Wilhelm Coxe's Geschichte des Hauses Oestreich von Rudolph von Habsburg bis auf Leopold des Zweiten Tod, (1218-1792) [2]


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DB ...
" ...
1) Mascov. Pütter. A. a. D. ...
Drten auf, wo sich die neuen Meinungen schon weiter ...
ihren Obern gerichtet, und mit nichts als dem Verluste ...
Neun und zwanzigstes Kapitel. ...
than war, mit seinen Staaten belehnt werden sollte: ...
Ein und dreißigstes Kapitel. ...
um auf die Kirchenversammlung von Trident zu wirken, ...
Num. 6. Bd. 2. Kap. 32. S. ...
Ferdinand der I. ...
Num. 7. Bd. 2. Kap. 33. S. ...
war. Doch Ferdinand verhielt ſich aus Furcht, es ...
Vier und dreißigstes Kapitel ...
werden, billig einbüßen sollten, daß es ihnen der ...
Fünf und dreißigstes Kapitel. ...
Num. 8. Bb. 2. S. 204 ...
Marimilian der II. ...
Er ...
Sieben und dreißigstes Kapitel. ...
Rebell ausgeliefert, und alle Truppen Werbungen zu ...
Neun und dreißigstes Kapitel ...
201 Rudolph der II. ...
Ein und vierzigstes Kapitel. ...
Zwei und vierzigstes Kapitel. ...
Drei und vierzigstes Kapitel. ...
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ganzen Königreiche; man war überzeugt, Rudolph wolle ...
Matthia 8. ...
war so unklug, auch die Katholischen ein Verzeichnis ih...
Num. 9. Bd. 2. S. 362 ...
Sechs und vierzigstes Kapitel. ...
Ferdinand der II. ...
Acht und vierzigstes Kapitel. ...
Neun und vierzigstes Kapitel ...
Funfzigstes Kapitel. ...
Ein und funfzigstes Kapitel. ...
1 ...
Zwei und funfzigstes Kapitel. ...
Adolphs ...
Drei und funfzigstes Kapitel. ...
1 ...
* ...
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Wilhelm Coxe's Geschichte des Hauses Oestreich von Rudolph von Habsburg bis auf Leopold des Zweiten Tod, (1218-1792) [2]

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Wilhelm

Coxe's

Geschichte

"

des

Hauses

Oestreich

von Rudolph

von Habsburg

bis

auf

Leopold

des

zweiten

Tod,

1218-1792..

Deutsch herausgegeben

von Hans

Dippold ,

Karl

der Philoſophie Doctor

und Adolph

In

vier

Wa

ner.

Bånden.

Zweiter Band.

Amsterdam und Leipzig,

1 8 I 1. im Verlag des Kunst- und Industrie - Comptoirs.

e

DB 88 C83h G V₁ 2

Karl

der

V.

Sechs und zwanzigstes Kapitel.

1518 -

1521 .

Er überkommt die Regente Karls Geburt und Erziehung. G schaft der Niederlande. - Er fuccedirt , zugleich mit seiner Mutter Johanna, in den Königreichen Kastilien und Arragon.Er wird zum Seine Regierung mißfällt den Spaniern. ww Er unterschreibt deutschen Kaiser erwählt und gekrönt. die Wahlcapitulation. Wieders Wormser Reichstag. herstellung des Reichskammergerichts .

Karl von Destreich , Maximilian des 1. Enkel und Nachfolger am Reiche , ward am 24. Februar 1500 zu Gent gebohren.

Als sein Vater Philipp stark ,

ward er der

Sorgfalt seiner beiden Tanten , der Margarethe von Destreich und der Margarethe von Vork 1), der beiden vollkommensten Fürstinnen ihrer Zeit , anvertraut.

Wilhelm

von Croy, Herr von Chievres und Adrian von Utrecht, leiteten seine Erziehung , der eine als Hofmeister , der an-

1) Diese war keineswegs seine Tante : denn sie war Karls des Kühnen Wittwe, Die Uibers. II. The A

1105131

2

Sechsundzwanzigstes Kapitel. 1518-1521

dre als Lehrer.

Der Erstere , seinem wichtigen und ehren.

vollen Amte vollkommen gewachsen , besaß eine tiefe Kennt niß der Welt und vom Intereffe der Höfe. ein Mann von unbescholtenen Sitten ,

Der leztere,

ein grundgelehrter

Theolog , der sich diesem Studium besonders gewidmet und dadurch gehoben hatte, aber durchaus von Genie und Geschmack entblößt , besaß nichts von dem , was zur Geis stesbildung eines jungen Fürsten ,

und zum angenehmen

Vortrag der Wiſſenſchaften erforderlich ist.

Daher bekam

Karl schon frühzeitig eine unüberwindliche Abneigung gegen die gelehrten Sprachen , die Herr von Croy absichtlich unterhielt.

Doch ließ er deshalb seinen Zögling nicht in

Unthätigkeit einschläfern , und erzog ihn, wenn auch nicht Er zum gelehrten Fürſten , doch zum großen Herrscher. begünstigte deffen Hang zu kriegerischen Uibungen , ließ ihn neuere

Sprachen und die europäische Geschichte lernen,

machte ihn mit dem. Intereſſe der Staaten bekannt , die er einft regieren sollte , und übte ihn bei guter Zeit in der Geschicklichkeit , den Berathungen semer Minister beizuwohnen und ihre Gründe abzuwågen. Nach einer solchen Erziehung erhielt Karl von Oestreich, in einem Alter von funfzehn Jahren., die Statthalterschaft der Niederlande.

Schon im folgenden Jahre

ward er durch Ferdinand des Katholischen Tod 1516.

auf den Thron von

Epanien berufen ,

schon

da gab er Beweise der Entschlossenheit und Unbiegsamkeit , wodurch sich seine Regierung ausgezeichnet hat.

Denn wiewol den Gesetzen Kastiliens und Arragons,

wie den Testamenten Ferdinands und Iſabellens zufolge, feine Mutter Johanna die einzig rechtmäßige Regentin war, und troß

aller Vorstellungen

der spanischen Minister,

Karl

V.

3.

nahm er den königlichen Titel an ,

und ernannte seinen

Lehrmeister Adrian von Utrecht an die Stelle des berühmten Kardinals Ximenez , welchem Ferdinand das Staatsruder anvertraut hatte, zum Regenten von Kastilien.

Zum

Glück beugte der patriotische und verständige alte Kardinal dem schweren Uibel vor , das aus der Uibereilung des jungen Monarchen hätte entstehen können.

Denn da er die

außerordentliche Anhänglichkeit der Spanier an den ErzHerzog Ferdinand kannte , der in ihrer Mitte erzogen wor den war , so ließ er alle seine Schritte sorgfältig beobachten, und zwang den Adel von Kastilien , Karlen als König anzuerkennen.

Zwar achtete er die Wahl seines Gebieters,

aber das Heft der Regierung gab er nicht aus den Hånden, und ließ Adrianen von Utrecht nur dem Namen nach Theil nehmen.

Seine kräftigen Maaßregeln machten es

den Franzosen unmöglich ,

Navarra wieder zu erobern.

Endlich arbeitete er auch den Planen der Mißvergnügten entgegen, und ermahnte den Monarchen nach Spanien zu kommen , um durch seine Gegenwart die gährenden Gemüs ' ther zu schwichtigen. Als nun Karl dahin abzugehen wünschte , riß er sich vom Cambraier Bündnisse los ,

und schloß mit

Franz dem Ersten den Vergleich zu Noyon , wo. 13.1516. Auguſt durch ihm seine Uiberfahrt nach Spanien gest

"

chert, Frankreich aber an allem Einmischen in die spanis schen Angelegenheiten verhindert wurde.

Noch hielten ihn

mancherlei Hinderniſſe bis in die Mitte des folgenden Jahres in den Niederlanden zurück.

Zu Middelburg schifte

er sich mit dem größten Theile seiner flammändischen Räthe ein und stieg nach einer sehr stürmischen Uiberfahrt zu Vil-

Ø 2.

4

Sechsundzwanzigstes Kapitel. 1518-1521

la - Viciosa in der Provinz Asturien ans Land.

Zwei

undankbare Handlungen machen den Anfang seiner Regierung denkwürdig ;

er verabschiedete den

alten Kardinal

Ximenez, dessen Treue eines andern Lohnes würdig war, und beraubte Ferdinanden seines Erziehers, aus dem Argwohne, daß er den Ehrgeiz des jungen Fürsten rege mache. Die übrigen Maaßregeln verriethen weder die Staatsklug. heit, noch die Gewandheit, die er ſpåterhin entfaltete.

Er

brachte seine neuen Unterthanen durch seine Vorliebe für die flammåndischen Minister , welchen er die höchsten Würden in Staat und Kirche ertheilte , auf, und vermehrte den Groll noch durch die Verächtlichkeit, welche er gegen die Sitten und Freiheiten der Spanier erkünftelte.

So schien denn Karls Regierung unter schlimmen Auspizien zu beginnen.

So lange er in Spanien reſïðirte,

war dies in unaufhörlicher Unruhe, und es gelang ihm nur mit vieler Mühe, daß ihn die Cortes von Arragon und Kastilien als König anerkannten. Ja diese 17. Febr. 1518. Versammlungen verlangten , daß in allen öffentlichen Urkunden Johanna's Name dem Seinen vorgefegt werden , und daß man ihr , wenn sie wieder zu Verstande gekommen, die Zügel des Regiments wieder übergeben solle 1).

Nicht geringere Schwierigkeiten , Karln

anzuerkennen , machten die Stände von Katalonien , und feine Einweihung gieng erst zu Aufange des Jahres 1519 vor fich 2).

1) Dies verlangten und erhielten die Cortes von Kastilien. Die von Arragon schrieben ihm ähnliche , aber nicht gleiche Bedingungen vor. S. Robertson v. Remer. Bd. 2. S. Die Uibers. · 63. 64. 67. 68.

2) Ferreras, Tom. 8. p. 428-479.

Karl

V.

5 Kaum hatten die Spanier Karln gehuldigt, als ihm seines Großvaters Tod Hofnung machte , auch die Kaiserkrone bald auf sein Haupt feßen zu können. Maximilians sämmtliche Bemühungen ,

Wiewohl

ihm den Rückfall

derselben zu verschaffen , gescheitert waren , so hatten ihm doch vier Kurfürsten ¹) schriftlich versprochen , seine Ansprüche zu unterſtüßen ; übrigens war er auch der Stimme Böhmens vergewiffert , die während Ludwigs Minderjährigkeit entweder von dessen Oheim und Vormunde , dem Könige Sigismund von Pohlen , oder von Bevollmächtigten geführt werden sollte , so die Landstände zu ernennen hätten.

Doch die ganze Lage der Dinge war verändert.

Die Erledigung des kaiserlichen Thrones hatte die Hofnun gen mehrer Thronbewerber , vor allem die der Könige von Frankreich und England wieder belebt, die sich bei des Kaiſers Lebzeiten zur Würde eines römiſchen Königs zu gelangen , nicht schmeicheln konnten.

Heinrich der 8. ents

fagte freilich bald genug seinen Ansprüchen , aber Franz der 1. behauptete die feinigen sehr lebhaft.

Leo der 10 .

stellte sich vor der Welt , als ob er sie begünstige.

Aber 1 da er die Kaiserkrone entweder auf dem Haupte des Königs

von Frankreich, welcher Mailand 2) besaß, oder auf dem des Königs

von Spanien zu sehen befürchtete ,

der zu

Neapel herrschte, fo lag er dem Kurfürstenkollegium insgeheim an, aus ihrer eignen Mitte einen Kaiser zu wählen. Da sein Anliegen mit den Absichten und dem Intereſſe des Kollegiums übereinkam , deffen Mitglieder sich selbst keinen Herren sehen wollten , so bot man die Kaiserkrone dem

1) Mainz , Köln , Pfalz und Brandenburg..

Die Uibers.

2) - und Genua.

Die Uibers.

6

Sechsundzwanzigstes Kapitel. 1518 — 1521 .

Kurfürsten Friedrich von Sachsen an , der wegen seiner Tugenden und Talente mit Recht den Beinahmen des Weisen bekommen .

Dieser aber schlug sie großmüthig aus,

ja er munterte die Kurfürsten selbst auf, Karlen den Vorzug zu geben ,

der,

deutschen Ursprungs ,

Langen Kaiserreihe abstamme , Aufrechterhaltung öffentlicher

von einer

der mit seiner Macht die Ruhe versichern , und

Deutschland gegen die Angriffe des Türken schirmen könne. Durch diese Vorstellungen ,

im Verein mit den Rånken

und Geschenken der spanischen Bevollmächtigten, endlich das Kurkollegium einen festen Beschluß,

faßte und so

ward Karl nach einem Interregnum von fünf Monden und 10 Tagen mit einhelliger Stimme auf den Kai. 28.Junius 1519. ferthron erhoben ¹). Zu Barcellona war es, wo sich Karl noch

wegen der Berathschlagungen der katalonischen Cortes aufHielt, und wo er die Nachricht von seiner Wahl erhielt. Er hörte sie mit dem stolzen Ernste an , der seiner Lage angemessen war , und der ihn auch nie verlassen hat.

Die

Spanier aber murrten nur lauter darüber, denn ſie fürchteten die Gegenwart ihres Herrschers möge ihnen entzogen, sie selbst dem gierigen Regimente eines Vice-Königs Preis gegeben werden.

Von allen Seiten her wurden dem Monarchen Bitte

fchriften überreicht, das nicht anzunehmen , was der Uns abhängigkeit und dem Intereſſe Spaniens so zuwider laufe. Karl war unerschütterlich.

Nachdem der Pfalzgraf am

Rhein , Ludwig, dem man die Wahlacte übergeben , an 30. Nov. 1519.

der Spiße einer feierlichen Gesandtschaft angekom. men war ,

nahm Karl die angetragene Würde,

1) Acta electionis

Caroli

Quinti , ap. Freher.

script. rer. Germ. Tom. 3. p. 157.

Karl

V.

7

wie auch den Titel Kaiserliche Majeftåt

an ) , den die

Kaiser seit undenklichen Zeiten geführt , und bezeugte seinen Entschluß , sich augenblicks nach Deutschland zu begeben. Doch hielten ihn politische Unruhen , besonders aber der Mangel des zur Reise und Krönung erforderlichen Geldes noch eine Zeitlang in Spanien zurück.

Da er von den

Cortes schon beträchtlichere Hülfsgelder ,

als irgend einer

ihrer Regenten erhalten hatte, so erbitterten seine abermaligen Forderungen die Gemüther außerordentlich.

Um also

einer Partei das Gegengewicht durch die andre zu halten, und die Plane der Adlichen , die ihm den meisten Wider , stand gehalten , zu durchkreuzen , bestätigte er jenen bewafneten Bund , der sich unter dem Namen der heiligen Her-. mandad oder Brüderschaft gebildet hatte , den Saamen zu neuer Zwietracht aus.

und streute fo

Er half auf diese

Weise zwar seinen Bedürfnissen für den Augenblick ab, aber

1) Der Verfasser von Karls des Fünften Leben bezüchtigt ihn des Uebermuthes (vol. 3. p. 129. in 12. ) *) , daß er den Titel Majestät angenommen , und behauptet , die europäischen Monarchen vor seiner Zeit hätten sich mit dem Titel „ Hoheit" oder ,, Guaden" begnügt. Aber den Titel „, Majeft å t haben alle Kaiser von Honorius und Theodosius an bis auf Maximilian den 1. geführt. Die Könige von Frankreich, Araz gon , Kastilien und Sizilien haben ihn sogar noch vor Kart dem 5. angenommen. Auch findet man, daß ihn Leo der 10. in einer Bulle von 1517 schon dem Könige von Frankreich) gez geben , wie er ihn dem Könige Heinrich dem 8. von England gab. Wer sich weiter hierüber zu unterrichten wünscht ; wird Alles in Pfeffingeri Vitriario illustr, art. de Titulo Ma jestatis , Tom. I. p. 382. sq. finden. *) Doch wohl Robertson in Remers Uiberst Bd. 2. (G. 89. 90. wo indeffen nichts von Bezüchtigung des Uibera maths zu lesen, Die Uibers.

$

Sechsundzwanzigstes Kapitel. 1518-1521 .

8

die ihm gemachten Geschenke wurden von den bittersten Klagen über mehre seiner Verfügungen und von den lebhaftesten Vorstellungen gegen ſeine nahe Abreise begleitet. Zuletzt brachen an verschiedenen Drten , besonders zu Toledo und Valladolid förmliche Tumulte aus , bei welchen ſich die flammåndischen Minister , ja der König selbst nur mit vieler Mühe der Wuth des Pöbels entzogen. Doch Karl, den diese drohende Aussicht nicht rührte, verharrte bei seinem Entschlüsse , nach Deutschland abzuge. hen.

Er ernannte zwei Adliche , die eine große Festigk it

des Geiſtes und mächtigen Einfluß besaßen , zu Vice - Königen von Arragon und Valencia 1) ;

aber er schwächte

die heilsamen Folgen dieser dem Volke willkommenen Erhebung dadurch wieder , daß er dem nunmehrigen Kardinal Adrian von Utrecht die Regentschaft Kastiliens abermals über-

gab. Hieraufschifte er sich unverzüglich zu Corunna 22. Mai. ein , und gab also eine erbliche Krone Preis, um eine durch Wahl zu erhalten , die ihm noch ent riffen werden konnte.

Zu Dover legte er vor

26, Mai. Anker , angeblich , um seine Tante Katharine zu besuchen , in der That aber , um mit Heinrich dem 8. Rücksprache zu nehmen , + der sich eben zu seiner berühmten Zusammenkunft mit Franz dem 1. unweit Ardres anfchickte.

Karl erwarb sich in der kurzen Zeit von vier

Tagen Heinrichs ganze Achtung.

Mit noch größerem

Erfolge wendete er sich an deffen allesvermögenden Minister Wolfen, den er durch das Versprechen eines beträchtlichen

1) den Don Juan da Lanuza zum Unterkönig von Arragon, und den Grafen von Melito , Don Diego da Mendoza zum Unters Die Uibers. tönig von Valencia.

Karl

V.

9

Jahrgehaltes ¹) und durch das Anerbieten gewann , daß * er alle ſeine Bemühungen um die dreifache påbstliche Krone unterstüßen wollte.

Hierauf schifte er sich wieder

ein und landete in einem niederländischen Hafen, und nachdem er das Ruder der deutschen Angelegenheiten ergriffen, begab er sich nach Achen , wo er mit außerordent-

23. Oct. 1520.

licher Pracht gekrönt wurde. Bei seiner Wahl gieng eine wesentliche Verånderung in der Reichsverfassung vor.

Bis auf diese

Zeit war man der Meinung gewesen, daß zur Bestätigung der Rechte des deutschen Reichskörpers ein allgemeines, mündliches Versprechen des Kaiſers hinreiche ; aber da die unermeßlichen Besitzungen den jezt zu Wählenden furchtbarer als irgend einen , der auf dem Kaiserthrone gesessen, machten, so seßten die Kurfürsten eine Kapitulation auf, welcher sie ihre Gesetze , Gebräuche und Freiheiten einverleibten.

Diese überreichten sie Karls Gesandten ,

damit

fie noch vor seiner Wahl von ihnen unterzeichnet, und vor seiner Krónung von ihm selbst beſtätigt würde.

Diese Kapitulation bestand aus sechs und dreißig Artikeln , die sich theils auf das deutsche Reich im Allgemeinen , theils auf die Kurfürsten und Stände insbesondere bezogen.

In den wichtigsten der erstern Art ward

ausgemacht, daß die heimfallenden Lehne niemanden wieder verliehen , sondern zu Unterhaltung des Reichs und der folgenden Kaiser eingezogen werden sollten ; daß alle Reichsund Hofämter nur an Deutsche vergeben , daß niemand von dem allgemeinen Gesetze entbunden seyn, daß die Kanzlei-Acten in deutscher 2) Sprache abgefaßt , und kein Fürst 1) von Hebentauſend Dukaten. 2) oder lateinischer.

Die Uibers. Die Uibers.

10

Sechsundzwanzigstes Kapitel. 1518-1521 .

oder Reichsstand eher in die Reichsacht erklärt werden sollte , bevor ihn nicht der Reichstag oder das Reichskammergericht dazu verurtheilt.

Ferner sollte der Kaiser den

deutschen Reichskörper in der Ausübung der gefeßgebenden Gewalt und im Rechte zu Krieg und Frieden aufrecht ers halten : auch sollte dem leztern das Recht zustehn ,

alle

auf Handel und Münzwesen bezüglichen Geseze zu prüfen, die zu stellende Truppenzahl zu bestimmen ,

die Steuern

festzusehen , ihre Eintreibung anzuordnen , die höhern Gerichtshöfe einzusetzen und unter Aufsicht zu haben , und in der Stände besondern Sachen zu richten.

Die auf die

Kurfürsten bezüglichen * Artikel waren von der

höchsten

Wichtigkeit, in so fern sie lang bestrittene Rechte bestätig ten.

Denn Karl machte sich anheischig , ihnen weder bei

ihren Versammlungen, noch bei Konföderationen unter sich selbst hinderlich zu seyn ; für sich selbst, ohnë Einwilligung des Kurkollegiums weder mit fremden Mächten, noch selbst mit Fürſten des Reichs Bündnisse zu schließen ; keine neuen Rechte aufzubringen , die alten nicht zu vermehren , keinen Krieg in des Reiches Namen kraft eignes Ansehens zu er klären, und endlich keine außerordentliche Abgaben zu ers heben, selbst wenn ihm die Berufung eines allgemeinen Reichstages unmöglich fallen sollte.

Nächst diesen Bes

willigungen versprach er auch noch jeden Versuch zu unterlaffen ,

wodurch die Kaiserkrone in seinem Hause erblich

würde, und das Reichsregiment dadurch wieder herzustellen , daß er sich dem Gutachten der Kurfürsten , und der mächtigsten Reichsfürften füge 1). 1) Uiber den Inhalt dieser berühmten Kapitulation sehe man ; Goldast's Reichsſagungen , Bd . 1. S. 181 . Pütters Entwicklung zc, Buch 5. Kap. 1. S. 350. ff. Schmidt, Buch 8. Kap. 2, Pfeffel , Tom. 2. p. 188.- *

Karl

II

V.

Seinen ersten Reichstag hielt Karl der : 54 6. Januar u Worms, wo er den Vorsitz selbst führte. Auf 1521. f feinen Antrag gingen alle Verfügungen bei den Stånden burch , welche sowohl zur Stillung der in dem doch so kurzen Zwischenreiche entstandenen Unruhen , als auch zur Abwendung ähnlicher abermaliger Unordnungen erforderlich waren.

Die Herzoge von Würtemberg und

und die Bischöfe von Hildesheim 1 und Minden wurden in die Reichsacht erklärt 2) , weit fie

von Braunschweig 1),

den Landfrieden gebrochen , den kaiserlichen Ladungen den Gehorsam

verweigert,

und ihre Streitigkeiten

Schiedsgericht unterwerfen wollten. gericht ward wieder hergestellt.

keinem

Das Reichskammer-

Ein Reichsregiment oder

Reichsrath, dessen Einrichtung den kaiserlichen Vorrechten günstiger war , als der zu Maximilians Zeiten eingesetzte, erhielt das Amt , die Reichsangelegenheiten in des Kaiſers Abwesenheit zu verwalten ,

welchem allein die Mitglieder

1) Nachdem der schwäbische Bund den Herzog von Würtemberg aus seinen Staaten getrieben , brachte sie Kart durch die Ausröſung der bundsgenößiſchen Kriegskosten an sich , und gab sie feinem Bruder Ferdinand, der ſie im cadaniſchen Frieden Würs temberg überließ. Die Fehde zwiſchen den Herzogen von Braun, schweig und dem Bischofe von Hildsheim endete erst am 14. Mai 1523, wo der Bischof seinen Feinden einen beträchtlichen Theil seiner Stiftslande abtrat, wiewohl sie sein Siß im dreif figjährigen Kriege wieder bekam. - Pútters Entwicklung 26. Bd. 1. S. 352. 353. 3972) Dies ist ganz unrichtig. Ge åchtet wurden nur Herzog Uts rich vonWürtemberg und Bischof Johann von Hildesheim. Aber Braunschweig und Minden waren in die Hildesheimer Fehde Die Uibers. verwickelt.

12 Sechsundzwanzigſtes Kapitel. 1518 — 1521. den Eid leisten sollten 1).

Endlich bewilligte man eine

Reichshülfe von zwanzigtausend Mann zu Fuß, und vier tausend zu Roß , die Karl den Fünften auf seinem vorhabenden Römerzugė begleiten sollten ;

doch

erklärte der

Reichstag ausdrücklich, damit sich Karl nicht wie Marimilian in die italiſchen Håndel miſchen möge ,

daß diese

Truppen nur als ein Geleit , nicht als ein Heer zu bes trachten wären.

1) Mascov. Pütter. A. a . D. S. 351-

1

Karl

V.

13

Sieben und zwanzigstes Kapitel.

1519

1522.

Großer Umfang der Staaten , über welche sich Karls des Fünften Herrschaft erstreckte. - > Umstände, wodurch seine Gewalt gemäßigt wurde. Das Haus Destreich theilt sich in die Große Fortschritte der Respanische und deutsche Linie. Luther erscheint auf formation währendes Interregnums . ihn gefällte Urthel. gegen Das dem Wormser Reichstage. t Sachſen läßt ihu von r Kurfürs Der — Edict.) (Wormse Er fångt die Bibel aufheben und in Sicherheit bringen.

zu übersehen an und kehrt nach Wittenberg zurück. —

Rein Regent ſeit Karl dem Großen hat weder Staaten bon so mächtigem Umfange ,

noch einen so gewaltigen

Einfluß , als Karl der Fünfte , beseffen, keiner schien mehr geeignet, jenes Schreckbild einer Univerſalmonarchie wahr zu machen , das zu jeder Zeit die Einbildungskraft ehrgeis ziger Fürsten erhißt, oder die Besorgnisse schwacher und furchtsamer Regenten rege gemacht hat. Er allein erbte alle Königreiche der spanischen Krone ,

mit Inbegrif der

von Neapel und Sizilien , Er allein ein großes Stück der neuen Welt, die siebzehn Provinzen der Niederlande , das mals die blühendsten in Europa , Er allein die Franche Comté und Artois.

In Verbindung mit seinem Bruder

Ferdinand fuccedirte er in allen Besißungen des Hauses Destreich.

Mit so ansehnlichem Beſißthum verband er

die höchste Würde , die es in der Welt gab ; und wenn

14 Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519-1522. daffelbe Reichszepter einem schwachen Kaiser zur Last ges fallen wåre, so ward .es in seinen Händen das sicherste Werkzeug , seine unermeßlichen Staaten noch mehr zu er weitern. Mit den ausgezeichnetsten Talenten zu Regiment und Krieg begabt, von dem größten Einflusse durch Familienund andre Verbindungen , schien Er zum Herrscher von ganz Europa geboren.

Die deutschen Fürsten und Stån-

de hätten in ihrer Verbindung kein Unterpfand ihrer Freiheit gehabt, wäre Karls des Fünften Macht nicht durch die Theilung seiner Staaten in die spanische und östreichis sche Linie ,

durch seine Kriege gegen Frankreich und die

insbesondre aber durch die Reformation des f raftlosen und standhaften Luthers geschwächt worden. Türkey ,

Seit Maximilians Tode hatten Karl und Ferdinand die östreichischen Staaten gemeinschaftlich beseffen , fie theilten im J. 1521.

aber

Karl trat seinem Bruder. Dest

reich, Steiermark , Kärnthen und Krain nebst allem Zus behör , im folgenden Jahre noch Tyrol , und Alles im El saß und Schwaben Gelegene ab , so daß er sich nichts, als den Rückfall des Breisgaues und einige Güter vor. behielt, auf die er in der Folge auch noch verzichtete. Hie mit theilte sich das Haus Oestreich in diè ſpaniſche und in die deutsche Linie.

Das Haupt von jener ward Karl

der 5., das von dieser Ferdinand . Da dieses Werk nur die Geschichten der Regenten von Oestreich beschreiben soll , so wird es Alles, was Karl der 5. als König von Spanien gethan, mit Stillschweigen übergehen.

Aber weil Ferdinand kurz nach der eben er

wählten Theilung zum römiſchen König gewählt ward, und später auf den Kaiserthron stieg, so ist zum allgemei.

Karl

V.

15

nen Verständniß nöthig , daß wir von den deutschen Angelegenheiten unter Karl dem 5. ein Gemählde geben , und uns über den Ursprung und die Fortschritte der kirchlichen Reformation vernehmen lassen, die für das Haus Oestreich, wie für ganz Europa so mächtige Folgen gehabt hat. Maximilians Tod war ein glückliches Ereigniß für die Reformation.

Der Kurfürft , Friedrich von Sachsen,

der währendes Interregnums das Reichsvikariat führte, war allen theologischen Streitereien feind , und eher gleichgültig gegen die Dogmen der römischen Kirche, genommen für die neue Lehre.

als ein-

Vor des Kaisers Hintritt

hatte er Luthern nur selten predigen hören , seine Schriften kannte er kaum , ihn selbst ließ er fast nie vor sich. Aber auf die Empfehlung seiner Minister ,

besonders auf

die des General Superiors der Augustiner, Etaupig, hatte er fich

vorgenommen ,

den Reformator ,

der

seines

Namens Glanz auf die Univerſität Wittenberg zurückftrahlen ließ, stillschweigend zu begünstigen. che Luthern

Die Ehre , wels

durch das Religionsgespräch zu Augsburg

wiederfuhr, hatte den Kurfürsten keineswegs geneigt gemacht, dem Strafamte der Kirche , wie der Zornwuth des Kaisers zu troßen; vielmehr rechnete der Urheber der Reformation so wenig auf ihn , daß er anfänglich Sachsen verlassen wollte.

Doch ward sein Entschluß endlich durch

die Bittschrift der Universität , wie durch Luthers Schreiben fest,

in welchem dieser so nachdrücklich zu verstehen

gegeben hatte , wie ungerecht es sey , seine Lehre ungehört zu verdammen, so daß er ihm nun also seinen Schuß nicht wieder entziehen wollte ,

und selbst von der Zeit feines

Reichsvikariats an eine solche Parteilichkeit für den Reformator, bewies , daß der Pabst während ganzer achtzehn

16

Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519-1522 .

Monate jedes Verfahren gegen ihn einstellen mußte.

Unter

so günstigen Ausspizien machte die Reformation die größten Fortschritte.

Es ist nicht zu läugnen ,

daß Leo der

10. Alles ergrif, was die Klugheit eingab , um Luthern endlich zum Schweigen zu bringen , und vielleicht wäre es ihm auch gelungen , hätte ihm nicht der übertriebne Eifer der Verteidiger seines Stuhles selbst entgegengearbeitet. Schon hatte Luther ſelbſt Stillschweigen gelobt, und ſeine Anhånger zur Ehrfurcht gegen die Kirche ermahnt, als 1519.

er in einer zu Leipzig auf der Pleiffenburg gehaltenen Disputation ¹) zur Wiederholung aller ſeiner

1) In der ersten Zuſammenkunft (27. Junius 1519) disputirte man über den freien Willen. Sie ward von Ec und Karlſtadt erdfnet : aber am 4. Julius trat Luther an des leßtern Stelle, und dehnte den Streit über mehre Glaubensfäße , als über die Rechtfertigung durch den Glauben , den freien Willen , die Buße , die Gnade , die Sünde, die höchste Gewalt ( Primat ) des Pabstes und den Ablaß aus. Im Puncte des freien Wil: lens , der Gnade und der guten Werke behielten die Gründe des katholischen Gottesgelehrten die Oberhand ; aber in der Erörterung über die geißtliche Gewalt des Pabstes , des Ablass ses und der daraus gezogenen Folgerungen siegte, Luther ob. Die Weise der ganzen Disputation war sehr zu seinen Gunsten. Wenn Eck, zum Stüßpunkt seiner Meinung , die Kirchenvåter, die kanonischen Bücher , die Uiberlieferungen und Entscheidun: gen der Päbste anführte , so stritt Luther gegen jede Autorität, die der heiligen Schrift und der Vernunft ausgenommen , und behauptete , daß in` Glaubenssachen jeder zu entscheiden das Recht habe. Dieser lezte Punkt , der den Zuhörern nicht wes niger schmeichelte , als er wirklich in der Vernunft gegründet war, untergrub beſonders das ungeheure Gebäude der påbſt= lichen Gewaltfülle in seiner Grundveste., Wie es zu geschehen pflegt , wollten aber beide Theile gefiegt haben , und Karlſtadt, Melanchthon , und andre ausgezeichnete Gelehrte sezten den Streit in Schriften fort. So wie ihre Meinungen laut wurs

Karl

V.

17

Säße, ja ſelbſt dahin gebracht wurde , daß er die Exri. stenz des Fegfeuers und den göttlichen Ursprung der geist. lichen Gewalt des Pabstes läugnete. Die Angriffe der Theologen , und die von den Unis verſitäten zu Kölln und Löwen

gesprochenen Censuren

entfiammten den Streit nur noch mehr. Endlich entschloß sich Luther zu einer Rechtfertigung seines Betra, gens in einem Briefe , zu welchem ihn die Vor,

6. Aprit 1520.

stellungen seiner Freunde bewogen . " Zwar legte er darin scheinbar für die Person des Pabstes Ach, tung und Ehrfurcht an den Tag , aber gegen den auss gelassenen , lasterhaften römischen Hof ergoß er sich in

置 den, wuchs auch der Hang der Zeitgenossen, alles selbst zu uns tersuchen, und dieser Federkrieg war für den heiligen Stubl fast eben so unglücklich , als eine gänzliche Niederlage gleichh im Anfange des Haders gewesen seyn würde. Dupin , L. 2 . Roscoě , a. d. § . vol . 4. p . Beausobre. c. 5. 6. Die Rechtfertigung durch den Glauben ohne die guten Werke

war eins der Lehrstücke , welche Luther zuerst und mit dem größten Feuer verteidigt hat. Wiewohl nur ein abstrakter Bes grif, hat er doch unendlich viel zur Schmåterung der påbfilis chen Gewalt beigetragen. Denn indem er die guten Werke von den Heilsmitteln ausschließt , zerstört er das Verdienstliche der sogenannten opera supererogationis und stößt die Lehre vom Ablaffe um. Diesen Grundsay dehnte Luther so weit aus , daß er die Lehre von der absoluten Gnade und von der Prådestination fast in einem und demselben Grade mit Kals Diesem seßte die römische Kirche die vin angenommen. Wirksamkeit des freien Willens und das , was daraus folgte, entgegen , nämlich daß gute Werke und Glauben verbunden werden müßten , und selbst die eifrigsten Anhänger Luthers können nicht in Abrede seyn , daß er jur Behauptung seiner Lehre zu dem abgeschmacktesten Raisonnement seine Zuflucht nehmen mußte.

II. KI.

23

18 Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519-1522 . den blutigsten Schmähungen ; erklärte , daß er sich nims mermehr zum Widerruf verstehe , und die Auslegung des göttlichen Wortes nicht der mindeſten Einſchränkung un» terwerfen werde ,,, das , als Inbegrif der Freiheit Aller, auch frei , wie diese selbst , seyn müſſe ” *). Diesen Brief konnte der römische Hof nur als eine Kriegserklärung betrachten, und Leo der 10, der das bisher befolgte System der Mäßigung ungern aufgab, 15.Junius 1520, schleuderte nun jene berühmte Bulle ab , die für die römische Kirche so traurige Folgen gehabt hat.

Ein und vierzig , aus Luthers Werken gezo-

gene Säße wurden verdammt , seine Schriften zu lesen verpont , er selbst mit Keßzerstrafen und dem Banne be droht, dafern er ſeine Irrthümer binnen sechszig Tagen nicht widerrufen ²) würde ; auch ward es allen Fürsten der deutschen Staaten unter derselben Strafe aufgelegt, sich

1. seiner Person zu bemächtigen und ihn mit seinem Anhange zu strafen.

Die Freunde der alten Religionsmeinun-

gen sahen diese Bulle als den ſichern Vorboten des SieEck brachte sie selbst

ges der Kirche über Luther an.

nach Deutschland , und die Schriften des Reformatoren wurden in den Städten Löwen, Kölln und Mainz öffent, lich verbrannt ; aber ganz anders nahm man sie in den 1) Man findet dieſen Brief in Luthers Opp . Tom. 1. F. 385. Ferner bei Roscoë , a . a . D. vol. 4. p. 10. u. App. no, 182. Derfelbe Schriftsteller hat auch in Hinsicht der Zeitangaben und wichtiger Facten mehre Irrthümer berichtigt. Einige Vertela diger Luthers wollen den angezogenen Brief vom Monat Seps tember katirt wiffen ; aber es ist außer allen Zweifel , daß er schon im April geschrieben ward und die Promulgation der påbftlichen Bulle veranlaßt hat. Die Uibers. and ſeine Schriften verbrennen. )

1

Karl

V.

19

Drten auf, wo sich die neuen Meinungen schon weiter verbreitet hatten.

In einigen verhinderte das Volk ihre

Bekanntmachung mit offenbarer mißhandelte es die Beamten ,

Gewalt ,

an

andern

die sie kundmachen sollten,

die Bulle selbst riß es in Stücken und trat sie mit Füßen ¹). Luther , dessen Muth mit Gefahren und Hinderniſſen wuchs , ließ eine Antwort gegen diese „ verfluchte 2) Bulle des Antichrists " und noch ein Büchlein „ von der babylo. nischen Gefängniß der Kirchen " ausgehen.

In diesem

kündigte er dem Pabste allen Gehorsam auf, und stellte die Grundsätze seiner Lehre fest.

Auf dieses folgte noch

ein andres ³), durch welches er sich den römischen Hof in Deutschland verhaßt zu machen , vorgenommen . Er ers innerte darin an alle Kriege ,

welche die Päbste mit

den Kaisern geführt oder in welche sie sie verwickelt hat, ten ; er behauptete , daß die weltliche Mächt größer sey, denn die geistliche , forderte die ganze deutsche Nation auf, dem heiligen Stuhle den Gehorsam zu verweigern, und trug auf eine Kirchenverbesserung an .

Durch eine

der kühnſten Handlungen endlich , die nur die Eeschichte eines simpeln Privatmannes darbieten kann , seßte er al Ten seinen Angriffen die Krone auf.

In Begleitung der

Professoren und Studenten der Wittenberger Universität, welchen ein großer Haufe von Zuschauern nachzog, ber giebt sich Luther am zehnten Dezember des Morgens im Jahr 1520 vor das öfiliche Stadtthor.

Nachdem man

Die Uibers. 1) Dies thaten die Studenten zu Erfurt. 2) ( execrabilis ). 3) Uiberſchrieben : „ von des chrifilichen Standes Befferung. ” Die Uibers. $ 2

20 Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519-1522 .

hier einen Scheiterhaufen aufgeschichtet, wirft er die påbſtlichen Kanons und Dekrete, die Schriften seiner Gegner, und endlich auch die Bannbulle mit den Worten Ezechiels. in die Flammen : ,, Weil ihr das Heiligthum des Herrn zerrüttet , so soll euch die ewige Flamme verzehren . Morgens darauf bestieg er die Kanzel und schloß seine Predigt mit den Worten : „ Das, was ich gestern gethan,” will an und für sich nicht viel bedeuten : es wäre beffer gewesen , daß ich den Pabst selbst oder vielmehr den heiligen Stuhl ins Feuer geworfen hätte " 1) .

Bald nachher

ließ er eine Schußschrift erscheinen , des Inhalts , daß feine Pflicht als Christ und als Lehrer der Gottesgelahrtheit es fordere , die Verbreitung einer falschen und vers dorbenen Lehre zu verhindern ; auch suchte er sich damit zu rechtfertigen , daß er seinen Feinden nur Gleiches mit Gleichem vergolten, die feine Schriften verbrannt hätten, um ihre teuflischen und antichristischen Lehren fortzupflanz zen.

,,Darum " fuhr er fort ,, habe ich nach dem, was

mir Eingeben des heiligen Geistes schien , die Bulle zu Asche verwandelt, und in der Uiberzeugung , daß der Pabst der Vater der Sünden, oder der in der heiligen Schrift verkündete Antichrist ſey, sein Joch abzéſchüttelt, und biete mich dar zum Opfer der Lehre, die ich zu meis nes Namens Ehre behaupten will. " Das Beispiel, das er an der påbstlichen Bulle gegeben, ward in mehren deutschen Sädten nachgeahmt, wobei man Entrüstung und Verachtung auf vielfache Weise an den Tag legte.

Noch hatte sich kein Regent offentlich

zu den Meinungen des Reformatoren bekannt ; noch war 1) Lutheri opera , Tom. 2. p. 320.

a. 1520.

Beau sobre, ad

Karl

V.

21

keine Neuerung im Gottesdienste vor sich gegangen ; noch hatte man sich keinen Eingrif in die Befißthümer und in die Gerichtsbarkeit der Geistlichkeit erlaubt ,

und doch

hatte der Geist der Völker schon einen unauslöschlichenEindruck erhalten , und ihre Achtung für die alten Einrichtungen und Glaubenspunkte war dahin ¹).

Zu Wit-

tenberg ward Luthers Lehre von einer Menge Gottesund andrer Gelehrten verteidigt , unter welchen sich vor Allen Dr. Johann Karlstadt und der liebenswürdige Philipp Melanchthon bemerkbar machten.

Mehr als je

strömten die Studenten aus allen Gegenden Deutschlands haufenweise auf die dortige Universität , und sogen die Meinungen ein, die ſie , in ihr Vaterland zurückgekehrt, mit Eifer und Erfolge fortpflanzten. theilte sich die Gährung ganz Europa ,

Reiffend schnell besonders aber

der Schweiz mit , wo sich Bullinger, und Ulrich Zwingli eben so nachdrücklich gegen den Ablaß erhoben hatten, als Luther in Sachsen gethan , und wo der zu Basel 2) besorgte Druck der lutherischen Schriften den Geist, der ihn beseelte, mit verbreiten half. Dies die Lage von Luthers Angelegenhei ten, als der Reichstag zu Worms eröfnet ward. Sowohl aus

6. Januar 1521.

Uiberzeugung und um sich

den Pabst verbindlich zu machen , als auch aus Furcht, den Spaniern und Flammåndern zu mißfallen,

die be

harrlich an der Religion ihrer Altvordern hiengen, hatte sich Karl der Fünfte schon als Widersacher der neuen

1) Robertson, Geschichte der Regierung Karts des 5. (von Mittelstädt und Remer ) . Bd. 2. S. 144.. 2) Durch Frobenius.

22 Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519-1522 . Meinungen gezeigt.

Noch vor seiner Abreise aus Spa-

nien erklärte er , daß er ſie bekämpfen werde , und , als er nach Flandern gekommen , erlaubte er den Univerſitä. ten von Löwen und Antwerpen, die Schriften des Reformatoren zu verbrennen.

Er unterstüßte sogar die påbſt,

liche Aufforderung an den Kurfürsten von Sachsen , Lus thern aus seinen Landen zu verbannen.

Mit solchen Ges

finnungen eröfnete er den Wormser Reichstag , auf welchem er die Legaten des heiligen Stuhls Schmähungen gegen den Urheber der Reformation ausstoßen ließ, und den deutschen Reichsständen

vorschlug , dessen Lehre zu

ächten und seine Schriften ins Feuer zu werfen.

Er war

daher sehr befremdet , als er entdeckte , daß in einem gro Ben Theile des Reichs die neuen Meinungen schon tiefe Wurzeln geschlagen hatten.

Der Reichstag selbst war

geneigt , einen Angrif auf die Anmaaßungen des Pabstes zu unterstützen , und stellte dem Kaiser ein langes Verzeichniß von Beschwerden

über den heiligen Stuhl zu,

deren Abstellung er vermöge der Wahlkapitulation hofte und forderte. Auf die Vorstellung des Kurfürsten von Sachsen wollten die Mitglieder der Versammlung , den Ermahnungen

der Legaten zum Troß ,

nicht zugeben,

daß man Luthern verfolgte , er habe sich denn zu den in der Bulle verdammten Säßen bekannt , oder sie zu wis derrufen verweigert ; doch erklärten sie zu gleicher Zeit, daß , wenn er des Irrthums überführt sey , und doch darin verharre, sie ihm einstimmig die verdiente Stra fe auferlegen würden.

Die Legaten, welche wahrscheinlich

einen eben so unumwundenen Gehorsam erwartet hatten, als der so lang gehegte gegen die Dekrete der Kirche war, behaupteten ,

daß eine vom Pabste schon

entschiedene

S

Karl Sache nicht

weiter

in

V.

03

Uiberlegung gezogen werben

könne , und so lange sich Luther weigere ,

die Hoheit des

Pabstes anzuerkennen , sey jeder Streit mit ihm endlos. Aber aus ihren Vorstellungen ward nicht viel gemacht, und bei weitem die meisten Reichsstånde hörten ihre Ver. sicherungen über die Unfehlbarkeit des Pabftes ganz gleichgültig oder gar verächtlich an. Karl der Fünfte bemerkte diese Stimmung der Ges müther, er fürchtete dem Kurfürsten von Sachsen weh zu thun , dem er doch die Kaiserkrone verdankte,

und

zeigte daher viel Måßigung und Redlichkeit, sanote auch Luthern ein sichres Geleit nebst einer ehrenvoll 6 Mårs abgefaßten Vorladung . Zur Beruhigung der 1521.

Legaten jedoch versprach er, daß ihm dieFreiheit, ſich zu verteidigen ,

nicht gestattet,

ihn nöthigen wolle ,

ſondern daß man

sich schlechthin zum Bekenntniß

øder zum Widerruf seiner Lehre zu bequemen.

Der

unerschrockene Reformator eilte ), der Vorladung nachzukommen. zug ,

Seine Reise nach Worms war ein Siegs-

die Einwohner

von allen Stånden gaben ihm

ihre Bewunderung tausendfältig zu erkennen. Die Stadt einzog ,

Als er in

war das Gedränge heftiger , als es

felber bei des Kaisers Ankunft gewesen war.

Zu jeder

Stunde wimmelte fein Gemach von Leuten von den höchsten Würden.

Er trat vor dem Reichs17. April. tage mit dem größten. Anstande auf, er zeigte eben so viel Feftigkeit ,

als Klugheit.

Ohne Zaudern

bekannte er sich zu den in seinem Namen erschienenen Schriften , aber er theilte sie in drei Klaſſen. Sehr vers 1) in Geſellſchaft ſeines Anwalds , des Dr. Hieronymus Schurf und einiger andern Freundé. Die Uibers.

1

24 Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519 — 1522 .

1 ſtåndig erklärte er , daß die der ersten, als auf den Glauben und christliches Leben und Werke bezüglich ,

eine

Lehre enthielten , die von seinen Gegnern noch gar nicht bekämpft worden wåre ; daß er die der zweiten , die die Gefeße und Gewalt des Pabstes zum Gegenstand håtten, nicht widerrufen könne , ohne sein Gewissen zu verlegen, und ohne zur Aufrechterhaltung der påbstlichen Tyrannei etwas beizutragen ;

was die der dritten , oder die ge-

gen seine Widersacher erschienenen betråfe , so gestehe er mit Bedauern , daß er , durch jene gereizt , die Schranken der Mäßigung überschritten habe.

Wie gewöhnlich,

fchloß er mit der Weigerung , die verdammten Säße zu

N widerrufen , bis man ihn durch Gründe überzeugt haben würde , die aus der heiligen Schrift , oder aus der Vernunft, nicht aus den Machtſprüchen der Påbſte und Kir, chenversammlungen hergenommen wären , die , wie man aus der Erfahrung gesehen , leicht irren , ja sich widersprechen könnten.

Als ihm der Kürtrierische Offizial

abermalige Vorstellungen hierüber machte ,

beharrte cr

bei seinem Entschluſſe , und rief am Schluffe seiner Nede laut aus : ,, Hie stehe ich , ich kann nicht anders ; Gott helfe mir ! Amen ! ” 1), Einige Mitglieder des Reichstags und der påbstliche Legat , die über Luthers Halsstarrigkeit ergrimmten , las gen dem Kaiser an , dem Beispiele seines Vorfahren Sis gismund zu folgen , und einem Kezer feinen Schuß zu entziehen : aber Karl verwarf diesen Vorschlag .

Indess

sen war er über die Weigerung

des Angeklagten , zu widerrufen , nicht weniger aufgebracht. # Als die zweite

1) Acta Lutheri Wormatiae habita ; in LutheriOpp. Tom. 2.

H

Karl

V.

25

Unterredung vorbei war , zog er sich Abends in sein Gemach zurück und schrieb eigenhändig eine Erklärung nie. der, in welcher er seine Anhänglichkeit an die Kirche und seinen Entschluß , die verdammte Lehre auszurotten , bes theuerte : ,, Entsprossen , wie ich bin — also schrieb er → von Deutschlands

christlichen Kaisern , von Spaniens

katholischen Königen , von den Erzherzogen von Oestreich und Herzogen von Burgund , die insgesammt bis zu ih, rem letzten Athemzuge der Kirche treu geblieben ,

und zu

jeder Zeit den katholischen Glauben , und die Sahungen, Feierlichkeiten und Gebräuche deſſelben verteidigt und bes schirmt haben, bin ich von je, und noch jezt der chriftlichen Lehre und der kirchlichen Verfassung, die mir meine Vorfahren als ein heiliges Erbtheil hinterlassen haben, erge ben , und werde es auch in Zukunft seyn . Da es auf竇 fer Zweifel , daß ein bloßer Mönch Meinungen aufge. bracht hat, die den Gesinnungen aller verstorbenen und jeztlebenden Christen zuwiderlaufen , habe ich dem Vorwurfe zu begegnen beschlossen , den man Deutschland wegen Duldung dieser und

ähnlicher Irrthümer

machen

könnte , und will meine ganze Macht, Leib, Blut, Leben, selbst meine Seele dran sehen , um die weitere Ausbrei tung dieser gotteslåsterlichen Lehre zu hemmen .

Also

werde ich nicht zugeben , daß sich Luther in neue Erklås rungen einlaſſe ;

ich werde

ihn alsbald zurückschicken,

und nachher als einen Keßer behandeln ; aber das sichere Geleit, das ich ihm zugestanden , werde ich ihm halten und sicher nach Wittenberg zurückbringen laſſen ” `~¹),

Karl der Fünfte besaß

nicht Ansehen genug , um

feine Drohung ins Werk zu setzen . Mehre Fürsten be 1) Schmidt, B1 , 6. S. 263. - Robertson schweigt davon !



26 Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519-1522. schuldigten ihn , er habe dadurch , daß er sein Gutachten zuerst gegeben , die Ordnung des

Reichstages verlegt,

ja einige Anhänger der neuen Lehre erklärten ,

nicht in

den gemäßigtsten Ausdrücken, daß die Verfolgung Luthers das Reich in einen Bürgerkrieg verwickeln würde. Diese Widersetzlichkeit und die Vorstellungen

der

Versammlung bewogen den Kaifer zu einem abermaligen Versuche , Luthern in einer geheimen Unterredung zum Widerrufe zu bewegen.

Wiewohl auch dieses Mittel

fehlschlug , konnte doch Karl das Verdammungsurtheil nicht eher in Vortrag bringen ,

als bis die Kurfürsten

von Sachſen und von der Pfalz den Reichstag verlassen hatten.

Um aber die Meinung zu verbreiten , daß dieſes

berühmte , unter dem Namen des Wormser Edicts be kannte Urthel ,

mit Zustimmung

aller Mitglieder des

Reichstages abgefaßt worden sey , ward es unterm 8. Mai 1521 ausgestellt, wiewohl es in der That erst am 26. *) desselben Monats gegeben worden. für einen Keßer und

Schismatiker ;

Es erklärt Luthern es bestätigt den

päbstlichen Ausspruch und bedroht jeden mit der Reichsacht , ན der den Håreſiarchen verteidigen , unterſtüßen, oder in Schuß nehmen wird. der Lehre zu hindern ,

Die weitere Ausbreitung

ward der Druck jedes Werkes

A

über irgend einen Glaubensartikel , ohne vorhergegangne Erlaubniß 1 der jedesmaligen und einer benachbarten Uni» versität , verboten.

Als diese Acte erschien, triumphirten

die Anhänger der römischen Kirche, aber über ihren Sieg hatten sie sich eben nicht viel Glück zu wünschen. Muth, die Geistesgegenwart

Der

und die Vernunftgründe

des Reformatoren machten seine Meinungen dem Volke 1) im Original 28,

Die Uibers.

1

Karl

V.

27

verständlicher und beliebter , als sie es je gewesen.

Noch

während der Reichstag ſeine Sißung hielt , noch ehe der Kaiser abgereift war , verkaufte man Luthers Schriften öffentlich zu Worms , und die Druckerpreſſen konnten der Begierde der Leser kaum Genüge thun.

Aber vor allem

andern waren es die Folgen seines Auftretens in Worms, die ihm den Schuß des Kurfürsten von Sachsen zusicherten, der nun seinen Stolz darin fand , einen Mann zu beschirmen , deffen Name so berühmt geworden .

Luther reiste mit einem Geleitsbrief auf ein und zwanzig Tagé , seinen vorigen Gefährten , und in Beglei tung eines kaiserlichen Herolds am 26ften von Worms ab. Aber schon hatte der Kurfürst von Sachſen alle Anstalten getroffen, ihn vor dem drohenden Ungewitter in Sicherheit zu bringen. kommen , an

Kaiser und

Eisenach

Als der Reformator bis Friedberg ge

schickte er den Herold mit Briefen

ward

Reichstag er

zurück ;

mummter Ritter ¹) überfallen , burg

gebracht ,

nicht gekannt ,

wo

unweit

einem Haufen

von

er ,

selbst

und

4. Mai.

ver-

auf die Wart-

von seinen

Hütern

und ohne daß Freunde und Anhänger

wußten, was aus ihm geworden, neun Mouden blieb 2). In dieser Einsamkeit , die er sein Pathmos nannte, ar beitete der unermüdliche Mann mehre Schriften zur Vers breitung aus, in welchen er feine Lehre rechtfertigte, und die Grundfäße und Gebräuche der römischen Kirche im mer mehr untergrub.

Hier vervollkommnete er auch

feine Kenntnisse der griechischen und hebräischen Sprache, 1) Hanns von Berlepsch , Schloßhauptmans auf Wartburg , und Burkhard Hund Herr von Altenftein. Die Uibers. 2) Als Junker Förge in grünçı Rock mit Panzer und Die Uibers. Schwert , Stiefeln und Sporen.

28 Siebenundzwanzigstes Kapitel. 1519—1522 . deren Studium er angefangen , um die heilige Schrift im Grundtexte zu lesen.

Hier begann er auch seine deut-

sche Uibersetzung der Bibel, durch welche mehr, als durch alles Andre, die Grundsätze der Reformation verbreitet worden sind. Nach Verlauf dieser neun Monden verließ 1 er seinen Zufluchtsort , ohne dem Kurfürsten Nachricht davon zu geben ,

6. März 1522.

und kehrte nach Wittenberg

zurück , um die während seiner Abwesenheit im Gottesdienste getroffenen Abänderungen zu ord-

nen , und die Wiedertåufer und andere Sectirer zu be, kämpfen , die die verwerflichsten Unordnungen begangen hatten ¹). 1) Bei der Geschichte des Wormler Reichstages , und über Urs sprung und Fortgang der Reformation sind vorzüglich benut worden : - Luthers Werke. Seckendorf - Sleidan - Y Dupin histoire ecclesiastique , L. 2. - Stru vius Putters histor. Entwicklung 2c. Plank Schmidt , Buch 8. Kap . 4. der von dieser Beaufobre Revolution in der Kirche ein so genaues und unparteiiſches Gemälde aufgestellt hat , als man es kaum von einem Kathos liken erwarten konnte. M. f. noch Robertson's Gez fchichte Karls des 5. G und Roscoës Leben und Pontificat Leo des 10. Bd. 4. Kap. 19.

1

Karl

V.

29

Acht und zwanzigstes Kapitel.

1521

1529.

Luther kommt nach Wittenberg › zurück. -- Neuerungen wäh Ursachen, warum sich seine rend seiner Abwesenheit. Meinungen immer mehr verbreiteten. Er stellt ein Sy ſtem zur Kirchenverbesserung in Lehre und Gottesdienst auf. Verhandlungen der beiden Nürnberger Reichstage. Die katholischen Stände schließen eine Verbindung zu Regensburg. -- Der Kurfürst von Sachsen Friedrich stirbt. Johann, ſein Bruder und Nachfolger , der Landgraf von Heſſen und mehre deutsche Fürsten und Stände nehmen die Luther's Vermählung. - Ost-Preussen Reformation an. wird ſäkularíſirt durch Albrecht von Brandenburg. Unse lige Folgen der Mißbräuche , welche die Reformation veran= laßte. Wiedertäufer. Bauernkrieg. Die LutheriKarl der Fünfte sa en sabließen das Torgauer Bündniß. ist in Italien glücklich . Die heilige Ligue verbindert ihn an der Vollziehung des Wormser Edicts. - Reichstag zu Speier. Reiffende Fortschritte der Reformation in verſchiedenen europäischen Staaten. Anfang der Religionsunru Der Kaiser schlägt sich abermals hen in Deutschland. ins Mittel. ― Edict gegen die Reichstag zu Speier. neue Lehre. - Die Fürsten , welche die Reformation an= genommen , protestiren. stanten.

Ursprung der Benennung : Prote=

Die Ausbreitung von Luthers Lehre ward weder durch den Beschluß des Reichstages , noch durch seine Abwesenheit gehindert ;

gerade während derselben ward au 1

30

Achtundzwanzigstes Kapitel. 1521-1529.

Anstiften feines Schülers Karlstadt , der noch weit higiger und halsstarriger , als er selbst, war, die erste Abånderung in der römiſchkatholischen Liturgie und Kirchenzucht gemacht.

Man riß die Bilder aus den Kirchen,

man hob Messe , Ohrenbeichte, das Anrufen der Heiligen und das Faſten auf. beiderlei Gestalt ,

Man reichte das Abendmahl unter

und Karlstadt gab durch seine eigne

Verheirathung das Beispiel , das Gelübde der Keuschheit zu verlegen ). Diese Neuerungen giengen nicht ohne Gewaltthätig. keiten , nicht ohne Murren ab.

Der Kurfürst , der noch

schwankte , wie er sich in der Sache zu benehmen habe, wendete sich erst an die Wittenberger Universität , drauf an Luther selbst.

Dieser , allen Gefahren trogend , ver

ließ alsbald seine Freistatt und begab sich eiligst 6. Mårs 1522.

5

nach Wittenberg , dem Eifer seiner Anhänger' Gränzen zu sehen.

Zwar waren die von ihnen

gemachten Neuerungen feinen Grundsäßen nicht entgegen, aber er fürchtete doch , daß ein unbesonnenes Abschaffen heiliger, seit Alters geachteter Gebräuche ,

ångstlichen

Gemüthern wehe thun, und die von ihm verkündete christ. liche Freiheit in Zügellosigkeit ausarten möchte.

Des.

halb mißbilligte er in einem auf seiner Reise an den Kaiser geschriebenen Briefe die gemachten Neuerungen, 1) Nichts hat vielleicht mehr zur Verbreitung der lutherischen Lehre unter der Klerisey beigetragen , als Luthers Schrifs ten gegen die Ehelosigkeit der Priester und gegen das Ges Denn kaum hatte man sie gelesen, tübbe der Keuschheit. als eine große Menge Mönche aus ihren Klöstern liefen , und mehre Geistliche ſich verheiratheten. Das erste Beiſpiel gab ein Priester von Kembers , mit Namen Bartholomäus Bernhardi im J. 1521,

11

Karl

V.

31

und als er in Wittenberg angekommen, predigte er sieben Lage nach einander gegen die gewaltsame Weise , deren Sein Ansehen war von

man sich dabei , bedient hatte.

solchem Gewicht , daß man alsbald Alles seinem Gutach ten anheimstellte.

Und wiewohl er Karlstadts Betragen

auf das hårteste getadelt , wars ihm doch weniger um die Wiederherstellung der alten Kirchenzucht , als um Ab. wendung der aus den Neuerungen entstandenen Mißbrau Die wichtigsten behielt er bei , sonst stellte

che zu thun.

ers dem Volke frei , ob es die Heiligen verehren , sich der Dhrenbeichte unterwerfen wollte, oder nicht , ob es das Abendmahl unter einer oder beiderlei Gestalt genießen wollte ; aber er forderte die Brüder aller Orden auf, dem Gelübde der Keuschheit zu entsagen und sich zu verheirathen.

Es war ein Glück für die Reformation , daß die in Spanien ausgebrochenen Unruhen , vor allem aber der Krieg mit Franz dem 1. den Kaiser ganzer acht Jahre von Deutschland entfernt hielten , und ihn an der Voll ftreckung des Wormser Edictes verhinderten.

Sein Bru

der Ferdinand aber , dem , als Mitvorfiteer des Reichs.. rathes, die Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten übertragen war, hatte hinlänglich zu thun ,

wenn er das

Mißvergnügen in den öftreichischen Staaten stillen und sein Recht auf die Kronen von Ungarn und Böhmen ver fechten wollte.

So war denn das Regiment des Reichs

dem genannten Rathe selbst überlassen, in welchem mehre Mitglieder,

die neue Lehre

zu

begünstigen ,

geneigt

waren.

Durch alle diese Umstände besiegten die Lutherischen alle Hinderniffe, welche Neuerer gemeiniglich zu bekäm-

32

Achtundzwanzigstes Kapitel: 1521-1529.

pfen haben.

Uiberdies waren selbst die in Rom vorges

gangenen Veränderungen den Anhängern der Reformation günstig.

Leo der ro. war nicht mehr.

Sein Nach.

folger , Adrian ( der 6.) von Utrecht , der durch Karl des Fünften Einfluß auf den påbstlichen Stuhl zu

9. Januar figen kam , sah und beweinte den Verfall der Kirche.

Sein unvorsichtiges Bekenntniß , daß

Haupt wie Glieder einer schleunigen Besserung bedürften, verstärkte die Gründe der Gegner ; die seine Gewalt bes kämpften.

Wiewohl er die redlichsten Gesinnungen hegte,

und sein persönlicher Wandel durchaus untadlich war, machte er doch die eifrigsten Anhänger des römischen Hofes lau und unsicher , und that diesem so mehr Schaden, als diejenigen seiner Vorgänger , welche mehr Ehrgeiz' und weniger Sittlichkeit beseffen hatten. die Doppelsinnigkeit ,

und

Die Ausflüchte,

die unzeitige Strenge,

zu

welchen sein Nachfolger , Clemens der 7. , seine

28. Nov. 1523 .

Zuflucht nahm ,

heilten

das durch Adrians

Ehrlichkeit verursachte Uibel keineswegs , und lehrten nun das

gar verdammen oder verachten , was

man vorher gelåugnet oder höchfiens nur bezweifelt hatte. Wohl nichts beweist die reissenden Fortschritte der Sectirer, die wir von nun an mit dem Namen der Luthe raner bezeichnen wollen , beffer , wohl nichts beurkundet den Anfang eines systematiſchen Widerspruchs gegen die päbstliche Gewalt untrüglicher ,

als die Ver.

1522. Apr. u. handlungen auf den beiden Nürnberger Reichs, Desbr. tagen , welche der Erzherzog Ferdinand ) bei 1523März "

1) Uiber die Gewalt und das Amt , das Ferdinand bekleidete, find die Meinungen einiger Geschichtschreiber außerordentlich getheilt. Einige behaupten , Karl der Fünfte habe ihn zum

Karl

V.

33

fonders in der Absicht ausschrieb , die Vollstreckung des Wormser Edictes gewiß zu machen. in welchem Hadrian

In einem Breve,

der Sechste den Reichsfürsten die

Versäumniß derselben vorwarf, forderte er sie hiernächſt auf, Luthern als ein krebsbehaftetes Glied vom Leibe der Kirche abzuschneiden.

Doch gestand er zu gleicher

Zeit höchst inconſequent , daß die Verdorbenheit des rómischen Hofes die Quelle alles Elends sey , so über die Kirche gekommen , versprach die Mißbräuche sobald und so nachdrücklich, als möglich , Reichstag

um sein Gutachten ,

abzustellen ,

fragte den

und erinnerte an den

Grundſaß des Aristoteles : „, daß alle plötzliche Entschlüßfe in einem Staate gefährlich seyen." Die Wirkungen dieser Bulle täuschten die Erwartung des Pabstes gänzlich .

Die Mitglieder des Reichstages

machten sich sein Geständniß zu Nuße , nöthigten ihn, zu Abstellung der Mißbräuche eine Kichenversammlung

allgemeinen und kaiserlichen Statthalter zu Verwaltung der Geschäfte eingefeßt. Andre wollen, daß Ferdinand alles vers Die möge seines Mitvorsthes im Reichsrathe gethan habe. Durch die Vorstellungen der Kurs Sache verhält sich so. fürsten von Sachsen und der Pfalz , die , als des heiligen roa mischen, Reichs Verweser , das Regiment während des Kaisers Abwesenheit wie in einem Zwischenreiche verlangten , ward Karl der 5. verhindert , seinem Bruder diese Würde zu ertheis len. Daher machte er ihn und Friedrichen , den Bruder des Kurfürsten von der Pfalz, zu Mitvorfizern des Regierungsrathes ; dieser aber , um dem Erzherzoge den Vorfiz auf dem Reichstage zu sichern , entfernte fich so lange von dem Orte der Versammlung , als Ferdinand gegenwärtig war. Hub. Thom. Leodius in vita Friderici Palatini , Lib. 5. p. 80. 81. 84. ap. Struvium, p. 998 et 1010. € I. 26 .

34

Achtundzwanzigſtes Kapitel. 1521 — 1529 .

nach Deutschland zu berufen , und faßten ein Verzeichniß von hundert Beschwerden ) ab , die, wie sie sagten, nicht långer geduldet werden könnten.

Zu dieser Erklärung

fügten sie noch die, daß wenn man jene nicht alsbald ab stelle, sie sich des ihnen von Gott verliehenen Ansehens Was die Forderung in Hinſicht Lue bedienen würden. thers betraf, so erklärten • sie , daß , da seine Reden und Schriften dem Volke über die am römischen Hofe und in der Kirche eingeschlichenen Mißbräuche die Augen geöfnet hätten, sie das Wormser Edict nicht vollstrecken könnten, wenn sie sich nicht offenbar gegen die Wahrheit auflehnen, das Licht des Evangeliums auslöschen , gen und Unruhen erregen wollten.

oder Mißvergnús

Doch erboten sie sich,

ihren Einfluß beim Kurfürsten von Sachsen dahin zu ver wenden , daß er den Reformator an neuen Angriffen auf

1 Endlich ersuchten sie auch den Pabst,

die Kirche verhindere.

sein gegebenes Versprechen so bald als möglich zu erfüllen. In gleichem Geiste war der Reichstagsabschied

MMärz 5251523.

abgefaßt.

Statt aller Drohungen legte er allen

Anhängern der neuen Lehre die Pflicht auf, die Entscheidung einer frei zusammenberufenen Kirchenversamm

" lung in Geduld abzuwarten, verbot die Ausbreitung jedes Grundsaßes , der Unruhen veranlassen könnte , wie auch, daß keine Schrift ohne die Censur einſichtsvoller und redlicher Männer erscheinen sollte, welche jeder Stadtrath zu ernennen haben würde.

Endlich erklärte er, daß die Prie-

fter, die sich verheirathet , wie die Mönche und Nonnen, die aus den Klöstern gelaufen ,

da sie kein Verbrechen

wider die bürgerliche Ordnung begangen ,

auch nur von

1) Centum gravamina nationis Germanicae ,

in 77 Kapitelu. Die Uibers. A

Karl

V.

35

ihren Obern gerichtet , und mit nichts als dem Verluste ihrer Pfründen und Freiheiten bestraft werden könnten. Die Lutheraner zogen den größten Vortheil aus dies fer Urkunde , durch die sie nicht allein das Wormser Edict für aufgehoben erachteten , sondern die sie auch zu ihren Gunsten auslegten.

Ihre Prediger hielten sich für berech

tigt , das Evangelium nach ihren Grundsäßen auszulegen, und die verheiratheten Priester , ein Urthel nicht achtend, das die bürgerliche Obrigkeit nicht vollstrecken ließ, fuh. ren in ihren Amtsverrichtungen fort und zogen die Ein künfte , nach wie vor.

Bis dahin hatten sich die Neuerer begnügt ,

gegen

die Lehre und Gebräuche der römischen Kirche zu predigen, ohne ein förmliches Religionssystem aufzustellen.

Aber es

war auch weit leichter , Irrthümer zu bestreiten, als Såße zu begründen , welche die Prüfung der Vernunft aushal, ten konnten : leichter ,

das heilige Gebäude umzustürzen,

als wieder aufzubauen oder auszubeffern.

Daher sezte

Luther, auf Bitte der sächsischen Geistlichkeit , ein Glau bensbekenntniß und eine Liturgie auf, Ausschweisungen zu verhindern , Neuerung vorzubeugen.

Er

um das Volk an

und jeder abermaligen

übersetzte das

officium

divinum ins Deutsche , gab der Messe mehr Einfachheit, und hob eine große Menge von Feierlichkeiten auf;

in

Allem traf er , seinen eignen Grundfäßen zufolge , so we nig Veränderungen als möglich.

Damit die Einkünfte

der Kirchen nicht verschleudert würden , brachte er es dahin, daß sie durch eine gewisse Anzahl jährlich zu wählender Männer verwaltet wurden. Das Einkommen ward zu Besoldung der Geistlichkeit , und Schullehrer , zur Un€ 2

36

Achtundzwanzigstes Kapitel. 1521 — 1529 .

terstützung der Armen , der Greise , Wittwen und Waisen, zur Ausbesserung der zum Gottesdienst bestimmten Ges bäude , und zur Errichtung von Kornhäusern für Zeiten der Hungersnoth angewiesen 1). die mit des Kurfürsten

1 Alle diese Verfügungen,

stillschweigender

Genehmigung

ins Werk gesetzt wurden , haben eigentlich die erste Ein. richtung des Gottesdienstes und der 1 kirchlichen Polizei bei den Reformirten gebildet : das von den Kirchen in Each. fen hierin gegebene Beispiel ist von

allen lutherischen

Gemeinden Deutschlands nachgeahmt worden. Die Folgen dieser Veränderungen wurden gar bald

verspürt.

Man sahe sie besonders zur Zeit des

Nov.1523. Der Kanoni. 18.Apr. zweiten Kürnberger Reichstages. 1524. fus Faber von Straßburg , der vermöge höhern Befehls in ganz Deutschland herumreifen und gegen das Lutherthum predigen sollte , wagte sich seines Auftrags gar nicht zu entledigen , wiewohl er einen Geleitsbrief bei fich führte , den ihm der Regimentsrath ausgestellt hatte. Der påbstliche Botschafter Campeggio fürchtete Gefahr zu laufen , wenn er mit den Zeichen seiner Würde öffentlich in Nürnberg einzöge , und legte auf dringendes Ansuchen Ferdinands und der andern Fürsten , die ihm entgegen gekommen waren, Kardinalshut und Rock ab, weil sie ihm von Seiten des Pöbels können.

Beschimpfungen hätten zuziehen

Ja in der Stadt ſelbſt ließen sich die evangeli-

schen Prediger durch die Gegenwart des Reichstags gar nicht irren , sondern eiferten öffentlich gegen den Verfall der Kirche , und reichten den Laien das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. 3) Dupin , hist, eccles . L. 2. c. 15. 3. p. 12 , 13.

Beausobre, Tom.

Karl

V.

37

Dieser neue Reichstag betrug sich ganz so , wie der vorige.

Vergebens lag ihm Clemens der 7. an , welcher

die durch Hadrian des 6. Geständnisse verursachte Ungebühr wieder gut zu machen suchte , das Wormser Edict zu vollstrecken , das einzige Mittel , wodurch Luthers Ketzerei erstickt werden könnte.

Karl der Fünfte unterſtüßte

fern Gesuch durch ein Rescript, Vorstellungen seiner Minister.

und durch die eifrigen

Aber der Reichstag behaup-

tete , dieser Schritt des Kaiſers ſey eine Verlegung seiner Freiheiten , und der Reichsabschied war wo möglich noch betrübter für den römischen Hof und seinen Absichten noch mehr zuwider , als es der lezte kaum gewesen war. Er forderte , daß der Pabst mit des Kaisers Bewilligung ei ligst eine Kirchenversammlung in Deutschland berufe , um den Religionsunruhen ein Ende zu machen. gegen Luthers

Werke

Das zu Rom

gesprochene Verdammungsurthel

mit Stillschweigen übergehend , verordnete er einen neuen Reichstag zu Speier, um die Stellen zu unterſuchen , wel che der Kirchen - Versammlung vorgelegt werden müßten. Die Obrigkeiten sollten darauf sehen , daß das Evangelium ohne Tumult und ohne Anstößigkeiten,

nach der

von der Kirche gebilligten. Auslegung der Gottesgelehr ten ,

gepredigt werde,

und alle Schmähschriften

und

schimpfliche Bilder auf den Pabst und die Bischöfe verponen ¹).

Zwar versprach

der Reichstag ,

alle seine

Kräfte auf die Vollstreckung des Wormser Edictes zu wenden , aber er erklärte zugleich , daß der nächste Reichstag zu Speier das in dem lezten Abschiede enthaltene Verzeichniß der Beschwerden in Betrachtung ziehen werde. 1 ) Luther begnügte sich nicht , den römischen Hof in Schriften anzugreifen, sondern ließ auch. Pasquille und Karikaturen gez 1 gen ihn erscheinen.

38

Achtundzwanzigstes Kapitel

1521—1529 .

Als sich die Katholiken in ihrer Hofnung auf den Beistand des Reichstages so getäuscht ſahen , so schloffen fie 1) zu Regensburg , unter Begünstigung des Legaten eine Verbindung ,

die keinen andern Zweck hatte ,

als

das Wormser Edict zu vollstrecken , und welcher der Erz herzog Ferdinand , der Herzog von Baiern , und 6. Julius die meisten deutschen Bischöfe beitraten. Bu 1524. gleicher Zeit machte Campeggio auch, um das deutsche

Volk zufrieden zu stellen ,

eine Constitution

zur Abstellung einiger Mißbräuche bekannt ;

doch da nur

die niedere Geistlichkeit darin angegriffen ward ,

hatte

fie keine Wirkung auf die öffentliche Meinung. Troß dieser Verbindung der katholischen Fürſten waren die Verhandlungen auf dem Nürnberger Reichstage nur das Vorspiel zu noch weit größeren Neuerungen , die zum Bewundern schnell auf einander folgten. Als Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, im Jahre 1525 starb, folgte ihm sein Bruder ,

Johann der Beständige ,

fich öffentlich zum Lutherthum bekannte ,

der

und von dem

berühmten Melanchthon eine Schußschrift deſſelben abfaffen ließ. Kurz nachdem er zur Kur gelangt , gab 38.Julius Luther selbst, der im verflossenen Jahre schon 1525. das Ordenskleid abgelegt hatte, den klårsten Beweis , daß er das Joch der römiſchen Kirche abgeſchüttelt habe, indem er sich mit einem adlichen Fräulein , der Katharine von Bore , vermählte, die erst den Schleier im Kloster Nimptschen bei Grimma genommen hatte , drauf entſprungen und nach Wittenberg geflüchtet war. 1) d. i. der Erzb, zu Salzburg , die Herzoge Ludwig und Wils helm von Baiern, die Biſchöfe zu Trident, Regensburg, Bams berg , Speier , Straßburg , Augsburg , Koftnig , Basel , Freis fingen, Paſſau und Brixen. Die Uibers.

t

V.

Karl

39

Dem Beispiele des Kurfürsten von Sachsen folgten der Landgraf Philipp von Heſſenkaſſel , ein Fürst von gros ßen Gaben und ausgezeichneter Achtung : die Herzoge von Mecklenburg, Pommern und Zelle , die Reichsstädte Nürn berg , Strasburg , Frankfurt , Nordhausen, Magdeburg, Braunschweig ,

Bremen

und

andre

minder

wichtige.

Doch am merkwürdigsten war der Religionsübertritt des 人 Hochmeiſters

Markgrafen Albrechts von Brandenburg , vom deutschen Orden.

Dieser entfagte im J. 1525 dem

Gelübde der Keuschheit , bekannte sich zu Luthers Lehre und säkularisirte mis des Königs Sigismund von Poh. len Bewilligung ganz Oft-Preuffen , das er in ein erbliches Herzogthum unter pohlnischer Oberlehnsherrlichkeit ver« wandelte.

Zu gleicher Zeit schloß er ein Schuß- und Truße

Bündniß mit dem Kurfürsten von Sachsen ). Selbst in den öftreichischen Staaten fand die Refor. mation einen zahlreichen Anhang. nand Mühe gegeben hatte ,

Wiewohl sich Ferdis

das Wormser Edict geltend

zu machen , so wurden doch die sogenannten evangelischen Grundfäße nicht allein von einem Theile des Volkes , fon dern auch von Perfonen höheren Standes,

und von den Ein Profefforen der Wiener Universität angenommen. gleicher Geist grif in Böhmen um sich , und dieses Land, das so schmach an Reich und Kirche gefettet war , ftand nahe dran , die Religionskriege wieder ausbrechen zu ſehn. Die reissende Ausbreitung der neuen Lehre erzeugte einen tödlichen Haß zwiſchen beiden Parteien , so daß jeder die Absichten der andern verdächtig wurden. lifen fürchteten mit Recht ,

Die Katho-

daß man die Grundfäge der

■) Von diesem Bündniſſe haben wir nirgends Nachricht gefunden. Die Uiberf.

40

Achtundzwanzigstes Kapitel. 1521-1529.

Freiheit, auf welche das Lutherthum gebaut ist, auf das bürgerliche Regiment übertragen möchte.

Menschen voll

glühender Einbildungskraft und von zügelloſen Sitten überließen sich den ausschweifendsten Ideen und stifteten den größten Unfug.

Zwei Anhänger Luthers, Thomas Müns

zer und Niklas Storch , traten als Häupter einer Secte auf, die unter dem Namen der Wiedertäufer bekannt ges \ worden , weil sie nur diejenigen zur Taufe ließ , die das mannbare Alter erreicht hatten.

Diese beiden Menschen

vermaaßen sich prophetischer Gaben : sie bildeten ein vor. gebliches Reich von Auserwählten auf der Erde , `predigten eine Gemeinschaft der Güter und der Weiber , und wollten durchaus keine Obrigkeit , weder geistliche , noch weltliche, mehr anerkennen.

Die Handlanger dieser tollen Schwär-

mer verbreiteten sich unter den Bauern , und machten ſie ohne große Mühe gegen die Gutsherren , die Obrigkeiten, die Geistlichkeit aufrührig , da sie unter der Last des Feus dal - Despotismus seufzten.

Der Aufruhr brach fast in

allen Gegenden Deutſchlands zu gleicher Zeit aus. 1524.

Haufenweis griffen die Bauern zu den Waffen, liegen dem so lang verhaltenen Rachgefühle die

Zügel, und schonten keines Alters ,

keines Geschlechts.

Nachdem sich aber mehre Fürsten von beiderlei Religion vereint hatten,

eine Empörung zu ersticken , welche die

Sicherheit aller bedrohte ,

wurden die Wiedertäufer ges

ſchlagen und zerstreuet 1 ).

Ihr Rådelsführer , Münzer,

empfieng auf dem Hochgerichte die verdiente Strafe seiner

1) Erst vom schwäbischen Bunde , dann durch die Herzoge von Sachfen , Johann den Beſtåndigen , und Georg den Bårtigen, dem Landgraf Philipp von Heſſen , und dem Herzoge Heinrich Die Uibers. von Braunschweig .

Karl Schandthaten.

V.

41

Die Bauern wurden wieder

zum Gehorsam gebracht ,

Mai u. Jus nachdem sie in bertius 1525.

schiedenen Scharmüßeln hunderttausend ( ?) der ihrigen verlohren hatten.

Wiewohl sich nun die lutherischen Fürsten unter allen zuerst beeifert , die Aufrührer zu ihrer Pflicht zurückzubrin gen, wiewohl die Bekenner der neuen Lehre den größten Abscheu gegen die von den Wiedertäufern verübten Gråuel geäußert , wiewohl Luther selbst sehr derb gegen Münzer und seinen Anhang geschrieben hatte , so schrieben die Ka tholiken doch alle Unordnungen den neuen Meinungen zu. Vernichtung des Lutherthums , Wiederherstellung der alten Religion , das schien ihnen das einzige Mittel , den Wie derausbruch der Unruhen zu verhindern.

Auf der andern

Seite arbeiteten die Fürsten und Stände, die sich an die Reformation angeschlossen , mit allem Eifer an der Verstårkung ihrer Partei ; also , um dem regensburger Bünd nisse der Katholischen das Gegengewicht zu halten, und ſich einhellig gegen jede Verfolgung in Sachen der Religion zu schirmen, schloffen sie 1) einen Bund 2. Mai 1526.2) ju Torgau, dessen vorzüglichste Mitglieder der Kurfürst von Sachsen, der Landgraf von Heffen , der Hers zog von Mecklenburg , der Herzog

von Braunschweig,

die Grafen von Mansfeld und die Stadt Magdeburg waren. Alle diese Ereignisse , wie die Gesuche der Katholiken zogen die Aufmerksamkeit des Kaisers auf sich , der die

1) d. i. der Kurfürst von Sachſen und der Landgraf von Heſſen. Die übrigen , unter welchen auch die Fürsten von Anhalt, traten erst am 12. Junius zu Magdeburg bei. Die Uibers. 2) im Original 14. Mai 1525.

Achtundzwanzigstes Kapitel. 1521-1529.

42

günstige Lage seiner Angelegenheiten in Italien zur Dám pfung der Religionsunruhen zu benußen beschloß.

Zwei-

mal schon hatte er die Franzosen aus Mailand verjagt. Ihre Unternehmungen gegen das Königreich Neapel hatte er vereitelt , und Franz den Ersten , seinen Nebenbuhler, in der Schlacht bei Pavia gefangen genommen.

Der frans

zösische König hatte , nach einer harten Gefan 14.Januar genschaft in Spanien , den Vergleich von Ma1526. 1) drið unterzeichnen müſſen , in welchem er jedem Anspruche auf das Mailändische und auf das Königreich Neapel entfagte. Burgund,

Ferner hatte er die Zurückgabe von

und seine Hülfe zur Vernichtung der neuen

Lehre versprochen.

Zur Erfüllung aller dieser Bedingun-

gen hatte er seine beiden ältesten Söhne als Geiseln gegeben. Seine große Unzufriedenheit mit dem Verfahren des Nürnberger Reichstages hatte Karl schon deutlich genug zu erkennen gegeben , den zu Speier hingegen ließ er nicht fich mit dem Gegenstande beſchäftigen, weshalb er zuſam» mengekommen war.

In einem an die Stände gerichteten

Schreiben meldete er , wie er gesonnen sey, sich in Ita. lien vom Pabste krönen zu lassen ,

und mit Seiner Heilig.

keit wegen einer zu berufenden allgemeinen Kirchenverfammlung Rücksprache zu nehmen.

Er ermahnte sie, die alte

Verfassung , Gefeße und Gebräuche der Kirche zu beschüt zen , und das Wormser Edict zu vollstrecken.

Jedem kas

tholischen Fürsten gab er zu gleicher Zeit seinen Beifall über ihr Betragen zu erkennen ; auch wiederholte er ihnen feine Versicherung, daß er eiligst nach Deutſchland kommen, 1) nach Robertson. Andern zufolge am 17. Februar. Die Uibers.

Karl

V.

43

und Luthers Irrthümer bekämpfen werde.

Endlich mun-

terte er den Herzog Heinrich von Braunschweig und den Bischof von Strasburg , als deren Lånder den Angriffen der Lutheraner am meisten ausgefeßt wären , auf, in ihrer Anhänglichkeit an die katholische Religion zu verharren, und versprach ihnen beizustehen , dafern es nöthig wäre. Aber ehe noch sein Befehl zur Kenntniß des Reichstages hatte gelangen können , war er in Italien in neue Feindseligkeiten verwickelt worden.

Der Pabst

aufge-

bracht über Karl des Fünften Anmaaßung und Kriegsglück, hatte schon über einen neuen Bund unterhandelt , den Namen der heiligen Ligue gab ;

dem er

dem zufolge brach

Franz der 1. den Madrider Vergleich , und grif abermals zu den Waffen.

Zugleich brach Soliman (der 2.) der

Prächtige , höchft wahrscheinlich mit Frankreich einverstan den, in Ungarn

) ein und bedrohte die östreichischen,

durch innere Zwietracht ohnedies erschütterten Staaten. 1 Der Reichstag hielt indeffen seine Sigung fort, und die Hiße, mit welcher man in Sachen

Januar 1526.

der Religion stritt , war so gros , daß Deutschland von einem Bürgerkriege bedroht schien.

Die Katho-

liken bestanden auf der Vollstreckung des Wormser Edictes, die Lutheraner verlangten allgemeine Duldung. Durch Ferdinands Vermittlung

erhielten sie sie wenigstens für

den Augenblick , denn seine Befißthümer waren den Angrif. fen am meisten Preis gegeben.

Endlich entschied man die

Berufung eines allgemeinen freien oder Nationalkonziliums binnen Jahresfrist , und hinsichtlich des Wormfer Edictes 1) Was den von den Türken in Ungarn geführten Krieg betrift, so verweiſen wir den Leser auf Ferdinand des 1. Regierungss seschichte.

44

Achtundzwanzigstes Kapitel. 1521-1529.

ward beschloffen , daß die Fürsten und Stände ihr Bes tragen so einrichten sollten , wie sie es vor Gott und dem Kaiser verantworten könnten. Die Errichtung der heiligen Ligue gerade war es, welche durch die lebhafte Erbitterung , die sie Karl dem Fünften gegen Clemens den 7. einflößte ,

den römiſchen

Hof demüthigen und die Fortschritte des Lutherthums erleichtern half.

In einem Manifeste , der Antwort auf

eine Schuhschrift, die der Pabst über sein eignes Betragen geschrieben , und die von Bitterkeiten wimmelte ,

rückte

der Kaiser dem heiligen Vater ſeine Betrügereien und ſeinen Ehrgeiz vor und verlangte die Berufung einer allgemeinen Kirchenversammlung.

Auch bei dem heiligen Kollegium,

dem er im Fall einer Weigerung oder Aufschubs diefelbe Pflicht auferlegte, beklagte er sich über die Ungerechtigkeit und Parteilichkeit des Pabstes.

Dies: Manifest ,

das

an Heftigkeit kaum Luthers Schriften etwas nachgab, ward reichlich in ganz Deutschland verbreitet , und A Menschen jedes Standes laſen es mit Begierde.

Es lehrte , zus

fammt Roms Plünderung und der gefänglichen 1527.

Haft, in welche Karl den Pabst brachte ,

die

Deutschen durch ihres Oberhauptes Beispiel dem påbstlichen Ansehen alle Achtung zu versagen , und hielt der Aechtung der von Luther vorgetragenen Lehre mehr als das Gegenwicht.

Alle diese Ereignisse , wie die von dem

Speierischen Reichstage eingeräumte Freiheit wurden von den Freunden der Reformation geschickt benußt.

Mehre

Fürsten des Reichs, bis dahin noch durch Furcht vers hindert, schüttelten nun jede Fessel ab , suchten nicht nur eifrig , ihre Unterthanen zu bekehren , sondern nahmen auch die in katholischen Staaten lebenden Lutheraner in

V.

Karl Schuß.

45

Andre handelten dem Intereffe des heiligen Stuhls

zwar nicht offenbar entgegen ,

aber sie hinderten doch nie.

manden, sich zum Lutherthum zu bekennen , und störten die reformirten Gemeinden - nicht.

Luther selbst und seine

Mitarbeiter gaben durch Schriften, Unterricht und Beispiel den Schwachen Kraft, verbannten die Zweifel aller, die in Unentschloffenheit wogten, und hauchten allen Freunden des wahren Christenthums einen der Wichtigkeit des Gegenstandes angemessenen Eifer ein, 1 Durch diesen glücklichen Fortgang

in Deutschland

pflanzte sich die Reformation mit reiffender Schnelle auch in den angränzenden Ländern fort.

Zwingli in der Schweiz,

der berühmte Stifter der reformirten Kirche , der den rös mischen Hof noch früher , als Luther angrif , Zwingli, Luthern gleich an Eifer und Unerschrockenheit , aber größer an Kenntnissen und Aufrichtigkeit ( ? ) , kühasten Schritte gethan.

hatte schon die

Frei von der Fessel, welche

des Fürsten Wille dem deutschen Gottesgelehrten angelegt, hatte er das ganze Gebäude der bestehenden Religion umgestürzt.

Seit 1524 hatte der Kanton Zürich dem Pabste

den Gehorsam verweigert, und 1528 waren Bern , Bafel, Schafhausen, ein Theil des Graubündtner Landes, Gla rus und Appenzell diesem Beispiele gefolgt ¹). Nicht geringere Fortschritte machte die evangelische Lehre im Norden. Schwager ,

Christian der 2. , Karls des Fünften

war durch Gustav Wasa vom schwedischen,

durch Friedrich von Oldenburg vom dänischen Throne gefkürzt worden.

In beiden Staaten fiel

påbstliche Ansehen ,

das Lutherthum ward zur

Staatsreligion erhoben. 1) Tscharner. -

das

In England nahm

Watteville,

Planta.

1523 und 1527.

46

Achtundzwanzigstes Kapitel. 1521-1529.

das Volk die Reformation mit einer Begeisterung auf, die der Monarch mit allem Despotismus konnte

nicht bezwingen

und Heinrich der 8. selbst, der sich doch durch

ein Werk gegen Luther den Titel : „ Beschirmer des wahren Glaubens " erworben hatte , bestand auf seiner Scheidung von Katharinen von Arragon , wodurch die anglikanische Kirche von der römiſchen ausgeschieden ward.

Sogar in

Frankreich riffen Spaltungen ein, wo dem Bestreben Franz des Ersten zum Troß , der die Reformirten in seinen eig nen Landen verfolgte , während er sie in Deutschland in Schuß nahm , eine von Farel gebildete Partei ſpåter durch Kalvins Eifer anwuchs : daher man auch die , so ihr an. hiengen , Kalvinisten genannt hat. Die Fortschritte der Reformation, das Betragen der ihr ergebnen Fürsten waren eben nicht geeignet , den gegen. seitigen Haß der beiden Parteien zu vermindern.

Unauf-

hörlich wendeten sich die Katholischen mit den lebhaftester Vorstellungen an den Kaiser.

Anderntheils verdoppelten

die Lutherischen ihre Kräfte durch Bündnisse , und trafen Verteidigungsanstalten gegen jeden Angrif.

Der Landgraf

Philipp von Heffen , vielleicht voll reiner Ergebenheit gegen die neue Lehre , aber aufbraufend , ehrgeizig und gewinnsüchtig ,

hob schon Truppen aus,

schreckte ganz

Deutschland durch doppelsinnige Drohungen und überfiel endlich die Besizungen der Bischöfe von Würzburg und von Bamberg.

Da sich die katholischen Fürsten auf die

fen Angrif wenig vorgesehen hatten, ward der Bürgerkrieg durch ihre friedlichen Zusicherungen noch verhindert, der Landgraf verabschiedete seine Truppen , ziemliche Summen eingestrichen.

und

nachdem er

So wurden die Refor

mirten durch die Schwäche und Uneutschlossenheit ihrer

d

Karl

V.

47

Gegner ermuthigt , der Haß der Katholiken aber wuchs mit ihrer Demüthigung. Jezt dachte der Kaiser , der in Italien wieder gestie. gen war , * Frieden zu schließen , damit er die katholische Partei in Deutschland nachdrücklicher unterstüt zen könnte. Er schrieb abermals einen Reichstag – 1529. nach Speier aus, um Hülfe gegen die Türken zu: fordern , besonders aber, um dem Religionszwiste ein Ende Den Vorſiß der Versammlung, die am funfe

zu machen.

zehnten März eröfuet wurde , führte in seiner Abwesenheit Ferdinand, der nur eben den Thron von Ungarn und + Böhmen bestiegen. Die Religionsangelegenheiten vers drångten jede andre. 4 Die Katholiken, welche die verdrüß lichen Folgen des auf dem vorigen speierischen Reichstage gefaßten Entschluffes einsahen, vereinigten alle ihre Kräfte, den Widerruf oder wenigstens eine Aenderung deffelben zu erlangen.

In der That ward das erste Toleranzédict nach

Erimenmehrheit durch ein neues unter dem Vorwande widerrufen, daß es erklärt werden sollte, weil man es falsch ausgelegt, und eine Menge neuer Meinungen daraus gezogen hätte.

Das Wormser Eoict ,

verordnete man

weiter , follte bis zu einer allgemeinen Kirchenversammlung überall gültig bleiben , wo es schon vollstreckt worden ; es sollten weiter keine Neuerungen geschehen ; die Messe sollte wieder gefeiert werden , die katholischen Unterthanen nunmehriger reformirter Fürsten einer unumschränkten Dul Die Diener des Evangeliums follten das 1 Wort Gottes gemäß der von der Kirche gegebenen Ausdung genießen.

legung predigen , und sich , eine neue Lehre aufzubringen, enthalten.

Unter dem Vorwande der Religion sollte durch

aus keine Feindseligkeit begangen werden , auch kein Fürst

48

Achtundzwanzigstes Kapitel. 1521-1529.

den Unterthanen eines andern ſeinen

Schuß bewilligen.

Die härtesten Strafen wurden gegen die Wiedertäufer festgesetzt, auch gegen die. Sacramentſchwärmer Verordnungen getroffen , die in ihrer Meinung über die wirkliche Gegenwart im Sacramente des heiligen Abendmahls sowohl von den Katholiken, als von den Lutheranern abwichen ¹).

".

Die leztern, die sich den eigentlichen Anlaß des De cretes ohne Mühe enträthseln konnten ,

waren über die

möglichen Folgen desselben in der größten Unruhe.

Nach-

dem fie die Billigung desselben durch den Reichstag´ vergebens zu verhindern gesucht, feßten sie ihm eine förmlichè Protestation entgegen.

Durch diese erklärten die lutheris

schen Fürsten, daß das , was auf einem Reichstage~einstimmig beschloffen worden , nicht durch Stimmenmehrheit auf einem andern widerrufen werden könne, daß ferner, da ihre Doctoren den Widerspruch der Messe mit dem, was Jesus Christus eingeseßt , einmal bewiesen , . sie auch das Begångniß derselben mit

gutem Gewissen nicht in

ihren Staaten dulden, noch endlich den abgeschmackten Gebrauch zulassen könnten , das Abendmahl an einem und demselben Orte unter beiderlei Gestalt zu reichen.

Sie

griffen den Artikel an , welcher das Evangelium nach der Auslegung der Kirche zu predigen gebot , weil er nicht be. stimme, welches die wahre sey.

Sie behaupteten ,

die heilige Schrift ,

untrügliche Regel der

als einzige ,

daß

Sitte, durch sich selbst, nicht durch menschliche Uiberlie ferungen erklärt, werden solle, die da ungewiß und zweifelhaft.

Demnach seyen sie fest entschlossen , nichts als

1 das alte und neue Teſtament in ſeiner ganzen Reinheit lehren zu lassen.

Zu dem gegen die Wiedertäufer gefällten

1) Dupin, histoire eccles. ch. 21,

Karl

V.

49

Verdammungsurthel gaben sie ihre Einwilligung gern ; doch weigerten sie sich ,

die Sacramentsschwärmer zu

verdammen , aus einer Anwandlung von Großmuth , die sie nachher verläugneten , und gestüßt auf einen Grundsah, den sie für sich selbst gebraucht, daß man keine neue Lehre åchten solle, bevor man nicht ihre Bekenner angehört und widerlegt habe.

Schlüßlich drückten sie ihre

feurigsten Wünsche für die Aufrechterhaltung der Ruhe aus und bezeugten ihr Verlangen ,

diejenigen ,

den Landfrieden gebrochen haben sollten ,

welche

von billigen -

Richtern gerichtet zu ſehn. Diese hier aus einander gefeßte Protestation war vom Kurfürsten Johann von Sachsen , vom Markgrafen Georg von Brandenburg Anspach , Franz und Ernst von Braunschweig

von den Herzogen Lüneburg , ~* vom

Landgrafen Philipp von Hessen Kassel ,

vom Fürsten

Wolfgang von Anhalt und von vierzehn Reichsstädten ´unterzeichnet ¹).

Und dieſe Proteſtation iſt es auch, von

welcher die Lutherischen den Namen Protestanten bekommen , den man nach der Hand allen gegeben , die sich von der römischkatholischen Kirche getrennt haben 2).

1) Diese waren : Strasburg , Nürnberg , Ulm , Kostnis , Reuts lingen , Windsheim , Memmingen , Lindau , Kempten , Hella bronn, Isny ( Ißny ) , Weissenburg , Nördlingen und Sct. Gallen. Ihnen säumten nicht nachzufolgen : Augsburg, Franks furth , Hannover , Hamburg , Minden , Eslingen , Brauns schweig , Goslar , Göttingen und Einbeck. 2) Bei Ausarbeitung dieſes Kapitels haben wir die verſchiedenen oben erwähnten Geschichten der Reformation, auch die vielen Ges schichtsbücher der Deutschen und die Biographen Karls des Fünfs ten benust , die wir , um beständiges ZurüŒweiſen zu vermeis den , weiter unten angeben werden.

II. 2h.

D

50 Neunundzwanzigstes Kapitel. 1529-1534.

Neun und zwanzigstes Kapitel.

A 1529

1534.

Karl der Fünfte ſchließt Frieden mit dem Pabſte , und dem Könige von Frankreich , um die Protestanten zu Gründe zu richten, Zu Bologna wird er zum Kaiſer gekrönt.