. 171; Horst Weigelt: Spiritualistische Tradition im Protestantismus. Die Geschichte des Schwenckfeldertums in Schlesien. Berlin, New York 1973

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Horst Weigelt

einige Zeit in ärmlichen Verhältnissen Hilfsprediger in Dorlisheim gewesen und war nun Matthäus Zell (1477-1548), Prediger am Straßburger Münster, als Diakon zugeordnet worden. Recht vertrauten Umgang pflegte er hier mit Wolfgang Capito (1478-1541) und mit Martin Bucer (1491-1551), bei dem er nebenbei als Kopist tätig war.2 Im Unterschied zu Musculus kam Schwenckfeld jedoch als relativ vermögender Mann nach Straßburg, da er eine Leibrente aus seinen schlesischen Gütern bezog.3 Zwei Gründe haben ihn offensichtlich bewogen, diese Reichsstadt zu seinem vorläufigen Aufenthaltsort zu wählen. Einmal standen die dortigen Theologen nicht nur wie er und seine schlesischen Anhänger im Gegensatz zu dem Sakramentsverständnis der Wittenberger und auch der Schweizer, sondern sie hatten sich in ihrer Unionsschrift >Vergleichung D. Luthers und seines Gegentheyls< in gewisser Weise auch zu seiner Abendmahlsauffassung bekannt.4 Zum anderen waren es - worauf hier nicht näher eingegangen werden kann - letztlich die Straßburger Prediger gewesen, die sein Exil verschuldet hatten.5 Tatsächlich waren sie um eine gewisse Wiedergutmachung bemüht, wie ein Brief Wolfgang Capitos an Huldrych Zwingli (1484-1531) vom 18. Mai 1529 zeigt.6 Dieser Propst am St. Thomasstift, bei dem Schwenckfeld übrigens fürs erste gastliche Herberge fand, meldete begeistert nach Zürich: Schwenckfeld sei ein Vir vere nobilis. Totus Christum spirat. Im Juni 1529 schrieb Capito sogar zu Schwenckfelds erster >ApologiaVom SakramentVorrats< nicht nur als Informierter hervortun, sondern sich darüber hinaus den Wittenbergern als Informant zur Verfugung stellen. Schwenckfeld hat allem Anschein nach nicht für einen Augenblick in Erwägung gezogen, daß Musculus diese geplante Materialsammlung vielleicht auch dazu hätte benutzen wollen, ein gegenseitiges Verstehen zu ermöglichen und einen Ausgleich oder sogar eine Einigung zwischen ihm und den Wittenbergem zu erreichen. Dieses Urteil Schwenckfelds ist schwer verständlich, vor allem angesichts des friedfertigen Verhaltens, das Musculus ihm

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Vgl. CSch. Bd. 11. S. 810. - Gelegentlich finden sich in der Vorlage hochgestellte Vokale und Ligaturen. Diese werden stillschweigend aufgelöst. Bezüglich des Verhältnisses Krautwalds zu Schwenckfeld s. besonders H. Weigelt (Anm. 1) passim. CSch. Bd. 11. S. 820, Z. 12fu. 15-19. Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek. Cod. Aug. 36. 2, S. 185-189. CSch. Bd. 11. S. 810, Z. 9f; das folgende Zitat Z. 11. Vgl. Art. >Quest, QuesteForma oder KirchenordnungSchwenckfeldisch< wurde für ihn zum diskriminierenden Schlagwort. Schwenckfelds Einfluß meinte er auch vielfach bei Vertretern des Linken Flügels der Reformation ausmachen zu können. Als ihm 1542 eine Schrift des Täuferfuhrers Pilgram Marbeck (ca. 1495-1556) - wohl dessen >TaufbüchleinTaufbüchlein< war 1542 anonym und ohne Ort unter dem Titel erschienen: Vermahnung; auch ganz klarer, gründlicher und unwidersprechlicher Bericht zu wahrer christlicher Bundesvereinigung allen wahren glaubigen frommen und gutherzigen Menschen zu Hilf und Trost mit Grund heiliger Schrift durch Bewährung wahrer Taufe und Abendmahls Christi sammt Mitlaufung und Erklärung ihrer Gegensachen und Argumenten wider alle vermeinte christliche Bündnisse, so sich bisher und noch unter dem Namen Christi zutragen. Brief: Schwenckfeld an Wolfhart, 27. September 1542. In: CSch. Bd. 8. S. (286), 289, Z. 9-11. Die folgenden zwei Zitate finden sich S. 289, Z. 17f u. 22f. Hierüber vgl. H. Weigelt (Anm. 24) S. 162-168 (Lit.).

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Heil an Wort und Sakrament binde. Dieser Vorwurf begegnet vor allem in Schwenckfelds >Vorrede Vber das Juditium der newen Augspurgischen Forma oder KirchenordnungMusculus< in den Interlinear- und Randglossen zum Abschnitt Taufe überhaupt nicht begegnet, findet er sich in dem über das Abendmahl acht Mal.76 Schwenckfeld kritisierte, daß nach Musculus das Brot im Abendmahl eine wäre wesentliche speis der Seel zum ewigen leben und doch zugleich eine Creatur sei.77 Etwas Geschöpfliches könne aber kein wares lebendigmachends prot sein oder enthalten. Deshalb gehe es um den spirituellen Genuß des deifizierten Leibes Christi. Zweitens kritisierte Schwenckfeld die Christologie von Musculus, und zwar recht ausführlich in seiner bedeutenden Schrift >Bekandtnus vnd Rechenschafft von den Hauptpuncten des Christlichen GlaubensMeüßle< wie Martin Bucer, Heinrich Bullinger (1504-1575), Ambrosius Blarer, Martin Frecht und andere Theologen hätten irrige christologische Vorstellungen. Wie Nestorius (gest. ca. 451) meinten sie, daß der Mensch Jesus Christus / oder Christus nach seiner Menschheit, nicht VERE Gottes warer Eingeborner Sun sey / ob er wol / PER COMMVNICATIONEM / vmb personlicher

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CSch. Bd. 9. S. (366), 370-398. Von dieser Kirchenordnung von 1545 gibt es vier Ausgaben. Hierüber s. besonders Julius Hans: Die ältesten evangelischen Agenden Augsburgs. In: BBKG 1. 1895. S. 145-171; sowie die >Bibliography< zu Schwenckfelds Vorrede >Vber das Juditum der newen Augspurgischen Forma oder Kirchenordnung< in CSch. Bd. 9. S. 366-369. Über die von Schwenckfeld benutzte Ausgabe s. CSch. Bd. 9. S. 366-369. CSch. Bd. 9. S. 375, Z. 24; Musculus wird hier >Meusl< genannt. Über die Formen von Wolfgang Musculus' Familienname s. R. Dellsperger (Anm. 2) S. 91, Anm. 1. CSch. Bd. 9. S. 382, Z. 34f. CSch. Bd. 9. S. 384, Z. 26. Schwenckfeld verwandte hier drei Mal die Namensform >Meusle< und fünf Mal >MeuselMevsle< und andere Theologen jedoch behaupteten, daß sie auch den gantzen Christum anbeteten, daß sie auch an den gantzen Christum glauben, daß sie ihn auch für Gottes Sun / gantz für vnser gerechtigkeit / auch für vnsern Herren vnd Gott halten würden, dann solle man sie nur fragen, Was sie von seiner Glorificirten Menschheit / Von deß Herren verklärten Leib / fleisch vnd blute halten / Vnd was sie vom Wesen / Vermögen / vnnd eigenschafft desselbigen in der Glorien glauben™ Da werde man erkennen, daß sie nicht glauben, daß der Mensch (der Mann Jesus von Nazaret der am Creutz gestorben) Rex GLORJAE sey worden / vnd auch nach seiner Menschlichen Natur (damit ichs deutlich sage) das Reich Gottes heüt verwalte / inn vnd mit Gott aller dinger Herre sey und Regiere / auch inn den glaubigen hertzen woneil. Im Kreis der Schwenckfeld-Anhänger war man zum Teil recht bestürzt darüber, daß in dieser Schrift eine ganze Reihe evangelischer Theologen namentlich aufgeführt war. So befürchtete Sibilla Eisler, daß sich deren Haß und Zorn gegen Schwenckfeld wenden könnte. 82 In seinem Antwortschreiben 83 vom Oktober 1547 nannte dieser sechs Gründe, weshalb er sich hierzu, nach achttägigem Gebet, entschlossen habe. Bezüglich Musculus führte er aus, daß dieser ihn schon in Augsburg der Häresie bezichtigt und in der Öffentlichkeit wiederholt namentlich genannt habe. Was kan er denn zörnen? daß jch jhn wider nenne / auff meiner Kantzell / vnd doch jhme zu guttem / nemlich mit clarer anzeigung / wie er des jrthumbs soll ledig werden / vnd wie er Christum soll recht lernen erkennen / Ich schmehe sie nicht / wie sie es mit dem Stenckfeld thun,84

V. Als der Augsburger Magistrat im Juni 1548 das Interim annahm, legte Musculus, der übrigens im Unterschied zu Schwenckfeld das militärische Engagement der Evangelischen im Schmalkaldischen Krieg befürwortet und theologisch legitimiert 79 80 81 82

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CSch. Bd. 11. S. 141, Z. 18-21. CSch. Bd. 11. S. 145, Z. 13-18. CSch. Bd. 11. S. 145, Z. 29-32. Schwenckfeld hatte Sibilla Eisler am 27. Juli 1547 zusammen mit einem Brief (CSch. Bd. 11. S. [173], 174-176) eine Kopie seiner Schrift >Bekandtnus vnd Rechenschafft von den Hauptpuncten des Christlichen Glaubens< zugesandt. Ihr Antwortbrief ist nicht erhalten; vgl. CSch. Bd. 11. S. 217. CSch. Bd. 11. S. (217), 219-224. CSch. Bd. 11. S. 222, Z. 26-30.

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hatte,85 sein Pfarramt nieder und verließ die Stadt. Er begab sich über Lindau und Konstanz zunächst nach Zürich und Basel; von dort zog er nochmals zurück nach Konstanz, um sich mit seiner nachgekommenen Familie zu vereinen; dann ging es nach St. Gallen und nach Zürich und schließlich nach Bern, wo er vom dortigen Rat eine Professur an der Hohen Schule erhielt.86 Obgleich sich Schwenckfeld und Musculus nun geographisch ferner gerückt waren und auch keine Schwenckfeld-Anhänger mehr Parochiane von Musculus waren, haben beide sich nicht aus den Augen verloren. Weiterhin verfolgten sie ihre Aktivitäten. So registrierte Schwenckfeld, daß Musculus' Abendmahlsverständnis - nach seinem Bekenntnis von 1549 - eine Modifikation im spiritualistischen Sinne erfahren habe. In einem Brief87 an Sibilla Eisler, schrieb er: Was Meüsell prediget / weiss ich nicht / Er schreibt ietzt ettwas anders / dauon vnd von Christo / denn vormals. / War ists aber / das wir nicht halten noch sagen sollen Christi leib vnd blut werde mit brott vnd wein vbergeben / oder auch leiblich geessen / Das ist Irrthumb. Jedoch hatte das gegenseitige Interesse nicht mehr die gleiche Intensität wie früher. In seinen 1560 erstmals erschienenen >Loci Communes Theologiae SacraeVerthedigung unsers Priesterthums und opffers im Newen Testament wider zwu Predig Wolfgang Meusslins Predikantens zu Augspurg. Item ain kurtze antwort auff fünff sprüche mit güldenen Buchstaben geschrieben^. Den Anlaß für diese publizistische Aktivität des Cochläus boten zwei Predigten über die Messe, die Wolfgang Musculus am 1. und 2. Juni 1541 auf dem Regensburger Reichstag gehalten hatte. Dessen Tätigkeit dort war verknüpft mit den Religionsgesprächen, an denen er schon in Worms und jetzt darauf folgend in Regensburg teilnahm, wo er Protokoll führte, aber vor Abschluß des Reichstages abreiste. 6 Die Predigten sollten gemäß der Vorrede von Musculus die evangelische Wahrheit bekannt machen und wandten sich an ein nicht übermäßig gebildetes, noch katholisierendes Publikum. Anschließende Diskussionen über seine Ausfuhrungen und entsprechende Wünsche veranlaßten ihn, in Wittenberg 1542 eine kürzere, in Augsburg ein Jahr später eine um einen längeren Zusatz erweiterte Fassung der Texte zu veröffentlichten. 7 Auf die Replik des Cochläus antwortete Musculus 1544 mit einer weiteren Schrift, diesmal bewußt wie bei seinem Gegner in Latein abgefaßt: >Adversus Libellum Johannis Cochlaei de Sacerdotio ac Sacrificio novae legis aeditum. Anticochlaeus primusKirchenmusikDeutschen Messe< von 1526. Zu fragen wäre allenfalls noch, ob in Musculus' Dorlisheimer Tätigkeit Spuren zu finden sind, die auf liturgische Gestaltungsarbeit schließen lassen. Das bleibt Aufgabe künftiger Quellenauswertung. Für die Liturgiegeschichte wichtig geworden ist Straßburg vor allem mit der systematischen Ausgestaltung des deutschen Psalmengesangs. Die Idee, Psalmen zu deutschen Liedern umzudichten, hat bekanntlich Martin Luther selber als erster gehabt; wir finden sie erstmals in seinem Brief vom Jahresende 1523 an Georg Spalatin. Die Straßburger haben diese Idee sofort aufgegriffen und in relativ kurzer Zeit ein komplettes Psalmenrepertoire geschaffen, welches einige Zeit später der Ausgangspunkt für die Entstehung des ungleich geschichtsträchtigeren Genfer Psalters wurde. Musculus hat in seiner reformatorischen Tätigkeit also von allem Anfang an mit dem Gemeindegesang, und zwar mit dem Psalmlied, gelebt.

1.2 Die Reise nach Wittenberg Von Augsburg aus reiste Musculus vom 21. bis 30. Mai 1536 zu den Verhandlungen im Zusammenhang mit der Wittenberger Konkordie. In Eisenach und in Wittenberg nahm er am Gottesdienst teil und hielt seine Beobachtungen im Reisebericht, dem >Itinerarium Conventus Isnachii< fest.3 In Musculus' Bericht wird deutlich, wie verschieden die liturgischen Konzeptionen im Norden und im Süden waren. Auf Schritt und Tritt begegnen in seinen Notizen Ausdrücke wie more papistico (nach Art der Päpstlichen) oder sacer2 3

M. Jenny (Anm. 1) S. 31f. Im lateinischen Originaltext und in deutscher Übersetzung wiedergegeben bei W. Herbst (Anm. 1) S. 103-109.

Gottesdienst

und Kirchenlied

bei Wolfgang Musculus

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dotaliter indutus (priesterlich gekleidet). Aufgefallen ist ihm offensichtlich auch der reichliche Gebrauch des Latein. Adolf Boes, der den Wittenberger Bericht mit anderen liturgischen Quellen der Zeit vergleicht, meint allerdings, Musculus habe offenbar nicht gemerkt, daß man das viele Latein nur zu Ehren der zu den Konkordienverhandlungen angereisten Gelehrten gebraucht habe. 4 Deutlich wird hier erkennbar, wie im Süden der Übergang zum evangelischen Glauben auch mit einem Wechsel des Gottesdiensttyps verbunden war. Meßpriester und Prädikanten wirkten eine Weile nebeneinander und in Konkurrenz. Entsprechend liefen altgläubige Messe und reformatorischer Predigtgottesdienst konkurrierend nebeneinander; die endgültige Durchsetzung der Reformation war vielerorts mit der Abschaffung der Messe verbunden. Dies war eine Folge der unterschiedlichen politischen und kirchlichen Strukturen in den oberdeutschen Reichsstädten, wie in der Literatur bereits hinlänglich beschrieben ist.

1.3 Augsburg Der Gottesdienst, der in der Augsburger Kirchenordnung von 1537 festgehalten ist, hat seine Wurzeln in der Augsburger Reformationsgeschichte noch vor Musculus' Ankunft. Erhalten sind die Ordnungen für ein Frühgebet (1529) und eine Abendmahlsfeier (1530); sie orientieren sich am mittelalterlichen Prädikantengottesdienst und an der Kommunionfeier, welche schon vor der Reformation außerhalb der Messe begangen wurde. 5 Immerhin ist wohl davon auszugehen, daß Musculus auf die Ordnung von 1537 Einfluß gehabt hat; sein liturgisches Interesse hat er ja im >Itinerarium< bewiesen. Es gibt in dieser Ordnung Parallelen zu den Straßburger Ordnungen ab 1526: der Psalmengesang zu Beginn, die fortlaufende Evangelienauslegung, die Reihenfolge in der Abendmahlsfeier (Gebet - Unser Vater - Einsetzungsworte - Austeilung Dankgebet). Ähnliches ließe sich aber auch noch von anderen süddeutschen Ordnungen sagen, so daß eine Abhängigkeit keineswegs zwingend ist. Zunächst müßte hier noch der Wortlaut verschiedener liturgischer Stücke verglichen werden können, und dann wäre noch immer fraglich, wie weit Musculus die allfällige Übernahme von Straßburg durchgeführt hat. Adolf Boes: Die reformatorischen Gottesdienste in der Wittenberger Pfarrkirche von 1523 an. In: JLH. 4. Bd. 1958/59. S. 1-40 und 6. Bd. 1961. S. 49-61, besonders 4. Bd. S. 20f. Zur Interpretation von Musculus' Bericht vgl. auch Karl-Heinrich Bieritz: Daß das Wort im Schwang gehe. Reformatorischer Gottesdienst als Überlieferungs- und Zeichenprozeß. In: JLH. 29. Bd. 1985. S. 90-103. Matthias Simon: Bayern: Schwaben. In: Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. XII. Hg. v. Emil Sehling (fortgef.). Tübingen 1963. S. 35-38 und S. 40-43.

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Andreas

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Interessant ist eine Anweisung zur Predigt: Der Prediger solle nichts in die Predigt eintragen, das sich nicht aus dem Text ergibt; die ausgelegten Schriftabschnitte sollten nicht zu kurz sein, damit die Gemeinde den Zusammenhang nicht verliere. Ob hier der gewissenhafte Exeget Musculus spricht?

1.4 Bern Erst recht ist die bernische Liturgiegeschichte für die Musculus-Forschung wenig ergiebig. Die Gottesdienstform lag längst vor Musculus1 Ankunft in Bern fest, orientiert an Basel und Zürich, weniger an Straßburg.6 Direkten Einfluß hätte Musculus in Bern wohl ohnehin nicht gehabt, da er ja als Professor und nicht als Prädikant angestellt war. Immerhin ging aber von ihm und Johannes Haller der entscheidende Anstoß zur Einführung des Psalmengesangs in der Kirche aus. Wir kommen darauf noch zurück.

2 Kirchenmusik 2.1 Die Kirchenlieder 2.1.1 Die Musculus zugeschriebenen Lieder im Konstanzer Gesangbuch Die Stadt Konstanz hat sich etwa im Jahr 1533 oder 1534 ein Gesangbuch gegeben, das zum Ausgangspunkt für viele deutschschweizerische Gesangbücher des 16. Jahrhunderts geworden ist.7 Es enthält acht Lieder, bei denen als Autorenangabe >W.M.< steht. Diese ist in einem vorangestellten Verzeichnis aufgelöst als >Wolffgang MöselHilff Gott / wie ist des Menschen not so groß< (Nr. 173) und >Christe der du bist tag und liecht< (Nr. 202). Das erste stammt von Paul Speratus und steht bereits mit Text und Melodie im Chorgesangbuch von Johann Walter 1524; der Text des zweiten ist schon im 15. Jahrhundert belegt, so daß allenfalls die Melodie von >W.M.< stammen könnte (für die Melodie von >Hilff 6 7

M. Jenny (Anm. 1) S. 89-94. Nüw gsangbüchle. Zürich 1540. Faksimile-Ausgabe Zürich 1946. - Markus Jenny: Warum die 1950 entdeckte Ausgabe des Konstanzer Gesangbuches nicht die Erstausgabe sein kann. In: JLH. 2. Bd. 1956. S. 112-114; ders.: Geschichte des deutsch-schweizerischen evangelischen Gesangbuches im 16. Jahrhundert. Basel 1962. S. 17.

Gottesdienst und Kirchenlied bei Wolfgang Musculus

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Gott< würde dies nur zutreffen, wenn er sie vor 1524 komponiert hätte - eine etwas schwierige Hypothese). Die übrigen sechs Lieder sind die folgenden (zitiert im Wortlaut des Verzeichnisses im Konstanzer Gesangbuch): >Min hirt ist got der herre min< (Ps 23, Nr. 28; nicht EKG 178: Der Herr ist mein getreuer Hirt) >Gott Stadt in siner gmeinde recht< (Ps 82, Nr. 65) >Wär vnderm schirm des höchsten helt< (Ps 91, Nr. 67) >Vatter unser, der du in himmlen bist< (Nr. 162) >0 Herre Gott, erbarme dich< (Jes 33, Nr. 180) >0 Allmächtiger Herr Gott< (Nr. 218) Im Evangelischen Kirchengesangbuch (Stammteil 1950) steht Musculus' Name (wenn auch mit Fragezeichen) noch bei einem Lied zu Psalm 23, >Der Herr ist mein getreuer Hirt< (Nr. 178). Daß diese Zuschreibung auf einer Verwechslung mit dem vorhin erwähnten Lied zu Ps 23 beruht, hat schon Philipp Wackernagel erkannt, der die 6 erwähnten Lieder unter den Nummern 946-951 im dritten Band seiner Kirchenliederedition auffuhrt.8

2.1.2 Ist >W.M.< Wolfgang Musculus? Die Identifikation des im Konstanzer Gesangbuch genannten Wolffgang Mosel mit unserem Wolfgang Musculus hat Wackernagel vorgenommen, nachdem sie vorher nur als Möglichkeit erwogen worden war. Die hymnologische Literatur hat diese Zuschreibung übernommen, bis sie 1972 durch Manfred Schuler bestritten wurde.9 Schuler stellt fest, daß die Namensform >Mösel< für Musculus oder von ihm selber nicht verwendet worden sei, auch nicht im Briefwechsel mit Konstanz. Ferner werden die Kirchenlieder in der von seinem Sohn Abraham verfaßten Biographie nicht erwähnt, obschon dort von seiner Hochschätzung der Dichtkunst und seinen Fähigkeiten im Orgelspiel die Rede ist. Schuler zählt auch noch die Psalmodie unter die von Musculus geschätzten Dinge und stützt sich dabei auf das von ihm dem Berner Rat 1551 geschenkte >PsalteriumPsalterium< vor: >Davidis Psalterii commentariusarte lallttra Io fillipo sopra ditto ho fatto la presente schrittura duplicatta de Tingier Vna El ditto messer Anttonio Eparcho Ett lallttra Io alle quat2 doi schriture El ditto sotto schriuera de sua Manu propria // datta In Venetia adi ó44 de febraio del 1543 // Jo Antonio Eparcho greco da Corphu A manu propria:

Et son Contento ut supra:

Vermerk von der Hand des Eparchos auf fol. 2V von A: scritto de messer philippo Walter gentilhomo de augusta: Vermerk von der Hand Walthers auf fol. 2V von B: Schritto fatto Con messer Antonio Eparcho per qunto de libri grechi per Numero 99

Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften

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l

A echunuinuto B 2mi B 3 Walltier B *Machadante A 5de B 6Comunità B grechi B schritti B de B wRegirsto A 1 ' Tingir B 12Comunità B x hncontro^ B uEtt B ™Vn B 16Comunità B "bagadi A nde B 19 Veneria B 20 de B 2]chorboli B deposito A: depositto B 2 alchun A 24 pasado A quindize B ariuatti B agusta B Valer B pui AB pagatti A 3, Musgulus B 32 Intendi B ì}dito A uhozi B 35prosemi B 3 obligatio B 37Ii fehlt B Wdel B i9E fehlt B 40schritura duplicata B " Tingir B 42quall A. Aisoa Man B 4416 {1 nachträglich eingefügt) B 1

2 Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag über die Zahlung von 25 Scudi an Antonios Eparchos / Quittungen des Eparchos über 12 bzw. 13 Scudi Venedig, 6. 2. (12. 2. /10. 3.) 1543 2 Bl., Text auf fol. l r ; geschrieben von Philipp Walther, von Eparchos eigenhändig quittiert Augsburg, Stadtarchiv, Kirchen und Klöster St. Anna, Stadtbibliothek, Nr. 4 laus deo Semper 1543 adi 6 febraio In Veneria Prometo Io fìllipo Walltter Marchante de augusta dar E pagar da mo a Vno mese prosimo che Vien scudi Vinti zinque zoee scudi 25 doro quali sono per Vna promesa li ho fatto hozi per la Magnifica Comonita Ett Consilgo della Zista de augusta Come apar per Vno allttro schritto fatto In questo zorno tra noi /1 qual danari diebeno Eser pagati per li agenti de messer Marcho Volstatt Marchadante de fontigo Ett per sua Chiareza li ho fatto El presente di propria mano adi 12 febraro Receui Jo Antonio supraditto scudi dodece a bon conto di sopraditti: adi 10 marzo Receui Jo Antonio supraditto scudi tredese, qualli sono per resto de scudi vintiquinque ut supra: Vermerk von der Hand des Eparchos auf fol. 2V: scritto per scudi 25 del 1543 de messer philippo Walter de augusta:

Ebd. von der Hand Walthers: Schritto fatto Con messer antonio Eparcho di scudi 25 per libri grechi

3 Markus Ulstett d.J. bestätigt den Empfang von 100 griechischen Handschriften von Antonios Eparchos und sichert die Zahlung des Kaufpreises von 600 Scudi zu Venedig, 14. 3. 1544 Fassung A: 1 Bl. (Rückseite leer); eigenhändig

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Fassung B: Auf fol. l v von Text 1, Fassung A; enthält nur den ersten Teil des Textes, eigenhändig Augsburg, Stadtarchiv, Kirchen und Klöster St. Anna, Stadtbibliothek, Nr. 4 laus' deo Semper2 1544 adi 14 marzo In venetia Io Marcho ulstatt per nome di3 Messer Filipo valther4 qua! Intra viene per nome di la magnifica Comunità5 di augusta / haver receputto6 di Messer anttonio Eparcho libri grezi numero centto In presentia di Messer frapaulo* // Segando lo auentario hauto dal sopra ditto Messer filipo9 / Come anchora apar per uno schritto fatto tra li sopra ditti /per li quali libri li prometto dar e pagar scudi siecentto doro in oro fuora di bancho In termine di zorni quindizi / e più presto che a mi parara x Lauß B 2semper fehlt B 3de B \althar B schomunitta B 6receutto A: rezeputto B 1 da B %di Messer frapaulo] dil Reuerendo messer fra (danach getilgt: p) augustino B 9 Rest fehlt B

4 Markus Ulstett d.J. sichert die Zahlung zusätzlicher 100 Scudi an Antonios Eparchos zu / Quittung des Eparchos über den Erhalt des Geldes Venedig, 14. 3. (8. 7.) 1544 1 Bl. (Rückseite leer); eigenhändig, von Eparchos ebenfalls eigenhändig quittiert Augsburg, Stadtarchiv, Kirchen und Klöster St. Anna, Stadtbibliothek, Nr. 4 Lauß deo 1544 adi 14 marzo In venetia Prometto Io Marcho ulstatt per nome de Messer filipo Walthar qual Intra viene per nome di la Magnifica Comunità di augusta che In termine chontengutto nel schritto fatto fra ditto Messer filipo ett Messer anttonio Eparcho dar e pagar al ditto Messer anttonio Eparcho scudi Centto doro In horo / per Causa deli libri che ho Receputto da lui / qual scudi Centto sono olttra la suma deli scudi siecento e uinti Zinque chontengnudi In ditta schritta fatta per ditto Messer filipo e sotto schritta per ditto Messer anttonio Eparcho adi 8 luio 1544 in Venetia: Receui Jo antonio Eparcho, sopraditto, messer marco Vstet scudi cento de oro in oro, li qualli sono per Conto del sopraditto scritto. Et Receui ancora le spese Causate per la sententia fatta per ditti scudi 100 Et sono espeditti Vno dalaltro, Et laltro dalaltro, ponento silentio perpetuo fra noi, per la ditta Causa Etc. Come appar a li consuli suplita Et pagata Etc.

5 Quittung des Antonios Eparchos über den Erhalt von 600 Scudi für 100 griechische Handschriften Venedig, 29. 3. 1544 Auf fol. 2V von Text 1, Fassung B; eigenhändig Augsburg, Stadtarchiv, Kirchen und Klöster St. Anna, Stadtbibliothek, Nr. 4

Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften

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adi 29 marzo 1544 in Venetia: Receui Jo Antonio Eparcho da messer marco ulstat per nome de messer filippo Walther scudi doro siecento cío e scudi /600/ li quali sono per Causa de libri greci numero /100/ che ha receputo per auanti da mi, in presentía del Reuerendo messer fra agustino, segondo l'auentario che luì haueua. Val scudi /600/

6 Abrechnung Philipp Walthers mit den Baumeistern der Stadt Augsburg über die Ausgaben für den Ankauf der griechischen Handschriften Venedig / Augsburg, 8. 2. 1543 - 17. 4. 1544 1 Bl.; eigenhändig Augsburg, Stadtarchiv, Kirchen und Klöster St. Anna, Stadtbibliothek, Nr. 4 laus deo Semper 1543 adi 8 febraio In vinedig Hernn pawmoster sollnn adi ditto zalltt filip Walther alda aym augustiner minich die biecher zw besichtigen dar vnd zw handla d. 4 d. 9 a\v&\erzalltt schiff glltt In mer mallnn d. — 18 1544 adi 16 marzo zalltt Iung marx volstatt da dem kriechenn vor 100 kriechischen piecher lautt der prezept dar von scudi 625 dt d. 695. 14 adi 26 ditto zalltt gemeltter volstatt vncost auff die biecher zw verfergen aus vfeneti]« pis Ins schiff Inn als dar In begriffen scudi 4 so Er dem minich auch vererdtt hatt die zw Empf[ angen] vnd wider vbersechen dtt als d. 11.1 adi 17 aprii zalltt Ich filip Wallther dem thoma hessenn fuorman hie In augfusta] fuorlon von h. 865 zw fi. 8 V2 per som[ma] d. 12. 12 somma fi. d. 724 d. 6 laus deo Semper 1544 adi 16 marzo In vinedig Hernn pawmoster solln habenn adi ditto Empfieng marx volstatt In vinedig von hern Hans Welser leytt zw wixell dtt d. 695 d. 14 Hernn pawmoster soln adi 17 aprii per saldo ditz quntto In mintzfl. 38 s. — dtt d.

28 d. 16

somma d. 724 d. 6 £[wer] F[ürsichtigen vnd] Preisen] D[ienst] billiger] fillip Wallther propria Vermerk von der Hand Walthers auf der Rückseite: 1544. Hernn pawmoster. Rechnung die /griechischen] biecher betrefendt

7 Notariatsinstrument über die positive Entscheidung der Klage des Antonios Eparchos gegen Markus Ulstett d.J. wegen der Zahlung von zusätzlichen 100 Scudi / Bestätigung der Zahlung des Geldes Venedig, 4. 7. (8. 7.) 1544

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4 Bl. (fol. 1™ und 4V leer); Original Augsburg, Stadtarchiv, Kirchen und Klòster St. Anna, Stadtbibliothek, Nr. 4 Exemplum die .4. Iulij 1544. S[a]p[ientes] domini consules mercatorum in Ciuitate veneciarum Audito .d. antonio eparco petente sentenciari debere D. Marcum usticer alemanum in scutis centum uirtute scripti manus ipsius rei Diei 14. marcij 1544. quodproducit pro fauore Iurium suorum, simul cum alio scripto manus philippi uoltechier sub die .6. februarij preteriti uocato in primo scripto penes actorem, multis rationibus et causis dictis et alegatis coram dominis consulibus, et precipue stante termino prefìxo et determinato in dicto scripto diei 6. februarij preteriti, post quem terminum in dicto scripto comprehensum amplius Iudicium per Illum Reuerendum musculum neque fieri neque miti potest: Et Ideo aserte littere dicti musculi diei 20 Iunij preteriti, aserte esse manus dicti musculi quem ipse actor ignorai, quas Idem reus producit non releuant neque possunt Impedire aliquo modo creditum ipsius actoris, quia sic Inter ipsos contrahentes factum fuit pactum, quo transacto termino mensium trium Incipiendorum a die .6. /eft[ruarij] preteriti omnino debeat fieri solutio, sine aliquo obstaculo, et Impedimento quam solutionem scutorum /100/ ipse actor stante transacto termino mensium trium predictorum petit ab ipso reo, et multociens petiit: qui reus semper promissit dare vtendo bonis uerbis ut offerat Iurare, in quantum opus sit cum post talem terminum trium mensium dictus musculus amplius Iudicare nequeat, quia si ipse reus, siue philippus uocatus in scripto uoluissent longiorem terminum, ipse actor non contrariasset, sed de hoc termino mensium trium ambe partes conuenerant, limitate et prefìxe posito. Tanto magis debet sententiari, quia stat scriptum manus dicti rei diei 14. marcij preteriti, cum capara anuli, data ipsi adori per dictum .d. marcum virtute dicti scripti de quo ipse non petit missionem, offerens ipse actor ultro recipere libros, in eo statu quo erant si Illos uult consignare ipsi adori, et volendo aceptare hanc oblationem Illam receptare debeat eamque proferant punitionis sententiam ex Iuribus suis ex vna. Et exaduerso audito dicto .d. marco dicente absoì[\i\] debere a punitione suprascripta: et maxime quia Idem reus non est debitor neque esse potest nisi sit Iudicatum libros esse maioris ualoris scutorum 600 / quod Iudicium fieri debebat per musculum, quod Iudicium portari debebat in termino mensium trium, taliter pro portato ipso Iudicio per quod declaratur dictum actorem non debere habere plus scutorum 600 / ipse reus debet absolui: Nec ualet dicere quod consilium non venerit infra terminum mensium trium, quia terminus non facit debitorem ipsum reum, sed extimatio et uisio dicti musuli: Que extimatio postquam aplicuit venetijs fuit prexentata per dictum reum ipsi adori, qui eam aceptauit et tenuit per dies .3. in casa, et hodie restituii in presenti Iudicio, ut si negatur, et opus sit offerat Iustiftcare. etiam se offerì Iustifìcare si negatur in scriptis, qualiter La lettera de di XXti Iugno, del musolo, non sia scripta de man del dicto musolo se offerise Iustificarlo quandoque et In quantum dicat habuisse anulum ad hoc respondetur quod non habuit dictum anulum pro scutis /100/ sed uerum est qualiter Lo anello fu dato per signal de darli 600 scudi, et a questo modo Li e rimasto ne le man: pro quanto casu ad aptam oblationem dicit hoc sibi non spedare, quia non est debitor nisi de scutis centum tanquam promissor In casu Iudicij dicti musuli, et non aliter, sed hoc spedai comunitati auguste: producens pro fauore Iurium suorum litteras manus dicti musuli Diredas dicto adori casus et leges et a/[ia] et omnia supra narrata offerì Iustifìcare Et quia Idem actor adidit in margine post presentem defensionem: clausulam que dicit: Quam oblationem scutorum 100. etc. ut in ea dicit ipsam clausulam non continere ueritatem, et si uult eam probare probet cum vnico teste aliter debet absolui. Quibus auditis et Intellectis et consideratis considerandis Domini petrus [...] et Ioannes [...] honorandi consules mercatorum: non certe in opinione D. hironymo aurio tercio consule Terminando Sentenciauerunt dictum reum in predictis scutis /100/ soluendis realiter et personaliter ipsi adori causa premissa et luxta posita.

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Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften Et fuit actum. Fe[netijs]. Joannes andreas [...] ex mfandatu]

1544 Die 8 Iulij Constitutus In officio D: Antonius Heparcho suprascriptus dixit, et annotari uoluit qualiter: est Satisfactus a dicto D: marco usticer de suprascriptis scutis Centum et de schutis quatuor pro officio. 7o[annes] Sagundinus op[erarius] Consulatus not[ arius]

8 Quittung des Antonios Eparchos über den Erhalt der zusätzlichen 100 Scudi Venedig, 8. 7. 1544 Auf fol. l v von Text 1, Fassung A; eigenhändig Augsburg, Stadtarchiv, Kirchen und Klöster St. Anna, Stadtbibliothek, Nr. 4 adi 8 luio 1544 in Venetia: Receui Jo antonio Eparcho sopraditto, da messer marco ulstat scudi cento de oro in oro, li qualli sono per resto del marcado di sopraditti libri, Et son contento Jo da lui. Et lui da mi. Et se pone silentio fra noi, per ditta Causa de libri, Et ho hauto Etiam le spese de la sententia che e in ditto officio de li signori Consuli di marcadanti, Come appar in ditta sententia, Et offio. Causate per ditta difficulta de ditti libri che era tra noi, Et fo spazzata per ditto officio, Et ciosi son contento Et satisfatto Come di sopra Etc. Jo antonio sopraditto scrissi de m propria: 1

dica Hs.

9 Beschluß des Rates der Stadt Augsburg über den Ankauf der griechischen Handschriften Augsburg, 23. 2. 1544 Augsburg, Stadtarchiv, Ratsbücher 1544 (Nr. 18), fol. 41" (Druck: F. Roth: Briefwechsel (Anm. 6) S. 111 Anm. 2) Die Kriechischen Bucher sollen vermög Philips waithers beschechner nomen vnnd nit von handen gelassen werden. ' Davor getilgt: auffgerichter

abrede keufflich ange-

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10 Einträge in den Baumeisterbüchern der Stadt Augsburg über die Ausgaben für den Ankauf der griechischen Handschriften Augsburg, 29. 3., 10. 5. und 23. 8. 1544 Augsburg, Stadtarchiv, Baumeisterbücher 1544, fol. 50v, 52v und 56v (Druck: F. Roth: Briefwechsel (Anm. 6) S. 111 Anm. 2) 29.3. 1544: Item ix.c xxxvij gld. dem herren Burgermaister welser betzalt wechsigelt zu Venedig, vmb Griechische buecher ausgeben. f f . 937. k. 30. h.— 10.5. 1544: Item xxxviij gld. vncost so vber die Griechische buecher v[on] Venedig aus bis hieher ganngen ist, betzalt. - f f . 38. k. — h. — 23. 8. 1544: Item i.c Ixiij gld. xxj k. iiij hlr. betzalt vjf vorigs von wegen der Griechischen buecher, so meinen herren darauf zu Venedig abbehalten vnd vber die Rechtfertigung derhalben zum tail gangen Philipsen waither betzalt. - f f . 163. k. 21. h. 4

11 Brief Gereon Sailers an die Augsburger Bürgermeister Georg Herwart und Simprecht Hoser (Auszug) Speyer, 21. 4. 1544 Druck: F. Roth: Briefwechsel (Anm. 6) S. 111 Das geschrey pey etlichen ist hie, das der kaiser die kriechischen puecher von euch woll haben; ist meins g[nedigen] /¡[errn] radt, das irs nit thuendt, sunder zwr antwort gebendt, ir wolts zuuor lassen drukhen, vnd wann irs nit änderst obzwschlagen wissendt, das ir sagendt, ir habendts .se/He«/fürstlichen] gfnaden] zwgesagt, so will ers dem kaiser abschlagen.

12 Brief des Johannes Brenz an Philipp Melanchthon (Auszug) Schwäbisch Hall, 22. 4. 1544 Druck: CR. Bd. 5. Sp. 369, Nr. 2924 (danach auch bei F. Roth: Briefwechsel (Anm. 6) S. 111 Anm. 2); vgl. auch MBW. 4. S. 62, Nr. 3533 His diebus invisit me Huberinus, et dixit cives suos Augustanos emisse thesaurum graecorum] codicum, sexcentis ducatis. Credo enim te audivisse quod Veneti superioribus annis coacti fuerint tradere Turcis duas urbes Graeciae; priusquam autem tradidissent eas, fecerunt copiam abeundi2 civibus quicumque vellent. Inter hos quidam avexit ad Venetias supellectilem plus quam centum librorum, qui scripti sunt in Pergameno, magni et variarum disciplinarum. Sed nomina autorum Huberinus mihi non potuit indicare. Cum igitur Romanus Pontifex sibi eos

Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer

Handschriften

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comparare vellet, per mercatores Augustanos astu quodam effectum est, ut suis civibus venderentur, et e Venetiis exportarentur. Hoc fuit mihi iucundum auditu, quod ex servatis id genus libris coniecturam faciam, reliquias Ecclesiae adhuc superesse in Graecia, et Christum servare Ecclesiam, etiamsi Imperia non constent. graecum

CR

abeunti CR

13 Brief Philipp Melanchthons an Joachim Camerarius (Auszug) [Wittenberg], 19. 5. [1544] Druck: Liber continens continua serie epistolas Philippi Melanchthonis scriptas annis XXXVIII. ad loach. Camerar. Papeb. Leipzig 1569. S. 463; CR. 5. Sp. 394, Nr. 2943; vgl. auchMBW. 4. S. 75, Nr. 3561 Cum autem Musculus mihi recens scripserit, Antonium Hyparchum ex vrbe Venetorum magnani partem Graecorum voluminum, quorum vidisti Catalogum, Augustam misisse, hortatus sum Musculum, vt edi commentarium in TETpdßißXov Ptolemaei curet, et si quid praeterea inueniet insignium monumentorum. Si libet addes aliquid litterarum. {

Henetorum

Druck 1569, CR

14 Eintrag des Grafen Wolrad von Waldeck in seinem Tagebuch Augsburg, 31. 5. 1548 Druck: Des Grafen Wolrad von Waldeck Tagebuch während des Reichstages zu Augsburg 1548. Hg. v. C. L. P. Tross. Stuttgart 1861 (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart. Bd. 59). S. 129 (danach auch bei F. Roth: Reformationsgeschichte (Anm. 6) S. 192f Anm. 169) Nota de libris graecis e Corcyra insula adductis. Sunt autem Volumina 45 in membranis, et sunt scripta Chrysostomi, Gregorii Nizeni, Basilii magni et aliorum classicorum authorum. Res autem de his libris sic se habere fertur. Mercator quidam cum Corcyra insula a Turcis caperetur, navigio elapsus est. Is cum ad oram maris navigarci, inter carecta et juncos marinos naviculam palo alligatam reperii, in qua nihil nisi Volumina haec exportata erant. Mercator itaque ea Volumina in navem suam transferens Venetias secum adduxit. Ubi autem rumor hujus thesauri sparsus est, d. Musculus cum magistratu Augustano egit, ut haec volumina sibi compararent. Qui tanti viri consilium non aspernantes hos libros pro mille fere aureis emi curarunt et Augustam adferri. Vidimus igitur hoc die in Musculi aedibus horum catalogum una et libros aliquot, qui tamen magna ex parte ab eodem Musculo latinitate donati sunt. Wolfgangus Musculus a Dhusa Lotharingiae oppidulo oriundus est, cujus ingenium quam felix sit, et hinc aestimari potest, quod litteras arabicas sine ullo praeceptorum adminiculo et legere et intelligere didicerit.

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15 Zusatz zu der Eingabe des Wolfgang Musculus an den Rat bei seinem Weggang aus Augsburg Augsburg, 26. 6. 1548 Druck: F. Roth: Reformationsgeschichte (Anm. 6) S. 511 Anm. 155 Uber diß alles hat er [Musculus] durch gedachten herrn burgermaister Ulstat furbringen und bitten lassen, daß ime meine herrn zwai kriechische buecher, die er mit der zeit begern möcht zu transferiren, leihen wolten.

16 Brief Roger Aschams an Sir John Cheke (Auszug) [Augsburg], 11. 11. 1550 Druck: Roger Ascham: The Whole Works, now first collected and revised [...] by (J. A.) Giles. London 1865. Bd. 1,2. S. 218; vgl. auch Alfred Katterfeld: Roger Ascham. Sein Leben und seine Werke mit besonderer Berücksichtigung seiner Berichte über Deutschland aus den Jahren 15501553. Straßburg, London 1879. S. 141 f. Haec urbs Augusta habet instructissimam bibliothecam, et plurimos Graecospriscos et Hebraicos. Qui praesunt, seposuerunt ad numerum sexaginta optimorum librorum, ne Caesar aut Caesariani Ulis auferant. Habent integrum Chrysostomum Graecum et alios insignes. Honestus vir promisit mihi se curaturum ut ipse viderem.

17 Achilles Pirminus Gasser: Annales Augstburgenses (Auszug) Augsburg, um 1560/70 Druck: Scriptores rerum Germanicarum, praecipue Saxonicarum [...] Hg. v. Johann Burkhard Mencke. Leipzig 1728. Bd. 1. S. 1836 (nach der Handschrift Gotha, Forschungsbibliothek. Chart. A 204). Die Chronik Gassers ist in zahlreichen zeitgenössischen Handschriften überliefert, deren Text z.T. von der hier abgedruckten Fassung differiert. Sie sind zusammengestellt bei Karl Heinz Burmeister: Achilles Pirmin Gasser 1505-1577. Arzt und Naturforscher, Historiker und Humanist. Wiesbaden 1970. Bd. 2. S. 16-23, Nr. 10-26 (nachzutragen sind Cod. Pal. Lat. 913 und Clm 30 089). Zum Jahr 1545: Atque inde tum literis, tum studiorum proventui animum adplicans, coèmi curavit [Senatus] Venetijs, Philippo Walthero proxeneta, DCCC. ducatibus aureis, ab Antonio Eparcho episcopo Corcyrense, vetustissimorum autorum, ac in eum usque diem, non editorum Graecorum librorum, non contemnendum thesaurum (nonnulli emptionem hanc superiore anno factam volunt) quem singulari tablino ea tempestate, Xysto Betuleio curante, in suam bibliothecam ita quidem collocavit, ac pro dignitate conservavit, ut tarnen nusquam non doctis viris communem esse candidissime voluerit.

Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften

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Deutsche Übersetzung von Wolfgang Hartmann in: Chronica Der Weitberüempten Keyserlichen Freyen und deß H. Reichs Statt Augspurg [...]. Teil 3. Basel [d.i. Frankfurt] 1596 (Faksimile Neusäß 1984). S. 56f. Gemelte vnsere Herrn Hessen auch nach diesem zur beßirderung der Studien vndfreyen Künsten zu Venedig durch Philipp Walthern ein stattliche Bibliothecen von den ältesten Scribenten / und biß aujf denselben Tag new getruckten Büchern / Anthony dem Landtvogt daselbst / vnnd Bischoffen zu Corcyra / vmb 800. Ducaten abkauffen. Welche sie in ein sonderlich Gemach in ihrer Liberey eingeschlossen / und sie Xysto Betuleio damals befohlen / vnnd wie sie wol werth war / in grosser acht undßeissiger Verwahrung gehalten / gleichwol solcher gestalt / daß dannoch dieselbe keinen gelehrten Leuthen versperret ward.

Bilderstreit, Konfessionalisierung und Repräsentation. Zur Ausstattung protestantischer Kirchen in Augsburg zwischen* Reformation und Restitutionsedikt Freya Strecker I.

Eines der vielleicht interessantesten Themen, zu denen sich der Reformator Wolfgang Musculus geäußert hat, ist das Verhältnis von >Staat< und >KircheLutheranisierung< bezeichnen möchte. Die Neuorientierung zeigt sich zuerst im Bereich der Lehre und erst mit einiger Verzögerung in den Zeremonien und der Ausstattung der Kirchen. Im Südwesten dringt das Altarbild oder Retabel - wenn auch mit einiger Verzögerung - mit dem strengen Luthertum vor.83 Die Tendenz der Entwicklung entspricht etwa der konfessionellen Bewertung der Altartypen: Tischaltar - Inschriftenretabel - Bild — Retabel - architektonisch-plastischer Aufbau. Mit dem 78

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Emil Sehling (Hg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 12: Bayern III: Altbayern. Tübingen 1966. S. 19f. Aufriß des Altars und der ursprünglichen Mensa s. Die Kunstdenkmäler von Bayern. Die Kunstdenkmäler von Schwaben und Neuburg. Bd. 5: Stadt- und Landkreis Neuburg an der Donau. Bearb. v. Adam Horn, Werner Meyer. München 1958. S. 226, Fig. 167. R. Laun (Anm. 77), Kat. S. 217, S. 113-131, Abb. 91-93; sowie demnächst im Katalog der Augsburger Altäre in meiner Dissertation. Vgl. zu Regensburg F. Strecker (Anm. 4) S. 132, Anm. 499 (Lit.). Vgl. hierzu F. Strecker (Anm. 4) S. 87-90. F. Strecker (Anm. 4) S. 133, Tabelle S. 134f.

Zur Ausstattung protestantischer

Kirchen in Augsburg

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Retabel der Ulmer Dreifaltigkeitskirche, d.h. in den Jahren um 1620 ist der Standard der allgemeinen Entwicklung des Altarbaus wieder erreicht.

III. Wie sah nun die Ausstattung der protestantischen Kirchen in Augsburg vor 1629 aus? Auch sie ist im Kontext der städtischen Religions- und Kirchengeschichte und der politischen Entwicklung im Reich zu sehen, die ich hier natürlich nicht im einzelnen nachzeichnen kann.84 Wie in vielen Reichsstädten Süddeutschlands war die Religionspolitik des Rates bis 1555 durch den Versuch gekennzeichnet, zwischen der notwendigen Rücksicht auf den kaiserlichen Stadtherren, der Vertretung der ständischen Interessen auf reichspolitischer Ebene und dem Druck der sich ausbreitenden reformatorischen Bewegung in der städtischen Bevölkerung und vor allem in den Zünften, die Situation unter Kontrolle zu halten. Der Ablauf in Augsburg weist jedoch verschiedene Eigentümlichkeiten auf, die sich aus den für die Stadt spezifischen Voraussetzungen ergaben: - Die wirtschaftliche und soziale Struktur der Stadt ließ die religiösen und konfessionellen Auseinandersetzungen schneller als anderswo zu sozialen und politischen Machtkämpfen eskalieren. Hierher gehört die Existenz einer breiten mittellosen Schicht auf der einen und einer kapitalkräftigen auf der anderen Seite. Auf die Interessen der letzteren, die mit der kaiserlichen Politik aufs engste verknüpft war, nahm der Rat häufig so weitgehend Rücksicht, daß sich Augsburg auch vor 1548, d.h. zur Zeit des Zunftregiments, immer wieder von den anderen Städten isolierte.85 Sie förderte die Radikalisierung der verschiedenen Positionen und führte zu großen Spannungen innerhalb der städtischen Bevölkerung, die sich nach der Ausweisung des Barfiißermönchs Schilling 1524 in tumultuarischen Auftritten entluden. Damals trat der Rat geschlossen der Menge entgegen, um die Ord-

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Grundlegend F. Roth (Anm. 14); zusammenfassende Darstellungen von Herbert Immenkötter: Kirche zwischen Reformation und Parität. In: Geschichte der Stadt Augsburg. 2000 Jahre von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Hg. v. Gunther Gottlieb u.a. 2., durchges. Aufl. Stuttgart 1985. S. 391-412; Peter Rummel, Wolfgang Zorn: Kirchengeschichte 1518-1650. In: Welt im Umbruch. Augsburg zwischen Renaissance und Barock. Bd. 1-2: Ausstellungskat. Bd. 3: Beiträge. Augsburg 1980 und 1981. Hier Bd. 1. S. 30-39. So im Zusammenhang mit dem Speyerer Abschied 1529, F. Roth (Anm. 14) Bd. 1. S. 283.

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Freya Strecker

nung aufrechtzuerhalten und entging damit einem geplanten Umsturz. 86 In diesen Kontext gehören auch die bilderstürmerischen Aktionen Einzelner vor der offiziellen Durchfuhrung der Reformation 1537.87 - Geographisch lag die Stadt in überwiegend altgläubigem Umfeld. Allgemeiner formuliert: Ihre Position befand sich im Kräftefeld der süddeutschen Territorialstaaten, also von Bischof und Hochstift, Markgrafschaft Burgau, Vorderösterreichische Lande, vor allem aber des Herzogtums Bayern, dessen Religions- und Kirchenpolitik bekanntlich in höchst effektiver Weise den territorialpolitischen Interessen der Wittelsbacher diente.88 - Die Existenz der Domimmunität und der exemten Klöster in der Stadt, die zwar 1537-1548 in den städtischen Besitz übernommen wurden, sicherte langfristig d.h. durch den mit kaiserlicher Unterstützung erzwungenen Restitutionsvertrag von 1548 - den Zugriff auf die angestammten Rechtspositionen der Alten Kirche in der Stadt und garantierte damit die Existenz eines katholischen KirchenOQ wesens. Dem in die Zeit vor der Reformation zurückreichenden Bemühen der städtischen Gemeinden bzw. ihrer Vorformen und des Rates, mit Hilfe der Zechpfleger und der Kirchenpflegschaften Einfluß auf das städtische Kirchenwesen zu gewinnen und den Klerus, die Kirchen und das Kirchengut dem städtischen Jurisdiktionsbereich einzubinden, 90 waren damit vergleichsweise enge institutionelle und politische Grenzen gesetzt, die sich nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes und der Beseitigung des Zunftregiments 1548 zugunsten der altgläubigen Minorität in der Stadt auswirkten. Besonders der mit kaiserlicher Unterstützung erzwungene Restitutionsvertrag mit Bischof Otto Truchseß von Waldburg vom August 1548 sicherte die angestammten Rechtspositionen der Alten Kirche in der Stadt und diente 1629 Bischof Heinrich von Knöringen als juristischer Vorwand 86 87

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H. Immenkötter (Anm. 84) S. 395-396. Jörg Rasmussen: Bildersturm und Restauratio. In: Welt im Umbruch (Anm. 84) Bd. 3. S. 95-114. Vgl. hierzu Dieter Albrecht: Bayern und die Gegenreformation. In: Hubert Glaser: Wittelsbach und Bayern. Bd. IL/1: Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1573-1657. München, Zürich 1980. S. 13-23; Manfred Weitlauff: Die Reichskirchenpolitik des Hauses Bayern im Zeichen gegenreformatorischen Engagements und österreichisch-bayerischen Gegensatzes. In: H. Glaser [s.o.] S. 48-76. Restitutionsvertrag: P. Warmbrunn (Anm. 38) S. 98-104; F. Roth (Anm. 14) Bd. 3. S. 484-486. Bd. 4. S. 170-177. Rolf Kießling: Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der oberdeutschen Reichsstadt. Augsburg 1971 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Schriftenreihe des Stadtarchivs Augsburg. Bd. 9); ders.: Bürgertum und Kirche im Spätmittelalter. In: Geschichte der Stadt Augsburg (Anm. 84) S. 208-213.

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für die geforderte vollständige Beseitigung des protestantischen Kirchenwesens durch Rück- bzw. Übergabe aller Kirchen und Verbot des protestantischen Gottesdienstes, die dann unter Berufung auf das Restitutionsedikt auch durchgeführt wurde.91 Deutlicher noch als anderswo zeigt sich in Augsburg die Abhängigkeit des Kirchenwesens und der kirchlichen Ausstattung von den politischen und institutionellen Verhältnissen und Entwicklungen. Das hat zunächst einmal dazu geführt, daß von der Ausstattung protestantischer Kirchen aus der Zeit vor 1648 fast nichts erhalten ist.92 Von keinem der religiösen Gemälde aus der Zeit vor 1648, die heute in den evangelischen Kirchen Augsburgs hängen, läßt sich mit Sicherheit sagen, ob es ursprünglich für die jeweilige Kirche geschaffen oder angekauft wurde und wo es sich gegebenenfalls befand. Eine Ausnahme hiervon bilden bezeichnenderweise nur die Epitaphien, deren rechtlicher Status als Privateigentum der Familien einen gewissen Schutz gegen Translozierungen und Zerstörung bot. Aufgrund der wechselnden kirchenrechtlichen und -politischen Verhältnisse sind für die Ausstattung der protestantischen Kirchen in Augsburg folgende Phasen zu unterscheiden: - Eine frühe Phase der Reformation von ihrer ersten Ausbreitung bis zur offiziellen Abschaffung der Messe am 17.1.1537 - Die Phase der Durchfuhrung der Reformation und des reformierten Kirchenregiments des Rates 1537-1548 - Die Phase der gegenseitigen Verdrängungs- und Vermittlungsversuche, gekennzeichnet durch den >Geharnischten Reichstage das Interim und den Fürstenaufstand 1548-1552, beendet durch den Religionsfrieden 1555 - Die Aufbauphase des lutherischen Kirchenwesens 1555-1629 (Restitutionsedikt) In die Frühphase der Reformation fällt die Ausbreitung der evangelischen Predigt in der Stadt, während der katholische Gottesdienst fortdauerte, von der Bevölkerung aber zunehmend gemieden wurde. Die belegbaren Auswirkungen auf die kirchliche Ausstattung bestanden zunächst nur in den bilderstürmerischen Aktio-

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H. Immenkötter (Anm. 84) S. 408-409. Ausnahmen sind zwei Abendmahlspatenen aus den Jahren 1536 und 1537 in St. Anna und Hl. Kreuz und einige Abendmahlskelche und -kannen aus den Jahren um 1600 und 1625/26 in St. Ulrich und St. Anna. Vgl. Svetozar Sprusansky: Freiheit und Ordnung. Reformation in Augsburg. Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs in der St.-Anna-Kirche in Augsburg 10. Juli - 6. September 1987. Augsburg 1987. Kat. Nrn. 39-42, S. 54-56; sowie Welt im Umbruch (Anm. 84) Bd. 2. Kat. Nr. 687, S. 302-304; Kat. Nr. 688, S. 304-305; Kat. Nr. 708, S. 326; Kat. Nr. 742, S. 362-363.

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nen einzelner. 93 Für den Beginn des Augsburger protestantischen Kirchenwesens liegen begreiflicherweise kaum Nachrichten darüber vor, wie die Ausstattung der Predigthäuser und Kirchen, in denen die Protestanten ihren Gottesdienst feierten, beschaffen war. Sie ist jedoch teilweise aus der personellen und institutionellen Situation der Gemeinden und der Prädikanten zu erschließen.

St. Anna und St. Moritz In der Karmeliterkirche St. Anna reichte Johann Frosch 1524 einzelnen, die das wünschten, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Er hatte 1523 sein Amt als Prior niedergelegt und wurde neben Urbanus Rhegius, Stephan Agricola und Michael Keller einer der ersten vom Rat besoldeten Prediger. 94 Weihnachten 1525 feierte er mit Rhegius hier das erste öffentliche Abendmahl, wobei sich Frosch, bekanntlich einer der frühesten und treuesten Anhänger Luthers in Augsburg, nach der Wittenberger Ordnung gerichtet haben soll.95 Dem entspricht, daß Frosch bei der Hochzeit des Rhegius am 16. 6. 1525 vor dem Altar eine Predigt hielt, das Paar segnete und dann das Abendmahl austeilte.96 Im Gegensatz zu den Zwinglianern und den meisten Oberdeutschen stand er also nicht hinter dem Altar, benutzte ihn nicht als einfachen Tisch. Es muß sich hier um einen der mindestens fünf Altäre gehandelt haben, die sich in der Zeit um 1500 im Langhaus der Annenkirche befanden; vermutlich war es der Laienaltar vor dem Lettner.97 Wie auf den meisten Altären der Zeit vor dem Bildersturm dürfte auch auf ihm noch ein Retabel gestanden haben. Zu ihm hatten die vom Rat besoldeten Prediger Zutritt, während der Altar im Ostchor bis zur Schließung des Klosters 1534 den Karmelitern vorbehalten gewesen sein dürfte, obwohl es 1525 nur noch acht Mönche im Kloster gab.98 Das einzige in dieser Zeit erwähnte Ausstattungsstück ist der Predigtstuhl, die Kanzel, die sich - wie in den meisten städtischen Bettelordens- und Pfarrkirchen

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J. Rasmussen (Anm. 87). F. Roth (Anm. 14) Bd. 1. S. 296; H. Immenkötter (Anm. 84) S. 394-395. F. Roth (Anm. 14) Bd. 1. S. 295; Wilhelm Schiller: Die St. Annakirche in Augsburg. Ein Beitrag zur Augsburger Kirchengeschichte. 2. Aufl. Augsburg 1939. S. 55. F. Roth (Anm. 14) Bd. l . S . 295. W. Schiller (Anm. 95) S. 20. W. Schiller (Anm. 95) S. 59f; F. Roth (Anm. 14) Bd. 1. S. 290.

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vor der Reformation und heute noch in St.Ulrich und Afra - an der Südseite des Langhauses befunden haben dürfte und den Prädikanten zur Verfügung stand." Im Unterschied zu anderen oberdeutschen Städten, in denen der lutherische Einfluß in den 30er Jahren durch die notwendige Anpassung an den Schmalkaldischen Bund immer deutlicher wurde, setzte sich in Augsburg im Gegenteil die zwinglische Richtung nach der Berufung Musculus' und Bonifaz Wolfarts und der Abreise Froschs und Agricolas im Sommer 1531 noch stärker durch,100 was sich in der Auflösung der Klöster der Dominikaner, Franziskaner und Karmeliter auswirkte sowie in der Einziehung der Schmuckstücke aus den Kirchen, die dem Pfarrvolk gehörten, um den Erlös für die Armen zu verwenden.101 Nachdem der Rat den lutherischen Gottesdienst bereits 1531 verboten hatte, ihn aber zunächst noch duldete, folgte er 1534 den Forderungen der zwinglischen Prediger und schloß die Kirche St. Anna für den Gottesdienst.102 Wie die übrigen Kirchen der Stadt dürfte sie den größten Teil ihrer vorreformatorischen Ausstattung 1537 im Zuge der >Abtuung der Bilden verloren haben. Die unterschiedlichen Richtungen, die die verschiedenen Prädikanten vertraten und sich in verschiedenen gottesdienstlichen Handlungen in den verschiedenen Pfarreien der Stadt ausdrückte, ließ sich auch durch die Neuorganisation des Kirchenwesens durch Martin Bucer, die Unterzeichnung der Wittenberger Konkordie 1536 und durch den Erlaß der Kirchenordnung von 1537 nicht völlig beseitigen.103 Die Annäherung an die Wittenberger diente in Augsburg wie in anderen Reichsstädten (z.B. Esslingen) vor allem der politischen Absicherung nach außen. Durch die Formulare für Predigtgottesdienste, Abendmahl, Taufe und Eheschließung dürfte sich an der Ausstattung der protestantischen Kirchen wenig geändert haben.104 Stärker als die Ausrichtung des jeweiligen Predigers wirkten sich allerdings die baulichen und institutionellen Bedingungen der Frühzeit aus, die sich in der Ausstattung bis 1629 gewissermaßen konservierten.

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P. Poscharsky (Anm. 10) S. 20, 23-24, 30. Die Emporen an der Südseite - gegenüber der heutigen Kanzel von 1682 - sind erst ab 1552 belegt, s. Augsburg Stadtarchiv. Schätze Nr. 11 I. Der Zech Einnehmen und Ausgeben. Bd. 1: 1503-1579. H. 46. fol. 4', 2.5. 1552. H. Immenkötter (Anm. 84) S. 398f. H. Immenkötter (Anm. 84) S. 399. W. Schiller (Anm. 95) S. 60. Julius Hans: Die ältesten evangelischen Agenden Augsburgs. In: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte. 1. 1895. S. 145-171, hier S. 146; H. Immenkötter (Anm. 84) S. 400. Vgl. Emil Sehling (Hg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 12: Bayern II: Schwaben. Tübingen 1963. S. 39-43, 49, 62-63, 85-92.

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Mit der protestantischen Gemeinde von St. Anna hatte sich 1524 auf Geheiß des Rates bereits die von St. Moritz verbunden,105 vermutlich mit Rücksicht auf das Patronatsrecht der Fugger. Nach der Schließung der Annenkirche wurde dort der Gottesdienst für beide Gemeinden gehalten. Hinweise auf die Ausstattung der Moritzkirche gibt das teilweise gemeinsam geführte Rechnungsbuch der Zechpflegen von St. Anna und St. Moritz. 106 Bis 1537 versahen die Kanoniker den Chordienst im Ostchor hinter dem Lettner. Das Langhaus unterstand dagegen der Zeche, bei der auch die Baulast lag. 107 Auf dem Frühmeßaltar stand bis zum Bildersturm 1537 das 1503-1507 von Gregor Erhart, Adolf Daucher, Hans Holbein d.Ä. und Ulrich Apt auf Kosten der Zeche gefertigte Flügelretabel. 108 Den Gottesdienst der Protestanten belegen zunächst lediglich die Zahlungen für Brot und Wein zum Nachtmahl, das fünfmal im Jahr gehalten wurde, und für die Vorsinger. 109 An mobilem und festem Inventar werden bis 1548 folgende Stücke genannt: ein Abendmahlsgeschirr, 110 drei im August 1537 eingebundene Bücher, die man für das Abendmahl, die Taufe und die Hochzeit gebrauchte, die also gleich nach Erlaß der Neuen Kirchenordnung im Juli desselben Jahres angeschafft wurden," 1 ein Lesepult, 112 der Präwt sitz, d.h. der Brautstuhl," 3 ein lange[r] stul bey dem alten kor, womit möglicherweise das alte Chorgestühl gemeint sein könnte, 114 und die Kanzel, für die 1545 ein Himmel gefertigt wurde. 115 Außerdem erfährt man, daß sich die Zechpfleger 1544 im Alten Chor, d.h. im Ostchor hinter dem Lettner, trafen.116

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F. Roth (Anm. 14) Bd. 1. S. 296. Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. Augsburg Stadtarchiv. Kirchen und Klöster, St. Moritz, 28. »Die Transferierung der PfarrzechPflege in die St. Anna Kirche betr. bis ins Jahr 1632; Bauten und Bau-Streitigkeiten, 1491-1693.«. Wolfgang Deutsch: Michel Erhart und sein Verhältnis zu Gregor Erhart und Syrlin d.Ä. Schwäbisch Hall 1969 (masch.). S. 41-43. Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 31 (1535/36) bis 44 (1548/1549). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 33 (1537/38). fol. 17 r . Die Hefte 38 und 39 (1543/44), 41 (1545/46), 42 (1546/47) und 43 (1547/48) enthalten jeweils ein kurzes Inventar des liturgischen Geräts am Ende der Einnahmen, umfassend Altargeschirr und Tischtücher. Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 33 (1537/38). fol. 8 r (14. 8. 1537). Zur Kirchenordnung 1537 vgl. E. Sehling (Anm. 104) S. 26, 50-66. 1545 wurden auf Befehl des Prädikanten erneut drei Bücher einer neu gedruckten Kirchenordnung gekauft, die in allen Kirchen der Stadt verwendet werden sollten; vgl. Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 40 (1544/45). fol. 8V (7. 7. 1545). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 33 (1537/38). fol. 9V (19. 9. 1537). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 33 (1537/38). fol. 12r (19. 9. 1537). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 36 (1540/41). fol. 3r. (8. 9. 1540). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 40 (1544/45). fol. 6V. (28. 3. 1544). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 39 (1543/44). fol. 2V (1. 2. 1544).

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Der interessanteste Eintrag findet sich im März 1538: Item am 3 tag den Merzen des 38 Jars dem Leonhart becken von dem altar zu malen und zuschreiben, bezaltfl 5.117 Bei diesem Betrag kann es sich nicht um eine aufwendige Arbeit gehandelt haben. Nach Lage der Dinge kommt nur ein Schriftaltar in der Art des Dinkelsbühlers in Frage, als Text nur der Dekalog und zwar in der Form, wie er sonntäglich von der Kanzel zu verlesen war: in der sogenannten reformierten Zählung, d.h. mit der Forderung Du sollt dir kain bildnus noch irgend ain gleichnuß machen [...] als selbständigem zweiten Gebot." 8 Um so erstaunlicher ist, daß es bereits zwei Jahre nach dem Bildersturm zur Aufstellung eines Retabels kam. Im Hinblick auf die Bedeutung der Altäre in den übrigen oberdeutschen Reichsstädten müssen wir folgern, daß dem Rat und den Zechpflegern nach dem im Januar 1537 eher halbherzig angeordneten Bildersturm, 1 " der dann doch zu einer nahezu vollständigen Zerstörung der mobilen Ausstattung der Kirchen ausartete,120 viel daran gelegen war, ihre Treue zur Wittenberger Konkordie zu demonstrieren. Nach dem Restitutionsvertrag vom 2. 8. 1548 mußte St. Moritz den Altgläubigen zurückgegeben werden, die sofort mit der Wiederherstellung der vorreformatorischen Ausstattung begannen.121 Die der protestantischen Zeche gehörenden Stücke wurden in die Annakirche gebracht, wo spätestens im August 1549 die Ausbesserungsarbeiten mit der Kanzel begannen.122 Wie die Barfußerkirche und Hl. Kreuz wurde St. Anna bei der Durchfuhrung des Interims auch wieder mit Altären, Bildern und Leuchtern ausgestattet.123 1557 verzeichnet das Inventar der Zechpflege neben dem Abendmahlsgeschirr und zwei Tischtüchern, zwei Meßgewänder, drei messe pixlen, zwei Zinnkannen, eine Salzbüchse, einen Kelch, ein Corporale und ein Kissen, die zum Interim verwendet worden seien.124 Der Umschwung der Verhältnisse durch den Fürstenaufstand schlägt sich in den Rechnungen durch die Zahlung für einen Abendmahlstisch im Juli 1553 nieder: ad 12 julio zalt ich dem stenglin / kistler umb ain tisch / darauf man das nachtmahl

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Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 33 (1537/38). fol. 12r (19. 9. 1537). Die zehen gebot, / Articul des Glaubens, Und das Vater unser, sampt ainer offnen Beicht / und furbitt für die gemeinen stend, Wie sy vor der Sontägigen Predig allhie zu Aug-/spurg verlesen werden/ [1537], Druck: E. Sehling (Anm. 104) S. 67-71. J. Rasmussen (Anm. 87) S. 99. J. Rasmussen (Anm. 87) S. 99. P. Warmbrunn (Anm. 38) S. 102. Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 44 (1548/49). fol. 4 V (27. 3. 1549). P. Warmbrunn (Anm. 38) S. 76. Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 53 (1557/58). fol. l r (18. 10. 1557).

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des herrn haltt ß 1 kr 12.-ns Bereits im Vorjahr werden erstmals Emporen erwähnt.126 In den folgenden Jahren wurde die Ausstattung der Annenkirche kontinuierlich ausgebaut. Erwähnt werden der Vorsingerstuhl,127 die Ausbesserung und Aufstellung einer Taufe128 und häufige Ausbesserungen der Kanzel.129 Seit 1565 ist dann nicht mehr von einem Tisch, sondern wieder von einem Altar im Chor die Rede,130 vor dem der Brautstuhl stand,131 sowie von einem Gitter hinter dem Altar, an dem auch getauft wurde.132 1595 gab es auch zwei Beichtstühle für die Prädikanten,133 was die lutherische Privatbeichte voraussetzt, die eines der Indizien der Annäherung an das strenge Luthertum darstellt.134 Größere Veränderungen ergaben sich 1581 durch die Öffnung der Fuggerkapelle und die Renovierung der Orgel 1592 und 1595.135 1602 wurde dann der Grundstein zum Turm gelegt, und 1604 ging man an eine umfassende Innenrenovierung, in deren Verlauf auch eine neue Kanzel aufgestellt und der Altar im Chor ausgebessert wurde.136 Der Maler erhielt im August 1612 2fl.30.137 Dieser niedrige

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Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 47 (1552/53). fol. 4 r (12. 7. 1553). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 46 (1551/52). fol. 4 r (2. 5. 1552). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 53 (1557/58). fol. 2V (5. 1. 1558). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 59 (1563/64). fol. l r (4. 10. 1563). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 57 (1561/62). fol. l r ; Augsburg Stadtarchiv. Schätze Nr. 11 II. PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffent. Bd. 2: 1579-1624. fol. 30 r (30. 3. 1582), 30 v (21.4. 1582), 40 r (12. 9. 1583). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 61 (1565/66). fol. 2V (22. 12. 1565); H. 66 (1570/71). fol. 3V (23. 5. 1571); H. 70 (1575). fol. 5 r (30. 8. 1575). Der Zech Einnehmen und Ausgeben (Anm. 99) Bd. 1. H. 60 (1564/65). fol. 2r (29. 12. 1564); H. 66 (1570/71). fol. 3V (23. 5. 1571). Der Zech Einnehmen und Ausgeben. (Anm. 99) Bd. 1. H. 61 (1565/66). fol. 2V (22. 12. 1565); H. 66 (1570/71). fol. 4 r (1. 6. 1571); PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffent (Anm. 129) fol. 32 v . PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffent (Anm. 129) fol. 133r (10. 6. 1595). F. Strecker (Anm. 4) S. 78. PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffent (Anm. 129) fol. 19r (7. und 9. 2. 1581), 20 v (10. 2. und 7. 3. 1581), 20 r (28. 4. 1581): Öffnung der Fuggerkapelle, Einfassung des Altars mit einem Geländer, neues Altartuch und Veränderung der Stühle. PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffent (Anm. 129) fol. 117v; fol. 130v (20. 1. 1595). Bei den Zahlungen ist nicht ganz klar, um welche Orgel es sich handelt. Die Benutzung der kleinen für den protestantischen Gottesdienst wurde bereits 1572 gestattet (W. Schiller (Anm. 95) S. 46). Bei der zweiten Renovierung gab man immerhin 500 Gulden für ein Neuwes Werkh aus und ließ die Flügel reinigen. PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffent (Anm. 129) fol. 179r (30. 7., 5. 8. und 19. 8. 1602), 180r (12. 11. 1602): Grundsteinlegung und Baubeginn des Turmes; fol. 195v (17. 11. 1604), 201 r -202 v (15. 9. 1605): Kanzel in St. Anna; fol. 203 r (1. 10. 1605): Beisteuer der Stadt zur Innenrenovierung; fol. 217 r (4. 11. 1605?): Abrechnung der Kosten der Innenrenovierung. Weitere Zahlungen in den folgenden Jahren betreffen vor allem die Emporen. Dem Maler den Altar im Chor zu erneueren [...]fl 2.30. PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffent (Anm. 129) fol. 293r (17. 8. 1612).

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Betrag kann sich nur auf ein sehr kleines, einfaches Retabel beziehen, d.h. vermutlich auf den Schriftaltar, der 1538 in St. Moritz aufgestellt und bei der Restitution mit nach St. Anna übernommen wurde. Die letzte Investition vor dem Restitutionsedikt ist die 1623 von Marx Günzer angefertigte und von Konrad Schemel bemalte kleine Orgel.138

Barfiißerkirche Auch über die Ausstattung der Barfiißerkirche zwischen 1548 und 1648 ist man vergleichsweise gut unterrichtet. Frühste Quelle zu unserem Thema ist die Beschreibung eines Gottesdienstes, den Musculus 1548 in der Barfiißerkirche hielt. Den Gottesdienst der Frühzeit prägte dort der 1524-1544 angestellte Michael Keller, der schnell zum Führer der Zwinglianer in der Stadt wurde und sich auch hinsichtlich der Zeremonien an den Schweizern, d.h. wie allgemein bei den Oberdeutschen an der Basler Ordnung orientiert haben dürfte.' 39 Auch in der Minoritenkirche war der Chor - wie immer in Stifts- und Klosterkirchen - vom Langhaus getrennt, der Choraltar also weder der Pfarrgemeinde noch dem Prediger zugänglich.140 Keller wird seine Gottesdienste wie bei den Oberdeutschen üblich von der Kanzel aus gehalten haben,141 das Abendmahl am früheren Laienaltar vor oder unter dem Lettner. An der Ausstattung des Langhauses scheint sich vor 1537 nicht viel geändert zu haben. Lediglich der Taufstein wurde nach der Abschaffung der Messe 1534 verändert.142 Nach 1537, spätestens aber nach der Aufhebung des Klosters 1541,143 wurde das Abendmahl offenbar am Choraltar gefeiert. So heißt es im Tagebuch des Grafen von Waldeck (15091578): In templo choro Minorum altare magnum est, ante quod posita est mensa cum altari vectibus ligneis occlusa ita, ut soll sacerdotes intra illud spaciolum 138

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Hans Fugger übernahm ein Drittel der Kosten. PflegBüch Die Zech zu Sanct Moritzen betreffet (Anm. 129) fol. 484r (13. 11. 1623). H. Waldenmaier (Anm. 12) S. 39. Die älteste Innenansicht zeigt ein heute unter der Orgelempore hängendes Gemälde der Zeit um 1650, abgebildet bei Horst Jesse: Die evangelische Kirche >Zu den Barfüßern« in Augsburg. 2. Aufl. Pfaffenhofen 1986. S. 21. Vgl. Welt im Umbruch (Anm. 84) Bd. 1. Kat. Nr. 441 b, S. 420. H. Waldenmaier (Anm. 12) S. 24-26, 39. Einschätzung Kellers bei F. Roth (Anm. 14) Bd. 1. S. 203. ... hat man auf dem Taufstein in der Barfüßerkirchen eine höltzerne Decke gemacht und die Kinder darauf zu tauffen angefangen. Johann Baur: Barfuesser-Orden / Oder / Kurtzer Bericht was es mit den Barfuessern zu allen Zeiten und unter allerhand Nationen für denck / straff / oder lobwuerdige Beschaffenheit habe. Augsburg 1680. S. 119. J. Baur (Anm. 142) S. 121f.

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astent [..,] 144 - interpretierend übersetzt: >Im Chor der Minoritenkirche ist ein großer Altar [das ist der steinerne Choraltar aus der Zeit vor der Reformation], vor den ein Tisch [aus Holz] gestellt wurde, der mit Holzbalken so mit dem Altar verbunden ist, daß nur der Pfarrer in dem verbleibenden Raum stehen kann.< In diesem Zwischenraum standen bei der Austeilung des Abendmahls die ministri ecclesiae, facie apopulum versa [...] [mit dem Gesicht zum Volk gewendet].145 Die Passage zeigt, daß es in Augsburg bereits vor dem Religionsfrieden eine Vorform der späteren Altäre gegeben hat, wie sie in den Kupferstichen bei Picart und Herrliberger im 18. Jahrhundert erscheinen.146 Dabei wurde der alte steinerne Hochaltar beibehalten, aber durch einen davorgestellten Tisch und die Stellung des Pfarrers bzw. der ministri ecclesiae hinter diesem als Abendmahlstisch im Sinne der Oberdeutschen und württembergischen Ordnungen interpretiert.147 Andererseits verstärkten die Schranken - wie aus Waldecks Schilderung deutlich zu ersehen - die Gerichtetheit des Altars und die Exklusivität der dem Pfarrer vorbehaltenen Stellung zwischen Tisch und Altar in einer Weise, die sich von dem betont einfachen und alltäglichen Holztisch, den Zwingli verwendete, deutlich unterscheidet.148 Auch die Ausstattung der Barfußerkirche wurde bis 1629 langsam aber stetig ergänzt. Nachdem bereits im Dezember 1548 nicht ohne groß Geschrei und Unwillen der Zuhörer durch interimistische Priester deutsche Messen mit Meßgewändern, Sakramentshäuschen und brennenden Wachskerzen gehalten wurde, wurde 1551 ein altes Gemähld und Tafel herfiir gesucht und der Altar zu den Barfüßern damit gezieret, das auch nach der Abschaffung des Interims auf dem Altar verblieb.149 1570 wurde im Chor hinter dem Altar und über dem Taufstein, 144 145 146

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E. Sehling (Anm. 104) S. 93f; vgl. H. Waldenmaier (Anm. 12) S. 51. E. Sehling (Anm. 104) S. 94; vgl. H. Waldenmaier (Anm. 12) S. 51. Bernard Picart: Ceremonies et coutumes religieuses de tous les peuples du monde. Représentées par des Figures dessinés de la main de Bernard Picart: Avec une Explication Historique, & quelques Dissertations curieuses. Tome troisième, Qui contient les Ceremonies des Grecs & des Protestants. Amsterdam 1733. Ex.: Stuttgart WLB. Kirch. G. fol. 561-3.4. RECEPTION d'un nouveau MINISTRE Lutherien dans LEGLISE de g. JAQUES à AUGSBOURG (Taf. gegenüber S. 346), La COMMUNION des LUTHERIENS dans LEGLISE des MINORITES à AUGSBOURG (Taf. nach S. 362), le BAPTEME des LUTHERIENS d' A UGSBOURG (Taf. nach S. 368); David Herrliberger: Gottesdienstliche Ceremonien Oder H. Kirchen-Gebräuche Und Religions-Pflichten Der CHRISTEN: In schönen Kupfer-Tafeln, Nach des berühmten Picards Erfindung, vorgestellt durch David Herrliberger: Und mit einer zuverläßigen historischen Beschreibung erläutert. [...] Zürich 1746. Ex.: Stuttgart WLB. Kirch. G. fol. 336. Taf. 1 , 3 , 4 nach S. 40. Abgebildet in: Das Augsburger Bekenntnis in drei Jahrhunderten 1530-1630-1730. Hg. v. Horst Jesse. Weißenhorn 1980. Gegenüber S. 82, n a c h S . 87, nach S. 91. Vgl. oben Anm. 74. G. Germann (Anm. 14) S. 18. J. Baur (Anm. 142) S. 132.

Zur Ausstattung protestantischer

Kirchen in Augsburg

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der unter dem Lettner stand, eine Schriftmalerei angebracht: hinter dem Altar die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, die Einsetzungsworte der Taufe und des Abendmahls und damit die fünf Hauptstücke des Katechismus in Versalien. Deßgleichen auch allerhand schöne sprüch, ob dem Taufstein zwischen den Bögen an der Maur, unter der hohen Bor-Kirchen [Empore] wie auch unter den Bögen.150 Sie wurden 1600 - weil dunkel geworden - übertüncht. 1575 wurden die vorderen Manns-Stühle im Chor aufgestellt, zur besseren Bequemlichkeit bei hochzeitlichen Kirchgängen,151 1609 konnte aus Stiftungen eine Orgel um 840 fl. angeschafft werden.152 1619 wurde die alte Kanzel auf der Südseite abgebrochen, d.h. spätestens zu diesem Zeitpunkt wechselte die Kanzel entgegen vorreformatorischen Gepflogenheiten auf die Nordseite des Langhauses, wo sie auch später wieder angebracht wurde. Auch diese Stellung der Kanzel wurde wie der Tischaltar - als Kennzeichen protestantischer Kirchen empfunden, denn als die Kirche wieder den Franziskanern übergeben wurde, brachen diese die Kanzel ab und errichteten im Januar 1632 wieder eine neue auf der Südseite, die bei der Rückgabe an die Protestanten im Herbst desselben Jahres prompt wieder abgerissen und durch eine neue am vorherigen Standort auf der Nordseite ersetzt wurde.153 Den Abschluß der Ausstattung vor dem Restitutionsedikt bildete der im Juli 1624 anstelle des alten Gemähld aufgestellte schöne grosse Altar mit einer Einsetzung des AbendmahlsChronica< eigens erwähnt. 168 Im geplanten Neubau, der sich an gotischen Kirchen orientiert hätte, wäre die Stellung von Altar, Taufstein und Kanzel im Sinne der genuin lutherischen Bauten korrigiert worden, indem man die Kanzel an den Chorbogen und damit an den Altar annäherte. 169 Das geplante Retabel hätte der dargestellten Entwicklung nach 1600 entsprochen. Als Altarbild war wohl eine Abendmahlsdarstellung vorgesehen, wie sie 1624 in der Barfußerkirche und 1693 in St. Ulrich aufgestellt wurde. 170 Der Neubau scheiterte aber an der Finanzsituation der Gemeinde.

IV. Wie ist nun die Ausstattung der Augsburger Kirchen und Predigthäuser zu bewerten? Auch in Augsburg zeigt sich wie in den meisten anderen süddeutschen Reichsstädten, die einen Bildersturm erlebten, das Bemühen um Verbesserung und Ergänzung der Ausstattung, die über das Erhalten des Bestehenden hinausgeht und mit dem beschriebenen Prozeß der Lutheranisierung in Verbindung zu bringen ist. Ich habe den Eindruck, daß er sich in der Ausstattungsgeschichte der Kirchen deutlicher zeigt als in den liturgischen Texten und Zeremonien. Er zeigt sich unter anderem im Sprachgebrauch, wenn zunächst vom Tisch, da man des Herrn Nachtmahl feiert, später vom Altar die Rede ist. Besonders die Aufstellung des Schriftretabels in der Moritzkirche gibt sich als Versuch zu erkennen, die lutherischen Bündnispartner nach dem Bildersturm wieder zu beruhigen.

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der Mitte der Längsseite und die Anbringung der Empore auf der Nordseite. Sie lag gewöhnlich gegenüber der Hauptempore. Chronica Ecclesiastica Augustana (Anm. 163) fol. 63. Als Stifter genannt sind ein vermögender Weber, Georg Brunner, seit 1549 Schulhalter und Schreiber, sowie ein dritter Stifter, der z.T. als Mesner oder Zechpfleger bezeichnet werde. Texte: der Dekalog; II Kor 3,7-9; Gal 4,4f; Rom 3,2lf; Rom 1,16; II Kor 3,8f. Modell der geplanten Georgskirche: Augsburg Städt. Kunstsammlungen. Inv. Nr. 3462, nach 1648. Vgl. Augsburger Barock. Ausstellungskat. 2. Aufl. Augsburg 1968. Kat. Nr. 1, S. 31 (Eckhard v. Knorrc), Abb. 16, 17; Welt im Umbruch (Anm. 84) Bd. 1, Kat. Nr. 439, S. 418-419 (ders.). Johann Heiß, Einsetzung des AbendmahlsHistoria vitae et obitus clarissimi Theologi D. Wolfgangi Musculi< vorbeigekommen; diese Biographie des Sohnes Abraham Musculus (1534-1591), veröffentlicht im Jahr 1595

2

Anstelle von Einzel verweisen sei grundsätzlich hingewiesen auf Paul Romane-Musculus: Catalogue des oeuvres imprimés du théologien Wolfgang Musculus. In: RHPhR. 43. 1963. S. 260-278 sowie einem kleinen Nachtrag desselben Autors in RHPhR. 46. 1966. S. 212 sowie auf die Bibliographie innerhalb des vorliegenden Bandes. Es ist bekannt, dass die ausfuhrlicheren Arbeiten zu Musculus überholt sind (zu nennen sind Ludwig Grote: Wolfgang Musculus. Ein biographischer Versuch. Hamburg 1855 sowie Wilhelm Theodor Streuber: Wolfgang Musculus oder Müslin. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. In: Berner Taschenbuch. 9. 1860. S. 1-79), während die beiden neuesten Darstellungen von Rudolf Dellsperger (Musculus, Wolfgang. In: TRE. 23. S. 439-441; ders: Wolfgang Musculus (1497-1563). In: Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 und ihr Umfeld. Hg. v. Reinhard Schwarz. Gütersloh 1988 (SVRG. Bd. 196). S. 91-110) in ihrem Umfang eng begrenzt sind. Materialreich ist Eduard Bähler: Bern und die Augsburger Interimsflüchtlinge. In: Neues Berner Taschenbuch. 26. 1921. S. 67-124; nicht immer aber arbeitet er sorgfaltig und frei von Unsauberkeiten.

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durch einen Gross-Sohn namens Wolfgang Musculus d.J. (1556-1625), legt die >Berner Themen< fest.3 Und hier zeigt sich eine ganz merkwürdige Gewichtung, welche ich einmal durch nackte Seitenzahlen auszudrücken versuche: Eine knappe Textseite befasst sich mit der Berufung nach Bern, drei weitere Seiten sind seinem schriftlichen Arbeiten gewidmet; eine Seite schildert seine im weiteren Sinne öffentliche Wirkung, eine Seite berichtet von den familiären und häuslichen Aspekten, und schliesslich folgen fast acht Seiten zu Sterben und Tod. 4 Die Bedeutung dieser Gewichtsverteilung liegt darin, dass praktisch alle folgenden Biographien sich an ganz wenigen Stichworten festmachen: Musculus als Professor und Schriftsteller, als Familienvater, als Briefschreiber und -empfänger, als hartnäckiger Verweigerer auswärtiger Berufungen. Ich will versuchen, in den folgenden fünf kurzen Abschnitten meine bisherigen Eindrücke zum bernischen Müslin wiederzugeben. Als erstes mögen einige Fakten genannt werden, die wenigstens ein Gerüst eines Lebenslaufes darstellen; an zweiter Stelle folgt ein Blick auf die eigenartigen Tendenzen der Überlieferung. Mit der Verbindung zu einem der bedeutendsten Briefpartner des Musculus, Johannes Calvin (1509-1564), beschäftigt sich ein dritter Abschnitt. Viertens habe ich die Gelegenheit benutzt, eine in Bern in doppelter Ausfuhrung vorhandene Sammlung von Briefabschriften genauer zu untersuchen; sie enthalten die sogenannten >Berufungsschreiben< und geben deshalb präzisere Hinweise auf einen unumgänglichen Topos von Müslins Biographie - der standhaften Treue zu jener Stadt, die ihm 1549 so grossherzig Asyl gewährt hat. Es ist nach dem bisher Gesagten nicht verwunderlich, dass ein fünfter und letzter Abschnitt nichts anderes als offene Fragen stellt und noch uneingelöste Forderungen erhebt.

1. »Gnad und fryd von Gott unserem Vatter ...« - oder: Was feststeht Am 26. Juni 1548 verliess Wolfgang Musculus Augsburg fluchtartig, weil er in keiner Weise dazu bereit war, die Annahme des kaiserlichen Interims durch die Stadt zu akzeptieren. Bereits am 13. Juli wurde er, der noch mehrere Monate lang auf abenteuerlicher Flucht sein sollte, vom offiziellen Bern verhandelt - in einer Weise allerdings, die viel über die bernischen Verhältnisse verrät und die vorderhand wenig Gutes erwarten Hess. Das Ratsmanual überliefert: 3

4

EYNOITX festalium concionum. Authore D. Wolfgango Musculo Dusano. Eiusdem vita, obitus erudita carmina. Item Clariss. Virorum in ipsius obitum Epicedia. Hg. v. Wolfgang Musculus d.J. Basel 1595. W. Musculus d.J. (Anm. 3) S. 41-59.

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Musculi halb des gewäsenen predicanten zu Ougspurg uff Herr Hallers fürsprach grathen wie die predicanten hie dass man nit ylen welle, inn also anzenemmen, sonders noch still zhalten und erwarten, was m.h. sinethalben und anderer wegen wytter begegne.5 Und wenn Bern nicht zu >ylen< beschliesst, so kann das dauern ... Dem unermüdlichen Fürsprecher und späteren Schwiegersohn Johannes Haller (1523-1575) hat es Musculus zu einem grossen Teil6 zu verdanken, dass ihn am 9. Februar 1549 in Zürich schliesslich doch noch jenes Berufungsschreiben erreichte, durch dessen Annahme am 13. desselben Monats Musculus den äusseren Verlauf seines weiteren Lebenswegs endgültig bestimmte. Was die gestellten Bedingungen betrifft, so erzählt der detaillierteste Bericht über die Berufung des Musculus, dass jener eingestellt worden sei »unter der Bedingung, dass der Gewählte den Prädikantenrodel unterschreibe, sich auf die Disputation und den Synodus verpflichte, über seine früheren, das Abendmahl betreffende Aussagen beruhigende Erklärungen abgebe und allen Umgang mit Lutheranern und Buceranern meide«.7 Diese Vorbehalte sind Reflexe auf die vorangegangenen kirchenpolitischen Entwicklungen: Bern hatte eine erdrutschartige Säuberung der Pfarrer- und Studentenschaft gerade erst hinter sich, hatte die dezidiertesten Lutheraner Beat Gehring und Simon Sulzer (1508-1585) im Mai 1548 definitiv entlassen und mit der Einfuhrung des Prädikantenrodels bereits 1546 seinen entschiedenen Willen bekundet, die Kirche und deren Diener streng auf der einmal eingeschlagenen Linie der Disputation von 1528 und des Synodus von 1532 zu halten.8 Musculus hat den Prädikantenrodel unterschrieben9 und beruhigende Erklärungen zum Abendmahl abgegeben;10 allein, dass er allen Umgang mit Lutheranern und Buceranern gemieden hätte, war ganz objektiv ein Ding der Unmöglichkeit, 5

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Zit. nach Eduard Bähler: Das Tagebuch Johann Hallers aus den Jahren 1548-1561. In: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern. Bd. XXIII. 1917. S. 238-355, hier S. 350. Allerdings hat Musculus auch das Seine dazu beigetragen, bernisches Misstrauen zu zerstreuen. Vom Februar 1549 stammt seine kurze Schrift >Confessio de Sacramento Corporis et Sanguinis DominiciHymni sacrk, enthält ebenfalls einen einleitenden Text des Musculus und stellt damit die Frage nach dessen Bedeutung für die Wiedereinführung des Kirchengesangs in Bern mit neuer Dringlichkeit. 22

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Vgl. zu ihm: Eduard Bähler: Dekan Johann Haller und die Berner Kirche von 1548 bis 1575. In: Berner Taschenbuch auf das Jahr 1923. 1922. S. 1-52; ... auf das Jahr 1924. 1923. S. 1-65: ... auf das Jahr 1925. 1924. S. 1-58; ... auf das Jahr 1926. 1925. S. 1-61. Vgl. zu ihm Eduard Bähler: Nikolaus Zurkinden von Bern (1506-1588). Ein Vertreter der Toleranz im Jahrhundert der Reformation. Zürich 1912. Dass dieser sich im übrigen intensiv mit kirchlichen Angelegenheiten auseinandersetzt, zeigt - im Vorgriff auf den Abschnitt zum Verhältnis zwischen Musculus und Calvin sei es vermerkt - das Schreiben, welches er am 10. Februar 1554 an jenen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Fall Servet richtet (CR. Bd. XLIII. Sp. 19-22). Er berichtet darin unter anderem von Musculus' Bericht von dessen Umgang mit den Täufern in Augsburg im Juni 1531; Musculus selber hingegen hat sich mit Calvin zu diesem Thema, soweit wir sehen können, nicht - oder wenigstens nicht privatim - auseinandergesetzt. Immer noch präziser als alle Biographien berichtet dazu P. Romane-Musculus (Anm. 1). Vgl. dazu Adrian Fluri: Mathias Apiarius, der erste Buchdrucker Berns, 1537-1554. In: Neues Berner Taschenbuch auf das Jahr 1897. 1896. S. 196-253; zur Sache S. 240f. Damit ist übrigens die Einschätzung L. Grotes (Anm. 2) S. 184 widerlegt, es seien von allen (gedruckten) Schriften des Musculus allein seine zwei Predigten gegen Cochlaeus je angegriffen worden. Cosmas Alder: Hymni sacri numero LVII quorum usus in Ecclesia esse consueuit, iam recens castigati & eleganti plane modulatione concinnati [...] cum epístola nuncupatoria Wolffgangi Musculi. Bern 1553.

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Mit Musculus' kirchenpolitischer Zurückhaltung korrespondiert die von Gerhard Langenbruch festgestellte zunehmende Uniformierung seiner Texte, welche von ihm - im direkten Vergleich mit den Arbeiten Bucers - als »Schreibtischarbeiten« bezeichnet werden. 23 Im Verbund mit dem beeindruckenden Umfang seiner Schriften, welche er übrigens ohne jede fremde Hilfe,24 hingegen unter Benutzung einer ausgezeichneten Bibliothek25 zu Papier brachte, verdichtet sich fürs erste der Eindruck, der Musculus der Berner Zeit sei in mancher Hinsicht ein anderer als der kämpferische Prädikant in Augsburg.

2. »... worauf das mächtige Bern dir zu weltweitem Ruhme verhalf« - oder: Die Überlieferung Das im Untertitel genannte Zitat ist eine Übersetzung der vierten Zeile eines fiinfzeiligen Epicediums auf Musculus. 26 Darin wird dem personifizierten Bern die Rolle der >Königsmacherin< zugeschoben. Im folgenden soll diese Einschätzung des Dichters in doppelter Richtung konkretisiert werden. Einerseits ist die Behauptung positiv aufzunehmen: In der Tat ist der schreibende Musculus der Berner Zeit wohl prominenter, eigenständiger, in seinem Einfluss weitreichender als der Pfarrer der Augsburger Zeit, der trotz seiner Qualitäten stets nur einer von vielen und offensichtlich auch nicht immer unumstritten war.27 Andrerseits aber scheint der Ruf des Musculus in einer gewissen Weise zementiert worden zu sein: Er wurde festgelegt auf einige wenige, stets wiederholte Topoi, und die in allen Biographien auftauchende Vermischung der konkreten Berner Lebenszeit schon 23

24 25 26 27

Vgl. Paul Gerhard Langenbruch: Schriftverständnis und Schriftauslegung bei Wolfgang Musculus (Magisterschrift). Göttingen (Typoskript) 1969; zur Uniformierung S. 13, zur »Schreibtischarbeit« S. 121. Vgl. Z Y N O n X (Anm. 3) S. 43. P. G. Langenbruch (Anm. 23) S. 15. Vgl. Z Y N C m i (Anm. 3) S. 106. Üble Einschätzungen gibt Gereon Sailer (allerdings nur fur die Frühzeit des Musculus in Augsburg) in mehreren Briefen an die Strassburger Prediger ab. Olivier Millet: Correspondance de Wolfgang Capiton (1478-1541). Analyse et index. Strasbourg 1982 (Publications de la Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg. Bd. VIII). S. 174 (Nr. 517) fasst in seinem Regest des Schreibens von Sailer (Augsburg, den 11. Okt. 1533) an Wolfgang Capito (1478-1541) und Bucer dessen Einschätzung betreffend Musculus (im Verbund mit anderen) so zusammen: »Tout va mal à Augsbourg: Michel (Keller) et Michel (Weinmaier) sont sans énergie; Jean Henri (Held) parle pour ne rien dire, parce qu'il ne lit rien; Boniface (Wolfhart) manque de sévérité; Sébastien (Meyer) a peu d'auditeurs à ses prêches et, avec Musculus, il devrait moins fréquenter les banquets; quant à deux précédents, ils sont sans cesse à table; chacun d'eux a ses propres disciples [...]«.

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mit der Würdigung seines Lebenswerks droht die schärfere Wahrnehmung seines letzten Lebensabschnitts zu verhindern. Für beide Aspekte des Ruhmes seien einige Beobachtungen festgehalten. Es ist ganz klar, dass zwischen der Berühmtheit Müslins und seiner schriftstellerischen Tätigkeit, die sich vorwiegend in Bern abspielte, ein ganz direkter und auch berechtigter Zusammenhang besteht. Seine Schriften wurden zumeist in Basel, einer nicht nur in buchhändlerischer Hinsicht bedeutenden Stadt der Zeit veröffentlicht; und viele seiner grossen Werke wurden mehrfach aufgelegt, viele wurden in andere Sprachen übersetzt. Dass es nicht nur zur Verbreitung der Schriften, sondern auch zu deren Rezeption kam, steht ausser Zweifel und ist bereits jetzt zu belegen. Abgesehen vom bekannten Hinweis darauf, dass Calvin in seinem eigenen Psalmenkommentar auf ihn lobend hingewiesen hat,28 ist Musculus auch im weiteren Europa zur Kenntnis genommen worden: Seine literarischen Kontakte reichten nach Deutschland und England ebenso wie nach Polen und Ungarn.29 In einem zeitgenössischen Streit, dem sogenannten >Hardenbergschen HändelHolzsparkunst< hat ihn, wie wiederum sein Briefwechsel mit Ambrosius Blarer belegt, ausserordentlich beschäftigt (vgl. T. Schiess (Anm. 33) Bd. 3. S. 375f, 379, 382-385, 406f.); Johannes Haller hingegen fand an ihr in seinem Tagebuch (jedoch: mit welcher zeit-

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che fraglos und wiederholt zu beobachten gab, bezeugt uns der (schmale) Briefwechsel zwischen Wolfgang Musculus und dem durchaus nicht lethargischen Johannes Calvin.

3. »... und es kränkt mich geradezu ...« - oder: Der Briefwechsel mit Calvin Der Briefwechsel zwischen Johannes Calvin und Wolfgang Musculus umfasst insgesamt lediglich sieben Nummern, welche selbstverständlich ausnahmslos in der Briefedition des Corpus Reformatorum wiedergegeben sind.35 Die Verteilung ist so ausgeglichen wie möglich: Musculus hat drei, Calvin vier Briefe verfasst. Zwei der Schreiben fielen in die Augsburger Zeit, in die Jahre 1540 und 1547, die übrigen in die Berner Zeit, wobei aufmerken lässt, dass gleich drei der fünf Schreiben im Jahr 1549 gewechselt wurden. Die beiden letzten datieren von 1554 und 1556 und sind voneinander vollständig unabhängig. Diese schmale Textgrundlage mag zur vorschnellen Annahme verleiten, die Kontakte zwischen den beiden Exponenten gleichzeitig benachbarter wie in grossen Spannungen sich befindlicher Kirchen seien sehr lose gewesen. Dem ist entgegenzuhalten, dass Kontakte durchaus auch auf anderen als der privaten brieflichen Ebene bestanden: Beide haben die Religionsgespräche von Worms und Regensburg 1540 und 1541 besucht (Calvin damals noch als Abgeordneter der Reichsstadt Strassburg) und dort persönliche Bekanntschaft und Freundschaft geschlossen; Calvin hat während Musculus' Berner Jahren dessen Stadt nicht gänzlich meiden können und war mehrmals in Geschäften anwesend; 36 schliesslich verkehrten die beiden brieflich auch insofern, als dass sie als (hervorragende)

35 36

licher Distanz?) wenig Lobenswertes: »Am 16. Juni [1557] fand ein gemeinsames Mittagessen des Rates zu Predigern mit Jakob Funkli statt zur Erprobung der Holzsparkunst. Das Gastmahl gefiel einigen besser als diese Kunst, die sich später als nichtig erwies. Uebrigens hatte diese Kunst wirklich einen gewissen Schein für sich, namentlich, wenn man sie mit schönen Worten, mit kunstvoller Demonstration und Gestikulation herausstrich. Aber da sie keinen Bestand hatte, machte man sich überall darüber lustig.« (E. Bähler (Anm. 5) S. 275). Und schliesslich findet sich bei Bähler doch auch ein Hinweis, dass Musculus' Sorge um sein Einkommen gelegentlich auch die Geduld enger Freunde überstrapazieren konnte: »Er [Musculus] schrieb an Bullinger, damit der Einflussreiche sich in Bern für die Aufbesserung seiner Besoldung verwende. Haller, davon unterrichtet, hielt es aber für geraten, einen Wink an Bullinger abgehen zu lassen, er möchte sich mit seinen Mahnungen an die Berner einige Zurückhaltung auferlegen. Müslin falle mit seinen Klagen und Gesuchen lästig und seine Frau täte besser, ihn nicht zu solchen Schritten zu drängen.« (E. Bähler (Anm. 2) S. 92). Vier davon (die Nummern 899, 1294, 1325 und 2548) hat R. Schwarz (Anm. 28) übersetzt. Vgl. E. Bähler (Anm. 5) S. 260 mit Anm. 62 (27. Februar 1552) und S. 269 (10. März 1555).

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Vertreter der jeweiligen Geistlichkeit für deren offizielle Korrespondenzen massgeblich verantwortlich waren. Und trotzdem: Der eigentliche Briefwechsel widerspiegelt, was die zuständige Sekundärliteratur breit abgestützt bestätigt37 - das Verhältnis zwischen den beiden Theologen war nicht ungetrübt. Das erste aller Schreiben vom 23. Juli 1540 stammt von Musculus und lobt Calvin als hervorragenden Prediger, Professor und Exegeten.38 Ganz nebenbei fällt in diesem ansonsten leichtgewichtigen Schreiben auf, dass Musculus ernsthaft mit einer baldigen Zusammenarbeit mit Calvin gerechnet zu haben scheint; er freut sich darauf, die Freundschaft mit Calvin bald öffentlich bei ihnen, nämlich den Strassburgern, pflegen zu können. Diese Hoffnung hat ihren Grund in der bereits zweiten Rückberufung durch die Strassburger.39 Dass daraus nichts geworden ist, wissen wir: Weder ist Musculus nach Strassburg zurückgekehrt, noch ist Calvin dort geblieben. Bekannter geworden ist der zweite Brief der Reihe: Calvin nimmt in einem Schreiben vom 21. April 1547 mit bewegten Worten Anteil am Unglück der Augsburger Kirche und betont seine besondere Aufmerksamkeit für Musculus allerdings nicht ohne Hintergedanken: Freilich, ich muss gestehen, ich war nur soweit um dein persönliches Wohlergehen besorgt, als ich zugleich lebhaft fiirchtete, du möchtest deine Gemeinde verlassen in der Not, wie es etwa geschieht, wenn alles hoffnungslos verloren ist, oder eher, du möchtest von deiner Herde verlassen dich anders wohin begeben. Denn es ist schwer, in so dichter Finsternis zu sehen, was am besten ist40 Trost einerseits, aber auch Ermahnung ist es, was Calvin hier übermittelt - und Musculus ist den Ratschlägen so lange gefolgt, als es irgend möglich war. Erst 1548 war dann der Moment des Ausweichens gekommen - und dieses führte ab 1549 zu einer Konstellation, welche das Verhältnis zwischen beiden von Grund auf veränderte und prägte. Nun herrschte zwischen beiden nicht mehr freundschaftliche Distanz, und sie waren auch nicht Diener in derselben Kirche; vielmehr trat der wohl schwierigste aller Fälle ein. Musculus war in Bern Professor in den Diensten einer Kirche, welche eine stark an den (zwinglianischen) Grundlagen der Berner Reformation ausgerichtete Lehre und Praxis in einem welschen Untertanengebiet, der Waadt, bis vor die Tore jener Stadt zu erzwingen versuchte, in welcher der leidenschaftliche Johannes Calvin um Durchsetzung einer rechten 37 38 39

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Nochmals: Immer noch am erhellendsten ist C. B. Hundeshagen (Anm. 8) geblieben. CR. Bd. XXXIX. Sp. 60f. (Nr. 225). Das Schreiben des Rates von Strassburg trägt das Datum vom 23. April 1540 und findet sich als Apogr. in Bern, StArch. B III 32. fol. 21 lf. Das lateinische Original findet sich in CR. Bd. XXXX. Sp. 512f. (Nr. 899); die Übersetzung folgt R. Schwarz (Anm. 28) Bd. 1. S. 274 (Nr. 194).

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Kirchenzucht, um die Anerkennung seiner Prädestinationslehre, um Reinheit des Glaubens rang: Genf. Bern und Genf: Damit sind schroffe Gegensätze politischer, religiöser und mentalitätsmässiger Art bezeichnet, welche bis knapp an die Grenzen offenen Kriegszustands rührten. Die drei Briefe des Jahres 1549 widerspiegeln bereits die durch übergeordnete Prinzipien geschaffene Frontstellung zwischen den beiden Freunden. In einem ersten Brief vom 22. Oktober beklagt sich Calvin über die offenbar vor allem von Haller und Musculus betriebene und von der Obrigkeit durchgeführte Abstellung der Pfarrer-Kolloquien in der Waadt und versucht Musculus nicht unfreundlich, aber doch recht selbstsicher von seinem angemessenen Urteil in dieser Sache zu überzeugen: Weil wir aber im vorliegenden Fall hier besser sehen, was gut ist, so glaubte ich, es nicht lassen zu dürfen, Euch zur Heilung des Schadens, solange es noch Zeit ist, zu mahnen,41 In einem zweiten Brief zum selben Thema vom 7. Dezember wird Calvin schärfer, persönlicher und vielleicht auch klarsichtiger: Dass du so heftig gegen alle Pfarrer welscher Zunge herziehst, darin hast du, scheint es mir, deine milde und massvolle Art ganz vergessen. Ebenso wie die schwer fehlen, die mit einer Kreide, wie man sagt, alle weiss färben, ob schuldig oder unschuldig, so ists auch, wenn mit einer Kohle alle angeschwärzt werden; wo bleibt da die Billigkeit?42 Gewiss ist damit nur die eine Seite dargestellt, und gewiss auch haben Haller und Musculus mit dem Temperament der welschen Geistlichkeit ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Haller vermerkt in seinem Tagebuch lakonisch: Ein Grund zur Abschaffung der Kolloquien war auch der, dass man mancherorts sich mehr in die Pokale als in die Schrift vertiefte, und zwar so gründlich, dass die Kolloquien allgemein im Publikum Volloquien genannt wurden,43 Für die Verwunderung seines Kollegen Musculus, der vom 20. März des Jahres an, also noch vor seiner Einsetzung in die Professur, die mehrtägige Synode der welschen Pfarrerschaft besucht hat, hat er alles Verständnis.44 Merkwürdig und vielleicht bezeichnend für die weiteren Jahre bleibt der Brief, den Musculus zwischen den beiden von Calvin an jenen geschrieben hat.45 Mit 41

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43 44

CR. Bd. XLI. Sp. 433f. (Nr. 1294); hier zit. nach R. Schwarz (Anm. 28) Bd. 1. S. 363 (Nr. 281). CR. Bd. XLI. Sp. 490-492 (Nr. 1325), hier zit. nach R. Schwarz (Anm. 28) Bd. 1. S. 372 (Nr. 289). E. Bähler (Anm. 5) S. 255. Vgl. E. Bähler (Anm. 5) S. 248, wo Johannes Haller die Auseinandersetzungen in durchaus kräftigen Farben zu schildern weiss!

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keinem Wort nimmt er darin nämlich auf das von Calvin angeschnittene Thema der Kolloquien Bezug, und sein Schreiben lässt die heikle Nachbarschaft der beiden Städte in keiner Weise erkennen. Die beiden letzten Briefe setzen die Tendenz zur Ausblendung ganz offensichtlich fort. Musculus thematisiert 1554 fast ausschliesslich die Flüchtlinge aus England, weitere Aktualitäten aber fehlen. 46 Calvin schreibt 1556 in seinem Brief zwar ausführlicher, aber doch mit allem Gewicht auf der >AuslandberichterstattungVocationes< betreffen. Im Staatsarchiv liegt unter der Signatur B III 32. fol. 209-252 die eine; ihre Schrift ist ausgesprochen sauber, und ich vermute, dass sie um einiges jünger sein müsste als die zweite, welche in der Burgerbibliothek unter der Signatur Cod. 689 zwischen 2r und 31v vorliegt und aufgrund ihres Schriftbildes als die ältere einzuschätzen ist. Dafür spricht auch die handschriftliche Bemerkung in der ersten Sammlung, wonach diese eine Abschrift von in der Stadtbibliothek befindlichen Originalen sei. Diese Feststellung ist in einer Hinsicht ohne Zweifel falsch (auch die Dokumente der Stadtbibliothek - die heute, soweit es sich um Handschriften handelt, in den Besitz und die Pflege der Burgerbibliothek übergegangen sind - sind lediglich Abschriften), andererseits wohl korrekt (die Sammlung der Burgerbibliothek war Vorlage). Die Originale selber sind teilweise anderswo zu finden, teilweise verloren; einige Schreiben sind publiziert worden. Ich hoffe, innerhalb nützlicher Frist eine ausfuhrlichere Arbeit zu den Berufungsschreiben vorlegen zu können. Eine Berufung aus Polen ist mir bisher ausser durch den indirekten Hinweis aus Hallers Tagebuch unbekannt, und über Andeutungen bezüglich einer Berufung nach Basel bin ich unverhofft durch die Lektüre eines Briefes von Wolfgang Musculus (Bern, 5. Januar 1553) an Sebastian Lepusculus (Apogr. in Bern, StArch. B III 38. fol. 823) gestolpert. Auch Bähler deutet die Basler Berufung an (»Diesem Ruf wäre er vielleicht am liebsten gefolgt [...]«) allerdings in einem anderen Jahr und nur mit vagen Hinweisen auf schriftliche Belege (vgl. E. Bähler (Anm. 2) S. 95). Zumindest in Bern existiert keine Abschrift einer allfälligen Antwort auf die Berufung nach England 1551; von den insgesamt vier Schreiben im Zusammenhang mit der Berufung nach

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Z w e i t e n s : Die Berner Berufung war die erste und letzte, welche unter ganz grossem Druck auf b e i d e n beteiligten Seiten erfolgte. Nicht nur war Bern auf einen fähigen Theologen angewiesen, sondern auch Musculus suchte ganz dringend Arbeit. Die beiden kurzen Schreiben, die zwischen Bern und ihm in dieser Sache gewechselt wurden,60 eröffnen nicht ein Gespräch, sondern schliessen eine lange Zeit der Vorsondierung ab.61 Es war Musculus schlichtweg nicht möglich, das Angebot abzulehnen. D r i t t e n s : Die Stellung des Musculus in Bern scheint nicht vollständig unumstritten und unproblematisch gewesen zu sein. Im Frühjahr 1552 wird im Berner Rat auf Musculus' eigene Anfrage hin die ergangene Berufung aus Augsburg verhandelt, und man ist sich durchaus uneins; nur ein Teil der Mitglieder rät ihm, sämtliche verfügbaren Ausreden gegen einen Stellenwechsel anzubringen.62 In einem recht vertraulichen Schreiben an seinen Freund, den Arzt Gereon Sailer (gest. 1562), im Kontext der Berufung nach Lauingen im Jahr 1554 deutet Musculus in ganz vager Weise Spannungen an: alia sunt incommoda, quae me premunt.63 In dieselbe Stossrichtung weist eine Bemerkung in einem Brief von Valentin Paceus an den Bischof Julius Pflug (1499-1564) aus dem Jahr 1557, wo wiederum unkommentiert vermerkt wird: Wolfgang Musculus Bernae tractatur indigne.64 V i e r t e n s : Es gibt Anzeichen dafür, dass Musculus nicht jedes Scheitern einer Berufung gleichermassen lieb war. Seine Ablehnung der Augsburger Berufung im Jahr 1552 ist Frucht eines längeren Prozesses des Abwägens und bleibt vorläufig;65 den Eindruck eines gewissen Schwankens verstärkt die Tatsache, dass Musculus eigens seinen Rat befragt hatte. Und zwei Jahre später schrieb er im bereits erwähnten Brief an Sailer, die Schlechtigkeit seines Gegners Johannes Flinner (1520-1578) habe nicht nur erreicht, dass er nicht nach Augsburg zurückberufen worden sei, sondern dass Graf Ottheinrich (1502-1559) ihm gegenüber nun feind-

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Lauingen 1554 fehlt eine Antwort, und einer der Briefe wurde eindeutig nie beantwortet; eine erste Anfrage aus Hessen 1553 wurde zwar eindeutig beantwortet, jedoch liegt davon kein Apograph vor. Bern, StArch. B III 32. fol. 215f. Vgl. dazu E. Bähler (Anm. 2) S. 80-90. Musculus hält die Ratsmeinungen, die ihm von Schultheiss Hans Franz Nägelin (um 1500-1579) übermittelt worden sind, schriftlich fest: Bern, StArch. B III 32. fol. 220. F. Roth (Anm. 34) S. 239. Valentin Paceus (Leipzig, 8. Januar 1557) an Julius Pflug, zu finden in Julius Pflug. Correspondence. Hg. v. Jacques V. Pollet. Leiden 1979. Bd. 4. S. 256f. Vgl. dazu das g a n z e Antwortschreiben des Musculus (Bem, 29. April 1552) nach Augsburg (J. G. Schelhorn (Anm. 12) S. 639-643) sowie unten die Anm. 67.

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licher sei als für die laufende Berufungsverhandlung zuträglich sein könne. 66 Sein Antwortschreiben an die Augsburger im Jahr 155267 und vielleicht auch das Drängen seiner Frau68 zeigen, dass Augsburg im Hause Musculus ein ernsthaftes Thema für lange Zeit geblieben ist. F ü n f t e n s : Bisher ist offenbar stets ausser acht gelassen worden, dass die Berufungen auch in ihrer Zielrichtung durchaus heterogen waren. Während Bern 1549 ausdrücklich einen >Professor Theologiae< gesucht hatte,69 war es den Augsburgern 1552 um einen Prädikanten zu tun;70 Ottheinrich begehrte im selben Jahr einen Diener des Wortes Gottes für Neuburg zu gewinnen,71 Ulrich Chelius (um 1500-1558) machte sich für Strassburg nur wenig später auf die Suche nach einem Nachfolger für den verstorbenen Kaspar Hedio (1494-1552), der sowohl Predigt wie Ausbildung übernehmen könnte;72 Jacob Herbrot (um 1493-1564) stellte Musculus 1554 schliesslich gar die Stelle eines Superintendenten in Aussicht.73 Nur die erste Berufung der Berner Zeit bot einigermassen genau das an, was Musculus in Bern inzwischen gefunden hatte: Johannes Sleidanus (1505-1556) rief ihn am 18. August 1551 in die Nachfolge des verstorbenen Bucer und damit auf die Stelle eines Lektors der Heiligen Schrift. 74 Es muss vorläufig offen bleiben, ob auf Musculus die verschiedenen Berufungen allenfalls auch unterschiedliche Faszination ausgeübt haben. Denkbar ist immerhin, dass er ganz einfach Lehrer, Exeget und Systematiker sein und bleiben wollte. Schade, dass mir seine Antwort an Sleidanus bisher nicht zugänglich ist! S e c h s t e n s : Insbesondere die Briefe im Zusammenhang mit der Berufung nach Lauingen zeigen an, dass auch im engeren Sinne theologische Fragen bei Entscheidungen des Musculus eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben; 66 67

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F. Roth (Anm. 34) S. 238. ... wann aber [und dann folgen kirchliche Bedingungen ...], wüsste ich kein grösser Freud auf dieser Welt zu erleben, dann das ich wiederum solte, so mir Gott Gesundheit verliehe, Christo Jesu unserm Herren bey euch dienen, und mein Alter bey euch enden, auch mein Weib und Kinder wiederum zu euch bringen, were auch guter Hoffnung, es solte ein Kirch und Statt von Augspurg mein hinfort an wie bisher weder Schaden noch Schand haben. Zit. nach J. G. Schelhom (Anm. 12) S. 642. Das Wyb hat in übel vexiert, die war gern hinus. - so zitiert E. Bähler (Anm. 2) S. 95 eine Stimme, die er zwar belegt, aber leider nicht benennt. Vgl. Anm. 60. Vgl. J. G. Schelhom (Anm. 12) S. 638 oder Bern, StArch. B III 32. fol. 218. Ottheinrich (Augsburg, 5. Juni 1552) an Musculus; Apogr. in Bem, StArch. B III 32. fol. 224. Ulrich Chelius (Strassburg, 4. Dezember 1552) an Musculus; Apogr. in Bem, StArch. B III 32. fol. 227. Jacob Herbrot (Augsburg, Montag nach Palmsonntag 1554) an Musculus; Apogr. in Bern, StArch. B III 32. fol. 236. Johannes Sleidanus (Strassburg, 18. August 1551) an Musculus; Apogr. in Bern, StArch. B III 32. fol. 217.

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in diesen Antwortschreiben wie nirgendwo sonst bekannte Musculus Farbe. In Lauingen war mit dem Einverständnis des Grafen Ottheinrich eine neue Kirchenordnung in Kraft gesetzt worden, die Musculus zugestellt erhielt; die dazugehörigen Kommentare seiner Briefpartner jedoch sind durchaus unterschiedlich. Jacob Herbrot, der Politiker, meinte: Sende Eüch hiemit unser Kirchen Ordnung, derselbigen gemäs müest sich, doch ungefarlich, darnach gehalten werden [...] da ist gut raht zu.15

Der Arzt Gereon Sailer hingegen schwächte ab: Mittimus ordinationem Ecclesiae, quae te non debebit terrere, nam neque Michael neque Ehingerus nec major et saniorpars huic vivit [.. .]76 Hier nun reagierte Musculus seinem Stand und Ruf entsprechend; gegenüber Jacob Herbrot hielt er in einem ausführlichen deutschen Schreiben in insgesamt sieben Punkten die theologischen Gründe für seine Ablehnung fest.77 Er wandte sich gegen den Brauch, die kleinen Kinder anlässlich der Taufe gleichsam als mündige Christen zu behandeln; er wandte sich gegen die lutherische Abendmahlslehre, gegen die Privatabsolution, gegen zu häufige Abendmahlsfeiern abseits der Gemeinde, gegen Heiligen- und Engelfeste, gegen lateinischsprachige Gottesdienstformen und schliesslich gegen die Wiedereinführung der liturgischen Gewänder (bemerkenswerterweise wies er an dieser Stelle darauf hin, dass er Martin Luther (1483-1546) selbst während ihres Zusammentreffens im Frühjahr 1536 ohne Chorrock habe predigen sehen). Ähnlich deutlich und abschliessend begründete er seine Absage am selben Tag gegenüber Sailer: at haec omnia insunt isti reformationi, quam nec probavi antea, nec porro sum probaturus.n Insgesamt zeigt es sich, dass die verschiedenen Berufungen bei einer eingehenderen als nur hagiographischen Betrachtung durchaus differenziertes Licht mit den entsprechenden Schatten auf die Persönlichkeit des Wolfgang Musculus werfen können. Diese Quellen bedürfen künftig, wie andere auch, der sorgfältigen Beachtung.

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Jacob Herbrot (Augsburg, Montag nach Palmsonntag 1554) an Wolfgang Musculus; Apogr. in Bern, StArch. B III 32. fol. 235. Gereon Saxler (Augsburg, 19. März 1554) an Wolfgang Musculus; Apogr. in Bern, StArch. B III 32. fol. 233. Wolfgang Musculus (Bern, 26. April 1554) an Jacob Herbrot; Apogr. in Bern, StArch. B III 32. fol. 238-243. F. Roth (Anm. 34) S. 239.

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5. »Ohne (wünschenswerten) Forschungen vorzugreifen ...« - oder: Offene Fragen Gerade vor diesem Forum braucht es wohl kaum betont zu werden: Wolfgang Musculus ist in weiten Teilen seines Lebens und Werks eine noch zu entdeckende Persönlichkeit - das gilt auch und in vielleicht noch erhöhtem Masse von seiner Berner Zeit. Es bietet sich zur Weiterarbeit einiges an. Einmal wird eine intensivere Bearbeitung von Musculus' reichem B r i e f w e c h s e l manches erhellen können, was jetzt noch von der glatten Darstellung der Vita verdeckt ist. Bisher habe ich etwas über dreihundert Schreiben von Wolfgang Musculus orten können; und es erstaunt kaum, dass rund zwei Drittel davon in die Berner Zeit fallen; auch von den ungefähr 140 Briefen an ihn ist gut die Hälfte nach Bern gerichtet. Einfach ist die Suche nach Briefen allerdings nicht. Mit Ausnahme der Sammlung von mehreren hundert Originalbriefen an Wolfgang Musculus und dessen Sohn Abraham, welche in der Stadtbibliothek von Zofingen aufbewahrt wird,79 sind Spuren buchstäblich überall verstreut und gelegt. Für alle Hinweise bin ich dankbar, und ich möchte versuchen, innert nützlicher Frist eine erste Auflistung des Briefwechsels von Musculus auch öffentlich zugänglich zu machen. Zum anderen wird es für die weitere und präzisere Beschäftigung mit Musculus notwendig sein, die im Druck vorliegenden Schriften sorgfältig auf Mitteilungen hin abzuhören, welche über das jeweilige unmittelbare Thema hinaus Hinweise auf seinen Lebenshintergrund geben. Vorworte, Dedikationsepisteln und ähnliche Texte, aber auch Kommentare zu einschlägigen Bibelstellen werden, soviel darf jetzt schon gesagt werden, reichen Ertrag bringen. Schliesslich aber gilt es mit Blickrichtung auf die bernische Forschung festzuhalten, dass die Zeit der kirchlichen Konsolidierung, welche man mit guten Gründen mit den späten vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts anheben 79

Es handelt sich dabei um eine ebenso kostbare als auch merkwürdig punktuelle Sammlung, welche Stücke von so bedeutenden Zeitgenossen wie Huldrych Zwingli (1484-1531), Desiderius Erasmus (1469-1536), Johannes Calvin, Heinrich Bullinger, Philipp Melanchthon (1497-1560) und Martin Luther enthält. Merkwürdig bleibt die scheinbare Zufälligkeit der Sammlung: Die Übersicht über die bisher bekannten Schreiben im Briefwechsel des Musculus zeigt, dass keine der umfangreicheren Briefbeziehungen in die Sammlung der »Humanistenbriefe« vollständig aufgenommen worden wäre (vgl. dazu auch Beat R. Jenny: Manus Erasmi. Die autographen Briefe des Erasmus in der Schweiz: Beiträge zu einer Geschichte ihrer Überlieferung. In: La correspondance d'Erasme et l'épistolographie humaniste. Hg. v. der Université libre de Bruxelles/Vrije universiteit Brüssel (Travaux de l'Institut Interuniversitaire pour l'étude de la Renaissance et de l'Humanisme. Bd. VIII). Bruxelles 1985 S. 37-53; hier S. 44). - Knappe Hinweise zur Sammlung und zu den Sammlern bietet Rudolf Weber: Wolfgang und Abraham Musculus. Die Sammlung der Zofinger Humanistenbriefe. In: Zofinger Neujahrsblatt. 69. 1984. S. 7-19.

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lassen könnte (ich nenne als Stichworte dazu das Ende der Auseinandersetzung zwischen Luthertum und Zwinglianismus, den Consensus Tigurinus und nicht zuletzt die Berufungen Hallers und Musculus'), bisher deutlich vernachlässigt worden ist. Die beste und ausfuhrlichste Darstellung wird übermorgen genau 154 Jahre und drei Monate alt sein.80 Wer sich mit der Berner Zeit von Wolfgang Musculus beschäftigen will, kommt um grundsätzliche Forschungsarbeiten zur allgemeineren bernischen Kirchengeschichte nicht herum.

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S.o. Anm. 8

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After the defeat of the Schmalkaldic League in 1547 and the imposition of the provisions of the Augsburg Interim, Protestant ministers in the cities of south Germany faced a difficult choice: swear an oath of allegiance to the Interim or leave. When the city of Augsburg accepted the terms of the Interim on June 26, 1548, Wolfgang Musculus, one of the principal reformers of the city, left in disguise and headed toward Switzerland. Musculus had worked in Augsburg for seventeen years, acquiring his ministerial post due to the mediating efforts of his mentor in Strasbourg, Martin Bucer. But now, like so many other south German ministers, Musculus was reduced to the status of a refugee; and like many of these exiled ministers, Musculus made his way to Zurich, where Heinrich Bullinger offered a place of refuge. 1 During his time in Zurich, Musculus was understandably anxious for employment. His financial situation had deteriorated and he had a wife and eight children to support. He received an invitation from the archbishop of Canterbury, Thomas Cranmer, to assume a pastoral position for German-speaking refugees in London, but Musculus declined the offer, pleading his age (he was fifty) and the illness of his wife. He was hopeful that an invitation might come from the city of Bern, The principal source of biographical information on Musculus is the biography written by his son Abraham Musculus (1534-1591): Historia vitae et obitus clarissimi theologi D. Wolfgangi Musculi Dusani, S. Litterarum apud Bemates professoris, per Abrahamum Musculum filium, pietatis ergo scripta. In: ZYNO*PIZ Festalium Concionum, authore D. Wolfgango Musculo Dusano. Basel 1595. P. 1-55. There are two nineteenth-century biographies, both heavily dependent on the biography of Abraham Musculus: Ludwig Grote: Wolfgang Musculus, ein biographischer Versuch. Hamburg 1855; Wilhelm Theodor Streuber: Wolfgang Musculus oder Müslin. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. In: Bemer Taschenbuch auf das Jahr 1860. 9. 1860. P. 1-79. The most recent study is that of Rudolf Dellsperger: Wolfgang Musculus (1497-1563). In: Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 und ihr Umfeld. Ed. by Reinhard Schwarz. Gütersloh 1988. P. 91-110.

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where his former colleague in Augsburg, Johannes Haller, was attempting to persuade the authorities to offer Musculus a professorial position. The offer finally came, but not without some serious reservations. There were many in Bern who were suspicious of Musculus, regarding him as a crypto-Lutheran. 2 Not only had Musculus signed the Wittenberg Concord of 1536, he had also written on the Lord's Supper in a way that seemed unfriendly to the Swiss understanding. Bullinger had to intercede for Musculus, informing the Bernese that Musculus had come to a more proper understanding of the Eucharist. 3 But the Bern council would require a statement from Musculus himself to explain his views. This confessional statement was submitted in early 1549, shortly before the Council formally called Musculus to teach Bible and theology in Bern, where he stayed until his death in 1563.4 Musculus's >Confession< has been regarded by some scholars as a retraction of his earlier views on the Supper, views that were formed by his association with the mediating efforts of Martin Bucer and the resulting Wittenberg Concord of 1536.5 Disappointed by the failure of the Swiss to embrace the Concord, and encouraged by Bullinger to moderate his position, Musculus supposedly returned to his earlier, more Zwinglian understanding of the Supper. Be that as it may, in the >Confession< itself Musculus does not admit that he has changed his mind. Rather, he argues that he has been misunderstood by people who have not read his writings carefully enough. Although the circumstances surrounding Musculus's search for employment in Bern seem to suggest that he may have changed his views regarding the Supper, I want to argue that Musculus may indeed be partially correct in asserting that his earlier views were misunderstood by his opponents. If we examine his >Confession< of 1549 in the context of his earlier exegetical writings, specifically his commentaries on Matthew and John, it becomes clear that Musculus employed technical language regarding the nature of Christ's eucharistic presence that was inherently ambiguous and subject to misinterpretation. And if we examine his writings after the >ConfessionLoci 2

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Rudolf Weber: Wolfgang und Abraham Musculus: Die Sammler der Zofmger Humanistenbriefe. In: Zofinger Neujahrsblatt. 69. 1984. P. 5-19, here p. 14. R. Dellsperger (note 1) p.tl04. W. T. Streuber (note 1) p. 68. De Sacramento Corporis et Sanguinis Dominici, Confessio Wolfg. Musculi. In: l Y N O T I I (note 1) p. 56-59. The confession is also printed in CR. 41. Col. 204-206. Although the dating of the confession is uncertain, it was certainly submitted to the Bern council before Musculus was confirmed on 9 February 1549. L. Grote (note 1) p. 136-139; W. T. Streuber (note 1) p. 68-69; Paul Josiah Schwab: The Attitude of Wolfgang Musculus toward Religious Tolerance. New Haven 1933. P. 10: »Relative to the Supper, he at first accepted Bucer's mediating interpretation, but later arrived at the Reformed position.«.

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communes Loci< erschienen sind, die letzte davon 1599 als Teilband der Ausgabe der gesammelten Werke.12 Hinsichtlich des Textes hat sich in diesen fünf Ausgaben nie etwas geändert. Lediglich angedeutet wurde in der Edition von 1599, der >editio ultimaLoci< läßt Musculus keine Zweifel aufkommen. Schon der Titel des Buches deutet an, daß der Berner Professor mit 10

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Verum de tot hoc nominis Dei abusu, qui iurando, peierando, deierando, execrando, ac male imprecando admittitur, videantur quae Commentariis nostris super Psalmos appendicis vice adiecimus. Loci communes (Anm. 3) S. 83. So schreibt Musculus beispielsweise im 1561 erschienenen Kommentar zum Epheserbrief, als die Erwählung zur Sprache kommt: Quoniam autem de ilio in Locis nostris diximus, non est ut hic denuo de eo operosius annotemus, nisi quatenus praesens textus poscit. In Epistolam Apostoli Pauli ad Ephesios [...] Basel 1561. S. 6. Diese Angaben sind neuerdings sachte zu modifizieren: vgl. die Bibliographie von M. van Wijnkoop Lüthi (Anm. 3). Adiectus est etiam rerum & verborum memorabilium, multo quam antea copiosior index. Loci communes 1599 (Anm. 3) Praefatio ad lectorem.

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diesen >Loci< ein Handbuch zur Ausbildung von Theologiestudenten bieten will,14 was im Vorwort nochmals ausfuhrlich bestätigt wird.15 Aber auch andere, die sich in der wahren Frömmigkeit (>vera pietasLoci< mit kritischem Blick zu lesen, denn alles in allem ist dieses Werk nicht mehr als eine Zusammenfassung, die im Vergleich mit der Schrift geprüft werden muß.19 Daß es sich dabei nicht nur um ein dogmatisches Handbuch handelt, wird daraus deutlich, daß die >Loci< auch eine vollständige Ethik und eine ausführliche Homiletik enthalten.

Struktur Die Struktur der >Loci< zeigt Übereinstimmungen sowohl mit den >Loci< von Melanchthon als auch mit Bullingers >HausbuchLoci< macht deutlich, daß Musculus sich vor allem der Ausgabe von 1543 anschließt. In dieser Edition sind nämlich zwei loci besonders auffällig, und zwar das Kapitel über die Bewertung der Tradition und der Locus über die Verfolgung wegen des Glaubens. Diese Kapitel finden wir bei Melanchthon nicht in der Edition von 1533 und auch nicht in der auf die Ausgabe von 1543 folgenden und letzten Ausgabe des Jahres 1559. Hingegen finden wir >loci< mit diesem Titel und Inhalt schon in Musculus' >LociLoci< erst 1560 veröffentlicht wurden, er aber bereits seit 1549 an ihnen gearbeitet hat, liegt es auf der Hand anzunehmen, daß er für die Struktur Melanchthons Edition von 1543 verwendet hatte. Wenn Musculus zuweilen auf Melanchthons >Loci posteriores< hinweist, meint er möglicherweise diese Ausgabe im Unterschied zur Ausgabe von 1529. Bei einem Vergleich mit einigen anderen zeitgenössischen protestantischen Handbüchern fallen einige beachtenswerte Unterschiede auf. So fehlt in Musculus' >Loci< jede Art von Prolegomena. Bullinger beginnt mit einem Kapitel über die heilige Schrift als Erkenntnisquelle der in seinem Buch beschriebenen Lehre. Bei Musculus wird die Schriftfrage erst nach 200 Seiten aufgeworfen. Bemerkenswert sind hier auch die bereits erwähnten einzelnen loci über Unterdrückung und Ver17 18 19

Loci communes (Anm. 3) S. 20. W. Maurer (Anm. 9) S. 22. [...] cautione tarnen in legendis Locis communibus opus esse iudicamus. Loci communes (Anm. 3) Praefatio.

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folgung wegen des Glaubens. 20 Vielleicht hängt es mit Musculus' persönlichen Erfahrungen zusammen, daß er es für nötig hält, derartige Themen eigens zu behandeln. Inhaltlich-theologische Implikationen birgt möglicherweise die Tatsache, daß Erwählung und Verwerfung erst nach >De fide< behandelt werden und nicht bereits im Rahmen der Gotteslehre. Musculus schreibt ausdrücklich, daß die Reihenfolge der Themen vom Stoff selber bestimmt wird, dann aber auch von der Aktualität, das heißt von Dingen, die in seiner Zeit zur Diskussion stehen.21 Das Inhaltsverzeichnis macht deutlich, daß die Struktur sowohl von der Heilsordnung als auch von der Heilsgeschichte geprägt ist. Zu Beginn ist die Reihenfolge heilsgeschichtlich, aber nach der Besprechung des Gnadenbundes fährt die Behandlung im Sinne des >ordo salutis< fort. Die Aktualität zeigt sich nicht so sehr in der Reihenfolge als vielmehr im Ausmaß, in dem bestimmte Themen behandelt werden. Die >Loci< beginnen mit dem dreieinigen Gott und seinen Werken, wobei besonders auf die Bedeutung der Schöpfung hingewiesen wird. Der Kreation des Menschen geht der Fall der Engel voraus. Im Zusammenhang mit dem Sündenfall wird nicht nur die Sünde, sondern auch der freie Wille besprochen. Darauf folgt die Behandlung des Gesetzes und des Bundes. Die Gnade Gottes läuft auf den Entschluß zur Erlösung hinaus, und dieser Entschluß macht die Inkarnation erforderlich. Dieses Evangelium wird in der Heiligen Schrift beschrieben, und die Gestalt, in welcher das Evangelium zu den Menschen kommt, ist der Dienst am Wort. Als Folge der Verkündigung entsteht der Glaube. Resultate des Glaubens sind Buße, Rechtfertigung, gute Werke und Vergebung der Sünden. Diejenigen, die zu diesem Glauben gekommen sind, bilden zusammen die Kirche. In der Kirche werden die Sakramente gespendet und findet die Verehrung Gottes statt. Gleichsam als Anhang folgen noch Kapitel über Ketzerei, Schisma und Obrigkeit. Sehr ungewöhnlich ist, daß Musculus an scheinbar willkürlicher Stelle, nämlich vor dem Locus >De haeresiDe DeoDe afflictionibusDe persecutionibusLoci< befassen. Im Hinblick auf den Umfang der Glaubenslehre des Musculus ist es kein einfaches Unterfangen, den Inhalt in Kurzfassung wiederzugeben, weshalb wir uns mit der Erörterung einiger Charakteristika begnügen müssen. Im Locus >De Deo< unterscheidet Musculus drei Arten der Offenbarung Gottes am Menschen. Zuallererst gibt es eine sehr allgemeine Art der Offenbarung, und zwar die Offenbarung in Gottes Werken. Zweitens offenbart sich Gott auf besonderere Weise in seinem Sprechen. Die dritte Art der Offenbarung ist die speziellste, nämlich die Offenbarung durch die verborgene Wirkung seines Heiligen Geistes.24 Die beiden ersten Formen sind allen Menschen zugänglich, weshalb jedem Menschen jede Entschuldigung aufgrund von Unwissenheit genommen ist. Die dritte Art hingegen ist deshalb so speziell, weil sie nur den Erwählten zuteil wird. Wenn im folgenden gefragt wird, wer und was Gott ist, verhält Musculus sich sehr zurückhaltend. Wer sind wir endliche Menschen, daß wir uns mit der Unendlichkeit Gottes befassen könnten? Seiner Meinung nach ist es denn auch leichter auszusagen, was Gott nicht ist.25 Auch Musculus behandelt nach Gottes Wissen das Wissen des Menschen. Im Unterschied zu Calvin, der diese beiden Erkenntnisformen auf synthetische Weise direkt aufeinander bezieht und beide als ineinandergreifend sieht, widmet Musculus mehr analytisch jeder Form eine eigenständige Behandlung. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch tritt auf existentielle Weise bei der Frage nach der

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Wolfgang Musculus: In decalogum praeceptorum Dei Explanatio. Basel 1553. Loci communes (Anm. 3) S. 191. Tertia specialissima est, quae sit spirando secretius. Loci communes (Anm. 3) S. 2. Zu Musculus' Ansicht über das Verhältnis zwischen natürlicher und offenbarter Gotteskenntnis vgl. Richard A. Muller: Post-Reformation Dogmatics. Grand Rapids 1987. Vol. 1. S. 69f, 179-181.

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Sünde zutage: Quo consilio Deus hominem peccare permiserit?16 Die Antwort auf diese Frage erhält Musculus, indem er - unter Übergehung müßiger Fragen 27 - die biblischen Angaben in einer fortlaufenden Reihe auffuhrt. Gott will die Erwählten durch seinen Sohn zum himmlischen Leben bringen, und es ergibt sich, daß diese Gnade am klarsten offenbar wird, wenn dazu der Weg von Fall und Erlösung betreten wird. Dennoch soll deutlich werden, daß der Sündenfall nicht auf Gottes Konto geht.28 Interessant ist die Lokalisierung des Gesetzes. Kenntnis des Gesetzes ist notwendig, um Christus kennen zu können.29 Zugleich ist auch wahr, daß wir, als Folge der Kenntnis Christi, aus Liebe zu Gott in Gehorsam gegen Gottes Gesetz zu leben beginnen. So ist ein und dasselbe Gesetz Quelle der Sündenkenntnis, Wegweiser auf Christus hin und Anweisung für ein christliches Leben. Für Musculus wird das Verhältnis zwischen Gott und Mensch von der Liebe bestimmt. Ausdrücklich weist Musculus darauf hin, daß Gott Gefühle hat und daher kein starrer Gott ist. Mit dieser Aussage will er sich nachdrücklich vom aristotelischen Gottesbild distanzieren. 30 Der Zorn Gottes entspringt seiner Liebe, und das gilt zugleich auch von seiner Gnade. Infolgedessen besteht der Glaube, als Reaktion auf diese Gnade, im Liebhaben Gottes.31 Die Liebe zu Gott kommt zum Ausdruck im Erfüllen seiner Gebote. Sünde wird demzufolge qualifiziert als alles, was der Liebe zu Gott und zum Nächsten widerspricht.32 Übrigens gelangt Musculus unter Benützung der bekannten scholastischen Unterscheidung zwischen Todsünden und lässlichen Sünden zu einer neuen Zuteilung: Die >electi< sündigen >venialereprobi< >mortaleDe Lege< geht Musculus auf die Frage ein, ob auch solche Worte der Schrift Gesetzeskraft haben, die nicht buchstäblich als Gesetz bezeichnet werden.35 Konkret nennt er als Beispiel die Frage, ob das Gebot, daß der Mensch sich vermehren solle, zugleich ein Verbot des Zölibats bedeutet. Es erregt keine Verwunderung, daß jemand, der mit dem klösterlichen Leben gebrochen und in seiner Ehe mindestens acht Kinder gezeugt hat, diese Frage eindeutig bejaht! Weil das Gesetz zum Bund gehört, beschäftigt sich Musculus direkt nach der Behandlung der Zehn Gebote mit den biblischen Gegebenheiten bezüglich des Gnadenbunds. Musculus' Bundeslehre wurde öfters Aufmerksamkeit geschenkt, dennoch fehlt immer noch eine Monographie über seine Auffassungen zu diesem wichtigen Thema.36 Er beginnt mit der Aussage, es sei bestürzend für den Menschen,37 daß dieser majestätische Gott sich uns Menschen verbinden und sogar verpflichten will. Der einzige Grund hierfür, den Musculus sich vorstellen kann, ist der, daß Gott will, daß wir Ihn deswegen von Herzen annehmen und den Bund niemals durch Unglauben oder Undankbarkeit ungültig machen sollen. Der Bund zwischen Gott und den Gläubigen ist gekennzeichnet durch die Liebe, weshalb Musculus ihn mit der Ehe vergleicht.38 Die Originalität39 dieser Bundeslehre liegt in der Konzipierung des Unterschiedes zwischen dem >foedus generale< und dem >foedus specialem Erstgenanntes ist der Bund, wie er in Gen 9 beschrieben wird, ein Bund, der die ganze Schöpfung, Mensch, Tier und Natur umfaßt.40 Dieser Bund garantiert uns den Fortgang von Tag und Nacht, den Wechsel der Jahreszeiten, kurz: Gottes Sorge für die ganze Wirklichkeit. Damit verbindet Musculus die Ermahnung, es sei wegen dieser Sorge Gottes undankbar, die Gaben des zeitlichen Lebens zu verschmähen. Das zweite ist der Bund mit Abraham, das heißt mit dem geistlichen Samen Abrahams: Der besondere und ewigwährende Bund ist der Bund, womit Gott die

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Loci communes (Anm. 3) S. 88-103. [...] quid vetat Ulis adscribere vim legis? Loci communes (Anm. 3) S. 47. Gottlob Schrenk: Gottesreich und Bund im älteren Protestantismus vornehmlich bei Johannes Coccejus. Gütersloh 1923 (Nachdr. Gießen 1985); O. Ritsehl (Anm. 1) S. 415f; Stephen Strehle: Calvinism, federalism and scholasticism. A study of the reformed doctrine of covenant. Bern, Frankfurt am Main, New York 1988. S. 157f. Stupendumplane est [...] Loci communes (Anm. 3) S. 179. Loci communes (Anm. 3) S. 60, 70, 72. G. Schrenk (Anm. 36) S. 50 rechnet Musculus in dieser Angelegenheit zu den »Nachfolgerin] Bullingers«, ohne jedoch eine Begründung für diese Aussage zu geben. [...] cum universa hac terrae machina. Loci communes (Anm. 3) S. 179.

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Auserwählten und Gläubigen gewürdigt hat, indem er sie heiligt.41 Das Besondere dieses Bundes besteht also in der Beschränkung auf die >electi ac credentesduplexnotae ecclesiae< nennt, bilden die ersten beiden keine Überraschung: >pura doctrina< und >legitimum usus sacramentorumunitas ecclesiae< und >catholicus consensusnotae< paßt auch die schroffe Ablehnung jeder Kirchenspaltung, wodurch das geschieden wird, was Gott zusammengefügt hat44. Jeder Gläubige verlangt danach, in einer Kirche mit diesen Kennzeichen zu leben.45 Übrigens: Wer Musculus' Lehrmeister Martin Bucer kennt und zugleich Musculus' Beitrag zu den Religionsgesprächen bedenkt, wird sich über diese >notae< nicht wundern. Außerdem sind diese Kennzeichnen der Auffassung Musculus', daß die Kirche nur aus Erwählten besteht, nicht zuwider.46 Es gibt zwar auch >reprobi< in der Kirche, aber sie haben eigentlich keinen Anteil an der Kirche. Als einer der ersten protestantischen Theologen befaßt sich Musculus systematisch mit den Fragen zur Autorität der Heiligen Schrift.47 Die absolute Autorität der Bibel wird von ihm anerkannt, ohne daß er in eine biblizistische Inspirations-

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Semen autem Abrahae sunt non modo Israelitae secundum carnem, si sint fideles, sed & omnes illi qui ex gentibus sunt credentibus in Christum, et ad vitam eternam electi. Loci communes (Anm. 3) S. 179. Loci communes (Anm. 3) S. 183. G. Schrenk (Anm. 36) S. 50 weist darauf hin, daß der ungarische Reformator Szegedi-Kis Musculus' Formulierungen übernimmt - in seinen Theologiae sincerae loci communes. Basel 1585. Loci communes (Anm. 3) S. 792. Quis non cupiat in ea vivere Ecclesia, in qua pure doceatur, sacramenta rite usurpentur, unitas fidelium in charitate ac pace servetur, et catholicus cum fidei tum intelligentiae consensus cum omnibus veris fidelibus toto terrarum orbe dispersis custodiatur? Loci communes (Anm. 3) S. 385. Seeberg hingegen sieht hier einen Widerspruch; vgl. Reinhold Seeberg: Der Begriff der christlichen Kirche. Erlangen 1885. 1. Teil. S. 159f. Zu der Bedeutung der Loci für die Geschichte der protestantischen Schriftauslegung vgl. R. A. Muller (Anm. 25) Vol. 2. S. 363-367.

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theorie verfällt. 48 Die Kenntnis der biblischen Sprachen ist unentbehrlich, und Musculus läßt sich die Chance nicht nehmen, mit bissiger Ironie Kritik an den mangelhaften Sprachkenntnissen vieler Geistlichen zu üben.49 Zugleich widmet Musculus dem Umgang mit der Bibel hohe Aufmerksamkeit, wobei sein Plädoyer für persönliches und gemeinsames Bibelstudium ins Auge fällt. Das Lesen der Bibel ist gut zur Unterhaltung und zur Erholung. So könnte man sagen, daß die Bibel für Musculus ein >Naherholungsgebiet< ist. Musculus spricht vom Bibellesen als vom >paradisus sacrorum scripturarumhortus< hört man Gottes Wort und kann ein Mensch sich mit den Propheten und mit Christus selber unterhalten. Zugleich schlägt er vor, bei der Bibellektüre zu Tisch, das heißt bei der Mahlzeit, die >lectio continua< zu pflegen. 50 Der Behandlung des Wortes Gottes schließt sich das Kapitel über den Dienst und die Diener am Wort an. Es ist auffallend, wieviel Aufmerksamkeit dem Zölibat gewidmet wird. Schrift und Kirchenväter kommen zu Wort, und Musculus verweilt längere Zeit bei der Frage, wie es soweit kommen konnte, daß Diener verpflichtet wurden, unverheiratet zu bleiben.51 Wo Musculus auf die Anforderungen, welchen man entsprechen muß, um Pfarrer zu werden, eingeht, stellt er beim Bibelwort >nicht gewinnsüchtig< eine Liste auf, was die Sünden in Rom kosten und welchen Gewinn die Sünden den Geistlichen bringen. Das Ergebnis ist eine zwölf Seiten umfassende Aufzählung der Beträge, die für die verschieden Sünden zu bezahlen sind. Musculus legt diese Liste vor, damit der Leser einen Eindruck bekommt vom päpstlichen Schachern52. Bei der Behandlung des Glaubens, wo unter Verweis auf Melanchthon >fides< als >fiducia< ausgelegt wird,53 geht Musculus ausfuhrlich auf das Problem der Heilsgewissheit ein. Der römisch-katholischen Kirche zufolge kann ein Christ in diesem Leben nie sicher wissen, ob Gott ihn liebt oder haßt. Mit vielen Bibelzitaten und Argumenten bestreitet Musculus diesen Irrtum, den er das dogma dubitationis54 nennt. Schließlich folgt die Prädestinationslehre. Diese Reihenfolge hat aber nichts mit möglichen heilsordentlichen Folgen der Erwählung auf den Glau48

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Der Exeget Ludwig Capellus (gest. 1658) beruft sich auf Musculus, weil dieser »die Inspiration der Bibel mehrfach behauptet, ohne sie freilich ausdrücklich auf ihren Wortlaut zu beziehen.« K. Guggisberg (Anm. 1) S. 301. Verum ea res usqueadeo ad nostra usque tempora neglecta fuit, ut miraculum fuerit, sicubi reperiretur, qui saltem characteres harum linguarum cognosceret. Loci communes (Anm. 3) S. 232. Loci communes (Anm. 3) S. 235. Loci communes (Anm. 3) S. 268. Loci communes (Anm. 3) S. 272-282. Loci communes (Anm. 3) S. 340. Loci communes (Anm. 3) S. 598. Was wir von diesem Dogma zu halten haben, ist deutlich: Et interim papisticam hanc dubitationem, tanquam pestilentissimum venenum fugiamus. Loci communes (Anm. 3) S. 601.

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ben zu tun. Die Folge >Glaube-Erwählung< ist dem Suchen nach der Quelle eines Flusses ähnlich: Zuerst sieht man den Fluß, die Quelle aber war schon eher vorhanden.55 Dies wird auch der Grund dafür sein, daß die Providenz erst nach der Prädestination besprochen wird. Mit Ausgeglichenheit wird die Christologie auf die Erwählung bezogen56 und die Behandlung der Prädestination pastoral zugespitzt. Die Erwählung bereits vor der Grundlegung der Welt bedeutet für die Herzen der Glaubenden eine ungeheure Sicherheit ihres Heils51. Über die Verwerfung

möchte Musculus lieber nicht viel sagen, denn auch die Schrift redet kaum davon. Es gibt auch nicht viel mehr zu sagen, als daß die >reprobatio< die negative Konsequenz der >electio< ist. Das heißt: Es gibt Verworfene, weil es Erwählte gibt. Dabei sollte man im Auge behalten, daß von Natur aus alle Menschen verworfen sind. Angesichts der großartigen Erwählungsgnade ist es besser, daß wir uns darauf richten als auf die Erforschung der Verwerfung. Ganz und gar ausgeschlossen ist, daß wir in Gottes Kirche über diese Sache streiten sollten.58 Als Antwort auf die Frage, warum wir in der Bibel lesen, daß Gott will, daß alle Menschen selig werden, verweist Musculus auf die Antwort Augustins, wonach hier nicht >alle< Menschen, sondern >alle Klassen der Menschern gemeint seien. Wer mehr darüber wissen möchte, so fugt Musculus hinzu, kann sich in seinem Römerbriefkommentar umsehen. Ob Musculus in der Prädestinationslehre Bullinger näher steht als Calvin, ist zumindest fragwürdig und hängt zudem davon ab, wie die Unterschiede zwischen Bullinger und Calvin bewertet werden.59 Die Unklarheit in dieser Angelegenheit finden wir schon im 18. Jahrhundert bezeugt. Pierre Bayle wundert sich in seiner Enzyklopädie darüber, daß Richard Simon suggeriert hat, Musculus wäre nicht so rigoros in seiner Erwählungslehre wie Calvin. Bayle zufolge steht es um Musculus genauso schlimm, weil auch dieser den freien Willen bestreitet.60

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[...] non quod fidem sequatur electio, quasi eligamur demum ubi credere coepimus: sed quod post considerationem fidei, non incommode ad electionem, quasi post inspectum rivum ad ipsum fontem inspiciendum reducimur. Loci communes (Anm. 3) S. 312. Zu diesem Verhältnis bei Musculus gibt Muller eine ausführliche und anregende Besprechung in Richard A. Muller: Christ and the Decree. Grand Rapids 1986. S. 47-57. Loci communes (Anm. 3) S. 314. Mihi sane tanti est electionis gratia, de qua hactenus tenuiter magis quam conveniebat diximus, ut de reprobis ne cogitandum quidem esse existimem, nedum in Ecclesia Dei tanta cum acerbitate digladiandum. Loci communes (Anm. 3) S. 320. Wayne Baker bezeichnet den Einfluß Bullingers als sehr evident: Musculus' Prädestinationslehre wäre nicht calvinistisch, sondern bullingerianisch. Offensichtlich geht Baker davon aus, daß es in dieser Angelegenheit einen Unterschied zwischen Calvin und Bullinger gibt. J. Wayne Baker: Heinrich Bullinger and the Covenant. Athens (Ohio) 1980. S. 201-203. S. auch O. Ritsehl (Anm. 1) Bd. 3. S. 415f. »Je ne comprens point le ménagement de ce Ministre; car le Passage Latin que Monsr. Simon rapporte contient en effet ce qu'il y a de plus rigide dans l'Hypothese de Calvin.«

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In der Sakramentslehre versucht Musculus bei der Behandlung des heiligen Abendmahls all das zu verbinden, was sich im reformatorischen Lager in den vergangenen Jahrzehnten auseinanderentwickelt hatte. Das Abendmahl ist ein Gedächtnismahl, aber das Brot ist wirklich Christus. Die Präsenz Christi im Abendmahl ist deutlich, wenn wir auch nicht wissen, wie er anwesend ist; aber die Tatsache seiner Anwesenheit ist gegeben, weil er es selbst gesagt hat. Allerdings ist für eine derartige >praesentia realis< die >praesentia corporalis< nicht unbedingt notwendig. 61 Musculus möchte auch über diese Präsenz nicht diskutieren, vor allem deshalb nicht, weil die fundamentale Frage nicht sei, ob Christus in Brot und Wein gegenwärtig ist, sondern ob er in den Herzen und Gewissen der Glaubenden ist.62 Die Feier ist ein Akt Gottes, aber auch des Menschen: Wir nähren unseren Glauben. 63 Diese Verbindung der Lehre von Luther und Zwingli ist nicht so erstaunlich für einen der Schmiede der Wittenberger Konkordie, der danach in Bern als Professor zu wirken hatte. Von wem Musculus diese Harmonisierungskunst gelernt haben mag, erklärt uns Bullinger mit eindeutigen Worten, und zwar bereits 16 Jahre vor dem Erscheinen der >LociLoci< Einflüsse von Luther, Zwingli und vor allem von Bucer nachgewiesen werden, was in Anbetracht der zeitlichen Periode, in der Musculus schreibt, keineswegs zu erstaunen braucht. Entsprechendes gilt jedoch auch fiir Einflüsse von Erasmus, Thomas, Scotus und Lombardus. Dennoch finden wir bei Musculus eine ganz eigenständige Verarbeitung von Materialien aus Bibel und Tradition. Wer von einer eigenen Stellung der Theologie Bucers ausgeht, wird Musculus als Kommilitonen des Straßburgers werten.69 Die Verbindung mit Bucer gilt materiell wie formell. Bucer hatte in seinen Kommentaren regelmäßig >loci< aufgenommen, wenn er bei der Auslegung eines bestimmten Textes ein Thema vorfand, das einer näheren Erklärung bedurfte. Auch Musculus verbindet Kommentar 67

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Kressner meint, daß dieses Kapitel auf verborgene Weise gegen Calvin polemisiert, da gerade in der Zeit, als Musculus den letzten Teil der Loci schrieb, der Streit zwischen Bern und Genf über die Autorität der Obrigkeit in kirchlichen Angelegenheiten seinen Gipfelpunkt erreicht hatte. Helmut Kressner: Schweizer Ursprünge des anglikanischen Staatskirchentums. Gütersloh 1953. S. 45-72. Z.B. O. Ritsehl (Anm. 1) I.e.: »... eine mittlere Linie zwischen den Anschauungen der Wittenberger Reformatoren und Zwingiis innehält«. »Im Ganzen scheint er dem ursprünglichen Straßburger Standpunkt treu geblieben zu sein.« E. Bizer (Anm. 7) S. XXI.

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und Dogmatik, und zwar nur mit dem Unterschied, daß er die >loci< nicht in den Kommentaren einarbeitet, sondern gesondert erscheinen läßt. Inhaltlich gesehen ist in allen Stücken erkennbar, wie weitgehend Musculus von Bucer beeinflußt worden ist. Dies wird niemanden verwundern, der bedenkt, in welcher Lebensphase Musculus in intensivem Kontakt zu Bucer steht und wie lange dieser Kontakt angedauert hat.70 Nähere Untersuchungen werden dies fundierter und detaillierter beweisen können. Es war keineswegs Musculus' Absicht, etwas Neues zu bieten, sondern genau wie Petrus Lombardus, der >Magister sententiarumLoci< war denn auch nicht, etwas Originelles zu bringen. Gerade weil er die Struktur von Loci communes wählte, vermochte sich dieses Werk durchzusetzen und konnte es zahlreiche Pfarrer in ihren Predigten und ihrer pastoralen Arbeit bilden. Das Fehlen jeder Polemik, die große Zahl biblischer Angaben und zahlreiche Verweise auf die Kirchenväter machen das Buch zu einem hervorragenden Mittel, die doctrina der Reformation weiterzugeben.

Verbreitung In Auftrag des Godfried van Wingen, derzeit reformierter Pfarrer in Flandern, begibt sich Petrus Datheen, damals Pfarrer der Flüchtlingsgemeinde in Frankfurt, mit einer Bücherliste zur Frankfurter Buchmesse. Auf dieser Liste mit Desiderata befinden sich neben Werken von Bullinger, Beza und Calvin auch Musculus' >LociLoci< von Musculus: ganz und gar vergriffen. Dessen Johanneskommentar jedoch kann Godfried noch ergattern.71 Diese Mitteilung aus dem Brief von Datheen darf als ein Beweis für den Erfolg der >Loci< gelten. Dieser Beweis 70

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»Insgesamt scheint die Straßburger Zeit für seine Theologie bestimmend gewesen zu sein.« Gottfried Adam: Der Streit um die Prädestination im ausgehenden 16. Jahrhundert. Neukirchen-Vluyn 1970. S. 86. In einem Brief an Zwingli vom 6. Februar 1531 nennt Bucer Musculus [...] hominem solidepium ac non vulgariter doctum. CR. 98. S. 336. Th. Ruys jr.: Petrus Dathenus. Amsterdam 1919 (Neudr. Houten 1988). S. 33 Anm. 2.

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wird verstärkt durch die Tatsache, daß fünf Neuauflagen und zwei Übersetzungen erschienen sind.72 Der Grund für diesen Erfolg aber liegt nicht so sehr in der Struktur des Buches als vielmehr in seinem Inhalt: Es handelt sich um eine sachliche und zuverlässige, nicht von Spekulation und Polemik belastete Wiedergabe des biblischen Stoffes. Dieser Stoff wird gut verständlich und deutlich beschrieben, und insgesamt ergibt sich ein vorzügliches Handbuch. Als ein solches wurde es auch verwendet. Christoph Thretius, Polens bekanntester Theologe und Gründer des Krakauer Gymnasiums, schreibt im Dezember des Jahres 1561 von Genf aus an Bullinger, daß er für das Studium der Heiligen Schrift Bullingers >DekadenInstitutio< und Musculus' >Loci< benützt.73 Auch in Ungarn finden die >Loci< intensive Verwendung. Die bekanntesten Theologen, nämlich Melius und Szegedi, haben ihre Theologie u.a. mit Hilfe der >Loci< ausgebaut, wobei Szegedi Musculus' Gedanken über den Gnadenbund beinahe integral übernommen hat.74 Wahrscheinlich ist es Musculus' irenischer Haltung zu verdanken, daß in späteren Zeiten seine Arbeit so wenig benutzt wurde. Die Konsolidierung der divergierenden reformatorischen Lager bedurfte nicht mehr der Arbeit eines Brückenbauers. In dieser Hinsicht trifft Musculus ein gleiches Schicksal wie seinen Lehrmeister und späteren Kollegen Martin Bucer. In der lutherischen Welt blieben Melanchthons >Loci< jahrzehntelang das theologische Lehrbuch,75 in der calvinistischen Welt war dieser Platz Calvins >Institutio< vorbehalten.76 In England wurde das Buch von John Man, Studienleiter des Merton College in Oxford, übersetzt. Erzbischof Parker hatte diese Übersetzung in Auftrag gegeben, um zu ermöglichen, daß die englischen Theologen anhand der >Loci< in einer von päpstlichen Irrlehren gesäuberten Theologie unterwiesen werden konnten. Einem Brief zweier englischer Theologen, adressiert an Heinrich Bullinger und Rudolf Gwalther, entnehmen wir, daß die übersetzten >Loci< tatsächlich benutzt wurden. Der Brief berichtet nämlich, daß die Common Places neben Werken anderer Reformatoren den Predigern, die einer näheren Instruktion bedurften und die die lateinische Sprache nicht genügend beherrschten, sehr dienlich waren.77 Von besonderem inhaltlichem Einfluß war vor allem ein Kapitel dieses umfangreichen 72 73 74

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Vgl. dazu oben Anm. 12. Zit. bei Walter Hollweg: Heinrich Bullingers Hausbuch. Neukirchen 1956. S. 187. Mihâly Bucsay. Bullinger und Melius. In: Heinrich Bullinger 1504-1575. Gesammelte Aufsätze. Zürich 1975. Bd. 2. S. 200. »Selbst in späteren Jahrzehnten, als der Gegensatz gegen Melanchthon sich mehrte, ist dieses wichtige Lehrbuch nicht ersetzt worden, weil es nicht zu ersetzen war.« Robert Stupperich: Melanchthon, der Mensch und sein Werk. In: Luther. 1960. S. 11. S. Olivier Fatio: Présence de Calvin à l'époque de l'orthodoxie réformée. In: Calvinus Ecclesiae Doctor. Hg. v. Wilhelm H. Neuser. Kampen 1979. S. 171-207. George Withers, John Barthelot an Henry Bullinger, Rodolph Gualter. August 1567. In: The Zurich Letters. Cambridge 1845. Second sériés. S. 147f.

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Buches, nämlich >De magistratuLoci< gelten. Als Thomas Blarer d.J. 1564 in Augsburg verweilt, schreibt er seinem Vater einen Brief, worin er ihn um Erlaubnis bittet, Calvins >Institutio< und Musculus' >Loci< kaufen zu dürfen, damit er sich mit diesen Büchern auf das Studium der Theologie vorbereiten kann.80

Reformierte Scholastik Die >Loci< erscheinen in einer Periode, die in der Regel als Übergangsphase von der Reformation zur reformierten Orthodoxie bezeichnet wird. Daher muß auch die Frage beantwortet werden, wie sich Musculus' Hauptwerk zur scholastischen Methode verhält, die im ausgehenden 16. Jahrhundert immer häufiger verwendet wurde. Von Wichtigkeit ist dieses Thema auch hinsichtlich der heutigen Diskussion über die Frage, ob die reformierte Orthodoxie ein Abweichen von der genuin reformatorischen Linie bedeute.81 Ganz eindeutig gehören die >Loci< in die lange Reihe theologischer Handbücher, die einige Jahrhunderte zuvor ihren Anfang genommen hatte. Mit diesen Werken hatten sich auch alle Reformatoren in ihren Studienjahren zu befassen. Den Anschluß an diese Tradition unterstreicht Musculus, indem er diese gelegentlich korrigierend, öfters jedoch zustimmend zu Wort kommen läßt. Scotus und Ockham, vor allem aber die Sententiae des Petrus Lombardus werden regelmäßig 78

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Ruth Wesel-Roth: Thomas Erastus. Ein Beitrag zur Geschichte der reformierten Kirche und zur Lehre von der Staatssouveränität. Lahr/Baden 1954. Bes. S. 107-110. Hiermede komt overeen Musculus, in Loc.Com. De Magitratu. fol.1371, edit. Hervag. Dil is ons gevoelen, zonder eenige veinzing, gelijk bij de Godzalige Overheid de hoogste macht en zorg is der Religie, alzoo heeft zij ook de macht kerkelijke wetten te stellen, en hetgeen in de Religie vervallen is te reformeeren. Idem fol.1373. Acta of Handelingen der Nationale Synode [...] 1987. S. 85. T. Schieß (Anm. 64) Bd. 3. S. 829. Vgl. zu dieser Diskussion vor allem: R. A. Muller (Anm. 25) Bd. 1. S. 13-52.

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zitiert. Diese Sentenzen waren bekanntlich im theologischen Grundkurs des Mittelalters das Lehrbuch par excellence, und auch Musculus ist gründlich in diesem Buch unterwiesen worden. Der Respekt des Musculus vor diesem Werk des Lombarden ist in seinen eigenen >Loci< deutlich erkennbar, wo er oft mit Zustimmung daraufhinweist, was der >Magister Sententiarum< über ein bestimmtes Thema gesagt hat.82 Die intensive Benutzung der Sententiae ist vor allem in der Behandlung der Abendmahlslehre spürbar. Gerade bei diesem entscheidenden Lehrstück fallt auf, daß der Magister nicht nur widerlegt, sondern auch zustimmend angeführt wird.83 Diese Wertschätzung zeigt sich auch in der Form von Musculus' Arbeit. Genau wie Lombardus geht es ihm nicht darum, etwas Neues zu bringen, sondern das, was an exegetischen und theologischen Früchten vorhanden ist, so zu ordnen, daß es weitergegeben und bewahrt werden kann. Wenn über die Sentenzen des Lombarden gesagt wird: »Er gibt also nichts eigenes dem Inhalte nach, nur die Verbindung und das System ist sein geistiges Eigentum«84, dann gilt von Musculus' >Loci< dasselbe. Die Art und Weise, wie er die mittelalterlichen Theologen verwendet, zeigt, daß auch für Musculus die Reformation keinen Bruch mit der Vergangenheit bedeutet. Von der Bibel abweichende Meinungen werden zurückgewiesen und korrigiert, aber all dies geschieht innerhalb der vorhandenen theologischen Tradition. Der dahinterliegende Gedanke wird von Musculus bei der Behandlung der Frage, wie Gott verehrt werden soll, in Worte gefaßt: Etwas ist nicht gut, weil es alt noch weil es neu ist, sondern weil es der Bibel gemäß ist}5 Die Korrektur gegenüber der Tradition besteht in einer erasmianischen Konzentration auf die Behandlung deijenigen Sachen, die dem Glaubenden nützen*6. Zu einem großen Teil besteht der Unterschied zur mittelalterlichen Tradition auch darin, daß Musculus sich nicht mit Fragen auseinandersetzt, die seiner Meinung nach unlösbar sind und nur Streit mit sich bringen. Ein Beispiel hierfür ist die Frage, wann die Kinder den Glauben empfangen: in der Taufe, oder schon vor der Taufe, oder sogar bereits im Mutterleibe? Musculus weiß nur, daß der Glaube die Frucht ist der verborgenen Wirkung des Geistes, über die uns kein Urteil zu82

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So wird Lombardus etwa zitiert als Zeuge für die Auffassung, daß Gott Menschen aus Barmherzigkeit erwählt und nicht aus vorhergesehenem Glauben. Loci communes (Anm. 3) S. 315. Loci communes (Anm. 3) S. 409. Otto Baltzer: Die Sentenzen des Petrus Lombardus. Ihre Quellen und ihre dogmengeschichtliche Bedeutung. Leipzig 1902 (Neudr. Aalen 1972). S. 1. Loci communes (Anm. 3) S. 527. In cultu Dei non est quaerendum quid vetus sit, quid novum: sed quid verum esse ex sacris possit scripturis comprobari. Loci communes (Anm. 3) S. 32.

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steht11. Im Vorwort zum Kapitel >De electione< schreibt Musculus, er sei sich bewußt, daß dieses Dogma Anlaß zu vielerlei Spekulationen sein könne. Er möchte jedoch die Sache einfach halten und nicht mehr dazu sagen, als es die Schrift tut.88 Die Zurückweisung der Scholastik bezieht sich für Musculus nicht auf die Methode, sondern auf Unmäßigkeit im Stellen von Fragen. So ergreift er jede Gelegenheit, um vor der >curiositas< zu warnen.89 Das Verhältnis zur mittelalterlichen Scholastik zeigt sich am deutlichsten bei der Besprechung der Allmacht Gottes. Musculus beginnt mit der Aussage, er werde die Omnipotenz Gottes erörtern, soweit Gott selbst uns darüber informiert habe, das heißt, soweit wir etwas darüber wissen müssen; denn Gott offenbart uns nicht mehr, als wir für unserer Heil brauchen. Am Ende dieser Besprechung widmet er den >Quaestiones de omnipotentia Dei< dennoch einen Abschnitt. Es handelt sich um die Erwähnung der Diskussionsthemen derjenigen, die curiosi magis quam religiösi90 sind. Musculus ist bereit, kurz auf diese Fragen zur Allmacht Gottes einzugehen, aber seinen Standpunkt in dieser Sache verdeutlicht er schon vorab: Ein Gläubiger tut besser daran, sich derartiger Fragen zu enthalten und schlicht bei der Tatsache zu bleiben, daß Gott allmächtig ist9] Dennoch geht er den schwierigen Fragen über Gottes Allmacht nicht aus dem Wege. Sie werden von ihm kurz und bündig beantwortet, freilich nicht ohne daß er wiederholt vor der >curiositas< warnt.92 Bemerkenswerterweise zitiert Musculus bei diesen Fragen auch die Auffassungen der >scholastici theologiquaestiones< und >divisionesLoci Communes< von Wolfgang Musculus keine Begründung für eine eigenständige Zuchtordnung der Kirche zu finden sei. 3 Es ist die alleinige Aufgabe 1 2

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Vgl. Peter Landau: Kirchenverfassungen. In: TRE. Bd. 19. S.l 10-165, bes. S. 148ff. Johannes Heckel: Cura Religionis. Ius in Sacra. Ius circa Sacra. In: Kirchenrechtliche Abhandlungen. Heft 117/118. 1938. FS Ulrich Stutz. S. 224-298. - Heckel beschreibt die Position von Musculus wie folgt: »Er überträgt ihr [der Obrigkeit, J.W.-A.] die cura instituendae et moderandae religionis in allen Stücken, die in hoheitlicher Weise geordnet werden müssen, und dazu rechnet er die Kirchengesetzgebung, die Berufung und Abberufung der Prediger, den Erlaß der Gottesdienstordnung, die Aufsicht über die schriftgemäße Ausübung des geistlichen Amtes, die Sittenzucht gegenüber den Amtsträgem sowie den Kirchenmitgliedern, endlich die Sorge für das Kirchengut [...] Neben ihr darf es keine Autonomie der Kirche geben [...] Ist das nicht territorialistisches Staatskirchentum in der Vollendung?« S. 287f. Heckel bezieht sich dabei auf die Bestimmung des Begriffes >Potestas< bei Musculus sowie vor allem auf den letzten Titel >De magistratibus< in den >LociLoci< und deren Titel >De magistratibus< interpretiert vor dem Hintergrund der kirchlichen Verhältnisse in Bern und der Auseinandersetzung mit der calvinistischen Partei in der Waadt. Dieser Konflikt, so folgert Kressner, fuhrt dazu, daß Musculus seine Lehre von der Obrigkeit zur »Idee der Staatsomnipotenz in einer für reformatorische Ohren ganz ungeheuerlichen Weise«8 weiterbildet: »An die Stelle einer selbständigen Kirche rückt die plenitudo potestatis deijenigen Macht, die die Reformatoren bloß zur Hilfeleistung im kirchlichen Raum herbeigerufen hatten.«9 Eine der Forderungen der Anhänger Calvins in der Waadt, daß kirchlichen Organen die Sittenzucht übertragen werden sollte, wird von Musculus zugunsten der obrigkeitlichen Kompetenz entschieden. »Damit hat aber die Eigenständigkeit der Kirche endgültig aufgehört zu existieren. Handelte die Obrig-

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Heckel unterscheidet in seinem Sprachgebrauch nicht zwischen obrigkeitlicher Sittenzucht und Polizei einerseits, kirchlicher Zucht andererseits. Dies ist in seinem vorrangigen Interesse an dem Rechtssubjekt begründet, das die Zucht ausübt, hat aber zur Folge, daß Bemerkungen zur Gemeindezucht, die Musculus in anderen Zusammenhängen äussert, von Heckel in seiner Interpretation nicht berücksichtigt werden. »Lebt die Kirche [...] unter einer nicht-christlichen Obrigkeit, so >devolvieren< nach der Ansicht des Musculus die hoheitlichen Rechte der Obrigkeit an die Kirche. Aber das sind eben Notzeiten; aus ihnen dürfen keine Schlüsse für die Gestalt der politischen und kirchlichen Idealverfassung entnommen werden. Zumal die Anfange der Christenheit sind in diesem Sinne zu werten.« J. Heckel (Anm. 2) S. 289. Vgl. zur Rezeption und Vertiefung dieser These auch Richard Bäumlin: Naturrecht und obrigkeitliches Kirchenregiment bei Wolfgang Musculus. In: Für Kirche und Recht. FS Johannes Heckel. Hg. v. Siegfried Grundmann. Köln, Graz 1959. S. 120-143. - Bäumlin versucht für die >Loci Communes< den Nachweis zu fuhren, daß Musculus' Lehre vom obrigkeitlichen Kirchenregiment allein aus dem Naturrecht gewonnen ist und also frei bleibt von theologisch-biblischen Argumenten, an die sich die reformatorische Theologie doch sonst gebunden weiß. Die Argumentation von Bäumlin stützt sich dabei auf den Titel >De legibus< in >Loci Communes< (vgl. W. Musculus (Anm. 3) S. 34-41). Darin liegt m.E. ihre Begrenzung begründet. Denn die anschließenden Ausfuhrungen zum Dekalog, zu der Aufhebung des Gesetzes und bes. zum Bund Gottes, die sich an den Titel >De legibus< anschließen, zeigen die parallele biblische Argumentation, die Musculus über die Bedeutung des Gesetzes und die Begründung obrigkeitlicher Gewalt fuhrt. Helmut Kressner: Schweizer Ursprünge des anglikanischen Staatskirchentums. Gütersloh 1953. H. Kressner (Anm. 7) S. 66. H. Kressner (Anm. 7) S. 67.

Musculus' Auseinandersetzung mit der Begründung der Kirchenzucht

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keit einst ecclesiae vice, so handeln die kirchlichen Behörden jetzt ... magistratus vice.«10 Dieses Urteil über die Lehre von der Obrigkeit und ihrer Kirchengewalt findet zusätzlichen Anhalt in der zeitgenössischen Rezeption von Musculus' >Loci CommunesLoci Communes< übernommen hat: In einem jeden Staat soll es nur e i n e höchste Obrigkeit geben, wie auch ein jeder Körper nur e i n e n Kopf habe, der ihn führt." Ruth Wesel-Roth erkennt an dieser Stelle den Einfluß, den »der Begründer des territorialistischen Staatskirchentums« auf Erast genommen habe.12 Allerdings ist ihr entgangen, daß Erast zwar auf Musculus verweist, dabei aber den angeführten Vergleich in einer Weise zuspitzt, daß sich seine wahre Quelle daraus erschließen läßt. Denn der Nachsatz, daß ein Körper mit zwei Köpfen ein Monstrum sei, findet sich nicht in den >Loci Communes< von Musculus, wohl aber in der Bulle >Unam SanctamUnam Sanctamc [...] Igitur ecclesiae unius et unicae unum corpus, unum caput, non duo capita, quasi monstrum, Christus videlicet et Christi vicarius Petrus, Petrique successor [...] (Extravagantes Communes 1.8.1. Ed. Friedberg 1879. Bd. 2. Sp. 1245). Dabei nimmt die Bulle ein älteres Argument der Dekretisten auf, die Erast freilich kaum gekannt haben wird. Vgl. dazu J.A. Watt: Spiritual and temporal powers. In: History of Medieval Political Thought, c.350-c.l450. Hg. v. J. H. Burns. Cambridge 1988. S. 367-423.

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Johanna

Will-Armstrong

Die einseitige Interpretation der Theologie des Wolfgang Musculus im Sinne des Territorialismus hat bereits Rudolf Dellsperger in Frage gestellt.14 Er macht darauf aufmerksam, daß diese Interpretation sich lediglich auf die Berner Zeit von Wolfgang Musculus und auf die damals entstandenen Werke stützt. Folgerichtig stellt sich deshalb die Frage nach den >missing links< zur früheren pastoralen und theologischen Arbeit in Augsburg, die Musculus in scharfen Gegensatz zum Interim brachten. Der damit verbundene biografische Einschnitt, der sich aus dem Widerstand gegen die zu erwartenden obrigkeitlichen Maßnahmen ergab, ist schwerlich in Einklang zu bringen mit dem Bild eines Theologen, welcher der Berner Obrigkeit und ihren kirchlichen Maßnahmen sich opportunistisch gebeugt haben soll. Ich möchte im Folgenden zeigen, daß Musculus seine Lehre von der kirchlichen Zucht, die er am Ende seines Schaffens in den >Loci Communes< vorträgt, durch die Auslegung biblischer Texte gewonnen hat. Sie ist kein bloßer Annex seiner Auffassung vom Amt der Obrigkeit. Vielmehr sind es ekklesiologische Einsichten, die Musculus' Überlegungen bestimmen und weiterfuhren. Gegenüber der These von Kressner, daß vor allem die calvinistische Theologie sein Widerpart sei, möchte ich dabei die Kontinuität der Auseinandersetzung mit der Idee der Kirche, wie sie in der Täuferbewegung entwickelt wurde, hervorheben. Ich werde mich begrenzen auf die Auslegungen, die Musculus im Rahmen seiner Kommentare zum Matthäusevangelium und zu den Korintherbriefen vorträgt. Damit kann der Bogen zwischen der Augsburger und Berner Zeit geschlagen werden. Zugleich kommen damit die biblischen Texte zur Sprache, die fiir die reformierten Theologen die wichtigsten Belegstellen des neuen Testaments in der Debatte um die Kirchenzucht darstellen.

II. Die Folgerungen für die Verfassung der christlichen Gemeinde und die versöhnte Gemeinschaft ihrer Glieder, die sich aus der Auslegung des Matthäusevangeliums ergeben, stehen bereits im Zentrum der frühen Schrift des Musculus über den Eidschwur. 15 In dieser Aufzeichnung eines fiktiven Gesprächs mit einem Täufer 14

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Rudolf Dellsperger: Bucer und Musculus. In: Martin Bucer and Sixteenth century Europe. Actes du Colloque de Strasbourg (28-31 août 1991). Hg. v. Christian Krieger, Marc Lienhard. Leiden, New York, Köln 1993. S. 419-427. Wolfgang Musculus: Ein frydsams unnd Christiichs Gesprech / ains Euangelischen / auff ainer / und ains Widerteuffers / auff der anderen seyten / so sy des Aydschwurs halben mitainander thund. Augsburg 1533. Exemplar: Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek. Yv2102.8.

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geht es zunächst um die biblische Zuläßigkeit von Eidesleistungen gegenüber der Obrigkeit. Gleichzeitig vertritt Musculus in dieser Schrift die Zusammengehörigkeit aller Gläubigen in der Kirche, die im gemeinsamen Glauben gründet und zugleich Grundlage gegenseitiger Vergebung und Versöhnung ist. Deshalb setzt er sich bereits in dieser frühen Schrift aus der Augsburger Zeit kritisch mit denen auseinander, die die Erfüllung des Gesetzes zum Maß kirchlicher Zugehörigkeit erheben.16 Im Kommentar zum Matthäusevangelium, der mehr als zehn Jahre später erschienen ist, hält sich diese Grundeinsicht aus den frühen Auseinandersetzungen mit den Täufern in Augsburg durch und findet ihre Bestätigung in der differenzierten Auslegung der Passagen des Evangeliums, die für die Kirchenzucht von besonderer Bedeutung sind.17 Auf das Problem der kirchlichen Zucht und insbesondere auf die Begründung des Rechtes zur Exkommunikation geht Musculus in der Auslegung von drei Kapiteln des Evangeliums ausführlich ein. Dabei verbindet er die biblische Auslegung mit der systematischen Reflexion, so daß es mir durchaus gerechtfertigt erscheint, aus diesem exegetischen Werk weitergehende Schlüsse zu ziehen über die Bewertung der Kirchenzucht während der Augsburger Zeit. Im Einzelnen kommen folgende Textzusammenhänge in Betracht: zunächst die Auslegung zu Mt 18,15-20. Bei diesem Text, dem >locus classicus< zur Begründung kirchlicher Banngewalt und ihrer Ausübung, fallt besonders die Einordnung in den Kontext auf, die Musculus vorträgt und die ihn in Distanz bringt zu den Auslegern auch der reformierten Tradition, die vor allem institutionelle Folgerungen aus diesen Versen gezogen haben. Sodann ist die Auslegung zu Kapitel 7 wichtig. Dieses Kapitel beginnt im ersten Vers mit der Mahnung Jesu: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet [...]. Am Ende der Auslegung hierzu fügt Musculus eine Zwischenbetrachtung ein, wozu und in welcher Weise es Christen gestattet sei, zu richten oder ein Urteil zu fällen. Schließlich möchte ich noch auf die Interpretation von Kapitel 3 eingehen. Denn die Auslegung zum Bußruf des Täufers gibt Musculus den Anlaß, sich polemisch von den Täufern und ihren Forderungen nach Reinheit der Kirche abzusetzen. Daran können abschließend die ekklesiologischen Folgerungen seiner Bibelauslegung verdeutlicht werden. Be-

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Vgl. zu den konkreten Erfahrungen, die Musculus während seines Dienstes in der Augsburger Kirche mit den Vertretern der Täuferbewegung machte, Rudolf Dellsperger: Wolfgang Musculus (1497-1563), Prädikant bei Hl. Kreuz von 1531 bis 1548. In: Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 und ihr Umfeld. Wissenschaftliches Kolloquium. Hg. v. Reinhard Schwarz. Gütersloh 1988 (SVRG. Bd. 196). S. 91-110, bes. S. 96f. Wolfgang Musculus: In Evangelistam Matthaeum Commentarii Tribus Tomis Digesti: Quibus non solum singula quaeque exponuntur, sed & quid singulis Marci & Lucae differentibus locis notandum sit, diligenter expenditur. Basileia 1551. Exemplar: Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek. C 244.2 Heimst. (1).

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ginnen möchte ich jedoch mit Musculus' Auslegung zum Kapitel 18 des Matthäusevangeliums. Im Unterschied zu anderen geläufigen zeitgenössischen Interpretationen dieser Stelle, die sich besonders an der institutionellen Aufrichtung der Kirchenzucht orientieren, konzentriert sich Wolfgang Musculus zuerst auf die pastorale Bedeutung des Jesuswortes. Mögliche kirchenrechtliche Implikationen der Stelle treten ganz zurück. Musculus beginnt seine Auslegung vom Ende der Perikope her, wo Jesus die Einheit der Gemeinde in seinem Namen und im Gebet verheißt. Von dieser Verheißung her wickelt Musculus den roten Faden des Textes (von hinten her) auf. Damit die Einheit der Gemeinde bestehen kann, unterweist Jesus die streitenden Jünger darüber, wie Streit vermieden und Konflikte beigelegt werden können - auch dann, wenn einer vom anderen ernstlich gekränkt wurde. Nicht die Bewahrung der Kirche und ihrer Reinheit, die unter dem Versagen ihrer Glieder Schaden nimmt, steht im Mittelpunkt des Jesuswortes. Es zielt vielmehr darauf, wie durch die Versöhnung unter zerstrittenen und beleidigten Gemeindegliedern Gemeinschaft wiederhergestellt werden kann. Um solche Versöhnung zu ermöglichen, sind drei Schritte wichtig, die Musculus als Auslegung zu Vers 15 vorträgt. Der erste Schritt besteht darin, auf den zuzugehen, der sich nicht versöhnen will und damit zu verhindern, daß er hartnäckig bei seinem Tun beharrt. Denn es gilt: perire eum, qui non vult reconciliari ei quem laesit.1" Zweitens: Versöhnung setzt Buße und Bitte um Vergebung voraus, also Einsicht des Betroffenen in das Vergehen. Aber sie fordert nicht Wiedergutmachung: Eum, qui fratrem arguit delicti, non debere quaerere satisfactionem, sed petenti veniam remitiere omnia.19 Weil dieses Vorgehen auf Einsicht im kommunikativen Prozess zielt, die im gerichtlichen Verfahren nur bedingt angestrebt werden kann, gibt es für Musculus keinen Wechsel hin von der Ebene der geschwisterlichen Ermahnung, die um Einsicht und Versöhnung ringt, zur institutionell arrangierten Lösung des Konfliktes. Schroff lehnt Musculus sowohl die Begründung der Schlüsselgewalt des Papstes ab wie auch konziliaristische Thesen, die sich auf Kapitel 18 des Matthäusevangeliums stützen. Die Eröffnung eines institutionellen Verfahrens verhindert oder erschwert doch zumindest, wie die Erfahrungen der Kirchengeschichte zeigen, das, worauf es Jesus - so Musculus - mit seinem Wort vor allem ankommt: nicht den Bruder zu bestrafen oder ihm Genugtuung abzuverlangen, sondern ihn zu gewinnen. Musculus stützt diese Interpretation durch die Argumente aus dem Kontext der Perikope: In Mt 18,6 mahnt Jesus die Jünger, die >Kleinen< nicht zu verachten. 18 19

W. Musculus (Anm. 17) Sp. 449b. W. Musculus (Anm. 17) Sp. 449b.

Musculus' Auseinandersetzung mit der Begründung der Kirchenzucht

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Musculus erkennt in den Kleinen die Schwachen, die Sünder, die durch ungerechte und selbstgefällige Härte der Frommen zum Abfall vom Glauben getrieben werden könnten. Diese Aussage erläutert er in der Auslegung zu dem Gleichnis vom verlorenen Schaf (Mt 18,1 Off). Dieses Gleichnis Jesu ist für Musculus ein zentraler biblischer Beleg dafür, daß jenen, die auf dem falschen Weg gehen, die sündigen, nicht mit Gleichgültigkeit oder Distanzierung begegnet werden kann. Vielmehr ist ihnen vor allem nachzugehen und nachzujagen, um sie so wieder zurück zur Herde zu bringen. In der Auslegung zu Mt 18 kommen für Musculus zwei zentrale Aussagen des christlichen Glaubens zusammen und ergänzen sich: einerseits die Ermahnung, Versöhnung zu suchen, damit kirchliche Gemeinschaft bewahrt bleibt und Gemeinschaft am Tisch des Herrn möglich wird; andererseits der Trost, daß jedem Christenmenschen solche Vergebung zuteil werden kann, weil Christus selbst uns geboten hat, die >Kleinen< nicht zu verachten: Sunt itaque nobis hoc loco duo observanda. Unum quod maximae est consolationis. Videlicet ita animatum esse erga suos Deum patrem nostrum, ut neminem sustineatperire, ne unum quidem, etiam minimum [...] Ut ovicula Christi sis, non est opus, ut sis doctus, potens, dives, magnae aestimationis. Nec impedit hic sifueris abiectus [...] duntaxat non sis pertinax in errore, nec gratiae dei relucteris [...] Alterum habet doctrinam et admonitionem, ut et ipsi videamus, ne quenquam ex minimis Christi contemnamus, etiam errantem et nostro iudicio pereuntem.20 Musculus rückt so die Größe von Gottes gnädigem Wirken auch gegenüber den Irrenden und Versagenden an die erste Stelle. Darum begrenzt er im Gegenzug die Ausübung der Binde- und Lösegewalt und erinnert nachdrücklich daran, wie diese sich immer dem Vorrang des gnädigen Willen Gottes beugen soll. Darum ist die Schlüsselgewalt, insbesondere die Gewalt des Bindens, mit Geduld und großer Vorsicht zu gebrauchen: Rursus, quando ligatur, hoc est, tanquam ethnicus et publicanus abijcitur a Christianorum consortio, talis peccator, qui admonitus aliquoties, resipire noluit, ita pertinax factus, ut et Ecclesiae correptionem contemnat, tum vera erit, et in coelis alligatio.21 Die Formulierung erscheint - bezogen auf den Ausschluß aus der Gemeinde sehr vorsichtig und zurückhaltend. Vor allem aber bleibt sie im Hinblick auf die rechtliche Ausgestaltung ohne Aussagekraft. Den Grund hierfür erkenne ich darin, daß Musculus nach seiner Auslegung des biblischen Textes das hier erfolgende Umschlagen in ein institutionelles Verfahren nicht verarbeiten kann oder will; 20 21

W. Musculus (Anm. 17) Sp. 449a. W. Musculus (Anm. 17) Sp. 450a.

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diese Auslegung spiegelt in ihren Spannungen dabei durchaus den Bruch innerhalb der Perikope selbst. Zudem hatte Musculus die Aufforderung in Mt 18,17a {sage es der Kirche) nicht als Appell an eine Instanz mit richterlicher Kompetenz verstanden, sondern lediglich als Erweiterung des Zeugenkreises. Der Übergang zur Begründung institutionell geübter Kirchenzucht bleibt Musculus durch seine vorhergehende Auslegung versperrt - durch eine Auslegung, die freilich darin ihre pastorale Kraft in der ganzen Gemeinde gewinnen kann, daß sie von der Hoffnung, den anderen retten und überzeugen zu können, getragen ist, getragen ist von der ekklesiologischen Vision einer versöhnten oder sich versöhnenden Gemeinde. Ich möchte nun diese Überlegungen weiter stützen, indem ich zu Musculus' Auslegung des siebten Kapitels des Matthäusevangeliums übergehe. Musculus nimmt den ersten Vers {Richtet nicht damit ihr nicht gerichtet werdet) als Anstoß dafür, in Form eines Exkurses zu erläutern, was rechtmäßiges und legitimes Richten ist und welche Weise des Richtens unter der Verwerfung steht. Das Wort Jesu, so Musculus, richtet sich allein gegen die Hypocrisis, das Geringschätzen und Verachten anderer, das in Selbstgerechtigkeit gründet. Die entgegengesetzte Handlungsweise zur Hypocrisis ist die Liebe, die nicht verurteilt und verachtet oder geringschätzt, sondern die Versöhnung sucht. Von der Hypocrisis, dem selbstgerechten Urteilen über andere, will uns die Weisung Jesu abhalten; zur Liebe aber ermuntert sie uns, einer Liebe, die sich nicht im Richten, sondern in der geschwisterlichen Ermahnung zeigt: Quid magis proprie ad charitatem facit, quam conservare fratrem errantem, ne pereat, maxime quum nusquam et nunquam non, idque creberrime, et ab omnibus, erretur et peccetur? Proinde summopere orandum, ut una nobis spiritu Dei infundatur Charitas, quae nos hic in vitam restituât.22 Daneben aber kennt Musculus auch zwei Arten des Richtens und Urteilens, auf die Jesu Mahnung nicht zutrifft und die deshalb legitim bleiben. Da ist zunächst das Urteilen und Beurteilen, das allen Frommen zukommt als Unterscheidung zwischen wahr und falsch, besonders hinsichtlich der Lehre. An zweiter Stelle nennt Musculus dann die richterliche Gewalt der Obrigkeit. Dafür, daß diese Gewalt und das obrigkeitliche Amt nicht unter die Mahnung Christi fällt, führt Musculus eine eingehende Begründung an. Zugleich nimmt er damit offensichtlich die Fragen der gegnerischen Position auf, die die Legitimität dieser Gewalt bestreitet: Ergo non habebunt Christani inter se magistratus? Quid enim est iudicare, quam facta, bona ne sint vel mala, aestimare et censere, sententiamque quid in

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W . Musculus (Anm. 17) Sp. 168a.

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unaquaque re sequendum sit, ferre? Si hoc demas a magistratu, quid efficies, quam ut omnino tollatur, aut temeraria tyrannis remaneat?23 Die obrigkeitliche Gewalt zu richten und zu urteilen fällt nicht unter das Wort Jesu, wir müßten ihm denn zuschreiben, daß den Schlechten alles erlaubt sein solle. Statt sich wie die Gegner in Mt 7,1 ff auf die obrigkeitliche Gewalt zu beziehen, greift Musculus zahlreiche Beispiel aus dem alttestamentlichen Gesetz und den Psalmen auf. Sie belegen für ihn eindeutig, daß der Obrigkeit solche Urteilsfähigkeit und richterliche Gewalt von Rechts wegen zukommt. Es ist sogar vornehmste Aufgabe der Obrigkeit, das Urteil zu fällen, durch welches die Übeltäter gerichtet und bestraft, die Unschuldigen aber befreit und geschützt werden: iudicium quod pertinet ad magistratum, quo iudicantur et castigantur nocentes, liberantur et defenduntur innocentes,24 Diese Gewalt besteht in weltlichen wie kirchlichen Angelegenheiten und umfaßt also auch die Aufgaben der Religionspolizei. Im gleichen Zusammenhang mit dieser obrigkeitlichen Gewalt kommt Musculus dann auch auf die Gewalt des pater familias, über die Seinen zu urteilen und zu richten, sowie auf die richterliche Gewalt der Kirche zu sprechen. Wenn, so fugt Musculus unter Verweis auf I Kor 5 an, die Kirche das Urteil über die Übeltäter nicht der Obrigkeit überlassen kann, weil diese tatenlos bleibt, dann muß sie selbst zu diesen Mitteln greifen: Imo ipsa Ecclesia quomodo carebit hoc iudicio, si ius habet immorigeros excommunicandi? Quid enim aliud est excommunicatio, quam cum iudicio in immorigerum excommunicandum lata sententia?25 Die Praxis kirchlicher Zucht tritt also der obrigkeitlichen zur Seite, wenn diese versagt. Ihre institutionelle Umsetzung, insbesondere die Praxis der Exkommunikation, bleiben indes ohne weitere Erläuterung. Musculus' Interesse ist in diesem Zusammenhang nicht auf die Einsetzung einer kirchlichen Instanz gerichtet, sondern er will lediglich festhalten, daß es von Rechts wegen geboten ist, bestimmte Delikte zu verurteilen und die Täter zu richten: sei es durch die obrigkeitliche Gewalt, oder, wenn diese nicht eingreift, durch die Gewalt des Hausvaters oder der Kirche. In einem ähnlichen Zusammenhang begegnet die Übung kirchlicher Zucht und insbesondere die Banngewalt bereits im Eingangsteil des Kommentars, in der Auslegung zum Bußruf des Täufers, im dritten Kapitel des Matthäusevangeliums. Diese Stelle gibt einen weiteren Hinweis darauf, warum Musculus soviel daran 23 24 25

W. Musculus (Anm. 17) Sp. 164a. W. Musculus (Anm. 17) Sp. 164a. W. Musculus (Anm. 17) Sp. 164a.

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gelegen ist, an Kirchenzucht und Gewalt zum Kirchenausschluß festzuhalten, obwohl er deren geläufige exegetische Herleitung nicht teilen mag, vielmehr bereit ist, diese aufzugeben zugunsten der starken Dynamis, die die brüderliche Ermahnung entfalten soll und kann. Musculus greift hier die Täufer an und unterstellt ihnen in geläufiger Polemik, sie würden die eschatologische Zeit, die Johannes ankündigt, die Zeit der Buße und Reinigung, selber festsetzen und herbeifuhren wollen. So nähmen sie ein fremdes Werk in ihre Hände; sie wollten ein Urteil sprechen und richten, was doch allein in Gottes Macht stehe. Damit aber würden sie nicht das Werk der Reinigung und des Auferbauens betreiben, sondern führten in falscher Selbstgerechtigkeit (Hypokrisis) Schismata herauf und die Gefahr des Abfalls von der Gemeinde, anstatt sich darum zu bemühen, den Bruder zu gewinnen, die Gemeinde zu erhalten und zu erbauen. Musculus hält zwar für die Kirche das Recht zur Kirchenzucht fest, aber doch nur, um sich des Vorwandes zu erwehren, er wolle die Frevler schützen. Er grenzt es aber dadurch ein, daß es allein zur Auferbauung ausgeübt werden soll: Tuemur ne impios, et fovemus eos qui Ecclesiam Christi polluunt? An non Apostolus iubet scortatorem separari, et excommunicari? Nequaquam tuemur reprobos, nec improbamus rectum excommunicationis usum. Is autem est, ubi Ecclesia potest excommunicando reprobos [...] aedificari ut non fiat schisma corporis Christi [...].26 Daß mit dem Gebrauch der Kirchenzucht und dem Bann als ihrem äußersten Mittel die Gefahren der Spaltung und Zerstörung der Kirche einhergehen, ist bei Musculus nicht nur polemisches Argument, z.B. im Blick auf die von Päpsten verhängten Exkommunikationsstrafen und ihre Wirkungen in der Kirchengeschichte. Vielmehr beschwört er eindringlich die Aktualität dieser Gefahren vor dem Hintergrund seiner ekklesiologischen Leitidee. Statt zum Gebrauch kirchlicher Zucht zu ermahnen, tritt Musculus mit Nachdruck dafür ein, daß in der Gemeinde, die aus dem Wort auferbaut wird, die Praxis brüderlicher Ermahnung geübt werden soll. Die Spannungen, die so in Musculus' Kommentar auftreten, sind freilich deutlich: Er kann auf den Topos von der Kirchenzucht nicht verzichten, will er sich nicht dem Vorwurf der Laxheit aussetzen. Er hat sich noch nicht dazu durchgerungen, sie ganz in die obrigkeitliche Sittenzucht zu überfuhren, obwohl sich dies bereits andeutet; vor allem im Vorwort an den Rat der Stadt Augsburg weist Musculus die Obrigkeit daraufhin, daß die Einrichtung der Zucht zu ihren vorrangigen Aufgaben gehört. Die versöhnende und auferbauende Dynamis brüderlicher Ermahnung macht sein eigentliches Anliegen deutlich, wie mit den Schwachen und Kleinen, denen, 26

W. Musculus (Anm. 17) Sp. 36a.

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die versagt haben und auf dem falschen Weg sind, umgegangen, besser: ihnen nachgegangen werden soll. Diesem Werk der Auferbauung aber scheint die Übung der Kirchenzucht, die in Gefahr steht, als falsch geübtes Richten den anderen zu verachten und damit Abfall und Schisma heraufzufuhren, konträr entgegen. Abschreckende Beispiele, die Musculus immer wieder zitiert, sind sowohl die päpstliche und bischöfliche Bannpraxis der katholischen Kirche wie auch die Täufer. Zucht und Strafe können die Einsicht nicht freisetzen, die für Versöhnung notwendig wäre. Diese spannungsreiche Auslegung Musculus' kann weiter erläutert werden, wenn die kirchlichen und obrigkeitlichen Ordnungen, in deren Rahmen er in Augsburg tätig war, kurz in den Blick genommen werden. Die Augsburger Kirchenordnung von 1537 bietet in ihrem ersten Teil einen längeren Abschnitt >Von der Kirchenzuchtkleine Bann< eingeführt. Damit er jedoch geachtet werde, sollte er nur nach vorheriger Unterrichtung und in Absprache mit dem Rat verhängt werden. Seebaß schreibt dazu: »Diese Bestimmung wurde zwar damit begründet, daß auf diese Weise der Ausschluß >mer ansehen habeblähen< sich die Mitchristen auf, sorgen sich selbstgerecht nur um die Reinheit des eigenen Lebens, das vor dem Hintergrund des düsteren Beispiels um so heller strahlen soll. Ut nemini curae esset, quid ab alijs gereretur: sed quisque satis putaret, si ipse eo, quo alij crimine non tenerent, imo ex aliorum delictis occasionem sibi gloriandi ac superbiendi desumeret [.. .].32 Weil das Vergehen des einen so für die anderen Anstoß zur Hypokrisis, zur selbstgerechten Überhebung wird, wird die Sünde eines Christen zu etwas, was alle, die ganze Gemeinde betrifft, zum alten Sauerteig, der die ganze Gemeinde durchsäuert. Es steht nicht in der Macht der Gemeinde, ob das Nachgehen, die Ermahnung zum Ziel fuhrt, zu Umkehr, zu Einsicht und Besserung. Die Gemeinde kann ermahnen und muß es sogar, um die Verlorenen zu suchen; und um dem Nachdruck zu verleihen, vermag sie sogar auf Zeit, wie in Korinth geschehen, einem den Zugang zur Gemeinde verwehren; das steht in ihrer Macht. Zur Einsicht und Umkehr zwingen kann sie freilich nicht. Was hier geschieht und bewegt wird, steht allein bei Gott. Discimus ergo hoc loco, quam non debeamus contenti esse nostra ipsorum innocentia, nisi et aliorum delicto primum deflere, deinde et charitatis studio emendare conemur. Unius peccatum obijcitur toti ecclesiae. Imo soli ecclesiae. Neque enim verbo ipsum scortatorem alloquitur Apostolus, sed toto capite ecclesiam obiurgat, et velut commisi criminis ream facit, hoc uno nomine, quod sua potestate ad castigandum delinquentem non fuerat usa. Et merito. Nihilo enim magis insons est eo qui delinquit, qui cum ex officio delinquentem debeat emendare, vel contemptu vel negligentia, delinquendi Uli impunitatem permittit,33 Im Anschluß an diese Auslegung zu Kapitel 5 geht Musculus in einem Exkurs darauf ein, was diese Exkommunikation bedeutet - nämlich nichts weniger als den vollkommenen Ausschluß von allem gemeinsamen Umgang: Est ergo talis separatio, qua prorsus omnis vitae consuetudo et communio negatur ßagitioso.34 32

W. Musculus (Anm. 31) S. 131. Auch hier unterläßt Musculus den polemischen Seitenhieb in die täuferische Richtung nicht: Sie sind für ihn den Korinthern ähnlich, die allzu fromm nur eigene Gerechtigkeit zu bewahren suchen, statt sich um den Anderen, Irrenden zu sor-

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W. Musculus (Anm. 31) S. 132. W. Musculus (Anm. 31) S. 146.

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Musculus räumt ein, daß es zwar nach dem Dafürhalten anderer auch eine Exkommunikation gibt, die sich allein auf die religiöse Gemeinschaft bezieht und den bürgerlichen Umgang nicht betrifft. Allerdings ist der Ausschluß, den Paulus in I Kor 5 fordert, für ihn nur umfassend zu verstehen, im Sinn des großen Bannes: Scio quibusdam excommunicationem esse, quae non humanae vitae sed religionis duntaxat societatem amputet. Ego vero illam malo iuxta hanc Apostoli sententiam deßnire, maxime propter causam supra assignatam, quod videlicet plerisque parum est religione separari a Christianis, modo reliqua vitae societas non denegetur, in quibus certe inefficax est religionis separatio,35 Die nächsten Anmerkungen von Musculus zielen auf die Bedingungen und die Grenzen, in denen die Banngewalt in der Gemeinde geübt werden kann; die erste Einschränkung findet sich auch sonst häufig und betrifft die Delikte: admonemur, [...] super qualibus delictis ferenda sit excommunicationis sententia. Non quaevis hac virga sunt castiganda in ecclesia, sed quae propter enormitatem suam regno Dei excludunt [...] reliqua sunt vel mansuetudine quadam corrigenda, vel patienter toleranda [...].36 Die nächste Einschränkung formuliert Musculus im Blick auf die Ziele, die so erreicht werden können und sollen, nämlich Buße und Besserung des Betreffenden einerseits, Bewahren und Auferbauen der kirchlichen Gemeinschaft andererseits. Nur wenn diese Ziele, oder zumindest eines davon, zu erreichen sind, kann die Übung kirchlicher Zucht und der Ausschluß in Betracht kommen. Schließlich fugt Musculus eine letzte Einschränkung an, die sich zunächst nur aus pragmatischen Überlegungen zu ergeben scheint. M.E. steht aber in ihrem Hintergrund die im Matthäuskommentar gewönne Einsicht von der verheißenen Einheit der Gemeinde, die über jeden aktuellen Konflikt und jedes gegenwärtige Schuldigwerden hinaus gilt. Musculus erläutert, weshalb die Exkommunikation in der Kirche nur selten angewendet werden kann und unterscheidet dabei zwei Fälle: Ecclesiae status raro talis est, ut isti excommunicationi sit locus. Ubi major pars ita delinquit, ut partem in regno Dei non habeat, fieri non potest, ut minor pars majorem excommunicare queat, nedum hoc ecxcommunicationis fines assequi. Nam alioqui res abiret in schismata, et boni frumenti extirpationem, non in zizaniorum emendationem. Crimina nanque quae in vulgari sunt consuetudine et a multitudine committuntur, parva putantur [...] Hic quippe

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W. Musculus (Anm. 31) S. 145f. W. Musculus (Anm. 31) S. 146.

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consilia separationis et inania sunt, quia malos non corrigunt, et alioqui et nobis e mundo esset egrediendum [...].37 Der Ausschluß aus der Gemeinde ist also für die Betroffenen selbst kein Weg, der sie zur Besserung fuhren wird, und auch für die Gemeinde selbst nicht heilsam; sie kann gespalten werden, Schwächere werden zum Abfall getrieben. Wenn dagegen nur einige sich falsch verhalten, die Mehrheit aber von diesen Fehlern frei ist, dann ist die Exkommunikation gerechtfertigt: Hic enim nullum est periculum schismatis ubi qui castigatur non habet multitudinis turbam in crimine sociam, vel talis non est, qui possit authoritate sua schisma instituere.38 In den Einschränkungen und Bedingungen, denen Musculus den Gebrauch der kirchlichen Zucht unterwirft, können wir wichtige Aspekte aus dem Kommentar zum Matthäusevangelium wiedererkennen: An erster Stelle steht die wiederholt eingeschärfte Forderung, sich um den irrenden Bruder zu mühen. Erneut beschwört Musculus die Gefahr des Schismas und der Verführung zum Abfall, die mit der Ausübung der kirchlichen Banngewalt verbunden ist. Schließlich ordnet Musculus die kirchliche Zuchtpraxis in den größeren Zusammenhang gemeindlicher Vollzüge ein, die für Musculus immer vom Prinzip der Auferbauung des Leibes Christi her strukturiert werden. Neben diese genannten Bedenken, die vor allem praktisch-kirchlichen Überlegungen folgen, zeigt sich schließlich noch eine Schwierigkeit in der Auslegung von I Kor 5, die Musculus nicht aufhellen kann. Es gelingt ihm letztlich trotz umfassender Kenntnis der patristischen Literatur nicht zu klären, was es bedeutet, einen Menschen dem Satan zu übergeben, ihn so auszugrenzen, dass die Gnade Gottes ihn durch das Wort nicht mehr ansprechen kann, und dies wohlgemerkt deshalb zu tun, damit er gerettet werde. Wie hier Bann und Exkommunikation zu Heil, zu Umkehr und Besserung fuhren können, bleibt für Musculus im Bereich des Unabwägbaren. Seine Bedenken, daß mit der Exkommunikation viel Schaden angerichtet werden könne, sowohl an dem Betroffenen selbst wie auch an der Gemeinde, werden dadurch verstärkt. Daß die Gemeinde zu solchen höchst gefährlichen und schwierigen Maßnahmen nicht greifen muß, wenn die gottesfürchtige Obrigkeit das Richtschwert gegen solche Delikte führt, erscheint darum wie eine große Erleichterung und Entlastung: Iam vero ubi in ecclesia sunt principes et magistratus, quibus dici potest: Servite domino in timore, qui potestate a deo accepta, carnem delinquentem in interitum ducere possunt, ut spiritus servetur in die Domini: merito cessavit mi-

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W. Musculus (Anm. 31) S. 146f. W. Musculus (Anm. 31) S. 147.

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raculosa ista delinquentium castigatio, quae tempore apostolorum ministerio facta est satanae, omnium periculosissimo, nisi adsit prudentia apostolica.39 Damit sind wir an die Stelle gelangt, die den Übergang bildet zu der Behandlung der kirchlichen Zucht in den >Loci CommunesDe ministris VerbiInfrastruktur< schafft dieses Werk (etwa hinsichtlich der Bibliothekskürzel, der ausgewerteten Bibliographien) Normen, an denen man in Zukunft nicht mehr vorbeikommen wird. Ausserdem hat sich auch der Kenntnisstand der Musculusforschung im engeren Sinne erweitert. Die Handexemplare der PRM-Bibliographien von Rudolf Dellsperger, dem Mentoren, und auch mein eigenes enthalten unterdessen eine grosse Menge von Fragezeichen, Korrekturen, Ergänzungen und Neueinträgen, das Suchraster hat sich sowohl verbreitert als auch verfeinert. Die Bibliotheken von Bern, Basel, Genf, Lausanne, Zürich und Thun (sowie Augsburg) konnten für neue diplomatisch getreue Aufnahmen beigezogen werden. All das lässt es geraten erscheinen, sich von PRM nicht mehr binden zu lassen. Z u m a n d e r n soll die neue Bibliographie der wissenschaftlichen Praxis dienen. Das lässt sprachliche und gestalterische Stringenz als wichtiger erscheinen denn Pietät gegenüber der grundlegenden Quelle; gleichzeitig legt es die frühe Gelegenheit nahe, auch einen nicht in allen Teilen perfektionierten Stand bereits zu publizieren. Ergebnis ist eine Bibliographie, welche PRM entschieden hinter sich zu lassen versucht, ohne von dessen Reichtum ganz unabhängig werden zu können.

Leitlinien - Der Text ist vollständig d e u t s c h gehalten oder bedient sich nur dann der Fremdsprachen, wenn die Quellen (und nicht deren sekundäre Bearbeitung durch PRM) dies erfordern. - Grundsätzlich ist versucht worden, möglichst viele Titel mindestens in bestimmten Teilen d i p l o m a t i s c h g e t r e u wiederzugeben. Das war ohne Pro6

Das hat vor allem mit den wohlbegründeten Aufnahmeprinzipien der Herausgebenden zu tun: In einem ersten Durchgang wurden vorwiegend die durch Autopsie erhobenen Bestände der beiden Trägerbibliotheken berücksichtigt und Meldungen anderer Bibliotheken nur vereinzelt und in keinem Falle abschliessend übernommen (vgl. VD 16 1. Abt. Bd. 1 S. XXVIIIf). So wurden zwar klassische Traditionsirrtümer grundsätzlich vermieden, aber auch Lücken zum vornherein >eingeplantoffene Briefe< etc.) sind - abgesehen von ihrer jeweiligen grundsätzlichen Bedeutung - von Interesse für die Näherbestimmungen äusserer Beziehungen. 9 - Die Bibliographie ist hinsichtlich einiger E i n z e l t i t e l e n t s c h l a c k t worden; einige schwach oder überhaupt nicht belegte Angaben von PRM, die sich in keiner Weise verbessern liessen, oder auch eindeutige Irrläufer wurden entfernt.

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Es kann mitgeteilt werden, dass a l l e Titel, welche in einer der grossen Schweizer Bibliotheken vorhanden sind, sofern notwendig diplomatisch exakt erfasst werden konnten. Weitere Arbeitsschritte werden die Titelaufnahme (mindestens) auf Europa ausdehnen müssen (u.a.: Paris, London, Bruxelles). Vgl. seinen Beitrag in diesem Band: Gottesdienst und Kirchenlied bei Wolfgang Musculus. S. 201-225. Ganz wenige Fährten seien in Kürzestform - in derjenigen einer VD 16-Nummer - festgehalten: B 3972; V 827; V 828; Z 840; Z 841; Z 842. Gewichtiger werden derzeit noch kaum beachtete Beiträge wie etwa derjenige zu Cosmas Alders >Hymni Sacri< (Bern 1553) sein.

Druckwerkeverzeichnis

des Wolfgang Musculus

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- Kommentierende Hinweise wurden auf b i b l i o g r a p h i s c h r e l e v a n t e K a t e g o r i e n beschränkt, von PRM sehr selektiv gebotene inhaltliche Hinweise jedoch entfernt. - Die Numerierungsform von PRM wurde nicht beibehalten; er hatte seinerzeit die Titel auf insgesamt sechs verschiedene Kapitel verteilt, gleichzeitig eine fortlaufende Numerierung der Einzeltitel vorgenommen und dort sowohl Auflistungen verschiedener Editionen unter der selben Laufhummer vorgenommen als auch durch Kleinbuchstaben bezeichnete Ausgabenvarianten deutlich gemacht. Ich habe mich dazu entschieden, Kapitel (allerdings in reduzierter Zahl) beizubehalten, innerhalb dieser dann jedoch je eine eigene Numerierung beginnen und in einer noch zu erläuternden Systematik für jeden Druck durchlaufen zu lassen.

Grundsätze der Beschreibung und der Darstellung a) Grundsätzliches - Jeder einzelne Druck weist eine eigene dreiteilige Nummer auf, welche eine eindeutige Zuordnung erlaubt. Die erste (römische) Ziffer verweist auf das Kapitel (I: Übersetzungen; II: Kommentare zur Heiligen Schrift; III: Predigten und polemische, katechetische und dogmatische Schriften); die zweite (arabische) Nummer bezeichnet ein bestimmtes Werk (beispielsweise: Basilius-Übersetzungen; Psalmenkommentar; Proscaerus); der abschliessende Kleinbuchstabe bezeichnet die Einreihung in die Folge der verschiedenen einzelnen Ausgaben oder Übersetzungen (bei »a« handelt es sich demzufolge stets um eine Erstausgabe). Hinter >DWV Musculus II,3,a< verbirgt sich also ganz eindeutig die Erstausgabe des Psalmenkommentars, hinter >DWV Musculus 111,17j< die zweite englische Version seiner Loci communes aus dem Jahr 1578. - Die Werke innerhalb eines Kapitels werden grundsätzlich chronologisch geordnet; die jeweiligen weiteren Auflagen, Übersetzungen, Teilausgaben, Auszüge etc. folgen der Erstausgabe ebenfalls in chronologischer Reihenfolge. Innerhalb einzelner Jahre wird die Reihenfolge hingegen rein alphabetisch bestimmt. - Diplomatisch getreue Aufnahmen sind durch Fettdruck gekennzeichnet; alle anderen, bei denen eine Autopsie eines Originals (sei es durch Herausgeber von Werken mit entsprechenden Standards, sei es durch freundliche Hilfe von Fachleuten, sei es durch mich selber) nicht möglich war (also auch diplomatisch getreue Aufnahmen von Mikroverfilmungen), finden sich in magerem Schriftzug.

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Marc van Wijnkoop Lüthi

b) Zur Konzeption der einzelnen Aufnahme - Der Titel steht in jedem Falle kursiv gesetzt; Erstauflagen sind unterstrichen. Die Aufnahme der eigentlichen Werktitel erfolgt diplomatisch: Orthographie, Zeichensetzung und Zeilenumbrüche der Originale werden übernommen. Zeilenenden werden durch || gekennzeichnet, allfällige Auslassungen durch [...] angezeigt. Klammern innerhalb des Originaltitels werden mit gekennzeichnet. - Gelegentlich können sekundäre wissenswerte I n f o r m a t i o n e n nachgetragen werden (Hinweise auf Übersetzer, Beiträger und ähnliches). Diese Angaben erfolgen in jedem Falle nicht diplomatisch, und sie stehen eher zufällig als systematisch. Soweit sie für die Näherbestimmung des Werks nicht grundlegend notwendig sind, finden sie sich in den Anmerkungen. - Der nächste Absatz vermittelt Angaben zu D r u c k o r t , D r u c k s t ä t t e und D r u c k j a h r . Unbekannte Druckstätten werden nicht eigens kenntlich gemacht. Im Hinblick auf raschere Orientierungsmöglichkeiten wurde hier auf diplomatische Aufnahme auch dann verzichtet, wenn die entsprechenden Informationen zugänglich gewesen wären. Hingegen ist die Herkunft der jeweiligen Informationen bei diplomatisch erfassten Titeln auch bei der vereinheitlichten Umsetzung ablesbar: Angaben ohne Kennzeichnung verdanken sich der Autopsie des Titelblatts, was in (runden) Klammern gesetzt wird, ist dem jeweiligen Buchinnern entnommen, Hinweise in [eckigen] Klammern kennzeichnen äussere Informationen wie z.B. Bibliographien oder Typenvergleich. - Angaben zu F o r m a t , U m f a n g und B e i w e r k erfolgen stets auf dem bestmöglichen Wissensstand. Das Format wird nach der Brechung des Bogens angegeben und in Kürzestform (2°, 4° etc.) notiert. Der Umfang des Werks wird nach Blatt (Bl.), Seiten (S.) oder Spalten (Sp.) wiedergegeben; ungezählte, fehlende oder zu ergänzende Seiten werden in [eckigen] Klammern eingetragen. - Bei diplomatisch getreuen Titelaufnahmen steht die z u s t ä n d i g e B i b l i o t h e k mit in Klammern beigefügter Signatur (in Ausnahmefällen anstelle einer Bibliothek auch die entsprechende Sekundärquelle) alleine und kursiv gesetzt auf einer ersten Bibliothekszeile. Stammt die Titelaufnahme vom VD 16, so wird die dortige Nummer oder der Verweis >Supplement< am rechten Rand beigefügt; habe ich die Autopsie selber vorgenommen, so unterbleibt jeder weitere Verweis. - Alle allfälligen weiteren Bibliotheken, welche über den entsprechenden Titel verfügen, werden bei diplomatischen Aufnahmen in einer zweiten, bei allen anderen in einem weiteren Absatz in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Ist die Signatur eines Werks innerhalb einer bestimmten Bibliothek bekannt, so wird sie (in runden Klammern) beigefügt. Bei allen Titeln, bei denen sich die

Druckwerkeverzeichnis

des Wolfgang Musculus

357

Informationen ausschliesslich auf PRM stützen, wird dessen Laufhummer am rechten Rand beigefugt. - Hinweise auf allfällige Zweitexemplare, auf Besitzervermerke und weitere Kommentare aller Art finden sich grundsätzlich in den Fussnoten.10

Arbeitshilfen Die vorliegende Bibliographie ist aus vielen und verstreut bereits genannten Gründen nicht der Weisheit letzter Schluss: Manche Ausgabe wird noch präziser bibliographiert werden können, die eine oder andere wird sich möglicherweise noch als Phantom entpuppen, und mit recht hoher Sicherheit werden im Laufe der Jahre gezielter Suche auch noch weitere Ausgaben bereits bekannter Titel auftauchen. Ausserdem blieben ja auch ganze Gattungen vorerst weitgehend ausgeblendet. Andrerseits müsste es möglich sein, im Zuge der weiteren Musculus-Forschung in nächster Zeit mit dieser Bücherliste das meiste zuordnen und abdecken zu können. Dazu möchten folgende Hilfen dienen: - Das Numerierungssystem erlaubt eine präzise Zuordnung von Einzelwerk und Kürzel. Ich schlage deshalb vor, künftig mit dem dreistelligen System und dem vorgeschlagenen Kürzel dieses Verzeichnisses (»DWV Musculus«) zu arbeiten. - Um die durchgehende Chronologie von Musculus' schreibendem Schaffen, die durch die Aufteilung in Kapitel und durch die Zusammenfassung von einzelnen Ausgaben in Werkstammbäume aufgebrochen worden ist, wieder sichtbar zu machen, ist am Schluss und unter Benutzung der Kürzel eine chronologische Gesamttabelle beigefugt worden. - Eine strikt alphabetische Liste der Titelanfänge soll es ermöglichen, jedes Werk innert nützlicher Frist an seinem Ort im ausführlichen Verzeichnis auffinden zu können. - Und schliesslich haben Personen und Orte auch dieser Bibliographie Eingang in das Register des Gesamtbandes gefunden.

10

Dank der Aufmerksamkeit und der Mühen, welche Margaret Eschler (Stadtbibliothek) und Martin Germann (Burgerbibliothek) dem Berner Bestand gewidmet haben, ist es möglich geworden, für die entsprechenden Bände Beschreibungen beizufügen, welche ebenso aussergewöhnlich als hilfreich sind (Hinweise zu handschriftlichen Notizen, Angaben zu Umschlagherstellung und -gestaltung). Ihnen gebührt für diese grosse Arbeit, welche mir freundlicherweise ohne weiteres für die Einarbeitung in das DWV zur Verfügung gestellt worden ist, herzlichen Dank.

358

Marc van Wijnkoop Lüthi

Dank Die Idee, im Rahmen des vorliegenden Tagungsbandes eine aktualisierte Bibliographie der Werke von Wolfgang Musculus vorzulegen, wurde erst anlässlich der Augsburger Tagung geboren. Die Arbeit, die nun in recht kurzer (zu kurzer) Zeit entstanden ist, war in jeder Phase von freundlicher und engagierter Hilfe abhängig. Ohne die Notizen, das Wissen und die Ermutigung von R u d o l f D e l l s p e r g e r wäre der Versuch gar nicht erst begonnen worden. Ohne die fachlichen Hinweise des Spezialisten in der Staats- und Stadtbibliothek in Augsburg, H a n s J ö r g K ü n a s t , wäre Manches und Zentrales übersehen worden. Ohne die zahlreichen Mitteilungen aus verschiedenen s c h w e i z e r i s c h e n u n d d e u t s c h e n B i b l i o t h e k e n wäre die Arbeit nicht rasch genug vorangekommen. Ohne die Ratschläge von M a r i a n n e und R e i n h a r d B o d e n m a n n in Genf wären Denkfehler nicht vermieden worden, die Pforten zum >paradis< der Genfer Bibliothek verschlossen und dessen Neonröhren dunkel geblieben. Ohne die Aufmerksamkeit des Schlosskonservators von Thun, D a n i e l K r a m e r , wäre das einzige Musculus-Exemplar der Bibliothek meiner Heimatstadt vielleicht verloren gegangen. Ohne die Geduld und Mühe des zuverlässigen Freundes R o l f Z a u g g würde nach Ordnung in der Datenflut vergeblich Ausschau gehalten. M a r g a r e t E s c h l e r schliesslich, Fachfrau für Alte Drucke an der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern, hat mich in so grundlegender Weise und mit einer derartigen Hingabe zur Sache mit manchem Geheimnis der Welt namens >Buch< vertraut gemacht, dass ihr die entsprechende Frucht mit herzlichem Dank zugeeignet sein mag.

Druckwerkeverzeichnis des Wolfgang Musculus

Abkürzungsverzeichnisse Abkürzungen der Bibliotheken Aix BM AmsUB AnnAMIC UM AntwMP AntwRG Asch SB Augsb SB BaltMAR JH Bas UB BerkCAL GT BerkCAL UC Beri ÖW Bern LB Bern SB BlooIND IU Braun SB Brem SB Brug GS Brüx BR Brüx ME Cam Cai Cam Cla Cam Corp Cam Emm Cam Joh Cam Magd Cam Pemb Cam Pet Cam Qu Cam Sid Cam TH Cam Tr Cam UL CambMAS AH CambMAS HU CharVIR UV ChicILL NL ChicILL UC ClevOHI WH Cob LB Col SB ColuOHI OU

Aix-en-Provence, Bibliothèque Méjanes Amsterdam, Universiteitsbibliotheek Ann Arbor/Michigan, University of Michigan Antwerpen, Museum Plantin-Moretus Antwerpen, Ruusbroec-genootschap Aschaffenburg, Stiftsbibliothek Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek Baltimore/Maryland, John Hopkins University Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität Berkeley/California, Graduate Theological Union Berkeley/California, University of California Berlin, Öffentlich Wissenschaftliche Bibliothek Bern, Landesbibliothek Bern, Stadt- und Universitätsbibliothek Bloomington/Indiana, Indiana University Braunschweig, Stadtbibliothek Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek Brugge, Groot Seminane Bruxelles, Bibliothèque Royale de Belgique Bruxelles, Musée Erasme Cambridge, Library of the College »Gonville and Caius« Cambridge, Library of the College »Clare« Cambridge, Library of the College »Corpus Christi« Cambridge, Library of the College »Emmanuel« Cambridge, Library of the College »St. John's« Cambridge, Library of the College »Magdalene« Cambridge, Library of the College »Pembroke« Cambridge, Library of the College »Peterhouse« Cambridge, Library of the College »Queens'« Cambridge, Library of the College »Sidney Sussex« Cambridge, Library of the College »Trinity Hall« Cambridge, Library of the College »Trinity« Cambridge, University Library Cambridge/Massachusetts, Harvard University, Andover-Harvard Theological Library Cambridge/Massachusetts, Harvard University Charlottesville/Virginia, University of Virginia Chicago/Illinois, Newberry Library Chicago/Illinois, University of Chicago Cleveland/Ohio, Western Reserve Historical Society Coburg, Landesbibliothek Colmar, Bibliothèque Municipale Columbus/Ohio, Ohio State University

359

360 DaviCAL UC DecoIOW LC DetrMIC BC DresLB DurhNOC DU DüssUB Edinb UL EvanILL GS Freib UB FrfSB Genf BU Gotha FB GrenBM HarrVIR EM Heid UB IthaNYO JenaUB Karl LB KielUB Kons HS Kons UB Laus BC Leid UB Lond BM Lond PC LünRB Mann UB Mar AB MinnMIN UM Mü SB Mü UB MünUB Neuch BU NewHCON YU NewY CU NewY GP NewY UT NüGN OffbSB OxfBL Par BM Par BN Par BP Par BSG PhilPEN LT PhilPEN WS PrinNJe PU PrinNJE TS

Marc van Wijnkoop Liithi Davis/California, University of California Decorah/Iowa, Luther College Detroit/Michigan, Detroit Public Library, Burton Historical Collection Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Durham/North Carolina, Duke University Düsseldorf, Universitätsbibliothek Edinburgh, University Library Evanston/Illinois, Garett Theological Seminary Freiburg/Breisgau, Universitätsbibliothek Frankfurt a.M., Stadt- und Universitätsbibliothek Genève, Bibliothèque Universitaire Gotha, Forschungsbibliothek Grenoble, Bibliothèque Municipale Harrisonburg/Virginia, Eastern Mennonite College Heidelberg, Universitätsbibliothek Ithaca/New York, Cornell University Jena, Universitätsbibliothek Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Kiel, Universitätsbibliothek Konstanz, Heinrich-Suso-Gymnasium Konstanz, Universitätsbibliothek Lausanne, Bibliothèque Cantonale et Universitaire Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit London, British Museum (heute: British Library) London, St. Paul's Cathedral Lüneburg, Ratsbücherei Mannheim, Universitätsbibliothek Maredsous, Abbaye Bénédictine Minneapolis/Minnesota, University of Minnesota München, Bayerische Staatsbibliothek München, Universitätsbibliothek Münster, Universitätsbibliothek Neuchâtel, Bibliothèque Universitaire New Haven/Conneticut, Yale University New York, Columbia University New York, General Theological Seminary of the Protestant Episcopal Church New York, Union Theological Seminary Nürnberg, Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums Offenburg, Stadtbücherei Oxford, Bodleian Library Paris, Bibliothèque Mazarin Paris, Bibliothèque Nationale Paris, Bibliothèque de la Société de l'Histoire du Protestantisme français Paris, Bibliothèque Saint-Geneviève Philadelphia/Pennsylvania, Lutheran Theological Seminary, Krauth Memorial Library Philadelphia/Pennsylvania, Westminster Theological Seminary Princeton/New Jersey, Princeton University Princeton/New Jersey, Princeton Theological Seminary

Druckwerkeverzeichnis des Wolfgang Musculus ProvRHI BU Rom BV SacrCAL CL SanACAL FS SanMCAL HH Schaff SB Sél BM St. Gai SB St. Trui IF Stras BCW Stras BM Stras UB StuLB Thun SB Trier SB TübUB Ulm SB UrbaILL UI UtrUB WashDC FL WashDC LC Weim ZB Wf Wien NB Winth SB WorcMAS AA York M ZiirZB

361

Providence/Rhode Island, Brown University Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana Sacramento/California, California State Library San Anselmo/California, San Francisco Theological Seminary San Marino/California, Henri E. Huntington Library Schaffhausen, Stadtbibliothek Sélestat, Bibliothèque Municipale St. Gallen, Stadtbibliothek St. Truiden, Instituut voor Franciscaanse geschiedenis Strasbourg, Bibliothèque du CollegiumWilhelmitanum Strasbourg, Bibliothèque Municipale Strasbourg, Bibliothèque Nationale et Universitaire Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Thun, Stadtbibliothek Trier, Stadtbibliothek Tübingen, Universitätsbibliothek Ulm, Stadtbibliothek Urbana/Illinois, University of Illinois Utrecht, Bibliotheek der Rijksuniversiteit Washington/DC, Folger Shakespeare Library Washington/DC, Library of Congress Weimar, Zentralbibliothek der deutschen Klassik (jetzt: Herzogin Anna Amalia Bibliothek) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Wien, Österreichische Nationalbibliothek Winterthur, Stadtbibliothek Worcester/Massachusetts, American Antiquarian Society York, Minster Zürich, Zentralbibliothek

Abkürzungen der Bibliographien und Spezialliteratur Adams BBVK BC BL Bioesch BM.GC BN

Catalogue of books printed on the continent of Europe, 1501-1600, in Cambridge libraries. Ed. by Herbert Mayow Adams. Cambridge 1967 Basler Buchdrucker- und Verlegerkatalog [Karteikatalog in Bas UB] Conrad Borchling, Bruno Claussen: Niederdeutsche Bibliographie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis 1800. Neumünster 19311936. Nachtrag 1957 Bibliographie Lyonnaise. Recherches sur les imprimeurs, libraires, relieurs et fondeurs de lettres de Lyon au XVIe siècle. Hg. v. J. Baudier. Paris 1964. Bd. 8 (Neudr.) Hans Bioesch: Dreissig Volkslieder aus den ersten Pressen der Apiarius. In Faksimiledruck herausgegeben mit [...] Bibliographie. Bern 1937 British Museum: General Catalogue of printed books. London 1959ff Catalogue général des livres imprimés de la Bibliothèque Nationale. Auteurs. Paris 1897ff

362

Marc vati Wijnkoop Lüthi

BT DDB Early Engl. Gilm NUC Poll&Red PRM PRM 2 ULCP

Belgica Typographica 1541-1600. Hg. v. Geneviève Glorieux, Bart op de Beeck. Niewkoop 1965ff Deutsche Drucke des Barock 1600-1720 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Begründet v. Martin Bircher. Nendeln 1977ff Early English books. 1475-1640. Mikrofilme. Ann Arbor/Mich. 1938ff Jean-François Gilmont: Bibliographie des éditions de Jean Crespin 1550-1572. Verviers 1981 (Livre - idées - société. 2). 2 Bds. The National Union Catalog. Washington/DC 1953ff A.W. Pollard, G. R. Redgrave: A Short-Title Catalogue of Books Printed in England, Scotland, & Ireland and of english Books printed abroad 1475-1640. 2. Aufl. London 1976. Bd. 2. Paul Romane-Musculus [allenfalls 1963] Paul Romane-Musculus (1966) Union Library Catalogue of Pennsylvania. Philadelphia

Weitere Abkürzungen D H MF RS T TE TH WM

Druckermarke(n) Holzschnitt(e) Mikrofilm alterniernder Rot-Schwarz-Druck des Titelblatts Tabelle Titeleinfassung Titelholzschnitt Wolfgang Musculus

Alle weiteren verwendeten Abkürzungen richten sich nach dem für den vorliegenden Band gültigen Abkürzungsverzeichnis.

Druckwerkeverzeichnis

des Wolfgang Musculus

363

Bibliographie I. Übersetzungen 1.1,a

Vom Ampi der ober II kait/in Sachen der religion vnd Gots- II diensts. Aiti bericht auß eo'tlicher schrifft /des hailieen alten lerers und Bischoffs Au= II Bustini/an Bonifacium den Kay= II serlichen KrieesGrauen II inn Aphrica. II Ins Teütsch Bezogen /durch Wolfeaneum II Meüßlin / Prediser bevm Creütz II zu" Ausspure. II Mit ainer Vorrede / vnd zu" end des Bu'chs II mit ainem kurtzen bericht/von der allee- II mainen Kirchen /Marti: II Buceri11 Augsburg, Philipp Ulhart, [1535] 4°, 30 Bl. Augsb SB (4° Aug 930) Beri ÖW; Edinb UL; Frf SB; Lond BM (3906. cc. 8); Mü SB; Müll UB; Sèi BM (Walter 866); Stras BCW; Stras UB (R 102785); Ulm SB; Wien NB

1.2,a

JOANNIS CHRY II SOSTOMI ARCHIEPISCOPI CONSTANTINOPOHTANI IN II OMNES II D. PA VLI epistolas commentarli, quotquot apud Graecos extant II latinitate donati, quorum bona pars quae hactenus de/ II siderabatur, recens à D. WOLFGANGO II Musculo traducta est. II Puis cuiusa: commentarii fuerit interpres, ini- Il tiis epistolarum coenoscere licebit Basel, Officia Johannes Herwagen, 1536 2°, [4] Bl., 1208 [= 1318] S., [1] Bl., D Mü SB (2° P. gr. 90) VD 16: J 433 Bas UB (F J VI 19); Diiss UB (P. Eccl. 75); (Lond BM (3913. f. 16); Sèi BM; Stras BM; Wf (D 191. 2° Helmst.)

1,2,b

OPERA II D. IOANNIS CHRYSO= || STOMI ARCHIEPISCOPI CONSTAN || TINOPOLITANI, QVOTQVOT PER GRAECOR VM EXEM/1| plarium facultatem in Latinam linguam hactenus traducipotuerunt, ad uetu/\\ stissimorum codicum fldem natiuae ìntegritati decoriqe suo reddito, per || uiros in utraq; lingua insigniter exercitatos, idqe citra ullas no- || ui autperegrini dogmatis aspergines, quorum || Catalogus sub principium ex- || plicabitur. [...]'2 Basel, (Johannes Erasmus Froben) und Johannes Herwagen d.Ä., Februar 153913

11

12

13

Exakte bibliographische Angaben sowie eine Neuedition der bucerischen Teile des Werks finden sich in: Martin Bucers deutsche Schriften. Hg. v. Robert Stupperich. Gütersloh 1984. Bd. 6,2. S. 17-38. Bd. 1 enthält einen (undatierten) Brief des Erasmus von Rotterdam an Fürstbischof Christoph von Stadion ( [...] T. IV: (INEPISTOLAMPAVLI\\ AD ROMANOS [...] || Volfgango Musculo interprete.]]) [...] ( ENARRATIO IN EPISTOLAM AD EPHE/]] sios, Vuolfgango Musculo interprete. |[) (ENARRATIO IN EPISTOLAM PAVLI AD II Philippenses ä Vuolfgango Musculo latiné conuersa. ||) (ENARRATIO IN EPISTOLAM PAVLI AD || Colossenses [...] || Vuolfgango Musculo interprete (IN EPISTOLAM PRIOREM AD || Thessalonicenses. Vuolfgango Musculo interprete. ID (COMMENTARIORVMINEPI/]] stolam ad Thessalonicenses II. || FINIS. ||) (eodem || interprete. ||) [...] Basel, Hieronymus Froben und Nikiaus Episcopius, 1547 2°. Bd. 1: [12] Bl., 854 Sp., [1] S., D; ... Bd. 4: 1878 Sp., [1] S., D; Bd. 6 [Indices]: [118] Bl., D Mü UB (2° P. eccL 188) VD 16: J 401 Düss UB (Ev. G. 60 fol.); Mtt SB (2° P. gr. 7117)

14

15 16 17

Die fünf Bände sind in ungleich gutem, tendenziell aber gefährdeten Zustand: Einige Deckel sind weggebrochen, und Wurmlöcher haben einzelne Seiten fast aufgelöst. VD 16 meldet Band 2 als unvollständig. WM wird hier gemeinsam (und nur) mit Desiderius Erasmus genannt. Die Ausgabe wird von VD 16 als »nicht mehr vorhanden« gemeldet.

Druckwerkeverzeichnis des Wolfgang Musculus I,2,f

365

In epistola Pauli ad Romanos D. Ioannis Chrysostomi fermo primus18 Paris, 1548 8°

Par BSG 1,2,g

PRM 2b

OPERA II D. IOANNIS CHRYSO/1| STOMI, ARCHIEPISCOPI CONSTAN= || TINOPOLITANI, QVOTQVOTPER GRAECORVMEXEM/\\plariumfacultatem in Latinam linguam hactenus traducipotuerunt [...] || [Komm, v.] (DES. ERA/1| smus Roterodamus [...] \\); [Hg.v.] (Sigismundus Gelenius [...]||) [...J T. IV: (IN EPISTOLAMPAVLI || AD ROMANOS [...] || Vuolfgango Musculo interprete.]^ [...] (ENARRATIO IN EPISTOLAM PAVLI AD \\ Philippenses à Vuolfgango Musculo latinè conuersa. ||> (ENARRATIO IN EPISTOLAM PAVLI AD || Colossenses [...] || Vuolfgango Musculo interprete (ENARRATIO IN EPISTOLAMPRIOREMW ad Thessalonicenses, Vuolfgango Musculo interprete. |[) (ARGVMENTVMEPISTOLAE POSTE/1| rioris ad Thessalonicenses, eodem || interprete. [...] Basel, Hieronymus Froben und Nikiaus Episcopius, 1548 2°. Bd. 1: [10] Bl., 980 Sp., [1] Bl., D ; . . . Bd. 4: 1886 Sp., [1] S., D; Bd. 6 [Indices]: [108] BL, D Kiel UB (V1288) VD 16: J 402 Mü SB (2° P. gr. 7219)

I,2,h

Johannes Chrysostomus, Enarrationes in divi Pauli epistolas, ad Timotheum II. Titum, Philemonem, & Hebraeos. Antwerpen, Officin Grapheus durch Johannes Steelsius, 1556 269, [3] Bl. BT 6072 Brüx BR (II 41.302 A); Brüx ME (E 355); Mar AB (453-803-2b); St. Trai IF (X 13)

1,2 j

Johannes Chrysostomus, In omnes D. Pauli epistolas commentarii, quotquot apud graecos extant. Latinitate donati & recens a multis mendispurgati [...] Antwerpen, Officin Johannes Steelsius, 1556 [8], 517, [3] Bl. BT 6073 Antw RG (3115 i 1); Utr UB (AB-THO: RIJS 013-52)

1,3*

OPERA II D. BASILIIMAGNI CAE II SARIAE CAPPADOCIAE EPISCOPI II OMNIA, SIVE RECENS VERSA, SIVEAD GRAECOS II archetypos ita collata per Wolfeangum II MVSCVLVMDusanù, utaliam II omnino facie sumpsis- II se videantur. II Quorum Cataloeus inseauitur praefationem Basel, Officin Herwagen, 1540

18

Lateinische Übersetzung durch W. Musculus in einer Übersetzung der Kommentare des Chrysostomos zum Brief an die Römer und zum ersten Brief an die Korinther (Übersetzung der Kommentare zum letztgenannten Brief durch Franziskus Aretin oder Accolti). " Die Ausgabe wird von VD 16 als »nicht mehr vorhanden« gemeldet.

366

Marc van Wijnkoop Lüthi 2°. Bd. 1: [6] Bl., 581 [= 561] S., D; Bd. 2: 238 [= 438] S., [14] Bl., D Mü SB (2° P. gr. 35) VD 16: B 643 Asch SB (C-569); Bas UB (F K VII 320); Frib UB (K 918); Gren BM; Lond BM (692 k. 3.); Par BSG; Utr BR (AB-THO: RAR 8-2)

1,3,b

OPERA II D. BASILIIMAGNI || CAESARIAE CAPPADOCIAE || EPISCOPI OMNIA: II lam recensper WOLFGANGVMMV/\\ SCVLVMpartim locis aliquot ca/II sfigata, partim luculentis acces- || sionibus aucta. || Quorum Catalogus insequitur Praefationem. Basel, durch Johannes Oporin und Johannes Herwagens Erben, (September) 156521 2°. Bd. 1: [6] Bl., 484 S., [10] Bl., D; Bd. 2: 388 [= 387) S., [8] Bl.; Bd. 3: 491 [= 487] S., [5] Bl., D Mü SB (2° P. gr. 3832) VD 16: B 645 Ams UB; Genf BU (O 216); Kiel UB (Qh 789); Lond BM (3627. f. 5.); Utr UB (AB-THO: VEN); Wf (246.2.4 Theol. 2°)

1,3 ,c

Basilius, Omnia quae in hunc diem latino sermone donata sunt opera [.. ,]23 Antwerpen, Philipp. Nutius, 1567 1043 S. Brüx BR (VB 10501 C)

1,3 ,d

BT 7854

Basilius, Omnia quae in hunc diem latino sermone donata sunt opera [.. ,]24 Antwerpen, Philipp Nutius, 1568 1043 S. BT 5165 Brüx BR (LP 3291 C)

1,3 ,e

Basilius, Omnia [... ] opera [... ] Antwerpen, Philipp Nutius, 1569 BT 263 Brüx BR (LP 3120 C)

1,3 ,f

20

21 22 23 24 25

Basilius, Omnia quae in hunc diem latino sermone donata sunt opera [.. ,]25 Antwerpen, Philipp Nutius, 1570 1043 S.

Das Ex. trägt den handschriftlichen Besitzervermerk Bonifacij Amerbachij. Basilen. und ist praktisch durchgehend mit Unterstreichungen und Randglossen versehen. Der BBVK kennt eine entsprechende Ausgabe, nennt jedoch Erasmus als Herausgeber. Die Ausgabe wird von VD 16 als »unvollständig« bezeichnet. WM wird als einer der zahlreichen Übersetzer genannt. WM wird als einer der zahlreichen Übersetzer genannt. WM wird als einer der zahlreichen Übersetzer genannt.

Druckwerkeverzeichnis

des Wolfgang Musculus

367 BT 5166

Antw MP (2-71); Brug GS (A 3289); Brüx BR (LP 5019 C) 1,3 ,g

Opera D. Basilii Magni Caesariae Cappadociae Episcopi omnia [... ] per W. Musculum [...] 1603 Lond BM (474. f. 10.)

1,3 ,h

Sancii patris nostri Basilii Magni opera omnia26 Paris, Claude Morelli, 1618 2°, drei Bände Par BN

PRM 3

Sancii patris nostri Basilii Magni opera omnia27 Paris, Sebastian Cramoisy, 1618 2°, drei Bände Par BN

PRM 3

Sancii patris nostri Basilii Magni opera omnia28 Paris, Sebastian Cramoisy, 1638 2°, drei Bände Par BN

PRM 3

Basilii Magni Opera, latine, partim locis aliquot castigata, partim luculentis accessionibus aucta Mayence, 169229

PRM 3

1,3 j

1,3 ,k

1,3,1

1,4,a

26

27 28 29

OPERVM II DIVI CYRILLIALE= II XANDRINIEPISCOPI TOMI QVA= II TVOR, OVORVMPOSTREMVS NVNCRECENS II accedit, ex eraecis manuscriptis exemplaribus fide- II liter latinitate donatus. II Cuiuis Tomi elenchum, & quidauouis libro doceatur mox II seauentes vaeinae habent. II Cum Indice totius operis rerum & uerborum. [...1 T. IV: f.,.1 Evistolae XXXIX. II (Vuolffeaneo Musculo interprete. II ) [...1 HomiliaeX II (Wolfeaneo II MVSCVLOINTERPRETE. II ) (inter II terprete II SEBASTIANO CASTALIONE. II) [...1 Apologia ad Imperatorem Theodosium. II (WOLFGANGO II MVSCVLO INTERPRETE. II ) [...1 Declaratio XII capitum. alias Anathematismorum. || (WOLFGANGO MVSCVLO || interprete. II ) 1—1 Synodales evistolae XII. II (WOLF= II eanso Musculo interprete. II ) [...1 Doemata Nestoriì à Cvrillo primum impugnata, deinde II ab Ephesina Synodo condemnata. II [Übers, v.l (WOLFG. MVSCVLVS. II )

PRM formuliert wörtlich: »La traduction de Basile par W. Musculus a été copieusement utilisée [...]«. Der Text ist sowohl griechisch als auch lateinisch wiedergegeben. Vgl. oben Anm. 26. Vgl. oben Anm. 26. Hinweis von PRM ohne jeden Beleg. Wiederum mag der Hinweis aufgrund der präzisen Angaben zu Ort und Jahr aufgenommen bleiben.

368

Marc van Wijnkoop Lüthi Basel, Johannes Herwagen, 1546 2°. Bd. 1: [51 Bl., [1] S., 2-771 Sp., D; ... Bd. 4: [1] Bl., 303 Sp., [15] Bl., D Mti SB (2° P. gr. 129) VD 16: C 6568 Bas UB (FK V 1); Lond BM (L. 19. e. 4.)

1,4,b

DIVICYRILLI || ALEXANDRINI || EPISCOPITHEOLOGI || PRAESTANTISSIMI OPERA QVAE HACTE= || NVS HABERIPOTVERE, IN TOMOS QVINQVE || digesta: nam quintus hac editione accessit. || Cuiusuis Tomi elenchum, & quid quoq; libro doceatur || sequentespaginae indicabunt || Cum Indice totius operis rerum & uerborum. Basel, Erben des Johannes Herwagen und Eusebius Episcopius, 1566 2°. Bd. 1: [6] Bl., 1 S. + 770 Sp. [= 771], D; ... Bd. 4: [1] Bl., 1 S. + 302 Sp. [= 303], [1] Bl. blank, [16] Bl., D, T; 5. Bd.: [10] BL, 646 Sp., [1] S., D Wf (AL VENSLEBEN Bb 171) VD 16: C 6570 Bas UB (F K V 2); Kiel UB (V 1286); Par BN

1.4,c

[Cyrill Werkausgabe] 30 Enthaltend Übersetzungen des WM und hg. durch M. Sonnius Paris, 1572 2°

[Kein Belegexemplar]

PRM 4a

1.5,a

ECCLESIASTICAE II HISTORIAE AVTORES II Eusebii Pamphili [...1 historiae Ecclesiasticce lib. XII Vuolfeaneo Musculo interprete. II Ruffini [...1 historiae Ecclesiasticae lib. II II Eusebii Pamphili De uita Constantini lib. V II itidem ä Musculo latini facti. II Socratis Scholastici [...1. eodem interprete. lib. VII II Theodoriti [...1. Ioachimo Camerario interprete. lib. VW Hermii Sozomeni I...1. Musculo interprete. lib. DC II Theodori Lectoris collectaneorum exhistoria Ecclesiastica lib. II II eodem interprete. II Euaerii Scholastici, eodem interprete lib. VI. Basel, Hieronymus Froben und Nikolaus Episcopius, 154931 2°, [6] Bl., 806 S., [1] Bl. blank, [34] Bl. Mü SB (2° P. gr. c. 62) VD 16: E 4278 Bas UB (F K V 6); Lond BM (3625. f. 7.); Utr UB (AB-THO: RIJS 303-33); Wf (199.7 Theol. 2°); Zür ZB (Dr M 436 32 )

I,5,b

ECCLESIASTICAE || HISTORIAE AVTORES || Eusebij Pamphili [...] historiae Ecclesiasticae. lib. X || Vuolfgango Musculo interprete. || Ruffini [...] historiae Ecclesiasticae. lib. II || Eusebij Pamphili De uita Constantini, Musculo interprete.

30

31

32

PRM liefert diesen Hinweis ohne jeden konkreten Beleg wie beispielsweise schon nur einen präzisen Titel. Weil hingegen ein Herausgeber genannt ist, mag der Verweis aufgenommen und der späteren Prüfung anheimgestellt sein. Das Werk wird durch die vorangestellte Dedikationsepistel (*2'-*4 v ) des WM unter dem Datum des 11. [oder 2.?] Juli 1549 dem englischen König Edward VI. gewidmet. Bei diesem Ex. handelt es sich um das Widmungsexemplar von WM für Heinrich Bullinger.

Druckwerkeverzeichnis des Wolfgang Musculus

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lib. V. || Socratis Scholastici [...], eodem interprete. lib. VII \\ Theodoriti [...], Ioachimo Camerario interprete. lib. V\\ HermijSozomeni [...], Musculo interprete. lib. IX || Theodori Lectoris collectaneorum ex historia Ecclesiastica, lib. II. || eodem interprete. || Euagrij Scholastici, eodem interprete. lib. VI. || Index memorabilium rerum sub finem additus est copiosissimus. Basel, (Hieronymus) Froben (und Nikolaus Episcopius, März) 1554 2°, [6] Bl., 806 S., [35] Bl., D Mü SB (2° P. gr. c. 63) VD 16: E 4279 Bas UB (F. NP. I. 27); Cob LB (Cas A 5061); Mü UB (2° P. eccl. 791); Wf (199.7.1. Theol. 2°) I,5,c

ECCLESIASTICAE || HISTORIAEAVTORES || EusebijPamphili [...] historiae Ecclesiast. lib. X|| VuolfgangoMusculo interprete. || Ruffini [...] historiae Ecclesiasticae. lib. II || Eusebij Pamphili De uita Constantini, Musculo interprete. lib. V\\ Socratis Scholastici [...], eodem interprete. lib. VII || Theodoriti [...], Ioachimo Camerario interprete. lib. V \ \ Hermij Sozomeni [...], Musculo interprete. lib. IX || Theodori Lectoris collectaneorü historiae Ecclesiast. eode interp. lib. II || Euagrij Scholastici, eodem interprete. lib. VI || Dorothei, episcopi Tyri Synopsis, Apostolorum ac Prophetarum uitas || complectens, eodem interprete, nunc primum in lucem aedita. || Index memorabilium rerum sub finem additus est copiosissimus. Basel, (Hieronymus) Froben (und Nikolaus Episcopius, März) 1557 2°, 14] BL, 819 S., [1] S., [26] Bl., D Mü UB (2° P. eccl 792) VD 16: E 4280 Bas UB (F. K. V. 733); Lond BM (1485. f. 13.); Mü SB (2° P. gr. c. 6434) Schaff SB (Z 13135)

I,5,d

33 34 35 36

ECCLESIASTICAE || HISTORIAE AVTORES || Eusebij Pamphili [...] historiae Ecclesiast. lib. X || Vuolfgango Musculo interprete. || Eiusdem De vita Constantini, eodem interprete. lib. V. || Ruffini [...] historiae Ecclesiast. lib. II || Socratis Scholastici [...], Musculo interprete. lib. VII || Theodoriti [...], Ioachimo Camerario interprete. lib. V\\ Hermij Sozomeni ]...], Musculo interprete. lib. IX || Theodori Lectoris collectaneorü historiae Ecclesiast eodem interp. lib. II. || Euagrij Scholastici, eodem interprete lib. VI. || Dorothei episcopi Tyri Synopsis, Apostolorum ac Prophetarum vitas com || plectens, eodem interprete. || Additus est sub finem rerum memorabiliü Index copiosiss. Basel, Officin Froben (durch Hieronymus Froben und Nikolaus Episcopius, März) 1562 2°, [4] Bl., 818 S., [15] Bl., D Wf (ALVENSLEBENEb 24) VD 16: E 4281) Bas UB (F. K. V. 8); Mü SB (2° P. gr. c. 6S36); Par BN (H. 73); Stras BCW; Rom BV

Das Ex. trägt den Vermerk Bonifacij Amerbachij Basilien. Die Ausgabe wird von VD 16 als »nicht mehr vorhanden« bezeichnet Das Ex. ist im Besitz der Ministerialbibliothek Schaffhausen. Die Ausgabe wird von VD 16 als »nicht mehr vorhanden« bezeichnet.

370 1,5,e

Marc van Wijnkoop Lüthi EVSEBII || PAMPHILI, || R VFFINI, SOCRA TIS, || THEODORITI, SOZOMENI, || THEODORI, EVAGRII, ET || DOROTHEI || Ecclesiastica Historia, || Sexpropè seculorum res gestas || complectens: || Latine iam olim à doctißimis uiris partim scripta, partim è || Graeco eleganter conuersa: || Et nunc ex fide Graecorum codicum, sic ut nouum opus uideri || possit, per IO. IACOBVM GRYNAEVM locis obscuris || innumeris illustrata, dubijs explicata, mutilis restituta: || CHRONOGRAPHIA insuper & lectionis sacrae historiae || luculenta METHODO exornata. || Vnà cum INDICE rerum & uerborum locupletiss. Basel, Officin Eusebius Episcopius und Erben des Nikiaus Episcopius,37 (März) 1570 2°, [8] BL, 672 S., [30] Bl., D Wf(S 23. 2° Heimst.) Bas UB (F. K. IV. 1'.); Mü SB (2° P. gr. c. 6638)

VD 16: E 4282

I,5,f

EVSEBII II PAMPHILI, || RVFFINI, SOCRATIS, || THEODORITI, SOZOMENI, || THEODORI, EVAGRII, ET || DOROTHEI || Ecclesiasticae Historia, || Sex propè seculorum res gestas || complectens: || Laiini iam olim à doctißimis uiris partim scripta, partim è Graeco à clarißimis || viris, Vuolfgango Musculo, Ioachimo Camerario & Johan- || ne Christophersono Britanno, elegan- || ter conuersa: || Et nunc ex fide Graecorum codicum, sic ut nouum opus uideri pos= || sit, per IOAN. IACOBVM GRYNAEVM locis obscuris || innumeris illustrata, dubiis explicata, mutilis restituta: || CHRONOGRAPHIA insuper Abrahami Bucholceri, ad Annum Epochae || Christianae sexcentesimum: & lectionis sacrae historiae luculenta || METHODO exornata. || Vnà cum INDICE rerum / uerborum locupletiss. Basel, Officin Gebrüder Eusebius und Nikolaus Episcopius, 1587 2°, [8] Bl., 707 S., [24] Bl., D Bas UB (P a 92) Lond BM (3627. ff. 4)

I,5,g

EVSEBII II PAMPHILI, || Rufflni, Socratis, Theodoriti, || Sozomeni, Theodori, Eua|| grij, Quare sit difficile a falso discedere cultuDe Missa papistica