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German Pages 300 Year 1999
Andreas Gößner
Weltliche Kirchenhoheit und reichsstädtische Reformation
Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg Colloquia Augustana Herausgegeben von Johannes Burkhardt und Theo Stammen
Band 11
Andreas Gößner
Weltliche Kirchenhoheit und reichsstädtische Reformation Die Augsburger Ratspolitik des „milten und mitleren weges"
1520-1534
Akademie Verlag
Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Augsburg und des Peutinger-Collegiums e.V. München
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Gößner, Andreas: Weltliche Kirchenhoheit und reichsstädtische Reformation: die Augsburger Ratspolitik des „milten und mitleren weges" 1520-1534/ Andreas Gößner. Anhang: Edition des Gutachtens von Konrad Peutinger zur Religionsfrage 1533. Berlin : Akad. Verl., 1999 (Colloquia Augustana; Bd. 11) ISBN 3-05-003413-0
ISSN 0946-9044 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1999 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der Oldenbourg-Verlagsgruppe Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck: GAM Media GmbH, Berlin Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany
Vorwort Die Stadt Augsburg ist gleichsam ein Synonym ftir den religiösen und kulturellen Wandel zu Beginn der Neuzeit. So ist auch die kirchengeschichtliche Fragestellung des vorliegenden Buches mit dem Horizont kulturgeschichtlicher Themen verbunden. Das läßt sich an der Person des bedeutenden Humanisten Konrad Peutinger, der ein typischer Vertreter dieser kulturprägenden Ausstrahlungskraft Augsburgs war, geradezu namentlich festmachen. Peutingers Rolle im frühen Reformationsprozeß der Reichsstadt Augsburg wird denn auch in diesem Buch ein entsprechender Platz eingeräumt. Aber die Durchdringung politischer, kultureller und religiöser Aspekte, die in seiner Biographie unmittelbar erfahrbar werden, prägen auch die ganze Epoche. Die Veröffentlichung meines Buches in der Reihe des Institutes fur Europäische Kulturgeschichte ist ein besonders glücklicher Umstand. Hervorgegangen ist es aus meiner im Sommersemester 1997 an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München angenommenen Dissertation. Das Thema der vorliegenden Untersuchung wurde von Herrn Professor Dr. Reinhard Schwarz initiiert, der als mein Doktorvater auch ihre Entstehung begleitete. Herrn Professor Schwarz gilt auch an erster Stelle mein herzlichster Dank. Stets betreute er meine Fortschritte mit Interesse, widmete mir seine Zeit und wies mir durch seine Kritik und Anregungen den richtigen Weg durch die Materie. Als Zweitgutachter und Mentor bin ich Herrn Professor Dr. Thomas Kaufmann, dem Nachfolger meines Doktorvaters auf dem Münchener Lehrstuhl, zu großem Dank verpflichtet. Beiden möchte ich auch dafür danken, daß sie - in ganz unterschiedlich anregender Weise - meine Begeisterung für die Kirchengeschichte gefestigt haben. Außerdem sorgten beide über insgesamt drei Semester hinweg (SS 1994; WS 1996/97 bis SS 1997) durch die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Mitarbeit an Ihrem Lehrstuhl für die materielle Absicherung des gesamten Promotionsvorhabens. Die Universität München gewährte mir dankenswerter Weise für die dazwischenliegenden zwei Jahre, also für den Großteil meiner Doktorandenzeit, ein Graduiertenstipendium. Für die Aufnahme der überarbeiteten Fassung dieser Arbeit in die Reihe "Colloquia Augustana" des Instituts für Europäische Kulturgeschichte danke ich ganz besonders den Herausgebern und namentlich den Herren Professor Dr. Johannes Burkhardt und Professor Dr. Wolfgang Weber, die mir seit 1994 die Möglichkeit zur Teilnahme an den Stipendiatenkolloquien des Instituts gegeben haben und mir damit Einblick in die Augsburger Forschungslandschaft gewährten.
Für die Redaktion des Manuskripts für den Druck möchte ich mich außerdem bei Frau Ute Ecker-Offenhäußer und Frau Theresa Hörmann bedanken. Mit einer großzügigen Spende unterstützte das Peutinger-Collegium e.V. München die Drucklegung. Mein besonderer Dank geht deshalb an das Präsidium und die Mitglieder dieser Gesellschaft. Die Arbeit an den handschriftlichen Quellen erledigte ich hauptsächlich im Stadtarchiv Augsburg, dessen fast unermeßlicher Reichtum am schriftlichen Nachlaß des Reformationsjahrhunderts sich mir erst nach und nach erschloß. Als stets freundlicher und kundiger Helfer erwies sich dort in erster Linie Herr Alois Senser bei der Suche und Bereitstellung des Materials. Ich danke ihm und den übrigen Mitarbeitern des Archivs. Trotz unzähliger Stunden in Augsburg bin ich doch ein Münchener geblieben. Deshalb bin ich auch meinen Münchener Freunden und Kollegen für ihre persönliche Anteilnahme sowie die vielseitigen fachlichen Anregungen ganz besonders verbunden. Meine Eltern haben nicht nur mit größtem Wohlwollen, sondern auch - wie beste Freunde - mit der Möglichkeit zu steter Ansprache und Unterstützung in jeglicher Hinsicht letztlich das Gelingen der Arbeit gewährleistet. Ihnen und meinem viel zu früh verstorbenen Bruder Michael (1964-1971) sei dieses Buch gewidmet.
München, im Herbst 1998
Andreas Gößner
Michael Gößner
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung
13
1.1. 1.2. 1.3.
13 15 17
Fragestellung und Überblick über den Forschungsstand Material und Methodik Problemstellung, Aufbau und Inhalt
2. Historische Gegebenheiten zu Beginn des 16. Jahrhunderts
22
2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3.
22 25 25 28 32
Die Die Die Die Die
geographisch-politischen Verhältnisse in Ostschwaben Verhältnisse innerhalb der Reichsstadt Augsburg politischen Verhältnisse kirchlichen Verhältnisse wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse
3. Die Reichsstadt Augsburg 1520-1529
34
3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3. 3.1.4. 3.2. 3.3.
34 35 39 41 44 46 52
Ratsverordnungen mit Bezug auf das religiöse Leben Gegen schriftliche und mündliche Provokationen Gegen unkontrollierte Bettelei Gegen öffentliche oder geheime Versammlungen Gegen Gewalt wider Menschen oder Sachen Die Politik des "mittleren Weges" Die Bündnisbestrebungen
4. Der Augsburger Reichstag 1530
54
4.1. 4.2.
54
Augsburg als Veranstaltungsort des Reichstages Die Weigerung der Annahme des Reichsabschiedes durch die Reichststadt Augsburg
56
5. Die Führung der Reichsstadt nach 1530
62
5.1. 5.1.1. 5.1.2. 5.1.3.
62 62 65 67
Die Führungsspitze in den Ratsgremien Dreizehnerrat und Religionsausschuß Vetter-Rehlinger ( W o l f ) - I m h o f Rehlinger (Ulrich) - Bimmel - Seitz
5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.3. 5.4.
Die Ratskonsulenten Peutinger - Rehlinger (Johann) Hei - Hagk - Langnauer Das Verhältnis zwischen Rat und Predigern bzw. reformwilliger Bevölkerung Die Stellung von Stadtfuhrung und Predigern im regionalen und überregionalen Kontext
69 69 80 85 88
6. Der Auftakt zur reichsstädtisch-bürgerschaftlichen Reformation 1533
92
6.1. 6.2. 6.3.
92 94 96
Die Eingabe der Prädikanten Der Religionsausschuß und sein Auftrag Die Gutachtenaufträge des Religionsausschusses
7. Die Gutachten der reichsstädtischen Juristen
102
7.1. 7.1.1. 7.1.2. 7.2. 7.2.1. 7.2.2. 7.3. 7.3.1. 7.3.2. 7.4. 7.4.1. 7.4.2. 7.5. 7.5.1. 7.5.2. 7.6.
103 103 111 113 113 121 123 123 127 133 133 135 138 138 140 143
Das Peutinger-Gutachten Aufbau Charakteristik Das Rehlinger-Gutachten Aufbau Charakteristik Das Hel-Gutachten Aufbau Charakteristik Das Hagk-Gutachten Aufbau Charakteristik Das Langnauer-Gutachten Aufbau Charakteristik Vergleich der Ergebnisse in den Gutachten
8. Weitere Schritte zur reichsstädtischbürgerschaftlichen Reformation 1533/34 8.1. 8.2. 8.3.
Die Entscheidung des Rates über die Standpunkte der Gutachter Die Einholung von Obergutachten und die Abwägung der politischen Folgen Die politische Absicherung des Reformationsvorhabens
148 148 149 162
9. Das politische Umfeld vor der reichsstädtischbürgerschaftlichen Reformation 1534 9.1. 9.1.1. 9.1.2. 9.1.3. 9.1.4. 9.2.
Die Klärung der innen- und außenpolitischen Lage Der Druck von Bevölkerung und Predigern auf den Rat Ratsneuwahlen und-entscheidungen Die Auflösung des Schwäbischen Bundes Die Verhandlungen mit dem Bischof Die Begutachtung der reichsstädtischen Position gegenüber dem Bischof Die zusätzlichen Gutachten von Langnauer und Peutinger Der Plan eines Augsburger Religionsgespräches Das Ende der Verhandlungen zwischen Reichsstadt und Bischof
9.2.1. 9.2.2. 9.3.
10. Die Einführung und Rechtfertigung der reichsstädtisch-bürgerschaftlichen Reformation 1534 10.1. 10.1.1. 10.1.2. 10.1.3. 10.2. 10.3.
Das Reformationsmandat des Rates Unmittelbare Vorgeschichte Inhalt und Interpretation Bekanntmachung und Durchsetzung Die auswärtigen Reaktionen und die Rechtfertigungsbemühungen des Augsburger Rates Ausblick auf die Entwicklung nach 1534
171 171 171 172 173 174 178 178 183 188
190 190 190 193 198 200 209
11. Zusammenfassung
213
Anhang
219
Edition des Peutinger-Gutachtens
221
1. 1.1.
221
1.2. 2.
Vorbemerkungen Die Überlieferung des Textes und äußere Beschreibung der Textvarianten Die Grundsätze der Edition des Textes Abbildungen Textedition
Abkürzungsverzeichnis Quellen- und Literaturverzeichnis Index der Orts- und Personennamen
221 222 223 225 273 275 297
1. Einleitung 1.1. Fragestellung und Überblick über den Forschungsstand Augsburgs reformationsgeschichtliche Bedeutung hat in vielfältiger 'Weise Würdigung sowohl durch durch die kirchen- als auch durch die profanhistorische Forschung erfahren. Während für die Perspektiven der Geschichtswissenschaft außerordentlich hohe Pluralität und Differenziertheit festzustellen sind, fächert sich das Interesse kirchengeschichtlicher Untersuchungen zu diesem Komplex jedoch herkömmlicherweise in zwei Bereiche auf. Von diesen beiden Bereichen galt der Rolle der Reichsstadt als zentralem Ort protestantischen Werdens und protestantischer Erinnerungskultur in Süddeutschland seit jeher das primäre Interesse. Dagegen wurde die Frage nach den Zusammenhängen von Theologie und reichsstädtischer Kirchenpolitik, die von der profanhistorischen Seite ansatzweise aufgenommen worden ist, zumeist nur unter sehr speziellen Perspektiven, etwa solchen biographischer Art, thematisiert. Die wenigen älteren Arbeiten, bei denen dies nicht der Fall ist, sind dagegen mittlerweile überholt. In der vorliegenden Studie wird die Frage nach der kirchenpolitischen Strategie des reichsstädtischen Rates in den entscheidenden Jahren 1520 bis 1534, also vom Eindringen reformatorischen Gedankenguts bis zum Erlaß des ersten Reformationsmandats, deshalb neu gestellt. Die erste umfassende Untersuchung der Augsburger Reformationsgeschichte wurde am Beginn des 20. Jahrhunderts, genauer 1910 bis 1911, von Friedrich ROTH vorgelegt.' In seiner vierbändigen Gesamtdarstellung über die Jahre 1517 bis 1555 stützt er sich auf eine Vielzahl archivalischer Quellen, wie sie bis dahin und auch seither fur Augsburg nicht mehr verarbeitet worden ist. Die Fülle des darin enthaltenen Materials freilich bringt es mit sich, daß die einzelnen archivalischen Texte zwar in ihrem chronologischen Zusammenhang dargestellt, aber nicht in ihrem Eigenwert ausreichend gewürdigt werden und gelegentlich auch die quellenbezogene Präzision fehlt. Die Darstellung ROTHs läßt daneben auch eine Schilderung der sozialen Ereignisse vermissen und hat eine einseitig konfessionell-lutherische Tendenz.2 Vgl. Wolf, Quellenkunde, 553f.; Schröder, Rezension (zu: Roth, Reformationsgeschichte), 548-551; Broadhead, Politics, 14-17. Sogar noch ein dreiviertel Jahrhundert später werden mit konfessionell-apologetischer Intention die alten "Vorurteile gegenüber der alten Kirche und ihren Repräsentanten" korrigiert, vgl. Immenkötter, Verantwortung, 73, Anm. 1 und 89.
14
Als Ergänzung zu ROTH muß die 1901 erschienene Dissertation von Karl WOLF ART gesehen werden.3 Der Schwerpunkt dieser Darstellung liegt auf den offiziellen Vorgängen und in der Beschreibung der Hintergründe, die zum Übergang der Stadt zur Reformation führten. WOLF ART behandelt dabei ausschließlich die Jahre 1533 und 1534. Wilhelm HANS widmet sich in seiner Dissertation, die ebenfalls 1901 erschienen ist, speziell den Gutachten und Streitschriften, die anläßlich der offiziellen Kirchenreform entstanden sind. Er analysiert diese zum Großteil auch bis heute noch unveröffentlichten Texte hinsichtlich der in ihnen zum Ausdruck gebrachten religiösen Anschauungen und Vorstellungen über die kirchlichen Aufgaben der weltlichen Obrigkeit. Die beiden zuletzt genannten Dissertationen befassen sich auf sehr knappem Raum und mit teilweise oberflächlicher archivalischer Fundierung mit den genannten Themenaspekten zur Augsburger Reformationsgeschichte. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit werden die Inhalte dieser Darstellungen deshalb einer umfassenden Neubearbeitung und -bewertung unterzogen. Ein zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Überwindung der für heutige reformationsgeschichtliche Arbeit nicht mehr angebrachten konfessionell alternativen Schemata - "lutherisch", "zwinglisch" - bei der Erforschung der kirchenpolitischen Vorgänge in Augsburg. Es ist das Verdienst der Studie von Philip BROADHEAD aus dem Jahr 1984, die - wie oben dargestellt - in früheren Jahrzehnten mehrfach wissenschaftlich ausgewerteten kirchlichen und politischen Hintergründe der Reformation in Augsburg in Verbindung zu wirtschaftlichen und sozialen Komponenten des beginnenden 16. Jahrhunderts gebracht zu haben. Diese Dissertation wird in Darstellungen kaum berücksichtigt, da sie nur maschinenschriftlich vorliegt. Unter seiner Fragestellung gelingt BROADHEAD eine relativ weitgehende sozialgeschichtliche Differenzierung der einzelnen Etappen bei Einführung der Reformation in Augsburg. BROADHEAD löst sich dabei jedoch nicht von den traditionellen konfessionellen Etiketten, wenn er die entscheidende sozialreformerische Rolle der "Zwinglian pastors" bereits ab 1525 zu beschreiben sucht. Bei dem Versuch, die Geschichte der städtischen Gesellschaft zwischen 1518-1537 nachzuzeichnen, geraten schließlich - schon bei der Hinzuziehung zu vieler nicht ausreichend differenzierter Quellen - die Konturen theologischer, kirchenpolitischer, institutioneller sowie sozialer Aspekte zu unscharf. In der vorliegenden Arbeit ist daher die Perspektive des regierenden Kleinen Rates, seiner Gremien, Mitglieder und seiner Vertrauensleute für die Darstellung ausschlaggebend. Die entscheidenden Quellen, auf die im Verlauf der Arbeit eingegangen wird, erfahren unter dieser Leitperspektive eine über das bisherige Maß hinausgehende Detail- und Gesamtwürdigung. 3
Vgl. Wolff, Quellenkunde, 554; Broadhead, Politics, 17f.
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Darüber hinaus gibt es in der bisherigen Forschung eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu Spezialaspekten der Augsburger Reformationsgeschichte, insbesondere zu den geistigen und religiösen Strömungen sowie deren Leitfiguren. In der Regel beschäftigen sich diese Arbeiten nicht oder nur am Rande mit der hier vorliegenden spezifischen Fragestellung.4 Dasselbe gilt fur die umfangreiche Literatur zur süddeutschen Geschichte der Frühneuzeit oder allgemeinen Kirchengeschichte des Reformationszeitalters, die ich für meine Arbeit herangezogen habe. Doch werden darin entweder die Kirchenreformation oder die Stadt Augsburg nur peripher behandelt. Aufgrund dieses sowohl zeitlich als auch methodisch überholten Forschungsstandes zum Thema "weltliche Kirchenhoheit als reichsstädtisches Recht" im Lichte der Augsburger Verhältnisse besonders der Jahre 1533/34 erscheint eine erneute Bearbeitung dieses Problemfeldes berechtigt. Dabei wurde umfangreiches handschriftliches Quellenmaterial, das noch nicht veröffentlicht ist und teilweise noch keine Beachtung in der Forschung erfahren hat, erschlossen und bearbeitet.
1.2. Material und Methodik Diese Arbeit stützt sich im wesentlichen auf die Auswertung von Quellentexten zu drei Aspekten, die 1) die generelle Haltung des Rates zu kirchenpolitischen Fragen beleuchten, 2) die Entscheidung des Rates zur Kirchenreform 1534 unmittelbar beeinflußt haben, 3) zu den Biographien der Ratsherren und Gutachter oder speziell zu ihrer Haltung in kirchlichen Fragen der Zeit Auskunft geben. Als das umfangreichste Reservoir an Archivgut5 diente dabei der Fundus des Stadtarchivs Augsburg. Drei Bestände dieses Archivs enthalten den Großteil der verwendeten Archivalien: "Reichsstadt", "Literaliensammlung" und "Evangelisches Wesensarchiv". In der "Literaliensammlung" ist der bis heute erhaltene Korrespondenzeinlauf (als Original) und Korrespondenzauslauf (als Abschrift bzw. Konzept) der Stadtkanzlei verwahrt. Jeder innen- und außenpolitische Akt aus dem zu behandelnden Zeitraum, der eines Schriftwechsels bedurfte, wurde in diesen Bestand aufgenommen, der im Zuge des historisch-wissenschaftlichen Interesses im 19. Jahrhundert angelegt wurde. Zusätzlich findet sich in den Personen- und Reformati4
5
Eine Reihe Veröffentlichungen in der ZHVS (unter anderem von F. Roth, W. Vogt und andere); neuere umfangreiche Literatur findet sich z.B. in der Bibliographie von Zschoch, Existenz; vgl. auch die aktuellen Jahresbibliographien für Bayerisch Schwaben in der ZHVS. Vgl. zum Teil Broadhead, Politics, 22-26.
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onsselekten der "Literaliensammlung" Schriftgut aus der Korrespondenz der wichtigsten Personen, die im Kontakt mit der Augsburger Obrigkeit und im Zusammenhang mit der Reformation standen. Schriftliche Unterlagen und Verzeichnisse der Augsburger Behörden sind in dem Bestand "Reichsstadt" zu finden. Dazu gehören als seriell geführte Unterlagen auch die Protokolle der Ratsgremien (Kleiner Rat und Dreizehnerrat). In diesen sogenannten Ratsbüchern befinden sich Aufzeichnungen über die in den Sitzungen des Kleinen Rates gefällten Entscheidungen. Sie enthalten aber leider in der Regel keine Notizen über die vorausgegangenen meinungsbildenden Diskussionen. Die sogenannten Geheimen Ratsbücher enthalten die Niederschriften über die Sitzungen des Dreizehnerrates, der aus den im engeren Sinn mit den Regierungsgeschäften betrauten Ratsmitgliedern zusammengesetzt war. Sie sind sehr unvollständig und liegen im wesentlichen nur für den Zeitraum von 1524-1534 vor. Soweit vorhanden, enthalten diese Quellen jedoch entscheidende Informationen über den Prozeß der kirchenpolitischen Meinungsbildung und ihrer Umsetzung. Zwei weitere Gruppen innerhalb dieses Reichsstadt-Bestandes bilden die mehrbändigen Faszikel 'Anschläge und Dekrete' und die 'Ratserlasse'.6 Ihnen kommt insofern eine große Bedeutung zu, weil sie die Art und Weise dokumentieren, wie die in den Ratsgremien gefällten Beschlüsse der Bevölkerung bekannt gemacht wurden. Viele der in den eben genannten Beständen "Literaliensammlung" und "Reichsstadt" befindlichen offiziellen Schriftstücke und Protokolle sind von dem bis 1534 amtierenden Stadtschreiber und Leiter der Stadtkanzlei Konrad Peutinger verfaßt. Dabei ist bemerkenswert, daß die Fülle des in Peutingers Amtszeit produzierten Schriftgutes deutlich das Maß dessen überschreitet, was aus den folgenden Jahren und Jahrzehnten erhalten ist. Insgesamt haben diese Bestandsgruppen einen höchst normativen Charakter, der folglich auch für die Auswertung des Materials die Perspektive vorgibt. Der Bestand "Evangelisches Wesensarchiv" im Stadtarchiv Augsburg, zu dem ein gedrucktes und veröffentlichtes Repertorium von BURGER (1941) existiert, umfaßt weitere Urkundenabschriften und Aktenfaszikel, die die politischen und kirchlichen Vorgänge für die Bearbeitung meines Themas ausführlich dokumentieren. Lediglich von ergänzendem Wert sind weitere Bestände des Stadtarchivs ("Katholisches Wesensarchiv", "Kaiser und Augsburg" und "Archiv des Historischen Vereins") und einzelne Quellen aus der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, dem Staatsarchiv für den Regierungsbezirk Schwaben und schließlich dem Augsburger Bistumsarchiv. 6
Daneben befinden sich auch in der SStB Augsburg mehrere Faszikel mit reichsstädtischen Anschlägen und Dekreten, auf die in den Fußnoten hingewiesen wird.
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Zu den wichtigsten edierten Quellen, die das Gesamtbild des handschriftlichen Materials reichhaltig ergänzen, gehören die Geschichtswerke über Augsburg, die sich aus zeitgenössischem Blickwinkel mit den Ereignissen der Reformationszeit befassen. Im wesentlichen handelt es sich um die Chroniken von Clemens Sender, Wilhelm Rem und Georg Preu.7 Alle drei sind in der Reihe "Die Chroniken der deutschen Städte" veröffentlicht. Im Unterschied zu den Dokumenten der Literaliensammlung und des Reichsstadt-Bestandes geben sie keine offizielle Version der Dinge, sondern spiegeln die Ereignisse aus der Perspektive und vor allem in der Bewertung von Zeitzeugen wieder. Aufgrund des unterschiedlichen sozialen Standes der drei Chronisten8 und ihrer unterschiedlichen religiösen Einstellung9 ergibt sich somit bei der Lektüre dieser Texte ein sehr viel vollständigeres Bild, als es die Kenntnis der offiziellen Akten allein vermitteln würde. Neben diesen drei wichtigsten Informanten gibt es in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg und in der Landesbibliothek Stuttgart einige handschriftliche und nur zum Teil gedruckte Chroniken und Chronikfragmente, die meist recht knapp unter anderem auch über die Ereignisse der Kirchenreform von 1534 kleine, aber bemerkenswerte Details enthalten. Sie stammen teilweise aus späteren Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts oder sind noch spätere Abschriften ursprünglicher Quellen, die mit jeweils zeitgenössischen Zusätzen versehen sind. Daher haben nicht alle einen gleich großen Quellenwert wie die gedruckt vorliegenden zuvor erwähnten Chroniken, die überwiegend Kenntnisse aus erster Hand verarbeiten.
1.3. Problemstellung, Aufbau und Inhalt Das am 29. Juli 1534 in Augsburg angeschlagene Ratsmandat verkündete öffentlich die Abschaffung der altgläubigen Predigt im Rechtsbereich der reichsstädtischen Bürgerschaft. Der die reichsstädtische Obrigkeit repräsentierende Rat der Stadt hatte dieses Vorgehen beschlossen. Die Legitimation dazu lag fur den Rat in 7 8
9
Vgl. z.T. Broadhead, Politics, 27-29. Sender war Benediktinermönch in St. Ulrich und Afra, Rem war Handelsmann und entstammte einer alten, von öffentlichen Ämtern ausgeschlossenen Augsburger Patrizierfamilie, und Preu war ein angesehener Renaissancemaler in Augsburg; vgl. Kramer-Schlette, Chronisten, 11-13. Ebenfalls zur Bedeutung der Augsburger Chronistik: Weber, Geschichtsschreibung; Beilot, Humanismus, 350. Sender vertritt in seiner Chronik eine altgläubige Grundhaltung (Kramer-Schlette, Chronisten, 64-68), Rem äußert sich immer wieder kritisch gegen Klerus und Stadtobrigkeit und war der Reformation zugeneigt (ebd., 70-72; Böhm, Reichsstadt, 117ff. и.о., vgl. Reg.) und Preu erscheint als Eiferer für die neue Lehre, dessen Eifer mit scharfer Sozialkritik gepaart ist (Kramer-Schlette, Chronisten, 79-81).
18 seinem Selbstverständnis als christliche Obrigkeit begründet, die für die Erhaltung von Frieden, Ruhe und Einigkeit zu sorgen hatte. Mit dieser - im Ratsmandat explizit an zwei Stellen geäußerten - Vorstellung griff man in gewisser Weise auf die herkömmliche mittelalterliche Vorstellung von der Aufgabe der Obrigkeit zurück. Doch zugleich usurpierte man dieses Obrigkeitsrecht auch, indem die untergeordnete Obrigkeit eines einzelnen Reichsstandes ihren Anspruch auf die Kirchenhoheit gegen den Willen der übergeordneten weltlichen und geistlichen Obrigkeiten für sich forderte. Dieses Spannungsverhältnis zwischen herkömmlicher und neuartiger Legitimierung politischen Handelns kennzeichnet die Kirchenpolitik vieler Reichsstände in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Besonders aufschlußreich sind in dieser Hinsicht die Reichsstädte. Denn in ihnen war die Art und Weise der Ausübung von Kirchenhoheit nicht nur Ausdruck des Selbstverständnisses eines Territorialherren, sondern ein verhältnismäßig differenzierter Prozeß der Meinungsbildung und der Strukturierung von Obrigkeit innerhalb der Bürgerschaft. Dies wiederum hing nicht nur mit der genossenschaftlichen Tradition der Städteverfassungen zusammen, sondern auch mit der gesellschaftlichen Vielschichtigkeit, die sich durch Handel und Wirtschaft gerade zu Beginn der Neuzeit herauskristallisierte. Die Ausübung und Begründung des ius reformandi in der Reichsstadt Augsburg hat daher in der Verbindung kirchenhistorischer und sozialgeschichtlicher Fragestellungen exemplarischen Charakter. Ausgehend von der gerade aufgezeigten Problemstellung erfolgt eine eingehende Darstellung und Analyse der vielschichtigen Ereignisse und Entwicklungen im Ablauf der Augsburger Reformationsgeschichte. Dabei ist jedoch nicht an eine Gesamtdarstellung gedacht, vielmehr liegt der Schwerpunkt, entsprechend der Themenstellung, ausschließlich auf der Perspektive der reichsstädtischen Obrigkeit und basiert - wie schon erwähnt - auf teilweise neu erschlossenem Quellenmaterial. Die lokalen reformationsgeschichtlichen Rahmenbedingungen und die Entwicklung der Ereignisse werden im Hinblick auf die spezifische Fragestellung weitgehend chronologisch entwickelt. Ein systematischer Zugriff auf die Quellen wird erst dann gewählt, wenn - wiederum nur im Hinblick auf die spezielle Fragestellung - die Ereignisse um 1534 eine grundsätzliche Vor- oder Nachbereitung erfahren haben. Aus diesen Vorbemerkungen ergibt sich folgender Gesamtaufriß der vorliegenden Studie: Zu Beginn der Ausführungen in Kapitel 2 wird ein lokalgeschichtlicher Überblick geboten, in dem zunächst die regionalen politischen Rahmenbedingungen, dann die politischen, kirchlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten innerhalb Augsburgs geschildert werden.
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Auf die Thematik reichsstädtischer Rechtsgewalt wird in Kapitel 3 eingegangen. Die aufgrund ihres Bezuges zum Kirchenwesen ausgewählten Verordnungen des Rates von 1520 bis 1529 zeugen von der sich wandelnden Rechtsauffassung und dem sich neu formierenden Obrigkeitsverständnis der Stadtväter. Die gesteigerte Zahl der in den öffentlichen Anschlägen erfaßten Straftatbestände in diesem Jahrzehnt war ein generelles und nicht nur in Augsburg anzutreffendes Phänomen. Vor diesem Zeitraum wurden viele der angesprochenen Vergehen durch die kirchliche Autorität, etwa durch die bischöfliche Jurisdiktion, gerügt. Durch die Erschütterung der Stellung der Kirche in dieser - durch soziale Spannungen und wirtschaftliche Not geprägten - Zeit drang die weltliche Obrigkeit durch zahllose Reglementierungen in die Sphäre der Kirche und des Einzelnen ein. Von dieser Änderung im Rechtsverständnis und in der Rechtspraxis legen die ausgewählten Verordnungen ein vielsagendes Zeugnis ab. Die sich wandelnden Sonderinteressen der Reichsstadt Augsburg werden in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels auf politisch-diplomatischem und ständepolitischem Gebiet exemplarisch dargestellt. Im Unterschied zu anderen Reichsstädten versuchte Augsburg einen speziellen politischen Kurs zu verwirklichen, der zum Ziel hatte, die gegensätzlichen Interessen von Wirtschaft, Reichspolitik und Religionsfragen in der Stadt zu harmonisieren. Bis Ende der 1520er Jahre stellte sich jedoch heraus, daß dieses Projekt des sogenannten "mittleren Weges" für Augsburg realpolitisch nicht umsetzbar war. Folglich sahen sich die Augsburger gezwungen, ihren diplomatischen Kurs zu ändern, und suchten in der Bündnispolitik eine halbherzige Annäherung an andere Reichsstädte. Auf dem Fundament dieses neu gefundenen Selbstverständnisses im innenund außenpolitischen Alltag der Augsburger Bürgerschaft basiert auch der Augsburger Sonderweg auf dem Reichstag 1530, der in Kapitel 4 behandelt wird. Hierbei wird nicht das Reichstagsgeschehen als solches dargestellt, vielmehr geht es nur um die fur Augsburg als Austragungsort erwachsenen Probleme und um Augsburgs weiteren Weg in die ständepolitische Isolation, die offenkundig wurde, als der Augsburger Rat offiziell und öffentlich die altgläubige Ständefraktion verließ. Denn die Lechstadt hatte es versäumt, sich vorher diplomatische Zugangsmöglichkeiten zu den protestantischen Ständen zu schaffen. Der Zugang zu den Schlüsselereignissen der bürgerschaftlichen Reformation in Augsburg 1533/34 wird dann in Kapitel 5 durch eine Auswertung historischbiographischer Fakten eingeleitet. Die dabei hervorgehobenen Persönlichkeiten (Ratsherren und Ratskonsulenten) sind die entscheidenden Protagonisten im öffentlichen Leben der Reichsstadt zu Beginn der 1530er Jahre. Dabei wechselten sich die Ratsherren in den politischen Schaltstellen, dem sogenannten Dreizehnerrat und dem Religionsausschuß, regelmäßig ab, während die Ratskonsulenten und unter ihnen besonders der berühmte Humanist Konrad Peutinger - kontinuierlich über die Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg alle politischen Akte mit juristi-
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schem Beistand begleiteten. Die biographischen Verflechtungen von Ratsherren, Ratskonsulenten und den Predigern auf innerstädtischer und überregionaler Ebene geben insgesamt ein abgerundetes Bild der städtischen Führungsebene ab. Mit Kapitel 6 beginnt - dem zeitlichen Ablauf der einzelnen Ereignisse folgend bis Kapitel 10 - der inhaltliche Schwerpunkt der vorgelegten Untersuchung. Mit der Eingabe der Prädikanten an den Rat im Januar 1533 und der darin formulierten Forderung nach vollständiger Beseitigung des altgläubigen Kirchenwesens in der Stadt tritt der bisher mehr oder weniger latente Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern einer städtischen Reformation offen zutage. Um den drohenden Ausbruch eines offenen Konfliktes zu verhindern, begegnete der Rat dieser Herausforderung formal und mit größter Umsicht durch die Wiedereinsetzung eines Religionsausschusses. Dieses Gremium seinerseits versicherte sich des juristischen Rückhaltes bei den bereits erwähnten Ratskonsulenten. In Kapitel 7 werden die Argumente und Stellungnahmen aus den fünf in Auftrag gegebenen Gutachten reichsstädtischer Juristen kritisch dargestellt und zusammenfassend im Vergleich bewertet. Dabei ist die Ausgefeiltheit der Argumente, die für oder gegen die bürgerschaftliche Kirchenreform der Reichsstadt ins Feld geführt werden, besonders bemerkenswert und deshalb einer detaillierten Untersuchung für wert erachtet worden. Dies gilt vor allem für die je eigene Einschätzung der vielgestaltigen Rechtslage innerhalb der Grenzen der gesamten Stadt (Bürgerschaft, Bischof, Stifte und Klöster) und über ihre Grenzen hinaus (Reichsstände, Bündnisse, Reichsgewalten, imperiale Ansprüche) in den Gutachten. Im Anschluß an die in Kapitel 6 geschilderte Entwicklung der Ereignisse und unter Einbeziehung der Darstellung der gutachterlichen Stellungnahmen in Kapitel 7 wird im folgenden Kapitel 8 ausgeführt, aufweiche Art und Weise der Religionsausschuß nach nochmaliger Einholung von Gutachten die Einwände gegen die Vornahme der Reformation zu entkräften suchte. Auf dieser internen Grundlage wurden dann politische Maßnahmen vorbereitet, die zur gründlichen Absicherung des Reformationsvorhabens dienen sollten. Die einzelnen Maßnahmen kommen dabei in chronologischer Reihenfolge zur Sprache. Mit der Wende der innen- wie außenpolitischen Verhältnisse 1533/34 setzt Kapitel 9 ein. Die konsequente Weiterführung des eingeschlagenen Weges führte den Augsburger Rat zur weiteren Reflexion der Rechtsbegründung in erneuten Gutachten und den Plänen zu einem städtischen Religionsgespräch im Vorfeld konkreten politischen Handelns. Die einzelnen Stationen dieser letzten Anstrengungen vor der Entscheidung werden ihrer zeitlichen Entwicklung folgend nachgezeichnet. Die vordergründig zum Anlaß genommene altgläubige Weigerung, den reichsstädtischen Interessen zu begegnen, und die Gunst der allgemeinen und reformationsgeschichtlich relevanten politischen Entwicklung im Sommer 1534 gaben schließlich den Ausschlag für den Erlaß einer Änderung des Kirchenwesens im
21 Bereich des bürgerschaftlich verwalteten Stadtgebietes von Augsburg. Die Darstellung der unmittelbaren Vorgeschichte, die Interpretation der Bestimmungen des reichsstädtischen Ratserlasses sowie ihre Durchsetzung und schließlich ihre Rechtfertigung vor den altgläubigen Nachbarn, dem König und Kaiser bilden den Gegenstand von Kapitel 10. Diese etwa mit dem Kalendeqahr 1534 endenden Vorgänge markieren einen charakteristischen Abschnitt in der Reformationsgeschichte der Reichsstadt Augsburg.
2. Historische Gegebenheiten zu Beginn des 16. Jahrhunderts 2.1. Die geographisch-politischen Verhältnisse in Ostschwaben1 Das urbane Zentrum Ostschwabens war die freie Reichsstadt Augsburg. Außer dem ummauerten Stadtgebiet erstreckte sich ihr Territorium zur einen Hälfte innerhalb des Zwickels vor der Mündung der Wertach in den Lech und zur anderen Hälfte westlich der Wertach. Augsburg war zugleich Bischofssitz des gleichnamigen Hochstifts und Bistums. Der Bischof hatte allerdings zu Beginn des 16. Jahrhunderts seine ständige Residenz bereits nach Dillingen, auf Hochstiftsgebiet, verlegt. Das Domkapitel blieb bis zur vollständigen Durchführung der Reformation 1537 in der Stadt.2 Trotz des Wegzugs des Bischofs unterstand sogar innerhalb des ummauerten Stadtgebietes der Dombezirk weiterhin der weltlichen Obrigkeit des Bischofs und des Domkapitels.3 Hinzu kam eine Reihe von sogenannten spruchverwandten Klöstern und Stiften innerhalb der Stadt, über die der Bischof weitgehende geistliche Hoheit ausübte. Das Hochstift, d.h. der weltliche Herrschaftsbereich des Bischofs, umfaßte vielfach zersplitterte und verstreut liegende Verwaltungseinheiten (sog. Ämter) innerhalb des durch folgende Flüsse begrenzten Raumes: im Norden die Donau, im Osten der Lech, im Westen Mindel und Wertach und im Süden die Iiier. Nur ein Teil des Hochstiftslandes unterstand dem Bischof unmittelbar, in anderen Teilen waren die Mitglieder des Domkapitels oder inkorporierte Klöster und Stifte Inhaber der unmittelbaren Herrschaftsrechte. Außerdem hatte das Domkapitel auch wichtigen Anteil an der Gesamtverwaltung des Hochstiftslandes. Als Regent des Hochstifts war der Bischof Reichsfürst und hatte die Reichsstandschaft inne. Seit 1517 saß Christoph von Stadion auf dem Augsburger Bischofsstuhl.4 Bischof Christoph duldete zwar keine Eingriffe in seine Jurisdiktion und Amtshoheit
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Immenkötter/Wüst, Augsburg; Köbler, Lexikon (Art. Augsburg (Hochstift und Reichsstadt, Reichsvogteistadt)), 27f.; Immenkötter/Wüst, Reichsstadt, 197f., 206; Kießling, Augsburg, 241-251; Lutz, Augsburg, 413ff. Wüst, Art. Domkapitel, 84f. Vor allem der Dombezirk und der Klosterbezirk von St. Ulrich und Afra. Schmauch, Stadion, 14-21; Zoepfl, Bischof, 125-160; ders., Bistum, 6-11; Liebhart, Art. Stadion, 70; Roth, Reformationsgeschichte I, 46.
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durch den Rat der Stadt, war aber ein Befürworter einer gemäßigten Kirchenreform und zeigte immer wieder seine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft.5 Er starb als Bischof 1543 in seiner Residenz Dillingen. Das dem Bischof beigegebene Domkapitel setzte sich aus Mitgliedern des schwäbischen Landadels zusammen, Augsburger Bürgern war der Eintritt in den Domklerus verwehrt.6 Das grundsätzliche Fehlen solcher familiärer Verbindungen hatte zur Folge, daß keinerlei soziale Verklammerung zwischen Domklerus und Bürgerschaft entstand und damit jegliches Vorgehen gegen die Domkleriker, wie etwa ihre Ausweisung aus der Stadt im Jahre 1537, erleichtert wurde. Die Diözese, d.h. der geistliche Zuständigkeitsbereich des Bischofs, erstreckte sich über ein etwa sechsmal so großes Gebiet wie das seiner weltlichen Herrschaft. Sie gehörte zur Kirchenprovinz Mainz. Im Norden reichte die Diözese bis in das Gebiet der Markgrafschaft Ansbach. Im Nordosten schloß sie das Territorium des Fürstentums Neuburg ein. Im Südosten umfaßte sie den Großteil des bayerischen Gebietes zwischen Lech und Loisach. Im Süden grenzte sie an die Gefürstete Grafschaft Tirol und im Westen verlief die Grenze entlang der Iiier und an der Grenze des Territoriums der Reichsstadt Ulm und des Herzogtums Württemberg.7 Die vorherrschenden politischen Nachbarn der Reichsstadt Augsburg waren somit das Herzogtum Bayern, die Markgrafschaft Burgau8 und das Hochstift Augsburg. Zuletzt muß noch eine besonders wichtige politsche Einrichtung über der Ständeebene erwähnt werden: Der Schwäbische Bund wurde 1488 zur wirkungsvolleren Wahrung des Landfriedens gegründet.9 In ihm waren alle schwäbischen Reichsstände - also auch der Augsburger Bischof und die Reichsstadt - unter der Führung eines Bundesrates und unter dem maßgeblichen Einfluß der Habsburger vereinigt. Später traten noch die Pfalz, Mainz, Trier, Hessen, Bayern, sowie einige fränkische Reichsstände bei. 5
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Vgl. auch unten: Kapitel 3.1.1. Sein Ruf als reformbejahender Kirchenfiirst ist offenbar auch nach Rom gedrungen, denn kurz vor Beginn des Reichstages 1530 erging eine schriftliche Aufforderung von der Kurie an ihn, vehement für die Verteidigung des katholischen Glaubens einzutreten; vgl. SAA, Augsburg-Hochstift: Urk. Nr. 2776 1,11 (ad 29.März 1530); Schmauch, Stadion, 131-150. Aus dieser Sachlage ergaben sich immer wieder Konflikte zwischen Domkapitel und Stadt. Eine markante Episode aus diesen Auseinandersetzungen vgl. Böhm, Reichsstadt, 28-33. Innerhalb dieser Grenzen waren etwa 41 Reichsstände vom Gebiet der Diözese ganz oder teilweise umschlossen: vgl. Immenkötter/Wüst, Reichsstadt, 197, 206; Dies., Augsburg. Dieses (habsburgische) Reichslehen wurde 1492 durch Kaiser Maximilian mit Unterstützung der Fugger aus der Pfandschaft Bayerns ausgelöst, war aber erneut 1498-1559 an den Bischof von Augsburg verpfändet; vgl. Köbler, Lexikon (Art. Burgau), 94; Böhm, Reichsstadt, 35-46. Eine umfassende und neuere Darstellung über die Geschichte des Schwäbischen Bundes steht noch aus. Grundlegend: Bock, Bund. Über einzelne Zeiträume seines Bestandes existieren einige wissenschaftliche Beiträge. Zuletzt: Greiner, Politik, 7-94 und Lutz, Augsburg, 414ff. (und die darin angegebene Literatur).
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Durch seine Mitglieder und seine Verfassung nahm der Bund im süddeutschen Raum weitgehend die Aufgaben der Reichsgewalt wahr. Unter massivem kaiserlichen Druck waren acht Reichsstädte, darunter auch Augsburg, für das der Gesandte und Stadtschreiber Konrad Peutinger günstige Bedingungen auszuhandeln versuchte, 1499/1500 dem Bund zunächst auf zwölf Jahre beigetreten.10 1512 wurde der Bund auf zehn weitere Jahre verlängert und zusätzliche Forderungen Maximilians zur Stärkung seines Einflusses im Bund teilweise erfüllt. Dadurch erhielt seine Stimme mehr Gewicht im Bundesrat, konnte er die kaiserliche Ernennung des jeweiligen Oberbefehlshabers durchsetzen und erreichte die Aufnahme Tirols." 1522 fand die letzte Verlängerung des Bundes auf elf Jahre statt. Die Verhandlungen im Namen Augsburgs führte wieder Peutinger.12 Die Bundesorganisation trug schon seit 1496/1500 zwar den drei Mitgliedergruppen (Fürsten, Adel, Städte) Rechnung13, dennoch entwickelte der Bund sich zu dem wirksamsten Instrument, durch das die vorderösterreichische und oberdeutsche Politik der Habsburger erfolgreich betrieben werden konnte. Dies galt besonders für die Zeit Maximilians I. Aber auch unter Karl V. konnten durch den Bund Maßnahmen ergriffen werden, die einerseits das Sicherheits- und Rechtsbewußtsein der reichsständischen Mitglieder befriedigten und andererseits die Macht Habsburgs in Oberdeutschland mehrten. So schritt man 1519 gegen den rebellischen Herzog von Württemberg ein, dessen Land unter habsburgische Verwaltung kam, siegte 1525 im Bauernkrieg über die Aufständischen und bekämpfte erfolgreich das Raubrittertum. Seit diesem Zeitpunkt allerdings wuchs die Uneinigkeit der Mitglieder. Unter anderem widerstrebten die Absichten König Ferdinands den Reichsstädten, den Bund zu einem Hort der altgläubigen Reichsstände gegen die Reformation zu machen. Viele kleinere Reichsstände und vor allem auch manche der Reichsstädte im Bund sympathisierten schon zu sehr mit der reformatorischen Bewegung, als daß sie sich durch die Bundesverpflichtung die Loyalität zum alten Glauben hätten diktieren lassen wollen.14 Nach einer Reihe von erfolglosen Verhandlungen über eine Verlängerung des Bundes fand im Frühjahr 1534 der letzte Bundestag statt.
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Lutz, Peutinger II, 23-33. Lutz, Peutinger Π, 111-113. Lutz, Peutinger Π, 37 und 199-202. Seit 1513 war der Augsburger Ulrich Artzt Städtehauptmann im Bund. Hierbei stieß besonders die Einmischung des Bundes in den Konflikt zwischen städtischer und bischöflicher Obrigkeit zugunsten der letzteren im Jahr 1527 auf starken Widerstand der reformwilligen Städte; mit dieser Maßnahme verlor der Bund endgültig den Rückhalt bei den Städten, die sich fortan verstärkt untereinander zu einigen suchten; vgl. Lutz, Peutinger Π, 283.
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Da die Mitglieder sich auch zu diesem Zeitpunkt nicht auf gemeinsame Bedingungen für eine Verlängerung einigen konnten, löste sich der Schwäbische Bund auf.15
2.2. Die Verhältnisse innerhalb der Reichsstadt Augsburg16 2.2.1. Die politischen Verhältnisse17 Die politischen Verhältnisse in den ersten drei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts können nur bei Betrachtung eines umfassenderen Zeitraumes richtig beurteilt werden. Inhaltlich und zeitlich sind die Rahmenbedingungen dafür durch die Zunftrevolution von 1368 und die kaiserliche Ratsreform von 1548 vorgegeben, innerhalb derer auch die politischen Vorgänge zu beurteilen sind. 1368 wurde die patrizische Stadtherrschaft durch eine Zunftverfassung ersetzt.'8 Die Zünfte wurden zu einem konstitutiven Element des politischen Lebens. Die im Zunftbrief formulierten Statuten legten fest, daß zukünftig jeder Bürger Mitglied einer der 18, später durch Zusammenlegung 17, Zünfte zu sein hatte." Jeder Bürger hatte im Rahmen seiner Zunftmitgliedschaft das Recht zur Teilnahme an den Wahlen der Zunftmeister und -Vertreter. Am Beginn des 16. Jahrhun : derts war eine häufige Wiederwahl von Zunftmeistern, deren Amtszeit jeweils auf1 ein Jahr beschränkt war, die Regel geworden. Der jeweils amtierende Zunftmeister und dessen Vorgänger ("alter Zunftmeister") waren Mitglieder des zentralen Gremiums der Stadtregierung (Kleiner Rat).20 Diese Zunftmitglieder wählten in ihren Kreis noch 8 Patrizier. Zu diesen Zunftmeistern und Patriziern wurden dann noch als "Zusatz"21 gewählt: 4 Patrizi-
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Welchen Einfluß diese Vorgänge fur die Reformation in Augsburg hatten, wird sich im Laufe der Arbeit (vor allem in Kapitel 9.1.) zeigen. Zum ganzen Themenkomplex vgl. Roth, Reformationsgeschichte I, 1-44. Broadhead, Politics, 40-50; Immenkötter, Kirche, 13f.; Uhland, Täufertum, 15-19; Rogge, Nutzen, 12-16; Sieh, Stadtverfassung, 125ff.; Kießling, Augsburg, 241-251; Geffcken, Schichtung, 169ff, 207ff.; Mörke/Sieh, Führungsgruppen, 301-311 (und die darin angegebene Literatur). Kießling, Art. Zunfterhebung, 425. Nur die Patrizier bildeten keine eigene Zunft, weshalb sie auch kein aktives Wahlrecht für die städtischen Ämter besaßen; vgl. Geffcken, Art. Rat, 295f. Zur Besetzung der Ratsämter vgl. StAA, Schätze, Nr. 49a und Repertorium Nr. 35/1; in beiden Verzeichnissen sind alle Namen aufgeführt. Diese Gruppe von Ratsherren ist wohl, wenn ich Rogge, Nutzen, 15f. und 301 richtig interpretiere, gleichzusetzen mit dem Alten Rat. Gegenüber meiner Zählung (dazu siehe gleich unten) fehlt aber das zweite "Zusatz"-Mitglied aus der Kramerzunft.
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er, je zwei Vertreter der großen Zünfte22 und je ein Vertreter der restlichen Zünfte. Dieser aus insgesamt 69 Mitgliedern bestehende Kleine Rat führte die laufenden Regierungsgeschäfte.23 Aus ihm wurden die führenden Ämter der Stadtverwaltung (zwei Bürgermeister, drei Einnehmer, drei Baumeister und zwei Siegler) gewählt, wobei nur die Zunftmitglieder das aktive Wahlrecht besaßen, aber alle Ämter mit je einem Patrizier und ein bis zwei Zunftmitgliedern besetzt werden mußten. Alle städtischen Ämter wurden jährlich neu verteilt24, eine alternierende Wiederwahl war möglich und seit Beginn des 16. Jahrhunderts die Regel geworden. Somit waren also die meisten Ämter im Zweijahresrhythmus entweder von ein und derselben Person oder durch Mitglieder einer einzelnen Familie über viele Jahre hinweg besetzt.25 Die ein- bis zweimal wöchentlich stattfindenden Zusammenkünfte des Kleinen Rates wurden durch den sogenannten Dreizehnerrat unterstützt. Dieser bereitete die Sitzungen vor und fällte bei Bedarf dringende Entscheidungen in eigener Regie und Verantwortung. Die Mitglieder dieses mehrmals wöchentlich zusammentretenden Dreizehnerrates26 waren die Inhaber der oben genannten Ämter (Bürgermeister, Baumeister, Einnehmer und Siegler) und zusätzlich ein Patrizier und zwei weitere Zunftvertreter, die den "Zusatz" bildeten.27 Neben den Zunftmeistern wurden aus den Zünften zusätzlich noch je 12 Vertrauensleute ("Zwölfer") gewählt, die zusammen mit den Zunftmeistern und den 12 Patriziern aus dem Kleinen Rat den 233 Mitglieder umfassenden und die bürgerliche Mittelschicht repräsentierenden Großen Rat bildeten.28 Zu feierlichen Anlässen oder zur Unterstützung des Kleinen Rates bei besonders schwerwiegenden Entscheidungen wurde dieser Große Rat ein- bis zweimal jährlich einberu22 23
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Die großen Zünfte waren: Kaufleute, Weber, Salzfertiger, Kramer, Bäcker und Metzger. Diese beschriebene Zusammensetzung des Kleinen Rates galt im Wesentlichen seit einer Reform der Jahre 1476/78, bei der das Übergewicht der großen Zünfte und der Patrizier zugunsten der kleinen Zünfte (damals aber noch andere Zuordnung von großer und kleiner Zunft; vgl. Rogge, Nutzen, 13) beseitigt wurde. Weitergehende Maßnahmen dieser Jahre wurden wieder rückgängig gemacht. In den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts wurden kleine Änderungen in der Ratsverfassung vorgenommen (unter anderem die Einführung eines halbjährlichen Rotationsprinzips). Meine Zahlen zur Zusammensetzung des Kleinen Rates resultieren aus dem empirischen Befund der bestbezeugten Quelle (StAA, Schätze, Nr. la: Ratsämterbuch 1520-1535), besonders der Jahrgänge 1530 bis 1534. Leider gibt es zur Zeit keine umfassende Darstellung, in der die Ratsverfassung selbst ausreichend thematisiert worden wäre. Irreführend bzw. unzureichend differenziert ist: Geffcken, Art. Rat, 295f.. Die Graphik bei Gier/Schwarz, Reformation, 124 und Rogge, Nutzen, 301 geben eine Mitgliederzahl des Kleinen Rates von 42 Personen an. Die Feinheiten der Ratsverfassung und ihr Wandel bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts können hier nicht dargestellt werden, da dies über die Themenstellung dieser Arbeit hinausgeht. Am Tag nach Dreikönig; vgl. z.B. Rem-Chronik, 21; Preu-Chronik, 58; Sender-Chronik, 328 (dagegen 6. Jan.: Rogge, Nutzen, 14). Rogge, Nutzen, 133f. Auch "die 13 des innern rhats" genannt; vgl. Langenmantel-Chronik, 394. Durch die erwähnten Wiederwahlen in die Ratsämter waren zu Beginn des 16. Jahrh. die alten Bürgermeister (des Vorjahres) fast immer im Dreizehnerrat. Rogge, Nutzen, 231 -246.
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fen.29 Den Großen Rat kennzeichnete eine gewisse Ambivalenz in bezug auf seine politische Ausrichtung. Zum einen waren seine Mitglieder durch einen Eid zur Loyalität gegenüber der Politik des Kleinen Rates angehalten, und die Zunftzwölfer fungierten in vielen Fällen auch als Berater ihrer Zunftmeister. Zum anderen aber waren im Großen Rat die Zünfte insgesamt und somit auch ein Großteil der Bevölkerung zumindest indirekt repräsentiert. Im späteren 15. Jahrhundert wurde damit der Große Rat auch immer mehr zur einzigen Form einer politischen, am Zunftvolk orientierten Opposition gegenüber dem Kleinen Rat und den Inhabern der Regierungsgeschäfte. Diese Rolle wurde besonders wichtig, da seit Beginn des 16. Jahrhunderts die entscheidenden Regierungsämter und Ratsfunktionen immer mehr in der Hand weniger wohlhabender Familien waren, die im oligarchischen Stil regierten.30 Mitglieder dieser Familien gehörten teilweise zu den sogenannten "Mehrern der Gesellschaft" und vertraten erfolgreich ihre kaufmännischen Wirtschaftsinteressen, die mit patrizischen Standesinteressen gekoppelt waren.31 Der mißglückte Versuch der Zünfte, 1476/78 die Macht der Mehrer zu beschneiden, veranlaßte diese Interessengemeinschaft, jeden weiteren Ansatz zu Unruhen, ob politischer, sozial- oder kirchenreformerischer Natur, entweder durch strikte Strafmaßnahmen
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In der Regel am Tag nach St. Gallus, dem 17. Oktober. Anders (8. bzw. ca. 16. Okt.) und offenbar sich selbst nicht schlüssig: Rogge, Nutzen, 14 und 235. Die vier dominierenden Politiker aus den Zünften zu Beginn des 16. Jh. waren: a) der Kaufmann Ulrich Artzt (|1527), zwischen 1504 und 1527 12mal Bürgermeister und in den Zwischenjahren Einnehmer und Baumeister. Außerdem spielte er als Städtehauptmann des Schwäbischen Bundes eine wichtige politische Rolle, b) der Kaufmann Hieronymus Imhof (1468-1539), zwischen 1514 und 1534 in allen geraden Jahren Bürgermeister und in allen ungeraden Baumeister, c) der Weber Anton Bimmel (1475-1531) 1521-27 Einnehmer, 1528-30 Baumeister, 1529 und 1531 Bürgermeister (stirbt im Amt), d) der Weber Mang Seitz (1486-1544) folgt 1531 Bimmel im Amt nach und ist in den ungeraden Jahren bis 1543 weitere 5mal Bürgermeister. Bimmel und Seitz wechselten sich darüber hinaus über viele Jahre hinweg als Zunftmeister der Weber ab; im Unterschied zu vielen ihrer Zunftgenossen waren beide außerordentlich wohlhabend, so daß sie über die Grenzen ihrer Zunft hinaus auch Handel betreiben konnten. Die drei dominierenden Politiker aus dem Patriziat zu Beginn des 16. Jh. waren: a) Georg Vetter (f 1536), zwischen 1514 und 1533 in allen geraden Jahren Bürgermeister, in allen ungeraden Baumeister, b) Ulrich Rehlinger (f 1547), zwischen 1522 und 1536 in allen ungeraden Jahren Bürgermeister, in allen geraden Jahren Baumeister, c) Wolf Rehlinger (1470-1553), 1521-26 Siegler, 1526-38 Einnehmer und 1534 Bürgermeister. Bis auf Ulrich Artzt waren alle genannten Personen teils gemäßigte, teils eifrige Förderer der Kirchenreform. Biographische Angaben und nähere Charakterisierungen sowie die politische Rolle dieser Männer (mit Quellenangaben) vgl. Kapitel 5.1. Zur "Herrentrinkstubengesellschaft" und den "Mehrern der Gesellschaft" vgl.: Rogge, Nutzen, 184ff.; Geffcken, Art. Herrenstubengesellschaft, 162; ders., Art. Mehrer, 248.
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im Keim zu ersticken oder sie vorbeugend durch ausgewogene Politik zu vermeiden. Diese nicht zuletzt eben auch von den Mehrern gestaltete Politik des Kleinen Rates hat die Rahmenbedingungen für die politische Entwicklung der 1520er Jahre geschaffen.32 Somit ist die reichsstädtische Innen- und Außenpolitik durch die Herausbildung und erfolgreiche Umsetzung eines eigenen Obrigkeitsbewußtseins des Kleinen Rates gegenüber der Bürgerschaft und den Zünften zu erklären.33
2.2.2. Die kirchlichen Verhältnisse34 Die Präsenz des kirchlichen und weltlichen Machtanspruchs des Bischofs in der Stadt war für Augsburg von großer Bedeutung. Der Gegensatz zwischen dem bischöflichen Anspruch auf traditionelle Rechte und dem Streben der Bürgerschaft nach Unabhängigkeit vom Bischof war im 16. Jahrhundert immer noch aktuell.35 Besonderen Unmut erregte dabei von Seiten der Stadt die Unabhängigkeit des Klerus von bürgerlichen Pflichten (Steuerzahlung, Stadtverteidigung) und von der städtischen Jurisdiktion. Aufgrund dieser Immunitätsstellung konnten beispielsweise kriminelle Geistliche, deren Opfer zur reichsstädtischen Bevölkerung gehörten, nicht durch die städtische Gerichtsbarkeit belangt werden.36 Die Bürgerschaft nützte folglich jede irgendwie geartete Schwäche des Klerus aus, um die eigenen politischen Ziele durchzusetzen und dadurch die Privilegien des Klerus 32
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Hinsichtlich des ideologischen Fundamentes der Oligarchie in Augsburg schreibt Philip Broadhead treffend: "This brought into question fundamental principles upon which the power of the oligarchy had been based. Most important of these was the belief which the Council of Augsburg shared with other oligarchical civic governments, that the Council was a ruling authority and not a Stadtparlament. The councillors did not consider themselves to be answerable to the guild membership, but instead believed the citizens were their subjects. The Council rather than the citizens was sovereign, and consequently the Council was free to devise and enforce its policies without consulting the people of the city, ruling according to what it considered to be the best interests of Augsburg." Vgl. ders., Politics, 361. Rogge, Nutzen, 167-183. Broadhead, Politics, 50-65; Immenkötter, Kirche II, 9-12, 16-20; zur historischen Entwicklung der Beziehung zwischen Bürgerschaft und Bischof/Domkapitel, vgl. Baer, Verhältnis. Eine grundlegende Darstellung über die Vorgeschichte im 14. und 15. Jahrhundert: Kießling, Gesellschaft; ders., Bürgertum, 208-212; Rummel, Leben, 359ff. Vgl. dazu: StAA, Augsburg und Kaiser, Nr. 33a (ad 20.3.1521): Kaiserliche Bestätigung aller Freiheiten und alter Privilegien für die Reichsstadt. Ein deutliches Beispiel für die politische Brisanz ist die Verleihung des Münzprägerechts an die Bürgerschaft im Jahr 1521 durch Karl V. Instruktiv dazu: Böhm, Reichsstadt, 312f.; vgl. auch Lutz, Peutinger II, 179f.; Kießling, Gesellschaft, 62. Der Bischof versuchte durch Klagen beim Schwäbischen Bund mit Erfolg, die Geltung dieses Privilegs einzuschränken, vgl. Vogt, Correspondenz I, 293, Nr. 6 (Augsburger Münzstreit, 28. Okt. 1524). Vgl. auch: RemChronik, 177. Z.B. Rem Chronik, 216; der gleiche Vorfall: Sender-Chronik, 160.
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einzudämmen. Die genannten Privilegien des Klerus erregten den besonderen Unmut der einfachen Bevölkerung. Dazu kam, daß ein großer Teil von Repräsentanten des hohen Klerus durch Pfründenhäufung einen üppigen Lebensstil pflegen konnte." Von der Bevölkerung aufgebrachtes Geld fur den Kauf von Ablässen wurde nur zu einem verschwindend kleinen Teil dem ursprünglichen, Augsburg zugute kommenden, Zweck zugeführt.38 Aus diesem Verhalten des hohen Klerus und seinem daher geringen Ansehen bei der Bevölkerung verfolgte der Rat der Stadt folgende politische Strategie: Wenn er dem Klerus bei der Bewältigung schwieriger politischer Herausforderungen zu Hilfe komme, würde er sich die Feindschaft des Volkes einhandeln, also stärkte er lieber auf Kosten der Macht des Klerus seinen eigenen Einfluß.39 Doch war nicht nur die personelle Präsenz des Klerus in der Stadt groß, sondern auch die Kirchenbauten prägten das Stadtbild nachhaltig. So befanden sich in der Stadt etwa 50 Kirchen und Kapellen geistlicher Körperschaften, die das ganze Spektrum der spätmittelalterlichen Kirche abdeckten.40 Als Pfarrkirchen dienten allerdings nur 6 Gotteshäuser: der Dom, St. Ulrich, St. Stephan, St. Moritz, St. Georg und Hl. Kreuz.41 Die Pfarrkirche St. Ulrich und Afra42 gehörte zur Benediktinerabtei, die in geistlichen und weltlichen Rechtsbelangen ausschließlich dem Bischof untergeordnet (= spruchverwandt) war und unter kaiserlichem Schutz stand.43 Viele der Mönche von St. Ulrich und Afra stammten aus Augsburger Familien. Der Abt war seit 1433 Bürger und damit Steuerzahler, nachdem er sich wegen der Gefahr einer Vereinnahmung durch den Bischof unter den Schutz des Rates gestellt hatte.44 Der 37 38 39
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Rem-Chronik, 70. Sender-Chronik, 97; Rem-Chronik, 26f. Gerade unter sozialgeschichtlicher Fragestellung hat die Antiklerikalismus-These als Interpretament fur die Schubkraft der Reformation einige Plausibilität; zur breiteren Diskussion des Antiklerikalismusproblems als Anstoß zur Reformation vgl.: Dykema/Oberman, Anticlericalism. Zur harten Kritik eines generalisierend gebrauchten Antiklerikalismus-Begriffes vgl. Schreiner, Gab es im Mittelalter ..., 513-521. Ich möchte an dieser Stelle jedoch für Augsburg auf den Aspekt einer schillernden Präsenz des hohen Klerus hinweisen, der speziell unter politischer, rechtlicher und sozialer Hinsicht fur das Vorhandensein einer kleruskritischen Grundstimmung geltend gemacht werden kann: Die im vorangegangenen Abschnitt belegte Schranke zwischen Domklerus und Bürgerschaft illustriert dies ebenso, wie die häufige politische und geschäftliche Anwesenheit des ehemaligen Augsburger Patriziers Matthäus Lang (gest. 1540), Kardinal und Erzbischof von Salzburg, der für die Augsburger ein - durchaus zweifelhaftes - Sinnbild des zeitgenössischen hohen Klerus war; vgl. Böhm, Reichsstadt, 140-150 u.ö. (und die dort angegebenen Chronisten). Liebhart, Stifte, 193-201; Immenkötter, Verantwortung, 73-77. Zu den im folgenden genannten Kirchen und Klöstern vgl. Kießling, Gesellschaft, an verschiedenen Stellen (siehe Ortsregister). Broadhead, Politics, 52 und 54f.; Immenkötter, Kirche II, 10; Köbler, Lexikon, 28. Die Reichsunmittelbarkeit und Reichsstandschaft erhielt die Abtei erst 1577. Hierin ist ein deutliches Indiz für die Inhomogenität der Ziele einzelner kirchlicher Institutionen, sich auch der Einflußnahme des Bischofs zu entziehen, zu sehen. Vgl. unter anderem: StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 108r (Juli 1526).
30 Landbesitz des Klosters beschränkte sich nicht nur auf Augsburg, sondern auch auf die weitere Umgebung der Stadt und auf bayerisches Territorium. Schirmherren des Konvents waren außer dem Augsburger Rat auch noch die Habsburger und Wittelsbacher. Die Abtei lag in einem wohlhabenden Stadtviertel, ein Umstand, der sich besonders an der großen Anzahl von Stiftungen ablesen läßt. Die Pfarrkirche St. Stephan gehörte zum gleichnamigen adeligen Damenstift. Das Kollegiatsstift mit der Pfarrkirche St. Moritz hatte aufgrund seiner Lage in der Stadtmitte ebenfalls zahlreiche Stiftungen. Seit 1518 nahm Jakob Fugger das Patronatsrecht in St. Moritz wahr, was ihm das Recht zur Besetzung der Stelle des Pfarrpredigers verschaffte.45 Die Augustiner-Chorherrenstifte St. Georg und Hl. Kreuz lagen ebenso wie die Franziskanerkirche und der Konvent "Zu den Barfüßern" in ärmeren Stadtvierteln. Die Barfüßer nahmen neben den Pfarreien seelsorgerliche Pflichten unter den ärmsten Bevölkerungsschichten wahr. Wie alle Bettelorden war der Barfußerkonvent gegenüber dem Bischof exempt und als kirchliche Institution auch der weltlichen Obrigkeit des Rates teilweise entzogen. Dies wirkte sich für die Stadt besonders 1524 beinahe verhängnisvoll aus, als durch die Predigttätigkeit des Barfüßers Johannes Schilling, der Motive sozialer Empörung aufgriff, ein Aufruhr aufflammte. Mit Ausnahme der Franziskanerkirche, welche anders als die übrigen Bettelordenskirchen Augsburgs ein Ort für quasi pfarrgemeindliche Aufgaben war, unterstanden alle regulären Pfarrkirchen dem Bischof bzw. Domkapitel. Daneben galten als bischöfliche - also der geistlichen Jurisdiktion des Bischofs unterstehende - Kirchen bzw. geistliche Gemeinschaften das Kollegiatsstift St. Peter am Perlach und das Dominikaner-Terziarinnenkloster St. Ursula. Außer den erwähnten Gotteshäusern müssen außerdem an dieser Stelle drei weitere Klöster genannt werden, deren Name im Zusammenhang der Reformation in Augsburg immer wieder erscheint. Das Karmeliterkloster St. Anna gehörte ebenfalls zu den reich mit Stiftungen versehenen Gotteshäusern und war zudem eine Stätte humanistischer Gelehrsamkeit. Der Prior Johannes Frosch hatte zur Zeit Luthers in Wittenberg Theologie studiert und der Konvent, bei dem Luther 1518 zu Gast war, war seitdem die Keimzelle für die Ausbreitung der lutherischen Richtung einer Kirchenreform für Augsburg.46 Das Dominikanerinnenkloster St. Katharina war das bedeutendste Frauenkloster Augsburgs. In ihm fanden hauptsächlich unverheiratet gebliebene Töchter wohlhabender Augsburger Familien ein Unterkommen.47 Das Dominikanerkloster
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Rem-Chronik, 93f.; Broadhead, Politics, 55; RuR, 26, Nr. 10. Roth, Reformationsgeschichte I, 51-53. Kießling, Gesellschaft, 266.
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war die Wirkungsstätte von Johannes Fabri, der zu den einflußreichsten 'altgläubigen' Predigern Augsburgs gezählt werden darf.48 Allgemein waren in all diesen Klöstern und Stiften die ursprünglich gepflegten, je nach Kongregation individuell gestalteten monastischen Ideale einer mehr am Weltlichen orientierten Lebensführung gewichen.49 Trotz mancherlei Reformansätze im 15. Jahrhundert hatte sich grundsätzlich an dieser Tendenz nichts geändert. Einzelne Klostervorsteher und Äbte hatten durch ihr persönliches Vorbild den eigentlichen Aufgaben der Seelsorge und der Bildung wieder mehr Geltung verschaffen können, doch sobald dieser Anreiz fehlte, fielen die Klosterinsassen wieder in einen verweltlichten Lebensstil zurück. Auf diesem Hintergrund ist es auch zu erklären, daß im Laufe der 1520er Jahre und im Zuge der Verbreitung reformatorischer Ideen die meisten dieser Klöster und Stifte durch den Austritt vieler Mitglieder langsam ausstarben.50 Die Repressionen durch Teile der Stadtbevölkerung, die den radikalen Kirchenreformideen anhingen, leisteten auch noch ihren Beitrag dazu, daß monastisch gekleidete Frauen und Männer aus dem städtischen Erscheinungsbild weitgehend verschwanden. Auf diese Weise lösten sich ab 1524 der Konvent von St. Anna und ab 1526 das Franziskanerkloster vollständig auf. In den anderen Klöstern spalteten sich die Mönchs- und Nonnengemeinschaften, so daß bald die Anhänger der Reformation austraten.51 Die große Zahl dieser Austritte verursachte nicht geringe soziale Spannungen, da die Ausgetretenen ihren Erbteil ursprünglich mit dem Eintritt an das Kloster abgetreten hatten und jetzt, nach dem Austritt, unversorgt waren. Das bereits angesprochene Abschweifen der klösterlichen Gemeinschaften in materielle Interessen und die damit einhergehende Vernachlässigung der pfarrseelsorgerlichen Pflichten führte im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts zur Einrichtung von Pfarrzechen unter dem Schutz des Rates, der damit seine Interessen am Zugriff auf das Kirchenwesen verstärkt wahrnehmen konnte.52 Die Zechpfleger waren von der Pfarrgemeinde auf ein Jahr53 gewählte Laien, die einen Teil des Stiftungsvermögens der Pfarrkirche im Sinne der Pfarrei zu verwalten hatten. Damit wurde einer möglichen Vereinnahmung von Stiftungen, die von Pfarrangehörigen für die Belange der Pfarrei gestiftet waren, durch den Klosterkonvent vorgebeugt und damit eine Zweckentfremdung des Geldes zugunsten der Klo48
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Zum Dominikanerkloster: Liebhart, Stifte, 198f.; zu Fabri: Roth, Reformationsgeschichte I, 16, 129f. и.о.; Beilot, Art. Faber, 102 (mit weiterführender Literatur). Roth, Reformationsgeschichte I, 25-29. Roth, Reformationsgeschichte I, 290-294. Vgl. zur Auflösung des St. Anna Konventes ab 1525 Sender-Chronik, 174f.; zur Auflösung des Franziskanerkonventes Sender-Chronik, 180. Aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina traten unter anderem Felicitas, die Tochter Konrad Peutingers, und Brigitta, die Tochter Johann Rehlingers, aus; vgl. Sender-Chronik, 179f. (vgl. Kastner, Quellen, 183f.). Ebd. wird von der Klosterflucht einer ganzen Reihe von Nonnen und Mönchen berichtet. Kießling, Gesellschaft, 99-131; ders., Bürgertum, 209f.; Broadhead, Politics, 59-61; Immenkötter, Kirche, 16-18; ders., Pfarrzechen, 301-323. Ihre spätere Wiederwahl war durchaus üblich.
32 sterinteressen verhindert. Seit Einrichtung der Zechen wurde das Stiftungsgeld vom Stifter nunmehr direkt dem Zechpfleger übergeben. Den Zechpflegern oblag die Betreuung des Pfarraltars und die Überwachung der Seelsorgeverpflichtungen. Sie kümmerten sich um die Begräbnisse der Pfarreimitglieder und waren fur die Erhaltung von Kirchen und Predigthäusern zuständig. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts stellten sie aus den Mitteln des Zechvermögens die Predigthäuser bereit, stellten die Pfarreiprediger ein und bezahlten diese. Besonders in der letztgenannten Funktion war ihre Unabhängigkeit von der Kirche von großer Bedeutung, denn faktisch wurde durch die Anstellung von reformatorischen Predigern durch die Zechpfleger die Reformation vorbereitet. Dabei war von entscheidender Bedeutung, daß der ursprünglich moralisch motivierten Unabhängigkeit der Pfarrzechen vom Klerus eine - auch in anderen Städten zu beobachtende - politische Einflußnahme des Rates auf das städtische Kirchenwesen gegenüber stand. Denn vielfach hatte ein und dieselbe Person jährlich wechselnd das Amt einer Zechpflege und dann ein Amt in einem der Ratsgremien inne. Bei all seinen gegen die Altgläubigen gerichteten Aktionen konnte so der Rat mit Hilfe der Zechen vorgehen und dabei eine direkte Konfrontation mit der kirchlichen Gerichtsbarkeit oder den altgläubigen Mächtigen vermeiden.
2.2.3. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse54 Augsburg war in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts eine der größten oberdeutschen Städte. Es hatte in dieser Zeit eine Bevölkerung von etwa 30.000 Einwohnern und ist damit den Großstädten des Reiches zuzuordnen.55 Im Schutz der in den vorangegangenen Jahrhunderten gewährten kaiserlichen Privilegien hatte sich in Augsburg ein blühender Handwerksstand herausgebildet. Wie bereits festgestellt, hatte die genossenschaftliche Organisation der Handwerker in Zünften bereits seit 1368 entscheidenden Anteil an der Stadtregierung. Dies war ein Umstand, der Gewerbe und Handel zu stärkerem Selbstbewußtsein und größerer Prosperität verhalf. Ein naturgegebener Vorteil der Stadt war in ihrer geographischen Lage am nördlichen Endpunkt einer Handelsroute über die Alpen begründet. Dadurch wurde Augsburg zum Umschlagplatz des internationalen Handels zwischen Italien und Deutschland. Diese Vorzüge begünstigten in Augsburg mehr als in anderen Reichsstädten die Entstehung mächtiger Handelshäuser 54
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Broadhead, Politics, 65-83; Roth, Reformationsgeschichte I, 6-9; allgemein zur Orientierung über einen größeren Zeitraum auch: Kellenbenz, Wirtschaftsleben, 258-300. Bis zu maximal 35.000 Einwohner: Jahn, Einwohnerzahl, 384 und 393; Kellenbenz, Wirtschaftsleben, 261; zwischen 20.000 und 30.000 Einwohner: Uhland, Täufertum, 18; Roth, Reformationsgeschichte I, 20; Immenkötter, Kirche, 9f.; Kießling, Gesellschaft, 216; Rajkay, Bevölkerungsentwicklung, 252-258 bringt im Vergleich mehrere gängige Ansätze zur Schätzung der Einwohnerzahlen im 16. und 17. Jahrhundert.
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(u.a. Bimmel, Fugger, Imhof, Rehlinger, Welser), die in bestimmten Handelsbereichen eine Monopolstellung innehatten und den Fürsten halfen, Kronen und Kriege zu finanzieren. Der gewaltige Reichtum der Kaufleute sowie Dom- und Stiftskleriker der Stadt Augsburg wurde nicht selten auffallend zur Schau getragen, ζ. B. bei Abhaltung der Reichstage 1518, 1525 und 1530. Dem wachsenden Reichtum vieler Kaufmannsfamilien stand aber eine immer größer werdende Anzahl von Armen gegenüber. Die Notlage dieser Bevölkerungsschichten am Rande des Existenzminimums verschlimmerte sich durch die genannten politischen Ereignisse, da der nötige Repräsentationsaufwand mitunter zu übermäßigen Teuerungen führte. Aber auch durch die allgemein ständig steigenden Steuerlasten und die wachsenden Kosten durch Nahrungsmittelknappheit wuchs die Not in vielen Fällen. Daraus entstand ein permanent vorhandenes soziales Unruhepotential, dessen die Stadtregierung Herr zu werden versuchte. Auf diesem Nährboden konnten religiösreformerische Ideen, die mit Äußerungen sozialen Unmutes angereichert waren, vorzüglich gedeihen.
3. Die Reichsstadt Augsburg 1520-1529 In diesem Kapitel soll der Verlauf der innen- und außenpolitischen sowie kirchlichen und sozialen Geschichte Augsburgs im Jahrzehnt vor dem Reichstag von 1530 geschildert werden. Da hierbei nicht an eine umfassende Darstellung gedacht ist, halte ich die folgenden drei Gesichtspunkte für besonders geeignet, die historische Entwicklung zu umreißen: • Eine Auswahl der wichtigsten offiziellen Bekanntmachungen zwischen 1520 und 1529 verdeutlicht exemplarisch die innenpolitischen Ambitionen hinsichtlich einzelner nötig gewordener Regelungen im Kirchenwesen. Durch sie hat der Rat der Stadt auf Bewegungen und Ideen reagiert, die in der Bevölkerung Fuß gefaßt haben. • In einer Reihe von Aufzeichnungen dieser Zeit1 wird eine hinter dem öffentlichen Erscheinungsbild liegende, politisch-diplomatische Grundhaltung deutlich, die die Ratspolitik kennzeichnet. Es ist dies die maßgeblich von Konrad Peutinger geprägte Vorgabe des "mittleren Weges", die sich im Laufe dieses Jahrzehntes allmählich als Fiktion erweisen sollte. • Auf Reichsebene läßt sich ferner ein, besonders unter Reichsstädten ausgereiftes, ständepolitisches Interesse feststellen, miteinander zu kooperieren. Dadurch erhofften sich die Städte, dem wachsenden Druck der sozial aufbegehrenden eigenen Bevölkerung, den Expansionswünschen der Fürsten und dem Reformwiderstand der Kirche wirksamer entgegentreten zu können. In Augsburg äußert sich dieser Aspekt äußerst ambivalent. Er wird besonders greifbar in den jahrelang andauernden Verhandlungen, ein Bündnis mit den Städten Ulm und Nürnberg zum Abschluß zu bringen.
3.1. Ratsverordnungen mit Bezug auf das religiöse Leben Die Tatsache, daß der Rat, als weltlicher Repräsentant des corpus christianum, in einzelnen Bereichen des Kirchenwesens administrativ und praktisch eingriff, war bereits ein spätmittelalterliches Phänomen.2 Seit Verbreitung der reformatorischen Ideen in Augsburg zu Beginn der 1520er Jahre bekamen diese Initiativen jedoch eine neue Dimension. Denn der Rat reagierte in seinen Dekreten im Bereich Kirchenwesen nun auf eine breitgefächerte geistige Strömung, die sich seinem Ein-
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Die Rede ist von ratsinternen Aufzeichnungen (Ratsbücher und Geheime Ratsbücher) und politischen Korrespondenzen. So z.B. gegen Bettelwesen, Gotteslästerung und Mißachtung der Feiertage; vgl. Kießling, Gesellschaft, besonders·. 216-218, 294-296.
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fluß weitgehend entzogen hatte. Die im folgenden vorgestellten einschlägigen Ratserlasse haben alle die Gemeinsamkeit, daß sie zur Sicherung des öffentlichen Friedens in der Stadt dienen. Sie können thematisch in vier Gruppen unterteilt werden: • • • •
gegen gegen gegen gegen
schriftliche und mündliche Provokationen, unkontrollierte Bettelei, öffentliche oder geheime Versammlungen, Gewalt wider Menschen oder Sachen.
3.1.1. Gegen schriftliche und mündliche Provokationen Dieser Bereich obrigkeitlicher Verordnungen läßt sich in drei Gruppen einteilen: Verbote im Druckerwesen3, Verbote der Gotteslästerung und Verbote von radikalen Predigten. Die literarische Verbreitung der Gedanken Luthers und ihr enormer Absatz in Augsburg ab 1518 führte unter anderem auch zu einem quantitativen Aufblühen des Buchdruckerhandwerkes in der Stadt. Denn das noch recht junge Druckergewerbe stand bald ganz in Diensten der Auseinandersetzung zwischen den Verteidigern der alten Lehre und den Verfechtern einer Kirchenreform.4 Der Schlagabtausch wurde sowohl auf einer theologisch-gelehrten als auch auf einer mehr populären Ebene gefuhrt. Besonders die populären Schriften und deutschsprachige Drucke der Reformatoren fanden offensichtlich großen Absatz.5 Dieser Publikationsflut einerseits und dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung andererseits mußte die städtische Obrigkeit eine Beschränkung auferlegen, als es mit dem Bannspruch und der Acht gegen Luther im Reich zur Pflicht wurde, eine Zensur religiöser Literatur vorzunehmen. Die darin geforderten strengen Maßnahmen wurden aber in Augsburg kaum jemals konsequent befolgt. Vielmehr sah man sich nur zu gegebenem Anlaß und von Zeit zu Zeit zu Maßnahmen veranlaßt, das Überhandnehmen radikaler Druckerzeugnisse einzudämmen, um die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. So wandte man sich im August 1520 gegen religiös-gelehrte Irrtümer, deren Druck und mündliche Verbreitung ohne Wissen und Zustimmung des Rates verhindert werden sollten. Zweieinhalb Monate nach Verkündigung der Bannandrohungsbulle gegen Luther in Rom, aber noch vor ihrer rechtsgültigen Bekanntmachung im Reich, reagierte der Rat auf die Menge solcher kontroverser theologi-
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Künast, Getruckt, 200-210. Künast, Luther, 65-70. Roth, Reformationsgeschichte I, 61 f.; Künast, Geiruckt, 32ff.
36 scher Schriften.6 Am 28. August 1520 "ist auf bevelh eines Erbern Rats durch Jacoben Fugker und Doctor Bewtinger den nachgemelten Buchtruckern angesagt und bevolhen, bey aidspflichten, damit sie ainem Rat verwandt sein, das sy in den irrungen, die sich haben zwischen den geistlichen und doctorn der heiligen geschrift, desgleichen in schmach und Verletzung der Eren Sachen on wissen und willen ains Erbern [Rats] nichts ferrer trucken sollen"7. Die beiden in dieser Verordnung namentlich Genannten hatten sicher unterschiedliche Beweggründe. Der streng altgläubige Jakob Fugger hatte einen persönlichen Grund, weitere lutherische Schriften zu unterbinden. Er war selbst in die von Luther angeprangerten Mißstände des römischen Pfründenhandels finanziell verstrickt.8 Peutinger, der damals der Reformbewegung noch offen gegenüberstand, dürfte in erster Linie die Einigkeit der Bürgerschaft und damit zuletzt die wirtschaftlich-politische Entfaltung seiner Stadt im Sinn gehabt haben. Wie wenig Eindruck diese Maßnahme vom August 1520 gemacht hatte, zeigte sich schon bald, als sich bei der bereits bischöflicherseits verzögerten Verkündigung der Bannandrohungsbulle Ende Dezember immer noch kein Augsburger Drucker fand, der die zur Verkündigung benötigten Exemplare druckte.' 1521 wurden von kaiserlicher Seite durch das Wormser Edikt eindeutige Maßstäbe für die Behandlung lutherischer Schriften gesetzt. Bereits Gedrucktes sollte verbrannt und Neues nicht mehr gedruckt werden.10 In diesem Fall verzögerte die Augsburger Obrigkeit die Bekanntmachung und nahm damit bereits eine Mittelposition zwischen den kaiserlichen und bischöflichen Ansprüchen einerseits und der zur Reformation geneigten Stimmung in der eigenen Bevölkerung andererseits ein." Auch im Jahr 1523 bewies der Rat der Stadt wieder, daß er die Angelegenheit der Zensur in einem eigenen Ermessens- und Entscheidungsspielraum zu regeln gedachte, um nicht zwischen Kaiser und eigener Bevölkerung zerrieben zu werden. Denn es zeichnete sich ab, daß der Rat schon bald nicht mehr in der Lage sein würde, ein generelles Druckverbot für religiös-polemische Pamphlete durchzusetzen. Mit Bezug auf die Regelung vom August 1520 instruierte folglich der 6
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Broadhead, Politics, 200; Uhland, Täufertum, 21 f. Heinrich Richard Schmidt stellt in diesem Zusammenhang treffend fest: "Den Räten stellte sich der Glaubenszwiespalt zuerst als Zensurfrage." Vgl. ders., Reichsstädte, 71. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 14, pag. 272; gedruckt: Lutz, Peutinger II, 379, Anm. 130. Rem-Chronik, 137 (= Kastner, Quellen, 170). Sie erschien dann in Ingolstadt: RuR, 35, Nr.5; Schmauch, Stadion, 55; Lutz, Peutinger II, 165f.; Uhland, Täufertum, 23; WiU I, 147, Nr. 41. ABA, ВО 383 (Abschrift des kaiserlichen Mandates vom 26. Mai 1521); vgl. RTA J.R. II, Nr. 92, 640-659, besonders 656. Ein wiederholter Aufruf an die Reichsstände, die Druckereien zu beaufsichtigen, z.B. im Nürnberger Reichsabschied 1524, vgl. RTA J.R. IV, Nr. 149, 603-605. Roth, Reformationsgeschichte I, 66f.; Uhland, Täufertum, 24f.; Rem-Chronik, 166 (= Kastner, Quellen, 172).
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Rat am 7. März 1523 alle Augsburger Buchdrucker, zukünftig keine Schmähschriften ohne Nennung von Autor und Drucker und ohne Wissen der Bürgermeister zu veröffentlichen.12 Bis auf wenige politisch zuverlässige Drucker hatten alle anderen in Anwesenheit verschiedener Ratsherren und Konrad Peutingers eine eidesstattliche Erklärung hierüber abzugeben. Dieser Verpflichtung war ein päpstliches Schreiben gegen die Verbreitung lutherischer Schriften in Augsburg unmittelbar vorausgegangen13, das auf die Schilderung der kirchenfeindlichen Zustände in der Stadt durch den Nuntius Chieregati reagierte.14 Tatsächlich war aber noch nicht einmal dieses Verbot anonymer Drucke in die Praxis umzusetzen, da es schon zwei Tage später widerrufen werden mußte.15 Noch ein weiteres Mal wurde ein Mandat gegen lutherische Schriften in Augsburg verkündet und angeschlagen. Es handelte sich dabei um den Aushang des Nürnberger Reichsabschieds vom April 152416 am Augsburger Rathaus. Der Anschlag durch das Stadtregiment vollzog sich jedoch in Augsburg nicht mit den sonst üblichen Ankündigungen und Verlautbarungen, und der Text wurde bald darauf nachts von der Bevölkerung wieder heruntergerissen, denn "es hielt niemandt nichtz darvon."17 Doch nicht nur im schriftlichen, sondern auch im mündlichen Bereich sah der Rat mitunter den inneren Frieden gefährdet. In diesem Zusammenhang ist zunächst ein Ratsmandat vom 11. Februar 1520 zu beachten, in dem Gotteslästerung in jeder Form unter Strafe gestellt wurde.18 Es wird angeordnet: "Alle lestrungwort / schwier vnd fluch / bey dem namen gots / vn seinen hailigsten glidern / zuuermeiden". Auch die Verunglimpfung des Namens der Gottesmutter sowie "der hailigen / marter / wunden / oder glidern" wurde ausdrücklich mit eingeschlossen. Der Rat sah sich zu dem Dekret veranlaßt, da "bey vil leichtfertign personen / mannes vnd frawen geschlechten / alten vnd jungen / [die Mißachtung der christlichen Ordnung] laider in vergess / vnd Verachtung komen will". Die Härte der angedrohten Bestrafung wurde im Einzelnen differenziert und richtete sich danach, ob die Gotteslästerung im Affekt oder vorsätzlich begangen wurde. Im inneren Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der christlichen Ordnung wurde ebenso der Rufmord - auch in schriftlicher Form - unter Strafe 12
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StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 26r-27r; Broadhead, Politics, 96f.; Uhland, Täufertum, 22; WiU I, 158, Nr. 65. Das päpstliche Breve in Abschrift mit anschließender deutscher Übersetzung in Peutingers Handschrift vgl.: StAA, LitSlg, 1522, Aug.-Dez. (ad 1.12.). Lutz, Peutinger II, 224f.; Roth, Reformationsgeschichte I, 118. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 27r; Uhland, Täufertum, 22. Vgl. RTA J.R. IV, Nr. 149, 590-613, besonders: 603f. Preu-Chronik, 26f.; Rem-Chronik, 21 lf. (= Kastner, Quellen, 179), wie schon 1521 beim Anschlag des Sequestrationsmandates, vgl. Rem-Chronik, 166. StAA, Reichsstadt, Anschläge und Dekrete I (1490-1649), Nr. 4; EWA-Akten, Nr. 1561/1, nr. 1,4 (spätere Abschrift).
38 gestellt.19 Eine Erneuerung dieses Mandates wurde wortgetreu am 17. Januar 1524 verkündet.20 Auch in den folgenden Jahren - beispielsweise 1526 und 1528 mußte die frevelhafte Verwendung von Flüchen und Schwüren, auch in Verbindung mit übermäßigem Alkoholkonsum immer wieder öffentlich und offiziell angemahnt werden.21 Die Zensur des Wortes richtete der Rat aber auch gegen einen Personenkreis, dem er fur die gereizte Stimmung in der Stadt - neben den Druckern - die größte Verantwortung gab. Es handelte sich dabei um die neu- und altgläubigen Prediger, die mitunter auf ihre Zuhörer in massiver Polemik einwirkten, so daß deren Bereitschaft zu Verstößen gegen den öffentlichen Frieden anstieg. Dabei ist nicht zu erkennen, daß der Rat bevorzugt entweder nur neu- oder nur altgläubige Prediger ermahnt hätte, vielmehr ging es ihm um wirkungsvolle und umfassende, auch vorbeugende Sicherung des inneren Friedens in der Stadt. Im Oktober 1523 hatten beispielsweise zwei Ratsprediger durch ihre Predigten den Unmut der Obrigkeit auf sich gezogen und mußten sich vor dem Rat zur Zurückhaltung verpflichten.22 Ebenso forderte aber auch der Rat auf Antrag der Prediger das Domkapitel im Juni 1525 auf, den Domprediger Matthias Kretz von der Kanzel zu entfernen, da er zuvor zu radikal predigte.23 In dieses Jahr fiel auch die Diskussion über die zahlreichen Feiertage, die von den reformatorischen Predigern und einem Teil der Bevölkerung mißachtet wurden.24 Wegen beherzter Polemik gegen reformatorische Vorstellungen - und besonders aggressiv gegen die Täufer - wurde im September 1528 der altgläubige Prediger Othmar Nachtigall durch den Rat verwarnt und un-
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"Ob auch yemant / wer der were / ainer andern person / vneruolgt ainichs gebürenden rechtens / zu schmach / vn Verletzung jrer eren / oder sunst schandtliche lieder / sprüch / Reymen / oder ainich andere lasterschrifft / oder gedieht machen / außpringen / schreiben / trucken / sprechen / singn / oder anschlagen wurde." Außerdem wird im Mandat neben (1) der Gotteslästerung, (2) dem Rufmord auch (3) das Zutrinken sowie (4) die Schmähung der Obrigkeit unter Strafe gestellt.
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StAA, Reichsstadt, Ratserlasse 1507-1599 (3 Exemplare); Ratsbücher, Nr. 15, fol. 48v; EWA-Akten, Nr. 1561/1, nr. 1,5; SStBA, 2° Aug. 9 Anschläge, 1. Abt., Nr. 21. StAA, EWA-Akten, Nr. 1561/1, nr. 1,10 (Abschrift) und nr. 1,12*(Abschrift); SStBA, 2° Aug. 9 Anschläge, 1. Abt., Nr. 24; 2° S. Anschläge, Nr. 9. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 45r. Roth, Reformationsgeschichte I, 120-126; Broadhead, Politics, 202. Aber auch verbale Angriffe der Bevölkerung auf altgläubige Prediger wurden nicht einfach geduldet: vgl. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 39r/v (Juli 1523). StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 1, fol. 170r-171v (31. Mai/1. Juni). Rem-Chronik, 216. Auch in späteren Jahren befaßte sich der Rat mit diesem für das öffentliche Leben wichtigen Problem, vgl. Preu-Chronik, 44; Sender-Chronik, 209.
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ter Hausarrest gestellt.25 Kurz darauf wurden auch die neugläubigen Prediger vor den Rat zitiert und zu maßvoller Predigt ermahnt.26
3.1.2. Gegen unkontrollierte Bettelei Ganz im Gegensatz zu den teilweise ambivalenten und halbherzigen Regelungen in der Zensurfrage konnte der Rat der Stadt in einem anderen Bereich ohne Furcht vor höherer Autorität verfahren. Am 27. März 1522 wurde vom Augsburger Rat die Almosenordnung erlassen.27 Auf sieben Seiten im Quartformat wurde für die Zukunft die zentrale Verteilung von Geld an die bedürftigen Einwohner geregelt. In drei ihnen zugewiesenen Stadtbezirken28 sollten sechs Almosenherren, die der Oberschicht angehörten, mit je einer Hilfskraft das Almosenamt für einen Zeitraum von 2 Jahren verwalten. Sie durften nicht gleichzeitig ein anderes städtisches Amt bekleiden.29 Die Almosenherren und -knechte hatten die Aufgabe, die Spendengelder einzusammeln und in den Häusern der Armen durch regelmäßige Visitationen den sinnvollen Gebrauch des Geldes zu überwachen. Über die zum Empfang von Almosen Berechtigten wurden Listen geführt, in denen neben Namen und Geldbeträgen auch Eintragungen über sittliches Verhalten und Gehorsam gemacht wurden. Den Almosenempfängern und ihren minderjährigen Kindern war Betteln auf eigene Faust nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Almosenherren und unter Abzug einer Geldsumme aus den Bezügen seitens des Almosenamtes gestattet. Die Bettelvorschriften waren dabei genau einzuhalten. Bettelnden Fremden wurde nur ein maximaler Aufenthalt von 3 Tagen gewährt. Die 25
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StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 189r-192r (6./7. Sept.); Geh. Ratsbücher, Nr. 2, fol. 250v-252r (12./15. Sept.) und ebenso bereits im Januar: Geh. Ratsbücher, Nr. 2, fol. 203v-205r (31. Jan.); Sender-Chronik, 205-208. Roth, Reformationsgeschichte I, 306-309; Broadhead, Politics, 202f. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 192v-193r (15./19. Sept.); Geh. Ratsbücher, Nr. 2, fol. 252v (19. Sept.); Sender-Chronik, 208f. StAA, Ratserlasse 1507-1599; KWA, G 36 1 (anbei ein handschriftliches Namensverzeichnis der Verwalter des Almosensäckels von 1522-1590); SStBA 2° Aug. 243/2; 2° Aug. Ordnungen, 1. Abt., Nr. 1 u. 2; 2° Aug. 9 Anschläge, 2. Abt., pag. 1 u. 9. "Ains erbem Rats der Stat || Augspurg Ordnung/ die Allmusenherrn || vnd Verwalter der armen dürfftigen II daselbs belangend. || [Augsburg: Silvan Otmar 1522]" vgl. VD 16-A 4106. Rem-Chronik, 172f. (= Kastner, Quellen, 173); Sender-Chronik, 164f. (fälschlicherweise chronologisch unter dem Jahr 1525). Broadhead, Politics, 93f.; Roth, Reformationsgeschichte I, 116-118; Lutz, Peutinger II, 225f.; Stark, Wohltätigkeit, 105f.; Lengle, Art. Almosenamt, 7; Clasen, Armenfürsorge, 337f.; Sieh-Burens, Oligarchie, 147f. St. Jakob, St. Ulrich und St. Stephan. Nach einem Jahr wurde jeweils die Hälfte der amtierenden Almosenherren durch neue ersetzt, vgl. z.B. für den Zeitraum 1528-1530: StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 179v; Nr. 16, fol. 3r und fol. 19v.
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Kinder von Bettlern waren zu fleißigen und ehrenhaften Bürgern heranzuziehen. Kirchliche Einrichtungen mußten die erhaltenen Spenden an das städtische Almosenamt abgeben. Bei Verstößen gegen diese Bestimmungen drohte der Rat mit harten Strafen bis hin zur Ausweisung aus der Stadt. Änderungen der getroffenen Regelungen behielt sich der Rat nach eigenem Ermessen vor.30 Mit der Almosenordnung bot sich 1522 eine Gelegenheit, um auf Kosten des Einflusses der Kirche die obrigkeitlichen Zuständigkeiten des Rates zu erweitern.31 Denn die Stadtväter beseitigten durch diese Ordnung das spätmittelalterliche Armenwesen, das bisher im Zuständigkeitsbereich der Kirche lag. Neben der Schwächung der Kirche standen allerdings hinter dieser Entscheidung zahlreiche Faktoren, die sich zugunsten der weltlichen Obrigkeit auswirken mußten. So hoffte man durch die geregelte, obrigkeitlich gelenkte Almosenverteilung die Obdachlosen- und Armenzahl in der Stadt vermindern und gleichzeitig überwachen zu können. Die Zuteilung von Almosen konnte schließlich vom Gehorsam gegenüber dem Stadtregiment abhängig gemacht werden. Somit diente diese Verordnung nicht allein der Verbesserung der Lebensumstände von Bedürftigen, sondern sie war in hohem Maße ein Instrument der städtischen Obrigkeit, um das eigene Sicherheitsdenken zu befriedigen. Die Almosenordnung verfehlte ihre Zielsetzung nicht, denn die Verteilung der Almosen an die Bedürftigen wurde wirkungsvoll umgesetzt und damit ein sozial unsicherer Personenkreis unter die geregelte Aufsicht des Stadtregiments gebracht. Allerdings wurde natürlich das Ideal, daß allein aus reiner christlicher Liebe der Gebenden die Almosen von "heiligmäßig" würdigen Bedürftigen empfan-
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Z.B. wurde 1526 geregelt, daß allgemeine Almosenempfänger von den Zunftwahlen nicht ausgeschlossen werden durften (StAA, Ratsbücher, Nr. 15, fol. lOlv), 1527 regelte man die Steuerfreiheit von Almosen (StAA, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 139r/v). Eine Instruktion bei Verstößen gegen die Almosenordnung wurde am 1. Mai 1530 erlassen, in: StAA, Anschläge und Dekrete I (1490-1649), Nr. 17; EWA-Akten, Nr. 1561/1, nr. 1,17 (Abschrift); SStBA, 4° Aug. Ordnungen, 2. Abt., 5. Bd., 1 .Teil, Nr. 4. Die Augsburger Almosenordnung war die erste ihrer Art in einer Reichsstadt und diente anderen Reichsstädten als Vorbild, z.B. Nürnberg Sommer 1522, Straßburg 1523. Vgl. dazu die Vorerläuterungen zu Luthers "Ordnung eyns gemeynen kastens. Radschlag wie die geystlichen gutter zu handeln sind" (WA 12, 2). Bereits im Februar 1522 wurde die Wittenberger Stadtordnung in Augsburg nachgedruckt: "Ain lobliche ordnüg || der Fürstlichen stat Wittemberg II Im tausent fünfhundert vnd zway vnd || zwainzigsten jar auffgericht. || [Augsburg: Melchior Ramminger 1522], vgl. VD 16-W 3697; Druck: Laube, Flugschriften 2, 1033-1037. Die inhaltlichen Abhängigkeiten müßten noch untersucht werden. Zu beachten ist aber, daß es zwar schon früher Verordnungen zur Reglementierung der Bettelei gegeben hatte, aber noch kein städtisch institutionalisiertes Almosenamt, vgl. Rogge, Nutzen, 218-230. Dennoch wird man im Augsburger Fall im Zusammenhang mit der Almosenordnung nicht von der "erste[n] eindeutig reformatorische[n] Maßnahme" in der Reichsstadt sprechen können, wie dies Gottfried Seebaß für Nürnberg konstatiert; vgl. ders., Stadt, 69.
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gen werden, wie es in zwei in Augsburg rezipierten Schriften von Johannes Oekolampad formuliert wurde, nicht erreicht.32
3.1.3. Gegen öffentliche oder geheime Versammlungen Der Grund eines Versammlungsverbotes vom 12. August 1524 war wiederum das Bemühen um Aufrechterhaltung "gutter ainigkait / Christenlicher / vnd Statlicher Ordnung / Regierung / vnd fridens".33 Aktueller Anlaß waren die radikalreformerischen Predigten in den unmittelbar vorausgegangenen Tagen und Wochen in Augsburg, die - im Vorfeld des Bauernkrieges - soziale Unruhen befurchten ließen. Das auslösende Moment für den Ausbruch öffentlichen Aufruhrs war die heimliche Abberufung des radikalen Barfüßerpredigers Johann Schilling durch den Rat in den ersten Augusttagen.34 Nachdem der Rat an die Aufständischen durch die Rückberufimg Schillings ein großes Zugeständnis machen mußte, versuchte er, durch das Versammlungsverbot weitere Unruhen zu vermeiden. Im Dekretstext liest sich die offizielle Umschreibung der Vorgänge folgendermaßen: "inner vnd ausserhalben derselben Stat / [sind] reden vnd handlungen / fürgenömen vnd geschehen / die zu widerwillen / auffrur / entpörung / auch zu vngehorsam / vnd Verachtung gepürender oberkait diser Stat dienen sollen." Zur Vermeidung einer Ausweitung der Unruhen wurden ausdrücklich jede Versammlung und jede aufrührerische Rede verboten. Unter Erinnerung an Bürgereid
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"Ain. Sermon. || Sancti Johannis Chriso||stomi / von dem almußen/ über die || wort Pauli / in der ersten Epis-||tel deren von Corinth, in lat-||ein von Jo. Oekolamp. || anzaigt / vn durch Jo. || Diebold zu Ulm /|[ verteütschtt. || Anno. dni. M.D.XXII. || [Augsburg: Melchior Ramminger]": VD 16-J 468 und "Von vßteylung des Almusens /|| erstmals von Joanne Oekolampadio II in Latin beschribben / vnd yetz || durch doctom Chunradü || Peutingem von || Augspurg vertütschet. || Vast nützlich allen christen || menschen zulesen. M.D.XXIIII. || (Getruckt zu Basel / durch Andream Crata=||drum / in dem Meyen ...||)": VD 16-0 371. Vgl. Roth, Reformationsgeschichte I, 116f.; Lutz, Peutinger II, 225 f. Stark, Wohltätigkeit, 105 vermutet in Peutinger auch den Redaktor der in Kraft getretenen Almosenordnung. StAA, Reichsstadt, Anschläge und Dekrete I (1490-1649), Nr. 9; Ratserlasse 1507-1599 (2 Exemplare); Ratsbücher, Nr. 15, fol. 69r; EWA-Akten, Nr. 1561/1, nr. 1,9 (Abschrift); SStBA, 2° Aug. 9 Anschläge, 1. Abt., Nr. 22; 2° Aug. 9 Anschläge, 2. Abt., pag. 27; 2° S. Anschläge, Nr. 6; Druck in: Vogt, Johann Schilling, 17 f., Beilage I; Preu-Chronik, 28-32; Rem-Chronik, 205-207 (= Kastner, Quellen, 176-178); SenderChronik, 155-159. Roth, Reformationsgeschichte I, 156-169; Panzer, Protest, 128-153; Broadhead, Politics, 117142; Rogge, Nutzen, 249-268; Lutz, Peutinger II, 233-235; Uhland, Täufertum, 49; WiU I, 159, Nr. 68; Spengler, Art. Schilling, 325; Schmidt, Reichsstädte, 213ff. Die ebd. verwendete Etikettierung Schillings (u.a.) als "Zwinglianer" ist kaum zu dessen Profilierung geeignet. Die Schilderung der gesamten Vorgänge aus der Sicht des Rates: StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 66r-69r.
42 und -pflicht wurde jeder ermahnt, die städtische Obrigkeit über derartige Vorkommnisse unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Bei jeglichem Verstoß wurden die härtesten Strafen - das sind "an gut / Eeren / leib / vnd leben" - angedroht. Die Hinrichtungen von zwei Webern, die an den Schillingunruhen beteiligt waren, im September 1524 dokumentieren, welche drakonischen Maßnahmen der Rat im Falle eines Verstoßes gegen dieses Dekret ergriff, um die städtische Verfassung aufrechtzuerhalten. Die Urteile wurden schlicht mit Nichtbeachtung des bürgerlichen Eides begründet.35 Einen weiteren Anlaß zur Ausdehnung des Versammlungsverbotes auch auf den nicht-öffentlichen Raum mit gleichzeitigem Verbot der Zweittaufe gab das erstmalige massive Auftreten der Täufer in Augsburg.36 Besonders seit Frühjahr 1526 traten diese verstärkt in Erscheinung. Anlaß zur Bildung der Augsburger Täufergemeinde war das Zusammentreffen der Täuferführer Hans Denck, Balthasar Hubmaier und anderer, unter deren Führung auch die erste Zweittaufe in Augsburg stattfand. Die allgemein gebräuchliche Kindertaufe war - nach Ansicht der Täufer - biblisch nicht begründet. Neben der folglich praktizierten Erwachsenentaufe waren die beiden anderen konstituierenden Säulen der Täufergemeinde zum einen die Unabhängigkeit von weltlichem Besitz und zum anderen die Mißachtung von hierarchischen Obrigkeitsstrukturen. Durch diese Grundsätze der Täufer, die alle drei in ihrer Zielsetzung gegen konstitutionelle Festlegungen jeder Art gerichtet waren, sah der Rat der Stadt, der sich als von Gott eingesetzte christliche Obrigkeit verstand, seine Autorität untergraben und das Bewußtsein für eine geschlossene christliche Gesellschaft (corpus christianum) empfindlich gestört. Die Beurteilung der durch die Täufer aufgeworfenen theologischen Probleme spielte dabei für den Rat eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr stellten die Täufer das religiös verstandene Fundament städtischer Herrschaft in Frage. Deshalb sah das Stadtregiment durch die Ablehnung von Obrigkeit durch die Täufer den sozialen Frieden in Augsburg, der ohnehin nur mit viel Umsicht zu wahren war, gefährdet und befürchtete eine Wiederholung der Unruhen von 1524. Nachdem der Rat die Verknüpfung von aufrührerischer Tätigkeit und religiöser Irrlehre bei den Täufern zunächst abwartend im Auge behalten hatte, waren schließlich im Sommer 1527 die Zustände für den Rat nicht weiter hinnehmbar. Im August und September 1527 sah sich der Rat zu umfangreichem Einschreiten gegen das Täuferwesen in Augsburg veranlaßt. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden zahlreiche Verhaftungen vorgenommen.37 Die theologische Kritik und Widerlegung der Täufer überließ das Stadtregiment den von ihm angestellten Prädi-
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Sender-Chronik, 159; Rem-Chronik, 208 ( = Kastner, Quellen, 179). Broadhead, Politics, 242; Roth, Reformationsgeschichte I, 237-240; Uhland, Täufertum, 117f.; Lutz, Peutinger II, 280. Vgl. auch: Sender-Chronik, 186-194; Preu-Chronik, 36-40. Preu-Chronik, 36f.; vgl. Uhland, Täufertum, 84 und 92f.; Zschoch, Existenz, 233 und 268273.
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kanten Urbanus Rhegius,38 Johann Frosch, Stephan Agricola und Michael Keller. Eine schriftliche Widerlegung der Täuferlehre durch die Prediger wurde durch den Rat autorisiert. Ende September veranstaltete der Kleine Rat eine Disputation zwischen den oben genannten Ratspredigern und vier Täuferfuhrern.39 Anfang Oktober beauftragte der Rat schließlich dieselben Prediger, den auf freien Fuß gesetzten Mitgliedern der Täufergemeinde auf dem Rathaus ins Gewissen zu predigen.40 Als nächsten Schritt erließ der Rat am 11. Oktober 1527 ein Mandat gegen die Täufer.41 Zu Beginn desselben wird auf die große Anzahl täuferischer Führer auswärtiger Herkunft hingewiesen, wenn es heißt, "das ettlich alhie / auch ettlich frembde / so an anndern ortten vertriben / veriagt / vnd annder meer / herkomen / den hayligen vnd Christenlichen kindertauff / veracht / vnnd vernicht". In den folgenden Zeilen des Dekretes werden auch die den Täufern vorgeworfenen Verfehlungen ausdrücklich beim Namen genannt und dabei ihre Gefährlichkeit fur die Einheit der Gesellschaft betont. Das Stadtregiment fordert aus diesen Gründen von der Bevölkerung, den Kindern die christliche Taufe zukommen und sich selbst nicht wiedertaufen zu lassen. Weiterhin soll man keine Winkelpredigten anhören, sondern sich mit der gebräuchlichen Kirchenpredigt begnügen, den Umgang mit den Winkelpredigern meiden und diesen kein Obdach geben. Schließlich fordert die Obrigkeit, daß sie über täuferische Aktionen in der Stadt in Kenntnis gesetzt wird. Für den Fall einer Mißachtung dieser Maßregeln werden härteste Strafen angedroht. Die Anweisungen des Dekretes wurden von Konrad Peutinger in einem Rechtsgutachten ausgeführt und juristisch bekräftigt.42 Die im Dekret formulierten Maßregeln hielt Peutinger besonders wegen der Gefahr des Sektierertums und einer Spaltung der Bürgerschaft für gerechtfertigt. Die brüderliche Anrede unter den Täufern, ihre nächtlichen, privaten Zusammenkünfte ebenso wie ihre eigene Armenfürsorge - in Konkurrenz zur städtischen Almosenordnung - hielt Peutinger für untrügliche Zeichen einer Abgrenzung von der städtischen Gemeinschaft. Durch die Furcht vor einer möglichen Unterwanderung der weltlichen Obrigkeit sah sich der Rat zum einen zur besonderen Überwachung einreisender Fremder und zum anderen zum Ausschluß sich bekennender Täufer von allen städtischen Ämtern berechtigt. Schließlich könne eine Duldung der Täufergemeinde in Augs-
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Umfassend zu Rhegius' Augsburger Wirken: Zschoch, Existenz, 94ff.; zu dessen Auseinandersetzung mit dem Täufertum: Ebd., 268-274. StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 2, fol. 11 lr-115r (ad 21. Sept.) und 117r-119r (ad 25. Sept.). StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 149v. StAA, Anschläge und Dekrete I (1490-1649), Nr. 12; EWA-Akten, Nr. 1561/1, nr. 1,11 (Abschrift); SStBA 2° Aug. 9 Anschläge, 1. Abt, Nr. 25; 2. Abt., pag. 47; 2° H.V. 105 Statuta, 1. Abt. Nr. 2; 2° S. Anschläge, Nr. 10; Druck bei: Meyer, Geschichte, 251 f. StAA, LitSlg, Selekt "Wiedertaeufer & Religionsacten"; Teildruck bei: Uhland, Täufertum, Quelle Nr. III, 287-289. Uhland, Täufertum, 119; Lutz, Peutinger II, 278-283.
44 burg, ohne daß der Rat ordnend eingreife, von der Reichsgewalt als Verstoß gegen die kaiserlichen Gesetze und Reichsabschiede ausgelegt werden. In der Tat schritt der Rat nach dem Aushang des Dekretes zur angemessenen Bestrafung der Täufer. Jeder, der sich taufen ließ oder sein Haus für täuferische Versammlungen zur Verfügung stellte oder Täufern Unterkunft gewährte, wurde ausgewiesen; wer als Täufer entlarvt wurde, bekam sein städtisches Amt entzogen.43 Auf diese Weise konnte der Rat der Stadt nach und nach, durch strikte Ausweisungen und körperliche Züchtigungen Auswärtiger, aber auch durch Milde und Begnadigungen gegenüber Sympathisanten aus der Augsburger Bevölkerung, die täuferische Bewegung in den Griff bekommen.44
3.1.4. Gegen Gewalt wider Menschen oder Sachen Ergänzend zu den Unruhen um den Prediger Schilling in Augsburg 1524 zeitigten 1525 die Umtriebe des Bauernkrieges in der näheren Umgebung der Stadt Ansätze sozialer Empörung. Die Zielsetzungen der Bauern waren mit denen der städtischen Unterschichten dabei vielfach deckungsgleich. Dieser Umstand veranlaßte den Rat zu einer das Versammlungsverbot vom Voqahr ergänzenden Maßnahme. In einer Verordnung vom 29. Januar 1525 wurde das Verbot, Waffen zu tragen, erlassen.45 Zuvor war es offensichtlich zu Opfern unter der Bevölkerung durch vorsätzlichen oder leichtfertigen Gebrauch von Waffen, besonders in Verbindung mit übermäßigem Alkoholkonsum, gekommen. Die städtische Obrigkeit wurde zu dieser Maßnahme aber vor allem durch ihr ausgeprägtes Sicherheitsdenken veranlaßt. Schließlich mußte um jeden Preis ein Übergreifen der Unruhen und ein offenes Sympathisieren der Stadtbevölkerung mit den bewaffneten Bauern verhindert werden. Bemerkenswert ist bei diesem Dekret vor allem die an Laien und Kleriker gerichtete Aufforderung, in gutem Einvernehmen miteinander umzugehen:
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Sender-Chronik, 194f.; Uhland, Täufertum, 153f. Das Mandat von 1527 wurde zudem noch durch strengere Anweisungen Peutingers - besonders durch die Überwachung Fremder - vom April/Mai 1528 ergänzt; vgl. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 175r; LitSlg, 1528, März-April (ad 18.-24.4.) und Mai, fol. 63r-64r (ad 9.5.); Lutz, Peutinger II, 281. Nur ein Täuferfuhrer wurde in Augsburg zur Abschreckung hingerichtet; vgl. Uhland, Täufertum, 169; Summarische Nachricht über die Amnestie: Sender-Chronik, 204. SStBA, 2° Aug. 9 Anschläge, 1. Abt., Nr. 23; 2. Abt., pag. 29; 4° Aug. Anschläge, Nr. 2; 2° S. Anschläge, Nr. 7; StAA, LitSlg, 1525, Jan.-Febr. (ad 29.1.). Vergleichbare Bestimmungen wurden zuvor schon 1502 (vgl. Anschläge und Dekrete I (1490-1649), Nr. 2) und später innerhalb der Zucht- und Policeyordnung von 1537 (Ratserlasse 1507-1599) erlassen. Broadhead, Politics, 173.
45 "Es soll auch nyemandt weder tags noch nachts / den andern freuenlich entaschten / noch behonen / sonder manigklich fridlich vnd berublich auff des Reichsstrasse wandeln. Daruor sich auch alle vnd yede / gaistlich vn weltlich personen in diser Stat zuuerhuten wissen". Auch die Augsburger Kirchen blieben nicht vor Gewalt verschont. So wurden bereits 1524 Weihwasser und Gräber in der Barfüßerkirche entweiht und die Hostien vom Altar der St. Annakirche gestohlen.46 Diese Form der Aggression erfuhr jedoch erst einige Jahre später noch dadurch eine Steigerung, daß ein reformatorischer Geistlicher sich daran beteiligte. So zerstörte der radikale, reformatorische Prediger Michael Keller47 am 14. März 1529 mit zwei Gesinnungsgenossen ein Kruzifix in der Barfußerkirche.48 A m übernächsten Tag bekannte er sich in der Predigt zu dieser Tat und rechtfertigte die Beseitigung dieses Götzenbildes. Von einer Bestrafung dieses Vorgehens wurde von Seiten des Rates abgesehen, da man heftige Proteste und Unruhen durch die Bevölkerung befürchtete, wie sie sich 1524 bei Abberufung des Barfüßers Johann Schilling aus derselben Kirche zugetragen hatten.49 Um jedoch weitere Zerstörungen und Plünderungen in den Kirchen zu verhindern, erließ der Rat der Stadt bereits wenige Tage später, am 19. März, ein Mandat gegen den Bildersturm.50 Darin verfugte der Rat, daß niemand "die Bilder / Wapen / gemeel / vnd annder gedechtnuß / So in Kirchen / auf den Kirchhöfen / vnd sonnst allenthalben aufgemacht sein / vnd steen / on wissen / willen / vnnd schaffen der Oberkait daselbs / mit vnsauberkait nit betadeln / noch schmehen / noch in annder weg beschedigen / noch zerbrechen" darf. Weiter heißt es, wer dieser Anordnung zuwider handle, werde an Gut, Leib und Leben, d.h. sehr hart, bestraft. Aus der Reihe der beispielhaft angeführten und in ihrer zeitlichen Verkettung und ihrem Ursache-Wirkungs-Kontext erläuterten reichsstädtischen Verordnungen werden zwei Umstände deutlich, die für die Einschätzung der späteren Vorgänge von größerem Belang sind. Zum einen handelt es sich um den fortschreitenden Prozeß einer Übernahme obrigkeitlicher Verantwortung durch den Augs-
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Preu-Chronik, 24-26; Roth, Reformationsgeschichte I, 158f.
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Preu-Chronik, 43; Fackler, Art. Keller, 198; Zorn, Keller, 161-172. Broadhead, Politics, 237f.; Roth, Reformationsgeschichte I, 306; W i U I, 164, Nr. 79. Sender-Chronik, 214-217 ( = Kastner, Quellen, 188f.). Auch im Vorfeld der Schilling-Unruhen war es schon einmal zu einem wüsten Bildersturm im April 1524 gekommen; vgl. Sender-Chronik, 158. StAA, Ratserlasse 1507-1599 (2 Exemplare); EWA-Akten, Nr. 1561/1, nr. 1,15 Ά; SStBA, 2° Aug. 9 Anschläge, 1. Abt., Nr. 28; 2. Abt., pag. 49; 4° Aug. Ordnungen, 2. Abt., 5. Bd., 1. Teil, Nr. 3; 2° Aug. Ordnungen, 2. Abt., 4. Bd., 1. Teil, Nr. 1; 2° S. Anschläge, Nr. 14; PreuChronik, 44f.; Sender-Chronik, 217 ( = Kastner, Quellen, 189).
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46 burger Rat im Bereich der cura religionis.51 Zum anderen läßt sich - am Gesamtbestand der Ratserlasse dieses Jahrzehntes überhaupt - die beharrlich zunehmende Entwicklung zu sozialer Reglementierung der reichsstädtischen Bürgerschaft in Augsburg feststellen.52 Dabei läßt sich ein Ineinandergreifen mehrerer Regulierungsmechanismen beobachten. In wechselndem Spiel von Aktion und Reaktion vollzieht sich hierbei ein Prozeß, in dem der Kleine Rat sein Selbstverständnis und seine Anerkennung als reichsstädtische Obrigkeit herausbildet53 und die Anwälte einer kirchlichen Reform zu Protagonisten eines reformatorischen, noch nicht konfessionalistischen Kirchenwesen werden.54
3.2. Die Politik des "mittleren Weges" Die Politik des "mittleren Weges" ist unlösbar mit der Person des Stadtschreibers Konrad Peutinger verbunden. Peutingers politisches Handeln ist maßgeblich von drei Faktoren geprägt: • das Interesse an unbedingter Loyalität gegenüber dem habsburgischen Kaiserhaus, • das Interesse an wirtschaftlicher Blüte Augsburgs, • das Interesse an einer gemäßigten Kirchenreform auf dem Boden humanistischer Ideale. Peutingers kaisertreue Gesinnung wurzelte in seiner juristischen Ausbildung und seinem Wirken im Zeitalter Kaiser Maximilians. In dieser Epoche war sein 51
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Vgl. generell: Hamm, reformatio, 68f.; am Beispiel Nürnbergs: Hamm, Bürgertum, 68ff. Einen in Phasen differenzierten Vergleich zwischen der reichsstädtischen Reformation in Nürnberg und Straßburg; vgl. Schmidt, Reichsstädte. Als Musterbeispiel hierfür sei auf die oben erfolgten Ausführungen zur Institutionalisierung des städtischen Almosenwesens nachdrücklich hingewiesen. Vgl. dazu auch: Sieh-Burens, Oligarchie, 147f. Vgl. unten Kapitel 5.1. und 5.4. StAA, Reichsstadt, Ratserlasse 1507-1599. Das Leitinteresse dabei - "friden, ru und ainigkeit" - ist nicht bestimmt durch Normen konfessioneller Prägung. Gerade der Versuch einer Vermittlung frühkonfessioneller Typen kennzeichnet die politische und theologische Entwicklung während des Untersuchungszeitraumes dieser Arbeit (1520-1534). Von einer aus einer frühen Form sozialer Reglementierung ableitbaren Konfessionalisierung kann m.E. für Augsburg für den gesamten Untersuchungszeitraum keine Rede sein. Eine stringente Politik der Augsburger Stadtväter läßt sich vielmehr nur für die Erhaltung einer traditionellen Einheit des städtischen Gemeinwesens als corpus christianum erkennen. Aus der Sicht der Augsburger Verhältnisse kann man den Beginn einer "konfessionellen Institutionalisierung", für die eine gesellschaftspolitische Wirksamkeit in Anschlag zu bringen wäre, frühestens 1537 wenn nicht erst 1552 (vgl. zu den Entscheidungen 'konfessioneller' Art: Gößner, Kirche, 97-114) ansetzen. Zur Problematik der Periodisierung und inhaltlichen Füllung des Konfessionalisierungskonzeptes: Schmidt, Konfessionalisierung, 86-122, bes. llOf. Über die Grenzen der Leistungen dieses Forschungsparadigmas vgl. Kaufmann, Konfessionalisierung, bes. 1117f.
47 kenntnisreiches Urteil auf allen Ebenen der Reichspolitik häufig gefragt. Peutingers Interesse an der großen Wirtschaftspolitik war zum einen auf seine familiäre Verbindung zum Welserschen Handelshaus zurückzufuhren, zum anderen in seinem Wunsch, die wirtschaftliche Entfaltung seiner Heimatstadt mitzufördern, begründet. Peutingers Eintreten für eine Kirchenreform basierte in seiner humanistischen Kritik an kirchlichen Mißständen. Seit Beginn der zwanziger Jahre versuchte Peutinger seinen politischen Einfluß in Augsburg speziell gegenüber dem Rat und den Bürgermeistern dergestalt durchzusetzen, daß er der Obrigkeit sowohl bei der Kritik an Mißständen als auch bei der Reform ein maßvolles Vorgehen empfahl. Im Vorfeld eines Treffens des Schwäbischen Bundes kam es im Dreizehnerrat unter Anwesenheit Peutingers Ende Januar 1525 zu einer grundsätzlichen Debatte über die politische Grundeinstellung, die Augsburg in der Reformfrage einnehmen soll. 55 Die Haltung gegenüber den anderen Reichsständen war dabei das zen55
StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 1, fol. 48v-50v (27. Jan.). Anmerkungen zur folgenden Transkription: Der Text ist in äußerster Flüchtigkeit als Mitschrifl; während der Verhandlungen entstanden, daher können manche Wörter nur mit großer Wahrscheinlichkeit identifiziert werden; ein Rednerwechsel ist nur an wenigen Stellen eindeutig markiert, ansonsten werden in der Transkription Sinnabschnitte mit "/" markiert; durchgestrichene Wörter und Zeilen werden ausnahmslos weggelassen; Bemerkungen, die am Rand des Protokolltextes stehen, werden in Klammern "(...)", Erläuterungen, die die Transkription erklären sollen, in "[...]" gesetzt. "(48v) (27. Januarij) Darnach auff den obgemelten tag, nach mitenn tag, sein meine herren, die 13. abermals gesessen, unnd wen man auff den nechst künftigen Stetpundstag schicken woll, unnd was man daselbs hanndien woll, geratschlagt worden. / D[octor] Bewtinger: Lutter mocht Etwas aus der hailligen schrifft (Nota) (das etlich auß neid unnd geitz nit leiden möchten) herfurbracht haben, und dennocht in der heiligen geschrift gegrundt und nit zu verwerffen, daneben mocht auch etlichs nicht bestendig also verwerfflich seyn. / (49r) Edict nachzukomen: Das nit möglich sey, disem articul entgegen oder wider sein möge / Die Botschaft abgefertiget werden sol was auff dem pundstag gehandelt wurde zuhören: / unnd ob von verfuerischen und ketzerischen leer des luters geredt wurde, das ain Erber Rat dhains [lies: keines] wegs darein zubewilligen genaigt were / was aber disputierlich were, das gemainer pund, Erber verstendig und hochgelert sagt etc. / niemant kain gemessen bevelch zu geben, sonnder aufmerken zuhalten / Ob die Sachen bis auff ain künftigen Reichs tag mocht verlenngt unndt gesturtzt werden / (Conclusio 'S") Nach dem mitlern weg zusuchen woll er beschlossen haben / (49v) (wo ain hauff, da ist kain verstand) D[octor] Rechlinger: Den Stetten anzuhanngen hab er grosse sorgfeltigkait unnd das die gemainen stet den von augspurg nit allein des monopolien, sonder auch annder sachen halben zuwider steen und kain trew bey inen zuversechen weihe stat am grossten angriffen werden die anndern alle verzagt sein / die von Nürnberg Redelfuerer sein sej ime beschwerlich sich mit inen dißhalben zuuerainen / Conclusive zureden: Sagt auff den abschid, ain pund woll stracks ob dem articul halten aus dem verstand des articuls / Ob dem articul unnd den von Nürnberg anzuhanngen unnd zubewilligen, wol er meinen hern ainem Erbern Rat bevolhen haben. / wan man was ungeschickte furnemen unnd handien wölt das bej den Stetten in gemain gehandelt werden solt / Also das nit möglich sej denselben articul zuvolstrecken, das alles was luter geschriben, soll verdampt sein. / (50r) Trag fursorg, wo sie das [...] das sies woll verdient heten / Das man aber uns alle in sorgfeltigkait begeben sollen, auch nit thun sollen / das ich als ain stat gern thun wolt das mir ymer möglich unnd traglich were / Dweil sie dann wem pundsverwandt das sie dann be-
48 trale Thema. Die am Ende der Dreizehnerratssitzung gefundene politsche Richtlinie fand jedoch keine konkrete Anwendung, da die Frage der Kirchenreform erst nach dem Bauernkrieg und dann unter anderen politischen Gegebenheiten wieder spruchreif war. Dennoch ist das Ergebnis interessant, mit dem die Verhandlung abschloß. Man einigte sich, daß Augsburg keinem gegen die Bestimmungen des Wormser Ediktes gerichteten Städtebündnis beitreten werde. Eine eindeutige, politische Annäherung an die reformfreudigen Städte komme erst in Frage, wenn man die diesbezüglichen Beschlüsse des nächsten Reichstages abgewartet habe. Dem Text ist auch eine gewisse Skepsis gegenüber der Kooperation mit anderen Städten zu entnehmen, die sich aus Augsburgs wirtschaftlicher Stellung ergibt. Die Frage nach kirchlicher Erneuerung in der Stadt spielte dabei freilich neben den wirtschaftlichen Erwägungen - besonders in der Monopolienfrage - nur eine untergeordnete Rolle. Denn Augsburg fürchtete, daß es bei einem Städtebündnis seine eigenen Interessen und die seiner Handelshäuser zugunsten einer reichsstädtischen Bündnissolidarität hintanstellen müsse und der Neid der anderen Städte ein Übriges zum Rückgang der wirtschaftlichen Prosperität Augsburgs beitragen würde.56 In dem von Peutinger ergänzten Sitzungsprotokoll werden die von ihm sowohl gebilligten als auch mißbilligten politischen Folgen der lutherischen Lehre formuliert und münden in sein politisch-diplomatisches Bekenntnis: "Nach dem mitlern weg zu suchen wöll er beschlossen haben." Will man der Frage nach den Anregungen für das politische Konzept des mittleren Weges nachgehen, wird man - in Analogie zu Peutingers 'Ideenwerkstatt' zu anderen Themen - nach einem literarischen Vorbild fahnden müssen. Peutinger selbst liefert in seinem 1533 erstellten Gutachten zur Religionsfrage 57 einen Hinweis dafür, wonach in diesem Fall zu suchen ist: Der Römerbriefkommentar des
schützte unnd beschirmbte das zu aufnemen diente / uff baid weg zubedenncken wie sie woll wessten / Bürgermeister]. Rechlinger: dem articul gelobt zuwerden wirt wider got, darumb seins achtens dem articul zugeleben der stend des punds gemuet nit gewesen ist. / Das der gesannt sein aufmerken hab, wie sich annder darein schicken, und den zimlichen unnd miteisten weg verneinen [...] wegen sich laß vermercken. / (50v) Frag ob der weg bej den Erbem steten der paurisch weg[en] wie vor weit gehalten werden, was zuthun sei oder der gesant hanndien solle. / (Doctor Bewtinger) Das angesehen wo man die sach paurisch und scheuch sehe, das die gesant botschaft zu Ulm nit verruckte, sonnder ains Erbern Rats articul gewertig wer unnd gemainen Stenden des punds (ains erbern Rats maynung) anzaigt. / Dhains wegs darein zu bewilligen sej, souer die stet des punds auff dem, so auff dem Stett tag angesehen verharren wellen / (Erkent) Uff dem weg zubeleiben, wie angesehen ist, Kay. Mt. zu schreiben." Lutz, Peutinger II, 236f. und 283; Broadhead, Politics, 167 und 185. 56
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Schmidt, Reichsstädte, 304f. charakterisiert diese Haltung Augsburgs in der zweiten Hälfte des Jahrzehntes innerhalb des Städtekorpus als "Verweigerungspolitik". Aus der Augsburger Binnenperspektive stellt sich allerdings der "mittlere Weg" nicht als das inhaltsleere "Schwanken zwischen einer entschiedenen, aktiven Politik und dem Verzicht darauf' (ebd., 305) dar; vgl. dazu auch die folgenden Ausführungen. StAA, LitSlg, 1534, Nachtr. I, Nr. 15, fol. 56v-57v.
49 Erasmus von Rotterdam58 enthält im Zusammenhang der Auslegung zu Rom 13,1 eine Ausführung über die Grundsätze politischen Handelns, in der der Gedanke des mittleren Weges ganz konkret formuliert ist.59 Die große Gefahr einer politischen Isolierung Augsburgs, die diesem Konzept Peutingers bei seiner Umsetzung in konkrete Politik innewohnte, wurde schon wenige Wochen später spürbar und kann exemplarisch an der Korrespondenz zwischen dem Städtehauptmann des Schwäbischen Bundes Ulrich Artzt60 und dem Rat bzw. Peutinger dargestellt werden.61 In einem Brief vom 11. März62 an Artzt, dessen Konzept von Peutingers Hand ist, sicherte der Rat dem Schwäbischen Bund seine Unterstützung bei der Landfriedenssicherung zu. Weiter bat er den Hauptmann, im Bund nichts von den städtischen Unruhen innerhalb Augsburgs öffentlich zu machen, was die Stellung Augsburgs als zuverlässigen Bundespartner gefährden könnte. Am Ende dieses Briefes wurde Artzt ersucht, im Konflikt des Bundes mit den Bauern einen mittleren Weg einzuschlagen, durch den eine Aussöhnung mit den Bauern ohne übermäßiges Blutvergießen möglich sein sollte.63 Artzt antwortete zwei Tage später64 dem Rat mit der zynischen Äußerung, daß Augsburg nun für seine bisherige Nachsicht mit den Irrlehren büßen müsse, weil man offenbar in der Stadt ein Zusammengehen der sozial schwachen Bevölkerung mit den Bauern befürchte.65 Der streng altgläubige und politisch ein58
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Leider sind nicht mehr alle Ausgaben der erstmals 1518 gedruckten Römerbnefparaphrase, die sich einst in Peutingers Bibliothek befanden, vorhanden. Nur eine Oktavausgabe von 1519 (VD 16-Ε 3058) aus Peutingers Besitz ist erhalten: SStBA 8° Th.Ges. 56a. Die Kernsätze, die für eine Anregung Peutingers eine Schlüsselfunktion einnehmen dürften, lauten in Erasmus1 'Paraphrasis in epistolam Pauli ad Romanos': "Totam enim rerum summam, in tria genera dividamus licebit. In ea quae vere coelestia sunt, quae tanquam Christo peculiaria, sunt ubique rebus omnibus anteponenda. In ea quae prorsus sunt hujus mundi, veluti cupiditates, ac vitia. Haec vobis sunt omnibus modis fugienda. In medium quoddam genus, quod per se neque bonum, neque malum, sed necessarium tarnen pro totius Reipublicae statu concordiaque tuenda." LA 7, 820 C. Blendinger, Artzt, 121-123. Greiner, Politik, 55f.; Broadhead, Politics, 176-182; Roth, Reformationsgeschichte I, 177179. StAA, LitSlg, 1525, März (ad 11.3.); Druck bei: Vogt, Correspondenz I, 364f., Nr. 211. "und unsers achtens were in disen schweren läuffen nit unfruchtbar, das die stende des pundts mittlweg [!] furnemen, in der sach nit zu hart handleten, damit die paurn gestilt und zertrent wurden, solchs solt billich langest geschehen sein, damit den paum unbillicher beschwerd abgestölt und die Sachen nit so weit gewachsen weren.", vgl. Vogt, Correspondenz I, 365, Nr. 211. StAA, LitSlg, 1525, März (ad 13.3.); vgl. Vogt, Correspondenz I, 366-368, Nr. 123 [Druckfehler; muß richtig heißen: 213!]. Lutz, Peutinger II, 240f. Zur "kommunikativen Offenheit der Städte" allgemein und speziell am Beispiel Nürnbergs, vgl. Hamm, Bürgertum, 55ff.; vgl. auch Hamms nachdrückliche Feststellung einer "Durchlässigkeit" von Reformationsvorgängen im Kontext der Diskussion um gegenwärtige Reformationstheorien: Ders., Einheit, 11 Iff. Diese Feststellung kann gerade auch bei den oben im Text beschriebenen Vorgängen und schon während der Schilling-Unruhen (dazu im vorhergehenden Abschnitt) als schon von den Zeitgenossen wahrgenommenes Phänomen angesprochen werden.
50 flußreiche Bundeshauptmann Artzt kritisierte damit bereits im Ansatz die zurückhaltende Politik des mittleren Weges und hielt Zwang und Gewalt für die einzigen Mittel zur Befriedung der Bauern und für eine Beseitigung der Mißstände innerhalb Augsburgs. Dies Schloß fur ihn natürlich auch eine Beseitigung der reformatorischen Zugeständnisse und eine uneingeschränkte Rückkehr zur altgläubigen Lehre ein. Die vorherrschende gemäßigte Meinung im Rat66 wie auch die permanent schwelende Unruhe in der Stadt waren jedoch zunächst die Ursache dafür, daß sich an der wesentlich von Peutinger gestalteten Ratspolitik nichts änderte. Wie sehr Peutinger persönlich mit dieser maßvollen politischen Linie identifiziert wurde, zeigt der Brief, den Artzt zwei Tage später direkt an Peutinger richtete. In diesem Schreiben wird aber auch offenbar, daß Artzt die Vermittlungsabsicht Peutingers verkannt hat und selbst an einem harten Durchgreifen gegen die Bauern interessiert war.67 Der Augsburger Rat verhielt sich dagegen weiterhin gesprächsbereit und reagierte auf eine Abordnung der Bauern Mitte März 1525 insofern nachsichtig, da er sich eine Bedenkzeit auf die Frage nach der politischen Haltung erbat.68 Dieser Vorfall wurde zum Anlaß für einen weiteren Brief an Ulrich Artzt.69 Darin wird diesem das Anliegen der Bauern mitgeteilt und die schon einmal ergangene Aufforderung Augsburgs nach einer friedlichen Beilegung des Bauernkrieges unterstrichen. Gegenüber den Bauern sowie den Bundesgenossen äußerten die Städte im Bund auch öffentlich ihren Friedenswillen, indem sie eine Politik der abwartenden Neutralität gegenüber den Bauern vertraten.70 Neben diesem Verhalten im Zusammenhang mit dem Bauernkrieg können die Möglichkeiten und Grenzen der Politik des mittleren Weges an einem weiteren Beispiel gut aufgezeigt werden. Ganz im Sinne der grundlegenden Erörterung des Augsburger Dreizehnerrates vom Januar 1525 gelang es unter anderem dem Augsburger Gesandten Konrad 66
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Die reformfreundliche Partei im Rat herrschte zwar vor, doch war andererseits auf den Handels· und Finanzplatz Augsburg Rücksicht zu nehmen. Deshalb gründete man die Reichspolitik auf unbedingte Kaisertreue und strebte gleichzeitig innenpolitisch einen möglichst lange andauernden Ausgleich zwischen den religiösen und sozialen Gegensätzen an. StAA, LitSlg, 1525, März (ad 17.3.); Druck bei: Vogt, Corresponded I, 371f., Nr. 128 [Druckfehler; muß richtig heißen: 218!]: 17. März 1525 "... So haben mir ein ersamer rath vergangner tag geschriben, das man sollt fleyß furgewandt haben, damit mittl und weg gefunden, das die paum zertrennt, oder aber sonst ander weg gesucht, das es vertragen worden wer. so haben in warheit gemaine versamlung kainen fleyß gespart, die paurn ziehen sich aber nurt aufs gotlich recht und wollen doch nit antzaigen, wa sy dasselb recht erleyden oder furkomen wollen, wir haben inen die gütlichait und das recht zu mermalen furschlagen. sy haben aber dero kains bisher wollen annemen." StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 84r/v (ad 25.3.); Druck bei: Vogt, Corresponded I, 384f., Nr. 142: Die Ursperger Bauern vor dem Rat zu Augsburg und dessen Antwort. StAA, LitSlg, 1525, März (ad 28.3.); Druck bei: Vogt, Correspondenz I, 391f., Nr. 152. StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 1, fol. 85r-97r (27./30.3.25); Teildruck bei: Vogt, Correspondenz I, 395-399, Nr. 161; StAA, LitSlg, 1525, März (ad 31.3.): Rat an Artzt; Druck, bei: Vogt, Correspondenz I, 399, Nr. 162; allgemein auch: Rem-Chronik, 228.
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Herwart auf dem ersten Reichstag zu Speyer 1526, die Städte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.71 Das Ziel einer Wahrung der reichsständischen Interessen der Städte wurde den entschieden reformatorischen Zielsetzungen einzelner Städte übergeordnet. Damit konnte ein mittlerer Weg aller Städte in der Reichspolitik zwischen dem Drängen der reformfreundlichen und dem Widerstand der altgläubigen Städte in der Religionsfrage eingeschlagen werden. Drei Jahre später, auf dem zweiten Reichstag zu Speyer, ging diese gemeinsame Grundlage verloren.72 Die Augsburger Vertreter nahmen diesen neuen Reichsabschied an, obwohl Peutinger im Namen des Rates auf ein gemeinsames Beharren der Reichsstädte auf dem ersten Speyerer Reichsabschied drängte. Die politische Lage im Reich wie auch die wachsenden sozialen Probleme innerhalb Augsburgs machten auf diesem Reichstag eine eindeutige Entscheidung Augsburgs erforderlich. Diese fiel gegen den Ratschlag Peutingers aus, nachdem sich der maßgebliche Augsburger Gesandte Herwart schriftlich direkt an den amtierenden Bürgermeister Anton Bimmel gewandt hatte. Die Annahme und Unterzeichnung dieses Reichsabschiedes bedeutete zugleich das Scheitern der Politik des mittleren Weges als Leitvorstellung im Bereich der Außenpolitik.73 Damit wurden die Voraussetzungen für die Augsburger Religionspolitik der 1530er Jahre geschaffen, in denen das staatsmännische Urteil Peutingers kaum mehr gefragt war. Mit der Verfolgung der Politik des mittleren Weges hatte Peutinger zu Beginn der 1520er Jahre noch unter günstigen Vorzeichen versucht, den Ansatz zu einer gemäßigten Kirchenreform im Sinne seiner humanistischen Ideale und unter der Vorgabe einer überkommenen Reichsidee im Einklang miteinander zu realisieren. Am Ende dieses Jahrzehnts entsprach dieses Programm, das konkret die städtepo-
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Lutz, Peutinger II, 268; Schmidt, Reichsstädte, 268-274. Lutz, Peutinger II, 295-298. Ich möchte an dieser Stelle jedoch betonen, daß für die Offenheit und Dialogbereitschaft der Augsburger Religions- und Bündnispolitik zu Beginn der 1530er Jahre die Vorgabe des mittleren Weges unübersehbar nachklingt (vgl. dazu unten Kapitel 6. und 8.-10.). Hierin stimme ich Immenkötter, Verantwortung 82 zu, der in bezug auf 1530 schreibt: "So hatte der Rat stets einen Mittelweg beschritten zwischen den religiösen Fronten". Die weiteren Folgerungen, die Immenkötter dann für die Beurteilung der Situation von 1534 zieht, kann ich jedoch nicht teilen. Sie entspringen meines Erachtens einer einseitig konfessionellen Sicht (vgl. dazu unten: Kapitel 10.3.). Freilich ist es nur Peutinger selbst, der in seinem 1533 abgefaßten Gutachten noch explizit vom mittleren Weg redet (vgl. unten Kapitel 7.1.). Erst im Laufe des Jahres 1534 hat Augsburg ganz mit diesem Programm gebrochen (vgl. unten Kapitel 10.3.). In dieser Beurteilung widerspreche ich diametral der These, daß ein Scheitern des mittleren Weges der Augsburger Ratspolitik schwerpunktmäßig in den Jahren 1524, 1530 und 1534 festzustellen sei und dies allein auf das Sozialrevolutionäre Potential in der Reichsstadt zurückzufuhren sei; vgl. Broadhead, Pressure, 80-87. In dieser Schärfe hat Broadhead später schon selbst diese These nicht mehr aufrechterhalten, aber vgl. Ders., Politics, 50, 107, 11 If., 196ff. u.a.
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litischen Interessen Augsburgs und die politischen Vorgaben des Kaisers zu verbinden suchte, jedoch nicht mehr der außenpolitischen Realität.74
3.3. Die Bündnisbestrebungen75 In der Folge des Bauernkrieges strebten besonders die Städte nach einer Position, die sie weder der Macht der Fürsten noch der Willkür des Volkes auslieferte. Zu diesem Zweck bemühten sich gerade die der Reformation zugeneigten Städte auf den Städtetagen in Ulm und Speyer im Juli und September 1525 um geeignete Bündnismöglichkeiten.76 Doch scheiterten diese Pläne an den nicht übereinstimmenden Interessen vor allem zwischen den kleineren und größeren Städten. Deshalb bemühten sich in demselben Jahr die drei größten und mächtigsten oberdeutschen Städte Nürnberg, Ulm und Augsburg um einen Sonderbund. Dieser Versuch schlug jedoch fehl, weil Augsburg viele Vorbehalte hauptsächlich bezüglich der Handelsmonopole äußerte. Ein zweites Hindernis bestand in den Maximen der Politik des mittleren Weges, die alle offiziellen Zugeständnisse an die Anhänger der Kirchenreform77 - und das hieße gegen die kaiserliche Gesetzgebung - zu vermeiden suchte. Die Uneinigkeit dieser Reichsstädte provozierte im folgenden Jahr die hessische Initiative zu einem evangelischen Bündnis zwischen Fürsten und Reichsstädten. Ein entsprechendes Ansuchen ging auch an Augsburg, da man dort die evangelische Predigt in der Stadt duldete und die Neutralitätspolitik der Obrigkeit durchaus als inoffiziell reformfreundlich betrachtet werden konnte. Die Städte Nürnberg, Ulm und Augsburg lehnten diesen Vorschlag des hessischen Land74
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In stilistisch-dramatischer Brillanz dazu Lutz, Peutinger II, 223: "Die politische Struktur des Reiches, mit der Peutinger in einer jahrzehntelangen Tätigkeit zu rechnen gelernt hatte, veränderte sich vor seinen erstaunten Augen. Nicht nur im Vordergründigen, wo alte Feindschaften begraben wurden und neue entstanden. Es veränderte sich im religiösen Zwiespalt die Grundlage der staatlichen und rechtlichen Beziehungen. Bis in die Wurzeln aller politischen Ordnung, bis in die niemals diskutierten Prämissen alles menschlichen Zusammenlebens reichten die zerreißenden Wirkungen der glaubensmäßigen Entzweiung, wo auch immer der Stadtschreiber sich noch auf das Feste der Gewohnheit und der Überlieferung zu stützen suchte. Dies sind die äußeren Bedingungen seines Wirkens und seines Scheiterns." Roth, Reformationsgeschichte I, 272-288; Wolfart, Reformation, 71-87; Lutz, Peutinger II, 267 und 335. Schmidt, Reichsstädte, 234-242. In Nürnberg dagegen, dem zweifellos "unwandelbare Kaisertreue" (vgl. Seebaß, Stadt, 68) zu bescheinigen war, hatte der Rat seit dem Jahr 1525 Zug um Zug die Verantwortung für die Stadtreformation übernommen. Die ersten Höhepunkte dieser Entwicklung sind: Die Veranstaltung eines Religionsgespräches im März 1525 und die darauf folgenden gezielten Maßnahmen gegen altgläubige Personen und Institutionen bis August 1525 (vgl. Ebd., 75-78). 1533 folgte als weiterer entscheidender Prozeß die Einführung der Kirchenordnung (hierzu und mit neuerer Literatur in übersichtlicher Form: Schindling, Nürnberg, bes. 36-39).
53 grafen aus verschiedenen Überlegungen ab. Parallel zu einer Straßburger Bündnisinitiative trafen sich im März 1526 diese drei Städte wieder zu eigenen Beratungen, die jedoch von neuem am Eigennutz und Konkurrenzdenken - speziell Augsburgs - scheiterten. Doch kamen sich die drei Städte bei Beratungen im Herbst 1527 ein wenig näher, als es darum ging, das Mandat des Schwäbischen Bundes gegen die evangelischen Prediger durch gemeinsames Auftreten zu vereiteln.78 Im folgenden Jahr 1528 wurde der Druck des Schwäbischen Bundes auf die Städte noch stärker, so daß das ins Auge gefaßte Bündnis zwischen Nürnberg, Ulm und Augsburg zusammen mit Straßburg Gegenstand einer neuen Verhandlungsrunde im September 1528 in Eßlingen wurde.79 Bei dieser Gelegenheit einigten sich die Gesandten der Städte immerhin auf die folgenden beiden Punkte, die sie ihren Städten als Bündnisentwurf überbringen wollten: • Ein gemeinsamer Gesandter sollte an den Kaiser mit der Bitte geschickt werden, die Städte von den Verpflichtungen des Wormser Edikts zu befreien, d.h. ihnen den Freiraum des Speyerer Reichsabschieds von 1526 zu gewähren. Die Gewährung dieser Bitte sollte dem Kaiser gegebenenfalls durch finanzielle Unterstützung schmackhaft gemacht werden. • Als Fundament eines abzuschließenden Bündnisses sollte gelten, daß es zum Schutz des Evangeliums diene, aber nicht grundsätzlich gegen Kaiser und Schwäbischen Bund gerichtet sei. Die Beschlüsse der Gesandten wurden aber von den Stadtobrigkeiten aller vier Städte unwillig aufgenommen. Damit blieb auch dieses Bündnisprojekt unverwirklicht. Die Annahme des zweiten Speyerer Reichsabschieds durch Augsburg brachte schließlich gleichzeitig mit dem Ende des mittleren Weges auch eine endgültige Trennung der politischen Ausrichtung Augsburgs auf der einen Seite und der übrigen großen süddeutschen Städte auf der anderen Seite.80 Noch bevor diese Veränderungen im politischen Alltag vollends realisiert werden konnten, stand die nächste kirchenpolitische Herausforderung für die Reichsstadt Augsburg bevor: Der Augsburger Reichstag sollte zur harten Bewährungsprobe für die bisherige Politik werden.
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R T A J.R. VII/1, 143-148; Lutz, Peutinger II, 283-286. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 193v (24. Sept.); RTA J.R. VII/1, 335. Lutz, Peutinger II, 295-300.
4. Der Augsburger Reichstag 1530 Der Augsburger Reichstag kann im folgenden in seiner gesamten reichs- und konfessionspolitischen Bedeutung nicht behandelt werden. Deshalb werden nur zwei Aspekte in den Vordergrund gestellt, die für die künftige Religionspolitik der Stadt folgenreich waren. Zunächst muß die Fülle der Probleme ins Auge gefaßt werden, die sich aus der Rolle Augsburgs als Gastgeber des Reichstages ergaben. Dabei wird deutlich werden, wie tiefgreifend die Einschnitte in die reichsstädtische Eigenstaatlichkeit Augsburgs durch die Anwesenheit des Kaisers waren. Zum anderen müssen die Vorgänge im Zusammenhang mit der Ablehnung des Städteabschiedes im Oktober 1530 durch Augsburg beleuchtet werden. Dabei soll veranschaulicht werden, daß die politische Gesinnung des Rates, die im ersten Augenblick als eine sich plötzlich wandelnde erscheint, faktisch durch die Entwicklung der Stadt in den 1520er Jahren determiniert war und zunächst unentrinnbar in die politische Isolation fuhren mußte.
4.1. Augsburg als Veranstaltungsort des Reichstages Mit der Abhaltung eines Reichstages in Augsburg im Jahr 1530 bezweckte der Kaiser persönlich eine Wiederherstellung der verloren gegangenen Glaubenseinheit.1 Für Augsburg ergaben sich aus der Tatsache der Abhaltung des Reichstages in den Mauern der Stadt große Probleme, ganz besonders auf kirchenpolitischer Ebene. Wegen der reformatorischen Predigt, die unter der Bevölkerung eine umfangreiche Anhängerschaft gewonnen hatte, hegte die städtische Autorität mit Recht Befürchtungen vor einer Eskalation und dem Ausbruch von Gewalttätigkeiten während des Reichstages. Vor Kaiser und Reich dagegen galt Augsburg noch als altgläubige Reichsstadt, an die entsprechende Ansprüche gestellt wurden. Der Rat der Stadt sah daher seine wichtigste Aufgabe darin, eine Konfrontation der reichspolitischen Ereignisse mit den internen Spannungen zu verhindern. Die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung wurde deshalb zum vorrangigen Ziel der innerstädtischen Politik. Es wurden zu diesem Zweck unter anderem Söldnertruppen angeheuert. Aber bereits mit dieser ersten Maßnahme handelte man sich 1
Foerstemann, Urkundenbuch I, 1-9, bes. 8, Nr. 1; StAA, LitSlg, 1530, Jan.-Juli, fol. 5 (ad 20.1.): kaiserliche Ausschreibung; vgl. Broadhead, Politics, 270-283, bes. 272; Roth, Reformationsgeschichte I, 328-368; Wolfart, Reformation, 7-15; Zoepfl, Bistum, 87-96; Rassow, Reichstage, bes. 275-278.
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schon im Vorfeld des eigentlichen Reichstages den Unmut des Kaisers ein.2 Denn Karl V. wollte, um seine Macht und seinen Durchsetzungswillen gegenüber den Reichsständen zu demonstrieren, nur mit eigenen Truppen auf dem Reichstag präsent sein. Dem Ratschlag Peutingers folgend wurden die städtischen Söldner wieder entlassen, um dem Kaiser die Loyalität und den Augsburger Willen zum Gehorsam zu demonstrieren.3 Zum Auftakt des Reichstages zog schließlich am 15. Juni 1530 der Kaiser in Augsburg ein.4 Es wurde ihm durch die Augsburger Obrigkeit ein glanzvoller Empfang zuteil, in dessen Verlauf die Vertreter der Stadt ihm huldigten. Gestützt auf seine militärische Präsenz5 legte er bald die Regeln fest, nach denen die Wiederherstellung der Einheit des Glaubens im Reich und exemplarisch in Augsburg vor sich gehen sollte. Er demonstrierte dies umgehend durch ein Verbot jedweder Predigt in der Stadt, das besonders an das Gefolge der protestierenden Fürsten gerichtet war.6 Außerdem forderte er für den folgenden 16. Juni, den Fronleichnamstag, eine Teilnahme aller Reichsstände an der Prozession durch die Stadt.7 Auf diesen spürbaren kaiserlichen Druck hin ordnete die Augsburger Obrigkeit einen Predigtstopp für ihre Ratsprediger an. Zu ihrer eigenen Sicherheit verließen diese daraufhin zum Großteil die Stadt.8 Auch im weiteren Verlauf des Reichstages setzte der Kaiser seine kirchenpolitischen Zwangsmaßnahmen fort, ohne von der zunehmenden Bedrängnis des Augsburger Rates Notiz zu nehmen, der die Potentiale zum Aufruhr, die durch die Abschaffung der evangelischen Predigt freigesetzt waren, erkannt hatte. Einige Restitutionsmaßnahmen seien hier beispielhaft für andere genannt: Kaiserliche Truppen setzten im August den evangelischen Prediger von Hl. Kreuz gefangen9 und kurz darauf wurde ein Priester wegen des Verdachts der Wiedertaufe verhaftet;10 im Oktober wurde das Dominikanerinnenkloster St. Katharina unter kaiserlichen Schutz gestellt;" im gleichen 2
Langenmantel-Chronik, 363-366; Sender-Chronik, 252f. StAA, LitSlg, 1530, Jan.-Juli, fol. 202r-205v (undatiertes Konzept; von späterer Hand die Notiz: "zwischen 3.5. und 6.6."); Broadhead, Politics, 272f. 4 StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, 25r-27v; SStBA, 4° Aug 1194; Foerstemann, Urkundenbuch I, 257-267, Nr. 92; Langenmantel-Chronik, 368-371; Sender-Chronik, 261-279, bes. 272ff.; Aulinger, Bild, 328-339; Immenkötter, Verantwortung, 79. 5 Sender-Chronik, 267. 6 Langenmantel-Chronik, 372; Sender-Chronik, 281; Foerstemann, Urkundenbuch I, 267f., Nr. 93; Roth, Reformationsgeschichte I, 337f. 7 Sender-Chronik, 279; Roth, Reformationsgeschichte I, 337. 8 Zum Vorgang der Neu- bzw. Wiederbesetzung der Predigerstellen an der Jahreswende 1530/31 vgl. unten Kapitel 5.3. 9 StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr.3, fol. 5v (ad 18.8.); BSBM, Cgm 1355, fol. 23r; Langenmantel-Chronik, 390; Sender-Chronik, 306-308. 10 StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 29r. " StAA, KWA, G 13' (Original); LitSlg, 1530, Aug.-Dez., fol. 91r-97v (ad 6.10.); EWA-Akten, Nr. 487, fol. 10r-12v; Druck des Textes bei: Broadhead, Politics, 421f., Appendix two (Broadhead benützt als Quellengrundlage nur die Abschrift in der LitSlg). Broadhead, Politics, 57, 402; Immenkötter, 76. 3
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Monat wurde auch der katholische Ritus in der Franziskanerkirche auf kaiserlichen Erlaß wieder hergestellt.12 Durch diese kaiserlichen Aktionen wurde der Rat nun auch innenpolitisch immer mehr an einer Fortsetzung des "mittleren Weges", d.h. einer neutralen Politik, gehindert.13
4.2. Die Weigerung der Annahme des Reichsabschiedes durch die Reichsstadt Augsburg Die Folgen des kaiserlichen Durchgreifens auf dem Reichstag zeigten sich bei den Augsburgern durch einen politischen Kurswechsel hinsichtlich der Reichstagsbeschlüsse. Dem vorläufigen Reichsabschied vom 22. September stimmte Augsburg noch zu, aber gleichzeitig wurde diese Zustimmung durch eine zusätzlich eingereichte Erläuterung relativiert.14 Durch die oben erwähnten kaiserlichen Eingriffe in das Augsburger Kirchenwesen stand der Rat zunehmend unter dem Druck der auf kirchliche Reformen drängenden Bürgerschaft. Die soziale Lage der unteren Bevölkerungsschichten hatte sich soweit verschlechtert15, daß die politisch konservativen Mitglieder des Kleinen Rates, wenn sie weiterhin die bisherige gesellschaftliche Ordnung in der Stadt erhalten wollten, gezwungen waren, dem Drängen auf kirchliche Reformen nachzukommen. Denn die soziale Spannung in der Stadt war das Faustpfand der Reformationsbefürworter. Dabei mußte der Rat aber darauf bedacht sein, dem Kaiser nicht allzu deutlich die Loyalität aufzukündigen, und das hieß bei dem "altgläubigen" Gottesdienst und Kirchenwesen zu bleiben.16 Mit der Vorlage des Abschiedes für die Städte "inn des glaubens Sachen" am 13. Oktober17 änderte sich folglich in vorsichtigen Schritten die Haltung Augsburgs gegenüber dem Kaiser. Zunächst erbat sich der Augsbuger Rat über die Annahme des Abschieds eine Bedenkzeit.18 Denn gegenüber der reformatorisch gesinnten eigenen Bevölkerung war dieser strenge Abschied nicht mehr zu rechtfertigen. Aus den Reihen der Bevölkerung konnten die befürchteten Unruhen jederzeit hervorbrechen. Der Kaiser jedoch erwartete von Augsburg selbstverständlich 12 13 14 15
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Sender-Chronik, 322; Roth, Reformationsgeschichte I, 345. Broadhead, Politics, 276f. Foerstemann, Urkundenbuch II, 474-478, Nr. 206 und 642f„ Nr. 230; vgl. auch 648, Nr. 232. Sender-Chronik, 352; Roth, Reformationsgeschichte I, 343f.; Broadhead, Politics, 76-81; Immenkötter, Verantwortung, 80-84. Sender-Chronik, 322. Foerstemann, Urkundenbuch II, 715-725, Nr. 249. Der endgültige Reichsabschied, der für die im obigen Text dargestellten Ereignisse keine Auswirkungen hatte, erging am 19. November; Textauszug: Kastner, Quellen, 501-520, Nr. 158.; vgl. u.a. zu den Entwicklungen im Vorfeld: Immenkötter, Einheit, 91. Notizen in diesem Zusammenhang vgl.: StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 3, pag. 31.
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die Annahme des Abschiedes. Er ersuchte am 25. Oktober den Augsburger Rat um eine endgültige Antwort. In dieser schwierigen Situation wurde nun vom Kleinen Rat der Große Rat, d.h. die Vertretung der Zunftvertreter, zu mehreren Sondersitzungen einberufen.19 Dadurch sollte die anstehende Entscheidung durch die im Großen Rat repräsentierte Bevölkerungsmehrheit gebilligt werden. Nach vielerlei Erwägungen, jedoch ohne eine eindeutige kirchenpolitische Stellungnahme, lehnte der Rat den Abschied schließlich ab.20 Die städtische Obrigkeit hat dieser Entscheidung des Großen Rates gemäß und zugunsten des innenpolitischen Friedens gehandelt und diese Haltung gegenüber dem Kaiser auch behauptet. Doch auch weitere politische Gründe werden für die Entscheidung ausschlaggebend gewesen sein:21 •
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innenpolitisch die Befürchtung der Augsburger Obrigkeit, durch Mittäterschaft bei der gewaltsamen Unterdrückung der Protestanten im Reich, den Halt bei der eigenen Bevölkerung zu verlieren und damit die politische Stabilität zu gefährden, außenpolitisch die Gefahr für Augsburg, die durch eine Krise des Großhandels und durch die erzwungene Finanzierung eines innerdeutschen Krieges gedroht hätte.22
Am 26. Oktober wurde daher eine Ratsdeputation, zu der der Ratskonsulent Johann Rehlinger als Sprecher abgeordnet war, zum Kaiser gesandt. Diese Gesandtschaft sollte dem Kaiser einerseits den Gehorsamswillen Augsburgs versichern und andererseits plausibel machen, weshalb der Abschied nicht annehmbar sei. Zwei Tage später, am 28. Oktober, bemühte sich der Kaiser noch einmal um eine Revidierung der Augsburger Entscheidung, hatte aber damit keinen Erfolg.23 Der Kaiser wollte sich mit dieser abschlägigen Antwort immer noch nicht abfinden und legte am 12. November dem Dreizehnerrat erneut seine Position dar.24 Dabei erinnerte er die Ratsherren an ihre frühere Loyalität gegenüber Kaiser und Reich sowie an die bisherige Annahme der Reichsabschiede in Religionsbelangen.25
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BSBM, Cgm 1355, fol. 25r ff. Langenmantel-Chronik, 393f.; Sender-Chronik, 324f. StAA, LitSlg, 1530, Nachtrag, Nr. 10, fol. 1 lr-12r (= 35r-36r). Broadhead, Politics, 278f. In diesen Komplex gehört auch die Gefahr eines Reichskammergerichtsprozesses (so ausdrücklich auch im Abschied vom 19. November 1530), in dessen Folge die Exekution einer Verhängung der Reichsacht denkbar gewesen wäre. Diese Bedrohung war durch die die Reichsstadt umgebenden "altgläubigen" Stände und die angesprochene städtepolitische Isolation Augsburgs durchaus real. Vgl. dazu auch die Gutachtenaufträge des Rates 1533 u. Kapitel 6.3. Vgl. den Eintrag ins Ratsprotokoll unter dem 30. Okt.: StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 32r; Sender-Chronik, 325. StAA, LitSlg, 1530, Nachtrag, Nr. 10, fol. 12v-14v (= 36v-38r). Foerstemann, Urkundenbuch II, 825-827, Nr. 299; Langenmantel-Chronik, 394.
58 A m f o l g e n d e n T a g , d e m 13. N o v e m b e r , w u r d e n in A u g s b u r g a b e r m a l s der K l e i n e u n d der G r o ß e R a t einberufen 2 6 , u m eine a b s c h l i e ß e n d e S t e l l u n g n a h m e als A n t w o r t an den K a i s e r zu v e r f a s s e n , die d i e s e m a m 16. N o v e m b e r überreicht wurde. 2 7 D e r R e d n e r der d a z u a b g e o r d n e t e n R a t s d e l e g a t i o n w a r w i e d e r u m J o h a n n R e h l i n g e n 2 8 D a b e i legte der R a t nachdrücklich Wert a u f die Feststellung, daß d a s zur Ü b e r g a b e an den K a i s e r verfertigte S c h r e i b e n (s.u.) in keiner W e i s e als Mißachtung der kaiserlichen Autorität zu verstehen sei u n d die A u g s b u r g e r d e s h a l b a u c h eine g n ä d i g e A u f n a h m e ihrer W e i g e r u n g , den A b s c h i e d a n z u n e h m e n , erwarten. W i e s c h o n in der V e r g a n g e n h e i t e r h o f f e m a n sich a u c h z u k ü n f t i g die kaiserliche Gunst. D e r K a i s e r äußerte a m A b e n d d e s 16. N o v e m b e r lediglich sein B e f r e m d e n und behielt sich zunächst nur B e d e n k z e i t vor. 2 9 D a s bei den R a t s v e r h a n d l u n g e n erarbeitete D o k u m e n t 3 0 ist d a s erste Schriftstück, mit d e m sich die reichsstädtische A u g s b u r g e r Obrigkeit ö f f e n t l i c h in Distanz zur " a l t g l ä u b i g e n " S t ä n d e f r a k t i o n artikulierte. D e n n bisher war die R e f o r mation in A u g s b u r g nur als eine v i e l g e s t a l t i g e B e w e g u n g innerhalb der B e v ö l k e rung a n z u s e h e n u n d der R a t hatte nur versucht, die G e f ä h r d u n g e n für den inneren Frieden, die v o n der r e f o r m a t o r i s c h e n B e w e g u n g a u s g i n g e n , u n d ihre gröbsten A u s w ü c h s e unter K o n t r o l l e zu halten. 3 1 26 27 28
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Über die Sitzung: StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 3, fol. 3 lr. Roth, Reformationsgeschichte I, 345-350. StAA, LitSlg, 1530, Nachtrag, Nr. 10, fol. 21v-26r (= 44r-47v). Roth, Reformationsgeschichte I, 366-368. StAA, LitSlg, 1530, Nachtrag, Nr. 10, fol. 26v-27r (= 48r). WLBS, Cod. hist. 2° 218, fol. 282v-283r; SStBA, Cod. Aug. 89; StAA, EWA-Akten, Nr. 486; LitSlg, 1532-1536, Nachtrag (ad Dez. 1534); 1530, Nachtrag, Nr. 10, fol. 14v-21v (= 38r-44r); auch im Peutinger-Gutachten: LitSlg, 1534, Nachtrag I Nr. 15, fol. 47r/v; gedruckt in: Langenmantel-Chronik, 396-400. Es heißt in dem Text an den Kaiser unter anderem einleitend: "[Wir] bringen darauf eur kai. maj. in aller underthenigkhait für, daß wir den verfasten und verlesen abschiedt, als vil die religion betrifft, bei hechster warhait khainer ungehorsame oder das wir uns mit leib oder guott von eur kai. maj. Sündern sollten noch sunst arger mainung gewegert, sonder uns dessen, wie der gestalt ist, von ertlicher unserer inerlichen beschwernus wegen, die wir darine vermerckht haben, auch aus fürsorg ertlicher anderer unvermeidenlicher geverlichhait und nachtail, so uns in mer dann ain weg darauß erwachsen und zugeseczt mecht werden, beschwert und in derselbigen unsern gegeben antwort darumb khain ursach außgetrückht haben, daß mit eur kai. maj. als ainem großmechtigen, unüberwindtlichisten kaiser und unserm aller gnedigisten ainigen und rechten herrn wir als die klain underthannen uns in ainich disputation nit einlassen sollen, deßhalben eur kai. maj. wir vor allem zum underthenigisten bitten, sollich unser vorgegeben antwort in khainen Ungnaden aufzunemen noch für ain ungehorsame zuversteen, sonder uns nichts destweniger für ir underthenigisten und gehorsamen underthanen gnedigclichen zuhalten." Vgl. LangenmantelChronik, 396f. Interessanterweise wird im Text ausdrücklich und pointiert die Art und Weise der Entscheidungsfindung durch beide Ratsgremien (Kleiner und Großer Rat) betont, um gegenüber dem Kaiser deutlich zu machen, daß in der Reichsstadt Augsburg neben der regierenden Obrigkeit des Kleinen Rates auch die genossenschaftliche Vertretung der gesamten Bürgerschaft im Großen Rat an den politischen - noch dazu kirchenpolitischen - Entscheidungsprozessen beteiligt ist. Es wird außerdem darauf hingewiesen, daß der kollegiale Regierungsstil in der
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In diesem Dokument machte die Augsburger Obrigkeit dem Kaiser aber, trotz Ablehnung des Reichsabschiedes, dennoch einige Zugeständnisse in der Religionsfrage. So gab die städtische Obrigkeit darin erstmals gegenüber Kaiser und Reich ihrem Willen Ausdruck, die altgläubige wie die reformatorische Glaubenspraxis zu dulden. Dies war bisher nur intern geschehen, während Augsburg als Reichsstadt stillschweigend für altgläubig gehalten wurde.32 Unter ausdrücklicher Berufung auf den Speyerer Reichsabschied 152933 und der in ihm geäußerten Hoffnung auf eine Konzilseinberufung unterbreitete man dem Kaiser folgende Punkte, die deutlich machten, innerhalb welcher Grenzen das religiöse Leben in Augsburg bis zur künftigen Konzilsentscheidung von der städtischen Obrigkeit geduldet werden würde. Die wesentlichen Punkte darin lauten: 1. Den Predigern soll nicht gestattet werden gegen das Sakrament des wahren Leibes und Blutes Christi zu predigen. 2. Die Wiedertäufer sollen in der Stadt nach wie vor nicht geduldet werden. 3. Keine Predigt gegen die Obrigkeit soll geduldet werden. 4. Die Prediger sollen in ihren Predigten zu Almosen und anderen Christenwerken auffordern. 5. In den Druckereien sollen keine Schmähschriften publiziert werden. 6. Alle weltlichen und geistlichen Obrigkeiten dürfen bei ihren Einkünften bleiben. 7. Niemand darf an der Teilnahme an der Meßfeier, Beichte und an anderen Zeremonien gehindert werden; niemand darf dazu gezwungen werden.
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Reichsstadt dennoch nichts mit Willkür des gemeinen Mannes zu tun hat: "... daß wir bei hechstem glauben und göttlicher warhait anzaigen, daß die Sachen annemens oder abschlagens auf den vorgehern, [dem] innern und täglichen gemainen rhat nit rhuoen, sonder seind die Sachen an ainem grossen rhat, darob hundert und aus der ganczen gemainen bürgerschafft, die für [die] taugenlichisten angesehen und auf den aidt dahin erweit worden, die Sachen auf das hechst bedacht und zum thail [aus] angezaigten, auch anderen treffenlichen, beweglichen Ursachen dahin beschlossen und bevolchen, wie eur kai. maj. und den Stenden des heiligen reichs vor zu underthenigister antwort eingebracht ist worden, also daß in der vorgeheren macht nit stat, jeczt in so wichtigen Sachen für sich selbs und allein zu thun oder zue lassen, dann auch zwischen der beurischen empörung, die allein leib und guot betroffen hat, und diser sach, so die religion belangt, nit ain klainer underschiedt ist." Gedruckt in: LangenmantelChronik, 398. Wolfart, Reformation, 8. Auch mit teilweise wörtlicher Übereinstimmung und in derselben Reihenfolge wie im Reichsabschied 1529, vgl. RTA J.R. VII/2, 1142f., Nr. 106 (aus dem Bedenken der Stände auf die kaiserliche Proposition, das in den Reichsabschied (Nr. 148) übernommen wurde) und 1296-1314, bes. 1299, Nr. 148. Es drückt sich darin also keine Ergänzung, sondern lediglich eine Bestätigung der Annahme des Speyerer Reichsabschiedes aus.
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In Fragen des Glaubens und der kirchlichen Disziplin vertrat der Rat damit eine mittlere Linie der Duldsamkeit sowohl gegenüber dem altgläubigen als auch dem gemäßigt reformatorischen Bekenntnis. Man gestand den Bürgern sowohl positive als auch negative Religionsfreiheit zu, wie sie auch noch im Reichsabschied von 1529 formuliert war.34 Explizit wandte man sich jedoch gegen das Täufertum, gegen andere obrigkeitsfeindliche Tendenzen reformatorischer Predigt und gegen eine Veränderung der weltlichen und der geistlichen Obrigkeitsverhältnisse, d.h. also gegen alle mehr oder weniger radikalen reformatorischen Strömungen, die immer wieder in den letzten Jahren in Augsburg eine zahlreiche Anhängerschaft gefunden hatten. Die Kenntnisnahme des Dokumentes mit den obengenannten Zusagen wurde vom Kaiser nicht förmlich bestätigt. Der rechtlich bindende Charakter seines Inhaltes war deshalb im Zuge der Klärungen über die Legitimierung von Änderungen im Kirchenwesen in den Jahren 1533/34 umstritten.35 Am 20. November verfaßte der Augsburger Rat noch eine förmliche Beschwerde gegen die angedrohten Folgen bei Nichtbeachtung des am Vortag ergangenen endgültigen Reichsabschiedes sowie gegen die Überordnung der Reichstagsbeschlüsse über bestehende reichsständische Bestimmungen und leitete diese Beschwerde an die Kanzlei des Mainzer Kurfürsten.36 Dort wurde dieses Augsburger Schreiben jedoch abgelehnt und Augsburg am 21. November an den Kaiser selbst verwiesen.37 Damit war für den Rat der Stadt den diplomatischen Gepflogenheiten Rechnung getragen und die Anlegenheit konnte vorerst ruhen. Als der Kaiser schließlich am 23. November 1530 die Stadt verließ, hatte sich gezeigt, daß der Augsburger Rat insgesamt doch mehr den Druck der eigenen Bevölkerung als die Macht des Kaisers gefurchtet hatte. Jedoch wurde zu diesem Zeitpunkt die außenpolitische Isolierung Augsburgs ganz offenkundig: Denn einerseits hatte es nun das altgläubige Lager eindeutig verlassen, besaß aber andererseits keine politischen oder kirchenpolitischen Verbindungen zu anderen Reichsstädten.38 An der Knüpfung solcher Verbindungen und an massiven Veränderungen des religiösen Status quo in der Stadt war man zusätzlich durch die Zusagen an den Kaiser gehindert. Sowohl die Unterbindung der reformatorischen Bewegung während des Reichstagsgeschehens als auch die im Augsburger Alleingang betriebene Politik gegenüber dem Kaiser sind - vor
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RTA J.R. VII/2, 1143, Nr. 106. Vgl. dazu unten Kapitel 7.1. und Kapitel 8.2. StAA, LitSlg, 1530, Nachtrag, Nr. 10, fol. 3r-6r (= 7r-10v, 27r-32v, 48v-52v). Wolfart, Reformation, 14; Roth, Reformationsgeschichte I, 348f. StAA, LitSlg, 1530, Aug.-Dez, fol. 196r-197r (ad 21.11.) (2 Exemplare); Nachtrag, Nr. 10, fol. 33r-34r (= 53r/v). Zum tiefgreifenden politischen Einschnitt, den der Augsburger Reichstag für die reichsstädtische Reformation allgemein bedeutete vgl. Hamm, Bürgertum, 113-118.
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allem mit Blick auf die Folgen - ein Tiefpunkt Augsburger Kirchenpolitik.3' Beide Vorgänge bilden daher eine Zäsur für die Augsburger Reformationsgeschichte, die sowohl für die Möglichkeiten regionalpolitischer Art als auch für das Zusammenspiel zwischen Stadtobrigkeit und Predigern in den kommenden Jahren Auswirkungen hatte. Folglich nahm Augsburg auch an den bereits laufenden Verhandlungen der evangelischen Reichsstände zum Schmalkaldischen Bund im November und Dezember 1530 nicht teil.40 Die vom Schmalkaldischen Bund ausgehenden Bemühungen um Augsburg als Partner gehören lediglich zur Nachgeschichte dieses Reichstages. Der Reichsstadt Ulm kam dabei in den folgenden Monaten die Aufgabe des Verhandlungsführers zu.41 Der Augsburger Rat registrierte zwar dieses Bemühen und honorierte es auch als einen "gueten und nachpaurlichen willen", aber er war sich doch über die reichsrechtlichen Folgen zu sehr im Ungewissen. Stattdessen zog man es in Augsburg vor, "da die sach an ir selbs gros und wichtig [ist,] ... die deschter [sie: desto] mer und wol zu bedencken".42
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Mit Bezug auf diese Lage und die darauf folgende Entwicklung schreibt Immenkötter, Verantwortung, 85 treffend: "So schwebte die Stadt wiederum zwischen den religiösen Fronten, ohne sich endgültig nach der einen oder anderen Seite festzulegen: Ein umsichtiges Lavieren zwischen den immer ungeduldiger vorgetragenen Forderungen der städtischen Prädikanten nach vollständiger Einführung der Reformation und den Forderungen der städtischen Elite nach Schutz der weltweiten Transaktionen Augsburger Bank- und Handelshäuser, die im Falle antihabsburgischer Politik des Rates ernsthaft gefährdet schienen: je länger, je mehr eine Gratwanderung zwischen Religion und Großhandel." Einschlägige Quellentexte dazu unter anderem: Fabian, Beschlüsse I, 25-77. Vgl. auch: Roth, Reformationsgeschichte II, Iff.; Broadhead, Politics, 288f. Eine diesbezügliche Instruktion des hessischen Landgrafen vom 3.3.1531 und die Ulmer Antwort bezüglich der ergebnislosen Verhandlungen vom 10.3.1531, vgl. Fabian, Beschlüsse I, 125 und 128; eine spätere Instruktion datiert vom 20./21. Mai 1531, vgl. Fabian, Beschlüsse I, 178-184. Augsburg an Ulm 27. Mai 1531; vgl. Fabian, Beschlüsse I, 187f. Auch ein weiterer Anlauf im Juli 1531, Augsburg als Bündnispartner zu gewinnen, scheiterte; vgl. Fabian, Beschlüsse II, 18ff. und 21-24.
5. Die Führung der Reichsstadt nach 1530 5.1. Die Führungsspitze in den Ratsgremien 5.1.1. Dreizehnerrat und Religionsausschuß Der Rat der Stadt bemühte sich unter den politischen Vorzeichen des gerade zu Ende gegangenen Reichstages um einen sanften Fortschritt auf dem Weg der Reformierung der kirchlichen Verhältnisse. Nach dem Verlassen des altgläubigen Lagers auf dem Reichstag und der daraus resultierenden politischen Isolation der Reichsstadt erschien es den Verantwortlichen angemessen, die inneren Verhältnisse der neuen Situation anzupassen. Durch den regierenden Dreizehnerrat wurde am 23. Dezember 1530 ein zweckdienliches Gremium gebildet: ein Religionsausschuß. Er sollte zukünftig die Überwachung des religiösen Lebens und die Entscheidung über die Art und Weise, wie weltliche Kirchenhoheit auszuüben sei, übernehmen.1 Ihm gehörten folgende Männer an: der Bürgermeister Hieronymus Imhof, die Baumeister Ulrich Rehlinger und Anton Bimmel sowie die Zunftmeister Mang Seitz, Stephan Eiselin, Simprecht Hoser und Jos Feneberg. Die erste Tat dieses Ausschusses war die Rückberufimg von drei während des Reichstages ausgewanderten Predigern2: Stephan Agricola, Johann Frosch und Michael Keller.
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StAA, LitSlg, 1530, Aug.-Dez., fol. 235r-236v (ad 23. Dez.). Es handelt sich dabei nicht um ein förmliches Einsetzungs- bzw. Konstituierungsdokument. Der Text ist handschriftlich vom Ratskonsulenten Johann Hagk geschrieben und unterzeichnet. Er trägt die Dorsalnotiz "Etlicher herrn beratschlagung der Prediger halben". Explizit ist also nicht von einem Religionsausschuß die Rede (so Friedrich Roth) und auch nicht von einer konstituierenden Wahl (beides ist erst 3 Jahre später in den Quellen explizit faßbar; vgl. unten Kapitel 6.2.). Im Text sind als Verhandlungsgegenstände "Von der Prediger wegenn" (betr. Neuberufungen) und "Ursach des Verzugs der versehung des Predigampts" (betr. Augsburger Abendmahlsstreit) genannt. Der einleitende Absatz läßt durchaus die Vermutung zu, daß noch nicht an eine permanente Einrichtung dieser Kommission, sondern zunächst nur an die Erledigung der genannten Belange gedacht war: "Actum xxiij decembris, anno с xxx°, in meins hern Burgermaisters Imhow haus, durch meine herren Bürgermeister Rechlinger, Imhow, unnd Bimmel, desgleichen durch Zunftmaister Seitzenn, Eyßelin, Hoser, und Vennenberg." Roth, Reformationsgeschichte II, 10 nennt nur sechs Personen (ohne Simprecht Hoser), teilt aber leider keine Quellenangabe mit; vgl. Broadhead, Politics, 283f., der zwar den Quellenfundort mitteilt, aber doch nur die Namen nach Roth aufzählt. Vgl. über die weitere Tätigkeit der Kommission Kapitel 6.2. Roth, Reformationsgeschichte II, 10.
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Bei der Bürgermeisterwahl am 7. Januar 15313 wurden fur das höchste Amt der Stadt Vetter und Imhof durch Rehlinger (Ulrich) und Bimmel, die beide gerade in den Religionsausschuß berufen worden waren, ersetzt. In der folgenden tabellarischen Übersicht sind alle 22 Mitglieder des Dreizehnerrates zwischen 1530 und 1534 in alphabetischer Anordnung zusammengestellt:4
Die Mitglieder des Dreizehnerrates in den Jahren 1530-1534 (lt. Ratsämterbuch 1520-1535: StAA, Schätze, Nr. 49a)
Jahre Namen (Zunft) Anton Bimmel (Weber) Franz Brigel (Metzger)
ISO
1531
1532
1533
1534
Baumeister
Bürgermeister
13er-Zusatz
13er-Zusatz
13er-Zusatz
Einnehmer
Einnehmer
Einnehmer
13er - Zusatz
Siegler
Siegler
Siegler
Einnehmer
Einnehmer
Einnehmer
Einnehmer
13er-Zusatz
13er-Zusatz
13er-Zusatz
13er-Zusatz
Hans Drechsel (Metzger) Stefan Eiselin (Kramer)
Einnehmer
Jos Feneberg (Hucker) Hans Fischer (Bäcker)
13er-Zusatz
Hans Haintzel (Kaufmann)
Baumeister
Georg Herwart (Patrizier) Simprecht Hoser (Salzfertiger)
Einnehmer
Baumeister
Baumeister
Baumeister
Baumeister
Hieronymus Imhof (Kaufmann)
Bürgermeister
Baumeister
Bürgermeister
Baumeister
Bürgermeister
3 4
Roth, Reformationsgeschichte II, 12. Die bisherige Literatur ließ diese vollständige Ämterverteilung im Dreizehnerrat zwischen 1530 und 1534 noch nicht lückenlos erkennen, da die oben angegebene Quelle (StAA, Schätze, Nr. 49a) nur oberflächlich ausgewertet wurde.
64 Jahre Namen (Zunft) Matthäus Langenmantel (Patrizier)
1530
1531
1532
1533
1534
13er-Zusatz
Siegler
Siegler
Siegler
Siegler
13er-Zusatz
13er-Zusatz
13er-Zusatz
Kaspar Mair (Bäcker) Hans Rehlinger (Patrizier)
Siegler
Konrad Rehlinger (Patrizier)
Einnehmer
Einnehmer
Einnehmer
Einnehmer
Einnehmer
Ulrich Rehlinger (Patrizier)
Baumeister
Bürgermeister
Baumeister
Bürgermeister
Baumeister
13er-Zusatz
Wilhelm Rehlinger (Patrizier) Wolf Rehlinger (Patrizier)
Bürgermeister
Lukas Schellenberg (Kramer) Mang Seitz (Weber)
Einnehmer
Siegler
Urban Sieghart (Bäcker) Georg Vetter (Patrizier) Georg Wieland (Kaufmann)
Bürgermeister
Baumeister
Bürgermeister
Bürgermeister
Baumeister
Baumeister
13er-Zusatz
Bürgermeister
Baumeister Siegler
Eine nähere biographische Betrachtung von sechs Ratsmitgliedern, die sich bei den Wahlen zu den Führungsämtern die Klinke in die Hand gaben, ist in unserem Zusammenhang von besonderem Interesse: Georg Vetter, Wolf Rehlinger, Hieronymus Imhof, Ulrich Rehlinger, Anton Bimmel und Mang Seitz. Mit der Biographie dieser Männer kann einerseits die Vielzahl der politischen Funktionen aufgezeigt werden, die in der Reichsstadt zu vergeben waren. Andererseits läßt sich
65 konkretisieren 5 w i e die personelle Permanenz in den leitenden Ratsämtern zur Herausbildung einer sich als Obrigkeit artikulierenden Personengruppe führte und d i e s e Führungspersönlichkeiten Politik betrieben. 6
5.1.2. Vetter - Rehlinger (Wolf) - Imhof G e o r g Vetter 7 hatte erst Ende des 15. Jahrhunderts durch Heirat mit einer geboren e n W e l s e r und darüber hinaus durch B e s t e c h u n g s e i n e A u f n a h m e ins A u g s burger Patriziat erlangt. 8 Er war z w i s c h e n 1 5 1 4 und 1 5 3 2 i n s g e s a m t zehn Mal Bürgermeister und v o n 1515 bis 1533 e b e n s o o f t Baumeister. In diesen z w e i Jahrzehnten gehörte er s o m i t ununterbrochen in den Kreis der Dreizehner. 1 5 3 4 und 1535 w a r er M i t g l i e d des Großen und K l e i n e n Rates. 1 5 3 6 , d e m Jahr, in d e m er starb, saß er nur n o c h i m Großen Rat. D a n e b e n war er g e l e g e n t l i c h P f l e g e r b e i m
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Von hier aus läßt sich eine Brücke zu den strukturellen Bemerkungen am Ende von Kapitel 3.1. schlagen. Als Beispiele seien zwei Einschätzungen aus der zeitgenössischen Chronistik zitiert, die die von mir konstatierte Herausbildung obrigkeitlicher Strukturen, wiedergeben (vgl. dazu auch die inner- und außerstädtischen persönlichen Beziehungen: Kapitel 5.4.). Ihre freilich kritische Tendenz erklärt sich aus der gesellschaftlichen Stellung beider Chronisten; vgl. dazu die Einleitung. Unter anderem resümiert der Chronist Rem bezüglich des Jahres 1519: "Da was ain bös regiment hie in ainem ratt. die höchsten und bösten ämpter die waren mit schlechten leutten besetzt, und wer vor ratt zu schaffen hett, der bedorft gelück, ob er schon ain gerechte sach hett. und wer die burgermeister [in diesem Zeitraum abwechselnd: Georg Langenmantel, Ulrich Artzt, Georg Vetter und Hieronymus Imhof] und den stattschreiber zu frainden hatt, der hatt es döster besser. Es hat jetz etwan vil jar gewert, gott well, daß es schier gutt werd!", vgl. Rem-Chronik, 115. Der Chronist Georg Preu notiert unter dem Jahr 1536: "Item zu der zeit ist in ainem rath alhie ain solche hochbrächtigkeit gewesen, voran in den burgermeistem Wolfen Rechlinger und Mang Seitzen, gar aufgeblasen und geschwollen mit macht, nichts, das nit adelich zugieng ... und man hielt im [= Seitz] ain roß und macht in so aufblasen, daß er kaum weßt, ob er sein weber solt ansehen oder nit. die zwen kundten die alten vertreiben, so mochtens die alten nit erleiden, und thet sich ain jetlicher, (einer) nach dem andern, ausm rath, wann solcher grosser neid war unter inen und dazwischen, daß kainer dem andern kunth entrinnen; und ward alle sach so ausgericht und sauber ainem jetlichen sein abfertigung nach laut seinem anhang. kunt er wol heicheln, kratzen, schmatzen, über die achsel rimpfen und äugen wincken, der verstundt sich auf die letzelten und was ein verstendiger mann in ir kirsen [= in ihren Gesellschaftskreisen]." (Preu-Chronik, 72). Vgl. unter anderem: Mörke/Sieh, Führungsgruppen, 301-311. Hinsichtlich der Ratsherren und besonders der (neben Peutinger nur wenig bekannten) Ratskonsulenten ist in bisherigen Darstellungen ein ungenügendes Augenmerk auf biographisch-historische Angaben gelegt worden. Meist wird selbst in Darstellungen, die sich eine soziologische Untersuchung bestimmter Personengruppen zum Ziel gesetzt haben, zu häufig auf die Recherchen in Roths Reformationsgeschichte verwiesen. Ich erlaube mir, auf diesen Mangel aufmerksam zu machen, auch wenn ich im Zusammenhang meines Themas nur einen kleinen Beitrag zu seiner Behebung beitragen werde! Roth, Reformationsgeschichte I, 87 und 101, Anm. 1; II, 8; Reinhard, Eliten, 853f. Mülich-Chronik/Anhang, 422f.
66
Hl. Geist-Spital, bei St. Katharina, Pfleger der Herrschaft Schwabeck9 und versah das Amt eines Strafherrn.10 Wahrscheinlich kann er zu den Befürwortern einer Wittenberger Ausrichtung der Reformation gerechnet werden. Als Bürgermeister im Jahr des Reichstages hätte es zu seinen Pflichten gehört, dem Kaiser entgegenzureiten, wozu er und sein Amtsgenosse Imhof krankheitshalber aber nicht in der Lage waren. Diese Aufgabe nahmen stellvertretend ihre Vorgänger im Bürgermeisteramt wahr.11 Aus Altersgründen kam Vetter 1534 für die Leitung der Stadtgeschäfte nicht mehr in Frage und wurde durch den jüngeren Wolf Rehlinger ersetzt. Der junge Patrizier Wolf Rehlinger12 erschien erst 1533 als Zusatz im Kleinen Rat und wurde 1534, 1536, 1539 und 1541 Bürgermeister. Im übrigen bekleidete er die Ämter eines Oberstrichters, Baumeisters, Steuermeisters, Einnehmers und Strafherrn, war Verwalter des Heimlichen Amtes sowie Pfleger bei Hl. Geist, St. Anton und St. Katharina. 1538 bittet er vor dem Rat "aus schwachait und gefarlichait halb seins leibs" um Entbindung von seiner Pflicht zur Wahrnehmung der politischen Spitzenämter.13 Spätestens bei Einsetzung der neuen patrizischen Verfassung Augsburgs durch Karl V. 1548 taucht er in überhaupt keinem öffentlichen Amt mehr auf. Er starb 1557. Hieronymus Imhof 4 wurde 1468 geboren. Er war über Jahrzehnte Zunftmeister der Kaufleute. 1516 bis 1534 bekleidete er in den geraden Jahren das Bürgermeisteramt und in allen ungeraden Jahren zwischen 1515 und 1533 das Baumeisteramt.15 Daneben nahm er mehrere Male Pflegschaften an St. Katharina und den Spitalkirchen Hl. Geist und St. Nikolaus sowie über die Herrschaft Schwabeck wahr, war Verwalter des Heimlichen Amtes und Strafherr. Der Chronist Georg Preu zählt ihn zu den drei Männern, die die Stadt regierten, und äußert über ihn, er sei "ain aufgeblasener, hoffertiger, reicher, gotloser, deuflischer und geitziger mann" und charakterisiert ihn an anderer Stelle als "ains gantzen rath zuchtmaister und unterweiser".16 Die beißende Schärfe dieser Aussagen wird man, auch wenn 9
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Bis 1528 war die Herrschaft Schwabeck von den bayerischen Herzögen an die Reichsstadt Augsburg verpfändet gewesen; vgl. Sender-Chronik, 203; Kießling, Augsburg, 248. Allgemein: Köbler, Lexikon, 567. Zu seiner Ämterlaufbahn vgl. unter anderem: StAA, Schätze, Nr. 49a; Repertorium, Nr. 35/1; Rem-Chronik, 21; StAA, Reichsstadt, Ratsbücher Nr. 16, z.B. fol. 47r, 65r. Langenmantel-Chronik, 369; Sender-Chronik, 273. StAA, Schätze, Nr. 49a; Repertorium, Nr. 35/1; Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, z.B. fol. 92v; Preu-Chronik, 58; Roth, Reformationsgeschichte II, 150f. und 165, Anm. 19; Geffcken, Art. Rehlinger, 301; Reinhard, Eliten, 672. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 137r (7. Jan.); Druck bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 456, Anm. 4; 430. Roth, Reformationsgeschichte I, 87 und 101, Anm. 2; Geffcken, Art. Imhof, 181; Reinhard, Eliten, 358f. Zu seiner Ämterlaufbahn vgl.: StAA, Schätze, Nr. 49a; Repertorium Nr. 35/1; Preu-Chronik, 22, Anm. 2; StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, z.B. fol. 53r, 73r, 85r, 96r. Preu-Chronik, 46 und 51 und 58.
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sie im Kern inhaltlich richtig sein mögen, den radikal-reformatorischen und obrigkeitskritischen Aussageabsichten des Chronisten zuschreiben müssen. Als die Beschlußfassung über die Einführung der Reformation ernstlich bevorstand, soll I m h o f - als Bürgermeister des Jahres 1534! - Bestechungsgeschenke von Geistlichen angenommen und sich absichtlich von der Stadt ferngehalten haben.17 Im folgenden Jahr entließ man ihn unehrenhaft aus allen städtischen Ämtern, da man ihm Hinterziehung öffentlicher Gelder nachweisen konnte und ihn als Hindernis fur die Durchsetzung der Reformation ansah.18 Noch 1536 wird er als Inhaber eines bischöflichen Lehens erwähnt.19 Er starb 1539. Sein politischer Erbe, als neuer Zunftmeister der Kaufleute und Bürgermeister, wurde Hans Haintzel.20
5.1.3. Rehlinger (Ulrich) - Bimmel - Seitz Ulrich Rehlinger21 nahm 1520 bis 1541 als patrizischer Ratsherr eine Vielzahl von Ratsämtern wahr. Unter anderem war er lange Zeit Mitglied des Großen, Kleinen und Dreizehner-Rats und in letzterer Funktion übte er verschiedene Male die Ämter eines Sieglers (1520, 1521), eines Baumeisters (1522-1536 gerade) und Bürgermeisters (1523-1535 ungerade22) aus. Er war außerdem Verwalter des Heimlichen Amtes, Oberstrichter, Zeugmeister, Strafherr, Pfleger der Herrschaft Schwabeck sowie der Kirchen und Kapellen St. Jakob, Hl. Geist, St. Katharina, St. Martin, St. Niklas, St. Ursula, Maria Stern, St. Margarethe, der Barfüßer- und der Dominikanerkirche. Er besaß seit 1509 ein Schloß und Dorf in der Nähe von Buchloe als Lehen des Augsburger Bischofs und ist als dessen Lehensmann noch 1536 erwähnt.23 Zwischen 1537 (Bitte um Erlaß der Bürgermeisterpflicht) und 1541 (Austritt aus dem Rat) zog er sich aufgrund seines fortgeschrittenen Alters
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Preu-Chronik, 60; Wolfart, Reformation, 153f., Beilage XIII. Näheres dazu vgl. unten Kapitel 10.1. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 97v-98v (19. Sept./l. Okt.), lOlr (2. Jan.); Druck bei: Roth, Reformationsgeschichte I, l l l f . ; Preu-Chronik, 62f. Zum letzteren: Roth, Reformationsgeschichte II, 199. Sender-Chronik, 403. Zwischen 1530 und 1535 Mitglied im Dreizehnerrat; 1536 außerdem mit Wolfgang Rehlinger Bürgermeister; vgl. StAA, Repertorium, Nr. 35/1. StAA, Schätze, Nr. 49a; Repertorium, Nr. 35/1; Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 35r, lOOv; Roth, Reformationsgeschichte I, 88 und 101f., Anm. 3; Geffcken, Art. Rehlinger, 301; Reinhard, Eliten, 671. Zusätzlich ritten er und Bimmel zur Begrüßung des Kaisers vor Augsburg als "verweser des burgermeisterampts" 1530 dem hohen Gast anstelle der amtierenden Bürgermeister entgegen; vgl. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 27r; Sender-Chronik, 273. Kießling, Gesellschaft, 201, Anm. 43; Sender-Chronik, 403.
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von den Ratsgeschäften zurück.24 Sein politischer Erbe wurde Hans Welser.25 Ulrich Rehlinger, der als ein eifriger Förderer der oberdeutschen Reformation galt, starb 1547. Der 1470 oder 1475 geborene Anton Bimmel26 entstammte der Weberzunft. An Vermögen und politischen Ambitionen unterschied er sich allerdings erheblich von seinen Zunftgenossen. 1518 bis 1531 war er ohne Pause - abwechselnd neuer und alter - Zunftmeister. Er versah die Ämter eines Wein-Ungelters, Einnehmers, Baumeisters und Bürgermeisters (1529, 1531). Daneben war er auch städtischer Verordneter bei dem Geschlachtgewandhandel und verwaltete insgesamt mehrere Jahre die Pflegen der Hirn'schen Stiftung, der Brüder Zu Unser Frauen, Zu den Predigern und bei St. Katharina. Der Chronist Preu zählte auch ihn - neben Imhof und Peutinger - zu den drei Männern, die faktisch die Stadtgeschicke lenkten.27 Anscheinend ging es ihm dabei aber nicht nur um das Wohl der Stadt, sondern auch um seine persönliche Bereicherung. Als er 1531 wenige Tage nach seiner Wahl zum Bürgermeister starb, kamen die Wuchergeschäfte, die er auf Kosten anderer betrieb, ans Tageslicht.28 Hinsichtlich seiner Einstellung zur Reformation ist er offenbar erst Mitte der 1520er Jahre ein Anhänger der Reformation auf der Linie Martin Bucers geworden.29 Nach dem Tod Bimmels im Amt wurde wenige Tage später sein Zunftgenosse Mang Seitz zum Bürgermeister gewählt.30 In ihm wurde ein Mann gefunden, der durchaus uneigennützig seither mit ganzem Einsatz und in voller Übereinstimmung mit der kirchenpolitischen Gesinnung Bimmels und Ulrich Rehlingers die Geschicke der Stadt bis zu seinem Tod 1544 entscheidend mitbestimmte. Seitz war von 1527 bis 1544 abwechselnd neuer und alter Weberzunftmeister, stieg 1530 zum Siegler auf und war einer der Träger des damastenen Himmels für den Einzug des Kaisers in die Stadt.31 1531-1543 war er pausenlos abwechselnd Bürgermeister und Baumeister. Außerdem verwaltete er diverse Jahr lang das Heimliche Amt, war Strafherr und betreute die Pflegen von St. Wolfgang (Kirche und 24
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Preu-Chronik, 74; Roth, Reformationsgeschichte II, 310 und 338, Anm. 6; StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 190r; Druck bei: Preu-Chronik, 74, Anm. 4. Ab 1537 zusammen mit Seitz Bürgermeister; vgl. Repertorium, Nr. 35/1. StAA, Schätze, Nr. 49a; Repertorium, Nr. 35/1; Jäger-Weberchronik, 249, 270, 406-409. Roth, Reformationsgeschichte I, 88 und 102f., Anm. 7; Geffcken, Art. Bimmel, 48f.; Reinhard, Eliten, 49f. Preu-Chronik, 46. Sender-Chronik, 327-329; Preu-Chronik, 47f. Roth, Reformationsgeschichte II, 7-10; vgl. aber Preu-Chronik, 48: "gut lutterisch". StAA, Schätze, Nr. 49a, fol. 203r (24. Jan. als Wahltag); Preu-Chronik, 47: "Mang Seitz, ain weber, ain schlechter man, was aber ain cristlicher lai und den armen dienlich". StAA, Schätze, Nr. 49a; Repertorium, Nr. 35/1; Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, z.B. fol. 78r, 89v; Jäger-Weberchronik, 249f., 289, 410-420; Roth, Reformationsgeschichte I, 88 und 104f., Anm. 10; Wiedenmann, Art. Seitz, 339; Reinhard, Eliten, 773. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 27v; Langenmantel-Chronik, 370; SenderChronik, 272.
69 Siechhaus), vom Blatterhaus, Hl. Geistspital, von St. Katharina und St. Anton. Bei der Gestaltung der Augsburger Politik zur Neuordnung des Kirchenwesens und hinsichtlich der außenpolitischen Orientierung am Schmalkaldischen Bund kann er ohne Zweifel zu den mächtigsten und einflußreichsten Persönlichkeiten gerechnet werden. Bei der Bürgermeisterwahl 1531 wurden mit Ulrich Rehlinger und Anton Bimmel bzw. Mang Seitz eifrige Befürworter der oberdeutschen Richtung der Reformation in das höchste Amt berufen. Es lag in der Verantwortung dieser Führungskräfte, fur die Bewältigung ihres Vorhabens einer zukünftigen Neugestaltung des bürgerschaftlichen Kirchenwesens die geeigneten Juristen und Prädikanten zum Dienst fur die Stadt zu verpflichten.
5.2. Die Ratskonsulenten Entsprechend den politischen Vorhaben der einflußreichsten Ratsherren für das laufende und die kommenden Jahre mußten auch in den permanenten Stadtämtern personelle Veränderungen vor sich gehen. So wurden die beiden alten und altgläubigen Ratskonsulenten Konrad Peutinger und Johann Rehlinger, die bisher an allen politischen Verhandlungen teilgenommen hatten und vollstes Vertrauen genossen, durch die Berufung weiterer Ratskonsulenten ins Abseits gedrängt; wobei Peutinger nach wie vor noch bis 1534 das wichtige Stadtschreiberamt innehatte. Zwischen November 1530 und Juni 1531 wurden als Ratskonsulenten neu ernannt: Konrad Hei, Balthasar Langnauer und Johann Hagk.
5.2.1. Peutinger - Rehlinger (Johann) Konrad Peutinger32 gehört zu den berühmtesten Persönlichkeiten, die Augsburg hervorgebracht hat. In seinem Leben und Wirken spiegeln sich exemplarisch die gesellschaftlichen und politischen Strömungen, die in der frühen Neuzeit in Augsburg lebendig waren. Der Blick auf das beginnende 16. Jahrhundert in 32
Peutingers überragende Bedeutung wurde seit dem 18. Jahrhundert durch monographische Darstellungen gewürdigt. Vgl.: König, Peutingerstudien; König, Briefwechsel; Lutz, Peutinger II (Vor allem die Berücksichtigung der handelspolitischen - weniger der reformationsgeschichtlichen - Wirksamkeit Peutingers ist der "rote Faden" dieser Arbeit, leider reicht sie nur bis zum Jahr 1530). Daneben existiert eine Reihe von Artikeln und Aufsätzen in biographischen und allgemeinen Nachschlagewerken (Auswahl): Aulinger, Peutinger, 74-76; Beilot, Art. Peutinger, 282; Grimberg-Dröge, Art. Peutinger, Sp. 392-397; Lier, Art. Peutinger, 561-568; Lutz, Peutinger I, 129-161.
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Augsburg und zugleich auf die Biographie Konrad Peutingers ist deshalb lohnend, weil sich zu diesem Zeitpunkt ein gewaltiger Umbruch in allen gesellschaftlichen Strukturen vollzog, der sich auch im Leben dieses Mannes wiederspiegelt. Peutinger stand als Bürger der Reichsstadt Augsburg, als Jurist, Humanist, Stadt- und Reichs-Politiker sowie als Teilhaber der Welser-Vöhlin-Handelsgesellschaft nicht nur in seinem öffentlichen Wirken, sondern mit seiner ganzen Persönlichkeit im Brennpunkt dieser Entwicklungen. Konrad Peutinger kam 1465 in Augsburg als jüngstes Kind der Eheleute Konrad (d. Ä.) Peutinger und Barbara, geb. Frickinger, zur Welt. Die Familie Peutinger war seit einigen Generationen in Augsburg ansässig und gehörte der Kaufleutezunft an. Zwei Brüder des Vaters, ebenfalls Kaufleute, waren Mitglieder der deutschen Handelsniederlassung in Venedig. Der Vater starb kurze Zeit nach der Geburt Konrads. Die Mutter heiratete in zweiter Ehe 1469 Lukas (d. Ä.) Ravensburger, dessen Sohn aus erster Ehe 1478 Konrads ältere Schwester Anna Peutinger zur Frau nahm. Zur Zeit der Wiederverheiratung der Mutter wurde der Gewandschneider und -händler Ulrich Höchstetter, der mit einer Schwester des Vaters verheiratet war, zum Vormund von Anna und Konrad Peutinger bestellt. Die Höchstetter Handelsgesellschaft, deren Senior Ulrich Höchstetter war, brachte es zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu großem Reichtum, erlitt aber 1529 den Bankrott. 1498 heiratete Konrad Peutinger Margarethe Welser. Die damals Siebzehnjährige war die Tochter des Memminger Stadthauptmanns Anton Welser d. Ä. (gest. 1518), der aus einem alten Augsburger Patriziergeschlecht stammte, und der Katharina Vöhlin.33 Anton Welser war der Begründer des einflußreichen, in Europa und Übersee tätigen Welser-Vöhlin'schen Handels- und Bergbauunternehmens. Diese Heirat brachte für Peutinger eine Erhöhung seiner sozialen Stellung. Da er in eine Patrizierfamilie eingeheiratet hatte, gehörte er nun zu den sogenannten "Mehrern der Gesellschaft", einer Schicht, die an der Schwelle zum Patriziat stand. Die Lebensumstände, die von Peutingers insgesamt zehn Kindern bekannt sind, werfen noch weiteres Licht auf die soziale Stellung und die humanistische Gesinnung des Hausstandes von Konrad Peutinger.34 33
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Rem-Chronik, 86, Anm. 5; Lier, Art. Peutinger, 567 (hier wird als Hochzeitsjahr 1499 angegeben); DBA 947, 394. Lier, Art. Peutinger, 567; Sieh-Burens, Art. Peutinger, 281f.; DBA 947, 369, 376, 389. Der älteste Sohn Claudius Pius (1509-1551) promovierte in Basel zum Iuris Utriusque Doctor und stand dort in Kontakt mit dem früher zum Augsburger Bekanntenkreis seines Vaters gehörenden Johannes Oekolampad. 1534 wurde er Augsburgischer Syndicus und Stadtadvokat und somit in vielen amtlichen Geschäften auch zum Nachfolger seines Vaters. Er starb 1551 (vgl.: Lier, Art. Peutinger, 562; Grünberg-Dröge, Art. Peutinger, 392; Lutz, Peutinger II, 264, 317ff. [vgl. Roth, Lebensgeschichte, 99ff. und 161ff.]). Der Sohn Christoph (1511-1576) stand zunächst im Dienst der Welser-Gesellschaft in Spanien und war später Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger (vgl.: Lutz, Peutinger II, 318f.).
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Konrad Peutinger starb im hohen Alter von 82 Jahren in Augsburg 1547, seine Frau 1552. Um das Format dieses Mannes ansatzweise verständlich machen zu können, ist es notwendig, seine juristisch-politische und wissenschaftlich-literarische Tätigkeit in Umrissen zu würdigen. Ab 1479/80 studierte Peutinger in Basel und von 1482 bis 1488 in Padua, Bologna, Florenz und Rom. Seine Promotion zum Doctor legum holte er erst bei einem späteren Italienaufenthalt 1491 in Padua nach.35 Er trat 1490 als Gehilfe des Stadtschreibers Valentin Eber in den Dienst der Stadt Augsburg.36 1594 wurde sein Vertrag verlängert. Nach dem Tod des alten Stadtschreibers Eber 1497 wurde ihm dessen Amt auf Lebenszeit übertragen.37 Seit Anfang seiner Dienstzeit nahm er nicht nur die inneren, sondern auch die auswärtigen Pflichten seines Amtes äußerst gewissenhaft wahr. Auf seinen vielen Reisen und Gesandtschaften wurde er bald zum Vertrauten Kaiser Maximilians, der ihn um 1506 zum kaiserlichen Rat ernannte.38 Im einzelnen kann auf Peutingers politisches Wirken im Zeitalter Maximilians nicht eingegangen werden. Die wichtigsten Anlässe für seine Anwesenheit auf Reichstagen und Reisen zu europäischen Fürstenhöfen sowie fur eine große Anzahl von schriftlichen Stellungnahmen und Gutachten standen in Zusammenhang mit drei politischen Themenkreisen: •
der Stärkung der Rechte der Städte bei den Verhandlungen zur Neugestaltung des Schwäbischen Bundes, • der Verteidigung der Interessen der Augsburger Handelsgesellschaften gegen die kaiserlichen Anleiheforderungen fur den geplanten Romzug,
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Die Tochter Juliane hielt 1504 als Vierjährige bei einem Besuch Kaiser Maximilians in Augsburg eine lateinische Willkommensrede. Die Tochter Konstanze fertigte den Kranz für die Dichterkrönung Ulrich von Huttens 1517 in Augsburg. Die Tochter Felicitas trat 1519 als Novizin in den Dominikanerinnenkonvent von St. Katharina in Augsburg ein. Sie verließ das Kloster 1526 zusammen mit mehreren anderen Patriziertöchtern und lebte bis zu ihrem Tod 1582 im Kreis der Familie (vgl.: Lutz, Peutinger II, 118, 265; Sender-Chronik, 154). Sender-Chronik, 154; Lutz, Peutinger II, 16, 42. Das Privileg zur Führung des Iuris Utriusque Doctor wurde ihm durch kaiserliches Privileg 1504 verliehen. StAA, LitSlg, Personenselekt "Peutinger 1490-1569", ad b), enthält die Pergamenturkunde und eine Abschrift der "Verschreibung", d.h. Indienststellung, Peutingers vom 11. Dezember 1490. Lutz, Peutinger II, 16, 25. Zur näheren Charakterisierung der Obliegenheiten dieses Amtes z. Zt. Ebers und Peutingers vgl. Rogge, Nutzen, 135-137. Lutz, Peutinger II, 42; auch unter Karl V. hatte Peutinger diese Stellung inne; vgl. Lutz, Peutinger II, 400, Anm. 90.
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der Gefährdung des Augsburger Handels mit Venedig, das einer der wichtigsten Handelsstützpunkte der damaligen Welt war.39 Diese Themenkreise blieben im weiteren Sinn noch während der gesamten öffentlichen Tätigkeit Peutingers in den 1520er Jahren Konstanten im politischen Kräftespiel, in das Augsburg verwickelt war.40 Neben diesen Bereichen wurde jedoch im Laufe dieser Jahre die Frage der Reformation zum Dauerbrenner auf der politischen Bühne sowohl auf Reichsebene als auch innerhalb Augsburgs. Peutinger wurde in dieser Frage doppelt gefordert: Einmal als Politiker, der die wirtschaftlichen und politischen Interessen seiner Heimatstadt vertreten mußte, zum anderen als humanistisch gelehrter Mann, der die Notwendigkeit einer Kirchenreform sehr wohl einsah, aber auf Ausgleich und besonnenes Vorgehen bedacht war.41 Einzelne Stationen des politischen Weges von Peutinger unter Karl V. und in den 1520er und 1530er Jahren sind in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert: Gleich nach der Kaiserwahl Karls V. wurde Peutinger, damals bereits 55jährig, als reichsstädtischer Abgeordneter 1520 nach Brügge geschickt, um Karl im Namen der Reichsstädte zu huldigen.42 Bereits ein Jahr später auf dem Wormser Reichstag war auch Peutinger anwesend und in die Verhandlungen mit Luther verwickelt. Peutinger war Mitglied der Ständekommission, die am 24. und 25. April mit Luther verhandelte.43 Dabei war er allerdings nicht nur in seiner Eigenschaft als reichsstädtischer Politiker wirksam, sondern er folgte auch dem Appell seines humanistischen Gesinnungsgenos39
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Anlaß dafür waren Reichskammergerichtsprozesse und Feldzüge zwischen dem Kaiser und Venedig; Lutz, Peutinger II, 23-125f. Lutz, Peutinger I I , 198-222 und 300-307. Das erste Zusammentreffen Peutingers mit Luther fand im Oktober 1518 statt; vgl. WA.B 1, 209, Nr. 97. Lutz, Peutinger II, 160-163. Diese Episode fand auch im Wormser Edikt ausdrücklich ihren Niederschlag.· "Und sein darzwischen [= in der Widerrufsfrist] zwen churfursten, auch zwen gaistlich und zwen weltlich fursten und dann zwen von unsem und des reichs Stetten verordnet worden, die aus befelich und von wegen der gemeinen reichsversamlung den gedachten Luther für sich erfordet und mit gueter Warnung, ermanung und underweisung und allem dem, so müglich und dienstlich ist, ine zu bekeren nichts underlassen, mit anzaigung wo er sich nit bekere, in was schweren straffer bei uns und dem hailigen reiche, auch nach Ordnung der recht fallen werde. Und als solicher vleis und ernst bei im unfruchtbar gewesen ist, hat unser churfursten einer zwen güetig und kunstreich doctores zu ime genomen und mitsampt denselben, auch selbs allain insonderheit, nit allain mit hoher ermanung, sonder auch scheinparlicher anzaigung manicherlai sein, des Luthers, irrsal understanden, in zu bewegen, das er mer ansehe unsers heiligen vater babsts, deßgleichen unser und aller reichsstende, auch ander christglaubigen nation gebrauch, den si nach Ordnung der christenlichen kirchen so lange jar herbracht haben, dann sein ainigen sinn;" RTA J.R. II, 651f., Nr. 92. Den Bericht über die Verhandlungen mit Luther (a) vor dem Reichstag vgl. RTA J.R. II, 546-558, Nr. 79 und (b) vor der Ständekommission (bestehend aus dem Kurfürsten von Trier, Vehus und Peutinger) vgl. RTA J.R. II, 560-567, Nr. 79. Peutingers eigenen Bericht an den Rat von Augsburg über die Begegnung mit Luther vgl. W A 7,882ff.; vgl. auch Rem-Chronik, 156; Lutz, Stadt, 39-47.
73 sen Erasmus von Rotterdam44, um auf einen Ausgleich in der Religionsfrage unter Bewahrung der Einheit der Kirche hinzuwirken.45 Das Verhältnis Peutingers zu den konkreten politischen Folgen kirchlicher Erneuerungsgedanken läßt sich besonders deutlich seit Beginn der zwanziger Jahre mit dem Eindringen reformatorischen Gedankengutes in Augsburg 46 und verstärkt angesichts des Bauernkrieges (1524/1525)47 und der ersten Täuferbewegung (1527/1528)48 erkennen. Peutinger und damit auch das Stadtregiment haben ganz unter Vernachlässigung ihrer Einstellung zu kirchlichen Reformbestrebungen - vor allem um den Schwund ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht in der Reichsstadt gefurchtet. Schon kurze Zeit vor dem Aufflammen des Bauernkrieges, aber in inhaltlichem Bezug zu ihm, kam es in Augsburg durch die zunehmende Verarmung der unteren Schichten 1524 zu ersten Unruhen.49 Der Rat der Stadt versuchte den unmittelbaren Anstifter hierzu zu beseitigen, indem eine Abberufung des Franziskaners Johannes Schilling, der im Augsburger Barfüßerkloster zu den Armen der Stadt predigte, angestrebt wurde. Die städtische Obrigkeit befürchtete mit Recht durch seine fortgesetzte Predigt eine Untergrabung ihrer Autorität. Die Ausweisung von Schilling scheiterte jedoch am Widerstand des Volkes. Peutinger war in dieser kritischen Lage der Unterhändler des Stadtregiments gegenüber den Interessen des niederen Volkes.50 Etwa zur gleichen Zeit propagierte Peutinger in der auswärtigen Politik Augsburgs ausdrücklich eine Politik der maßvollen Zurückhaltung sowohl allen Neuerungen als auch dem gewaltsamen Beharren auf dem Hergebrachten gegenüber. Diese bereits oben dargestellte Politik des "mittleren Weges" bestimmte für die nächsten fünf Jahre die Haltung Augsburgs im Reich. Im gleichen Zuge trat die anfängliche Aufgeschlossenheit des Humanisten Peutinger für Luther und seine Reform immer mehr in den Hintergrund 51 und wich
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Erasmus schreibt aus diesem Anlaß am 9. November 1520 aus Köln einen Brief an Peutinger; beide lernten sich im Juli desselben Jahres im Hoflager Karls V. kennen; vgl. Allen IV, 372ff. (Nr. 1156) bzw. König, Briefwechsel, 325-329 (Nr. 206); Pfeiffer, Peutinger, 179f. Über den erasmischen Einfluß auf Peutingers politische Konzeption vgl. oben Kapitel 3.2. Lutz, Peutinger II, 186-196. Rem-Chronik, 135ff.; vgl. oben Kapitel 3. Dieser brachte in den großen Städten zugleich das Aufbegehren der unterprivilegierten Schichten mit sich. Sender-Chronik, 329ff.; Meyer, Geschichte, 207-253; ders., Wiedertäufer, 248-258. Lutz, Peutinger II, 231 -236. Vgl. auch Kapitel 3.1.3.; unter anderem Sender-Chronik, 158. Noch unbefangen von den politischen Unwägbarkeiten, die von dem Bestreben nach Reform des kirchlichen Lebens ausgingen, nahm er vermutlich Weihnachten 1525 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ein; vgl. SStBA, Cod. 2° S 92 und Lutz, Peutinger II, 228; König, Peutingerstudien, 84ff. Vgl. hierzu außerdem in der Verbindung zu Peutingers politischer Konzeption: Gößner, Peutingers "mittlerer Weg".
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schließlich ganz dem Bestreben, der Religionspolitik des Kaisers unbedingt Folge zu leisten.52 In den Jahren 1527/28 weitete sich in Augsburg die Täuferbewegung in einem bedrohlichen Ausmaß aus. Die von den Täufern propagierten Ideen standen nicht nur den etablierten gesellschaftlichen Vorstellungen frontal gegenüber, sondern waren auch den sich immer mehr einwurzelnden religiösen Reformströmungen in der Stadt ein Dorn im Auge. Die städtische Obrigkeit und Peutinger als ihr exekutives Organ ergriffen folglich die nötigen Maßnahmen zur Ausweisung der Täufer aus der Stadt." Peutinger als Politiker und Humanist mußte von diesen täuferischen Anschauungen doppelt betroffen gewesen sein.54 Auf dem Augsburger Reichstag 1530 trat Peutinger zum letzten Mal als Vertreter Augsburgs auf reichspolitischer Ebene in Erscheinung, wie er es im Dienste seiner Heimatstadt bereits seit drei Jahrzehnten getan hatte.55 Da schon auf dem Speyerer Reichstag im Voijahr aber deutlich geworden war, daß sich sein politischer Kurs durch die sich anbahnende religionspolitische Spaltung der Reichsstände nicht mehr fortfuhren ließ, fungierte er ab 1530 nur noch bei repräsentiven Anlässen und den wirtschaftspolitischen Reichstagsgeschäften im Interesse der Reichsstädte und Handelsgesellschaften. Bei den aktuellen Verhandlungen zur Religionsfrage hielt er sich weitgehend zurück.56 Drei Jahre lang nahm er das Stadtschreiberamt noch weiterhin wahr, trat dann am 7. Februar 1534 in den Ruhestand57 und widmete sich fortan nur noch humanistischen Studien und seinem gelehrten Briefwechsel.
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Lutz, Peutinger II, 236f. (Peutingers Anmerkungen zu den Beratungen im Vorfeld des Bundestages 1525). Lutz, Peutinger II, 279-282. Lutz, Peutinger II, 279: "der Welt der gottgesetzten Legitimität, des Rechts und der Ordnung, deren Genealogie er aus antiker Philosophenweisheit und Jurisprudenz, aus der heiligen Schrift und aus dem kanonischen und kaiserlichen Recht nachweist, steht eine Meute von Aufrührern und Eidbrüchigen gegenüber, die das Unterste zu oben kehren wollen. ... Hier sieht Peutinger nichts als ein gärendes, maßloses aufbegehrendes Leben, die glatte Negation seiner eigenen Welt". Einige Jahre später setzte sich Peutinger mit scharfer Kritik in schriftlicher Form mit den täuferischen Idealen auseinander: "Collectiones adversus anabaptistas" 1531/34; vgl. Lutz, Peutinger II, 278f. Begrüßungsrede an den Kaiser, vgl. Langenmantel-Chronik, 368; offizieller Vertreter Augsburgs; vgl. Langenmantel-Chronik, 379; Lutz, Peutinger II, 308-316. Peutingers schriftlicher Entwurf für eine Protestation gegen den Reichsabschied, in dem er die Religionsfrage in Verbindung mit den obrigkeitlichen Rechten Augsburgs darlegt, fand nur noch eine nebensächliche Beachtung im tatsächlich folgenden Verhalten der reichsstädtischen Politik; vgl. Lutz, Peutinger II, Quellenanhang XVI, 353f. Die Notiz über eine stattliche Abfindung in den städtischen Rechnungsbüchern: StAA, Reichsstadt, Bauamt-Baumeisterbücher Nr. 128, fol. 64r; gedruckt bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 212, Anm. 113; Preu-Chronik, 60, Anm. 2. Daneben bezog Peutinger auch noch jährlich in voller Höhe sein ehemaliges Dienstgehalt (vgl. z.B. StAA, Reichsstadt, Bauamt-Baumeisterbücher, Nr. 128-132, fol. 102r). Vgl. auch unten Kapitel 9.3.
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Einige Jahre später wurde Peutinger zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der "Mehrer der Gesellschaft" ins Augsburger Patriziat aufgenommen.58 Kurz vor seinem Tode erhob ihn Kaiser Karl V. 1547 in den erblichen Adelsstand. Das im politischen Wirken Peutingers geschilderte Verhältnis zu den beiden Habsburger Kaisern wirkte auch in den Bereich des wissenschaftlichen und literarischen Schaffens dieses Mannes hinein.59 So ist das Verhältnis zwischen Peutinger und dem Haus Habsburg als eine Beziehung wechselseitiger Gewährung von kaiserlicher Gunst einerseits und humanistischer Loyalität andererseits zu beschreiben, die sich über ein halbes Jahrhundert hinweg erstreckte. Schon seit Beginn seiner politischen Tätigkeit im Dienste Augsburgs hatte er in Kaiser Maximilian, den er bei Gesandtschaften und auf Reichstagen auch persönlich traf, einen Gleichgesinnten gefunden.60 Mit ihm stand er auch zwischen 1507 und 1517 in regem Briefwechsel.61 Peutinger korrespondierte über gelehrte Themen auch mit anderen Fürsten und Humanisten des In- und Auslandes.62 Seit seinem Studium in Italien zeigte Peutinger ein reges Interesse an der Antike. Sein besonders Augenmerk galt zunächst römischen Inschriften und der Numismatik.63 Daneben wurde das Verhältnis zu Maximilian geprägt durch Peutingers - ebenfalls während seiner Studienjahre erworbene - hohe Bewunderung für die alten kaiserlichen Traditionen, die er mit der Geschichte des Hauses Habsburg verband.64 Zum intensiven Studium von diesbezüglichen Schriftstücken kopierte er sich handschriftlich aus Codices eine ganze Reihe von Diplomen, Briefen und
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WLBS, Cod. hist. 2° 161 unter dem 17. Okt. (richtig: Dez.!) 1538 "Wie new geschlecht von Herrn gemacht" fol. 278r; WGA, Fase. 1. Zu Peutingers humanistischen Leistungen und Neigungen; vgl. Beilot, Humanismus, 343ff. und 353f. Zu den literarischen Arbeiten für Kaiser Maximilian, z.B. das sog. Kaiserbuch, vgl. Pfeiffer, Peutinger, 185; Grünberg-Dröge, Art. Peutinger, 394. Dazu und zum Folgenden besonders: König, Briefwechsel. König veröffentlichte darin 303 Briefe aus Peutingers Korrespondenz, die unter dem Gesichtspunkt ihres humanistischen Inhaltes ausgewählt wurden. Genannt seien hier vor allem: Erzherzog/König Ferdinand, Kurfürst Friedrich und Herzog Georg von Sachsen sowie Conrad Celtis, Johann Reuchlin, Erasmus von Rotterdam, Willibald Pirckheimer, Beatus Rhenanus, Giovanni Francesco Pico della Mirandola. Bemerkenswert ist das Urteil dieser Männer über Peutinger. Erasmus schreibt in einem Brief von 1520 über ihn, er sei "vir eruditus et gravis"; vgl. Allen IV, 321 (Nr. 1129). Beatus Rhenanus bemerkt 1531: "Chunradus noster Peutinger, urbis Augustanae, imo Sueviae totius immortale decus"; vgl. Horawitz/Hartfelder, Briefwechsel, 404, Nr. 282. Lutz, Peutinger II, 7. Herberger, Peutinger; Lutz, Peutinger II, 8, 43f. und 132: "Das Kaisertum bietet für Peutinger den politischen Kristallisationspunkt seiner humanistischen Gedankenwelt. ... Die Kontinuität des Kaisertums von den römischen Cäsaren über die mittelalterlichen Herrscher bis auf Maximilian und seine Enkel ist das Leitmotiv in Peutingers gelehrter Forschung". König, Peutingerstudien, 78-84.
76 Fragmenten aus Chroniken.65 Systematisch erschloß er sich persönlich auf seinen Reisen und durch Beauftragung von Bekannten die Quellen fur sein Geschichtsund Altertumsstudium und erwarb neu erschienene Bücher. Seine fur damalige Verhältnisse äußerst umfangreiche Bibliothek66 stellte er interessierten Bekannten zur Verfugung und benützte sie selbst eifrig als Reservoir für seine eigenen politischen Denkschriften und Gutachten. Mit Recht wird man ihm aber auch vorwerfen können, daß der in damaliger Zeit ungewöhnlich schnell mögliche Griff ins Regal seiner Bibliothek ihn nicht erzog zu "selbständiger Gedankenführung, sondern nur in der Gruppierung einer erdrückenden Menge von Zitaten"67 endete. Dies führte dazu, daß in seinen Schriften zu aktuellen politischen Themen oft die eigenen Gedanken zurücktreten.68 In seiner Bibliothek waren neben Rechtstexten und Werken von antiken Schriftstellern auch die Schriften von Kirchenvätern zahlreich vertreten. Mit Vorliebe widmete er sich der Lektüre von Augustinus, Hieronymus und Johannes Chrysostomus.69 Die in Italien gewonnenen Eindrücke versuchte Peutinger auch auf die Altertumskunde und Kulturgeschichte seiner Heimatstadt zu übertragen und betätigte sich auf diesem Feld als Autor und Herausgeber.70 Abgesehen von seinem Briefwechsel konnte Peutinger wegen seiner politischen Verpflichtungen unter den Kaisern Maximilian und Karl schon bald nicht mehr seinen historischen und philologischen Interessen nachgehen und unpoliti-
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Ζ. B. den um 1500 beschriebenen Band mit Abschriften von Kaiserurkunden und Inschriften: WLBS, Cod. hist. 2° 243, den Peutinger in die Bestände seiner Bibliothek einverleibte. Vgl. auch: König, Peutingerstudien, 49. Vgl. das z. Zt. in Augsburg laufende DFG-Projekt "Konrad Peutinger", dessen Zielsetzung die Rekonstruktion und Erschließung der Bibliothekskataloge und des übrigen handschriftlichen Nachlasses Peutingers ist (nach Auskunft des Projektmitarbeiters Dr. Helmut Zäh, Augsburg). Lutz, Peutinger II, 131. Lutz, Peutinger II, 131 und 129. Lutz, Peutinger II, 294. "ROMANAE. VETVSTA||TIS. FRAGMENTA. IN.|| AVGUSTA. VINDE||LICORVM. ET.|| EIVS. DIOE||CESI.|| (ANNO.CHRIST. SAL VT. M.D.V.|| VIII.KLS. OCTOBR. ER[|HARDVS. RATOLDs || AVGVSTENSIS || IMPRES||SIT.||) [Augsburg]", vgl. VD 16-P 2079; "INSCTRIPTIONES.il VET VSTAE. ROMAN. ET EARVM FRAGMEN||TA. IN AVGUSTA VINDELICORVM: ET || EIVS DIOECESI. CVRA ET DILI-||GENCIA CHVONRADI PEVTIN-HGER. AVGVSTANI. IVRIS-||CONSVLTI. ANTEA IMHPRESSAE. NVNC DE-||NVO REVISAE. CA||STIGATAE. SI-||MVL ET AV||CTAE.|| M.D.XX.||(EXCVSA ...|| IN AEDIBVS IO||ANNIS SCHOEFFER || MOGVNCIACI ...|| MENSE II AVGVSTO.jl) [Mainz]"; vgl. VD 16-P 2080; "SErmones con||uiuales Cöradi peu||tingeri: de mirandis || Germanie antiqui=||tatibus.|| (Ioannes Prüs in aedibus Thiergarten || Argentinae iprimebat. Mathias schu=||rer recognouit.||) (M.D.VI.||?)", vgl. VD 16-P 2081; "DE MIRANDIS || GERMANIAE ANTIQVITATIBVS, SERMONES || conuiuales, Conradi Peutingeri.|| Argentorati apud Christianum Egenolphum.|| (1530.Ц)"; vgl. VD 16-P 2082 und Pfeiffer, Peutinger, 181-183; Grünberg-Dröge, Art. Peutinger, 396.
77 sehe und gelehrte Schriften veröffentlichen. Erst nach seinem Austritt aus dem Stadtdienst 1534 war ihm dies wieder möglich. Abschließend ist zu Peutingers Stellung zur Kirche noch folgendes zu sagen:7' Gemeinsam mit anderen humanistischen Zeitgenossen, wie Erasmus, trat er für eine Erneuerung des kirchlichen Lebens ein. Dabei stand jedoch das Bemühen um die Einheit der universalen Kirche niemals außer Frage. Daraus erklärt sich auch die anfängliche Sympathie für die Vorstellungen Luthers, dem er 1518 und 1521 auch persönlich begegnet war. Eine Kirchenspaltung und die mit der reformatori sehen Bewegung im Reich einhergehenden politischen Veränderungen, besondres seit der Zeit des Bauernkrieges, war Peutinger jedoch nicht bereit in Kau' zu nehmen. Von seinem staatsmännischen Standpunkt her war er nur fur eine Einschränkung des politischen Einflusses des Klerus offen, und zwar in Gestalt einer strikten Trennung der geistlichen von der weltlichen Gewalt.72 Auf Grund seiner intensiven Studien von biblischen Texten, die ihm in den neuen Übersetzungen des Erasmus zur Hand waren, und von Kirchenväterliteratur trat er für den Laienkelch73 und für die Abhaltung eines Konzils ein.74 Der andere altgläubige Ratskonsulent, Johann Rehlinger, wurde 1470 als Sohn des Bürgermeisters Konrad Rehlinger (d. Ä.) in Landsberg a. L. geboren. Sein Vater stammte aus dem Augsburger Patriziat.75 Die Familie hat besonders zur Reformationszeit einige bedeutende Persönlichkeiten hervorgebracht. Überzeugte Protagonisten der oberdeutschen Reformation in Augsburg waren die bereits vorgestellten Bürgermeister Ulrich und Wolfgang Rehlinger. 1486 wurde Johann Rehlinger an der Universität Ingolstadt immatrikuliert und zwischen 1495 und 1497 vermutlich an einer italienischen Universität zum Iuris Utriusque Doctor promoviert. 1497 erscheint er als Kammergerichtsprokurator 76 und wurde 1501 Syndikus des Schwäbischen Bundes am Kammergericht. 77 Im gleichen Jahr heiratete er die Regensburgerin Anna Beringer und siedelte nach Augsburg. In dieser Stellung wurde er zum Anwalt der Interessen der großen Kaufleute, als Kaiser Maximilian 1507 gegen die Handelsgesellschaften eine Anleiheforderung erhob. Da die großen Reichsstädte, und unter ihnen besonders Augsburg, Sitz der bedeutendsten Handelsgesellschaften der damaligen Zeit waren, wurden über die Berechtigung der kaiserlichen Forderungen zwischen den kaiserlichen 71 72 73 74
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Lutz, Peutinger II, 163ff.; König, Peutingerstudien, 64ff. Das wird sich weiter unten (Kapitel 7.1.) bei der Analyse seines Gutachtens von 1533 zeigen. Lutz, Peutinger II, 228. Lutz, Peutinger II, 196 und 286; sein Eintreten für ein allgemeines und freies Universalkonzil war wesentlich durch Gedankengut aus dem 15. Jahrhundert beeinflußt (vgl. dazu die Äußerungen über ein Konzil im Gutachten, Kapitel 7.1.!). Gänssien, Ratsadvokaten, 254-256; vgl. auch: Hans, Gutachten, 15; Immenkötter, Kirche II, 15; Roth, Reformationsgeschichte I, 108, Anm. 16 (vgl. 106, Anm. 13). Matr. IN 1, 157; Wolff, Geschichte, 214, 366, 378. Hans, Gutachten, 15.
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Räten einerseits und den Vertretern der Reichsstädte andererseits intensive Verhandlungen gefuhrt. Die Vertreter der kaiserlichen Interessen erwirkten außerdem zur Durchsetzung ihrer fiskalischen Forderungen immer wieder eine Zitierung der Handelsgesellschaften vor das Kammergericht. In dieser Instanz vertrat Rehlinger die juristischen Interessen der Kaufleute.78 Auch in dem Konflikt zwischen der kaiserlichen Regierung und Venedig hatte Rehlinger als Prokurator der Handelsgesellschaften am Kammergericht in Regensburg eine wichtige Stellung zur Wahrung wirtschaftlicher und reichsstädtischer Interessen inne.79 Rehlinger konnte in dieser Position die Reichsstädte in dieser heiklen Angelegenheit mit den neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden halten und war in der Lage, im stets zu befürchtenden Fall einer Verhängung der Reichsacht über die Adriarepublik Sicherheiten fur die Handelswaren der Kaufleute zu erreichen. Zwischen 1511 und 1537 wird er in den Quellen als Ratskonsulent und Syndikus in Augsburg erwähnt,80 desgleichen auch ab 1511 in der Reichsstadt Ulm.81 In den zwanziger Jahren widmete sich Rehlinger als ständiger Vertreter Augsburgs den Angelegenheiten beim Reichsregiment und als Gesandter bei Reichsund Städtetagen, also Tätigkeiten, die mit den beiden eben skizzierten vergleichbar waren.82 Schwerpunktmäßig ging es dabei um die Belange des Schwäbischen Bundes, der Handelsgesellschaften83, des Fiskus, um Fragen der politischen, sozialen und ökonomischen Situation zur Zeit des Bauernkrieges, um Fragen der Türkenhilfe der Städte und die Reformationsfrage. Im Zusammenhang mit diesen Gesandtschaften trat Rehlinger auch immer wieder als Vertreter anderer Städte (z. B. Schwäbisch Werd = Donauwörth, Kaufbeuren84, Nördlingen, Regensburg85) auf. Nur in einem Fall trat Rehlinger in den 1520er Jahren auch bei der Lösung eines internen Augsburger Problems in amtlicher Funktion in Erscheinung. Es handelte sich dabei um eine Delegation zu Johannes Schilling, Prediger im Barfüßer-
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Lutz, Peutinger II, 75. Lutz, Peutinger II, 79 und 89-93; Böhm, Reichsstadt, 49-57. Zur Entwicklung dieses Amtes bis zum Dienstantritt Rehlingers; vgl. Rogge, Nutzen, 139f. Gänssien, Ratsadvokaten, 254-256. Ein Verzeichnis der Augsburger Ratskonsulenten aus dem 18. Jh. vermerkt als Datum der Aufnahme in den städt. Dienst das Jahr 1515; vgl. StAA, Reichsstadt-Akten, Nr. 1037. Wormser Reichstag 1521; 1. Nürnberger Reichstag 1522; 2. Nürnberger Reichstag 1522; 3. Nürnberger Reichstag 1523/24; 2. Speyerer Reichstag 1529; Augsburger Reichstag 1530; Städtetag in Eßlingen und Speyer 1523; vgl. RTA J.R. II-IV, VII-VIII (Namensregister). Broadhead, Politics, 187. Beide Städte auf dem 2. Nürnberger Reichstag 1522. Beide Städte auf dem Nürnberger Reichstag 1523/24 und auf dem Speyerer Reichstag 1529.
79 kloster, deren Wortfuhrung Rehlinger übernahm, um Schilling nahezulegen, die Stadt zu verlassen.86 Schließlich muß zur Delegationstätigkeit Rehlingers im Auftrag Augsburgs noch der Abschluß des Reichstages von 1530 erwähnt werden. Nach der Ablehnung des Abschiedes durch Augsburg am 26. Oktober 1530 appellierte der Kaiser im November eindringlich an den Rat, die bisher loyale Haltung gegenüber seiner Person weiterhin zu wahren und die Ablehnung des Reichstagsbeschlusses doch noch rückgängig zu machen.87 An der Abordnung am 12. November, die dem Kaiser die standhafte Ablehnung des Augsburger Rates mitteilte, nahm Rehlinger als Sprecher teil.88 Aufgrund seiner im Gutachten89 zur Reformation des Kirchenwesens in Augsburg 1533 geäußerten Meinung, daß es dem Rat der Stadt nicht erlaubt sei, in Religionsangelegenheiten als weltliche Obrigkeit einzugreifen, wurde er zunehmend in seinem öffentlichen Wirken isoliert und auf seinen Rat verzichtet.50 Johann Rehlinger starb, bevor es zum offenen Ausbruch des Mißtrauens zwischen ihm und den offiziellen Amtsträgern der Reichsstadt kam", im Jahr 1537 oder 1538 in Augsburg. Zusammenfassend ist die Rolle des öffentlichen Wirkens Rehlingers also folgendermaßen zu charakterisieren: Gleichzeitig mit Konrad Peutinger stand er in den Diensten der Reichsstadt Augsburg und ihrer Interessen, jedoch war er im Unterschied zu Peutinger nicht bei den entscheidenden politischen und diplomatischen Vorgängen bestimmend, sondern war im Schatten Peutingers tätig, um mit Geschick, Ausdauer und Erfolg die juristische Kleinarbeit zu leisten.92 Bei einem 86
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Vgl. dazu schon oben Kapitel 3.1. StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 15, fol. 66v; RemChronik, 205 (und Anm. 1) (= Kastner, Quellen, 176f.). Broadhead, Politics, 124; Lutz, Peutinger II, 233-235. Die Verbindung von Gehorsamspflicht gegenüber dem Kaiser und Verpflichtung zur Annahme des Reichsabschiedes wurde von Augsburg so aber nicht verstanden; vgl. die Rede Rehlingers gegenüber dem Kaiser bei Roth, Reformationsgeschichte I, 366ff. Siehe oben Kapitel 4.2.; vgl. Wolfart, Reformation, 11; Broadhead, Politics, 281. Vgl. dazu unten Kapitel 7.2. Roth, Reformationsgeschichte II, 109. WLBS, Cod. hist. 2° 161, fol. 268v: "[1536] ward hie Doctor Rehlinger so zuvor inn grossem ansehen gewest, geurlabt, das sie menigclich verwundert der hatt aber untrewlich wider die statt der diener er war gehandlet und vil auff der pfaffen seitten gewest, doch kam er für Rath und pracht sein sach so geziert für, das die zunfftmaister schon bewilligten in wider anzunemen wan er nit bald darnach gestorben wer." Unter Bezugnahme auf die Rem'sche Chronik (72f.) charakterisiert Roth, Refomationsgeschichte II, 197 und 212, Anm. 116 das Ende der politischen Wirksamkeit und des Lebens von Johann Rehlinger: "Peutingers Amtsgenosse Rehlinger, der sich nicht entschließen konnte, wie dieser zur rechten Zeit zu gehen, hatte während der wenigen Jahre, die er noch lebte, schwere Kämpfe mit dem Mißtrauen der Ratsmajorität zu bestehen, die ihm das Dasein verbitterten und beinahe seine unfreiwillige 'Enturlaubung' zur Folge gehabt hätten." "Eingeweiht in alle Kniffe und Pfiffe der damaligen meist recht kleinlichen 'Staatskunst', skrupellos in der Wahl der Mittel, wenn sie nur zum Ziele führten, ein beredter Mann und siegreicher 'Rabulist', wußte er seiner Stimme mit Nachdruck Gehör zu verschaffen, nicht immer zum besten der Stadt." Roth, Reformationsgeschichte I, 89.
80 grundsätzlichen Vergleich mit Peutinger, der sich vor allem aus den Gutachten des Jahres 1533 ergibt, ist festzuhalten, daß Rehlinger weitaus kompromißloser die altgläubige Richtung der städtischen Religionspolitik vertrat als Peutinger.
5.2.2. Hei - Hagk - Langnauer Das Geburtsjahr von Konrad Hei93 ist unbekannt. Nach Auskunft der Universitätsmatrikel ist sein Geburtsort Kempten, er entstammt aber einer angesehenen Augsburger Familie.94 Sein Vater hatte eine geborene Rehlinger geheiratet. 1489 wurde Konrad Hei an der juristischen Fakultät in Heidelberg und 1506 in Ingolstadt immatrikuliert.95 Nach seinem juristischen Studium96 und anschließender Promotion zum Iuris Utriusque Doctor bekleidete Konrad Hei in recht jugendlichem Alter97 sein erstes höheres Amt. Er war Beisitzer am Reichkammergericht fur den burgundischen Kreis. Im Jahre 1531 berief ihn seine Heimatstadt Augsburg zum Ratssyndikus und -konsulent.98 Im Besitz dieser Stellung erhielt er 1544 einen Ruf an das Reichskammergericht, den er jedoch ablehnte, und wurde zum kaiserlichen Rat ernannt. Somit behielt Hei von 1544 bis (vermutlich) 1552 weiterhin in Augsburg die Stellung eines Ratskonsulenten bei.99 Im Frühjahr 1533 und 1534 war er Mitglied und Sprecher der Ratsdeputation, die dem Domkapitel zu Verhandlungen gegenübertrat.100 Dieselbe Verwendung fand er, als im Juni 1534 die vom Rat beschlossenen kirchlichen Reformmaßnahmen durch eine Abordnung in die Tat umgesetzt wurden und, mit Ausnahme der zum Domkapitel gehörenden Kirchen, die altgläubige Predigt und Messe innerhalb Augsburgs verboten und alle kleineren Kirchen geschlossen wurden.101
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Hans, Gutachten, 19-21; Roth, Reformationsgeschichte II, 6, Anm. 12; Sieh-Burens, Oligarchie, 79 und 250, Anm. 364; 146. Hans, Gutachten, 19 irrt, wenn er von einem Patriziergeschlecht spricht. Matr. HD, 396; Matr. IN 1,313. Am Ende der Abschrift eines Gutachtens in Ehefragen des Humanisten und Rechtsgelehrten Ulrich Zasius bezeichnet Hei diesen als "Her[n] unnd Preceptor" und sich selbst als "seinen Discipul"; vgl. StAA, LitSlg, 1535, Aug.-Dez., Nr. 22 (die durchgängige Numerierung fehlt ab Nr. 18!), fol. 3r. Roth, Reformationsgeschichte II, 4. StAA, Reichsstadt, Bauamt-Baumeisterbücher, Nr. 125, fol. 103r und fol. 70r: "auff 12 tag Junii: it 100 guldin in gold doctor Conratu Hälen im anfang seiner bestallung verert"; vgl. Sender-Chronik, 379, Anm. 1. Vgl. Verzeichnisse der Augsburger Ratskonsulenten aus dem 18. Jahrhundert: StAA, EWAAkten, Nr. 389; Reichsstadt-Akten, Nr. 1037. Vgl. unten Kapitel 9. Wolfart, Reformation, 92, 100, 108; Roth, Reformationsgeschichte II, 155. Roth, Reformationsgeschichte II, 177.
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Zusammen mit anderen Persönlichkeiten war Hei ab Sommer 1534 Schulaufseher des im Zuge der Reformation gegründeten Gymnasiums bei St. Anna.102 Aus dieser Tatsache läßt sich grundsätzlich seine positive Stellung zur Kirchenreform ablesen. Dieser Umstand kann auch aus seinem Gutachten zur Religionsfrage von 1533 bestätigt und dahingehend konkretisiert werden, daß er für ein gemäßigtes Voranschreiten innerhalb der Grenzen des weltlichen und besonders des kaiserlichen Rechts eintrat.103 Auch bei den Differenzen zwischen den Predigern, die bei der Entstehung der Kirchenordnung im Juni 1537 öffentlich und vor dem Rat ausgetragen wurden, war offenbar die Anwesenheit eines Ratgebers wie Hei erwünscht.104 Zudem vertrat er seit 1531 auch auf diplomatischem Gebiet die Religionspolitik Augsburgs. Bei der von den altgläubigen Reichsgewalten mit dem Ziel einer Wiederaufrichtung des Schwäbischen Bundes anberaumten Verhandlung in Lauingen im April 1535 war Hei Mitglied der Augsburger Gesandtschaft.105 Im Sommer des gleichen Jahres hielt er sich in Wien auf und vermittelte zwischen König und Reichsstadt in der Angelegenheit der am königlichen Hof mit Argwohn beobachteten Predigttätigkeit der Augsburger Prädikanten.106 Im Rahmen der Verhandlungen über Augsburgs Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund fungierte Hei, von Landgraf Philipp zum hessischen Rat ernannt, 1537 und 1538 als Gesandter Augsburgs, wobei sein diplomatisches Geschick den Ausschlag gab, daß Augsburg den Schutz des Bundes erhielt.107 Bereits kurz vorher hatte er in den beiden mit Augsburg verbündeten Städten Nürnberg und Ulm das Vorgehen seiner Stadt erläutert.108 Bei den Verhandlungen auf dem Regensburger Reichstag 1541 war Hei noch einmal in wichtiger Mission für Augsburg unterwegs.109 Seit seiner Heirat 1532110 mit der Augsburger Patriziertochter Felizitas Lauginger gehörte Hei zu den Mehrern, ein Umstand, der ihm 1538 die Aufnahme ins Augsburger Patriziat ermöglichte.1" Sein Tod fällt ins Jahr 1552.112
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Roth, Reformationsgeschichte II, 192. EWA-Akten Nr. 389; Reichsstadt-Akten, Nr. 1037 ordnen ihn unter der Spalte "Religion" unter "A. C." ein. Obwohl diese explizite Konfessionseinordnung in der genannten Quelle ein Produkt des 18. Jahrhunderts war, kann man daraus möglicherweise ableiten, daß Hei in der Historiographie Augsburgs als gemäßigt, aber reformationsfreundlich galt. Seebaß, Kirchenordnung, 46-48. Roth, Reformationsgeschichte II, 228. Roth, Reformationsgeschichte II, 294. Die Gesandtschaften und Berichterstattungen Hels vor dem Rat 1538; vgl. StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 4, pag. 4, 71, 79, 142, 181; Roth, Reformationsgeschichte II, 372-377. Roth, Reformationsgeschichte II, 372-377; Seebaß, Kirchenordnung, 39. Roth, Reformationsgeschichte III, 36-40. StAA, Historischer Verein, H.P. 9; EWA-Akten, Nr. 389. WLBS, Cod. hist. 2° 161, fol. 278r; WGA, Fase. 1. EWA-Akten Nr. 389; Reichsstadt-Akten, Nr. 1037.
82 Johann Hagk113 stammte aus der mittelfränkischen Reichsstadt Dinkelsbühl. Sein Geburtsjahr ist unbekannt. Im Juni 1523 heiratete er in Augsburg Ursula Rem.114 Darüber hinaus sind Daten über sein Leben fast ausschließlich aus dem Zeitraum seiner öffentlichen Tätigkeit in Augsburg zwischen 1529 und 1537 erhalten. Sein Tod fällt wahrscheinlich in das Jahr 1540, bis zu welchem Jahr er ab 15. Oktober 1537 auch ein Ruhegehalt bezog.115 Von 1528 bis Februar 1529 wird Hagk als Gerichtsschreiber des Schwäbischen Bundes genannt; vermutlich in diesem Zusammenhang taucht er auch bei den Streitigkeiten zwischen Eichstätt und den Neuburger Wittelsbachern auf.116 Am Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit für die Stadt Augsburg stand seine Teilnahme am zweiten Speyerer Reichstag 1529.117 An der Augsburger Gesandtschaft nahmen außer dem Ratskonsulenten Hagk noch zwei sehr einflußreiche Augsburger teil.118 Der eine hieß Matthäus Langenmantel119 und befand sich in seiner positiven Einstellung zum Reformationsvorhaben mit den Nürnberger und Straßburger Gesandten in Übereinstimmung. Somit ist er als Gesinnungsgenosse Hagks anzusehen.120 Der andere war der konservative Conrad Herwart, der sich - ganz in Übereinstimmung mit der zu diesem Zeitpunkt noch zurückhaltenden Augsburger Ratspolitik - in der Arbeit dieser Gesandtschaft auch durchzusetzen vermochte.121 Jedoch unterschrieben nur Johann Hagk und Matthäus Langenmantel als Augsburgs Vertreter am 22. April den Reichsabschied.122 Seinen zweiten Auftritt als Augsburgischer Gesandter hatte Hagk auf dem Augsburger Reichstag 1530.123 Bei den Verhandlungen über die Annahme des Abschieds durch die Stadt Augsburg im Oktober des Jahres erklärte Johann Hagk
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Roth, Reformationsgeschichte I, 89 und 107f., Anm. 15; 359, Anm. 130; Sieh-Burens, Oligarchie, 146 und 292, Anm. 122 und 133. StAA, Historischer Verein, H.P. 9; sie war eine Tochter des Matthaeus Rem und Schwester der späteren Frau des Ratskonsulenten Balthasar Langnauer; vgl. H.P. 178 (ad Rehm, 9. Generation). StAA, Reichsstadt, Bauamt-Baumeisterbücher, Nr. 134, fol. 102r. Hagks Entlassungsgesuch von 1537, fälschlich mit "circa 1535" datiert, befindet sich in 3 Abschriften: StAA, LitSlg, 1535, Aug.-Dez., Nr. 9. Frey, Gericht, 248f. und 267f. Lutz, Peutinger II, 295; Roth, Reformationsgeschichte II, 4; Hans, Gutachten, 26; RTA J.R. VII, 560. RTA J.R. VII, 659, 694, 717f., 750f., 751, 768ff„ 775, 1183. Vgl. oben Kapitel 5.1 .(Tabelle); Roth, Reformationsgeschichte I, 105, Anm. 11. Vgl. 1. den Bericht Langenmantels an den Rat vom 22. März (RTA J.R. VII, 593) und 2. den Bericht des Memminger Reichstagsabgeordneten Hans Ehinger an seinen Magistrat, in dem es heißt: "Ankunft Herwärts, 'der gaut fast lins [= der geht sehr leise]', wogegen Langenmantel und Hagk 'guot des glaubens halben' sind" (RTA J.R. VII, 614, Z.19ff.). Roth, Reformationsgeschichte I, 281f.; Hans, Gutachten, 26. RTA J.R. VII, 1313. Interessanterweise erwähnt Peutinger in seinem Gutachten (StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 44v) als Gesandte nur Conrad Herwart und Matthäus Langenmantel. Roth, Reformationsgeschichte I, 346.
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im Auftrag des Magistrates, daß man im Magistrat noch längere Bedenkzeit für eine Entscheidung benötige. Nach diesen beiden dienstlichen Verwendungen als Gesandter, bei denen er sein Geschick in komplizierten Verhandlungen unter Beweis gestellt hatte124, wurde Hagk Ende November 1530 als Syndikus der Stadt Augsburg vereidigt und kam damit in ein festes Dienstverhältnis.125 Im Sommer 1533 fungierte Hagk wieder als Gesandter bei den Bemühungen Augsburgs um die Mitgliedschaft im Schmalkaldischen Bund. Augsburg versuchte damit, bevor es seine Reformationspläne in die Tat umsetzte, den Anschluß an die politsche Macht des Protestantismus im Reich zu finden. Zur Erledigung dieses Auftrages wurde Hagk zu Vorverhandlungen in die Reichsstadt Ulm geschickt. Von dieser Mitgliedsstadt im Schmalkaldischen Bund erhofften sich die Augsburger wohlmeinenden und hilfreichen Rat.126 In der Folge der Verordnung der bürgerschaftlichen Reformation im Sommer 1534 war Hagk im Dezember 1534 wieder Mitglied einer Augsburger Gesandtschaft.127 Anlaß dafür war eine Instruktion König Ferdinands, die der königliche Rat und Gesandte Jakob von Landau im September 1534 dem Rat der Stadt Augsburg überreichte. Inhalt dieses Schriftstücks war die Androhung empfindlicher reichsrechtlicher Strafen, wenn die dem Domkapitel entzogenen katholischen Predigerstellen nicht wiederhergestellt würden. Der Magistrat Augsburgs reagierte mit einer Gesandtschaft an den Königshof. Diese fand unter Beteiligung Hagks und zweier Ratsherren statt. Hagk blieb als letzter Vertreter der Augsburger Delegation bei König Ferdinand noch einige Wochen in Wien zurück, um die Stimmung bei Hof zu sondieren.128 Nachdem sich Johann Hagk bei vielen Gelegenheiten als diplomatischer Vertreter Augsburgs bewährt hatte, wurde ihm 1534 als Stadtschreiber die Leitung der Regierungskanzlei der Reichsstadt übertragen.129 Er übernahm damit das Amt
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Friedrich Roth schreibt aus seiner Kenntnis des Quellenmaterials: "Er wird gerühmt wegen seiner Kunst, vornehme Herren zu behandeln und durch vertrauenerweckende Umgangsformen ihre Zuneigung zu erwerben."; vgl. ders., Refomationsgeschichte II, 198. Roth, Reformationsgeschichte I, 107f., Anm. 15; II, 4; Vereidigung: StAA, Reichsstadt, Ratsbücher, Nr. 16, fol. 34v (ad 24. Nov.). In den Verzeichnissen der Augsburger Ratskonsulenten aus dem 18. Jh. ist sein Diensteintritt im Jahr 1525 bezeichnet; vgl. StAA, EWA-Akten, Nr. 389; Reichsstadt-Akten, Nr. 1037. Zur Abgrenzung seiner Befugnisse wurde Hagk eine schriftliche Instruktion überreicht: StAA, LitSlg, 1534 Nachtrag I, Nr. 10; vgl. als Quellenbeilage (aber gekürzt) in: Wolfart, Reformation, 130-133. Zum ganzen Vorgang siehe weiter unten im Text. Siehe weiter unten im Text; vgl.: Roth, Reformationsgeschichte II, 216-223; vgl.: Hagks schriftlichen Bericht über die Situation an den Rat im StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 31.12.). Roth, Reformationsgeschichte II, 233f., Anm. 32; vgl. zwei Gesandtschaftsberichte Hagks an den Rat vom 28. Jan. und 30. Jan. (StAA, LitSlg, 1535), von denen der erste als Quellenbeilage bei Roth, Reformationsgeschichte II, 239f. zu finden ist. Preu-Chronik, 60; Roth, Reformationsgeschichte I, 89; II, 198; Hans, Gutachten, 26.
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Peutingers, der nach langer Amtszeit aufgrund seines hohen Alters und wegen des zunehmenden Auseinanderdriftens seiner persönlichen Anschauungen einerseits und der reformatorischen Gesinnung des Rates andererseits sein Amt niedergelegt hatte. Aus der Tatsache, daß Peutinger aus diesem Grund seinen Dienst kündigte und an seine Stelle Johann Hagk trat, läßt sich schließen, daß Hagk mit der in Augsburg gewählten religionspolitischen Ausrichtung konform ging. Nach weiteren zwei Jahren130 erfolgte vorzeitig im Frühjahr 1537 Hagks Ausscheiden aus dem Dienst, obwohl seine vorläufige Dienstzeit erst im Oktober 1537 auslief.131 Die Gründe für diesen Schritt lassen sich nicht mehr genau ermitteln. Es wurde ihm aber fur die Dauer von zehn Jahren ein Ruhegehalt zugebilligt.132 Nachfolger Hagks wurde der Augsburger Georg Fröhlich (Laetus).133 Über das Leben Balthasar Langnauers134 ist nur wenig bekannt. Man weiß nicht, in welchem Jahr er geboren wurde, sein Geburtsort dürfte Ulm sein.135 Er stammte aus einer alten Augsburger Familie. Im Februar 1530 heiratete er Barbara Rem,136 die Schwägerin des Ratskonsulenten Johann Hagk. Seit 1517 studierte Langnauer in Ingolstadt und erwarb 1521 den Magister artium. Im selben Jahr war er als Magister an der Universität Tübingen inskribiert.137 Anschließend promovierte er im Jahr 1527 zum Doctor iuris civilis.138 Am Beginn des Jahres 1531 wurde er zum Ratskonsulenten und Syndikus der Reichsstadt ernannt. Dieses Amt versah Balthasar Langnauer über einen Zeitraum von nur vier Jahren bis zu seinem Wegzug nach Nördlingen 1535.139 Sein Nachfolger wurde der gleichgesinnte eifrige Reformfreund und Jurist Dr. Lukas Ulstet.140
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In dieser Zeit (1536) wird er bei Sender unter den bischöflichen Lehensmännern verzeichnet; vgl. Sender-Chronik, 403. StAA, Reichsstadt, Bauamt-Baumeisterbücher, Nr. 134, fol. 102r; Roth, Reformationsgeschichte I, 89; II, 335f. und 359, Anm. 130. In seine Tätigkeit fällt unter anderem eine Sammlung von Ratserlassen, die sich erhalten hat: StAA, Schätze, Nr. 16. Zum Dienstaustritt und Ruhegehalt: StAA, Reichsstadt, Bauamt-Baumeisterbücher, Nr. 132, fol. 102v. Vgl. Radlkofer, Leben, 46ff. Hans, Gutachten, 24; Roth, Reformationsgeschichte II, 4 und 6, Anm. 13; Sieh-Burens, Oligarchie, 146 und 292, Anm. 124 und 133. Vgl. die meist zuverlässige Angabe im Immatrikulationsverzeichnis gleich unten. StAA, Historischer Verein, H.P. 9; H.P. 178; EWA-Akten, Nr. 696Л (kl. Zettel mit Handschrift des 16 /17. Jh.). "Balthasar Langnawer de Ulma": Matr. TÜ 1, 232 (77,9) und Kuhn, Studenten, 351, Nr. 2124. Matr. IN 1, 414; Wolff, Geschichte, 324; Resch/Buzas, Verzeichnis, 78. Über Beginn und Ende seiner Dienstzeit vgl. StAA, Reichsstadt, Bauamt-Baumeisterbücher, Nr. 125, fol. 103r; Nr. 129, fol. 102v. Roth, Reformationsgeschichte II, 198.
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Während seiner kurzen öffentlichen Tätigkeit in Augsburg trat er nur wenig in Erscheinung:141 So reiste Langnauer als Gesandter nach Konstanz und Straßburg, als im Dezember 1530 und Januar 1531 ein neuer Prediger für Augsburg gesucht wurde.142 Außerdem wurde Langnauer noch bei zwei Anlässen zur Begutachtung der politischen Lage aus juristischer Sicht herangezogen. Einmal ging es um seine grundsätzliche Stellungnahme zur geplanten Durchführung der bürgerschaftlichen Reformation (1533), ein Jahr später um die Haltung des Rates zum Bischof in derselben Angelegenheit. Beide Gutachten werden weiter unten im Text eingehend dargestellt.
5.3. Das Verhältnis zwischen Rat und Predigern bzw. reformwilliger Bevölkerung Von den nach dem Reichstag wieder zurückberufenen drei Predigern folgten Stephan Agricola und Johann Frosch143 der Wittenberger Linie der Reformation, Michael Keller144 dagegen war ein progressiver Eiferer und darf als Vertreter der oberdeutschen Reformation gelten. Mit der Wiederberufung dieser drei Prediger lebte folglich auch der in den 20er Jahren in Augsburg heftig ausgetragene Abendmahlsstreit wieder auf. Die seit dem Reichstag noch unbesetzten Predigerstellen suchte der Rat mit neuen Predigern zu besetzen.145 Man bemühte sich damals auf Empfehlung Martin Bucers zunächst um Ambrosius Blarer aus Konstanz, der aber trotz zweimaliger Augsburger Gesandtschaften und Werbungen146 ablehnte. Dann schickte der Rat den Syndikus Langnauer weiter nach Straßburg.147 Dort warb Langnauer erfolgreich um den Münsterprediger Wolfgang Musculus148. Auf dessen Wunsch wurde 141
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Vielleicht ist er deshalb auch in den Verzeichnissen der Ratskonsulenten aus dem 18. Jh. nicht verzeichnet (siehe dazu: StAA, Reichsstadt-Akten, Nr. 1037). Vgl. hierzu auch den unmittelbar folgenden Abschnitt dieses Kapitels. Beide Prediger an der St. Annakirche; vgl. Roth, Reformationsgeschichte III, 540, 542; Wiedemann, Pfarrerbuch, 3 und 15. Prediger in der Barfüßerkirche; vgl. Roth, Reformationsgeschichte III, 543; Wiedemann, Pfarrerbuch, 24. Roth, Reformationsgeschichte II, 11; de Kroon, Reformation, 66-72. Gereon Sailer und Balthasar Langnauer (vgl. hierzu die Quellenangaben im unmittelbar vorangegangenen Abschnitt dieses Kapitels). StAA, LitSlg, 1530, Aug.-Dez., fol. 233r-234r (ad 22.12.) und fol. 241r-242v (ad 27.12.). Musculus war in Augsburg Prediger am Predigthaus bei Hl. Kreuz; vgl. Roth, Reformationsgeschichte III, 544. Neben Keller und Wolfart war Musculus sicher der markanteste und theologisch bedeutendste unter den Augsburger Predigern; seine Biographie und ausfuhrliche Literatur: Wiedemann, Pfarrerbuch, 30; Lohmann, Art. Musculus, Sp. 381ff.; Dellsperger, Art. Musculus, 627f.; Dellsperger, Musculus, 91-103.
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ein weiterer Schüler Martin Bucers, Bonifacius Wolfart149, auf eine Augsburger Predigerstelle berufen. Schon im Februar 1531 kam es unter der Anleitung des Rates und unter Teilnahme aller Prediger zu einer grundlegenden Disputation über das unterschiedliche Abendmahlsverständnis.'50 Hierbei entzweiten sich die beiden Gruppen von Predigern - auf der einen Seite Frosch und Agricola151, auf der anderen Seite Keller, Musculus und Wolfart - endgültig. Aufgrund der Tatsache, daß der Rat auf einen Ausgleich zwischen den Predigern auf einer Konsenslinie des durch Bucer vermittelten religionspolitischen Kurses der Tetrapolitana bedacht war, begünstigte er unwillkürlich die der oberdeutschen Richtung verpflichteten Prediger. Die politische Seite dieser Anlehnung an Bucer bzw. Straßburg war die Unterlassung der Annahme des Reichsabschiedes, wie auch der Confessio Augustana auf dem Reichstag 1530.'" Aufgrund der für sie unerfreulichen Entwicklung suchten Frosch und Agricola bald um ihre Entlassung nach, die ihnen vom Rat auch gewährt wurde. Als Nachfolger dieser beiden wurden zwei neue Straßburger Prediger berufen: Sebastian Maier153 und Theobald Nigri154. Dem letzteren kommt aber keine weitere Bedeutung zu, denn er wurde bald darauf durch Johann Heinrich Held155 ersetzt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen mit den Predigern und dieser Neuberufungen durch den Rat war schließlich eine theologisch übereinstimmende Predigt in Augsburg, zumindest auf den vom Rat zu besetzenden Predigerstellen.156 Gleichzeitig wurde in den meisten Kirchen nach wie vor die altgläubige Meßfeier abgehalten und im Sinne der altgläubigen Kirche gepredigt. Obwohl die Ratsprediger seit Frühjahr 1531 theologisch übereinstimmend predigten, wurde unter der Augsburger Bevölkerung, die sich überwiegend einer der reformatorischen Richtungen angeschlossen hatte, der Konflikt zwischen Wittenberger und oberdeutscher Reformation nach wie vor unvermindert ausgetragen. Zur Beruhigung dieses Konfliktes und zu mäßigender Einwirkung auf diese unterschiedlichen Parteien wurde der Straßburger Reformator Martin Bucer herbeigeholt.'57 Dies geschah auf Veranlassung des theologisch ambitionierten, aber einen moderaten Reformationskurs unterstützenden Augsburger Stadtarztes Gereon 149 150 151
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Prediger an St. Anna und anderen Kirchen; vgl. Wiedemann, Pfarrerbuch, 46. Roth, Reformationsgeschichte II, 14-16. Der Prediger Johann Forster, ein Gesinnungsgenosse Froschs und Agricolas auf der Wittenberger Linie, war zu dieser Zeit nicht in Diensten des Augsburger Rates. Er erhielt erst 1535 eine Predigerstelle in Augsburg; vgl. Wiedemann, Pfarrerbuch, 15. Allerdings trat Augsburg bekanntlich auch der Tetrapolitana nicht bei. Prediger am Predigthaus bei St. Georg; vgl. Roth, Reformationsgeschichte III, 544; Wiedemann, Pfarrerbuch, 28. Wiedemann, Pfarrerbuch, 31 f. Prediger am Predigthaus bei St. Ulrich; vgl. Roth, Reformationsgeschichte III, 546; Wiedemann, Pfarrerbuch, 20. Eine unbedeutende Ausnahme bildet der vermutlich einheimische Spitalprediger an Hl. Geist Michael Weinmair; vgl. Roth, Reformationsgeschichte III, 546. Roth, Reformationsgeschichte II, 18f. und 30, Anm. 75.
87 Sailer. Bucer hielt am 17. Juni 1531 eine Predigt für den Frieden zwischen allen Reformationsanhängern.158 Diese Tätigkeit Bucers in Augsburg hatte jedoch keine anhaltende Wirkung, obwohl sein Einfluß im Hintergrund doch von großer Bedeutung für die reformatorische Entwicklung in Augsburg war. Nach weiterem Eingreifen des Rates zur Vermeidung von Unstimmigkeiten in der Lehre und nachdem im ehemaligen Karmeliterkloster St. Anna die öffentliche Feier des lutherischen Abendmahls ganz verboten wurde, feierten die Prediger Straßburger Provenienz und ihre Anhänger in Augsburg ihren vollständigen Triumph.'59 Doch schon wenig später erhielt durch den Tod Zwingiis und die Niederlage der evangelischen Schweizer im Oktober 1531 bei Kappel die nach Wittenberg orientierte Partei wieder Aufwind. Denn schließlich erforderten diese beiden Ereignisse nach Einschätzung des Rates eine grundsätzliche politische und kirchliche Umorientierung. Doch zunächst verstrich noch einmal einige Zeit, bevor der Rat seine Außenpolitik grundsätzlich änderte. Schließlich hatte man sich 1530 und 1531 den völlig neuen politischen Gegebenheiten anzupassen. Innenpolitisch dagegen gestalteten die Prediger die kirchlichen Zustände in der Stadt, soweit es ihnen möglich war, in ihrem Sinne aus. Obwohl, wie gesagt, der Rat sich aus den Gruppenbildungen der Prediger soweit wie möglich heraushielt, fand doch eine wachsende gegenseitige Durchdringung von Rats- und Predigerinteressen statt.160 Denn durch die Predigttätigkeit besonders des äußerst beliebten Volkspredigers Keller wurden die Rats-, Bürgermeister- und Zunftmeisterwahlen stark beeinflußt. Das hatte zur Folge, daß die Ratsmitglieder mit den Predigern gute Beziehungen pflegen mußten. Dies dokumentiert sich unter anderem auch in der Freundschaft zwischen dem Bürgermeister Ulrich Rehlinger und Michael Keller sowie zwischen dem Baumeister Simprecht Hoser und Bonifacius Wolfart.161 Das hatte aber auch zur Folge, daß die Prediger immer mehr direkten Einfluß auf weltliche Belange nahmen, als dessen Höhepunkt die Eingabe der Prädikanten im Januar 1533 anzusehen ist. Dies geschah sehr zum Verdruß der nach Wittenberg orientierten Anhänger der Reformation in Augsburg, denen eine strikte Trennung zwischen geistlichem und weltlichem Bereich vorschwebte. Denn diese gegenseitige Durchdringung beider Bereiche, nämlich von Staat und Kirche, erfolgte ganz im Sinne Bucers.162
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StAA, LitSlg, 1531, April-Dez. (ad 17.6.): (handschriftl.; Titelseite:) "Sumarion, unnd Innhalt ainer gethanen Sermon, oder Predige Martini Blitzen hie zu Augspurg Auf 17 Juny Anno 1531 geschehen" (darunter als Zitat CA 10 [vgl. BSLK, 64]); Druck: BDS 4, 399-408. Roth, Reformationsgeschichte II, 20 und 51. Roth, Reformationsgeschichte II, 66f. Mörke/Sieh, Führungsgruppen, 306. Zur Auseinandersetzung mit Luther im Jahr 1533 vgl. unten Kapitel 8.3.
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5.4. Die Stellung von Stadtführung und Predigern im regionalen und überregionalen Kontext Mit den oben durch biographische Skizzen eingeführten Personen sind die Entscheidungsträger der Augsburger Religionspolitik der kommenden Jahre vorgestellt. Auf dieser Grundlage sollen zentrale verbindende Aspekte der Einzelbiographien benannt und hinsichtlich ihrer interpretatorischen Bedeutung für die Augsburger Religionspolitik zu Anfang der 1530er Jahre herausgestellt werden. So lassen sich die biographischen Angaben in aussagefähiger Form in das gesellschaftliche Bild der Stadt einbetten, um den Ablauf des reformatorischen Prozesses auch sozialgeschichtlich zu verankern. Es wurde bereits weiter oben darauf hingewiesen, daß der Rat seinem politischen Selbstverständnis nach im Begriff war, sich als Obrigkeit zu etablieren.163 Dieses Phänomen hat seine Ursache auch in den vielfältigen sozialen Beziehungsnetzen der oben genannten Ratsherren.164 Anton Bimmel, Hieronymus Imhof und Georg Vetter sind in das Beziehungsnetz der Welser eingebunden. Ulrich und Wolf Rehlinger erweisen sich trotz zahlreicher Querverbindungen zur Führungsgruppe der Welser, als Teil des 'FuggerNetzes', dem sie freilich durch ihre Haltung zur Reformation zunehmend entfremdet werden. Außerdem stammen sie aus einer auswärtigen Linie der Rehlinger, die familiäre Verbindungen zu Straßburg hat. Außer den herkömmlichen Kategorien sozialer Homogenität spielt seit Beginn der 1530er Jahre gerade die Haltung zur Reformation eine wesentlich zu berücksichtigende Rolle, so gelingt es dem Weber Mang Seitz, ab 1530 in die städtischen Führungsgruppen aufzusteigen.165 Bei der Gruppe der Ratskonsulenten ist neben den gesellschaftlichen Verbindungen innerhalb Augsburgs das Element außerstädtischer Verbindungen verstärkt zu berücksichtigen. Außer Konrad Peutingers familiärer Verflechtung mit den Augsburger Großhandelsfamilien ('Welser-Netz') sind in diesem Zusammenhang die durch ihn seit den 1490er Jahren gestifteten Verbindungen zu den fuhrenden Persönlichkeiten anderer Reichsstädte und insbesondere zum Habsburger Hof bemerkenswert.166 Ähnliches gilt auch für den schon zeitig zum Kammerge-
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Oben Kapitel 3.1. Diese Fragestellung bestimmt den Ansatz der Studie von Jörg Rogge. Der Prozeß der obrigkeitlichen Formierung setzt freilich unter funktionaler Perspektive schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein. Die Institutionalisierung von Obrigkeit setzt erst allmählich Ende des 15. Jahrhunderts ein; vgl. ebd, bes. 168-183. In ihrer Dissertation operiert Sieh-Burens mit vier 'Verflechtungskategorien' (verwandtschaftliche, rechtliche, wirtschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen) und vier 'Beziehungsnetzen' (Welser, Fugger, Herbrot und Seitz) für die politischen Führungsgruppen der Reichsstadt ab 1518. Zur Sonderrolle des Seitz-Netzes vgl. Sieh-Burens, Oligarchie, 116ff. In diesem Zusammenhang instruktiv: Böhm, Reichsstadt, 150-154 и.о.; Steuer, Außenverflechtungen.
89 richtsprokurator avancierten Johann Rehlingen167 Mit der als Folge politischer Auswirkungen in der Haltung zur Religionsfrage zu begreifenden Neuformierung der Führungsgruppen ist die Berufung der Ratskonsulenten Hei, Hagk und Langnauer in Verbindung zu bringen. In diesem Vorgang zeigen sich strukturelle wie inhaltliche Aspekte. Die einsetzende Formierung der Stadtfuhrung zur Obrigkeit korrespondiert mit der Tatsache einer Erweiterung des "Apparates" an Berufsjuristen in Diensten der Stadt. Zugleich ist dies ein Indiz für den Legitimationsbedarf reichsstädtischer Religionspolitik nach dem Reichstag 1530.168 Die in diesem Prozeß an zentraler Stelle entstandenen Gutachten der Jahre 1533/34 sind als Produkte dieser gesellschaftlichen Gegebenheiten zu begreifen. Die innerhalb Augsburgs geknüpften Familienbande der Ratskonsulenten weisen in Richtung einer Versippung der Bildungs- und Administrationseliten mit den oligarchischen Strukturen der Ratsfamilien.169 Die auswärtigen verwandtschaftlichen Verbindungen der neuen Ratskonsulenten weisen darüber hinaus in Richtung städteübergreifener Beziehungen, in deren Zusammenhang auch die im Zuge der Überwindung des "mittleren Weges" verstärkte Kooperation mit Reichsstädten in Religionsfragen zu sehen ist.170 Bei der Gruppe der Prediger schließlich erfahren die bisher dargestellten Verflechtungskonstellationen eine weitere Abrundung. Grundsätzlich ausgeschlossen war in ihrem Fall eine verwandtschaftliche Verflechtung mit den anderen beiden Gruppen reichsstädtischer Entscheidungsträger. Dennoch muß dieser Gruppe bei elementaren gesellschaftlichen Vorgängen und bei der Durchsetzung religionspolitischer Vorgaben der 1520er und 1530er Jahre eine tragende Rolle zuerkannt werden. Denn den Predigern kommt die Brückenfunktion zur Stadtgemeinde und den Zünften zu.171 So pflegten die fuhrenden Stadtväter regen Umgang mit ihnen, wie auch die Prediger ihrerseits zur Stärkung ihres - in ihrer theologischen Auffassung gerechtfertigten - politischen Einflusses den Kontakt zu den Mächtigen der Stadt suchten.172 Auch haben die Prediger hinsichtlich der Kooperation in Religionsangelegenheiten mit anderen Städten eine wichtige Funktion inne gehabt. Unter den Augsburger Predigern waren nicht nur Schüler Martin Bucers aus Straßburg - wie Musculus, Wolfart - , sondern Bucer selbst wurde mehrmals vom 167 168 169
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Böhm, Reichsstadt, Reg. Vgl. hierzu: Sieh-Burens, Oligarchie, 133ff. Als Beispiele können sowohl Konrad Peutinger als auch Johann Rehlinger und Konrad Hei genannt werden, zu letzteren vgl. auch Sieh-Burens, Oligarchie, 79. Aber auch die Schwägerschaft zwischen Johann Hagk und Balthasar Langnauer ist hierbei beachtenswert. Das beste Beispiel hierfür ist die Herkunft Langnauers aus Ulm. Dieser Reichsstadt kommt für die Integration und Stabilisierung der Augsburger Reformation etwa in den Städtebundsverhandlungen der 1530er Jahre eine tragende Rolle zu.
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A u f das Phänomen der Gemeindereformation kann hier nur hingewiesen werden, da sich diese Arbeit hauptsächlich an den normativen Quellen orientiert, die die Ratspolitik innerhalb des pluriformen Prozesses der Augsburger Reformationsgeschichte dokumentieren. Vgl. aber: Blickle, Gemeindereformation, bes. 101-108.
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Über Michael Keller vgl. Sieh-Burens, Oligarchie, 142f.
90 Augsburger Rat um direktes Eingreifen in die Kirchenverhältnisse der Lechstadt ersucht.173 Man gewinnt den Eindruck, daß dieser Umstand nicht nur der um Vermittlung bemühten theologischen Position Bucers zu verdanken ist. Er ist speziell auch in seiner Ekklesiologie und in dem Straßburger Horizont seines Wirkens begründet. Damit ist festzuhalten, daß eine starke Ausstrahlung der Straßburger Reformation auf Augsburg bestanden hat. Eine nachhaltige Wirkung dieses Vorbildes ist in Augsburg jedoch erst Mitte der 1530er Jahre bzw. mit Inkrafttreten der Kirchenordnung 1537 festzustellen. Diese Augsburger Kirchenordnung korrespondierte im großen und ganzen mit den Ordnungen für Straßburg 1534 und Ulm 1531, die beide unter wesentlicher Mitwirkung Bucers entstanden waren. Jedoch war die reformatorische Bewegung in Straßburg174 bis zum Jahr 1534 durch zwei Faktoren wesentlich geprägt, die in Augsburg nicht anzutreffen waren: zum einen durch eine weitgehende Homogenität in der theologischen Ausrichtung der städtischen Reformationstheologen und zum anderen durch eine schon frühzeitig (in internen Phasen 1523 bis 1529) eindeutig am Evangelium orientierten Ratspolitik. Die Stadtfuhrung, in der Person Jakob Sturms, war zudem außenpolitisch seit 1526 an der Korporation der evangelischen Städte interessiert. Ab 1529 war die Bemühung um Anschluß an eine Allianz der protestantischen Stände ein politisches Leitziel, als dessen Abschluß die Einbindung in den Schmalkaldischen Bund gelten kann. Die Entwicklung der Ulmer Reformation' 75 scheint zwar in bezug auf die "Rücksichtnahme auf außenpolitische Zwänge [und] die unentschlossene, in sich uneinige Haltung des Rates"176 mit den Augsburger Verhältnissen vergleichbar, jedoch galt die Stadt den evangelischen Ständen ab 1526 und vollends seit der Protestation von 1529 als bündnisfähig und bemühte sich zudem unmißverständlich um das Zustandekommen eines Städtebündnisses. Deshalb diente Ulm auch bevorzugt als Drehscheibe für Bündnisanfragen aus und an Augsburg' 77
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Dazu auch an anderer Stelle, bes. Kapitel 5.3.; vgl. Greschat, Bucer, 122-126; im Rahmen einer breiten Erörterung der Rolle und Theologie Bucers: Seebaß, Bucer, 479-491; SiehBurens, Oligarchie, 143ff. Die ebd. und an anderen Stellen von Sieh-Burens verwendeten konfessionellen Etikettierungen "zwinglianisch" und "lutherisch", die noch dazu als Konfessionszuweisungen den Augsburger Stadtvätern beigegeben und schon fur die frühe Zeit der Augsburger Reformation (d.h. bis 1534) als Kriterium der 'Netze' verstanden werden, halte ich für problematisch. Stattdessen wird man gerade für Augsburgs religionspolitische Außenverflechtungen einen oberdeutsch-reichsstädtischen Reformationstyp aufweisen können. Vgl. oben Kapitel 3.2.; 4.2. und in Aufarbeitung der theologischen Prämissen Musculus' instruktiv: Ford, Unter dem schein..., 111-129. Rapp, Straßburg, 78-83; Schmidt, Reichsstädte, 33f„ 57-68, 180-206, 324f. Enderle, Ulm, 199-202; Schmidt, Reichsstädte, 307ff. Enderle, Ulm, 200. Vgl. oben Kapitel 4.2.; 8.3.
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Für die Augsburger Bündnispolitik war neben Ulm auch Nürnberg178 entscheidend. Die dortige Reformation war schon 1521/25 als vom Rat ausgehende obrigkeitliche Reformation in Gang gesetzt worden und fand ihre institutionelle Abrundung in der Kirchenordnung 1533. In Nürnberg steuerte der patrizische Rat die "Balancepolitik'" 79 zwischen Evangeliumstreue und Reichstreue in der Innen- wie Bündnispolitik. Durch die prominente Förderung dieses Kurses durch Stadtführung (Lazarus Spengler) und Geistlichkeit (Andreas Oslander) hatte dieser Kurs eine grundlegend andere Qualität als Augsburgs "mittlerer Weg".
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Schindling, Nürnberg, 36-39; Schmidt, Reichsstädte, 51-57, 152-180, 207f. Schindling, 39.
6. Der Auftakt zur reichsstädtischbürgerschaftlichen Reformation 1533 6.1. Die Eingabe der Prädikanten1 Die anhaltende Ablehnung der altgläubigen Predigt von Seiten der Bevölkerung machten sich die reformatorischen Prediger wenige Wochen nach den Bürgermeister- und Ratsneuwahlen, die im Wahlergebnis die Reformneigung der Bevölkerung dokumentierten, in einer Petition vom 21. Januar 1533 zunutze. Die Prediger weisen zu Beginn ihrer Bittschrift auf ihre Berufung durch den Rat vor etwa zwei Jahren hin. Dieser Berufung hätten sie in der Hoffnung Folge geleistet, daß ihre Predigttätigkeit zur Abschaffung des falschen und zur Einrichtung des rechten reformatorischen Gottesdienstes fuhrt. Wenngleich erfolglos, seien sie, als "treue Wächter", dieser Pflicht ihres Amtes und dem damit verbundenen Befehl Gottes nachgekommen. Aus diesem Grund erinnern sie auch den Rat an dessen Pflicht, die falsche Lehre zu beseitigen und die wahre Lehre zu schützen.2 Das in diesen Pflichtenrahmen gefaßte Amt der Obrigkeit ergibt sich aus der im Text vollzogenen Identifizierung der Bürgergemeinde als Christengemeinde. Deutlich benennen die Prediger daraufhin den Umfang der von ihnen geforderten Maßnahmen: Altgläubige Lehre und Predigt sollen in der ganzen Stadt
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StAA, EWA-Akten Nr. 487, fol. lr-3r (Eingabe) und fol. 3v-4v (Rede); LitSlg, 1533, Jan.Juli (ad 21.1.) (Eingabe); Reichsstadt, Geh. Ratsbücher Nr. 3 (1530-1537), fol. 88r/v-89r (ad 21.1.33); Text der Eingabe im Druck vgl. Wolfart, Reformation, 127-130 (Beilage I), Text der Rede vgl. Roth, Reformationsgeschichte II, 135f. Wolfart, Reformation, 28f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 107; Moeller, Disputationen II, 336; Broadhead, Politics, 330. "(fol. lr) ... wie dann auch Ε. E. W. ainer löblichen Oberkait ampt ist, ob der gesunden leer, mutig halten, dieselbigen rethen, schützen unnd schirmen, die bey iren unterthanen offenlich zuuerlestern nit gestatten, die Unrechte leer und unuertediglichen falschen Gotsdienst irer gemain, weihe gottes ist, die Er mit seinem plut erkauft, und Euch auffseher, unnd wechter darüber gesetzt hat, kains wegs lassen furtragen, damit die ainfaltigen nit gift fur honig, das ist schedliche leer fur das (fol. lv) wort gottes, die verderplich lugen fur die hailsam warhait anneme, sonnder alles, so der hailligsamen leer zuwider, straffen und abstellen, nach dem Ewangelion der herlichait des seligen gottes, 1. Timoth. 1. Also möchtenndt beyainannder bestan, frumme Oberherren und getrew Predicanten und das Reich Christi bey Euch in Eur stat und gemein, sambt bürgerlichem frid und ainigkait herlich uffgan". "(fol. 2r) Ob aber ain Ersamer rat mainen wolt, das solhs zethun seinem ampt nit zustiende oder der nit macht hette, soll er warnemen, das got den vorsteern seins volcks bevolhen und hart gepotten, mit hohem vleis zuuerhuten, das si kain falsche leer seinem wort zewider einwurtzlen oder eingefiert lassen werden ...".
93 verboten werden, d.h. unter Einbeziehung auch der dem Bischof unterstehenden Kirchen und Klöster.3 Anschließend beschwören sie ganz gezielt die Gefahren der Uneinigkeit fur die Stadt. Sicherlich wußten die Prediger genau, daß sie damit einen wunden Punkt treffen. Denn vor exakt diesen Gefahren fürchtete sich die Augsburger Obrigkeit schon seit Beginn der reformatorischen Bewegung. Die religiöse Uneinigkeit, so befürchtete man, lasse die sozialen Unterschiede offen und gewaltsam hervortreten. In der jüngsten Vergangenheit gab es dafür in der Stadt zur Zeit des Bauernkrieges und der Täuferbewegung warnende Vorbilder. Um dies zu verhindern, wurde der Rat eindringlich ersucht, die altgläubigen Prediger zu einer Disputation aufzufordern. Für den Fall, daß diese sich weigerten, der Aufforderung nachzukommen, müßten sie gezwungen werden, ihre Predigten einzustellen. Wenn der Rat es allerdings unterlasse, in diesem Sinne zu handeln, dann drohten die Prediger, würden sie selbst die altgläubige Predigt von der Kanzel herab bekämpfen. Die Maßnahmen, die die Prediger in dieser Eingabe vom Rat forderten, sahen sie formal durch göttliches Recht legitimiert und überfällig.4 Ihrer Ansicht nach hatte der Rat nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht zum Einschreiten.5 Inhaltlich sahen die Prediger ihre Ansicht von der Widergöttlichkeit der altgläubigen Lehr- und Predigttätigkeit zum einen in der heiligen Schrift bestätigt. Zum anderen interpretierten sie die ausgebliebene Reaktion auf ihr schriftliches Gesuch an den Domprediger zu einer Disputation als Scheu vor der Wahrheit und damit als unausgesprochenes Eingeständnis für den gotteslästerlichen Charakter der altgläubigen Praxis. Aus diesem Grund bitten sie den Rat, die altgläubigen Prediger zu einer Disputation aufzufordern oder andernfalls gegen diese einzuschreiten. Bei der Übergabe dieser Eingabe hielt der Prediger Sebastian Maier an den Dreizehnerrat eine Rede, in der er ausdrücklich noch einmal darauf hinwies, daß die im Text genannten Forderungen nicht mehr ungehört bleiben dürften. Schließlich sei der Rat verpflichtet, den seit den Reichstagen 1530 und 1532 - das heißt der zweimaligen Verweigerung eines Reichsabschiedes in Religionsangelegenheiten - beschrittenen Weg konsequent weiterzugehen. Der Kleine Rat reagierte auf diesen massiven Vorstoß der Prediger zunächst nur, indem er sich Bedenkzeit erbat.6 Mit dieser Reaktion wollte sich der Rat sei3
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"(fol. 2r)..., damit aufs furderlichst alle widerwertige leer, und predigen, so zu unnser frawen, auch in anndern euer stat pfarren, unnd clöstem, noch vorhannden, abgeschaft werden". Von einem Verbot der altgläubigen Meßfeier, wie es 1537 durchgeführt werden wird, ist hier also noch nicht einmal seitens der Prediger die Rede. "(fol. 3r) dann es ist grosse zeit." "(fol. 2v) Dieweyl dann euer E. F. W. alles so zu der Eeren Gottes, gehorsam der oberkait, liebe in der gemain, und der seelen hail dienstlich und furderlich, amptshalb zufurdem schuldig, und dessen aus obgemelten Ursachen, gut fug und recht haben." StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 4v.
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ner von den Predigern geforderten Verantwortung sicherlich nicht nur elegant entziehen und untätig bleiben. Eine solche Unterlassung wäre angesichts des Zulaufs der Bevölkerung zu den Ideen der Reformation nicht durchzuhalten gewesen. Vielmehr ließ man damit durchblicken, daß man sich auf gründliche Beratungen einstellen wollte, die einer Umsetzung der Forderungen nach Änderung des religiösen Lebens in der Stadt vorausgehen sollten.7 Andererseits war man sich im Kleinen Rat vermutlich nicht im Klaren darüber, inwieweit man innenpolitisch in der Lage war, über die Köpfe der Mitglieder des Großen Rates hinweg Entscheidungen zu fällen und Richtlinien in der Religionsfrage festzusetzen.8 Hinzu kamen noch die Bedenken, ob und wie Augsburg die Änderungen im religiösen Leben nach außen politisch zu vertreten und zu behaupten in der Lage war. Diese Reaktion des Kleinen Rates zeigt außerdem, daß der Rat gewillt war, die Zügel der Kirchenpolitik wieder in die eigenen Hände zu nehmen, nachdem die Prediger eine Zeit lang auf die Gestaltung der Kirchenpolitik in Augsburg einen großen Einfluß genommen hatten, der zweifellos seinen Höhepunkt in den oben erwähnten Forderungen der Eingabe vom 21. Januar 1533 erreicht hatte.
6.2. Der Religionsausschuß und sein Auftrag Nach dem Vorbild anderer Städte wurde aus unmittelbarem Anlaß der Prädikanteneingabe vom 21. Januar 1533 in den folgenden Tagen zur Beratung über die Religionsfrage ein Ausschuß gewählt.9 Die Mitglieder dieses Religionsausschusses waren zugleich die Inhaber der höchsten Stadtämter.10 Der Tatsache der Einsetzung dieses Religionsausschusses sowie die in Frage kommenden Namen der Mitglieder erinnern dabei an die Bildung des Ausschusses am 23. Dezember 1530 zur Regelung der aus dem Ende des Reichstages er-
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Roth, Reformationsgeschichte II, 108. Dasselbe Spannungsverhältnis hinsichtlich bestimmter Kompetenzen bestand natürlich auch zwischen dem Kleinen Rat und dem Dreizehnerrat. StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 4v. Roth, Reformationsgeschichte II, 128, Anm. 34 vermutet die folgenden Namen: Ulrich Rehlinger und Mang Seitz, die zugleich das Bürgermeisteramt bekleideten, Hieronymus Imhof und Simprecht Hoser, die gleichzeitig das Baumeisteramt innehatten, sowie der Einnehmer Stephan Eiselin und Wolfgang Rehlinger. Roth, der von einer starren Sechszahl ausgeht, kann diese Vermutung allerdings nur aufgrund analoger Ämterverteilung zum späteren Geheimen Rat begründen. Dagegen habe ich einen konkreten, wenn auch nicht ganz zufriedenstellenden Quellenhinweis gefunden, wobei dann die Annahme einer alljährlich gleichen Anzahl von Ausschußmitgliedern fallen gelassen werden muß: WGA, Fase. 1: Ulrich Reh-linger (Bürgermeister), Mang Seitz [der Name ist nachgetragen] (Bürgermeister), Hans Haintzel (Einnehmer), Simprecht Hoser (Baumeister) und Stephan Eiselin (Einnehmer).
95 wachsenen Probleme." Dem Ausschuß oblag damals die Rückberufimg der evangelischen Prediger in die Stadt. Aus der bedauerlicherweise spärlichen Aktenlage zu diesem Ausschuß ergibt sich, daß einige wichtige Fragen über seine Zusammensetzung, Arbeitsweise und Bevollmächtigung unbeantwortet bleiben müssen. Außerdem ist die Terminologie zu den einzelnen Ratsgremien nicht eindeutig. Folgendes kann jedoch mit einiger Sicherheit festgehalten werden: Der jeweilige Religionsausschuß bestand aus Mitgliedern des Dreizehnerrates, war jedoch nicht mit diesem identisch.12 Somit standen seine Mitglieder jeweils auch in leitenden Ratsämtern. Ob die Neubesetzung des Ausschusses jährlich jeweils nach den Neuwahlen geschah, läßt sich nicht klären. Die Annahme einer Einrichtung des Geheimen Rates, der schon 1534 die Kompetenzen des Dreizehnerrates hinsichtlich der durch die Religionsentscheidung fälligen Neuorientierung der Bündnispolitik übernommen hat13, halte ich für nicht ausreichend belegt: In den Quellen ist mitunter von den "Dreizehn Geheimen Räten" die Rede.' 4 Die Einrichtung des Religionsausschusses scheint sich politisch soweit konsolidiert zu haben, daß erstmals 1536/37 in den Ratsprotokollen von seinen Mitgliedern als den "6 Geheimen Räten", die "wie bißher ... in Religion und anderen Sachen ... beratschlagen", namentlich die Rede ist.'5 Auf der Basis dieser Überlegungen können auch die bereits genannten Personen als Mitglieder angesehen werden.16 Auf dieser Grundlage lohnt es sich außerdem festzuhalten, welche Personen im Zusammenhang mit dem Religionsausschuß und seinem Aufgabenbereich (z.B. auch für die Bündnispolitik) in den Jahren 1530 bis 1537 immer wieder auftauchen.17 Es sind, wie aus dem Ratsämterbuch zu ermitteln ist, die fuhrenden politischen Männer, die zugleich eine durchgreifende Reformation des kirchlichen Lebens nach oberdeutschem Vorbild unterstützen: Ulrich Rehlinger, Mang Seitz und Simprecht Hoser. Diese drei Männer waren eben auch als Bürgermeister bzw. Baumeister Mitglieder des Religionsausschusses im Jahr 1533.
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Vgl. oben: Kapitel 5.1.1. In der Quelle von 1530 ist von 7 Ratsherren die Rede! Irreführend ist hier der Eintrag im Augsburger Stadtlexikon, Geffcken, Art. Ratsausschüsse, 297f.; vgl. aber: StAA, Repertorium Nr. 35/1: Ämterbesetzungen des Rates; Schätze, Nr. 49a. Broadhead, Politics, 355 gibt für seine These Briefe an, die in der angegebenen Quelle aber nur als Kanzleiabschriften der tatsächlich abgeschickten Briefe überliefert sind (d.h. natürlich ohne Siegel und vollständigem Absender). Unter anderem StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez.; Jan.-Mai (z.B. 26.4., 29.4., 13.5.); Nachtrag 1532/36(26.11.34). StAA, Reichsstadt, Ratsbücher Nr. 16, fol. 132 (ad 1. Okt. 1537): Folgende sechs Personen waren als Dreizehnerratsmitglieder zugleich mit Religionsangelegenheiten betraut: Hans Welser, Mang Seitz, Wolfgang Rehlinger, Hans Haintzel, Ulrich Rehlinger und Simprecht Hoser. Roth, Reformationsgeschichte II, 128, Anm. 34. Die Namen vgl. mehrfach in der politischen Korrespondenz (als Absender und Adressaten), z.B.: StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez.
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Die einzige Quelle18, die von der Arbeit dieses Ausschusses im Jahr 1533 berichtet, gibt nur Auskunft über die Bedenkzeit, die sich der Rat bei der Übergabe der Bittschrift der Prediger am 21. Januar 1533 erbeten hatte, erzählt in knappen Worten von der Wahl des Ausschusses und einer mehrfachen Umgestaltung seiner personellen Zusammensetzung. Leider kann dieser interessante Hinweis nicht näher ausgewertet werden, da hierfür jede weitere Quellengrundlage fehlt. Denn auch die oben genannten abschließend ausgewählten Mitglieder konnten - wie erwähnt - für 1533 nur indirekt erschlossen werden. Für die Arbeit des neu zusammengetretenen Ausschusses waren mit Rücksicht auf die aktuellen inneren und äußeren politischen Gegebenheiten einige grundlegende Einsichten entscheidend, von denen zwei entscheidend sind:19 1. Die von den Predigern geforderte Abstellung der altgläubigen Predigt allein wäre nur eine Halbheit, vielmehr müsse das gesamte altgläubige Kirchenwesen abgeschafft werden. 2. Diesem umfassenden Vorhaben standen aber die dem Kaiser gemachten Zusagen von 1530 im Weg.
6.3. Die Gutachtenaufträge des Religionsausschusses Aus den beiden oben genannten politischen Überlegungen heraus erteilte der Religionsausschuß, durch eine Ratsinstruktion20 ermächtigt, den städtischen Rechts18 19
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StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 4v. Roth, Reformationsgeschichte II, 108f. Die einleitenden Absätze der im nächsten Abschnitt dieses Kapitels eingehend dargestellten Ratsinstruktion bilden das Quellenfundament zu dieser Feststellung. Roth, Reformationsgeschichte II, 137-140 teilt die Instruktion als Beilage mit. In einer Anmerkung dazu vermerkt er: "Diese I n s t r u c t i o findet sich in einem dem "evang. Collegio" gehörenden Sammelband: Acta e c c l e s i a s t i c a et p o l i t i c a A u g u s t a n a , o r d i n e c h r o n o l o g i c o d i g e s t a , der mir nicht zugänglich war. Wir teilen sie mit nach einer Abschrift, die L u d w i g G r e i f f in seinem auf der Bibl. des hist. Vereins für Schwaben und Nbg. aufbewahrten C o l l e c t a n e e n b a n d zur A u g s b u r g e r e v a n g . K i r c h e n g e s c h , angefertigt hat." Anhand dieser für eine archivalische Suche dürftigen Angaben war es mir zunächst nur gelungen, den Greiffschen "Collectaneenband ..." zu ermitteln (StAA, Historischer Verein, N 7, pag. 242-247). Es handelt sich dabei um einen Folioband, in dem zwischen 1848 und 1868 gesammelte und handschriftlich abgeschriebene Manuskripte zur protestantischen Kirchengeschichte Augsburgs zusammengebunden sind. Als Lehrer im St. Anna Gymnasium hatte Ludwig Greiff (1808-1876) wohl ungehinderten Zugang zu den Beständen des alten Evangelischen Wesensarchivs, das im Schulkomplex bei St. Anna gelagert war. Sein Bruder Benedict Greiff, ursprünglich ebenfalls Lehrer bei St. Anna und später Unterbibliothekar der Kreis- und Stadtbibliothek, war ein leitendes Mitglied des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg. Auch er stellte einige Bände zur protestantischen Augsburger Kirchengeschichte zusammen (vgl.: StAA Einwohnermeldearchiv, Familienbogen und Nekrolog im 35. Jahresbericht des HVSuN 1872, XXXIXf.).
97 gelehrten und weiteren Vertrauensmännern21 den Auftrag zur Erstellung von Gutachten. In dieser Instruktion wünscht sich der Rat ausdrücklich eine gründliche Erörterung der vorgelegten Fragen, als deren Ergebnis der Ausschuß eine schriftliche Entscheidung ausarbeiten und vorlegen sollte. In der Instruktion wurde sodann dieser Phase der Beratungen ein zeitliches Limit gesetzt. Der Große Rat oder zumindest der Dreizehnerrat sollten auf der Basis des Ausschußbeschlusses eine Entscheidung noch vor dem nächsten Treffen des Schwäbischen Bundes22 fällen können. Ursprünglich war gemäß dieser Ratsinstruktion geplant, daß die Gutachter zu neun Punkten bezüglich der kirchlichen und rechtlichen Verhältnisse in der Stadt Stellung nehmen sollten. Die Kernfrage, von der eine Beantwortung weiterer Detailfragen abhängig gemacht wurde, lautete: "Ob einem Rat als einer weltlichen Obrigkeit dieser Stadt Augsburg gebührt, in Sachen die Religion und den heiligen Glauben berührend Handlungen, Änderungen und neue Ordnungen aufzurichten und zu halten oder nicht." Diese Frage nach der moralischen, juristischen und machtpolitischen Berechtigung der Reformation durch die reichsstädtische Regierung und auch ihrer Durchsetzbarkeit gegen innere und äußere Widerstände ist das Grundthema der Reformation, seitdem Mitte der 1520er Jahre die ersten Reichsstädte mit der Änderung des kirchlichen Lebens begonnen hatten. Nach jahrelangem politischen Taktieren wegen dieser Frage vollzog der Augsburger Rat unmittelbar nach dem Ende des Reichstages 1530 einen ersten öffentlichen Schritt, um sich vom altgläubigen Lager zu distanzieren. Nach den ganzen inneren Entwicklungen während der Jahre nach 1530 war nun die Zeit fur weitere Schritte
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Die in dieser wichtigen Sekundärquelle aus dem 19. Jh. gegebene Datierung auf "1537" ist von späterer Hand schon in "1534" korrigiert. Greiff hat sich hier geirrt bzw. verschrieben, denn die Jahreszahl muß natürlich in "1533" berichtigt werden. Friedrich Roth zitiert aus dieser Vorlage seine Quellenbeilage jedoch ohne Einleitung und Schlußabsatz. Später fand ich doch noch die "Acta ecclesiastica ..." (WGA, Fase. 1), die zuletzt Ludwig Greiff als Quellenvorlage gedient hatte. Es handelt sich dabei um eine zeitgenössische Abschrift aus dem 16. Jh. (die Handschrift gleicht dexjenigen aus StAA, EWA-Akten, Nr. 487, worin die anderen unmittelbar mit dem Religionsausschuß und den Gutachten zusammenhängenden Texte in Abschrift überliefert sind). Über die Vorgehensweise im Religionsausschuß gibt die somit älteste ermittelbare Quelle folgende Auskunft: WGA, Fase. 1: "Anno 533 Cxxxiij Diese Instruktion ist uff 19. Febrij durch die vier herren des ußschuß berattschlagt in des Herrn B[ürgermeister]s haus, unnd sein alle art. oder fragen zugelassenn, aber allain die personen den die fragen zuerörtern beuolhen worden allein sein geenndert worden, also das der vorderst art beuolhen wudt den vier herrn doctorn." Zu den im Zitat erwähnten Ausschußmitgliedern vgl. die im unmittelbar vorausgegangenen Abschnitt erfolgten Überlegungen zu dessen Zusammensetzung. Zur Zuteilung der einzelnen Fragen zu den vorgeschlagenen Bearbeitern siehe gleich unten! Im Text der Instruktion sind genannt (vgl. Roth, Reformationsgeschichte II, 139f.): die 4 doctores Konrad Peutinger, Johann Rehlinger, Konrad Hei und Balthasar Langnauer; die 3 Syndici Wolf Vogt, Haimprand Edelmann und Johann Hagk; der Ratsschreiber (Martin Haiden); der Gerichtsschreiber (Franz Közler). Am 20.4.1533 ging es in Augsburg um eine Ablehnung oder Zustimmung zur Verlängerung des Bundes.
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überreif. Dies äußerte sich vor allem in dem Drängen der evangelischen Prediger. Doch ist es wohl für Augsburg charakteristisch, daß diese Frage zunächst nur innerhalb der Ratsgremien verschwiegen behandelt wurde. Aus dieser Tatsache darf man vielleicht schließen, daß es der Augsburger weltlichen Obrigkeit weniger um die Bewahrung kirchlicher oder gar theologischer Prinzipien ging, sondern daß hinter der Frage nach einer Veränderung in diesem Bereich die Unsicherheit stand, ob die weltliche Obrigkeit durch solches Tun ihren eigenen reichsrechtlichen Stand gefährde.23 Entsprechend gestaltete sich auch die Auswahl und Formulierung differenzierender Fragestellungen für die Gutachter. Sofern nämlich die Grundfrage von den Gutachtern bejaht würde, sollten folgende neun Punkte bzw. Fragen im einzelnen behandelt werden: 1. Wie kann der Zwiespalt der ungleichen Predigten abgestellt werden? 2. Die Erstellung einer Liste der falschen Gottesdienste. 3. Welche falschen Gottesdienste sollen an welchen Orten, wann und wie abgeschafft werden? 4. Wie soll der Rat mit den beweglichen und unbeweglichen Gütern der Klöster, Kirchen und Pfründen umgehen? 5. Wie kann die Unordnung der "frevenlichen Heirat" in Augsburg, aus der dem Rat üble Nachrede entsteht, beseitigt werden? 6. Die Erstellung einer Liste von Gefahren, die dem Rat und der Stadt an Leib und Gut beim Vorhaben einer Reformation drohen. 7. Wie können diese Gefahren für Leib und Gut verhütet werden und welcher Stellenwert kommt den einzelnen Gefahren zu? 8. Kann sich die Stadt Augsburg auch des kaiserlichen Landfriedens bezüglich der Religion erfreuen, der den Schmalkaldischen Bundesverwandten zugute kam? Oder wie kann man sich anders der kaiserlichen Gnade versichern? 9. Welche Bündnisse kann Augsburg eingehen, nachdem es eine Religionsänderung vorgenommen hat? Nicht theologisch differenzierte Positionen sind das Thema dieser einzelnen Fragestellungen, sondern sie handeln allesamt von der Aufrechterhaltung der inneren und äußeren gesellschaftlichen Ordnung als deren Teil selbstverständlich auch das kirchliche Leben verstanden wird.
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So drohte u.a. die Gefahr eines Prozesses am Reichskammergericht. Dies war im Reichstagsabschied vom 19. November 1530 unter Hinweis auf die kaiserliche Forderung nach Einhaltung des Wormser Edikts ausdrücklich angedroht worden; vgl. Kastner, Quellen, Nr. 158, 516ff., bes. § 59ff.; Smend, Reichskammergericht, 138-150. 1530/31 waren u.a. Prozesse gegen Ulm (Enderle, Ulm, 201) und Konstanz (Vögeli, Schriften I, 441 mit Anm. 983, 467), schon seit 1524 gegen Straßburg (Rapp, Straßburg, 83), am Reichskammergericht anhängig.
99 Zu einzelnen oder mehreren dieser neun Punkte sollte ein bestimmter Gutachter, der zu entsprechenden Punkten bzw. spezifischen Fragen besonders qualifiziert schien, seine Stellungnahme abgeben.24 Die durch die Fragestellungen des Rates vorgegebene Richtung rechtfertigt es, daß bei der folgenden Darstellung der Schwerpunkt auf diejenigen der eingereichten Gutachten gelegt wird, die von den fünf volljuristisch ausgebildeten und bereits vorgestellten Persönlichkeiten (Peutinger, Rehlinger, Hei, Langnauer und Hagk) erstellt wurden. Nur diese "fünf Ratschläge" wurden auch in der weiteren Diskussion über die Religionsfrage vom Rat für die Entscheidungsfindung tatsächlich berücksichtigt.25 Im Schlußabsatz des Quellentextes26 befindet sich ein Hinweis, wonach die Arbeitsaufträge zu den neun Punkten am 19. Februar 1533 an die Gutachter übergeben wurden. Anschließend ist bereits eine von der obengenannten Aufstellung abweichende Zuteilung der neun Punkte auf die jeweiligen Bearbeiter dem Text zu entnehmen. In dieser hinsichtlich der Gutachter überarbeiteten Ergänzung tauchen unter anderem die vorerwähnten Syndici Wolf Vogt und Heimprand Edelmann als Gutachter nicht mehr auf. An dieser Stelle hört die quellenmäßige Überlieferung bezüglich der Gutachtenaufträge des Ausschusses auf. Anknüpfen läßt sich hier nur mit Kanzleiabschriften von zwei wörtlich erhaltenen Gutachtenaufträgen27 an Konrad Peutinger und Konrad Hei. Für den Inhalt und die Formulierung dieser Aufträge hat zweifelsfrei die ursprüngliche Ratsinstruktion als Vorlage gedient, jedoch ist nur in diesen beiden Fällen der tatsächliche Wortlaut der Fragen an die Gutachter überliefert.
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Zu diesem Zweck wurden in die Ratsinstruktion teilweise kurze Charakterisierungen zu Wesensart und Arbeitsweise der Gutachter abgegeben. Zu Konrad Peutinger heißt es z.B., daß er jemand sei, "der die ainigkait zu furdern allweg in sonnder genaigt gewesen und noch ist" (StAA, Historischer Verein, N 7, pag. 245). Die allgemeine Ein- und Hochschätzung von Peutingers Ausgleichspolitik fließt hier deutlich mit ein. Konrad Hels Beharrlichkeit in der Arbeit war offenbar den Regierenden auch bewußt, denn er sollte mit einem Punkt beauftragt werden, dessen Bearbeitung "ain[en] sonder ungesparten vleis erfordert" (ebd., pag. 246). Auch Johann Rehlingers juristisches Geschick spiegelt sich in der Äußerung, daß er "in solchen Sachen [= kaiserl. Gnade u. ä.] zuraten hochberumbt, geübt und erfaren ist" (ebd., pag. 246). Vgl. dazu Roth, Reformationsgeschichte II, 139f. StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 6r. Die von Broadhead, Politics, 309 geäußerte Vermutung, daß zunächst nur die drei Gutachter Peutinger, Rehlinger und Hei beauftragt und, erst nachdem diese Gutachten nicht im Sinne des Rates ausfielen, weitere Aufträge erteilt wurden, kann aufgrund der oben dargelegten Quellenlage nicht bestätigt werden (vgl. dazu besonders auch den Hinweis auf die vier Doktoren in der oben ausführlich vorgestellten Quelle WGA, Fase. 1). Die Notiz im Langnauer-Gutachten, daß ihm "kurtzverschiner zeit" der Gutachtenauftrag erteilt wurde (StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 22, fol. lr), ist als sehr relative Zeitangabe kein ausreichender Beleg fur diese Vermutung. WGA, Fase. 1; StAA, Historischer Verein, N 7, pag. 247 (vgl. hierzu und zum Folgenden die Quellenzitate weiter oben). Peutinger: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 56; Hei: ebd., Nachtrag I, Nr. 17.
100 Der Auftrag an Peutinger enthält drei Fragen. Die erste dieser Fragen ist die bereits oben wiedergegebene Grundfrage nach dem Reformationsrecht der Obrigkeit. Die zweite Frage28 nach der Abschaffung der theologisch unterschiedlichen Predigten in der Stadt wurde Peutinger gestellt, weil man von ihm einen tragfähigen Ratschlag zur Wiederherstellung der einheitlichen Predigt erwartete. Peutinger schien besonders geeignet für die Beantwortung dieser speziellen Frage aufgrund seines allgemein bekannten diplomatischen Geschicks zur Überwindung der Spaltung in der Bürgerschaft, wobei er immer das Wohl Augsburgs im Blick hatte. Schließlich hatten die "ungleichen und widerwärtigen Predigten" in den letzten Jahren sehr am Selbstbewußtsein der Reichsstadt und am Zusammenhalt der Bürgerschaft gerüttelt. Somit erscheint es also nur allzu verständlich, Peutinger diese Frage begutachten zu lassen. Aber es verwundert doch auch, daß - abgesehen von seiner Erfahrung - ein Mann damit beauftragt wird, dessen tiefgreifende Skepsis für die Umsetzung kirchlicher Reformen in den letzten Jahren allgemein bekannt war. Der Rat hatte sich nach dem Scheitern der Politik des mittleren Weges (also seit 1530) nachweisbar von dem politischen Ratschlag Peutingers immer mehr entfernt. Es ist zu vermuten, daß bei der Entscheidung, Peutinger diese - für das politische Leben der Stadt entscheidende - Frage zur Begutachtung vorzulegen, das Mißtrauen gegen seine überaltete Position zurücktrat zugunsten der Hoffnung auf ein ausgewogenes Urteil für eine friedliche politische Zukunft Augsburgs. Wie anzunehmen ist, steht also auch hinter dieser Frage nach der Überwindung der Spaltung bei den Predigten in Wirklichkeit die Frage nach Aufrechterhaltung der politischen Ordnung. Dieser Umstand rechtfertigt auch, warum man trotz kirchenpolitischer Diskrepanz einen Mann wie Peutinger mit dieser Gutachtenfrage beauftragt hat. Mit Recht erwartete man von ihm eine Stellungnahme im Sinne der herrschenden Kräfte, deren oberstes Ziel eine Verfestigung ihres innenpolitischen Machtanspruches war. Hinter der dritten Frage29 nach einem geeigneten Bündnissystem stand die Furcht der Augsburger, daß eine Änderung des kirchenpolitischen Kurses der Stadt den wirtschaftlichen Wohlstand und die politische Unabhängigkeit gefährden könnte. Hier war Peutinger unter allen Umständen der geeignete Mann für ei-
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 56: "Durch was weg und in was gestalt, der zwispalt der ungleichen und widerwertigen Predigen mag abgestelt werden, so die widerwertigen Predigen nit allain in den geistlichen, Sonnder auch in weltlichen Sachen, mercklich zerruttungen geperen". StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 56: "... mit weme unnd in was gestalt die statt augspurg sich in Vereinigung unnd pundtnis begeben soll, Darbey Augspurg unangsehen irer furgenommen enndrung unnd ainer newen Ordnung sich gwißer unverzigner hilf versehen unnd getrösten mög. Also das ain Copy ainer verainigung, welher maßen die Statt Augspurg nach gestalt irer Sachen, sich mit N. und N. verpinden solt, vergriffen und wolbedechtlich furgearbait werden mocht."
101 ne fundierte Stellungnahme. Denn niemand verfugte über eine so reiche Erfahrung wie er, wenn es darum ging, das politische Kräftespiel richtig einzuschätzen. Auch der Gutachtenauftrag an Konrad Hei30 besteht aus drei Fragen, deren erste wiederum die Grundfrage nach dem Reformationsrecht der Obrigkeit ist. Die zweite an ihn gestellte Frage31 betrifft die Unordnung der Heirat. Im Zuge der reformatorischen Bewegung war in Augsburg, ebenso wie in anderen Städten, durch das Lossagen von der bischöflichen Ehegerichtsbarkeit eine Rechtsunsicherheit bezüglich gültiger Eheverbindungen entstanden. Dieses Vakuum wurde wohl häufig ausgenutzt. Der Auftrag zu dieser Frage war jedenfalls aufs Engste mit der Grundfrage nach dem Reformationsrecht der weltlichen Obrigkeit verbunden. Denn bei positiver Beantwortung der Grundfrage ergibt sich von selbst, inwieweit die weltliche Obrigkeit in einzelnen kirchlichen Angelegenheiten, wie eben der Ehe, berechtigt ist, Ordnungen zu erlassen. Die dritte an Hei gerichtete Frage32 beschäftigte sich mit den Gefahren für Leib und Gut. Bei der Analyse dieser beiden erhaltenen Gutachtenaufträge hat sich gezeigt, daß die Fragestellungen beinahe wörtlich mit den entsprechenden Artikeln der ursprünglichen Ratsinstruktion an den Ausschuß übereinstimmen. Die Aufteilung auf die Gutachter - auch dies bestätigen die Abschriften der Originalaufträge folgt der überarbeiteten Ergänzung dieser Instruktion. Als Quellengrundlage müssen nun aber die Gutachten selbst zur Hand genommen werden.
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 17: "Ains Erbam Rats ußschuß ... beuilcht von rats wegen, dem Herren Doctor Conrad Helen, und pit, das Er uff die nachgeschribnen fragen sein Rat unnd gut beduncken zum furderlichsten vergreuffen ... wolle." (fol. lr). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 17: "nach dem usserhalb Augspurg von Fürsten und herren vil mer dann alhie von den Unordnungen der frevenlichen heirat, ains erbarn Rats halb gantz schimpflich geredt wurdt, die ains tails also offenbar sein, das von unnöten ist, die zubestimmen, so soll der her Doctor Hei beratschlagen, wie ain Rat in solchen verganngnen oder gegenwertigen und künftigen feilen ain einsehen haben soll, damit ainem erbarn Rat und gemainer Statt nachred, spot und verklainung furkommen werde." StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 17: "Was gevarlichaiten leibs und guts ainem erbarn Rat und gemainer Statt uff dem vorhaben ainer enndrung steen, soll der her doctor hei mit vleiss und nach lenngs erwegen, verzaichnen und auch uberanntwurten."
7. Die Gutachten der reichsstädtischen Juristen Im folgenden Kapitel sollen die Gutachten der reichsstädtischen Ratskonsulenten Konrad Peutinger, Johann Rehlinger, Konrad Hei, Johann Hagk und Balthasar Langnauer eingehend behandelt werden. Sie bieten in Ergänzung zu den biographischen Skizzen der Gutachter ein anschauliches Bild vom Urteilsvermögen der Verfasser. Da die Gutachten eine detaillierte Kenntnis der Rechtsverhältnisse bezüglich einer Kirchenreform in Augsburg reflektieren, bildet ihre eingehende Analyse das Kernstück der vorliegenden Arbeit. Denn diese fünf Gutachten erschöpfen sich nicht in theologischer und ephemerer Polemik, wie manch andere Traktate und allgemeine Streitschriften, die zusätzlich im Zusammenhang mit den Augsburger Vorgängen der Jahre 1533/34 erhalten geblieben, aber nicht im offiziellen Auftrag des Rates entstanden sind. Zu jedem Gutachten wird zunächst ein den Inhalt paraphrasierender Überblick über den Gutachtentext gegeben, der die Gedanken und logische Struktur des Gutachtens nachvollzieht (Engdruck). Daran schließt sich eine Charakterisierung des Textes an, in deren Zusammenhang auch die Vollständigkeit der Bearbeitung des Gutachtenauftrages durch den jeweiligen Gutachter geprüft wird. Außerdem wird der Versuch gemacht, die Benützung schriftlicher Vorlagen durch den Gutachter soweit wie möglich nachzuweisen. Darüber hinaus werden die zentralen Themen und Probleme in den Gutachten unter der Fragestellung gewürdigt, wie kritisch das Urteil und die Ergebnisse des Gutachters hinsichtlich des Auftrages ausfallen. In einem dieses Kapitel abschließenden Abschnitt wird versucht, die Ergebnisse der einzelnen Gutachten bezüglich des reichsstädtischen Reformationsrechtes nach ihrer Überzeugungskraft zu vergleichen und gegeneinander abzuwägen. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Peutinger-Gutachtens, das als politisches Vermächtnis des großen Augsburger Humanisten verstanden werden darf, ist dieser Text im Anhang erstmals ediert.1 Nur im Falle dieses sehr bedeutenden Textes ergänzen sich also die in diesem Kapitel anschließenden Ausführungen mit der Wiedergabe des gesamten Gutachtentextes, an den sich ein Nachweis aller Zitate und Paraphrasen anschließt.
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Siehe unten S. 225-271.
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7.1. Das Peutinger-Gutachten2 Das vorliegende Gutachten ist der bei weitem umfangreichste Text, der zur Anfrage des Ratsausschusses abgefaßt wurde, ob es dem Rat als weltlicher Obrigkeit zustehe, Änderungen in Glaubensangelegenheiten vorzunehmen. Die Länge des Textes ergibt sich allerdings weniger aus einer gründlichen und logisch geordneten Entwicklung der Gedanken in Richtung auf ein Resultat, sondern mehr aufgrund von Wiederholungen, längeren Zitaten3 und philologischen Erklärungen.
7.1.1. Aufbau Einleitend (fol. 8r-8v) informiert Peutinger darüber, daß ihm am 3. März die beiden Bürgermeister die schriftliche Bitte um sein Gutachten zugestellt haben. Die in diesem Gutachtenauftrag formulierten Fragen 4 wiederholt Peutinger wörtlich nacheinander 5 und läßt gleich im Anschluß an jede Frage seine Stellungnahme folgen. Natürlich beteuert Peutinger formelhaft, "das ich mich zu und in diser sache gantz klein fuegig und gering acht" 6 , wenngleich der Inhalt und Umfang des Gutachtens dies offenkundig widerlegen. Auch erwähnt Peutinger, daß er zum Gegenstand der Anfragen gelegentlich schon mündlich Stellung genommen habe.
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15: Diese Kanzleiabschrift des Gutachtens umfaßt 66 Folioblätter, die in einen Pergamentumschlag geheftet sind. Dem Gutachtentext ist eine Abschrift der Städtesupplikation vom 2. Speyerer Reichstag 1529 vorgebunden. Ein Teildruck dieser Supplikation befindet sich in: RTA J.R. VII/2, Nr. 11, 1222-1224. Das Konzept desselben Gutachtentextes, in dem umfangreiche Passagen noch als Einfügungen am Textrand stehen, ist glücklicherweise noch erhalten. Dieses Konzept hat in der Forschung noch keine Beachtung gefunden: StAA, EWA-Akten, Nr. 44. In dem Faszikel befindet sich ein Brief des Bürgermeisters Ulrich Rehlinger, der gegenüber dem Adressaten in respektvoller Höflichkeit verfaßt ist und offenbar zusätzlich zum offiziellen Gutachtenauftrag an Peutinger verschickt wurde. Der Brief lautet: "Wirdiger hochgelertter günstiger lieber her doctor, ich wolte gerenn daß ir Ewrenn Rathschlag denn der bürgermoster seyz und ich Ewr wirdig auß befelh Ertlicher meiner herenn zu machenn befolchenn und gebettenn habenn dann Es will nit lange bytt [= zeit?] habenn und wenn verfasten senden weit unß denn, zuschickenn ... hiemitt well ich mich zu Ewr würdig, dienstlich und woll gefallenn Erpottenn habenn, Ülrich Rechlinger der Elter". Im Zusammenhang mit der exakten zeitlichen Einordnung der Ratsverhandlung über die eingegangenen Gutachten ist außerdem ein Vermerk auf der Rückseite des vorletzten beschriebenen Blattes beachtenswert: "praesentatum auf samstag post Ascensionis". Demnach wäre das Gutachten am 24. Mai beim Religionsausschuß eingegangen. Über 200 Zitate und Paraphrasen machen knapp die Hälfte des Gutachtentextes aus! Vgl. oben Kapitel 6.3.: Die Gutachtenaufträge des Religionsausschusses. Erste Frage fol. lv; zweite Frage fol. 59v; dritte Frage fol. 61r. Fol. 8r.
104 Der vorbereitende Teil des Gutachtens (fol. 8v-35v) ist treffend als "gelehrte humanistisch-theologische Abhandlung" charakterisiert worden.7 Er umfaßt etwas mehr als die Hälfte des gesamten Gutachtens! Peutinger nennt vier Themen bzw. Vorfragen unter denen er seine eigentliche Stellungnahme auf die erste Frage vorbereitet: - "von wannen, das wort religio sein ursprung hab" (fol. 8v-13r), - "was religio seye" (fol. 13r-22v), - "was unnderschid, zwischen den worten religio und superstitio seye" (fol. 22v-27v), - "was glauben seye" (fol. 27v-35v). Peutinger gibt zur Vorfrage nach dem Ursprung des Wortes religio einen Abriß der Entwicklung seines Begriffs und seiner Etymologie. Er beginnt mit maßgeblichen Texten antiker paganer Autoren, bei denen religio als "liebung und ehrerbietung der götter" definiert wird. Das lobende Urteil über Cicero8 teilt Peutinger mit vielen anderen humanistisch Gebildeten seiner Zeit.9 Mit dem Inhalt eines Livius-Zitats greift er dann bereits der eigentlichen Problemstellung des Gutachtens, wie er sie im Hauptteil ausfuhrlich darlegt, voraus. Wiederum auf die Ansichten Ciceros gestützt, warnt er vor einer Religionsneuerung. Denn Cicero und die anderen antiken Autoren hätten erkannt, daß mit Neuerungen stets die Gefahr verbunden sei, daß als Ergebnis eine Schein-Religion (superstitio) entstehe. Zur Etymologie des Wortes religio10 bietet Peutinger zunächst Ciceros Herleitung von relegere, dann Aulus Gellius1 Ableitung von relinquere. Doch erst der dritten referierten Alternative, religio komme von religare, kann sich Peutinger anschließen, weil er sie in anderen autoritativen christlichen Texten bestätigt findet." In den folgenden Zitaten, die diese Etymologie bestätigen sollen, wird dann zugleich ein weiterer gedanklicher Schritt vollzogen: Die Herleitung von religare = "anbinden (an Gott, der aufgrund der ihm beigelegten Attribute eben der christliche Gott ist)" verleiht der religio zugleich ihre Qualität als "wahre Religion". Die Vorfrage nach dem Wesen von Religion kann Peutinger folglich in direktem Anschluß an die bisherige Erörterung als "ain liebung und eer erpietung gegen got"12 beantworten. Ein ausfuhrliches Augustinuszitat dient ihm zur Erläuterung dieses Sachverhaltes.13 Die oben erfolgte Wesensbestimmung von religio impliziert zweierlei: (a) Der Zusammenhang zwischen Natur, Recht (Natur-Recht) und Religion. Diese inhaltliche Verbindung sieht Peutinger wiederum zunächst bei Cicero und Augustinus sowie in Satzungen des Corpus Iuris Civilis und bei den Rechtsgelehrten14 begründet. Das Recht entspringt - der Zitatenanthologie Peutingers folgend - aus der Natur und bringt
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Hans, Gutachten, 9. Fol 9r. Unter anderem Erasmus, Briefe (Allen I, 332, Nr. 141; XI, 208, Nr. 3043). Von Peutinger stammen einige Versuche etymologischer Ableitungen und Bedeutungswandlungen von verschiedenen Wörtern, bei denen sich nur selten ein von literarischen Vorbildern unabhängiges, selbständiges Urteil findet; vgl. König, Peutingerstudien, 34f. Fol. 10v-12v. Fol. 13r. Fol. 13r-14v. Fol. 14v-15v.
105 seinerseits die religio hervor. Die Gerechtigkeit aber als die höchste Form des Rechtes hat ihrerseits in der religio ihren Ursprung. (b) Der Zusammenhang zwischen Weisheit/Erkenntnis und Religion.15 Der Ursprung beider ist Gott. Wahre höhere Erkenntnis kann aber nur aus der christlichen Religion gewonnen werden, weshalb ihr unter allen Religionen der Vorrang gebührt. Daraus folgt auch, daß die größte Heilsgewißheit aus der Befolgung der Grundsätze der christlichen Kirche zu gewinnen ist. An dritter Stelle behandelt Peutinger bei den Vorfragen den Unterschied zwischen religio und superstitio. Nicht die Häufigkeit der kultischen Handlung, sondern - in Anlehnung an die etymologische Herleitung von religio - der Gegenstand der kultischen Verehrung macht eine deutliche Unterscheidung zwischen beiden möglich16: Die Erhebung und Verehrung von Götzen ist Schein-religio bzw. Aberglaube (= superstitio), dagegen ist eine Kultform, die die Liebe zu und die Verehrung von Gott zum Ausdruck bringt, wahre religio. Zur Beantwortung seiner vierten Vorfrage teilt Peutinger wieder zunächst ein heidnisch-antikes Zitat mit. Er liefert dann zusätzlich eine christliche Definition: Der Glaube richtet sich auf den unsichtbaren Bereich und zwar wesentlich auf Gott, "der unsichtbar, war, gut, weys und allmachtig ist, in dem unser ding beruwen, in dem alles unser glück, alle unser wort und hofnung rastet"17; der Glaube schließt die Hoffnung auf das Jenseits in sich und wirkt in der Liebe. Diese in den Texten des Neuen Testaments und der Kirchenväter enthaltene Definition von Glaube ist auch in den geistlichen und weltlichen Rechtstexten enthalten.18 Was in den Rechtstexten über den Glauben an Gott ausgesagt ist und von Generalkonzilien bestätigt wurde, soll auch nicht außerhalb dieser Instanzen "durch mynder oberkaiten und sonder personen"19 in Frage gestellt und in Diskussionen relativiert werden, denn durch rationales Nachforschen - z.B. durch die Frage, was Gott sei - wird der Glaube ausgehöhlt.20 Vielmehr kann der Glaube nur durch die Schrift und den Konsens der Christenheit in einem Konzil erhalten bleiben. Bei der Beantwortung der ersten Frage (fol. 35v-59r) - hinsichtlich des Reformationsrechtes des Rates - wird von Peutinger die Erörterung über das Wesen des Glaubens zunächst weitergeführt, jedoch wird von hier aus der Leser auf den konkreten Frageinhalt hingeführt. Bevor Glaubensinhalte durch päpstliche Bestimmungen eindeutig geklärt sind und ihr Sinn verbindlich ausgelegt ist, gilt für sie aus juristischer Sicht generell eine dreifache Abstufung: • Erstens wird unter Glauben der apostolische Glaube verstanden, der - gemäß den oben angeführten Tatsachen über das Wesen des Glaubens - keinen Einschränkungen und Veränderungen unterworfen werden darf.
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Fol. 17r-22v. Fol. 22v-27v. Fol. 28r. Fol. 30r. In den knappen Folgerungen aus diesen Rechtstexten verweist Peutinger erstmals im Gutachten auf zeitgenössische Konflikte von minderer und höherer Obrigkeit und nennt als Beispiele den Bauernkrieg (1525) und den zweiten Kappeler Krieg (1531). Fol. 32v. Fol. 33r-34v.
106 •
Zweitens beinhaltet ein erweiterter Glaubensbegriff die durch die Konzilien und Päpste festgesetzten Vorschriften der Gottes Verehrung. • Drittens bedeutet Glaube ganz allgemein ein schlichtes Für-wahr-halten. Hinsichtlich der beiden letzten Definitionen des Glaubensbegriffs (d.h. die Vorschriften der Konzilien u. Päpste / das Für-wahr-halten), zu denen auch der Papst Anordnungen treffen kann, besteht aus juristischer Sicht die Freiheit, am Gegenstand des Glaubens zu zweifeln. Dennoch befindet sich nirgendwo in Rechtstexten eine Aussage, die belegt, daß durch eine weltliche Obrigkeit aus eigener Machtfülle Änderungen in Religionsangelegenheiten durchgeführt wurden.21 Dies ist die Konsequenz aus den alten Überlieferungen, wonach von den Aposteln nur überliefert ist, daß sie sich in weltlichen Belangen der weltlichen Obrigkeit untergeordnet und in religiösen Belangen den apostolischen Glauben, wie durch Christus mitgeteilt, gelehrt haben. Folglich haben die Geistlichen den Glauben dem Evangelium entsprechend zu predigen und zu lehren und sich der weltlichen Gewalt zu fügen.22 Diese Unterscheidung der beiden Gewalten ist schon durch den unterschiedlichen Charakter ihres Durchsetzungsvermögens vorgegeben. Die Geistlichkeit unterscheidet sich von der weltlichen Obrigkeit dadurch, daß sie nicht mit dem Mittel des Zwanges, sondern in Predigt und Lehre tätig ist.23 Nach einigen nicht näher erläuterten Zitaten zieht Peutinger folgenden zentralen Schluß aus dem bisher Dargelegten:" Aus dem allem wol zuvermercken, das ain mynder weltlich oberkait in sachen in bemelter ersten anfrag begriffen, (dieweyl das den sondern priestern auch nit zugeben ist) sich allain auch nit einlassen solle, das aber allain den gemainen und general concilien und sonst kainer andern sonder person oder sondern collegio zugeben seye, bey dem gotlichen gesatze etlich eingerisen zwispalt und zweyfel sampt anderm der kirchen Ordnung und gotliebung und religion und der glaubigen fride und ainigkait berürt, zu örtern oder zu determiniem."24 Aus weiteren neutestamentlichen und altkirchlichen Belegstellen leitet Peutinger unter Bezugnahme auf den Gedanken eines allgemeinen Priestertums die Vermutung ab, daß neben den Geistlichen auch Laien an bisherigen Konzilien teilgenommen haben und dies zur Bewahrung des wahren christlichen Glaubens auch in Zukunft tun sollen25: "Also das eccliastici nach warer außlegung sein alle cristgläubige, priester und nit priester, die Cristus mit seinem plut erloßt hat, damit die cristenlich kirch aller mackel und runzeln frej geledigt, auf der warn grundt vest, das ist Cristus, beruwen möcht". Peutinger fährt geradezu beschwörend fort: "Got der Herre wolle uns die gnad und barmhertzigkait mittailen, damit wir warhaftigklich seiner kirchen eingeleipt werden und wolcher also geschickter zu solchem concilio erfordert wurde, solt erscheinen."26 Doch haben sich nicht nur, wie oben erwähnt, die Kaiser früherer Jahrhunderte um die Belange des Glaubens gekümmert, wie es zu Beginn des Codex Justinianus bezeugt 21 22 23 24 25
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Fol. 37r. Ebd. und folgende. Fol. 40r ff. Fol. 40v-41r. Peutinger greift an dieser Stelle ausdrücklich den reformatorischen Gedanken des allgemeinen Priestertums auf; dieser Gedanke steht hier allerdings ganz im Kontext des Peutingerschen Konzilsverständnisses und prägt es (d.h. Konzilien sind keine reinen Klerikerversammlungen, und es sollen freie, allgemeine Konzilien sein; vgl. dazu weiter unten im Text). Fol. 41v.
107 ist, sondern auch die Herrscher im Spätmittelalter und zur Zeit Peutingers. Als ersten exemplarischen Beleg hierfür zitiert Peutinger den in der Naukler'schen Weltchronik erwähnten Erlaß Heinrichs VII. von 1313.27 Im folgenden fuhrt Peutinger in breitem Umfang die kaiserlichen Edikte und Reichsabschiede sowie andere kirchenpolitische Texte an, die in den Bereich des (positiven-) weltlichen Rechtes gehören. Dadurch legt Peutinger dar, daß die Reichsstadt Augsburg keine Religionsänderungen vornehmen darf. Zur Begründung dient ihm zunächst das vom Kaiser verkündete Edikt von Worms 1521. In den folgenden Jahren und den Reichstagen von Augsburg 1525/26 und Speyer 1526 kam man allerdings - so Peutinger - zu dem Schluß, daß "das bemelt edict etwas zu scharpf gewesen. Demnach durch kayserlicher Mt. comissarien und gemein reichsstende aus beweglichen datzemal voraugen schwebende Ursachen in die beden abschid derselben reichstage gepracht, das ain gemein frej universale concilium furgenomen werden soll"28 und unterdessen die Religionsfrage in die Verantwortung der Reichsstände gegenüber Gott gelegt ist.29 Doch sei diese Regelung mißverstanden worden, weil fälschlicherweise davon ausgegangen wurde, daß das Wormser Edikt dadurch aufgehoben worden sei. Diese falsche Auffassung sei auf dem Speyerer Reichstag 1529 durch einen Artikel im Abschied korrigiert worden. Für Peutinger liegt der Kern dieser neuen Bestimmung in der Formulierung, daß "doch hinfiiro all weiter newerung bis zu künftigem concilien sovil möglich und menschlich verhuet werden (soll)"30. Diesen Speyerer Reichsabschied hält Peutinger für Augsburg aus mehreren Gründen für absolut bindend: • • •
Erstens haben die damaligen Augsburger Gesandten Konrad Herwart und Matthäus Langenmantel den Reichsabschied bewilligt und besiegelt. 31 Zweitens haben sich die Städte in ihrer Supplikation zur Einhaltung des Reichsabschieds verpflichtet. 32 Drittens hat die Annahme des Reichsabschieds den Charakter einer vertraglichen, d.h. absolut bindenden, Abmachung.
Dann kommt Peutinger auf die Vorgänge des Augsburger Reichstags 1530 zu sprechen. Etliche Städte hätten den Reichsabschied ganz abgelehnt, Augsburg aber hätte sich trotz Ablehnung verpflichtet gefühlt, dem Kaiser schriftliche Zusagen bezüglich der Religion zu machen und somit einen "mitlen und milteren weg zugeen" 33 . Im folgenden wird der Inhalt der im November 1530 ergangenen Zusagen des Rates an den Kaiser wörtlich Punkt für Punkt mitgeteilt,34 worin - nach Peutingers Interpretation - insgesamt
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Fol. 42r/v. Fol. 43v. Speyrer Reichsabschied 1526, § 1 und § 4; vgl. Kastner, Quellen, 493-495, Nr. 154. Fol. 44v. Den dritten damals anwesenden Augsburger Gesandten Johann Hagk erwähnt Peutinger erst fol. 45v. Herwart vertrat gegenüber den beiden anderen eine strikt konservative Linie. Nur Langenmantel und Hagk unterschrieben aber den Reichsabschied. Während des Reichstages unterhielten die Gesandten mit dem Augsburger Rat - d.h. auch unmittelbar mit Peutinger ständigen schriftlichen Kontakt; vgl. Lutz, Peutinger II, 295-299. Vgl. die vorgebundene Supplikation der Städte fol. 2v-3r. Fol. 47r. Eine detaillierte Wiedergabe derselben bei Wolfart, Reformation, 13f.; kurz bei Lutz, Peutinger, 315; die zugesagten Einzelheiten decken sich teilweise genau mit den Artikeln über Re-
108 eine Befolgung des 1529 auch durch Augsburg bewilligten Reichsabschieds zugesagt wurde. Die bei der Übergabe der Zusage durch den Ratskonsulenten Johann Rehlinger gehaltene Rede erwähnt Peutinger nur am Rande.35 Zu den Ereignissen dieses Reichstags wird schließlich noch die gesonderte Protestation Augsburgs erwähnt, die dem Mainzer Kurfürsten - in seiner Funktion als Kanzler des Reiches - am Ende des Reichstags übergeben werden sollte, deren Annahme aber kaiserlicherseits verweigert wurde.36 An dieser Stelle resümiert Peutinger, daß die Ablehnung des Augsburgischen (1530) und Regensburgischen (1532) Reichsabschieds die Verpflichtungen nicht beseitigt, die durch die Annahme des Speyerer Reichsabschieds 1529, das "Zusagen" 1530 und den Inhalt der Supplikation 1529 entstanden sind. Vielmehr hat Augsburg durch diese Politik die Religionsfrage einem künftigen Konzil zur Entscheidung überlassen.37 Diese politischen Verpflichtungen Augsburgs gipfeln in der Verpflichtung zum Landfrieden.38 Um dies zu unterstreichen, zitiert Peutinger das Mandat für den allgemeinen Frieden im Reich, das Karl V. am 3. August 1532 in Regensburg erlassen hat.39 Darin wird auch wieder auf die Bestimmungen von Speyer 1529 Bezug genommen, wie Peutinger mit einem weiteren Zitat aus diesem Reichsabschied belegt. Für Peutinger steht demnach fest: Keine Stadt hat, gemäß ihrem Rang als mindere Obrigkeit, die Ermächtigung, entgegen Rechtsverordnungen des Kaisers40 als der höchsten Obrigkeit, andere Ordnungen zu erlassen. Dies gilt ganz besonders in Religionsangelegenheiten und bei Verstößen gegen bereits geleistete reichsrechtliche Vereinbarungen. Für besonders wichtig hält dabei Peutinger den Passus im Speyerer Reichsabschied 1529, wonach sich die Reichsstände jeglicher Maßnahmen in Glaubensangelegenheiten enthalten sollen und weitere Diskussionen über das Thema einem künftigen Konzil oder einer Nationalversammlung anheimgestellt werden. Diese Haltung wird auch auf dem Augsburger Reichstag 1530 und im kaiserlichen Landfrieden 1532 geäußert, weshalb ein Ausscheren aus diesem Konsens durch die Reichsstadt Augsburg sehr vermessen erscheint. Peutinger resümiert: "Und beschlußlich von disem articul der gemelten ersten anfrag zuschreiben, so bedunckt mich, doch auf Verbesserung meiner herren ains erbarn rats, das in diser Sachen die religion und glauben und sonderlich derselben newerung und enderung be-
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ligionsangelegenheiten im Augsburger Reichsabschied, vgl. Kastner, Quellen, 501-520, Nr. 158; vgl. auch: Foerstemann, Urkundenbuch II, 825ff., Nr. 299. Wolfart, Reformation, 11; Lutz, Peutinger II, 315; Broadhead, Politics, 281. Peutinger selbst hatte fur den Augsburger Rat einen Entwurf dieser Protestation vorbereitet, die abwägende Position des Entwurfes wurde aber vor Übergabe der progressiven Haltung im Rat angeglichen; vgl. Lutz, Peutinger, 315f. und 353f. (Quellenanhang XVI). Fol. 48v-49r. Mit der Warnung vor dem Bruch des Landfriedens hat Peutinger im Auge, daß eine gesamtstädtische Reformation in Augsburg die Konfrontation mit den geistlichen Körperschaften (besonders: Bischof, St. Ulrich) in der Stadt und deren Verbündeten (vor allem: Schwäbischer Bund) nach sich ziehen würde. Fol. 49r-5 lr. Zu den kaiserlichen und reichsrechtlichen Verordnungen gehören natürlich auch die unter Mitwirkung der Reichsstände erlassenen Reichsabschiede. So hat eine Mehrheit der Reichsstände und -städte also durchaus die Möglichkeit, auf Reichsrecht einzuwirken. Peutingers Urteil gilt nur für einen einzelnen Reichsstand.
109 langendt stilgestanden werd, dieweyl solchs meins achtens fiirwar in ains erbem rats als ains erbern rats thun und werck allain nit steet noch schwebt noch ist, ferrer newerung hierynn furtzunemen und endrung zuthun und sonderlich in Sachen, die vor vil jaren auch auf die ban gepracht, in zweyfel getzogen und abgepracht und gestillt, yetzo wider erwöckt und noch in zweyfel gefurt sein, und also damit vil menschen wider ir gewissen und iren freyen willen bezwungen werden mochten, das doch nit sein soll, dieweyl doch der geist gottes nyemant mit gwalt tringt."41 Aufgrund dieser Schlußfolgerungen aus den jüngsten politischen Entscheidungen, die für Peutinger ihre Legitimation in der göttlichen Einsetzung der kaiserlichen Obrigkeit haben, kehrt Peutinger noch einmal erläuternd zu biblischen Texten42 zurück. Die Gebote der Nächstenliebe und des größeren Gehorsams gegen Gott als gegen die Menschen dienen ihm als Richtschnur, wenn er einer untergeordneten Obrigkeit das Recht abspricht, gegen Rechtsetzungen höherer Obrigkeiten zu handeln. Ein solches Vorgehen würde nur Aufruhr und Unfrieden nach sich ziehen und somit gegen die neutestamentlichen Gebote verstoßen. Deshalb wäre man auch keineswegs verpflichtet, einem solchen Ansinnen einer niederen Obrigkeit Gehorsam zu leisten. Als richtiges Verhalten eines Christen gegenüber der Obrigkeit schwebt ihm das des "leidenden Gehorsams" vor.43 Damit der Druck solchen Gehorsams nicht zu beschwerlich wird, hat der Kaiser mit den oben angesprochenen verschiedenen rechtsgültigen Bestimmungen (Reichsabschiede, Landfrieden) geeignete Bedingungen geschaffen. Diese reichsrechtlichen Entscheidungen hat die Reichsstadt Augsburg bisher auch mitgetragen, was nach Peutingers Urteil den Erfordernissen der Zeit auch auf einer maßvollen politischen Linie am meisten gerecht wurde.44 Die zweite durch den Religionsausschuß gestellte Frage (fol. 59v-61r) nach der Abschaffung der gegensätzlichen Predigttätigkeit in Augsburg beantwortet Peutinger nur unter Hinweis auf den betreffenden Artikel im Speyerer Reichsabschied von 152945. In diesem wurden die Formulierungen der Reichsabschiede von Nürnberg 1524 und Augsburg 1525/26 wieder aufgegriffen: Es soll nicht gegen die Obrigkeit, sondern "allain das evangelion nach außweyßung der Schriften und der hailigen cristenlichen kirchen"46 gepredigt werden. Peutinger hält es für richtig, diesen Bestimmungen zu folgen, da sie die Einigkeit innerhalb der Stadt und auch mit dem Bischof wiederherstellen. Der Beantwortung der dritten Frage des Gutachtenauftrages (fol. 61r-64v) - Möglichkeiten politischer Bündnisse nach Änderungen im Kirchenwesen durch den Rat schickt Peutinger voraus, daß er persönlich solche Änderungen nicht versteht. Aber auch im Hinblick auf die Augsburger Bürger mißbilligt er diesen Schritt, weil diese vor unvorhersehbare Schwierigkeiten gestellt werden, wenn sie künftig darauf angewiesen sind, außerhalb Augsburgs ihrem Lebensunterhalt nachzugehen. Besonders betroffen von einer solchen Regelung sieht Peutinger die Kaufleute. Eine weitere Unsicherheit für die Zukunft Augsburgs sieht er auch im Zusammenhang mit der Suche nach geeigneten Bündnispartnern. Also sei man im Sinne des Wohlergehens der Stadt und aufgrund der
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Fol. 55r/v. Fol. 56r ff. Hans, Gutachten, 13. Fol. 57v-58v. Fol. 59vf. Fol. 60r.
110 Verantwortung vor Gott verpflichtet, nichts zu unternehmen, was die Stadt in eine politisch brisante Lage bringen könnte; andernfalls müsse der Rat die Last der Verantwortung ganz alleine tragen.47 Das Bündnis Augsburgs mit Nürnberg und Ulm vom Mai 1533 begrüßt Peutinger, jedoch rät er zu einer sorgfältigen Abwägung, inwieweit die Religionsfrage bei der Abfassung vertraglicher Verpflichtungen ausgespart bleiben soll.48 Den zweifelhaften Nutzen jeglichen Bündnisses malt Peutinger mit deutlichen Worten noch einmal aus, wobei er mit dem Gedanken schließt, was für eine begehrte Beute Augsburg darstellt. Aus diesem Grund soll der Rat sich sehr gut überlegen, in welchen Bereichen des Kirchenwesens er Änderungen vornehmen will, ohne benachbarten Mächten auch nur einen geringen Vorwand, sei er berechtigt oder unberechtigt - denn danach erkundigt sich im Emstfall niemand - , für eine gewaltsame Besetzung und Plünderung Augsburgs zu liefern.49 Als warnendes Beispiel führt Peutinger die politische Situation in den Städten Straßburg und Konstanz an, wo man einschneidende Änderungen im Kirchenwesen vorgenommen hatte, und Worms und Speyer, wo man aus Vorsicht (noch) keine durchgreifende Kirchenreform durchgeführt hatte.50 Diese vier Städte hätten allerdings nicht so viel wie Augsburg zu verlieren gehabt. Am Ende des Gutachtens (fol. 64v-65r) wiederholt Peutinger zum letzten Mal seine eindringliche Warnung vor dem Vorhaben des Rates, da durch Einführung von neuen Richtlinien in Glaubensangelegenheiten für Augsburg nur Schaden erwachsen werde.
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Fol. 62r. Vgl. dazu Wolfart, Reformation, 36f., auch 73-85. Peutinger erläutert, wie fein differenziert die Religionsfrage bei einem Bündnis behandelt werden muß. Seinen gegenwärtigen Kenntnisstand (vor allem über die laufenden Erörterungen auf verschiedenen Städtetagen) hält Peutinger aber für nähere Ausführungen zu diesem Thema nicht für ausreichend; vgl. fol. 62r/v. Fol. 63r. Alle vier Städte waren ebenso wie Augsburg Bischofssitze! Doch war die Situation eine jeweils ganz unterschiedliche. Dies läßt sich am geographisch nächstgelegenen Konstanz demonstrieren: Dort wurde 1524 (zehn Jahre vor Augsburg!) die einheitliche evangelische Predigt vom Rat dekretiert (vgl. Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, 63f., 161ff.; Rublack, Einführung, 35). Als Antwort auf weitere Aktionen gegen die Altgläubigen (vor allem die Geistlichen) zogen sich der Konstanzer Bischof, sein Domkapitel und schließlich auf bischöflichen Befehl die gesamte Geistlichkeit 1526/27 unter demonstrativem Protest aus der Stadt in die im Hochstift liegende Residenz Meersburg zurück. Diese Räumung der Stadt ermöglichte dann auch die Übernahme des Kirchenregiments durch den Rat (vgl. ebd., 45f., 7Iff., 82-95). Der Augsburger Bischof dagegen residierte zwar in Dillingen, doch war sein Wegzug nicht als Provokation zu interpretieren und das Augsburger Domkapitel blieb bis 1537 in der Stadt (zehn Jahre länger als in Konstanz!). Zu Beginn der 1530er Jahre drohte außenpolitisch der Stadt Konstanz vor allem der Spagat zwischen eidgenössischen und reichsinternen Bündnisbemühungen (Burgrecht und Schmalkaldischer Bund) zum Verhängnis zu werden (vgl. ebd., 128), noch dazu bei einer geographischen Lage, die für habsburgischen Zugriff einladend wirken mußte (so dann auch geschehen 1547). Diese auch durch konfessionelle und besondere politische Faktoren bestimmte Zerrissenheit traf für Augsburg in den Jahren 1533/34 keinesfalls zu. Der Vergleich mit Konstanz verdeutlicht vielmehr eine gewisse pessimistische Dramatik bei Peutinger.
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7.1.2. Charakteristik Peutinger versucht in seiner dem eigentlichen Gutachten zum aktuellen Konflikt vorgeschalteten Abhandlung zunächst, den Begriff "Religion" zu definieren. Natürlich ist dabei seinem Religionsverständnis entsprechend die christliche Religion die faktisch bestehende Konkretion von Religion überhaupt. Seinem humanistischen Zeitverständnis entsprechend fugen sich manche vorchristliche antike Deutungen des Religionsbegriffs nahtlos in das christliche Verständnis von Religion ein. Den Teil seiner vorgeschalteten Abhandlung über das Thema "Religion" (Vorfrage 1-3) als einem Sammelbegriff fur die Erscheinungsformen, in denen sich kultisch praktizierte Gottesverehrung äußert, schließt er mit dem Hinweis auf die Gefahren, die sich bei einer Religionsänderung fur die wahre Form der Gottesverehrung ergeben. Dabei dienen ihm Beispiele, die bei antiken und christlichen Schriftstellern überliefert sind, als abschreckende Vorbilder fur die Gegenwart. In seiner die Abhandlung abschließenden Definition von "Glaube" (Vorfrage 4) kommt Peutinger auf den - im Vergleich zum Religionsbegriff eingeschränkteren - Bereich der Lehrfragen und damit auch der Lehrverkündigung zu sprechen. Eine Neuordnung dieses Bereiches sieht Peutinger, entsprechend den im Gutachten und oben angeführten Belegen aus den Rechtstexten, nur im Ermessensbereich eines Konzils. Hierbei ist festzuhalten, daß von Peutinger die gesamte Bandbreite der traditionell unterschiedenen Rechtsbereiche51 für das vorliegende Gutachten ausgeschöpft wird.52 Auf diesem Hintergrund entfaltet er seine Vorstellungen von der kaiserlichen und päpstlichen Gewalt, die auf zwei Leitprinzipien basieren: (a) politischer Friede im Reich und besonders (b) Einheit der universellen Kirche53. Beides kann nur aufrechterhalten werden, wenn gemäß dem neutestamentlichen Zeugnis die geistliche und die weltliche Gewalt gänzlich getrennt sind.54 Daraus folgt für Peutinger eine Unabhängigkeit der Kaiser gegenüber den Päpsten. Die
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Das positive Recht gliedert sich demnach in göttliches (Altes und Neues Testament) und menschliches (geistliches und weltliches Recht). Das positive göttliche Recht deckt sich weitgehend mit dem natürlichen Recht. Z.B. fol. 16r (vgl. Hans, Gutachten, 62f.) und fol. 35v-36v. "Ain gemaine und nit vil cristenliche kirchen und, on ain spalt darein kome, so soll doch die wider in gemeinhait, die Got dem herren gefellig und angenem ist, gepracht werden" (fol. 54r). Fol. 38v-39v; z.B.: "das die gaistlichen sich weltlicher oberkait nit sollen underfahen herwiderumb auch die mynder weltlichen oberkaiten sich gaistliche Sachen die irs gefallens zu endern und derohalben Satzung zumachen, die man on alles mitel und von zwangs wegen zuhalten schuldig sein, sich auch enthalten solten." Vgl. auch weiter oben das Zitat fol. 40r.
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Kaiser als "die obersten von Got eingesezte[n] hawpter"55 besitzen das Recht zur Einberufung eines Konzils. Diesem Gremium gesteht Peutinger einzig und allein höchste Entscheidungsgewalt in Religionsfragen zu.56 Er charakterisiert es als ein "gemein frej universale concilium".57 Einem so verstandenen Konzil sollen nach Peutingers Überzeugung nicht nur Geistliche, sondern auch sachkundige Laien bei der Entscheidungsfindung beiwohnen.58 In den kaiserlichen Reichsversammlungen sieht Peutinger diejenigen legitimen Institutionen, die anstelle von Konzilien abgehalten werden können.59 Dagegen ist der Papst nicht befugt, im Alleingang, d.h. ohne Konzil, neue Glaubensregeln aufzustellen.60 Nur die Entscheidung eines Konzils oder einer Nationalversammlung vermag es, die Einheit der Kirche zu bewahren (fol. 54r). Peutingers Formulierung einer Konzilsforderung verbindet also konziliaristisches Gedankengut von Unabhängigkeit von der Vormacht des Papstes mit dem reformatorischen Verständnis eines allgemeinen Priestertums und der reformatorischen Konzilsforderung61. Dabei jedoch - und das ist entscheidend für ein Begreifen von Peutingers Distanz zur Reformation - hält er unverrückbar an der Autorität der kaiserlicher Person und der Rechtstraditionen des Corpus iuris civilis fest.62 Peutingers Entscheidung hinsichtlich der Anfrage des Rates der Stadt Augsburg, ob eine Durchführung der Kirchenreform unter dessen Regie erlaubt sei, wird somit zweifach verständlich. Zum einen beruht sie auf der Rücksichtnahme gegenüber den beiden politischen Zielen, dem Frieden im Reich als Garant für die wirtschaftliche Entfaltung und der Einheit der Kirche um des wahren Glaubens willen, zum anderen auf der Schlüsselrolle, die Peutinger allein einem Konzil zugesteht. Den Einwand der Reformbefurworter, Gott mehr zu gehorchen als den 55 56 57
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Fol. 32r. Fol. 40v-41r. Fol. 43v; er zeigt sich darin beeinflußt von den konziliaristischen Thesen des 15. Jahrhunderts; ein untrügliches Zeichen dafür ist auch der Hinweis auf Franciscus Zabarella (gest. 1417 in Konstanz), fol. 37r. Die Rechtsinterpretation einer Konzilsappellation ging bei den evangelischen Ständen jedoch schon in eine ganz andere Richtung als bei Peutinger; vgl. Becker, Appellation, 256-260. Fol. 41 r/v. Fol. 31v und 53r; aus diesem Grund kann er sich auch so vollständig den in fast wörtlich gleichlautenden Alternativformulierungen "Konzil oder Nationalversammlung" ausgedrückten Bestimmungen des Reichsabschieds von Speyer 1529 und des kaiserlichen Mandats 1532 anschließen; vgl. fol. 49r/v. Die mit der Gleichsetzung einer Nationalversammlung anstelle eines Konzils implizierte Kirchenreform allein fur das Reich ist dezidiert antikurial zu verstehen. "Das nit zuglauben sey, das der bapst ain newen articul des glaubens machen mög. Dann wen vom glauben gehandelt und tradiert wirt, ist ain bapst schuldig das concilium als das merer zuersuchen" (fol. 35r). Vgl. ζ. B. Vorrede zur CA (BSLK 48, 21f.). Vgl. dazu die zuletzt angeführten Folioangaben zum Gutachtentext.
113 Menschen, entkräftet er im Gutachten durch die Forderung 63 , daß in weltlichen Belangen ganz der weltlichen Obrigkeit zu gehorchen sei, man in religiösen Belangen dagegen sein Vertrauen ganz auf Gott richten solle. Letzteres würde sich nach Peutingers Meinung kirchenpolitisch am ehesten in einer Haltung abwartender Neutralität oder über die Veranstaltung eines Konzils umsetzen lassen. In dieser Auffassung spiegelt sich Peutingers gesamtes politisches Wirken im Bemühen um eine Ausgleichspolitik des "mitleren und milteren Weges" 64 , die zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Gutachten von den Ereignissen längst überholt war und fur Augsburg kein tragbares Konzept für eine sichere Zukunft darstellen konnte.
7.2. Das Rehlinger-Gutachten65 Der zur Begutachtung gestellten Thematik wurde bei Rehlinger größte Sorgfalt zuteil.66 Die grundsätzliche Überlegung dabei war für ihn, wie dem Auftrag sowohl in Sachlichkeit als auch in Prägnanz am besten gedient werden könne. Somit fiel die Entscheidung zugunsten einer kürzeren Darlegung aller sachdienlichen Angaben, wobei auf manches Rechtszitat verzichtet wurde, "dann [ich] vermueten mag, das e. fit. mit der leng nit gern beladen werden, auch inn disen Sachen, nit groß auf die Recht achten möchten."67
7.2.1. Aufbau In der ersten zur Begutachtung gestellten Frage, nämlich ob der Rat als weltliche Obrigkeit das Recht habe, in Religionsangelegenheiten Änderungen vorzunehmen oder nicht, wird die Bedeutung des Wortes "Religion" stillschweigend mit Christentum gleichgesetzt und auf dreierlei Weise differenziert:
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Fol. 56v. Fol. 47r; 57v; 58r. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21: Das Archivstück besteht aus einem zu einem Heft zusammengebundenen Faszikel im Folioformat. Auf dem Deckblatt steht von späterer Hand die Notiz "Doctor Johann Rehlingers Ratschlag, Ob Ε. E. Rath ännderung in der Religion fumehmen möget". Die folgenden numerierten Blätter (fol. lr bis 21r) enthalten das Gutachten, zwei weitere Blätter am Ende sind unbeschrieben. Hans, Gutachten, 14-19; Wolfart, Reformation, 47-55; Broadhead, Politics, 312-314; Roth, Reformationsgeschichte II, 109. Fol. lr/v. Fol. lr; vgl. Zitat in: Wolfart, Reformation, 49.
114 1. Religion ist das, was in den Grandlagen des Christentums (Evangelien [= NT], Propheten [= AT] und "die vier Concilia" [= Alte Kirche]) verankert ist (fol. lv2v). 2. Religion ist das, was im Christentum noch Klärungsbedarf hat, weil es unterschiedlich verstanden werden kann (fol. 2v-9r). 3. Religion ist das, was im Christentum für wahr und richtig gehalten wird und dessen Einhaltung von der weltlichen Obrigkeit überwacht werden muß (fol. 9v-19v). Ad 1: Religion ist das, was in den Grundlagen des Christentums verankert ist. Die Fundamente des christlichen Glaubens liegen in den Evangelien, den Propheten (jeweils als pars pro toto für das Neue und Alte Testament) und den vier altkirchlichen Konzilien von Nizäa, Konstantinopel, Ephesus und Chalcedon begründet und verankert. Diesbezüglich kann niemand ernsthaft mit dem Gedanken spielen, der Rat der Stadt sei zu Änderungen theoretisch berechtigt oder könne diese praktisch auch in die Tat umsetzen. Nicht nur als weltliche Obrigkeit, sondern generell ist der Rat dazu nicht befugt, da dies sowohl den Evangelien als auch den Konzilsbeschlüssen68 widerspräche. Aber nicht allein fur den Rat gilt dieses schon in der Schrift belegte69 Verbot, sondern darüber hinaus für jede weltliche oder geistliche Obrigkeit, sogar für den Papst70 und die gesamte Christenheit. Ad 2: Religion ist das, was im Christentum noch Klärungsbedarf hat, weil es unterschiedlich verstanden werden kann. Auch in den Zweifelsfällen der Religion gilt für Rehlinger ein eindeutiges Nein auf die Frage nach der Berechtigung des Rates, Entscheidungen vorzunehmen. Jedoch hält er es für nötig, in diesem Zusammenhang doch zu einer umfangreichen siebenteiligen Begründung auszuholen. 1. (fol. 2v-3r): Die weltliche Obrigkeit ist nicht befugt, in kirchlichen Belangen Entscheidungen zu treffen und anzuordnen, da auch die geistliche Obrigkeit kein Recht zur Einmischung in weltliche Belange hat. Aufgrund seiner Offenkundigkeit müsse dieser Sachverhalt nicht weiter begründet werden. 2. (fol. 3r): Der Rat kenne sich zu wenig in der heiligen Schrift aus, um in Glaubensangelegenheiten begründete Entscheidungen über Recht und Unrecht zu fällen und auf dieser Basis Verordnungen erlassen zu können. 3. (fol. 3r-3v): Für den Rat gelte, wie für alle anderen Laien - d.h. für alle, die in der heiligen Schrift unerfahren sind - bei Strafandrohung durch das kanonische Recht ein privates und öffentliches Diskussionsverbot71, um eine Schwächung des christlichen Glaubens zu verhindern. Auch der gegenwärtige Zustand der Kirche, in dem vieles in Zweifel gezogen und zur Diskussion gestellt wird, hebt dieses Verbot nicht auf. Da Diskussionen über Glauben und Religion verboten sind, ist es natürlich erst recht für
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CJCan., Decr. Grat., c. 2 D.XV. (RF l,35f.); Decretal. Greg., Lib. 1, Tit. 9, c. 11 (RF 2, 112f.). Vgl. Mt 5,18f. Rehlinger verweist auf: CJCan, Decr. Grat, c.6 C.XXV. qu.l (RF 1, 1008); Decretal. Greg. 1.6.4. (RF 2, 49f.). Verwiesen wird auf: CJCan., Sexti Decretal., Lib. 5, Tit. 2, cap. 2 (RF 2, 1069f.).
115 Laien und weltliche Obrigkeiten verboten, Änderungen im Bereich von Glauben und Religion vorzunehmen. 4. (fol. 3v-5v): Das Argument, der Rat könne sich bei seinen Entscheidungen auf Prediger, d. h. Fachleute auf dem Gebiet der Religion, stützen, sei ein Scheinargument. Bei einem Vergleich dieser Sachlage mit dem Recht und den Rechtsgelehrten wird dies ganz deutlich: Warum muß jemand, der im Recht unerfahren ist, einem anderen nur deshalb Glauben schenken, weil dieser im Recht erfahren ist? Er soll vielmehr das glauben, was die Mehrzahl der Rechtsgelehrten für richtig hält, und nicht das, was nur wenige von ihnen, selbst wenn sie im Recht erfahren sind, für richtig halten. Ebenso muß es auch im Bereich von Glauben und Religion gehalten werden: Die in der heiligen Schrift Unerfahrenen sollen das glauben, was die ganze Christenheit mit Ausnahme weniger bisher für richtig gehalten hat. Dies gilt besonders in dem Fall, bei dem eine Minderheit der Schriftkundigen (nämlich die städtischen Prediger) aufgrund ihrer irrigen Ansicht über das Abendmahls-Sakrament (s. u.) Veränderungen im Glauben anstreben. Außer durch diese Analogie zwischen Recht und Religion werde die Begründung zur Verneinung des Reformationsrechtes des Rates auch durch die Unterschiede zwischen Recht und Religion noch zusätzlich bestätigt: •
Auf der Ebene des Rechts heißt das: Sowohl jeder Rechtsgelehrte als auch jeder Rechtsunkundige darf in Zweifelsfällen das Recht auslegen. In der Religion dagegen darf in Zweifelsfallen nicht jeder an einer Disputation teilnehmen. • Auf der Ebene der allgemeinen Logik heißt das: Das, wovon das Gegenteil nicht bewiesen werden kann, muß man für richtig halten. In der Religion dagegen darf man das, wovon das Gegenteil nicht bewiesen werden kann, nicht schon deshalb automatisch für richtig halten. Daraus folgt, wenn man selbst in der heiligen Schrift unerfahren ist, darf man im Bereich der Religion nur denen glauben, die aufgrund von Recht und Tradition dazu berechtigt sind, in strittigen Fällen zu entscheiden. 5. (fol. 5v-6r): Für den Fall, daß die bisherigen Gründe noch nicht überzeugen und der Rat sich an der Vornahme von Änderungen nicht hindern läßt, weil er sich doch für ausreichend schriftkundig hält, muß darauf verwiesen werden, daß es noch nicht einmal dem Papst zusteht, solche Änderungen vorzunehmen, sondern einzig und allein einem allgemeinen christlichen Konzil.72 6. (fol. 6r-7r): Bisher wurden nur Gründe aus dem geistlichen, päpstlichen und weltlichen Recht angeführt, die das Verbot für eine weltliche Obrigkeit aussprechen, Änderungen im gegenwärtigen Glaubenszwiespalt vorzunehmen. In der heiligen Schrift können keine diesen Rechten widersprechende Gründe gefunden werden. Solange aus der heiligen Schrift nicht das Gegenteil der Ausführungen in diesen Rechtstexten erwiesen werden kann, liegt eine ausreichende Begründung für ihre Richtigkeit vor. 7. (7r-9r): Der Rat, bestehend aus schriftunerfahrenen Laien, ist auch auf die Meinungen der zwinglischen Prediger gestützt, nicht berechtigt, Änderungen vorzunehmen. Zur Begründung heißt es: Erstens verstoßen einige Auffassungen der zwinglischen Prediger eindeutig gegen die Lehre Christi. Sie entstellen nach ihrem Gutdünken den von Christus bestimmten Charakter des Abendmahls-Sakraments und mißachten damit 72
CJCan., Decr. Grat, c.9 D. XIX. (RF 1,64). Vgl. Broadhead, Politics, 312.
116 den zentralen Glaubensartikel der Christenheit, der - mit Ausnahme von dieser Entstellung - auch im gegenwärtigen Glaubenszwiespalt unangetastet bleibt.73 Zweitens sind die Lehren der einzelnen zwinglischen Prediger unterschiedlich und teilweise sogar widersprüchlich.74 Diese vieldeutigen Behauptungen, die in ihren Büchern und öffentlichen Predigten zu Tage treten, sind ein Indiz für die Falschheit ihrer Lehren, denn eine wahre und richtige Lehre bedarf nur einer einzigen Begründung. Die Vieldeutigkeit der zwinglischen Ansichten verlagert das Problem nur auf eine andere Ebene: Wer soll nämlich berechtigt sein, die widersprüchlichen zwinglischen Ansichten zu ordnen und zu beurteilen. Dazu sind weder die Ratsmitglieder, da sie nicht schrifterfahren sind, noch die Anhänger der lutherischen oder zwinglischen Lehren berechtigt, sondern dies ist auch wiederum nur Aufgabe eines "wol versamlet Concilium, aus der gantzen cristenhait".75 Die Beeinflußbarkeit der Anhänger der neuen Lehren könne so an einem konkreten Beispiel deutlich vor Augen und zugleich ad absurdum geführt werden: Reformatorische "Überzeugungen" beruhen oft auf reiner Leichtgläubigkeit.76 Somit bleibe nur die schon mehrfach erwähnte Sicherheit übereinstimmender Konzilsbeschlüsse in der Vergangenheit und für die Zukunft bestehen.77 Ad 3: Religion ist das, was im Christentum für wahr und richtig gehalten wird und dessen Einhaltung von der weltlichen Obrigkeit überwacht werden muß. In unstrittigen Religionsangelegenheiten besitzt die weltliche Obrigkeit das Recht, Verordnungen zu erlassen. Denn durch die Sicherung des rechten Glaubens wird der Gemeinnutz (res publica) gefördert.78 Gerechtigkeit und Tugend in einem Gemeinwesen können schließlich nur dann aufrechterhalten werden, wenn sie auf einem reinen und rechten Glauben basieren.79
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Fol. 7v: "Unangesechen, das under allen articulen diser gegenvirtigen zeit, zwispaltung im heiligen christenlichen glauben, kein clarer unnd mer lautterer, auch minder disputierlicher articul in gottlicher schrifft, und durch die wort gottes erfunden, begriffen, und angezaigt wierdet, dann diser, Unnd der auch neben den stucken des heiligen christenlichen glaubens, under anderm, der maist und grost artikul ist, der gemainlich durch aus in der gantzen gemainen cristenhait (ausgenomen der zwinglischen prediger unnd der ihenen, die sy in solchem verfieren) also gehalten, unnd dem wort Cristi gemesser erfunden wierdet." Fol. 7v-8r: "alle zwinglische prediger [sind] on zweifl aus sonnderer Schickung gottes (damit ir oppinion offenbarlich ungerecht, und bös, auch unbestendig erfunden werd,) in der ursach jrer jrrigen und verfierischen oppinion nit gleich, sonnder wol funfferlay oder sechserlay widerwertiger und ungleicher maynungen". Zu dieser Einschätzung vgl. Luthers fast gleichlautende Äußerung in einem Brief an Georg Spalatin vom 11.3.1527 (WA.B 4, 175, Nr. 1087). Vgl. dazu: Zschoch, Augsburg, 79. Fol. 9r. Ein überzeugter Anhänger der neuen Lehren wurde gefragt: Woher weißt du, daß die zwinglischen Prediger die Wahrheit predigen und die anderen nicht? Er antwortete: Weil sie dies behaupten, glaube ich ihnen mehr als den anderen! Er wurde weiter gefragt: Was tust du, wenn sie aber die Unwahrheit sagen? Darauf erwiderte er: Das lasse ich ihre Sorge sein!; vgl. Zitat in: Wolfart, Reformation, 54f. Vgl. fol. lv, 2T, 6T, 8V, 9T. CJCan., Decr. Grat. c. 22 С. XXIII. qu.8 (RF 1,961). CJCan., Decr. Grat.c. 14 С. XXVIII. qu.l (RF l,1087f.).
117 In den gegenwärtigen Augsburger Angelegenheiten muß man jedoch von der Voraussetzung ausgehen, daß es sich nicht um unstrittige Religionsangelegenheiten handelt. Würde der Rat in dieser Lage Änderungen vornehmen und Verordnungen erlassen wollen, so würden diese nicht durchzusetzen sein. Die folgenden sieben geplanten Maßnahmen des Rates würden, wenn sie unter dieser Voraussetzung tatsächlich durchgeführt werden, den Rat und die Stadt Augsburg in große Schwierigkeiten bringen (fol. lOr19v):80 1. (fol. 10r-llr): Maßnahmen gegen die nicht reichsstädtisch-bürgerschaftlichen Institutionen in Augsburg: Diese Maßnahmen würden sich gegen das Kloster St. Ulrich richten und gegen dessen Schutzherren, die Herzöge von Bayern in München und die Pfalzgrafen von Neuburg, sowie gegen die Schutzverträge, die der Rat selbst mit dem Kloster geschlossen hat. Außerdem würden sie sich gegen den Bischof und das Domkapitel richten sowie gegen andere Stifte und Klöster mitsamt deren Klerus. Der Rat verletze somit die Freiheiten und Rechtsverhältnisse dieser Körperschaften, die sich nicht freiwillig den Maßnahmen des Rates unterwerfen werden, sondern unter grober Mißachtung ihrer Rechte zur Annahme durch den Rat gezwungen werden müßten. Solche Zwangsmaßnahmen werden sich für die Stadt Augsburg nachteilig auswirken, so daß die Stadt zur Restitution der früheren Rechtsverhältnisse der geistlichen Stände gezwungen wäre und großen Benachteiligungen und Strafen ausgesetzt sei. Zumal wird die Unrechtmäßigkeit solcher Maßnahmen durch den Rat schon durch die oben angesprochene Trennung von weltlicher und geistlicher Obrigkeit bestätigt.81 Dazu kommt noch, daß die vom Rat geplanten Maßnahmen gegen die von ihm bestätigte Bundeseinigung des Schwäbischen Bundes verstoßen. Darin heißt es zu Beginn unter anderem, daß jeder Bundesgenosse verpfliehtet ist, die Rechte und Freiheiten eines anderen unangetastet bestehen zu lassen. Außerdem weist Rehlinger daraufhin, welch unzuverlässigen Eindruck - einmal abgesehen von den konkreten negativen Folgen - der Rat hinterlassen würde, wenn er gegen die von ihm ratifizierten Verträge verstoße und welcher Schaden der Stadt durch die von den Domherren herbeigerufenen Verbündeten zugefügt werden könnte. 2. (fol. 1 lr-12r): Verletzung der Rechte und Freiheiten der eigenen Bürger. Ebenso wie die Maßnahmen der Religionsänderung durch den Rat gegen eine Reihe von Institutionen gerichtet sind, sind sie zugleich auch gegen viele Bürger gerichtet, die sich freiwillig den Neuordnungen im Glauben nicht fügen wollen. Gegen diese Bürger darf der Rat auch nicht mit Zwangsmaßnahmen einschreiten, da sich diese gegen Gott, die Vernunft, das geistliche und weltliche Recht und gegen die Gepflogenheiten unter Christen wenden. Denn Bürger, die sich in dieser Angelegenheit dem Rat widersetzen, vertreten schließlich den Glauben der Mehrheit der Christenheit. Besonders verwerflich wäre an diesem Vorgehen außerdem, daß diesen Bürgern ein Glaube aufgenötigt werden soll, der besonders in der Abendmahlslehre gegen die unmißver-
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Man kann wohl sicher davon ausgehen, daß diese Maßnahmen - wie sie Rehlinger formuliert - in ähnlicher Form tatsächlich schon im Gespräch waren. Auffälligerweise tauchen die meisten von ihnen auch in der Zusammenstellung von 22 Einwänden gegen die Reformation in Augsburg wieder auf; vgl. dazu unten mit näheren Angaben: Kapitel 8.2. Vgl. fol. 2v-3r.
118 ständlichen und eindeutigen Worte Christi82 verstößt, indem er den Sinn der Worte Christi verdreht. Darüber hinaus werden die Bürger gegen ihr Gewissen und das allgemeine christliche Ordnungsverständnis von den Anhängern der neuen Lehre verfuhrt, in die zur Ehre Gottes errichteten Kirchen in gotteslästerlicher Absicht einzudringen. Sie verletzen damit die Rechte der Stifter und der Geistlichen der jeweiligen Kirche. 3. (12r): Verletzung der Rechte und Freiheiten der Klöster und ihres Besitzes, die ebenfalls niemand anderem als ihren Stiftern und ihrer Geistlichkeit gehören. 4. (12r-14r): Zerstörung der Heiligenbilder in den Kirchen. Rehlinger verteidigt die Bilder, denn sie dienen nur dem "gueten Christenlichen gedechtnus gottes, seiner muetter Maria unnd seiner heiligen"83, d.h. sie verweisen also nur auf den tatsächlich Anzubetenden und werden schließlich nicht selbst angebetet und als Götter verehrt.84 So betrachtet, kommt ihnen eine Funktion zu, die analog zu der des Alphabetes ist. Wie denen, die lesen können, die Schrift eine Stütze zur Erinnerung ist, so sind denen, die nicht lesen können, die Bilder eine Stütze zur Erinnerung und haben aus diesem Grund ihre Berechtigung.85 Sie sind aufgrund dieser Zweckbestimmung auch in der Vergangenheit nicht verboten worden, denn alle Texte in der heiligen Schrift, die Bilder verbieten, beziehen sich auf ihren früher häufig vorgekommenen Mißbrauch durch Abgötterei und Anbetung ihrer selbst.86 In der heutigen Zeit aber bedarf es eines solchen Verbotes nicht, da die Prediger alle Christen im rechten Gebrauch der Bilder unterweisen. Selbst für den Fall, daß wenige einfältige Menschen doch die Bilder selbst anbeten, folgt aus diesem Mißbrauch doch nicht, daß die Bilder, die in erlaubter Absicht hergestellt wurden, verboten werden müßten. Denn generell ist das Gute nicht wegen des Bösen abzuschaffen, sondern allein das Böse soll verboten und bestraft werden, aber das Gute soll bestehen bleiben. Aus diesem Grund müssen Bilderstürmer dieser Zeit sich vergegenwärtigen, daß sie sich gemäß dem weltlichen Recht der höchsten Strafe schuldig machen. 5. (fol. 14r-15v): Öffnung der geschlossenen Frauen- und Männerklöster. Aus der Auflösung der Klöster und Aufforderung an die Insassen, in den weltlichen Stand zurückzukehren, ergeben sich viele Probleme und Anlässe für Auseinandersetzungen. Besondere Zwietracht entsteht dabei mit den Verwandten der ehemaligen Klosterinsassen. Ihre Eltern wollen sie nicht mehr in ihre Familien aufnehmen und ihnen über den ins Kloster eingezahlten Erbanteil, der durch den Austritt verloren ist, hinaus keine Zuwendung mehr zugute kommen lassen. Aus dem gleichen Grund werden auch die Geschwister der bisherigen Klosterinsassen und deren Nachkommen keine erneute Teilung ihres Erbes dulden. Somit würden die gegenseitig erhobenen Ansprüche zum Schaden und Nachteil aller Familienmitglieder führen. Besonders wird es dabei nicht nur die treffen, die die Klöster verlassen, sondern auch die, die sie zu diesem Schritt veranlaßt und Hilfe geleistet haben. Auch eine Heirat als Ausweg aus dieser Situation ist nicht immer anzuraten. Dies zeige die tägliche Erfahrung und zwar besonders dann, wenn beide Ehepartner ehemalige Klosterinsassen waren. 6. (fol. 15v-16r): Abschaffung der Meßfeier. 82 83 84 85 86
Rehlinger zitiert an dieser Stelle Mt 26, 26-28. Fol. 12r. CJCan., Decr. Grat, c.28 D. III. de cons. (RF 1,1360). CJCan., Decr. Grat, c.27 D. III. de cons. (RF 1,1360). CJCan., Decr. Grat.c. 28 D. LXIII. (RF l,243f.).
119 Inhalt der Meßfeier ist der Opfertod Christi sowie der Inhalt der Evangelien, Episteln, Gebete und Bekenntnisse, die das Leiden Christi zum Thema haben. Die Einsetzung der Messe in dieser Form kann zwar durch die heilige Schrift nicht belegt werden, aber sie ist aus diesem Grund nicht gleich als zu Unrecht vollzogen zu verurteilen, sondern sie dient doch der Anregung zu göttlicher Andacht. Dies trifft auch für andere in der Kirche gebräuchliche Zeremonien zu, die dem Christen als Mittel "zu guotter andacht gegen got"87 dienen. 7. (16r-19v): Änderung der bisherigen Haltung in der Reichspolitik. Auf dem Augsburger Reichstag hat der Rat dem Kaiser trotz Ablehnung des Reichsabschiedes zugesichert, daß er in Religionsangelegenheiten keine neuen Ordnungen erlassen werde. In diesem Zusammenhang wurde auch versprochen, den Reichsabschied von Speyer 1529 weiterhin vollständig einzuhalten und niemanden an der Durchführung der Messe, Beichte und anderer Zeremonien zu hindern. Es ist die Pflicht des Rates, sich an diese Zusicherungen zu halten. "Dann nit allain der nattur, vemunfft unnd pillicheit, sunder auch dem rechten nach, under den mentschen das höchst und bequemest ist, die zusagen, so die mentschen ain andern then, ungewaigert zuhalten"88. Ein Fehlverhalten in diesem Punkt zieht nicht nur Unehre nach sich, sondern auch spürbare Folgen: Je größer die Vorbildfunktion dessen ist, der dieses Unrecht begeht, desto härter wird die Strafe für ihn ausfallen. In großem Maße gilt diese Vorbildfunktion also für "die herren und grosse häupter"89, die ihre Vereinbarungen und Zusicherungen nicht einfach brechen können.90 Denn selbst wenn daraus zunächst Vorteile entstehen, bleibt die Tatsache des Bündnisbruches entscheidend und in den Folgen schwerer wiegend. In Anlehnung an Aristoteles läßt sich zur Veranschaulichung anführen: "Dann thustu hinweckh und hebst auf, oder last nichtz sein, den trauen unnd glauben, so werden alle mentschen zu vorigem stand erwachsen oder kumen, zu gleichnus wie die unuernunfftigen thier, darumb so solst du ... dichhieten, deine geschechen zusagen zuschwechen, oder zuerprechen, halt die unnd deine ayd, auch pundtnußen starckh, und vest, ob dir die gleich beschwerlich sein solten"91. Daraus lassen sich auch die konkreten Anforderungen der Gegenwart ableiten: Sowohl der Kaiser als auch der Rat Augsburgs müssen ihren Verpflichtungen nachkommen. Gegenteiliges Handeln würde vor allem auch gegen die Aussagen der heiligen Schrift verstoßen.92 Sollte der Rat seine Zusicherungen nicht einhalten, dann könne er sich auch nicht darauf berufen, daß der Kaiser diese Zusicherungen damals nicht angenommen habe ebensowenig wie die Erklärung des Rates, warum er den Reichsabschied ablehne. Deshalb könnten sich aus dem Nichteinhalten der Zusicherungen für den Rat auch keine rechtlichen Konsequenzen ergeben. Denn - so Rehlinger - das eine (Verweigerung der Entgegennahme der Zusicherungen) folgt nicht automatisch aus dem anderen (Ignorieren der Augsburgischen Ablehnung des Reichsabschiedes durch den Kaiser). Dem entspreche auch die Tatsache, daß die unter Strafe gestellte Ablehnung des Reichsabschiedes auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ungeahndet geblieben ist. 87 88 89 90 91 92
Fol. 16r. Fol. 17r. Fol. 17v. Vgl. Joh 19,22; Baldus; Cicero; Aristoteles. Fol. 18r. Als repräsentatives Beispiel für viele andere Schriftstellen wird Ps 89, 35 zitiert.
120 Des weiteren muß der Rat hinsichtlich der Zusicherungen an den Kaiser folgendes bedenken: er kann die Einfuhrung von Glaubensänderungen nicht allein durch die Richtigkeit der Ansichten seiner eigenen Prediger rechtfertigen, da diese gegen die Auffassungen stehen, die von einem Großteil der Christenheit fur richtig befunden werden. Die Schlußfolgerung aus den in den sieben Punkten angesprochenen Problemen ist, daß der Rat als weltliche Obrigkeit durchaus berechtigt ist, zur Aufrechterhaltung unstrittiger Glaubenswahrheiten Verordnungen zu erlassen und diese auch durchzufuhren. Gerade dies ist auch nötig, da zur Zeit "vil laster unnd sinden in diser stat beschechen, die offenbar auch undisputierlich wider got seyen"93. Die wesentlichen Resultate der Antwort auf die Frage nach dem Reformationsrecht des Augsburger Rates werden im Gutachten folgendermaßen zusammengefaßt (fol. 19v20v): 1. Der Rat hat kein Recht sich über zwiespältige Meinungen zum christlichen Glauben, die vom allgemeinen Konsens abweichen, auf eigene Faust ein Urteil zu bilden und darüber Verordnungen zu erlassen. Dies gebührt nur einem christlichen allgemeinen Konzil. Niemand kann mit Recht dazu veranlaßt oder gezwungen werden, solche Maßnahmen zu befolgen. Die Folge für die Stadt würde allgemeiner Schaden und Unfrieden sein. 2. Die Prediger sind gemäß dem Vorbild der Apostel zur rechten Predigt verpflichtet. Sie dürfen zur Unterstützung eigener "seltzam oppiniones oder maynungen"94 nicht die Hilfe der weltlichen Obrigkeit erwarten, sondern sollten sich an einen anderen Ort begeben. Andernfalls würden der Stadt Unfrieden und Nachteile daraus erwachsen. 3. Der Rat hat vielmehr die Pflicht zu "guot Satzungen, zu abstellung der offennbam sindigen laster, und zuerhaltung gutter pollieceyen, auch frid und ainigkait"95 Verordnungen zu erlassen und deren Durchführung zu gewährleisten. Auf die Beantwortung der zwei anderen von Rehlinger nicht näher präzisierten Fragen aus dem Gutachtenauftrag wird im Gutachten verzichtet, da mit den Ausführungen zur ersten Frage deren Beantwortung an sich schon hinfallig ist und außerdem dazu benötigte Unterlagen nicht weitergegeben wurden.96 Die vorangegangene gutachterliche Stellungnahme solle nur zum Besten der Stadt dienen, "damit die bey guoten wierden, frid, und ainigkait erhalten und vor unwider-
93 94 95 96
Fol. 19v. Fol. 20r. Fol. 20v. Fol. 20v-21r. Rehlinger zitiert leider die Fragen nicht. Entsprechend der Quellenlage zu den Gutachtenaufträgen (vgl. Kapitel 6.3.: WGA, Fase. 1; StAA, Historischer Verein, N 7, fol. 247; teilweise gedruckt in: Roth, Reformationsgeschichte II, 140) beinhaltete die eine Frage zwei Gesichtspunkte: Kann sich die Stadt Augsburg auch des kaiserlichen Landfriedens bezüglich der Religion erfreuen, der den Schmalkaldischen Bundesverwandten zugute kam? Oder wie kann Augsburg sich anders der kaiserlichen Gnade versichern? Der Inhalt der zweiten an Rehlinger gestellten (und von ihm unbeantworteten) Frage muß offen bleiben. Die Hinfälligkeit der Beantwortung solcher Zusatzfragen wurde auch schon durch den Religionsausschuß festgestellt für den Fall, daß ein Gutachter - wie eben Rehlinger - bei der Hauptfrage zu einem negativen Schluß kommt.
121
pringlichem abfal verhieten möcht werden"97. Dies gilt selbst für den Fall, daß dem Rat das eine oder andere Argument mißfallen sollte.
7.2.2. Charakteristik Wie die inhaltliche Darstellung ergeben hat, gliedert Rehlinger sein Gutachten in drei Hauptabschnitte bzw. Antworten, die sich durch eine Differenzierung des Bedeutungsinhaltes des Begriffes "Religion" ergeben.98 Ausgehend davon sieht er für die christlichen Grundinhalte, die im Neuen und Alten Testament sowie in den Beschlüssen der vier großen altkirchlichen Konzilien festgelegt sind, keinen Argumentationsbedarf hinsichtlich der Eindeutigkeit des Verbotes für den Rat, in Angelegenheiten der Kirche einzugreifen. Im folgenden bestimmt er ausgehend von einer strikten Trennung der weltlichen und geistlichen Obrigkeit die einzige Institution, der eine Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten der Religion zukommt: ein allgemeines christliches Konzil.99 Nur bei einem Konzil - und nicht etwa allein beim Papst100 - liegt über grundsätzliche Religionsfragen jedwede Entscheidungsbefugnis. Nur von einem Konzil kann, nach Ansicht Rehlingers, eine Entscheidung erwartet werden, die: • • •
im Sinne der christlichen Grundinhalte ausfällt, auf die Verordnungen der weltlichen und geistlichen Rechte gestützt ist, mit der Autorität der Mehrheit ausgestattet ist.
Auf diesen drei Kategorien basiert Rehlingers gesamte Argumentation. Bei den Rechtsverordnungen stützt sich Rehlinger in den meisten Fällen auf Zitate aus dem kanonischen, seltener aus dem weltlichen Recht und noch seltener auf juristische Kommentatoren (u.a. Baldus). Die Autorität dieser Texte für den 97 98
99
100
Fol. 21r. Vgl. Hans, Gutachten, 16-18. Meines Erachtens übertrieben ist das Urteil von Hans, Rehlinger lasse sich durch seine "Polemik häufig allzuweit von seinen Gedanken fortreißen und verliert so das Ganze aus den Augen". Dies geschieht nur in den drei Fällen, in denen er praktische Beispiele (fol. 4r: Meinungsbildung unter Juristen; fol. 9r: Gespräch mit dem "Mann von der Straße"; fol. 17v-18v: Dialog zwischen den antiken Vorbildern Aristoteles und Alexander d. Gr.) bringt, um seine Argumentation anschaulicher zu machen. Die stilistische Wirkung ist dabei durchaus gelungen. Fol. 6r, 8v, 9r, 20r. Dem Konzil als Versammlung der gesamten Christenheit fugt Rehlinger ganz in deutlichem Unterschied zu Peutinger! - an den genannten Stellen nicht das Adjektiv "frei" hinzu. Die Einberufung und Leitung des von Rehlinger durchaus befürworteten Konzils gesteht er deshalb dem Papst zu. Die obrigkeitliche Stellung des Kaisers oder einer von diesem einberufenen Nationalversammlung wird von Rehlinger im Zusammenhang mit der Konzilsforderung nicht gewürdigt. Darüber hinaus diskutiert Rehlinger auch nicht, ob der Kaiser ein allgemeines Konzil veranlassen oder ein Nationalkonzil (bzw. Nationalversammlung) einberufen könne. Fol. 6t.
122
Bereich der Religion ist für ihn eindeutig maßgebend, wenn man daneben die spärliche Anzahl expliziter Schriftzitate101 betrachtet. Rehlinger ist vor allem überzeugt von der unbedingten Übereinstimmung der Rechtstexte und der biblischen Texte, weshalb als Grundlage und Bezugsquelle für strittige Religionsfragen besonders den Rechtstexten - und innerhalb dieser besonders denen des kanonischen Rechts - eine umfassende Geltung zukommt.102 Maßgeblich für die Richtigkeit der Glaubenslehre ist neben der Übereinstimmung mit den Rechtstexten auch immer die mehrheitsbildende Gemeinschaft der ganzen Christenheit.103 Die abweichenden Meinungen der "zwinglischen prediger" sind somit fur Rehlinger das Gegenüber. Seine anti-"zwinglische" Polemik, die oftmals vom eigentlichen Gedanken abweicht, richtet sich vor allem gegen deren Abendmahlslehre bzw. gegen deren vieldeutige Begründungen.104 Den Einfluß der Prediger auf den Rat betrachtet er besonders wegen der zu befürchtenden gewalttätigen Maßnahmen gegen altgläubige Einrichtungen und Zeremonien mit großer Skepsis. Deshalb nimmt er gegen die "zwinglischen" Angriffe die Heiligenbilder, die Meßfeier und das Mönchswesen in Schutz. Wenn der Rat den "zwinglischen" Predigern sein Vertrauen schenkt, werden auch innerhalb der Augsburger Bürgerschaft unüberwindbare Spannungen auftreten oder viele Bürger, die der Lehre der christlichen Mehrheit anhängen, müssen sich gegen ihr Gewissen den Glaubensänderungen des Rates beugen.105 Erst am Ende seiner Stellungnahme geht Rehlinger auf die Reichspolitik ein. Für den Rat sind vor allem die rechtlichen Bindungen an die geistlichen Stände in der Stadt, die Verpflichtung des durch Augsburg angenommenen Reichsabschiedes von 1529 und die Zusicherungen an den Kaiser von 1530 verpflichtend. Würden diese in Zukunft nicht eingehalten werden, drohen große Gefahren fur die Stadt. Sowohl in der Betonung der Kompetenzen eines Konzils als auch in den immer wiederkehrenden Äußerungen, der Glaubenpraxis der Mehrheit zu folgen, kommt Rehlingers inneres Bedürfnis nach Erhaltung der Einheit der Kirche, selbst wenn 101 102
103 104 105
Fol. l l v , 17v, 19r. Fol. 6r-6v: "Unnd ob man wider alles ferer sagen, noch darumb meinem antzaigen desterminder geglaubt werden weit, als ob ich mein antzaigen, allein mit gaistlichen, bepstlichen, auch weltlichen rechten, außfieren, aber daneben umb sollichs kain schrifft, des alten oder neuen Testaments anzaigen solt, dagegen sag ich, das ich gem ein heren woll, der mir durch die gottlich schrifft, in sollichem, das widerspil anzaigen kind ...". Fol. 4v, 5r/v, 7v, 1 lr/v. Fol. 4v, 7r-9r, l l v , 20r. Fol. 8v, 1 lr/v.; vgl. Fol. 1 lr: "Gleichermassen wurd auch sollichs eins Erbem Ratz unzulessige unnd verpottne enderung, fumemen, und Ordnung, von fast vielen dapfern und erbern Burgern und Bürgerin, die auf dem alten weg, auch sonst lutterisch, oder euangelisch, aber nit zwinglisch sein, keins wegs angenomen, noch gehalten, die auch mit guetem gewissen, dartzu nit getrungen werden mochten."; Aus dieser Textpassage leitet Wolfart, Reformation, 52 seine Vermutung her, Rehlinger habe vielleicht selbst zu den Anhängern der lutherischen Lehre in Augsburg gehört. Diese Vermutung entbehrt jedoch meines Erachtens jeder Grundlage.
123 die Kirchenreform daran scheitern sollte, zum Ausdruck; die sachliche Grundlage seines Gutachtens bilden deshalb auch juristische Argumente. Dieser "rote Faden" fuhrt im Gutachten zwangsläufig zu dem Resultat, daß das Recht für den Rat der Stadt Augsburg, in Religionsangelegenheiten einzugreifen und neue Verordnungen zu erlassen, bestritten werden muß.
7.3. Das Hel-Gutachten 106 7.3.1. Aufbau Die erste Frage, nach dem Recht des Rates, Änderungen in Religionsangelegenheiten vorzunehmen, wird von Hei zunächst inhaltlich differenziert: Handlungen, Änderungen und neue Ordnungen in Religionsangelegenheiten vorzunehmen bedeutet, wörtlich genommen, einen Eingriff in die Angelegenheiten, in denen Christus und seine Apostel ausdrückliche Verordnungen und Maßstäbe für das Verhalten aufgestellt haben und wie sie im Neuen Testament niedergeschrieben sind.107 Durch ihre Verankerung in der heiligen Schrift haben diese den Charakter göttlichen Rechtes und können als solches - uneingeschränkt und unveränderbar - ewige Geltung beanspruchen. Daraus können sechs Grundsätze abgeleitet werden: 1. Keine menschliche Obrigkeit hat das Recht, ausdrückliche göttliche Gebote zu ändern.' 08 Denn die Gebote Jesu müssen von jedem Christen bis in den Tod hinein beachtet werden. Selbst der Papst, als Statthalter Christi, kann keine (neuen) Verordnungen erlassen, da Christus das göttliche Gesetz und die Propheten bereits vollständig erfüllt hat.'09 Wer dieses ganze göttliche Gesetz einhält, wird im Himmel dafür belohnt;'10
106
107 108 109
StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 18. Das Gutachten hat einen Umfang von 46 Blatt im Folioformat. Es ist in eine Pergamenturkunde privaten Inhalts aus dem Jahr 1503 eingebunden. Die Textseiten sind mit großzügigen Absätzen auf den rechten Seitenhälften beschrieben. Der Duktus der Unterschrift aus der Feder Konrad Hels am Ende des Gutachtens deckt sich mit der Handschrift des gesamten Textes. Hans, Gutachten, 21-24. Ein wörtlicher Auszug aus dem Gutachten, der den Text von fol. 28v-35v umfaßt, befindet sich als Beilage im gleichen Nachtrag I, Nr. 16, fol. 2r-6r. Dieser Text wurde bisher noch nicht identifiziert. Beim restlichen Dokument Nr. 16 (fol. 7r ff.) handelt es sich um eine Streitschrift Christoph Ehems (vgl. dazu: Roth, Reformationsgeschichte II, 154 und 168, Anm.38; Hans, Gutachten 37-40), die später eine Gegenschrift von Musculus provozierte. Der Auszug aus dem Hel-Gutachten scheint für die Vertiefung der Argumente von besonderem Interesse gewesen zu sein, da auch die unter anderem aus dem Hel-Gutachten zusammengestellten 22 Einwände gegen die Reformation ausschließlich aus diesem Textausschnitt stammen (vgl. unten Kapitel 8.2.). Fol. 2r-6v (1. Teil der Beantwortung der Hauptfrage). Fol. 2v. Mt 5,17.
124 wer dagegen nur ein einziges Gebot mißachtet, macht sich am ganzen Gesetz schuldig,111 das ewig Geltung besitzt.112 Der Verstoß gegen das göttliche Gesetz besteht dann darin, daß die göttliche Wahrheit in die Lüge verkehrt wird.113 Der göttlichen Wahrheit, d.h. dem göttlichen Gesetz, zu folgen, ist bildhaft zu vergleichen mit dem klugen Baumeister, der sein Haus auf dem Felsen baut.114 Aufgrund dieser neutestamentlichen Aussagen gebührt es keiner menschlichen Obrigkeit, d.h. auch nicht dem Rat der Stadt Augsburg, irgendwelche Änderungen in Religionsangele-genheiten durchzufuhren. Beziehen sich die geplanten Änderungen im Kirchenwesen hingegen nicht auf den christlichen Glauben, insoweit er ausdrückliches Gebot Christi ist, sondern zielen sie auf die Korrektur menschlicher Traditionen und Satzungen im christlichen Glauben," 5 dann muß im einzelnen geprüft werden, ob die geplanten Maßnahmen gegen die bestehenden Rechtsordnungen verstoßen. 2. In der traditionellen Auffassung des geistlichen Rechts116 ist es allein dem Papst erlaubt, Änderungen in Glaubensangelegenheiten vorzunehmen.117 Diese kirchliche Tradition ist jedoch ein schlecht begründetes Recht. Aus der göttlichen Rechtsordnung des Alten Testaments kann der kirchlichen Tradition deshalb folgender Satz gegenübergestellt werden: 3. Die Menschheit wird schon immer durch zwei Gewalten regiert und beherrscht.118 Schon Moses setzte auf ausdrücklichen Befehl Gottes Aaron und dessen Nachfahren als geistliche Obrigkeit in das Priesteramt ein und nahm selber als weltliche Obrigkeit das Richteramt wahr." 9 Um die weisungsgerechte Durchführung seiner Gebote zu gewährleisten, hat Gott eben diesen beiden Repräsentanten seines Volkes seine Befehle zur Ausführung übermittelt.120 In den Glaubensangelegenheiten, in denen kein ausdrückliches Gebot Gottes vorlag, haben die geistliche und weltliche Obrigkeit gemeinsam und in Verbindung mit den Ältesten und der Gemeinde Israels gewirkt. Bis zur Zeit Christi blieb diese Ordnung in Kraft, indem sie von Generation zu Generation unter den Hohepriestern und Richtern bzw. Königen weitervererbt wurde. Durch die göttliche Rechtsordnung des Neuen Testamentes wird dieser alttestamentliche Grundsatz in zweierlei Hinsicht konkretisiert und weitergeführt (4. und 5.): 4. Jesus Christus bestätigt die zwei Gewalten;121 denn das Verhältais des Menschen zur göttlichen und zur menschlichen Herrschaft wird ausdrücklich durch Christus bestimmt.122 Auch die menschliche Herrschaft ist
110 111 112
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Mt 5,19. Jak 2,10. Lk 21,33; "Dann jhe, so ist das gottlich recht, in allweg, unuerennderlich, und bestenndig, mag auch khains wegs geennderet, verkhert, noch annderst dagegen, oder dawider uffgericht werden" (fol. 6r). Gal 1,8; Rom 1,25. Mt 7,22ff. Fol. 6v-26r (2. Teil der Beantwortung der Hauptfrage). Vgl. CJCan., Decr. Grat. c. 8 D. IX. ff. (RF l,17f.); c. 13 С. IX. qu.3 (RF 1,610). Fol. 7r-7v. Fol. 8v. Ex 28,Iff. Lev (z.B. 11,1; 13,1 und andere). Fol. 10v-llr.
125 von Gott verliehen.123 Zwar ist den Geboten der Priester Folge zu leisten, wenn man auch ihre Taten nicht unbedingt zum Vorbild nehmen soll124, aber Christus allein war der einzige und wahre Gesetzgeber, dem es zustand, das alte göttliche Gesetz zu ändern.125 Er hat jedoch die weltliche Gewalt in seinen Taten, Worten und durch seinen Tod bestätigt. Für diejenigen Angelegenheiten, für die Christus zu seiner Zeit nichts Ausdrückliches oder eindeutig Verbindliches geboten hat, bestimmt das Neue Testament, über die Bestätigung der beiden Gewalten hinaus, folgendes: 5. Die Versammlung der ganzen christlichen Gemeinde ("Konzil") hat die Kompetenz, strittige Fragen zu entscheiden.126 Diese Nachfolge-Vollmacht übertrug Jesus schon seinen Jüngern.127 Seit den ältesten Zeiten wurde dies in dem Sinne verstanden, daß nur der versammelten Gemeinde die Autorität zukam, Neuregelungen zu erlassen.128 Danach richtete man sich auch seit der Zeit der frühen Kirche und noch bis zum Konzil in Basel. Zusammenfassend heißt das, daß in allen Glaubens- und Religionsangelegenheiten, in denen Zweifel aufkommen und Uneinigkeit besteht, nur eine allgemeine christliche Kirchenversammlung das Recht besitzt, neue Richtlinien zu erlassen. Denn in ihr allein ist der heilige Geist wirksam und sie allein repräsentiert die heilige christliche Kirche. Einer solchen Konzilsversammlung ist jeder Christ und auch der Papst Gehorsam schuldig. Das bedeutet für die Grundfrage des Gutachtens, daß dem Rat der Stadt als weltliche Obrigkeit weder bei ausdrücklich vorliegenden und unstrittigen göttlichen Ordnungen noch bei gänzlich fehlenden oder strittigen Satzungen des Alten und Neuen Testaments das Recht zukommt, sich mit Glaubensfragen zu befassen. Auf diesem Fundament des göttlichen Rechtes im Alten und Neuen Testament basieren auch die weltlichen Rechtsnormen des letzten Grundsatzes: 6. In dem vom Kaiser verordneten weltlichen Recht ist es unter Androhung schwerer Strafen den weltlichen Obrigkeiten verboten, Änderungen in Glaubensangelegenheiten vorzunehmen.129 Denn die weltliche Obrigkeit darf gemäß dem, an dieser Stelle nicht näher belegten, kaiserlichen Recht, das sich - wie gezeigt - auf Christus und das göttliche Recht berufen kann, ihre Gewalt nicht dazu benutzen, jemanden gegen seinen Willen zum Glauben zu zwingen. Darüber hinaus sind auch die dahingehenden Verordnungen in den Reichsabschieden zu Worms, zu Speyer (zweimal) und zu Augsburg einzuhalten. Die ersten drei dieser Reichsabschiede hatte die Stadt Augsburg mit ratifiziert und anstelle der Annahme des Reichsabschiedes 1530 dem Kaiser in einer gesonderten Er122 123 124 125
126 127 128 129
Mt 22,21; 17,27. Joh 19,9ff. Mt 23,3. Hebr 10,9; vgl. auch: Christus, "der doch ein einiger herr seines und gottes gesetz ist" (fol. 3v), "wellichem allein das gottlich gesetz unnderworffen ist" (fol. 4r), "ist [er] der erst, unnd whar, auch ainig gesetzgeber gewest, welcher allein macht und gewaldt, ein newe Ordnung unnd ennderung des alten gesetz furzunemen gehapt" (fol. 1 lv) und andere. Fol. 12v. Mt 5,13f.; 10,1; Joh 20,21ff.; Lk 22,29 und andere. Apg 1,15ff.; 2,38; 6,2ff.; 11,Iff. 22f.; 13,Iff.; 14,26f.; 15,6.22; 16,4; Mt 18,20. Fol. 22r.
126 klärung u.a. zugesagt,130 niemanden vom alten Glauben abzudrängen und obrigkeitsfeindliche Predigt zu verbieten. Die Nichteinhaltung dieser Zusagen wäre folglich nicht nur ein Verstoß gegen göttliches, sondern auch gegen geltendes weltliches Recht. Denn auch eine Obrigkeit muß ihre Versprechen gegenüber jedermann halten und erst recht gegenüber dem Kaiser, als dem durch Christus bestätigten Haupt der Welt.131 Ein Verstoß kommt somit dem Bruch eines Eides gleich, den zu halten man sich verpflichtet hat.132 Aus dem bisher Dargelegten folgt, daß sich der Rat der Stadt Augsburg bis zum bereits angekündigten allgemeinen christlichen Konzil gedulden muß133 und bis dahin nicht in den durch Gott bestimmten Lauf der Dinge eingreifen darf.134 An dieser Stelle schließt sich inhaltlich die Beantwortung der dritten Frage im Gutachtenauftrag an:135 Die Folgen einer Glaubensänderung in der Stadt würden sich nicht nur fur das Leben und den Besitz ihrer Bewohner bemerkbar machen. Eine durch solches Vorgehen provozierte Verletzung der göttlichen Ordnung hätte vielmehr vor allem Folgen für die Seelen. Denn nach dem Zeugnis des Neuen Testaments ist eine Glaubensänderung die Vorstufe zum Abfall vom Glauben. Das ewige Leben jedoch werden nur die erlangen, die das Wort Gottes und seine Gebote uneingeschränkt halten.136 Die Liste der möglichen Folgen für Leib, Ehre und Gut137, die bei einer Änderung der kirchlichen Verhältnisse durch den Rat drohen, wird durch eine Reihe biblischer Beispiele eröffnet.138 An erster Stelle der politischen Folgen steht dabei die Ungnade des Kaisers, die Anlaß für strikte Durchführung der geltenden Rechtsbestimmungen,139 aber auch Grund für die kaiserliche Duldung oder Unterstützung von Übergriffen auf Augsburg sein könnte. Solche Konsequenzen würden außerdem dadurch begünstigt, daß zur Zeit für den Kaiser günstige Friedens- und Bündnisschlüsse in Kraft sind. Der Anreiz, gerade gegen Augsburg vorzugehen, ist zudem besonders hoch,140 weshalb eine Änderung in Glaubensangelegenheiten der Stadt nur zum Unglück gereichen würde. Deswegen muß dem Rat noch einmal ans Herz gelegt werden, abzuwarten und die Geschicke in Gottes Hände zu legen.141
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Vgl. oben: Kapitel 4.2. Vgl. Mt 22,21; Apg 25,8. Vgl. Mt 5,37. Vgl. Reichsabschied Speyer 1526, § 1. Unter anderem: Apg5,34ff.; 18,15; 25,5.lOf. Fol. 26r-40r. Mt 19,16f.; Lk 11,28; Mt 5,19; Eph 5,3ff. 15f.; Mt 18,6ff. Fol. 29r. Apg 8,18ff.; 1 Sam 15,1 Iff.; Apg 12,22ff. "So möcht man dem kaiserlichen rechten nach sagen, das durch newerung, unnd ennderung unnsers glaubens, aines raths unnd gemainer statt, sampt derselbigen bürger guetter confisciert unnd preysgemacht weren" (fol. 32r-32v); vgl. Strafen in den Reichsabschieden von Worms 1521, Speyer 1526, Speyer 1529, Augsburg 1530; Strafen fur die Mißachtung einmal angenommener Reichsabschiede; Strafen für Eidbruch. Fol. 34r: "augspurg als ainem haupt unnd zier, oberer tewtscher nation"; fol. 35r: "die hochberömpt glori unnd eher diser statt". Vgl. Mt 13,24ff.; Lk 21,18; Mt 13; 26, 52; Apg 10; 13,51.
127 Für die zweite Anfrage im Gutachtenauftrag'42 bezüglich der Mißstände bei Verheiratungen kann prinzipiell auf insgesamt vierzehn im kaiserlichen Recht strafwürdige Eheverbindungen verwiesen werden.143 Zu den konkreten Zuständen in Augsburg hinsichtlich unrechtmäßiger Eheverbindungen kann aus Unkenntnis der aktuellen Verhältnisse keine Auskunft erteilt werden. Für die Zukunft soll der Rat jedoch eindeutig festlegen, welche ehelichen Verbindungen unrechtens sind und welche Strafen bei Verstößen drohen.
7.3.2. Charakteristik Betrachtet man das Gutachten insgesamt, fällt eine klare Gliederung und Durchführung des Gedankenganges auf. Dabei hält sich Hei genau an die drei Aufgabenstellungen des Ratsauftrages. Die Beantwortung der Grundfrage des Auftrages nach dem Reformationsrecht bildet - entsprechend dem sachlichen Übergewicht gegenüber den beiden anderen Aufgabenstellungen - den Schwerpunkt des Gutachtens. Hei baut seine Stellungnahme logisch auf, indem er die Beantwortung der dritten Anfrage an die der ersten anschließt und die zweite Anfrage an den Schluß seines Gutachtens setzt.144 Das Gutachten beginnt und schließt mit Worten, in denen Hei vorsichtig und zurückhaltend seine Untersuchungsergebnisse absichert.145 In sachlicher Aneinanderreihung trägt Hei seine Grundsätze vor. Er beginnt, nach einer Präzisierung der Gutachtenanfrage im Hinblick auf den Geltungsbereich des göttlichen und menschlichen Rechts, mit den Geboten des göttlichen Rechts (s.o. Grundsatz 1). Dem darauf folgenden, nur durch die Tradition begründeten, geistlichen Recht (Grundsatz 2) läßt er die göttliche Begründung menschlicher Rechtsgepflogenheiten (Grundsatz 3, 4 und 5)146 folgen und kommt dann zu den einzelnen Bestimmungen der weltlichen Rechtsordnungen (Grundsatz 6). Dabei wiederholt sich immer wieder das Schema von ausdrücklichem göttlichen Gebot und nicht ausdrücklichem Gebot. Im ersten Fall erledigt sich aufgrund von dessen ewiger Geltung jede Diskussion über eine mögliche Berechtigung der weltlichen Obrigkeit zur Glaubensänderung von selbst. Im zweiten Fall ist eine Klärung der geltenden menschlichen Rechtsbestimmungen, die auch teilweise 142
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Diese Angelegenheit steht in keinem direkten Zusammenhang mit den anderen beiden Fragen zur Kirchenreform. Aus diesem Grund wird sie hier nicht näher erörtert. Hei erwähnt hierbei, daß das geistliche Recht, im Gegensatz zum kaiserlichen Recht, einige dieser Verbindungen aber durchaus zuläßt (fol. 45r). Antwort auf: die erste Frage (fol. 2r-26r), die zweite Frage (fol. 40r-46r) und die dritte Frage (fol. 26r-40r). Fol. lr-2r (ganz zu Beginn steht - auch im Schriftbild betont - eine Gebetsformel) und fol. 46r-46v (abgeschlossen durch persönlichen Namenszug und Schlußformeln); sowie fol. 39v40r. Darin ist implizit eine deutliche Abwertung des geistlichen Rechts vorgenommen.
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göttlich begründet sind, Voraussetzung für eine Klärung der Berechtigung zu Glaubensänderungen.147 Im Gesamtverlauf seiner gutachterlichen Stellungnahme versäumt er es dabei nicht, in vielen Bemerkungen seine persönliche Meinung zu äußern148, und schließt mit der Bemerkung ab, daß die Erstellung des Gutachtens nach "getrewer hertzlicher gutter mainung beschehen ist"149. Dies geschieht jedoch in einer besonnenen Art und Weise, so daß man ihm seine ehrliche Zurückhaltung und vermittelnde Gesinnung - fern von jeder Polemik - abnimmt. Seine Thesen belegt Hei mit teilweise wörtlichen, teilweise indirekt angeführten Zitaten aus der Bibel. In geringerer Anzahl verarbeitet er daneben weltliche und geistliche Rechtsquellen, darunter mehrere Reichsabschiede und ein Konzilsdekret.150 Unter den biblischen Vorlagen führt er besonders zahlreich neutestamentliche Textstellen an, deren Autorität er als wesentliches Fundament seiner Thesen betrachtet, obgleich sich viele der neutestamentlichen Argumente für den aktuellen Konflikt Augsburgs als unbrauchbar erweisen. Auf rechtsgelehrte Exkurse und das Anführen von Kommentaren des geistlichen Rechts verzichtet er jedoch ganz. Mit dieser Einschränkung auf die wesentlichen Rechtstraditionen und biblischen Vorlagen151 gelingt es ihm, nicht nur den Inhalt, sondern auch die Form und den Umfang des Gutachtens in jeder Hinsicht ausgewogen zu halten.152 Den besonderen Schwerpunkt bei seiner Stellungnahme zum Reformationsrecht legt Hei auf die Differenzierung der weltlichen und geistlichen Gewalt bzw. Obrigkeit und ihrer Aufgaben, aus der er schließlich seine Vorstellung von der Zusammensetzung und den Kompetenzen eines Konzils entwickelt. Zur geistlichen und weltlichen Obrigkeit zählt Hei im Gutachten ausdrücklich folgende Institutionen und Personen: Konzilien, Kaiser, Könige, Päpste und Bischöfe.153 Dazu kommen natürlich die einzelnen Reichsstände, zumal er nicht aus den Augen verliert, daß er sein Gutachten im Auftrag der Reichsstadt Augsburg erstellt.'54 147
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Abgrenzung zwischen ausdrücklichem göttlichen Gebot und nicht ausdrücklichem Gebot wiederholt sich immer wieder: zwischen Grundsatz 1 und Grundsatz 2-6; innerhalb Grundsatz 3; zwischen Grundsatz 4 und 5. "Meins achtens" (fol. 2v, 26r, 32r, 45v); "meinem (schlechten/einfeltigen) anzaigen nach" (fol. lv, 6v, 39r/v); " meinem (geringen/clainen) verstannd nach" (fol. 5v, 26v, 35v); "mein (einfeltig/gut) bedunnken" (fol. lr, 7r/v, 24v, 30r, 35r, 45v); "mein getreuer rath" (fol. 24v, 25r/v). Fol. 39v. Hei zitiert fol. 20r aus 'Haec sancta' (vgl. Mirbt-Aland, 477, Nr. 767). Dieser Umstand kam der praktischen Verwendbarkeit fur den Rat als Auftraggeber des Gutachtens sicher sehr entgegen. Es spricht außerdem für das diplomatische Geschick und taktische Einfühlungsvermögen des Gutachters gegenüber seinem Auftraggeber. Hans, Gutachten, 21. Fol. 2v. "Ob einem ersamen Rath als einer weltlichen oberkhaidt, diser statt augspurg gepür, ..." (fol. 2r, 21v).
129 Aus dem Alten Testament leitet er sowohl die grundsätzliche Zweiteilung der Gewalten155 als auch die grundlegenden Zuständigkeiten der geistlichen156 und der weltlichen157 Obrigkeit ab. Aber auch für das Zusammenwirken beider Obrigkeiten (in einer allgemeinen Versammlung) fuhrt Hei alttestamentliche Belege an.158 In neutestamentlicher Zeit - so erfährt man aus dem Gutachten weiter - änderte sich der Charakter der geistlichen Obrigkeit: Sie lag allein in der Hand Christi.159 Der Aufgabenbereich der weltlichen Gewalt blieb jedoch durch ihn uneingeschränkt erhalten und wurde sogar bestätigt.160 Das Verhältnis des Menschen zur göttlichen und menschlichen Herrschaft wurde aber dahingehend bestimmt, daß die Bereiche der Untertänigkeit unter beide Gewalten deutlich unterschieden sind.161 Anschließend betont Hei für die Gegenwart des 16. Jahrhunderts die Gültigkeit der biblischen Definitionen für beide Gewalten. So nehmen die biblischen Schriftbelege sowohl vom Umfang als auch vom Gewicht der Argumentation im Gutachten Hels eine betonte Stellung ein. Trotzdem beweist er aber auch Scharfblick für die Situation der Augsburger Obrigkeit gegenüber den reichsrechtlichen Verpflichtungen. Im Hinblick auf die geistliche Obrigkeit stellt Hei fest, daß der Papst, aufgrund seiner Stellung162 und gestützt auf die Tradition des kanonischen Rechts, die alleinige Befugnis, Glaubensänderungen vorzunehmen, beansprucht. Hei hält diesen Anspruch jedoch für so wenig gut begründet, daß er sich nicht einmal die Mühe
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Fol. 8v. "Die gaistlichkait zuverwalten, unnd also den gaistlichen standt, auch was den glauben, ceremonien und sacrificien belannget, zuregieren unnd zuhandeln" (fol. 8v-9r); "das die auslegung, Ordnung unnd der verstannndt des gesetz, den glauben belanngende, bey Aaroni, dem öbristen priester ... gestannden ist" (fol. 9r). "[Das] das weltlich gericht bey Mosi als einem weltlichen richter und oberkhaidt gestannden ist" (fol. 9r). "In vermischten Sachen, den glauben unnd weltlichkait betreffende" (fol. 9v). "Unnd ist also zuzeyten, Christj Jhesu der gewalt, das gaistliche gesetz, unnd unsers glaubens, allein in Christo, alls einem wharen ursprung aller gerechtigkhait, unnd des hails gestannden, aber dabey nichtsdestmünder, der weltlich gewaldt daneben gewest, darinne Christus Jhesus als obgemelt, nichts hatt hanndien nochschaffen wollen." (fol. 12r). "In demselbigen hat er den weltlichen gewaldt bleiben lassen, unnd nit allein nit abgethan, sonnder hat den an vilen orten seines Euangeliums, unnd sonnderlich do er saget, were ine in der erbschafft zu richten gesetzt hatt auch mit allen seinen werckhen, handlungen auch zuletst mit seinem hailsamen todt bestett." (fol. 11 v-12r). Vgl. auch bei der Erwägung der Folgen (2. Anfrage des Rates) die saubere Unterscheidung zwischen den Folgen für die Seele laut göttlichem Gesetz und die Folgen für Leib, Ehre und Gut laut dem weltlichen Gesetz (fol. 26v, 28v); Zitat von Mt 22,21 (fol.llr); vgl. zu dieser Unterscheidung auch: Luther, Von weltlicher Oberkeit (WA 11, bes. 261-271); Luther, Der Kleine Katechismus, Haustafel: Was die Untertan der Oberkeit zu tun schuldig sind (BSLK 525 und 524, Anm. 3). "Der sich doch ein Statthalter Christj schildt" (fol. 3v).
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macht, seine Ablehnung dieses Gewohnheitsrechtes durch Belege zu stützen.163 Es ist für ihn ganz offenkundig, daß der Papst nur mit geringer Berechtigung seinen Anspruch auf die Stellung Petri im Neuen Testament - d.h. im göttlichen Recht stützen kann.164 Für die weltliche Obrigkeit - die sich im Reich aus Kaiser und Reichsständen zusammensetzt - gilt, daß es ihr weder nach geistlichem noch nach weltlichem Recht zusteht, sich in Glaubensangelegenheiten einzumischen.165 Mit ihren Machtmitteln darf sie niemand zum Glauben zwingen.166 Die reichsständische Obrigkeit - somit auch der Rat der Stadt Augsburg - ist in einem hierarchischen Beziehungsgeflecht dem Kaiser persönlich und dem weltlichen, d.h. kaiserlichen Recht, untergeordnet. Beide, sowohl der Kaiser als auch das Recht, verbieten einer Territorialgewalt Entscheidungen in Glaubenssachen. Deshalb macht Hei dem Rat auch seine unbedingte Pflicht deutlich, zum einen das persönliche "Zusagen" an den Kaiser am Ende des Reichstages 1530 zu erfüllen und zum anderen die reichsrechtlich gültigen Reichsabschiede einzuhalten.167 Der Kaiser hat dagegen innerhalb der weltlichen Obrigkeiten eine Sonderstellung inne,168 da ihm gegenüber, aufgrund der christlichen Bestätigung seiner höchsten Gewalt, eine unbedingte Gehorsamspflicht besteht.169 Nur bei einem strikten Widerspruch kaiserlicher Anordnungen gegen die göttlichen Gebote ist man von diesem Gehorsam befreit. In diesem Fall kann und darf der Kaiser einen möglichen Verstoß gegen das göttliche, d.h. absolute, Recht selbst bei einer Änderung im Glauben nicht ahnden.170 163
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"Unnd wiwol die gaistliche unnd bäpste, bis anheer, in khainen zweyfel gesteldt auch in irem gaistlichen rechten lauther fürsehen, das der bapst, allein, unnd als ein einige person, gewalt habe, in allen denen, Sachen, punkten unnd articulen des christenlichen glaubens, in welchem Christus unnser herr, unnd sein appostel, nichts außtruckhenlichs gepotten, gelernet oder geschriben, sonder dauon stillschweigen, oder meidung, unnd fürsehung zuthun, unnderlassen haben, newe Ordnung, unnd ennderung furzunehmen, unnd aufzurichten, So ist doch solhs simpliciter, meins bedunckens, nit dergestaldt, wie es furgeben gegründt." (fol. 7r-7v); vgl. Apol. CA Art. 7 und 8 (BSLK 239f.) und 'Von der Gewalt und Oberkait des Bapsts' (BSLK 471,16). "Das nachdem Willen Christj, khainem appostel, allain weder petro als einem presi-denten, nochanndem nit gepurt hat, ainich Ordnung hierum furzunemen ..." (fol. 14v). Vgl. fol. 22r; "khain weldtlich gewaldt, sonder allein gottes chrafft unnd macht, [sindt] die Sachen bevolhen" (fol. 37v); Hans, Gutachten, 75f. Vgl. fol. 22r; vgl. dazu auch: Luther, Von weltlicher Oberkeit (WA 11, bes. 264). Hans, Gutachten, 23; Wolfart, Reformation, 13. Fol. 1 lr mit dem Zitat Mt 22,21; vgl. Hans, Gutachten, 67. "Darumb ist menigklich, durch das göttlich gepott schuldig, unnd verbunden, dem kayser in allen dingen, articuln und stuckhen (so nit außtruckenlich wider das gepottes gottes unnd Christi sind) gehorsam zusein, wie dann Christus selbst auch sandt Pauls an vil orten, solchs gepotten unnd geordnt haben." (fol. 23v); vgl. Hans, Gutachten, 69. "Darumb hat Christus, ein außtruckenliche leer gegeben, das niemands aigens fürnemens, ausserhalb gemainer christenlicher versamlung, nit urthailen, noch den anndern verdammen solte, damit er auch nit geurthailt unnd verdampt wurde, welches dann in der wharhait ain
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Nach Auskunft des positiven, d.h. geistlichen und weltlichen, Rechts hat der Kaiser aber die Aufgabe, die Einheit im Glauben zu wahren oder sogar strafend auch gegen andere weltliche Obrigkeiten niederen Standes - für den Erhalt der Einheit einzutreten.171 Da Hei diese Stellung des Kaisers unbedingt anerkennt, warnt er - im Zusammenhang mit der Beantwortung der zweiten Frage des Gutachtenauftrages - auch so eindrücklich vor den kaiserlichen Strafen, die bei einer Änderung im Glauben der Stadt Augsburg drohen. Zum einen sind diese Strafmaßnahmen durch reichsrechtliche Bestimmungen legitimiert, die sich mittelbar auf das ihnen zugrunde liegende göttliche Recht stützen. Denn das Reichsrecht ist auf die Autorität des Kaisers gegründet, und die Stellung des Kaisers ist ihrerseits auf die Autorität der göttlichen Bestätigung gestützt. Zum anderen sind diese Strafmaßnahmen durch das natürliche Recht legitimiert, das die Einhaltung des Augsburger "Zusagens" auf dem Reichstag 1530, das den Charakter eines Eides hat, gebietet. Die Gehorsamsforderung gegenüber dem Kaiser geht so weit, daß Hei den Rat der Stadt Augsburg um ein geduldiges Ausharren bis zu einer Entscheidung durch eine höhere Obrigkeit, nämlich das im Speyerer Reichsabschied von 1526 vorgesehene Konzil, auffordert. Die Betonung der besonderen Stellung des Kaisers läßt meines Erachtens den Schluß zu, daß Hei diesem auch den berechtigten Vorsitz über das Konzil zuspricht.172 Bereits bei der ersten Aufzählung der menschlichen Obrigkeiten wird das Konzil von Hei an erster Stelle genannt.173 Diese hervorragende Bedeutung einer "allgemeinen christlichen Versammlung" in zweifelhaften Glaubensfragen, in denen keine ausdrücklichen göttlichen Gebote bestehen, ist fur Hei schon im Neuen Testament festgelegt.174 Die besondere Kompetenz eines Konzils, nämlich Beschlüs-
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lauther anzaigen ist, das die gericht gottes haimlich seyen unnd allein bey seiner gottlichen mayestat steen sollen." (fol. 38r-38v). "Auch dem menschlichen rechten nach, ainem erbarn rath noch einicher weltlichen oberkhaidt, höhers, unnd niderers stands, nit gepürt, innsachen den hailigen glauben, und religion betreffende new Ordnungen, nochvil weniger ennderungen furzunemen, dann anfännickhlich, so ist solchs, an vil orten in (genanntem) gaistlichem rechten verpotten, davon ich wenig diser zeyt sagen will, aber an vil orten inn welltlichen rechten, ist solchs durch die christenlich Ro. kayßer bey schweren straffen und pussen, der gutter leyb, unnd lebens auch verpoten,..." (fol. 22r); vgl. fol. 30r ff. Hans, Gutachten, 21. Siehe oben und fol. 2v. "Dieweyl aber Christus Jhesus, dem alle ding sindt unverborgen gewest, erkhenndt hat, das sich nach seinem abscheiden vil zweyfel, in seinem hailigen gesetz unnd euangelio, wurde zutragen, hat er zu hinlegung derselbigen, seinen apostln auf weihen wenigen, derselbigen zeyt, sein hailigen glauben, und christlich kürch gestannden, den lauthern befelch gethan, das sy alle (die dann ein ganntze christenliche gemain versamlung, dazumals bedewth haben) hinfuro, und nach seinem abscheiden solten gewalt haben, in den zweyfeln seines hailigen glaubens erclärung zuthun (P.S.: unnd Ordnung zu machen), Doch allain in den punkten unnd articuln darinn Christus Jhesus, außtrückhenlich nichts gepotten, unnd verpotten hett." (fol. 12v); vgl. fol. 13v-14v.
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se unter der Autorität des heiligen Geistes zu fassen, demonstriert Hei an einer umfangreichen Auswahl von Textbeispielen aus der Apostelgeschichte.175 Der Nachdruck,'76 mit dem Hei darzulegen versucht, daß Glaubenszweifel einzig und allein durch ein Konzil entschieden werden dürfen, zeigt, daß seine Ausführungen zum Ziel haben, daß nur eine universale Entscheidung über die Glaubenszweifel durch ein Konzil, als der allein dazu berechtigten Institution, die Kirchenreform zu einem positiven Abschluß bringen kann. Nur bei einem solchen Vorgehen wird gleichzeitig der von Hei unangetasteten Stellung der Obrigkeit, vor allem der des Kaisers, Rechnung getragen. Nur durch die Abhaltung eines Konzils kann gewährleistet werden, daß es sich bei der angestrebten Kirchenreform um die Sache Gottes handelt. Deshalb ruft er ebenso nachdrücklich den Stadtmagistrat zur Geduld auf.177 Die Forderung nach Unterordnung des Papstes unter ein solches Konzil wird im Gutachten ausdrücklich betont,178 aber sonst macht Hei keine konkreten Angaben über Einberufung und Ablauf des Konzils.179 In der im Gutachten zum Ausdruck gebrachten Mischung von einerseits Appell zum Vertrauen auf Gottes Willen und andererseits Mahnung zur Zurückhaltung im eigenmächtigen politischen Handeln des Rates erweist sich Hei zusammenfassend als ein Gutachter, der zwar eindeutig eine Kirchenreform befürwortet, aber im Gegensatz zu stürmischen Eiferern - um keinen Preis einen Konflikt mit dem Kaiser und dessen Anhängern (vor allem denen, die der Reichsstadt Augsburg 175
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Fol. 15v-19r; abschließend heißt es im Gutachten: "aus dem allem dann nichts annderst, dann wie obgemelt zuinferieren unnd zubeschliessen ist, Nemlich das in allen handlungen, unnd zweyfelen, so in christenlichen glauben sich begeben haben, (ausserhalb deren, davon Christus Jesus ettwass lauther geordnet) niemands annderst, dann die gemaine christliche khirch unnd versamlung, Ordnung oder ennderung furzunemen, gepürt hat, unnd noch gepürdt." (fol. 19r). Ausführungen mit vergleichbarem Inhalt finden sich an vielen Stellen des Gutachtens: ζ. B. 20r-20v, 20v-21r, 27v, 38v, 39r. "Unnd obwol meine herrn solchs, unnd der gaistlichen unordnung, lennger zuge-dulden, villeicht beschwerlich bedunckhen möcht, so ist doch hierinn mein getrewer Rath (...) das sie meine herrn, mit solchen lewthen, und Sachen diser zeyt unnd bis zu obgemeldter, gemainer christenlicher khurchen versamlung, nichts zuthun habe, noch sich mit solchen Sachen beladen sollen, dann ist ir sach, (als gedacht) aus den ment-schen, so würde sie sich selbst abthon, alsdann hewttigs tags, in vil weg schon be-schehen, ist sy aber aus gottes verhennckhnuss, unnd willen, so mugen weder meine herrn, noch sonnst jhemandts, solchs abthun, sonnder wurde dardurch mer, gott dem allmechtigen unnd seinem gottlichen willen, unnd verhennckhnuss widerstrebet..." (fol. 25r-25v). "..., wellicher christenlicher Versammlung menigclich, wes stannds und würde der sey, auch der bapst selbst ... gehorsam zusein schuldig ist." (fol. 20v-21r). Fol. 19v erwähnt Hei ausdrücklich das Konzil von Basel, das eine Unterordnung des Papstes durchzusetzen versuchte. "Wie aber nach Ordnung Christi Jesu, seiner hailigen appostell unnd christenlichen, gemainer khirchen, solche gemaine christenliche versamlung, unnd concilien, sonnderlich in Sachen unnsern hailigen glauben belanngendt, sollen versamlet werden, auch wer dabey sein, und ein stym unnd votum, zugeben macht, unnd gewalt habe, davon ist jetzt nit von nöten, meidung zuthun, dann es zu diser Sachen nit vil diennstlich." (fol. 21r).
133 unmittelbar benachbart sind) heraufbeschwören will. Vor allem scheut er sich vor jeder Verletzung von geltenden Rechtsverpflichtungen und jeder Antastung der kaiserlichen Autorität von seiten der untergeordneten Obrigkeit eines Stadtmagistrates. Aus dem göttlichen Recht des Neuen Testaments, das er dem menschlichen weltlichen und vor allem geistlichen Recht - vorgeordnet sieht, gewinnt Hei im Verlauf seiner Ausführungen in Gestalt eines allgemeinen christlichen Konzils diejenige Instanz, der er allein das Recht zuerkennt, die Glaubenstreitigkeiten seiner Zeit zu entscheiden. Besonders aufgrund seiner Äußerungen zum Konzil und dessen Struktur wird man Hei den Wunsch grundsätzlicher Kirchenreform nicht absprechen können. Vor allem im Hinblick auf die gegenwärtig heikle politische Situation kann er sich jedoch eine reichsstädtische Reformation in Augsburg etwa nach dem Vorbild der Reichsstadt Nürnberg180 - nicht vorstellen. Doch zeigt er mit seiner durchaus reformoffenen Vorstellung von den Pflichten und Rechten der weltlichen Obrigkeit auch deutliche Anhaltspunkte für ein reformatorisches Denken. m
7.4. Hagk-Gutachten182 7.4.1. Aufbau Nach dem Zitat der zur Begutachtung gestellten Frage nach dem Reformationsrecht des Rates folgt bei Hagk zur Begründung einer Verneinung dieser Frage das Zitat von Mt 22,21, wonach es nur eine von Christus eingesetzte weltliche Obrigkeit auf Erden gibt. Im heiligen römischen Reich wird diese Obrigkeit vom Kaiser ausgeübt. Von dieser einzigen von Gott eingesetzten Obrigkeit erhalten alle anderen untergeordneten Obrigkeiten, nämlich die Reichsstände und damit auch Augsburg, ihre Legitimation zur Herr180
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Z.B.: Schindling, Nürnberg, 36ff. Vgl. auch die Angaben in den Fußnoten an anderen Stellen dieses Kapitels und weiter unten. Siehe oben an verschiedenen Stellen bei der Analyse des Gutachtens; vgl. auch Hans, Gutachten, 61. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 13. Das Archivstück hat einen Umfang von 6 Folioblättern, die auf der rechten Seitenhälfte beschrieben sind. Der in sehr undeutlicher und äußerst flüchtiger Handschrift verfaßte Text enthält viele Streichungen, die durch ausfuhrliche Korrekturen auf den linken Seitenhälften ergänzt sind. Er ist offenbar unvollständig (ob allerdings entscheidende Inhalte fehlen, ist fraglich), da auch eine Unterschrift oder Verfasserangabe fehlt. Auch eine Dorsalnotiz (fol. 6v) "Ob ain E. rath enderung in der religion mög furnemen" nennt weiter keinen Namen. Die Frage der Autorenschaft ist allerdings durch den Vergleich mit handschriftlichen Texten, die unzweifelhaft von der Hand Hagks stammen, in der Forschung erwiesen worden. Vgl. dazu StAA, Schätze, Nr. 16 (eine Zusammenstellung amtlicher Dokumente aus der Stadtschreiberzeit Hagks) und Hans, Gutachten, 26-28; Roth, Reformationsgeschichte II, 110.
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schaft. 183 Im Hinblick auf Religion und Kirche ist dem Kaiser nur die Stellung eines "Vogtes und Schutzherm" zugedacht. Aus diesem Grund ist der Kaiser auch nur befugt, weltliche Machtbefugnisse an die ihm untergeordneten Obrigkeiten zu verleihen. Welche Instanz dagegen im Bereich von Religion und Kirche zuständig ist, hängt im einzelnen davon ab, ob es um Angelegenheiten geht, die entweder in der Bibel eindeutig und unstrittig184 festgelegt sind oder unterschiedliche Betrachtungsweisen 185 zulassen. Im ersten Fall gehören die Religionsangelegenheiten zum Kompetenzbereich des Papstes, der als "vicarius Christi" die höchste Instanz der geistlichen Obrigkeit auf Erden verkörpert. Der Papst kann diese Zuständigkeit aber auch an seine Bischöfe und andere Geistliche delegieren. Im zweiten Fall ist die einzige Obrigkeit, die in Zweifelsfällen entscheiden darf, ein freies, allgemeines christliches Konzil. Wenn die Einberufung und Abhaltung eines solchen scheitert, kann eine Nationalversammlung an seine Stelle treten. Aus diesen Abgrenzungen der Befugnisse der einzelnen Obrigkeiten ergibt sich konkret für den Rat der Stadt Augsburg folgendes: Es ist ihm nicht erlaubt, Änderungen in Glaubenssachen vorzunehmen, da sich seine Kompetenzen als niedere weltliche Obrigkeit nicht auf dieses Gebiet erstrecken. Der Rat hat vielmehr nur die Pflicht, für die Aufrechterhaltung der bisherigen Ordnung, wie sie in vergangenen Konzilien beschlossen und seither in der Kirche gehalten wurde, zu sorgen. Diese Verpflichtung besteht so lange, bis das durch Papst und Kaiser in Italien geplante Konzil neue Ordnungen beschließt.186 Bis zu dieser Stelle im Gutachten scheint Hagk die Gedanken anderer zu referieren. Gegen diese Argumente könnte (von den Befürwortern einer Reformation in Augsburg) zur Bejahung der zu begutachtenden Frage grundsätzlich festgestellt werden, daß jede christliche Obrigkeit, somit also auch der Rat der Stadt Augsburg, im Hinblick auf Religion und Kirche nach der heiligen Schrift die Pflicht hat, die Wahrheit zu ermitteln, die Gerechtigkeit zu fordern und Gotteslästerung abzuwenden. Dieser Grundsatz gelte auch für eine Obrigkeit wie den Rat der Stadt Augsburg. Wenn sie es unterlasse, diese ihr auferlegten Pflichten wahrzunehmen, werde sie sich die Strafe Gottes zuziehen. Folgende biblische Argumente könnten diesen für die Reformationsfrage positiven Grundsatz stützen: • Als Christus dem Statthalter Pilatus, dem Vertreter der weltlichen Obrigkeit, zur Verurteilung vorgeführt wurde, fragte Pilatus ihn, was Wahrheit ist.187 Umso mehr sind auch die Christen und ihre Obrigkeiten, für die Christus schließlich am Kreuz gestorben ist, angehalten, sich nach der Wahrheit zu richten.188 Denn die Christen dürfen der Lehre und Wahrheit Gottes nicht die Lehre und Lüge der Menschen ent-
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"Also das die ffirsten herren und stet, darunder auch aug(spurg) ... als federn des adlers und glider des reichs die ämpter irer bevolhnen oberkaiten nit annderst oder weiter verwalten noch üben sollen noch mögen, dann wie si die von hochgedachter kay. mt. erlanngt und empfanngen habenn," (fol. lr). "Die Sachen die religion unnd den heiligen glauben betreffennd, die kain irrung habenn" (fol. lv). "Was aber der religion und des glaubens halben stritig ist" (fol. 1 v). Fol. 2r. Joh 19 ist angegeben, vgl. aber Joh 18,37f. 1 Kor 6 ist angegeben, vgl. aber 1 Kor 7,23.
135 gegensetzen. Dieser Grundsatz gelte ganz besonders für die Obrigkeit, die bei einem Verstoß gegen die Wahrheit Gottes eine besonders harte Strafe treffen wird.189 • Die einmal in Erfahrung gebrachte Wahrheit solle auf jeden Fall beachtet und nach ihr gehandelt werden.190 • Angesichts der Verpflichtung, nach der Wahrheit zu handeln, besitze die Obrigkeit als Dienerin und Rächerin Gottes die Macht, den, der der Wahrheit zuwider handelt und Böses tut, zu bestrafen.191 Dies heißt nun für die Obrigkeit der Stadt Augsburg, daß auch sie als Dienerin Gottes die Ehre Gottes mehren und die Gotteslästerung abschaffen soll, damit sie nicht der Strafe Gottes anheimfällt. • Unterlasse es die Obrigkeit, so zu handeln, werden die schwersten Strafen über sie hereinbrechen.192 An dieser Stelle bricht das Gutachten ab.
7.4.2. Charakteristik Aus dem erhaltenen Teil des Textes geht die Haltung des Gutachters zur kirchlichen Reformationsfrage nicht eindeutig hervor.193 Der Verfasser scheint lediglich zwei entgegengesetzte Positionen auf die Frage194 nach dem Reformationsrecht des Rates zu referieren. Bevor eine explizite Stellungnahme formuliert ist, endet der Gutachtentext, so daß nicht mehr festgestellt werden kann, ob zuletzt Hagks Ansicht formuliert ist oder aufgrund der Unvollständigkeit des Dokuments Hagks Entgegnung fehlt. Trotz dieser Unsicherheit lassen sich einige aufschlußreiche Beobachtungen machen. Das vorhandene Gutachtenfragment gliedert sich in zwei Teile, deren letzter in fünf Abschnitte zerfällt: Die Argumente gegen ein reichsstädtisches Reformationsrecht 195 ; Die Argumente für ein reichsstädtisches Reformationsrecht 196 ; mit den Abschnitten197: (2a) Eine allgemeine Einführung [der Form nach wie Teil (1)], (2b) Pflicht einer Obrigkeit, die Wahrheit ausfindig zu machen, (1) (2)
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Vgl. Weish 6,5; Jes 1,28. Vgl. Jer 1,17f. Rom 12 und 4 Kön 18 sind angegeben, vgl. aber Rom 13,4 und 2 Kön 18,4. Lev 26,14; Jes 1,20; Gen 3; 1 Par 11 (vgl. 1 Chr 10,13); Jona 1. Roth, Reformtionsgeschichte Π, 110; Hans, Gutachten, 28. Wolfart, Reformation, 46f. meint, im vorliegenden Text, den er offenbar für vollständig hält, das Protokoll einer Besprechung gefunden zu haben, das mit der Fragestellung eingeleitet wird und dann hintereinander die gegensätzlichen Positionen referiert. Fol. lr. Fol. lr-2r. Fol. 2r-3v. "Von erkundigung der warheit" (fol. 2v); "Von furderung der erkundigten warheit und gerechtigkait" (fol. 2v); "Von der abgötterej" (fol. 3r); "Von der straf der seumig oberkait" (fol. 3v).
136 (2c) Pflicht einer Obrigkeit, die ausfindig gemachte Wahrheit zu fördern, (2d) Pflicht der Obrigkeit, die Abgötterei zu beseitigen, (2e) Göttliche Strafen im Fall der Pflichtversäumnis der Obrigkeit. Die Darlegung der ersten Position (Verneinung des Reformationsrechtes) entspricht - j e w e i l s mit gewissen Einschränkungen - zwei Richtungen im Religionsstreit.
Zum einen entspricht sie der Gesinnung derjenigen Anhänger der alten Lehre, die eine generelle Reform der bestehenden Kirche in einem noch abzuhaltenden Konzil198 für erstrebenswert halten, ohne jedoch der reformatorischen Bewegung selbst anzuhängen oder die dem Konzil übergeordnete Autorität des Papstes anzufechten. Zum anderen entspricht sie der Gesinnung deijenigen konservativen Reformationsanhänger, die zur Durchsetzung ihrer Ziele in der Kirchenreform zwar die Hoffnung auf die Abhaltung eines freien und allgemeinen Konzils noch nicht verloren haben, sich aber darüber hinaus gegen eine Veränderung des politischen Obrigkeitsgefüges und für eine Gültigkeit der bestehenden Rechtsordnung aussprechen. Die Abhaltung und Leitung eines Konzils oblag nach Meinung dieser Reformbefürworter allerdings allein dem Kaiser. In der Darlegung der zweiten Position (Bejahung des Reformationsrechts) ist dagegen deutlich eine betont reichsstädtische und der oberdeutschen Reformation zuneigende Gesinnung zu erkennen. Denn die Auswahl der Schriftbelege zielt auf ein zentrales Thema der reformatorischen Bewegung in den oberdeutschen Reichsstädten'99 ab: Es geht hier allein um die Bewahrung der evangelischen, d.h. rein biblisch begründeten, Wahrheit. Im Widerspruch zu dieser Wahrheit haben die traditionellen kirchlichen (d.h. altgläubigen) Ordnungen schon Merkmale von Abgötterei angenommen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage nach Abschaffung des für Abgötterei gehaltenen altgläubigen Kirchenwesens stellte sich für die oberdeutschen Reichsstädte auch die Frage nach dem Aufgabenbereich der politischen Kräfte und ihrer Rangordnung. Als Antwort hierzu bot sich die Aufhebung der vorhandenen hierarchischen Schranken unter den Obrigkeiten an und die mit dieser Gleichstellung verbundene Auffassung einer unmittelbaren Verantwortung jeder einzelnen Obrigkeit gegenüber Gott. Aus dieser Verantwor-
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Die im Gutachten ausdrücklich erwähnte Ankündigung des Konzils hat zum Zeitpunkt der Abfassung des Gutachtens aber noch nicht verbindlich stattgefunden; vgl. Wolfart, Reformation, 47, Anm. 1. Bei dem angesprochenen Konzil ist zu diesem Zeitpunkt vermutlich an eine außerhalb des Reiches stattfindende Kirchenversammlung unter Regie des damaligen Papstes Clemens VII. gedacht. Vgl. Müller, Kurie, 231-237.
' " Als Vorbild für die durchsetzungsfähigste Richtung der Augsburger Reformationsbestrebungen diente zweifellos Bucers Reformation der Reichsstadt Straßburg. In knapper und übersichtlicher Darstellung mit neuerer Literatur vgl. Rapp, Straßburg, 72-95.
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tung leiten sich dann auch für alle niederen Obrigkeiten - wie dem Rat der Stadt Augsburg - Befugnisse und Pflichten im Bereich von Religion und Kirche her. Obwohl also eine Charakterisierung des Gutachtens aufgrund seiner fragmentarischen Überlieferung nur unter Vorbehalten möglich ist, darf man ziemlich sicher vermuten, daß die Sympathie des Gutachters bei der Befürwortung des Reformationsrechtes des Rates liegt. Im Gegensatz zur ausfuhrlicheren Darstellung dieser Position im Gutachten sowie der Verwendung zahlreicher biblischer Vorlagen, um sie zu belegen, wirkt die das städtische Reformationsrecht verneinende Position ohne einen einzigen Rückgriff auf die kanonische Rechtstradition überwiegend schablonenhaft und oberflächlich. Somit fugt sich der Befund dieses Textes in das Bild der Persönlichkeit Hagks.200 Meines Erachtens existiert noch eine das ursprüngliche Gutachten ergänzende Stellungnahme, die sich ausschließlich mit der Bündnisfrage beschäftigt.201 Diese Annahme korrespondiert im übrigen mit den für Hagk zur Begutachtung bestimmten Fragen der Ratsinstruktion.202 Wenn dieses zweite Teilgutachten Hagks zusammen mit dem Gutachten zur Reformationsfrage203 eingereicht wurde, ist es ebenfalls auf Mai 1533 zu datieren; andernfalls dürfte es nur wenige Monate später vorgelegen haben.204 Der Gutachter warnt vor Bündnisprojekten, die denen des Schwäbischen Bundes gleichen. Zum einen sei diesbezüglich Vorsicht geboten, weil gewährleistet sein müsse, daß die Religionsfrage aus dem Bündnisvertrag ausgespart und keinerlei Einmischung in die Kirchenhoheit der einzelnen Mitgliedsstände möglich sei. Zum anderen müsse ein großes Maß an machtpolitischer Unabhängigkeit sowohl von Bayern als auch von König Ferdinand gewährleistet sein, damit Augsburg nicht Gefahr laufe, in den Konflikten dieser mächtigen Nachbarn aufgerieben zu werden. Nach der Darlegung solcher idealen Bündnisbedingungen für Augsburg empfiehlt der Gutachter in realistischer Einschätzung der tatsächlichen politischen Lage am ehesten einen Beitritt in den Schmalkaldischen Bund. Um die aktuelle prekäre Lage, in die man durch die in der Vergangenheit praktizierte Politik des mittleren Weges gelangt sei, hinsichtlich eines wirkungsvollen und gleichzeitig realisierbaren Bündnisprojektes nicht noch weiter zu ver200
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Diese Einschätzung ergibt sich aus den Nachrichten über sein Leben (vgl. Kapitel 5.2.2.). Sie wird aber auch im Hinblick auf die folgende Stellungnahme zur Bündnisfrage deutlich. StAA, LitSlg, (1533 und) 1534, Nachtrag II, Nr. 35: "Ob ain erbarer rat der statt Augspurg sich in die furgenomne erstreckung des schwebischen punnds begeben, unnd widerumb von newen verpinnden solle, unnd möge, oder nit"; 60 Blätter. Wolfart, Reformation, 15, 75; Broadhead, Politics, 294-296 (hier als Memorandum Johann Hagks bezeichnet). Vgl. oben: Kapitel 6.3.; die letzte Frage der Instruktion lautete: Welche Bündnisse kann Augsburg eingehen, nachdem es eine Religionsänderung vorgenommen hat?; vgl. WGA, Fase. 1; StAA, Historischer Verein, N 7, pag. 247. Siehe oben StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 13. Wolfart, Reformation, 75 datiert es um die Jahreswende 1533/34.
138 schärfen, spricht sich der Gutachter nachdrücklich fur eine Beschränkung der geplanten Reformation im bürgerschaftlichen und nicht gesamtstädtischen Rahmen
7.5. Das Langnauer-Gutachten206 7.5.1. Aufbau In der Einleitung (fol. lr-lv) nimmt Langnauer auf die im Gutachtenauftrag gestellte Fragestellung Bezug, wobei er auch darauf hinweist, daß ihm vom Rat der Auftrag übermittelt worden ist, kurzfristig ein Gutachten zu erstellen.207 Nach einer persönlichen Grundsatzerklärung zum Sachverhalt, in der Langnauer seine Fachkompetenz zur vorliegenden Frage einschränkt, beginnt er mit der eingehenden Erörterung der Fragestellung. Langnauer ist überzeugt, daß sich der Rat als christliche, von Gott eingesetzte Obrigkeit dessen bewußt ist, daß die traditionellen kirchlichen Ordnungen gegen Gottes Willen sind.208 Schon in der Einleitung seines Gutachtens wird Langnauer also unmißverständlich deutlich. Zum Abschluß der Einleitung zitiert Langnauer die zur Begutachtung vorgelegte Frage, so wie sie ihm offenbar im Wortlaut gestellt worden ist.209 Langnauer legt im ersten Teil seiner Stellungnahme (fol. lv-2v) dar, daß beide menschlichen Rechte - das päpstliche und das kaiserliche - einer weltlichen Obrigkeit verbieten, in Religions- und Glaubensangelegenheiten Änderungen vorzunehmen. Das päpstliche Recht schreibt vor, 2 ' 0 daß alle Unklarheiten, die in Glaubensangelegenheiten auftreten, vor den Papst gebracht und allein von ihm, der als oberste kirchliche Instanz nicht irren kann, entschieden werden können. Nach dem kaiserlichen Recht211 darf kein Geistlicher und kein Laie, gleich welchem Stand er angehört, öffentlich über den christlichen Glauben disputieren. Dadurch soll
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Diese Differenz wird weiter unten eingehend erörtert. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 22. Unter dieser Nr. ist das Gutachten in zwei Handschriften (vermutl. Langnauer und Kanzleiabschrift) erhalten: 1. Fassung: fol. 2r-4v; 2. Fassung: fol. 6r-9v. Hans, Gutachten, 24-26; Wolfart, Reformation, 49. Fol. lr: "zue schierister zeit". "Unnd vor anfang diser frag, stell ich in kain zweyffell, das ain magistrat, oder Christenliche Oberkait, durch die gnaden und gaben Gottes aigentlich wisse unnd vestiglich glaube, das all bisher gebraucht Ceremonien den kurchen des pabstumbs, der mess, auffrichtung der bilder unnd anderer Sachen halber geuebt, wider gott, wider sein getlichen befelch seyen, seinem hailigen wort gentzlich entgegen," (fol. lr-lv). "Ob ainem E. Rath, als ainer weltlichen Oberkait dieser Statt augspurg gepur oder gezimme, in Sachen die religion unnd den hailigen Glauben betreffend, handlungen, endrungen, unnd neuordnungen furzuenemen, auffrichten und zuehalten oder nit." (fol. lv). Vgl. CJCan, Decr. Grat. c. 12 С. XXIV. qu.l (RF 1,970). CJCiv, Codex Justinianus I, 1 ( K M 2,5).
139 verhindert werden, daß einmal gefaßte Konzilsbeschlüsse wieder in Zweifel gezogen werden. Nur der Papst oder ein Konzil haben somit das Recht, Glaubensfragen zu erörtern. Diesem doppelten menschlichen Recht stellt Langnauer im zweiten Teil seiner Stellungnahme (fol. 2v-3v) Gottes Wort entgegen. Auf dem Boden der heiligen Schrift definiert er zunächst Amt und Aufgabe der Obrigkeit. Die Obrigkeit ist von Gott eingesetzt, um als sein Werkzeug und seine Dienerin mit der ihr verliehenen Gewalt alles zu beseitigen, was Gottes Wort zuwiderläuft. Langnauer bedient sich dabei nicht nur inhaltlich, sondern teilweise bis in die Wortwahl hinein des paulinischen Verständnisses der Obrigkeit nach Rom 13,1-7. Wenn nun eine solche Obrigkeit durch göttliche Gnade erkannt hat, daß die päpstlichen Ordnungen Gottes Wort zuwiderlaufen, hat sie auch die Pflicht, diese widergöttlichen Ordnungen zu beseitigen. Wenn die Personen, die die obrigkeitlichen Funktionen innehaben, dieser Pflicht nicht nachkommen und dadurch Gott den Gehorsam verweigern, würden sie der Todesstrafe verfallen.212 In dem folgenden argumentativ zentralen Absatz stellt Langnauer das Wort Gottes gegenüber allen menschlichen Rechtsordnungen in den Vordergrund.213 Er bedient sich dabei der paulinischen Differenzierung (Rom 8) vom Gesetz des Geistes bzw. Lebens und des Zorns. Langnauer fahrt fort, daß der Gerechte des Gesetzes nicht mehr bedarf, vielmehr ist es der falsche Weg, Gott dienen zu wollen und dabei die Rechtsordnungen der Menschen (bzw. der von Rom verfaßten kirchlichen Tradition) als verbindlich anzusehen. Daraus schließlich kann jede christliche Obrigkeit durch göttliche Gnade erkennen, wozu sie in Religionsangelegenheiten befugt ist. Für die Beantwortung der Grundfrage des Gutachtens bedeutet dies, daß der Augsburger Rat als christliche Obrigkeit sich seiner Aufgaben vor Gott bewußt werden muß und sein Handeln allein vor ihm zu verantworten hat. Nachdem Langnauer durch diese Feststellung die Verbindlichkeit der Rechtsforderungen der heiligen Schrift derjenigen der menschlichen Gesetzgebung ausdrücklich übergeordnet hat, formuliert er in drei Punkten die Widerlegung der eingangs angeführten menschlichen Rechte und somit des Verbotes zur Änderungen von Glaubenssachen durch eine weltliche Obrigkeit (fol. 3v-4v): •
212
213
Für viele kanonische Rechtsbestimmungen gilt, daß darin in der Vergangenheit die Päpste häufig zugleich Gesetzgeber und ausfuhrende Richter gewesen sind. Nach
Vgl. Jos 1,18. Anmerkung: Die Drohung der Strafe mit dem Tod kommt allerdings im alttestamentlichen Text nicht aus dem Mund Gottes, sondern aus dem Mund der Anführer des Volkes, die auf die Rede Josuas reagieren, die dieser im Auftrag Gottes gehalten hat. Erst im Kontext wird diese Reaktion als dem göttlichen Willen entsprechend behandelt; Langnauer übergeht dies. In einem ganzen Absatz nimmt Langnauer hier biblische Sprache auf: "(fol. 3r) Vemer, so ist Gott irnnd seinem hailigen wort mer zuegelebenn, dan den Satzungen der menschen, dieweil das gesatz gottes ain gesatz des gaysts unnd lebens ist, das gesatz der menschen ain gesatz des zoms, dan dem gerechten kain gesatz gesetzt worden ist, dan das gesatz wurckt den zom, wie dan das die geschrifft allenthalben leret, Vergebens eeren sy mich unnd leeren die 1er der menschenn, Weiter ir seit erkaufft worden umb ain hochschetzigen Costen, ir solt nit werden knecht der menschen, unnd deutronomij am 4en: ir solt (3v) nit hinzuethon ain wort das ich euch rede, solt auch nichts davon nemen"; vgl. Rom 8,2; 1 Tim 1,9; Rom 4,15; vgl. Mt 15,8f.; 1 Kor 7,23; Dtn 4,2.
140 Langnauers Meinung ist dadurch die notwendige Unabhängigkeit sowohl der gesetzgeberischen als auch der richterlichen Funktion verloren gegangen. • Nach dem kanonischen Recht sollen alle Glaubensangelegenheiten ausschließlich vom Papst entschieden werden. Dies birgt nach Meinung Langnauers die Gefahr in sich, daß der Papst auch gegen Gottes Gebot neue Gesetze einführt. Langnauer fuhrt gegen diese mögliche Gefahr den kanonischen Rechtssatz an, nach welchem auch der Papst sich bis zum äußersten an das göttliche Gebot zu halten hat.214 • Das Verbot des kaiserlichen Gesetzes, über Glaubensdinge öffentlich kontroverse Gespräche zu fuhren, soll nur der Vermeidung öffentlichen Ärgernisses und Volksaufruhrs dienen. Es bezieht sich aber nicht auf die mögliche Absicht einer von Gott eingesetzten weltlichen Obrigkeit, auf friedlichem Weg Änderungen im Glauben vorzunehmen, soweit sie diese vor Gott verantworten kann. In einem letzten flüchtig geschriebenen Absatz (fol. 4v) beendet Langnauer sein Gutachten mit dem Wunsch, daß der Rat im Sinne des göttlichen Willens handeln möge. Die wohlmeinende Absicht seiner vorangegangenen gutachterlichen Stellungnahme betont er noch einmal durch die Bekundung seiner unbedingten Loyalität gegenüber dem Rat als seiner Obrigkeit.
7.5.2. Charakteristik Das Gutachten zeigt eine klar angelegte und äußerst straffe Disposition: -
Grundsatz, Argumente gegen eine Glaubensänderung, Argumente für eine Glaubensänderung, Widerlegung der Argumente gegen eine Glaubensänderung, Fazit.
Langnauer versteht es auf kleinem Raum, seine Gedanken sachlich und gut gegliedert zu Papier zu bringen. Dies hing wahrscheinlich auch damit zusammen, daß der Ratsausschuß ihn zur schnellen Niederschrift gedrängt hat.215 Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß die zwei zentralen Gesichtspunkte im Gutachten klar zu erkennen und zu charakterisieren sind: • Die verschiedenen Rechtsordnungen,216 • Die verschiedenen Obrigkeiten. Das Gutachten benennt als menschliche Rechte nicht nur das kaiserliche, sondern auch das päpstliche und als göttliches Recht nur die heilige Schrift. Für seine Beweisführung führt Langnauer sowohl konkrete päpstliche und kaiserliche Ge214
215 216
"Er [ist] schuldig dasselbig (= das göttliche Gesetz) bis zue vergiessung seins bluts und verlierung seins lebens, zuebezeugen, unnd zuebesteeten." (fol. 4r); vgl.: CJCan, Decr. Grat. c. 6 С. XXV. qu.l (RF 1,1008). Fol. lr: "zue schierister zeit". Hans, Gutachten, 64-66.
141
setze als auch Textstellen aus dem Alten und Neuen Testament an. Die biblischen Rechtsnormen gelten ihm dabei als unbedingter Maßstab für alle menschlichen Rechtsordnungen. Er begründet dies vor allem mit der paulinischen Auffassung vom Amt der Obrigkeit (Rom 13) und der Überflüssigkeit eines menschlichen Gesetzes zur Ergänzung des göttlichen Wortes (Rom 8). Die Norm für menschliches Handeln soll allein die Übereinstimmung mit dem Willen Gottes sein. Somit ist die weltliche Obrigkeit in Glaubensangelegenheiten verpflichtet, das zu tun, was sie vor Gott verantworten kann. Aus diesem Grund ist auch eine untergeordnete weltliche Obrigkeit, wie der Rat der Stadt Augsburg, selbst bei Widerspruch zum kaiserlichen Gesetz, in ihrem Handeln nur Gott allein verantwortlich.217 Im Betonen der absoluten Geltung des göttlichen Wortes zeigt sich Langnauer mit genuin reformatorischem Gedankengut verbunden. Aus der religiöspolitischen Situation 1533 in Augsburg läßt sich auch erklären, weshalb weltliche Zusicherungen auch für einen Juristen - wie Langnauer - im Angesicht der Autorität des göttlichen Wortes nicht bindend erscheinen und weshalb er den Augsburger Rat im Einklang mit dem göttlichen Willen weiß.218 Genau diese Auffassung findet sich in ähnlicher Formulierung am Beginn der Eingabeschrift der Augsburger Prädikanten an den Rat vom Januar 1533,219 die dem Ratskonsulenten Langnauer mit Sicherheit bekannt war. Außerdem war es Langnauer, der zwei220 von den sechs die Eingabe unterzeichnenden Prädikanten aus Straßburg auf ihre Predigerstellen nach Augsburg geholt hat. Bei den vorausgehenden Verhandlungen Langnauers über ihre Berufung ist unzweifelhaft auch ihre von Bucers Obrigkeitsverständnis geprägte Haltung zur Sprache gekommen, nach der die heilige Schrift die Norm für menschliche Rechtsordnungen ist und die weltliche Obrigkeit bei einem Widerspruch beider die Pflicht hat, zugunsten der heiligen Schrift d.h. des göttlichen Willens - einzugreifen.221
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221
"Hierumb ain iede Christenlich Oberkait, sich mit unauffhorlichem anrueffen gettlicher gnaden, wol zueerinneren hatt, was ir auß obligend ampt in Sachen die religion unnd den hailigen glauben belangennd, gepurn welle, des sy gegen gott wiss unnd getrau zu verantworten." (fol. 3v). "Stell ich in kain zweyffell, das ain magistrat, oder Christenliche Oberkait, durch die gnaden und gaben Gottes aigentlich wisse unnd vestiglich glaube, ..." (fol. lr-lv); "Wan nur ain Oberkait waißt, durch underweisung getlich gnaden unnd gabenn, so ausser seinem hailigen wort, fliessen, glaubt auch desshalber vestiglich,..." (fol. 2v). StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 21.1.); vgl. Wolfart, Reformation, 28f„ 110 und als Quellenbeilage I, 127-130. Ausfuhrlich dazu bereits: Kapitel 6.1. Nämlich: Wolfgang Musculus, einen Schüler Martin Bucers, und Bonifacius Wolfart aus Straßburg. Vgl. de Kroon, Obrigkeitsverständnis, 1-7. Diese Auffassung entspricht auf religionspolitischer Ebene wohl allgemein dem erstarkten reichsstädtischen Selbstbewußtsein mit der Folge sich über die Autorität des Kaisers hinweg direkt auf Gott zu berufen. Daraus wiederum resultiert die reformatorische Widerstandstheorie (vgl. dazu unter anderem: ebd. 144-159 und die dort angegebene Literatur).
142
Langnauer berücksichtigt in seiner Stellungnahme nur die grundsätzliche Berechtigung einer weltlichen Obrigkeit - im vorliegenden Fall auch des Rates als Auftraggeber des Gutachtens - , Änderungen im Glauben vorzunehmen. Mit dieser Übertragung einer allgemein zu bejahenden Sachlage auf die konkrete Situation in Augsburg übergeht er in der Kürze seiner Darstellung jedoch einen wichtigen Punkt. Im Gefiige der bestehenden Obrigkeiten ist der Rat der Stadt Augsburg nur eine niedere Obrigkeit und dem Kaiser bzw. seinen kaiserlichen Gesetzen als der höheren Obrigkeit zu Gehorsam verpflichtet. Diese Rangordnung der Obrigkeiten wird durch die Verantwortung jeder einzelnen - auch der niederen Obrigkeiten - allein vor Gott aufgehoben! Den tatsächlich bestehenden politischen Verhältnissen jedoch trägt diese Auffassung keinerlei Rechnung. Die traditionellen Ordnungen des Papsttums sind für Langnauer wider Gott, da der Papst in der Vergangenheit seine Kompetenzen immer wieder überschritten und dem göttlichen Gebot seine eigenen Gesetze hinzugefügt hat. Diese hätten zum Teil sogar mit dem göttlichen Gebot im Widerspruch gestanden. Dem Zusammenwirken aller menschlichen Obrigkeiten in einem christlichen Konzil steht Langnauer relativ gleichgültig gegenüber. Er ist aber sehr zuversichtlich, daß ein Konzil die Falschheit der traditionellen päpstlichen Ordnungen offenlegen würde.222 Darüber hinaus stellt er fest, daß nach kaiserlichem Recht neben dem Papst nur ein Konzil das Recht hat, Glaubensfragen zu erörtern. Trotzdem ist es letztlich sein eigentliches Anliegen, die Entscheidungsbefugnis jeder einzelnen christlichen Obrigkeit in der Verantwortung gegen Gott aufzuzeigen. Zusammenfassend läßt sich das Gutachten Langnauers als eine Stellungnahme charakterisieren, in der trotz ihres geringen Umfangs eine klare Haltung zum Recht ein6r weltlichen Obrigkeit zur Vornahme von Glaubensänderungen zum Ausdruck kommt. Dabei beschränkt sich Langnauer zwar vorbildlich auf einige wenige wichtige Belege aus dem päpstlichen und kaiserlichen Recht und der heiligen Schrift, sowohl aus dem Alten als auch aus dem Neuen Testament. Er bringt aber leider die konkreten politischen Verhältnisse Augsburgs und die Gefahren, die bei einer Glaubensänderung drohen würden, gar nicht zur Sprache. In Übereinstimmung mit den starken Kräften der Anhänger einer Reformation nach oberdeutschem Vorbild kommt Langnauer in seinem Gutachten zu dem Schluß, daß der Rat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zur Reformation hat.
222
"Das all bisher gebraucht Ceremonien ... wider gott ... seyen ... unnd das solchs ... auch im vall ains Christenlichen Concilij woll bewisen werden möge." (fol. lv).
143
7.6. Vergleich der Ergebnisse in den Gutachten Beim Vergleich der oben einzelne dargestellten und charakterisierten Gutachten muß man sich zunächst noch einmal vergegenwärtigen, daß den fünf Gutachtern Peutinger, Rehlinger, Hei, Hagk und Langnauer neben einer gleichlautenden Grundfrage auch noch einzelne verschiedene Teilaspekte zur Begutachtung gestellt wurden. Da die Quellentexte der Gutachtenaufträge nur bei zwei Gutachtern (Peutinger und Hei) überliefert sind und von den Gutachtentexten selbst dasjenige von Hagk auf die Beantwortung der Grundfrage beschränkt ist, erscheint ein Vergleich der einzelnen Stellungnahmen zu diesen Teilaspekten überflüssig. Dies gilt vor allem auch deswegen, weil die in ihnen thematisierten einzelnen Aspekte, die die Grundfrage nach dem reichsstädtischen Reformationsrecht nach sich ziehen, bald nach dem Eingang der fünf Gutachten beim Religionsausschuß in wesentlich konkreterer und veränderter Fassung zur Grundlage weiterer Stellungnahmen und (Ober-)Gutachten gemacht wurden.223 Dagegen lassen sich hinsichtlich der Grundfrage nach dem Reformationsrecht des Augsburger Rates beim Vergleich der Texte sowohl formal als auch inhaltlich aufschlußreiche Unterschiede feststellen. Zunächst fällt als äußeres Merkmal die erheblich differierende Ausführlichkeit der Stellungnahmen auf. Die drei das reichsstädtische Reformationsrecht bestreitenden Stellungnahmen (Peutinger, Rehlinger, Hei) heben sich in der Fülle ihres Umfanges deutlich von den beiden Stellungnahmen (Langnauer, Hagk-Fragment) ab, die das Reformationsrecht verteidigen. Dasselbe Ungleichgewicht gilt hinsichtlich der in den Gutachten verarbeiteten literarischen Vorlagen und Quellen, wobei vielfach anstatt eines ausdrücklichen Zitates nur der Stellenverweis, etwa die Kapitelangabe eines biblischen Buches oder die Quaestio eines Dekretstextes, auftaucht. Nur bei Peutinger sind wörtliche und teilweise sehr ausführliche Zitate ständig im Gutachtentext präsent. Am häufigsten führen die fünf Gutachter Bibelstellen224 an, daneben berufen sie sich auf weltliche Rechtstexte und dabei besonders auf die Reichsabschiede225 und schließlich auf kanonische Rechtstexte,226 darunter ein Konzilsdekret.227
223
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227
Vgl. die Einwände und Widerlegungen in 22 Punkten in der tabellarischen Übersicht weiter unten im Text. Peutinger 59mal; Rehlinger 2mal; Hei 59mal; Hagk 14mal; Langnauer 8mal; es überwiegen bei weitem neutestamentliche Verweise. Nur bei Peutinger, Rehlinger und Hei; besondere Rechtsverbindlichkeit wird den Reichsabschieden von Speyer 1529 und Augsburg 1530 zugeschrieben. 10 Textverweise bei Rehlinger, ein einziger davon auch bei Langnauer (CJCan, Decr. Grat. c. 6 С. XXV. qu.l [RF 1,1008]); daneben nur bei Rehlinger auch der Glossator und Kommentator Baldus. Hei, fol. 20r zitiert aus 'Haec sancta' (vgl. Mirbt-Aland, 477, Nr. 767).
144
Abgesehen von solchen äußerlichen Merkmalen, läßt sich anhand der beiden gegensätzlichen Gutachten von Peutinger und Langnauer die Gedankenführung der zwei unterschiedlichen Standpunkte, die in den Schlußfolgerungen der fünf Gutachten zum Ausdruck kommen, exemplarisch und besonders kontrastreich gegenüberstellen. Peutinger beginnt sein Gutachten mit einer ausführlichen - über die Hälfte seines Textes umfassenden - humanistisch-theologischen Abhandlung über die Etymologie und Definition der Begriffe Religio und Glaube. Er führt dabei einen abgestuften Religionsbegriff ein. Die eigentliche Beantwortung des Gutachtenauftrages beginnt Peutinger mit einer Dreiteilung der Bedeutung von Glaube. Die Freiheit, am Gegenstand des Glaubens zu zweifeln, besteht aus Peutingers Sicht nicht beim apostolischen Glauben, der keinen Einschränkungen oder Veränderungen unterworfen werden darf, sondern nur bei einem Glauben, unter dem allein die in der Vergangenheit durch Konzilien und Päpste festgesetzten Regeln der Gottesverehrung verstanden werden. Darunter versteht er die in der kirchlichen Tradition gewachsenen Auslegungen von Glaubensinhalten. Als für letztere zuständige Institutionen anerkennt er in zukünftigen Fällen allein Konzilien oder Reichsversammlungen. Eine einzelne weltliche Obrigkeit ist nach Auskunft der Rechtstexte nicht befugt, in derartigen Zweifelsfällen selbst die Initiative zu ergreifen. Damit spricht Peutinger einer untergeordneten Obrigkeit das Recht ab, gegen Rechtsetzungen höherer Obrigkeiten zu handeln, woraus nur Aufruhr und Unfrieden entstehen würden, und begründet dies mit der Forderung nach Einhaltung von neutestamentlichen Geboten. Als richtiges Verhalten eines Christen und einer minderen Obrigkeit gegenüber einer höheren Obrigkeit schwebt ihm vielmehr das des leidenden Gehorsams vor. Peutinger schließt das Gutachten mit einem eindringlichen Abraten vor einer Durchführung der Kirchenreform durch den Rat. Denn daraus würde für Augsburg nur Schaden entstehen. Zur Untermauerung seines gutachterlichen Ratschlages wird von Peutinger im Gutachten die gesamte Bandbreite des positiven Rechts ausgeschöpft228 und in völligem Einklang mit dem göttlichen Recht dargestellt. Auf diesem Hintergrund entfaltet er auch seine Vorstellungen von der kaiserlichen und päpstlichen Gewalt, die auf zwei Leitprinzipien basieren: (a) politischer Friede im Reich und (b) Einheit der universellen Kirche. Beides kann nur aufrechterhalten werden, wenn gemäß der evangeliumsgemäßen Lehre die geistliche und die weltliche Gewalt vollständig getrennt sind. Deshalb wird auch der Einwand der Reformbefürworter, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, durch die Unterscheidung entkräftet, daß in weltlichen Belangen ganz der weltlichen Obrigkeit zu gehorchen sei, in religiösen Belangen man dagegen sein Vertrauen ganz auf Gott richten soll und das heißt, de facto auf eine Konzilsentscheidung. Daraus folgt für Peutinger auch eine Unabhängigkeit der Kaiser gegenüber den Päpsten und umgekehrt. Die Kaiser als "die obersten von 228
Besonders zahlreich und in ausfuhrlichen wörtlichen Zitaten bringt Peutinger im zweiten Teil seines Gutachtens die Reichsabschiede ab 1521 vor.
145
got eingesezten haupter" besitzen darüber hinaus allerdings das Recht zur Einberufung eines Konzils. Diesem Gremium gesteht Peutinger einzig und allein höchste Entscheidungsgewalt in Religionsfragen zu. Er charakterisiert es als ein "gemein frej universale concilium". Die Rolle des Papstes dabei bleibt im Gutachten offen und wird damit vernachlässigt229, dagegen wird auch den gelehrten Laien gemäß konziliaristischer Vorstellung - eine Urteils- und Entscheidungskompetenz eingeräumt. In den kaiserlichen Reichsversammlungen sieht Peutinger diejenigen legitimen Institutionen, die anstelle von Konzilien abgehalten werden können. Dagegen ist der Papst alleine nicht befugt, neue Glaubensregeln aufzustellen, denn nur eine Konzilsentscheidung vermag es, die Einheit der Kirche zu bewahren. Mit Rücksicht auf seine beiden Ziele230 und die Schlüsselrolle, die er allein einem Konzil zugesteht, versteht man auch seine letztlich negative Entscheidung hinsichtlich der Anfrage des Rates. Das Peutinger-Gutachten unterscheidet sich von den anderen beiden Gutachten, die die Ratsanfrage verneinen, durch die Art und Weise, wie mit der zu begutachtenden Grundfrage umgegangen wird. Peutinger differenziert die Frage in zweierlei Hinsicht (apostolischer Glaube und Glaube in der Tradition). Dieser zweifachen Differenzierung und doppelten Verneinung des reichsstädtischen Reformationsrechtes fugt Rehlinger in seinem Gutachten ausdrücklich noch einen dritten, diesmal positiv beurteilten Aspekt hinzu. Wenn es nämlich nur darum geht, den richtigen Vollzug des Glaubens (d.h. die Kirchendisziplin) zu überwachen, dann - und nur dann - hat die weltliche und reichsstädtische Obrigkeit das Recht, Verordnungen zu erlassen. Hei greift ebenfalls den Gedanken der zweifachen Differenzierung auf und kommt daher auch zu der gleichen Schlußfolgerung. Er leitet dabei beide Aspekte aus dem göttlichen Recht her und stellt ihnen als dritten Aspekt das menschliche Recht zur Seite, demgemäß ebenfalls ein einzelner Reichsstand nicht zu Glaubensänderungen berechtigt ist. In allen drei verneinenden Gutachten wird somit die Absage an ein reichsstädtisches Reformationsrecht durch die strikte Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt einerseits und volle Übereinstimmung von göttlichem und menschlichem Recht andererseits begründet. Der Ratschlag, ein (allerdings unterschiedlich qualifiziertes) Konzil abzuwarten, ist folglich der einzige Ausweg, den die Gutachter Peutinger, Rehlinger und Hei für den Augsburger Rat sehen. Es erscheint sinnvoll, neben dem Peutingertext und den eben aufgezeigten Stellungnahmen, die alle auf eine Verneinung der Reformationsfrage abzielen, nun unter demselben Blickwinkel das Langnauer-Gutachten zu betrachten.
229 230
Peutinger zieht hierzu auch keine Stelle aus dem kanonischen Recht heran. Vgl. weiter oben: Friede im Reich als Garant für die wirtschaftliche Entfaltung und Einheit der Kirche um des wahren Glaubens willen. Beide Aspekte gelten ebenso auch für den politischen Mikrokosmos der Reichsstadt Augsburg.
146
Langnauer beleuchtet die Ratsanfrage unter drei Aspekten. Nach geistlichem Recht ist nur die geistliche Obrigkeit, letztlich also nur der Papst berechtigt, Glaubensänderungen vorzunehmen. Das kaiserliche Recht räumt außer dem Papst auch noch einem Konzil diese Kompetenz ein. Nach göttlichem Recht jedoch gebührt ein solches Vorhaben jeder einzelnen christlichen Obrigkeit. Langnauer ist überzeugt, daß sich der Rat als christliche, von Gott eingesetzte Obrigkeit dessen bewußt ist, daß die traditionellen kirchlichen Ordnungen gegen den Willen Gottes sind. Gemäß dem dreigliedrigen Aufbau seines Gutachtens (Argumente gegen eine Glaubensänderung, Argumente für eine Glaubensänderung und Widerlegung der Argumente gegen eine Glaubensänderung) wird zunächst dargelegt, daß beide menschlichen Rechte - das päpstliche (aus Prinzip) und das kaiserliche (aus Furcht vor Aufruhr im Reich) - einer weltlichen Obrigkeit verbieten, in Religionsangelegenheiten Änderungen vorzunehmen. Diesem doppelten menschlichen Recht stellt Langnauer Gottes Wort als göttliches Recht entgegen. Auf dem Boden der heiligen Schrift definiert er auch Amt und Aufgabe der Obrigkeit. Diese ist von Gott eingesetzt, um als sein Werkzeug und seine Dienerin mit der ihr verliehenen Gewalt alles zu beseitigen, was seinem Wort zuwiderläuft. Wenn nun eine solche Obrigkeit durch göttliche Gnade erkannt hat, daß die päpstlichen Ordnungen Gottes Wort zuwiderlaufen, hat sie nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, diese widergöttlichen Ordnungen zu beseitigen. In dem argumentativ zentralen Absatz des Gutachtens231 stellt Langnauer das Wort Gottes allen menschlichen Rechtsordnungen gegenüber in den Vordergrund. Er bedient sich dabei der paulinischen Differenzierung vom Gesetz des Geistes bzw. Lebens und des Zorns. Der Gerechte - und das heißt auch die gerechte Obrigkeit - bedarf in Sachen des Glaubens des (menschlichen) Gesetzes nicht mehr; es ist vielmehr der falsche Weg, Gott dienen zu wollen und zugleich die Rechtsordnungen der Menschen zu halten. Aus dieser Überlegung heraus kann die Obrigkeit durch die göttliche Gnade erkennen, wozu sie in Religionsangelegenheiten befugt ist. Für die Beantwortung der Fragestellung des Gutachtens bedeutet dies, daß der Rat als christliche Obrigkeit sein Handeln allein vor Gott verantworten muß. Daraus folgt für Langnauer schließlich die Pflicht des Rates, von seinem Reformationsrecht auch Gebrauch zu machen. Bei beiden exemplarisch hervorgehobenen Gutachten (Peutinger und Langnauer) begegnet man im Verlauf des Textes häufig einer recht pauschalen Argumentation in Bereichen, in denen eigentlich weit mehr differenziert werden müßte.232 Auf der anderen Seite stellt man - vor allem bei Peutinger - teilweise eine übertriebene Ausführlichkeit fest, die oft vom eigentlichen Thema weit abschweift.233 231 232
233
StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 22, fol. 3r. Peutinger, Rehlinger und Hei nehmen dann aber doch immer wieder bezug auf ganz konkrete Fälle, während Hagk und Langnauer ausschließlich prinzipiell argumentieren. Z.B. bei den häufig weitschweifigen Zitaten.
147 In beiden Formen der Gutachten spiegelt sich meines Erachtens die große Unsicherheit der Gutachter wieder, ob sie sich nur über einen beliebigen Aspekt des öffentlichen Lebens ihrer Heimatstadt äußern oder über eine grundsätzliche weltanschauliche Frage urteilen sollen, mit deren Erörterung herkömmliche Werte ins Wanken geraten würden. Hinsichtlich einer Beurteilung der konkreten Lage im öffentlich-religiösen Leben furchtet der an Jahren wesentlich ältere Peutinger massive Sanktionen gegen seine Heimatstadt, die der jüngere Langnauer überhaupt nicht anspricht. Hinsichtlich der weltanschaulichen Dimension der angeforderten Stellungnahme ist eine ähnliche Differenz festzustellen. Peutinger argumentiert im zweiten Teil seines Gutachtens, in dem er konkret auf die Ratsanirage eingeht, strikt formal-juristisch unter häufiger Zitierung von vorliegendem Recht (v.a. Reichsabschiede), wobei die Verbindlichkeit des positiven Rechtes für ihn außer Frage steht. Auf diesem Fundament bejaht er ohne die kleinste Einschränkung auch die hierarchische Abstufung der verschiedenen Obrigkeiten, aus der sich eine unumgängliche Gehorsamsabstufung ableitet. Gott steht demnach an der Spitze, ihm sind Papst, Kaiser und Konzil unmittelbar untergeordnet. Dem Kaiser wiederum sind die Reichsstände unmittelbar untertänig. In Langnauers Stellungnahme dagegen, in der das rechte Handeln aller Obrigkeiten allein von der göttlichen Wahrheit abhängig ist, wird die reichsständische Obrigkeit als gottunmittelbar angesehen, d.h. ohne Zwischenschaltung anderer Obrigkeiten. Für Langnauer besteht daher nicht nur ein Recht, sondern sogar die Pflicht zur Reformation. Die Unterschiede in der Wahrnehmung der Rechtswirklichkeit durch die Gutachter - ζ. B. bei Peutinger die Hochschätzung der kaiserlichen Autorität, bei Langnauer der reichsstädtischen Verantwortlichkeit - führten somit zu den diametral entgegegesetzten Ergebnissen ihrer Stellungnahmen. Aufgrund der tatsächlichen Entwicklung der Reformation in Augsburg läßt sich sagen, daß genau derselbe Zwiespalt, wie er in diesen zwei Gutachten zu Tage tritt, auch die Ursache für den Prozeß einer zweistufigen Reformation in den Jahren 1534 und 1537 ist, wie sie in anderen Reichsstädten kein Vorbild hatte.234
234
Mit ausdrücklicher Betonung wird ein "untypischer Verlauf der Augsburger Reformationsgeschichte" mit Recht von Immenkötter, Verantwortung, 78 hervorgehoben.
8. Weitere Schritte zur reichsstädtischbürgerschaftlichen Reformation 1533/34 8.1. Die Entscheidung des Rates über die Standpunkte der Gutachter1 Vermutlich Ende Mai 2 1533 kam der Kleine Rat zu einer internen Abstimmung über die Reformationsfrage zusammen. Die fünf offiziell in Auftrag gegebenen und inzwischen eingelaufenen Gutachten wurden in dieser Sitzung vorgetragen. 3 Obwohl man die unterschiedlichen Schlußfolgerungen zum weltlichen Reformationsrecht in den Gutachten durchaus zur Kenntnis nahm, ist - möglicherweise durch geschickte Rhetorik der Ratsherren Ulrich Rehlinger, Mang Seitz und Simprecht Hoser, die schon wiederholt als Protagonisten der Reformation hervortraten - doch ein Gesichtspunkt von besonderer Überzeugungskraft gewesen: Die städtische Obrigkeit hätte nicht nur das Recht zur Reformation, sondern kraft ihres Amtes sogar die Pflicht dazu. Diese Ansicht fand folglich auch die Zustimmung der Mehrheit im Kleinen Rat. Gleichzeitig setzte sich der Rat aber auch vorläufig eine eindeutige Grenze für die noch nicht näher bestimmte Ausführung des Reformationsvorhabens. Das zunächst anvisierte Ausmaß der Reformation bestand darin, daß die ungleiche Pre-
1 2
3
Hans, Gutachten, 28; Roth, Reformationsgeschichte II, 110; Broadhead, Politics, 315. Diese neue Datierung ergibt sich aus dem Einlaufvermerk des Peutingerschen Gutachtens vom 24. Mai (vgl. StAA, EWA-Akten, Nr. 44, vorletztes beschriebenes Blatt verso: "praesentata auf samstag post ascensionis"; siehe weiter oben). Die Datierung zwischen 3. März und 5. Mai, die Hans, Gutachten, 28, Anm. 2, liefert, kann durch die Quellen nicht bestätigt werden. Gleiches gilt für die Datierung zwischen Ende März und Anfang April bei Roth, Reformationsgeschichte II, 110 sowie für die Datierung auf April bei Broadhead, Politics, 315. Die fünf oben analysierten Gutachten waren für den Rat zur Meinungsbildung offenbar auch die entscheidenden. Vgl. dazu und zum Folgenden: StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 6r: "Ains erbam Rats vorgeender beschluss, des anstalls, des falschen Gotsdiennsts: Zuuorderst ist der hauptarticul, nemlich, Ob E. F. als ainer weltlichen oberkait, in Sachen die Relligion berurennd, hanndlungen, enndrungen, und new Ordnungen furzunemen, uffzurichten, unnd zuhalten gepur oder nit, mit grund der hailigen schrift, unnd anzug der rechten vorlenngst beratschlagt, darüber funff ratschleg gestelt, die alle E. F. furgelegt, und vorgelesen, deren beschluß ungleich erfunden worden sein, Darunder etlich dahin lenden, das E. F. ainer solhen hanndlung, enndrung, und uffrichtung newer christenlichen Ordnungen nit allain fug und macht haben, sonnder auch als die oberkait in kraft ires ampts in dem ain christenlich einsehen zuhaben schuldig Seyen. Derselbigen maynung E. F. mit dem merem beyfall gethun." Gedruckt bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 128f., Anm. 40.
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digt in der gesamten Stadt, die Messe und Bilder aber nur in den Kirchen, die der städtischen Gewalt unterworfen sind, abgeschafft werden sollten. Außerdem sollte über allen Besitz der Pfarrkirchen verfugt werden, der bereits zum Zechvermögen gehörte. Damit waren vorerst die dem Bischof spruchverwandten, d.h. seiner Jurisdiktion unterworfenen, Kirchen und die zugehörigen Konvente und Stifte in der Stadt von der geplanten Durchsetzung der Reformation verschont worden. Als Rechtfertigung dieses Vorgehens wurde darauf hingewiesen, daß der Papst schon mehrere Male Reichstagsbeschlüsse, die eine Ausschreibung und den Beginn eines Konzils innerhalb gewisser Fristen festgesetzt hatten, boykottiert habe.4 Über den Zeitpunkt und die Art und Weise der Ausführung dieses Beschlusses ließ der Rat den Ausschuß weiter beraten.5
8.2. Die Einholung von Obergutachten und die Abwägung der politischen Folgen Die näheren Umstände während dieses ganz entscheidenden Stadiums in dem Bemühen, die geplante Reformation gegenüber der altgläubigen Bevölkerung und auswärtigen Mächten zu rechtfertigen, lassen sich anhand der vorhandenen Quellen nicht im gewünschten Umfang rekonstruieren. Als Grundlage fur die rats- und ausschußinternen Vorgänge zur Einholung der als Obergutachten anzusehenden Texte und zur schriftlichen Abwägung der politischen Folgen dient weiterhin nur eine bereits mehrfach herangezogene Quelle, die in Abschrift mehrere Texte bietet und den Zugang zu anderen Texten und deren Zuordnung möglich macht.6 Die Auswahlkriterien der in dieser Quelle vorliegenden Textzusammenstellung lassen sich nicht ermitteln. Die Gemeinsamkeit aller dieser Schriftstücke besteht jedoch darin, daß sie in chronologischer Folge eine Auswahl deqenigen Texte wiedergeben, die seit Januar 1533 an den Rat und
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StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 6r: "... [siehe oben], daruff auch fur gut angesehen und beschlossen haben, daß sie den zwispalt der widerwertigen predigen allenthalben, aber die messen, biltnussen und andern vermainten gotsdienst diser zeit allain in denen kirchen und an denen orten, die e. f. für ander kirchen und end zu versprechen steen, und, was in allen pfarren alhie, kaine ußgenommen, in die zechen gehört, anstellen wollen etc.; wann jetzo etliche jar her uff mer dann ainem reichstag allweg ain frei, gemain, christenlich concilium fiirgeschlagen und ain zeit, darin das ußgeschriben und angefangen worden sein solt, bestimbt, aber bisher weder ußgeschriben, angefangen noch gehalten, sonder (als man sagt) durch bäpstliche heiligkait abgeschlagen worden ist." Gedruckt bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 129, Anm. 40. Zur realitätsnahen Einschätzung der päpstlichen Politik in diesem Zusammenhang; vgl. Müller, Kurie, (vor allem:) 56-59, 72-76,189-210, 238ff. Siehe folgenden Abschnitt dieses Kapitels. StAA, EWA-Akten, Nr. 487; Roth, Reformationsgeschichte II, 128, Anm. 32 bezeichnet das Faszikel für seine weitere Arbeit mit "Cod. R".
150 Religionsausschuß gerichtet wurden oder unmittelbar aus der Arbeit des Religionsausschusses selbst erwachsen sind. Der Textfolge dieser Quelle und dem inneren Ablauf der Vorgänge gemäß hat der Augsburger Rat den Religionsausschuß über den Zeitpunkt und die Art und Weise bei der Ausführung seines grundsätzlichen Reformationsbeschlusses weiter beraten lassen.7 Den Zweck solcher weitergehenden Beratungen sah man vor allem darin, möglichen Vorwürfen aus dem Weg zu gehen, wonach man voreilig und unbedacht das altgläubige Kirchenwesen in der Stadt abschaffen wolle, ohne die Gefahren und Folgen eines solchen Schrittes ausreichend berücksichtigt zu haben. Weiter gibt diese Quelle darüber Auskunft, daß die gegen die Reformation vorliegenden Bedenken zusammengestellt und nach bestem Wissen und Gewissen zerstreut wurden. An diese Textpassage schließt sich ein sehr umfangreiches Textkorpus an, in dem zunächst die Einwände gegen die Reformation in 22 Punkten zusammengestellt sind und dann in gleich vielen Abschnitten widerlegt werden.8 Leider fehlen in dieser Quelle die Widerlegungen der letzten sieben Einwände.9 Um einen größtmöglichen Nachweis über die Urheberschaft der einzelnen Einwände zu gewinnen, werden ausgehend von dieser Quelle, die in ihr formulierten Einwände gegen eine Reformation aus drei10 der bereits ausfuhrlich analy7
StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 6v: "Ains erbarn Rats beuelh dem usschuß gegeben: Wann aber, unnd wie der obangeregt anstall zum fuglichsten geschehen soll, haben E. F. unns klain verstenndigen zuerwegen unnd zubedenncken bevolhen. Damit nun E. F. unnd wir nit fur hitzig und beging Bildsturmer gehalten, noch ainer eilenden unnd unbedechtlichen beratschlagung, oder hanndlung bezigen oder verdacht werden mögen, so haben wir alle obligennden gevarden, beschwerden unnd Ursachen, die wir furdenncken, dardurch E. F. ehe irer furgefasten hanndlung des anstalls abzusteen, dann darüber also gefarlich furzufuren getrungenlich bewögt werden möchten, hierinn vergriffen, die E. F. wir hievor, ehe wir unns unnsers guten bedunckens, uff den bevelh vernemen lassen, wol zubetrachten, guter gethrewer maynung zu hertzen, sinnen unnd gemuten füren, weihe erzelung (ob gleich E. F. sich an irem vorhaben ye kain menschliche vorcht irren noch verhinndem lassen wölten) doch dahin gedienen, das E. W. dardurch verursacht werden möchten, sich dargegen mit sonnderer andechtiger anruffung der gnad Gottes, auch zeitlicher furtrachtung menschlicher hilff unnd röttung dester emßiger, furderlicher unnd bas zustercken unnd zufursehen, das also solhe gevard, beschwerden und Ursachen unnsers verhoffens in den ain, oder anndern weg, ye nit gar one frucht zuhören sein werden."
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Das in der Quelle in Abschrift vorliegende Textprodukt ist im letzten Viertel des Jahres 1533 entstanden. Dafür sprechen die bei Roth, Reformationsgeschichte II, 130f., Anm. 55 genannten Kriterien (nach der brieflichen Auseinandersetzung mit Luther, vgl. StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 46r und vor dem Ende des Schwäbischen Bundes; vgl. ebd., fol. 40r). StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 7r-22r (22 Einwände) und fol. 22r-52r (15 Widerlegungen); thesenartig gekürzt sind die Einwände und Widerlegungen gedruckt bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 140-144 (Beilage III). Dieses für die theoretische Aufarbeitung der geplanten Reformation zentrale Dokument wird zwar in der Literatur häufig angesprochen, aber dies geschieht nur recht oberflächlich und ohne eine ausreichende Würdigung und korrekte Einordnung der ihm zugrunde liegenden - und noch erhaltenen! - Quellentexte. Hans, Gutachten, 29; Roth, Reformationsgeschichte II, 116-118; Broadhead, Politics, 318. Es sei daran erinnert, daß von den in Auftrag gegebenen und erhaltenen fünf Gutachten der ersten Jahreshälfte 1533 (siehe Kapitel 7.) sich drei gegen die Reformation aussprachen
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sierten Gutachten möglichst vollständig hergeleitet." Es wurde bereits daraufhingewiesen, daß dies nicht bei allen Einwänden möglich ist, da einige in der allgemeinen Diskussion im vorreformatorischen Augsburg als Argumente gegen die Reformation im Umlauf waren.12 Zur Widerlegung dieser Einwände wurden dann vom Religionsausschuß weitere Gutachten (= Obergutachten) in Auftrag gegeben. Dabei griff man überwiegend nicht mehr auf die stadteigenen Ratskonsulenten zurück. Fünf Gutachter konnten namentlich festgestellt werden: Franz Frosch, Hieronymus Roth, Wolfgang Musculus, Franz Kötzler und möglicherweise noch einmal Balthasar Langnauer. Der amtierende Bürgermeister Ulrich Rehlinger erbat am 12. Juli 1533 in einem Brief an Jakob Sturm in Straßburg einen vertraulichen politischen Ratschlag. Es läßt sich nicht feststellen, ob eine direkte Reaktion von Sturm auf diese Bitte erfolgt ist. Es liegt jedoch ein Gutachten vor, das auf die im Brief angesprochenen Problembereiche eingeht. Es handelt sich dabei um das Gutachten des angesehenen Straßburger Juristen und Syndikus Franz Frosch13, der bekanntermaßen in fruchtbarem gedanklichen Austausch mit dem Straßburger Reformator Martin Bucer stand. Die Annahme liegt nahe, daß Jakob Sturm den Straßburger Ratskonsulenten um diese Stellungnahme zugunsten der Augsburger ersucht hat. Der erhaltene Gutachtentext trägt am Textende das Datum 28. Juli 1533.14 In Analogie zum Inhalt des oben genannten Briefes äußert sich Frosch in seiner Stellungnahme zu zwei Bereichen. Zum einen ging es um die Rechtsverbindlichkeit des kaiserlichen Schutzbriefes fur das Augsburger Katharinenkloster, zum anderen um mögliche Rechtsverpflichtungen, die aus den reichsstädtischen Zusagen an den Kaiser unmittelbar nach Abschluß des Augsburger Reichstages 1530 abgeleitet werden könnten. In beiden Bereichen geht es dabei auch um die Legitimierung entweder kaiserlicher Ansprüche gegen einen Reichsstand oder reichsständischer Ansprüche gegen den Kaiser. Seine Stellungnahme orientiert Frosch an vier Leitfragen.15
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(Peutinger, Rehlinger, Hei). Die anderen beiden (Langnauer, Hagk) fielen zwar in ihrem Ergebnis nach dem Geschmack des Rates aus, scheinen aber keine direkte Nachwirkung gehabt zu haben. In den unten besprochenen Widerlegungen gegen die Einwände der Reformation finden die Gedanken der letztgenannten nur unter anderem Verwendung. Siehe die tabellarische Übersicht weiter unten in diesem Abschnitt. Roth, Reformationsgeschichte II, 117. StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 12.7.); gedruckt in: Winckelmann, Correspondenz II, 195197, Nr. 197. Zur Person Franz Frosch (ca. 1490-1540): Stintzing, Frosch, 146f.; Hans, Gutachten 32f.; Wolfart, Reformation, 48, Anm. 3. StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.); Hans, Gutachten, 32-35; Wolfart, Reformation, 48; Roth, Reformationsgeschichte II, 117f.; Broadhaed, Politics, 322-325; de Kreon, Studien, 153-159. StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.), fol. 3v-4r.
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Erstens stellte er sich die Frage, ob eine weltliche Obrigkeit (auch eine untergeordnete) die Macht besitzt, in Religionsangelegenheiten Ordnungen zu erlassen. Dies bejaht Frosch, da alle Obrigkeit unmittelbar von Gott verliehen ist.16 Zweitens stellte er sich die Frage, ob eine weltliche Obrigkeit, wenn die erste Frage zu bejahen ist, durch einen geleisteten Kontrakt diese Berechtigung verlieren kann. Diese Frage verneint Frosch, da sich eine weltliche Obrigkeit dieser Verantwortung nicht entledigen kann.17 Drittens stellte er sich die Frage, welche Rechtsfolgen aus einer solchen einmal eingegangenen vertraglichen Verpflichtung, wie im Fall des Augsburger Zusagens, erwachsen. Formaljuristisch kann Frosch keinerlei Rechtsfolgen erkennen, da die Augsburger Zusagen vom Kaiser abgelehnt wurden und deshalb nie juristische Verbindlichkeit gehabt haben.18 Viertens stellte er sich die Frage, ob der Rat trotz des kaiserlichen Schutzmandates Änderungen im Kloster St. Katharina vornehmen darf. Diese Frage bejahte Frosch ebenfalls, da sich inhaltlich das Mandat gegen Gott richtet und formell ohne das Wissen des Rates erschlichen wurde.19 Der andere auswärtige Gutachter war der Ulmer Ratskonsulent Hieronymus Roth.20 Er erstellte zwei getrennte Gutachten. Das erste behandelt die Rechtsverbindlichkeit des Augsburger Zusagens von 1530, die er ebenso eindeutig und mit einem vergleichbaren Argumentationsschema wie Frosch verneint.21 Das andere Gutachten widerlegt die Auffassung, wonach der Rat an der geplanten Reformation zum einen durch die gültige und auch durch Augsburg ratifizierte Verfassung des Schwäbischen Bundes, zum anderen durch die kaiserlichen Erklärungen des Nürnberger Anstands und deren kaiserlicher Bestätigung am Regensburger Reichstag rechtlich gehindert sei.22 16
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StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.), fol. 4r-12r. Die gleiche Ansicht, daß alle Obrigkeiten unmittelbar allein Gott untergeordnet sind, vgl. auch Langnauer (Kapitel 7.5. und 7.6.); dagegen die hierarchische Ordnung der einzelnen menschlichen Obrigkeiten z.B. bei Peutinger (Kapitel 7.1. und 7.6.). StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.), fol. 12r-14v. StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.), fol. 14v-25v. StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.), fol. 25v-30v. Zu seiner Person: Hans, Gutachten, 35; Gänssien, Ratsadvokaten, 258-260; Roth, Reformationsgeschichte II, 132, Anm. 59. Zwei gleichlautende Exemplare: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 20a und Nr. 20b; Hans, Gutachten, 36; Wolfart, Reformation, 48-49; Roth, Reformationsgeschichte II, 118. Die gleiche Auffassung vertrat Roth in einem Gutachten, das er im Dezember 1530 für die Reichsstadt Ulm anfertigte. Denn es waren in Ulm Befürchtungen laut geworden, wonach man eine Mitgliedschaft im neugegründeten Schmalkaldischen Bund für nicht legitim hielt, da man nicht gegen die dem Kaiser geleisteten Loyalitätszusicherungen verstoßen dürfe. Roth zerstreute in seinem Gutachten diese Bedenken, indem er argumentierte, Ulm sei nicht an die Zusicherungen gegenüber dem Kaiser gebunden, da auch der Kaiser seine Konzilsversprechen nicht gehalten habe. Vgl. dazu: Gänssien, Ratsadvokaten, 91. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 20c; Hans, Gutachten, 36; Roth, Reformationsgeschichte II, 118.
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Bei den weiteren Gutachtern handelte es sich um in Augsburg ansässige Personen. Leider erlaubt es die Quellenlage bei den Texten, die nun heranzuziehen sind, einerseits nicht, eine eindeutige Auftragsvergabe des Religionsausschusses festzustellen, und andererseits auch nicht, die schon in der älteren Forschung in Betracht gezogenen Stellungnahmen mit absoluter Sicherheit den Gutachtern zuzuordnen. Dennoch erscheint es sinnvoll, die bisherigen Interpretationen aufzugreifen und gegebenenfalls einzuschränken oder auszuweiten. Sowohl hinsichtlich der Identifikation der Handschrift als auch hinsichtlich des Titels läßt sich ein Schriftstück aus der Hand des Predigers Wolfgang Musculus23 eindeutig in den thematischen Zusammenhang der Widerlegung bestimmter Einwände gegen die Vornahme der Reformation einordnen.24 Der Text referiert sieben "Gegenwürfe", auf die unmittelbar ebenso viele von Musculus formulierte Widerlegungen folgen. Die ersten beiden Widerlegungen sind grundsätzlicher Art.25 Als ersten "Gegenwurf'1 fuhrt Musculus an, daß sich die altgläubigen Geistlichen im Besitz der göttlichen Wahrheit wähnen und deshalb nicht für eine Reformation zugänglich sind. Er widerlegt dies damit, daß man trotzdem und ohne Rücksicht nach "ausweisung des gottlichen worts"26 die Reformation durchführen werde, wenn die Geistlichen nicht bereit sind, ihren Standpunkt aus der heiligen Schrift zu belegen. Als zweiten "Gegenwurf' referiert Musculus zustimmend, daß die altgläubigen Geistlichen in der Stadt, selbst bei gutem Willen die Reformation in Augsburg zu billigen, diesen Schritt aber vor Papst und Kaiser nicht rechtfertigen könnten, da jene "die ietzige lutherische lere, als irrig unnd ketzerisch verworffen und verdampt haben".27 Die weiteren fünf "Gegenwürfe" sind in ihrem Sinngehalt in der nachfolgenden tabellarischen Übersicht zusammengefaßt. Als ein weiterer Gutachter ist der Augsburger Gerichtsschreiber Franz Kötzler zu nennen,28 der bereits in den Ratsaufträgen für die erste Serie von Gutachten namentlich auftaucht, von dem aber im Zusammenhang mit den fünf Gutachten von Peutinger, Rehlinger, Hei, Hagk und Langnauer keine eigene Stellungnahme erhalten ist.29 Im Zusammenhang mit den 22 Punkten und ihren Widerlegungen ist
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Zu seiner Person vgl. oben Kapitel 5.3. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27: "Widerlegung ertlicher gegenwürf, die do möchten beschehen, ein christliche oberkeit an der reformation, in glaubens Sachen, zu hindern."; vgl. Wolfart, Reformation, 29, 46-59, 93; Roth, Reformationsgeschichte II, 117, 131f., Anm. 56 (dort finden sich die Einwände jedoch ohne die eigentlich wichtigen Widerlegungen von Musculus gedruckt). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27, fol. lr/v und fol. lv-3v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27, fol. lv. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27, fol. lv. Zu Kötzlers Person und Tätigkeit: Hans, Gutachten, 29; Roth, Reformationsgeschichte II, 6, Anm. 16; Rogge, Nutzen, 138f. Siehe oben Kapitel 6.3.
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eines von zwei Schriftstücken, als deren Urheber in der Forschung Franz Kötzler identifiziert wurde, besonders beachtenswert.30 Als letzten Gutachter im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit den 22 Bedenken gegen die Reformation ist Balthasar Langnauer zu vermuten, von dem beim Religionsausschuß bereits ein grundsätzliches Gutachten vorlag.31 Bei dem hier erhaltenen Text handelt es sich freilich nur um ein Gutachtenfragment bzw. um ein ganz formloses Schriftstück, in dem zu einzelnen politischen Bedenken gegen die Reformation Widerlegungen formuliert sind.32 Aus diesen Gutachten zur Zerstreuung politischer Bedenken gegen die Reformation wurden dann die entsprechenden Widerlegungen zu den 22 Einwänden gegen die Reformation formuliert. Nach den teilweise angedeuteten Arbeitsschritten sowie der Sichtung aller und Neueinordnung einzelner Archivalien ergibt sich dann aus den erhaltenen Quellentexten folgende in tabellarischer Form zusammengestellte Übersicht der konkreten Einwände gegen die Reformation und der Widerlegungen dieser Einwände.33 Soweit möglich wurde innerhalb der Übersicht bei einzelnen Argumenten auf deren geistigen Urheber verwiesen.
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Das erste Schriftstück ist archivalisch eingeordnet in: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 28. Der einzige Hinweis auf die Urheberschaft Kötzlers befindet sich auf einem eingelegten Etikett in anderer Handschrift: "Franz Kötzlers, Gerichtsschreibers, unnd seiner gehilfenn ratschlag, ob Ε. E. rath änderung in der religion fumehmen möge?". Kötzler rechtfertigt seinen Standpunkt, "das ein E. Rat gewalt hab von got, alle auswendige Ergernuss under der gemain gottes hinweg zu thon" weitgehend gestützt auf biblische Argumente gegen dreierlei gegenteilige Einwände: (1) nur der geistlichen Gewalt sei es erlaubt, (2) nur der höchsten weltlichen Gewalt sei es erlaubt und (3) nur Gott allein sei es erlaubt, Änderungen in Religionsangelegenheiten vorzunehmen. Vgl. dazu: Hans Gutachten, 30-32; Wolfart, Reformation, 49; Roth, Reformationsgeschichte II, 117; Broadhead, Politics, 318-321. Das zweite Schriftstück ist archivalisch eingeordnet in: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29. Es ist von fremder Hand betitelt mit: "ich halts fur Franz Kötzlers Berichtsschreibers gedieht" und ist in anderer Handschrift geschrieben wie Nr. 28. Von diesem zweiten Schriftstück ist im folgenden die Rede. Vgl. Broadhead, Politics, 319-325. Siehe oben Kapitel 7.5. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, ad Nr. 29. Das Schriftstück läßt sich nur durch einen Handschriftenvergleich der Autorschaft Langnauers zuordnen; vgl. die Handschrift der beiden unterschriebenen Langnauer Briefe: StAA, LitSlg, Nachtrag 1532-1536 (ad 25./26.5.1536). Zum Inhalt der Widerlegungen vgl. die tabellarische Übersicht weiter unten. Die Widerlegungen der Einwände ab Nr. 16 wurden aus den genannten Obergutachten rekonstruiert.
155 Widerlegung
Einwand
1. Wenn die Geistlichen wegziehen, geschieht 1. Die Geistlichen werden nicht wegziehen, da dies zum Nachteil der Armen, der Handwerker, ihnen das Leben in Augburg so viele Vorteile Wirte und Bäcker. bietet und sie bei einem Wegzug ins Ungewisse gehen. Falls sie dennoch wegziehen wird dieser Schaden für die Handwerker etc. durch andere Vorteile aufgewogen. PEUTINGER34
KÖTZLER35
2. Wenn die Geistlichen wegziehen, werden 2. Die Reichstage etc. bringen zwar einzelnen nicht mehr so viele Reichs- und Bundestage Bürgern Einnahmen, aber die gesamte Bürgeretc. in der Stadt abgehalten werden. 36 schaft hat nur Kosten durch sie und allerlei Unannehmlichkeiten. KÖTZLER37 3. Wenn die Geistlichen wegziehen, werden 3. Solche Kritik der Prädikanten kann durch sich die Ratsprädikanten in ihrer Kritik gegen eine Bestallung durch den Rat vermieden werden Rat und die Bürger wenden. den.38 LANGNAUER 3 9
4. Wenn die Geistlichen den Ratsforderungen nachkämen, würden sie mit den altgläubigen Institutionen in Konflikt geraten. Daraus entstünde kein Gewinn, denn diese Geistlichen würden durch neue ersetzt.
4. Die Geistlichen müssen sich den Ratsforderungen, soweit diese in der Schrift begründet sind, beugen oder in einer Disputation das Gegenteil beweisen. 40 MUSCULUS 4 1
5. Die Geistlichen wären auch bereit, ihre Dul- 5. Der Rat will nichts erkauft haben, sondern dung und die Beibehaltung der Messe etc. in die Mißbräuche abschaffen. der Stadt beim Rat zu erkaufen. Nur dann wird der Rat die Geistlichkeit auch in seinen Schutz nehmen.
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 64r/v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29, fol. 2v-8r. Eine längere mit Zitaten durchsetzte Paraphrase dieser Widerlegung gedruckt in: Roth, Reformationsgeschichte II, 112f. Dieser Einwand ist im Auszug wörtlich gedruckt bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 134f., Anm. 79. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29, fol. 8r-9v. Die Bestallung der Prediger wurde im März 1535 tatsächlich eingeführt. Ein Formular ist gedruckt bei: Sehling, Kirchenordnungen XII/2, 46-48. Vgl. Broadhead, Politics, 388-391. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, ad Nr. 29, fol. (Einwand: 2r-2v, Widerlegung:) 8r/v. Vgl. Eingabe der Prädikanten vom Jan. 1533: StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 2v-3r; Druck bei Wolfart, Reformation, 129f. Darauf beziehen sich auch die Disputationsangebote des Rates bzw. der Prediger an Bischof und Domkapitel in den beiden Verhandlungsphasen im Frühjahr 1533 und 1534. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27, fol. 4r/v.
156 Widerlegung
Einwand 6. Bischof und Geistliche haben bisher in guter Nachbarschaft in der Stadt gelebt; bedauerlich wäre es, wenn diese Nachbarschaft gestört würde, da das Ansehen des Bischofs auch der Stadt von Nutzen war.
6. Die tatsächliche gute Nachbarschaft beweist sich in der Befolgung der Ratsforderungen. Die Bewahrung einer guten Nachbarschaft wird für den Rat zweitrangig, wo es um die Frage der Ehre Gottes geht.
PEUTINGER 42
MUSCULUS 4 3
7. Der Bischof darf in seinen Besitzungen und Rechten durch den Rat nicht geschädigt werden, da diese durch Bestimmungen des Schwäbischen Bundes geschützt sind.
7. Das Schwäbische Bundesgericht ist in Religionsangelegenheiten nicht zuständig (vgl. Bundesverfassung). Würde dies in seiner Kompetenz liegen, dann müßte man nicht mehr auf ein Konzil warten.
REHLINGER 44
LANGNAUER 4 5 - ROTH 4 6
8. Im Falle von Gewalttaten und Entsetzungen 8. Das widerspricht ebenfalls der Bundesverwürde der Schwäbische Bund den geschädig- fassung. Würde dennoch ein Richterspruch gegen die Stadt gefällt werden, dann sind die ten Geistlichen zu Hilfe kommen. Stände nicht verpflichtet, ihm zu folgen. Außerdem werde der Bund nicht verlängert, wenn die Religion ausgeklammert würde. REHLINGER 47 - HEL 4 8
LANGNAUER 4 9 - ROTH 5 0
9. Da St. Ulrich unter dem gemeinsamen Schutz Bayerns, Pfalz-Neuburgs und des Rates steht, kann der Rat nichts gegen St. Ulrich unternehmen, ohne Gegenmaßnahmen dieser Fürsten zu provozieren.
9. Der Schutz der Fürsten für St. Ulrich betrifft nur die weltlichen Güter und Einkünfte des Klosters auf dem Gebiet der Fürsten. Der Schutz durch die Stadt Augsburg kann vorübergehend gekündigt werden.
REHLINGER 51
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StAA, LitSlg, onsgeschichte StAA, LitSlg, StAA, LitSlg, StAA, LitSlg, StAA, LitSlg, StAA, LitSlg, StAA, LitSlg, StAA, LitSlg, StAA, LitSlg, StAA, LitSlg,
1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 61r. Teilweise gedruckt bei: Roth, ReformatiII, 129f., Anm. 47. 1534, Nachtrag II, Nr. 27, fol. 9r/v. 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. lOv. 1534, Nachtrag II, ad Nr. 29, fol. (Einwand: 2v-3r, Widerlegung:) 9r-10r. 1534, Nachtrag I, Nr. 20c, fol. 4r. 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. lOv. 1534, Nachtrag I, Nr. 18, fol. 33v. 1534, Nachtrag II, ad Nr. 29, fol. (Einwand: 3r/v, Widerlegung:) 9r-10r. 1534, Nachtrag II, Nr. 20c, fol. 3r-5v. 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. 10г.
157 Einwand
Widerlegung
10. Da St. Katharina 1530 unter besonderen kaiserlichen Schutz gestellt und damit vor dem Zugriff des Rates geschützt wurde, kann der Rat nichts gegen St. Katharina unternehmen.52
10. Der kaiserliche Schutz hat nur Gültigkeit fur etwas, das nicht gegen Gott ist; außerdem wurde der Schutz erschlichen. Deshalb kann man durch Unterhandlungen den Konvent dazu bewegen, das Schutzdokument auszuhändigen.
REHLINGER 53
FROSCH 5 4
11. Viele Augsburger Bürger sind Lehensmänner des Bischofs und anderer altgläubiger Fürsten, sie sind aufgrund ihres Eides auf ihren Lehensherrn verpflichtet; d.h. sie dürfen als Bürger Augsburgs nicht fur die Sache der Reformation eintreten.
11. Bei Lehensverpflichtungen sind immer Kaiser, König und selbstverständlich Gott ausgenommen. Ein Lehensmann des Bischof ist diesem nur als weltlichem Fürsten verpflichtet.56
REHLINGER 55
LANGNAUER 5 7
12. Die dem Kaiser auf dem Reichstag 1530 12. Formal ist das Zusagen rechtlich nicht vom Rat gegebenen Zusagen müssen gehalten bindend und wirksam. Es ist ein einseitiger werden. gegenstandsloser Kontrakt, da es vom Kaiser nicht angenommen, sondern sogar ausdrücklich abgelehnt wurde. Die Bedingung (fristgerechte Konzilsankündigung), unter der es geleistet wurde, wurde kaiserlicherseits nicht erfüllt. Außerdem wird auch inhaltlich nicht gegen das Zusagen verstoßen, da die Priester ihre Zeremonien noch in den geöffneten Kirchen vollziehen können. PEUTINGER 58 - REHLINGER 59 - HEL 6 0
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KÖTZLER 61 - ROTH 6 2 - FROSCH 6 3
Die Dokumente und Literatur hierzu: siehe oben Kapitel 4.1. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. 12r (und 14r-15v). StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.), fol. 25v-30v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. 1 lr-12r. Namen und Zahlen hierzu vgl.: Sender-Chronik, 403; Kießling, Gesellschaft, 199 und andere. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, ad Nr. 29, fol. (Einwand: 4r/v, Widerlegung:) 10v-l lv. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 47r-48v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. 16v-17r (-19r). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 18, fol. 23r-24v, 30v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29, fol. 10r-17v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 20a/b, fol. lr-17v. StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 28.7.), fol. 14v-25v.
158 Widerlegung
Einwand
13. Die zwischen dem Rat und dem Bischof 13. Diese Rechtsverträge beziehen sich nur auf bestehenden Rechtsverträge müssen eingehal- die dem Bischof spruchverwandten Kirchen, die nicht angetastet werden.65 Bezüglich der ten werden. anderen Kirchen sind eventuell bestehende Verträge ungültig, da sie gegen die göttliche Wahrheit verstoßen. REHLINGER 64
KÖTZLER 66
14. Bei Vornahme der geplanten Reformation setzt sich der Rat der Gefahr aus, als Störer des Nürnberger und Regensburger Friedens angesehen und deshalb mit der Acht belegt zu werden
14. Durch das Vorhaben (bloße "Entsetzung") wird der Friede nicht gebrochen. Würde man aber trotzdem vom Kaiser als Friedensbrecher behandelt, wäre dies immer noch besser als in "göttliche Reichsacht" zu verfallen.
PEUTINGER 67 - HEL 6 8
KÖTZLER 69 - ROTH 7 0
15. Selbst wenn Bischof, Domkapitel, Stifte und Klöster sich der Reformation durch den Rat fügen, heißt das nicht, daß sich Kaiser, König, Fürsten und Adel fugen werden.
15. Der Adel hat keinen Grund sich gegen eine Reformation zu stellen, da nicht das Domkapitel, sondern nur Pfarrzechen und Klöster, die sich aus Bürgerfamilien rekrutieren, betroffen sind.
HEL 7 1
16. Die geplanten reformatorischen Änderungen belasten den Teil der Bürgerschaft, die nichts davon wissen will. PEUTINGER 72 - REHLINGER 73
64 65
66 67 68 69 70 71 72 73
StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. lOv. Natürlich wurden durch das Predigtverbot im Bereich der Wortverkündigung die bischöflichen Rechte durchaus angetastet, nur nicht im Bereich priesterlich-kultischer und weltlichjuridischer Angelegenheiten. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29, fol. 17v-18v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 49r, 55r. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 18, fol. 3 lr/v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29, fol. 18v-23r. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 20c, fol. 2r-3r. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 18, fol. 3 lv. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 55v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. 1 lr/v, 20r.
159 Widerlegung
Einwand 17. Der Rat hat sich mit so vielen näherliegenden Dingen zu beschäftigen, daß er gut daran tut, sich von der von den Predigern geforderten Reformation zu distanzieren.
17. Durch die Abschaffung von falscher Lehre und falschem Gottesdienst werden die Grundvoraussetzungen für christliche Lebensführung und gute Policey in der Stadt geschaffen.
REHLINGER 74
MUSCULUS 7 5
18. Das reformatorische Vorbild anderer Städte gilt für Augsburg nicht, da in vielen Städten das Verhältnis zur Geistlichkeit ein anderes war, sowie viele Städte weder den Reichsabschied 1529 angenommen, noch dem Kaiser 1530 Zusagen gemacht hatten und ihre Reformation vor dem Nürnberger Frieden durchgeführt haben. HEL 7 6
19. Die Zwietracht in der Stadt ist so groß, daß das geplante Reformationsvorhaben nicht nur hinsichtlich der Religion scheitern wird, sondern dadurch alles zugrunde gerichtet wird.
19. Durch ein Stillstehen im Reformationsvorhaben wird die Uneinigkeit erst recht gewaltig vermehrt, wie das bisherige Zögern des Rates im Vergleich zu anderen Städten schon gezeigt hat. Der Rat hat als von Gott eingesetzte Obrigkeit die Pflicht, die christliche Ordnung wiederherzustellen, indem er seine von Gott verliehene Gewalt auch im Bereich der Religion ausübt.
HEL 7 7
MUSCULUS 7 8 - KÖTZLER 7 9
20. Aus Furcht vor Vermögensverlusten werden viele reiche Bürger Augsburg verlassen, so daß die Stadt in große Geldnot geraten wird, da ihr große Summen an Steuern und Einkünften entgehen werden.
74 75 76 77 78 79
StAA, StAA, StAA, StAA, StAA, StAA,
LitSlg, LitSlg, LitSlg, LitSlg, LitSlg, LitSlg,
1534, Nachtrag 1534, Nachtrag 1534, Nachtrag 1534, Nachtrag 1534, Nachtrag 1534, Nachtrag
I, Nr. 21, fol. 19v. II, Nr. 27, fol. lOr/v. I, Nr. 18, fol. 32v, 34r. I, Nr. 18, fol. 35r/v. II, Nr. 27, fol. 5r-7r. II, Nr. 29, fol. 23r-27v.
160 Widerlegung
Einwand 21. Durch die vom Rat geduldeten Hetzpredigten und die Gewalt gegen die Geistlichen wird der Kaiser veranlaßt, die Stadt militärisch zu besetzen und Ordnung zu schaffen.
21. Die drohende Macht des Kaisers und das daraus folgende zeitliche Verderben darf der Rat nicht furchten, da die Stadt vielmehr schuldig ist, göttlicher Obrigkeit zu gehorchen. Der Rat wird seinem von Gott übertragenen Amt nur gerecht, wenn er die falsche Lehre und den altgläubigen Gottesdienst abschafft. Versäumt er es, dann droht ihm und der Stadt das ewige Verderben. Somit ist es besser, das zeitliche Verderben in Kauf zu nehmen und dafür göttliche Barmherzigkeit zu erfahren.
PEUTINGER 80 - HEL 8 1
KÖTZLER 82
22. Die Obrigkeit hat zunächst das weltliche Regiment wahrzunehmen, wenn sie sich darüber hinaus ein Recht in Glaubensangelegenheiten anmaßt, wird die Frage aufkommen, inwieweit man ihr darin zu Gehorsam verpflichtet sei.
22. Als christliche Obrigkeit kann der Rat bei allen Tätigkeiten Gehorsam beanspruchen, die dazu dienen, das Gute zu fordern und das Böse abzuwehren. Eine gute christliche Ordnung und Reformation aufzurichten, gehört somit auch in seinen Kompetenzbereich. Würde eine Obrigkeit diese Pflicht vernachlässigen, so käme dies einem Mißbrauch ihres Amtes gleich.
PEUTINGER 83 - REHLINGER 84
MUSCULUS 8 5 - KÖTZLER 86
Die in dieser tabellarischen Übersicht gewählte Reihenfolge der 2 2 Punkte stimmt mit ihrer Anordnung im Quellentext überein. Damit ist also weder die Wichtigkeit einzelner Punkte noch eine inhaltliche Gliederung aller Punkte berücksichtigt. Für die Einschätzung der politischen Lage und die Diskussion um die grundsätzliche Rechtfertigung der Reformation in Augsburg sind allerdings nicht alle Einwände und Widerlegungen von gleich entscheidender Bedeutung. 87 Hervorzuheben ist unter ihnen besonders der Einwand und die Widerlegung Nr. 22, worin die zentralen Gedanken aller vorangegangenen Punkte gleichsam zusammenfassend anklingen. Die darin enthaltene zentrale Frage nach der Erstrek80 81 82 83 84 85 86 87
StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 63r. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 18, fol. 30r. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29, fol. 27v-36r (aus der 14. Widerlegung). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 57v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. 2v-3r, Юг, 19v-20r. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27, fol. 7r-8v. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 29, fol. 18v-23r. Mitunter sind manche der Einwände (Nr. 2, 3, 4, 5, 11, 20) und vielleicht auch der Widerlegungen (Nr. 5, 13, [16,] 20) nur in Thesenform auf den Punkt gebrachte Gerüchte oder aus einschlägigen Predigten aufgeschnappte Pointen.
161
kung der weltlichen Obrigkeit auf das Gebiet geistlicher Angelegenheiten, die in der Konzilsforderung ihren Katalysator findet, kommt im Einwand (Nr. 22) ausdrücklich zur Sprache.88 In der Widerlegung dieses Einwandes wird aber die sich auf alle Lebensbereiche des öffentlichen Lebens - also sowohl die weltlichen als auch die geistlichen - erstreckende Obrigkeitsbefugnis des Rates89 energisch gefordert und aus dem Verständnis seines Amtes - als von Gott unmittelbar verliehen - hergeleitet.90 Damit bezieht sich diese 22. Widerlegung direkt auf die 17. und 19. Widerlegung. 91 Dieser 22. Punkt hat somit insgesamt den Charakter nicht nur einer Zusammenfassung, sondern den einer eindringlichen Zuspitzung des reformationsfreundlichen Standpunktes im Hinblick auf die geplante Umsetzung in Augsburg. Außerdem kann an den beiden Widerlegungen Nr. 13 und 15 wiederum eindeutig das vorerst geplante Ausmaß der reformatorischen Veränderungen in der Reichsstadt abgelesen werden. Die Urhebernachweise in der tabellarischen Übersicht lassen aufgrund häufiger Überschneidungen leider nicht zu, eine ins Detail gehende Gliederung vorzunehmen. Auch inhaltlich sind je nach Gewichtung der angesprochenen politischen Probleme unterschiedliche thematische Einteilungen denkbar. Aufgrund dieser Überlegungen erscheint eine Einteilung in nur zwei Kategorien am sinnvollsten:92 • Zur Frage nach der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der bürgerlichen Einigkeit in der Stadt (innenpolitisch-gesellschaftlich): Punkte 1, 2, 3, 4 , 5 , 6 , 16, 19, 20. • Zur Frage nach der Reichweite und den Beschränkungen der Kompetenzen des Rates der Stadt gegenüber Klerus und Reichsinstanzen (außenpolitischjuristisch): Punkte 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 18,21,22. Es ist deutlich zu erkennen, daß in der Zusammenstellung der 22 Einwände gegen die Reformation und ihren Widerlegungen, die in Obergutachten von fünf 88
89
90 91
Innerhalb der 22 Punkte vgl. dazu die Widerlegung Nr. 7, worin von den Reformationsbefürwortern der Spieß umgedreht wird: das weltliche Gericht des Schwäbischen Bundes hat keine Richterbefugnis in Religionsangelegenheiten der Mitglieder. Im übrigen vgl. die Konzilsvorstellungen, wie sie - außer an den angegebenen Textstellen in den Gutachten von Peutinger, Rehlinger - auch bei Hei formuliert sind, siehe oben Kapitel 7.1.-3.; vgl. auch Broadhead, Politics, 322. Mit diesem - damals noch nicht explizit und grundsätzlich erhobenen - Anspruch griff der Augsburger Rat auch zu dem Mittel öffentlicher Verordnungen im Zusammenhang mit dem Kirchenwesen in den 1520er Jahren. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 3.1. Vgl. 1 Petr 2, 13ff.; Rom 13, Iff. Vgl. vor allem den Musculus-Text: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27, fol. 5v, 6r und
Юг. 92
In den Darstellungen findet sich bei Broadhead, Politics, 318 der einzige Versuch einer Gliederung. Broadhead teilt in drei Kategorien (bürgerliche Uneinigkeit, Vergeltung durch Reichsinstanzen, Klärung der Rechte des Klerus) ein, versäumt es aber, die einzelnen Punkte seinen Kategorien zuzuordnen. Bei dem Versuch, solches nachzuholen, ergeben sich zuviele Überschneidungen.
162
in- und auswärtigen Vertrauensmännern unterschiedlichen Berufsstandes formuliert wurden, vor allem handfeste politische Argumente in den Vordergrund gerückt sind. Wichtige, in einem umfangreichen Argumentationszusammenhang stehende Bedenken wurden zunächst aus dem Kontext der eher abstrakten und rein gelehrt-juristischen Gutachten93 der Augsburger Ratskonsulenten herausgegriffen und auf ein konkretes politisches Maß reduziert und dann in einem zweiten Schritt thesenartig in den Widerlegungen entkräftet. Die Erstgutachter wurden auch nicht mehr um eine Gegenstellungnahme gebeten; offenbar war bei der gegenwärtigen politischen Situation kein Bedarf mehr nach einer nur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Zugleich orientierte man sich nun, bereits in der Auswahl der Gutachter aus Straßburg und Ulm, an oberdeutschreichsstädtischen Verhältnissen.94 So blieb denen, die zu Beginn des politischen Meinungsbildungsprozesses zwar gefragt wurden, sich aber eine vom progressiv reformatorischen Geist der Zeit abweichende Meinung gebildet hatten, entweder nur die allmähliche Resignation oder - ganz pragmatisch - die politische Umorientierung.95
8.3. Die politische Absicherung des Reformationsvorhabens Bevor dieses Reformationsvorhaben in irgendeiner Weise in die Tat umgesetzt werden konnte - darüber war man sich im Rat einig - mußten nun noch weitergehende politische Schritte unternommen werden. Schließlich hatten die juristischen Bedenken zur Reformationsfrage eindeutig gezeigt, daß die reichsstädtische Reformation weniger eine Rechts- oder gar nur eine Glaubensfrage, sondern in erster Linie eine Frage der gegebenen Machtverhältnisse bzw. der richtigen Gelegenheit war.96 Die unterschiedlichen noch schwebenden Bündnisverhandlungen der Jahre 1533 bis 1534, die die vielschichtigen politisch-diplomatischen Interessen verschiedener Fürsten und Reichsstände widerspiegeln, müssen an dieser Stelle nicht behandelt werden, da in ihnen vorrangig nicht die ureigenen Interessen Augsburgs thematisiert worden sind, sondern diejenigen größerer Territorialherren (vor allem der Habsburger, des württembergischen Herzogs und des hessischen Landgrafen). Deshalb beschränke ich mich im folgenden hauptsächlich auf drei Bereiche der 93 94 95 96
Siehe oben Kapitel 7. Vgl. oben Kapitel 5.4. Ersteres war bei Peutinger und Rehlinger, letzteres bei Hei der Fall; siehe oben Kapitel 5.2. An dieser Stelle stimme ich mit Broadhead völlig überein, der schon für die 1520er Jahre feststellt: "[The Councils] attitude towards the doctrines of the Reformation was shaped by political rather than theological considerations"; vgl. ders., Politics, 203.
163
Augsburger Verhandlungen mit anderen Reichsständen. Dabei ist zu beachten, daß die hier geschilderten Vorgänge in zeitlicher Parallelität mit der Abfassung bzw. Einreichung der fünf reichsstädtischen Gutachten verlief.97 Es werden im folgenden nur die Aspekte behandelt, die vor allem kirchenpolitisch relevant sind: • das Städtebündnis Augsburgs mit Ulm und Nürnberg, das Hand in Hand mit einer schrittweisen Distanzierung vom Schwäbischen Bund ging; • die kirchenpolitische Übereinkunft mit dem Bischof und Domkapitel von Augsburg; • die Augsburger Bemühungen um eine Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund, die nicht zuletzt an reformatorischen Lehrfragen zu zerbrechen drohten. Zwischen Februar und Mai 1533 bemühte sich Augsburg wieder um ein festes Bündnis mit Ulm und Nürnberg, mit denen auf politischer Ebene bisher nur vergleichsweise unverbindliche freundschaftliche Kontakte gepflegt wurden. Vergleichbare Verhandlungen mit diesen Reichsstädten waren schon in den Jahren 1525 und 1529 im Gange, aber damals letztlich durch die Haltung Augsburgs gescheitert.98 Im Rahmen der Verhandlungen eines ergebnislosen Schwäbischen Bundestages Ende April 1533 kamen die drei Städte unter Geheimhaltung zu einer Einigung.99 Daraufhin wurde am 13. Mai ein mehrjähriger Bund zwischen den drei Partnern geschlossen und eidesstattlich beschworen.100 Dieser Bund hatte den Charakter eines Schutz- und Trutzbündnisses gegen äußere Feinde, diente der Sicherung des gegenwärtigen territorialen und rechtlichen Besitzstandes seiner drei Mitglieder und verpflichtete zur Unterstützung bei der Niederwerfung von inneren Unruhen. Mit diesem Bündnis war der erste Schritt aus der politischen Isolation Augsburgs, die durch das Scheitern der Politik des mittleren Weges eingeleitet wurde, erfolgt und zugleich ein politischer Rückhalt für die Durchführung der geplanten Änderungen im Kirchenwesen geschaffen worden. Augsburg und die anderen Städte des Schwäbischen Bundes hatten, wenn sie sich gut verständigten, nun auch genügend Handlungsspielraum, eine Verlänge-
97 98 99
100
Vgl. oben Kapitel 7. Roth, Reformationsgeschichte I, 273ff. Auch bei späteren Schwäbischen Bundestagen nutzte man die Gelegenheit fur Besprechungen zwischen den Gesandten von Ulm, Nürnberg und Augsburg, so etwa im August und Dezember 1533; vgl. Wolfart, Reformation, 72-75. Zum Drei-Städte-Bündnis aus Nürnberger Sicht vgl. ausfuhrlicher: Schmidt, Haltung, 215ff. Der Vertrag zwischen den Städten: StAA, LitSlg, Nachtrag 1532-1536 (ad 1533); EWAAkten, Nr. 12; Eidliche Zusicherung Augsburgs: StAA, Reichsstadt, Ratsbuch, Nr. 16, fol. 80r/v (teilweise gedruckt bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 129, Anm. 44); Wolfart, Reformation, 35-37; Roth, Reformationsgeschichte II, 111; Broadhead, Politics, 292f.; Immenkötter, Kirche II, 21.
164 rung des Bundes von Zugeständnissen in der Religionsfrage abhängig zu machen.101 Gestärkt und selbstsicher durch den unmittelbar bevorstehenden Bündnisabschluß mit Ulm und Nürnberg begann der Augsburger Rat Verhandlungen mit dem geistlichen Oberhaupt der Stadt. Dabei nutzte der Rat die gegenwärtige politische Ohnmacht des Augsburger Bischofs aus, dessen politische Hauptstütze der Schwäbische Bund war. Der Bund seinerseits war durch ergebnislose Verhandlungen über eine Verlängerung und die Uneinigkeit der Bundesgenossen in der Religionsfrage geschwächt. Zunächst versuchte die Augsburger Bürgerschaft auf dem Verhandlungsweg eine gütliche Einigung mit Bischof Christoph von Stadion herbeizufuhren, der sich bisher als guter und relativ neutraler Kirchenfurst gegenüber den sich wandelnden kirchlichen Verhältnissen erwiesen hatte.102 Am 5. Mai 1533 wurde eine Abordnung des Rates an den Bischof gesandt, um ihm die Position des Rates darzulegen.103 Der Bischof bat daraufhin um schriftliche Ausarbeitung des Ansinnens der Stadt.104 Darauf überbrachte am 13. Mai eine Abordnung, deren Mitglieder Ulrich Rehlinger, Mang Seitz, Konrad Rehlinger und Simprecht Hoser waren, dem Bischof ein Schreiben.105 Der Rat schlug darin zunächst eine 101
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Bundestag am 10.8.1533 vgl. Sender-Chronik, 357f.; Bundestag im Dezember 1533 vgl. Wolfart, Reformation, 77f„ 134-139 (Beilage III und IV). Der Zusammenhang zwischen Städtebündnis, Schwäbischem Bund und Religionsfrage ist Gegenstand der folgenden Quellentexte: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 33-35; vgl. Wolfart, Reformation, 75; Broadhead, Politics, 293-296. Roth, Reformationsgeschichte I, 341; vgl. oben Kapitel 2.1. und Kapitel 3.1.1. Hierzu und zum Folgenden: Wolfart, Reformation, 37-40; Hans, Gutachten, 28f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 113-115; Schmauch, Stadion, 181-216; Zoepfl, Bistum, 108-112; Immenkötter, Kirche II, 21; ders., Verantwortung, 86. Eine Darlegung des Schriftwechsels zwischen Rat und Bischof/Domkapitel im Jahr 1533 und folglich eine unter reformationsgeschichtlichem Blickwinkel sachdienliche Würdigung für die Vorgänge 1533/34 fehlt bei Broadhead, Politics gänzlich. Erst am 12. Mai lag diese Ausarbeitung dem Dreizehnerrat vor, vgl. StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 3, fol. 112r; Roth, Reformationsgeschichte II, 130, Anm. 49. Gedruckt bei: Sender-Chronik, 346-351. Der hier zitierte Text scheint mir nach meinen Quellenrecherchen nicht der vollständige Text zu sein. Ein bisher in der Literatur noch nicht beachtetes Schriftstück ist die Nr. 3 im Nachtrag I, LitSlg 1534. In diesem 28 Folioblätter umfassenden Text sehe ich das vollständige Schreiben an den Bischof. Demnach bringt Sender in weitgehend wörtlicher Übereinstimmung nur fol. lr-3v, 20r-22r, 22v-24v, 24v-26r, 28r. Die bei Sender fehlenden Passagen sind fur die grundsätzliche Debatte um das reichsstädtische Reformationsrecht ganz entscheidend (siehe unten im Text). Auffallend ist, daß Sender sowohl einzelne Satzteile (z.B. 3r; diese kommen aber in der im textkritischen Apparat der Chronikedition mit "c" bezeichneten Sender-Handschrift vor) als auch ganze Argumentationsreihen, die die Obrigkeitsrechte der Stadt explizit begründen, ausläßt. Dies entspricht wohl dem politischen Weltbild dieses Chronisten und Benediktinermönchs von St. Ulrich. Denn es liegt nicht in der Absicht der Sender-Chronik, die das städtische Kirchenwesen betreffenden politischen Maßnahmen des Rates in ihren detaillierten Rechtfertigungsargumenten darzustellen. Der 'altgläubig' apologetische Charakter der Sender-Chronik legt vielmehr nahe, daß der Chronist nicht zu einer Verbreitung und Überlieferung dieser Argumente für die Nachwelt beitragen wollte. Sie waren jedoch für den schriftlichen Auftakt der Ver-
165 gütliche Übereinkunft mit dem Bischof vor, die auf dem Wege einer Disputation zwischen den altgläubigen Predigern und den Ratsprädikanten erreicht werden sollte. Zur Begründung dieses Vorschlages wurden dann die grundsätzlich in Frage kommenden Zweifel am Reformationsrecht der reichsstädtischen Obrigkeit106 zerstreut, indem man die Grenzen der eigenen Kompetenz absteckte. Dies geschah nach bekanntem Muster und gestützt auf einschlägige Interpretation von Bibelstellen zur Rolle der Obrigkeit.107 Daran Schloß sich eine Aufzählung der vom Rat und den Predigern gemeinsam in Augsburg beanstandeten Mißbräuche im Kirchenwesen an: 1. Steinhäuser sollen Kirchen Gottes sein und der Papst ihr Haupt. Dagegen: Der christliche Mensch ist der Tempel Gottes und Christus das Haupt der Kirche. 2. Fürbitte der Heiligen. Dagegen: Christus ist der einzige Mittler gegenüber Gott. 3. Ohrenbeichte und Absolution durch die Geistlichen. Dagegen: Gott allein kann vergeben. 4. Fegefeuerlehre und daraus folgende Seelenmessen, Jahrtage usw. Dagegen: Das ist nur erdichtet um des Geldes willen. 5. Opferkerzen, päpstliche Messen, Sakramentsempfang nur in einer Gestalt, Kreuzwege, Prozessionen, Fasten. Dagegen: Das ist alles nicht von Christus eingesetzt. 6. Abendmahl findet nicht unter beiderlei Gestalt statt.
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handlungen des Rates mit dem Bischof unverzichtbar. Die beinahe wortgetreue Auflistung der vom Rat beanstandeten altgläubigen Irrtümer in der Chronik hingegen ist beinahe selbstverständlich. Hierin zeigt sich das große Interesse Senders an den in Augsburg gängigen Kirchenbräuchen, die nun durch den Rat in Frage gestellt werden. Vgl. dazu auch: KramerSchlette, Chronisten, bes.: 29, 59-64. Die drei Bedenken waren: 1) Die Reformation des Kirchenwesen liegt nur in den Händen der geistlichen Obrigkeit. 2) Die einzige weltliche Obrigkeit, die das Recht zur Reformation hat, ist der Kaiser als höchste Obrigkeit. 3) Die Reformation gebührt keiner menschlichen Obrigkeit, denn es liegt in Gottes Hand, Änderungen vorzunehmen. In Anlehnung an Rom 13,3f.; 1 Petr 2,14 mündet der Text in die Feststellung: "Also das nit allain den gaistlichen sonnder auch allen weltlichen oberkaiten, in Sachen der religion zuhanndlen gepürt, auch kainer oberkait von ainem hohem gwalt mit gott gewört werden mag got irem hern, nach irem ampt unnd gwalt zudienen, das ist, das bös zustraffen und gut zuschutzen, so volgt beschließlich, das wir als die oberkait alhie nit allain, uß schuldiger pflicht, sonnder auch zu eeren unnd gefallen gottes unnsers hem, ain einsehen haben sollen unnd müßen, damit das so alhie offenlich furgat unnd geübt, dardurch die eer gottes verlötzt, die warhait verlästert, auch die ainfeltigen verfurt und geergert, abgestelt werde." StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 3, fol. 17v-18r.
166 Dagegen: Das widerspricht der Einsetzung durch Christus.108 7. Päpstliche Meßfeier. Dagegen: Kein Wort davon findet sich in der Hl. Schrift. 8. Bilderverehrung und Wallfahrten. Dagegen: Das widerspricht dem AT und NT. 9. Falsche Taufbräuche. Dagegen: Das widerspricht Christi Wort und Befehl. 10. Klöster vor der Welt verschlossen. Dagegen: Der Christ ist hierin frei. 11. Falsche Gebete, Gesänge, Kreuzwege und Prozessionen. 12. Unkosten für Kerzenopfer usw. sie sollten nach Gottes Befehl besser für die Armen aufgewendet werden. Es muß gefragt werden, ob diesem Schreiben an den Bischof ein Gutachten des Gerichtsschreibers Franz Kötzler zugrunde lag, das bei ihm gemeinsam mit den Aufträgen an die anderen Gutachter im März angefordert wurde109. Außer den fünf ausgiebig dargestellten Gutachten konnte bisher kein Schriftstück ermittelt werden, das die grundsätzlichen Erörterungen für ein Reformationsrecht des Rates derart positiv und umfassend begründet zum Ausdruck bringt wie dieses Schreiben an den Bischof. Außer der erhaltenen Notiz über den Gutachtenauftrag spricht allerdings für eine Mitwirkung Kötzlers und der Prädikanten die Art und Weise, wie das Anliegen des Rates als einer Obrigkeit, die ihre Legitimation direkt von Gott herleitet, im Schreiben an den Bischof dargestellt wird. Außerdem wird nur in diesem Schreiben das Ausmaß der geplanten Reformation als eines gesamtstädtischen Unternehmens explizit gefordert, obgleich davon weder im grundsätzlichen Reformationsbeschluß des Rates110 noch in den in 22 Punkten zusammengefaßten Widerlegungen gegen die Reformationseinwände noch in den weiteren politischen Verhandlungen mit verbündeten Reichsstädten111 die Rede ist.
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Die inhaltliche Überschneidung mit dem vorhergehenden Punkt ergibt sich aus dem argumentativen Aufbau des gesamten Dokuments (siehe unten im Text). Die ersten fünf Punkte bezüglich genereller Mißstände, über die zu einer Disputation aufgefordert wird, sind danach zu einem einzigen Artikel zusammengefaßt. Die verbleibenden sieben Punkte beziehen sich dagegen direkt auf in Augsburg praktizierte Mißstände. StAA, Historischer Verein, N 7, pag. 245: "Der ander artikul die verzaichnis der falschen Gotsdienst in Sich haltend (wurde) dem Gerichtsschreiber (bevolhen), der in der hailigen schrifl für ander wol beleßen und mit den Predicanten wol bekant ist. Darzu er die Predigen für ander diener emßig und vleißig sucht und hört"; gedruckt bei: Roth, Reformationsgeschichte II, 139. Siehe oben StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 6r. Vgl. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 10, fol. lr/v.
167
Bald darauf erfolgte die schriftliche Antwort des Bischofs.112 Er beteuert darin seine Friedensliebe und äußert ebenfalls die Hoffnung auf eine gütliche Einigung. Den sogenannten Irrtümern, die der Rat aufgezählt hat, stimmt er freilich nicht zu, sondern stellt fest, daß im Gegenteil die altgläubige Position bereits in ihrer Wahrheit erwiesen wurde.113 Jedoch scheue er sich nicht, so schrieb er, vor einer neuen Disputation über die strittigen Punkte. Dabei erkannte er richtig, daß das Problem einer solchen erfolgreichen Disputation mit dem Ziel der Abschaffung der zwiespältigen Predigten in der Suche nach einem von beiden Seiten anerkannten Schiedsrichter liegen würde.114 Außerdem gestand er die unbedingte Unterstellung seiner Obrigkeit unter bestehende Konzilsbeschlüsse und kaiserliche Reichsabschiede ein.115 Daraus folgerte er, daß letzten Endes eine Disputation vergeblich sein würde, da man keine Befugnis hätte, aus einer solchen die Legitimation für Änderungen im Kirchenwesen herzuleiten. Darüber hinaus erinnerte er den Rat an dessen Rechtsverpflichtungen durch die angenommenen Reichsabschiede und kaiserlichen Mandate. Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang ein Artikel der Zusagen des Rates an den Kaiser vom November 1530 zitiert, in dem der Rat damals die Freiheit der Religionsausübung garantiert hatte. Bezüglich zehn der genannten Artikel lehnte er eine Änderung ab. Um aber seinen guten Willen zu einer maßvollen Annäherung zu zeigen, erklärte er sich bereit, die Prozessionen in der Stadt einzuschränken und - über die konkreten Forderungen des Ratsschreibens hinaus - keine polemischen Predigten mehr in seinen Gotteshäusern zu gestatten. Diese Zusage nahm der Rat sogleich zum Anlaß fur eine Abordnung an die bischöfliche Dechanei und das Domkapitel, bei der den Geistlichen mitgeteilt wurde, daß ab dem Fronleichnamstag alle Prozessionen und Kreuzwege zu unterbleiben haben.116 Die Pflege der anderen altgläubigen Rituale, die in dem Ratsschreiben vom 13. Mai als altgläubige Irrtümer entlarvt wurden, konnte vorerst ohne 112
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 8; gedruckt bei: Sender-Chronik, 351-353. Wolfart, Reformation, 40; Roth, Reformationsgeschichte II, 115. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 8, fol. lr/v: "das sollichs alles vor lenngst und vil mal durch unnsers tails predicanten unnd gelerten muntlich, schrifftlich und im truck gnugsam verantwurt unnd mit dem hellen, claren wort gots verlegt worden sey." Damit freilich widersprach der Bischof dem, was die Prädikanten in ihrer Supplikation vom 21. Januar 1533 geäußert hatten: "wie wir uns selbs, gegen dem prediger zu unnser frawen, erstmals schriftlich, und auch nachmals mit gegenwertiger haimsuchung erboten, unnd begert haben", vgl. StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 2v. Vgl. dazu weiter unten (Kapitel 9.1. und 9.2.) die noch eindeutigere Erfassung der Problematik im Brief des Bischofs an den Rat vom 24.3.1534 und die Reaktion des Rates darauf. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 8, fol. lv: "nochdann wurd unns nit gepum, die uß aigner vermessenhait abzestellen". StAA, LitSlg 1534, Nachtrag I, Nr. 6. In der Begründung heißt es, weil sie (fol.lr) "bej dem gemeinen man mer zu ergernus und Unwillen, dann zu andacht raichen und gedienen, demnach und damit dann zwischen E. G. und Gunsten auch den andern gaistlichen, und ainer erbarn rat und gemain alhie dester mer guts willens, ru und ainigkait erhalten werden mög."; Sender-Chronik, 353.
168 Einschränkung weiter durchgeführt werden. Auch dem Bischof selber wurde offenbar noch eine Antwort zuteil."7 Darin wurde der Inhalt der bischöflichen Antwort Punkt für Punkt wiederholt und abschließend geäußert, daß sich der Rat zu gegebener Zeit und seinem Gewissen folgend vorbehalte, Änderungen im Kirchenwesen weiter zu bedenken und durchzufuhren. Der Rat zeigte sich aber weiterhin gesprächsbereit, indem er den Bischof aufforderte, ihm eventuelle Lösungsvorschläge zur Beseitigung der Differenzen mitzuteilen. Damit ruhten ab Ende Mai 1533 vorerst die Verhandlungen des Rates mit dem Bischof und Domkapitel von Augsburg. Die dritte Stoßrichtung der außenpolitischen Bemühungen Augsburgs hatte eine Annäherung an den Schmalkaldischen Bund zum Ziel. Anfang des Jahres 1531 hatte Augsburg noch den Anschluß an diesen Bund bei den Verhandlungen mit Ulm verpaßt,"8 zweieinhalb Jahre später wagte man einen erneuten Anlauf. In einem Brief vom 12. Juli 1533 bat der Bürgermeister Ulrich Rehlinger den Straßburger Rat um Übermittlung der Bundesverfassung zur Prüfung.119 Aus Straßburg kam die Antwort, daß man ein so wichtiges Dokument nicht aus der Hand geben wolle, aber bereit wäre, eine Gesandtschaft mit den gewünschten Informationen zu versorgen.120 In Augsburg entschied man sich stattdessen für einen persönlichen Besuch in der Reichsstadt Ulm, die ebenfalls Mitglied im Schmalkaldischen Bund war. Der Syndikus Johann Hagk wurde vom Religionsausschuß in diese zweite befreundete Bundesstadt geschickt. Die erhaltene Gesandtschaftsinstruktion121 für Hagk ist zugleich eine gute Quelle für den im Sommer 1533 aktuellen Stand der Reformpläne in Augsburg. An die Aufzählung der bereits durchgeführten Maßnahmen (Prozessionsverbot u.a.) schließt sich eine genaue Formulierung über das geplante Ausmaß der Reformation an.122 Die dem Bischof spruchverwandten Kirchen und Klöster sollten demnach vorerst nicht angetastet werden. Es sollte zu117
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Das Konzept dieses Schreibens fand ich nirgends in der Literatur berücksichtigt. Es befindet sich undatiert: StAA, LitSlg, Nachtrag I, Nr. 9. Roth, Reformationsgeschichte II, 3. Winckelmann, Correspondenz II, 193, Nr. 195; Hierzu und zum Folgenden: Wolfart, Reformation, 61-62; Roth, Reformationsgeschichte II, 118-120; Broadhead, Politics, 291, 296. Winckelmann, Correspondenz II, 195, Nr. 197. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 10; nur teilweise gedruckt bei: Wolfart, Reformation, 130-133 (Beilage II). "auch sunst usserhalb der siben kirchen, zu unnser frauen, Sannt Moritzen, Peter, Ulrich, Heiligem Kreutz, Georgen, unnd Sannt Steffan so in meins gnedigen hern von Augspurg spruch gehörn, (welher kirchen halben ains bischoven und rat alhie uffgericht worden, die noch vor äugen) in den übrigen clöstem, kirchen, oder Capellen, die nit in seiner F. G. spruch verwannt sein, endrungen und Ordnungen, zu abwendung des falschen gotsdiensts, furzunemen und zuvolstrecken" (fol. lr/v). Über diese Beschränkung des Reformationsvorhabens vgl. auch StAA, LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 12.7.), fol. lr: Brief Ulrich Rehlingers an Jakob Sturm nach Straßburg, gedruckt in: Winckelmann, Correspondenz II, 195-197, Nr. 197.
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nächst also nur eine rein bürgerschaftliche Reformation vorgenommen werden, wie es schon im ratsinternen Reformationsbeschluß, einige Monate vorher, angedeutet worden war.123 Dann wurden die problematischen Teile dieses Vorhabens angedeutet: Die mögliche Rechtsverpflichtung durch die Zusagen gegenüber dem Kaiser auf dem Reichstag 1530 und der kaiserliche Schutzbrief für das Katharinenkloster. Im Rückgriff auf die offenbar schon mehrmals durch Ulm erfolgte Werbung, Augsburg zum Beitritt für den Schmalkaldischen Bund zu gewinnen, wolle der Rat - so heißt es weiter - um Informationen bitten. Zu diesem Zweck habe man Hagk gesandt, damit er detaillierte Informationen über die Beschaffenheit des Bundes in Erfahrung bringe.'24 Von Bundesseite - und das war maßgeblich von seiten Sachsens - dachte man jedoch momentan nicht an eine Aufnahme Augsburgs in den Bund. Diese außenpolitischen Bemühungen scheiterten nicht zuletzt an den theologischen Anschauungen der Augsburger Ratsprediger, die sich nicht dem an der Wittenberger Theologie ausgerichteten theologischen Konsens der Schmalkaldischen Bundespartner unterwerfen wollten. Trotz der seit 1531 erreichten einheitlichen reformatorischen Predigt in Augsburg125 versuchten die Augsburger u. a. in ihrem Katechismus von 1533 eine Zusammenfassung ihrer Lehre, wobei sie zugleich aufzuzeigen versuchten, daß ihr theologischer Ansatz vom Ansatz Luthers gar nicht so wesentlich abweiche. Dieser Katechismus der Augsburger Prediger provozierte einen Protestbrief Luthers vom 8. August 1533 an den Augsburger Rat,126 worin er deutlich machte, daß die Augsburger Prediger "zwinglisch" lehrten, ihnen das Abendmahl nichts als Brot und Wein bedeute und er durch sie seinen Namen mißbraucht sehe. Dieser Brief wurde den Predigern zugestellt, und der Rat erbat von ihnen eine Gegenäußerung. Die maßgeblich von Bonifaz Wolfart verfaßte Antwort lief darauf hinaus, daß man weder "zwinglisch" noch "lutherisch" sei, sondern eben der heiligen Schrift folge. Im Oktober wurde diese Antwort an den Rat weitergeleitet, der sie ohne Wissen der Prediger mit einem Begleitschreiben am 16. Oktober127 direkt an Luther weiterschickte. Am 29. Oktober schließlich antwortete Luther128 darauf in einem schroffen abweisenden Ton und bezeichnete die Haltung der Prediger als lügenhaft. Aus diesen Vorgängen läßt sich feststellen, daß sich Augsburg jetzt auf den Weg aus der politischen Isolation der vergangenen Jahre gemacht hatte. Von be123 124 125 126
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Vgl. oben: StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 6r. StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 52v-62v. Vgl. oben Kapitel 5.3. StAA, Schätze Nr. la, gedruckt in: WA.B 6, 510ff., Nr. 2041. Zur Darstellung des gesamten, hier im Detail nicht wesentlichen Vorganges vgl. Wolfart, Reformation, 63-67; Roth, Reformationsgeschichte II, 53, 103-106. StAA, EWA-Akten, Nr. 488 (nur Text der Prediger). Das an Luther beigelegte Begleitschreiben des Rates (ohne den Text der Prediger) gedruckt in: WA.B 6, 539f., Nr. 2058. WA.B 6, 547f., Nr. 2064.
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sonderer Bedeutung waren dabei die drei dargestellten politischen Bemühungen, nämlich erstens der Abschluß des Dreistädtebündnisses, zweitens die vorerst zwar unentschiedenen Verhandlungen mit dem Bischof, die aber dennoch den eindeutigen Willen des Rates zeigen, eine kirchenpolitische Position zu beziehen und zu formulieren, sowie drittens das zunächst vergebliche Bemühen um Anschluß an das politische Bündnis der protestierenden Stände. Für den Augenblick war für den Augsburger Rat aber auch eindeutig, daß die außenpolitischen Gegebenheiten noch nicht reif waren, um die Reformation mit geringem politischen Risiko durchzuführen.129
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Städtebündnis LitSlg, 1533, Jan.-Juli (ad 26.5.), fol. 1-11.
9. Das politische Umfeld vor der reichsstädtisch-bürgerschaftlichen Reformation 1534 9.1. Die Klärung der innen- und außenpolitischen Lage 9.1.1. Der Druck von Bevölkerung und Predigern auf den Rat Die unmittelbare Zukunft bestätigte die immer wieder vom Rat geäußerte Befürchtung, daß die Ausübung der altgläubigen Kirchenbräuche den Unfrieden in der Stadt weiter steigern könnte. Die Bürgerschaft, die über das langsame und diplomatisch zurückhaltende Bemühen des Rates in Richtung Reformation entweder gar nicht im Bilde war oder die Zögerlichkeit als Unwillen auslegte und mißbilligte, reagierte sich daher auf ihre Weise an der verhaßten Geistlichkeit und ihren Ritualen ab. So kam es im Mai 1533 in der Kirche St. Moritz zu einem Eklat.' Die zum altgläubigen Kultus gebrauchten Meßutensilien wurden vom neugläubigen Zechpfleger beseitigt und der Geistliche von der Predigt abgehalten. Der altgläubige Patronatsherr Anton Fugger dagegen erneuerte daraufhin alles gottesdienstliche Gerät und sorgte für eine Fortsetzung der altgläubigen Predigttätigkeit. Während des Himmelfahrtsgottesdienstes kam es schließlich zu tätlichen Übergriffen beider Parteien, die zu einer - aufgrund seiner herausragenden gesellschaftlichen Stellung nur milden2 - Bestrafung nur des altgläubigen Anton Fugger führten. Zu einem zweiten Zwischenfall, der dem Rat die revolutionäre Stimmung im Volk demonstrierte, kam es am 17. Juni 1533, als in der Stadtmitte am Perlach ein anonymer Brief aufgefunden wurde.3 In ihm wurde darauf hingewiesen, daß sich 2000 Personen gegen den Rat verschworen hätten, wenn dieser die altgläubigen Pfaffen noch länger dulden würde. 1
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Sender-Chronik, 340-343; Preu-Chronik, 53f.; StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher, Nr. 3, fol. 122r-124v; Wolfart, Reformation, 30f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 120ff.; Broadhead, Politics, 303ff. Der Chronist Georg Preu quittiert diese Sonderbehandlung zynisch mit dem Sprichwort: "dem reichen als dem reichen, dem armen, daß got erbarmen." (Preu-Chronik, 54), wohingegen Sender die Wohltätigkeit des Fugger gegenüber Armen und Kranken als strafmildernden Grund anführt (Sender-Chronik, 343f.). Sender-Chronik, 354f.; Preu-Chronik, 54; Wolfart, Reformation, 41f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 123f.; Broadhead, Politics, 305-307.
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Nachdem sich solche massiven, aber auch weniger spektakuläre, Zwischenfälle im Laufe der Zeit gehäuft hatten, nutzten die Prediger diese Stimmung unter der Bevölkerung nun ganz in ihrem Sinne aus. Sie ergriffen, indem sie den Reformationswillen des Kleinen Rates in Zweifel zogen, selbst die Initiative und wandten sich direkt an den am 17. Oktober 1533 turnusgemäß tagenden Großen Rat, das heißt an die Vertretung der progressiven Bevölkerungsmehrheit.4 Nur einer der Ratsprediger, der gemäßigte Prediger Michael Weinmair, beteiligte sich nicht an dieser Aktion und verständigte die Mitglieder des regierenden Kleinen Rates bzw. Dreizehnerrates. Diese verboten daraufhin den übrigen Predigern aufs Schärfste jede weitere direkte Einmischung in die Politik der Stadt.5
9.1.2. Ratsneuwahlen und -entscheidungen Mit dem Beginn des Jahres 1534 standen am 7. Januar wieder die Bürgermeisterund Ratswahlen an.6 Die Altbürgermeister Ulrich Rehlinger und Mang Seitz wurden durch Hieronymus Imhof und - anstelle des aus Altersgründen von der politischen Bühne abtretenden Georg Vetter - Wolf Rehlinger im Amt ersetzt.7 Damit wurde der seit Jahren praktizierte Turnus zwischen den im Kleinen Rat tonangebenden Persönlichkeiten fortgeführt. Es ist jedoch gerade zu Beginn dieses neuen Jahres zu erkennen, daß die Altbürgermeister als ständige Mitglieder im Kleinen Rat und im Religionsausschuß nichts an ihren Zuständigkeiten einbüßten, sondern ganz im Gegenteil kontinuierlich an der Spitze der politischen Agitatoren blieben. Im Fortgang der Verhandlungen um die Durchsetzung der Reformation traten sie im folgenden Jahr auch bei vielen Aktionen jeweils an der Spitze der Ratsdelegationen in Erscheinung. Der politische Kurs an der Spitze Augsburgs orientierte sich jedenfalls nach wie vor an der persönlichen progressiven Einstellung der Altbürgermeister.
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Rem-Chronik, 307; Roth, Refonnationsgeschichte II, 124; Broadhead, Politics, 43, 219, 222, 306f. Vor solchen Eingriffen der Prediger in die Stadtgeschäfte warnten auch schon die Gegner der Reformation; vgl. oben unter den 22 Punkten den 3. Einwand. Im Februar 1534 trat Peutinger vom Stadtschreiberamt zurück und wurde Anfang März durch den bisherigen Ratskonsulenten Johann Hagk ersetzt. Diese verwaltungspolitische Veränderung, die sich beinahe stillschweigend vollzog, geschah im zeitlichen Zusammenhang mit den im folgenden Abschnitt dargestellten Ereignissen. Dieser personelle Wechsel im wichtigsten permanenten städtischen Amt hatte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die folgenden Ereignisse, aber bewirkte jedoch langfristig spürbare Änderungen. Im Abschnitt über die Peutinger-Biographie (Kapitel 5.2.1.) war davon bereits die Rede. Preu-Chronik, 58; Wolfart, Reformation, 89; Roth, Reformationsgeschichte II, 149f.
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Bei den gleichzeitig stattfindenden Ratsneuwahlen konnten zudem die Reformbefürworter einen Stimmenzuwachs auf Kosten der altgläubigen Ratsherren verbuchen.8 Ausgestattet mit dem inzwischen durch den Religionsausschuß gesammelten Material über das Ausmaß, die Sicherung und den Zeitplan des Reformationsvorhabens und beseelt von dem Willen, die Realisierung des Reformationsprojektes in Angriff zu nehmen, berief die politische Leitung der Stadt den Großen Rat zu einer Sondersitzung ein.9 In der Sitzung am 4. März 1534 wurden zwei Angelegenheiten zur Abstimmung vorgelegt und damit die im Voijahr in die Wege geleiteten Maßnahmen fortgesetzt. Durch die Abstimmungsergebnisse im Großen Rat wurde zum einen dem Kleinen Rat Vollmacht fur die weiteren Verhandlungen mit dem Bischof und Domkapitel erteilt, zum anderen das im Voijahr geschlossene Bündnis mit den Reichsstädten Ulm und Nürnberg ratifiziert. Von hier aus läßt sich direkt an die außenpolitischen Verhältnisse anknüpfen.
9.1.3. Die Auflösung des Schwäbischen Bundes Die verwickelten Verhältnisse, die zum Zerfall des Schwäbischen Bundes führten, müssen hier nicht erörtert werden.10 Für das hier gestellte Thema sind dabei allein zwei Aspekte von zentraler Bedeutung, wobei andere, im Prinzip durchaus wichtige Probleme vernachlässigt werden können. Zu letzteren gehören beispielsweise die Fragen, wie etwa doch noch eine Verlängerung des Schwäbischen Bundes zu erreichen gewesen wäre und zu welchen Bedingungen bzw. zu wessen Vorteil ein neues Bündnis das Machtvakuum wieder auffüllen könnte und zu welcher Lösung die Situation in Württemberg gebracht werden sollte. Zwei Fakten dieses facettenreichen Prozesses sind - wie gesagt - für den hier dargestellten Ereignisablauf allein von Bedeutung. Zum einen: Das Dreistädtebündnis zwischen Ulm, Nürnberg und Augsburg überdauerte das politische Klima allgemeinen Mißtrauens und ging sogar gestärkt daraus hervor.11 Dies galt sowohl auf einer praktischpolitischen12 als auch auf einer ideellen Ebene. So sollte das beinahe freundschaftliche Verhältnis dieser Städte in den kommenden Monaten für Augsburgs 8 9
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Roth, Reformationsgeschichte II, 151. Sender-Chronik, 367; Wolfart, Reformation, 91 f. (der "24. März" als Datum wohl ein Druckfehler; vgl. 92, Anm. 1); Roth, Reformationsgeschichte II, 151-155. Bock, Bund, 217f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 145-147. Allgemein vgl. auch: Wolfart, Reformation, 79-82. Ζ. B. StAA, LitSlg, Nachtrag 1532/36; 1534, Jan.-Mai (ad 3.2.): 'Beschluß der Städtegesandten von Augsburg, Ulm und Nürnberg über verstärkte militärische Hilfe angesichts des endenden Schwäbischen Bundes' bzw. 'Entwurf für eine Erweiterung des Städtebündnisses auf bestimmte militärische Kontingente über den auf dem Nördlinger Bundestag abgestimmt werden soll1. Diese Entwicklungslinie wird im folgenden nicht weiter berücksichtigt.
174 Entscheidung und Rechtfertigung der bürgerschaftlichen Reformation im Rahmen von Konsultationen noch sehr wichtig werden. Zum anderen: Der Schwäbische Bund löste sich selbst auf. Dies geschah am 3. Februar 1534 nach 46 Jahren seines Bestehens aufgrund der unüberwindlichen Gegensätze in der Religionsfrage, die zugleich mit Machtansprüchen gepaart waren.13 Für Augsburg wurde damit die Durchsetzung der bürgerschaftlichen Reformation um ein gutes Stück erleichtert.14
9.1.4. Die Verhandlungen mit dem Bischof Die Voraussetzungen sowohl für die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem Augsburger Bischof und Domkapitel als auch fur ein unnachgiebig forderndes Auftreten der Bürgerschaft in diesen Verhandlungen - nach der bereits erwähnten Sanktionierung der progressiven Religionspolitik durch den Großen Rat - waren durch den Wegfall des Bundes ideal. Der Kleine Rat eröffnete die Unterhandlungen mit den geistlichen Herren am 6. März 1534 erneut mit einer Abordnung, die eine schriftliche Botschaft zu überbringen hatte.15 Mitglieder der Delegation waren die Baumeister Ulrich Rehlinger, Mang Seitz - beide Altbürgermeister - und Simprecht Hoser, drei Zunftmeister und der Ratskonsulent Konrad Hei.16 Der Text des Schreibens wird sehr geschickt mit einer ausfuhrlichen Würdigung der gutnachbarlichen Beziehungen eingeleitet.17 Daran schließt sich eine eindringliche Schilderung der Zwietracht und ständig wachsenden Feindseligkeit zwischen den Anhängern der religiösen Parteien innerhalb der Stadt an, die mit einer Erinnerung der beiderseitigen obrigkeitlichen Verpflichtung 'zur Förderung der göttlichen Ehre, des Friedens, der brüderlichen Liebe und Einigkeit' verknüpft ist. Da aber die Prediger beider Seiten unverrückbar auf ihrer Rechtgläubigkeit beharrten und die Ratsprediger die Möglichkeit zur Rechtfertigung gegenüber der altgläubigen Position lauthals forderten, die Abhaltung eines Konzils aber nicht 13 14 15
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Sender-Chronik, 366; Immenkötter, Kirche II, 20. Vgl. oben unter den 22 Punkten die Bedenken Nr. 7 und 8. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 6.3.) (3 Exemplare); mit kleineren Abweichungen vollständig gedruckt bei: Sender-Chronik, 367-371. Wolfart, Reformation, 92f.; Roth, Reformationsgeschichte, 155f.; Immenkötter, Verantwortung, 87; Broadhead, Politics, 336f. und 339. Ebd. bemerkt Broadhead, daß der Gedanke, eine Disputation zu veranstalten, hier erstmals formuliert worden wäre. Dies ist nicht richtig, denn schon in dem Schreiben des Rates vom 13. Mai 1533 und der darauf erfolgten Antwort des Bischofs und Domkapitels ist ausdrücklich davon die Rede. Diese (oben Kapitel 8.3. ausführlich gewürdigten) Verhandlungen zwischen Rat und Bischof 1533 finden bei Broadhead gar keine Beachtung. Sender-Chronik, 367. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 6.3.) (1. Exemplar), fol. lr-2r; Sender-Chronik, 367f. Vgl. dazu unter den 22 Punkten besonders den 6. Einwand gegen die Reformation.
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absehbar sei, sehe der Rat das einzige Mittel zur Beilegung des innerstädtischen Konfliktes in einem Religionsgespräch.18 Diese Disputation solle unter der Beteiligung einer gleichen Anzahl von Ratspredigern und Predigern des Bischofs stattfinden, wobei die Teilnehmer das Ziel einer Einigung nicht aus den Augen verlieren dürften. Alleinige Entscheidungsgrundlage für die angestrebte Einigung beider Parteien in Augsburg, die bis zum allgemeinen Konzil Gültigkeit haben solle, solle die heilige Schrift sein. Von der Bereitschaft der Prädikanten zur Gesprächsteilnahme habe der Rat bereits Kenntnis, und er hoffe, daß auch der Bischof mit seinen Predigern und Theologen zusagen werde, um das Ziel eines einträchtigen Zusammenlebens innerhalb der Stadt zu erreichen. Da der Rat nicht mit einer Absage des Bischofs rechne, bitte er bald um schriftliche Antwort. Trotz der schmeichelnden äußeren Form, in die das Begehren des Rates gekleidet war, war die Unnachgiebigkeit der darin enthaltenen Forderung nicht zu übersehen. Der Rat knüpfte an seine Forderung nach einer Disputation aus den Verhandlungen mit dem Bischof im Vorjahr19 wieder an, mit dem erheblichen Unterschied, daß man inzwischen die grundsätzliche Berechtigung zur Einmischung in das religiöse Leben der gesamten Bürgerschaft nicht mehr ausgiebig darzulegen und verständlich zu machen versuchte, sondern dies als selbstverständlich voraussetzte. Dies geschah darüber hinaus in dem Bewußtsein, daß der Rat, indem er allein auf der Forderung nach einem Gespräch beharrte, die Verantwortung für den desolaten Zustand in der Stadt auf den Bischof und seinen Klerus abwälzen konnte. Nachdem dieser erste Schritt getan war, nahmen die beiden Verhandlungsparteien, um Ratschläge einzuholen, was weiter zu tun sei bzw. wie man weiterhin reagieren solle, Kontakte mit Reichsständen auf, die kirchenpolitisch jeweils vergleichbare Interessen verfolgten. Der Augsburger Rat sandte also am 12. März Kopien des an den Bischof adressierten Schreibens mit der Bitte um Kommentierung an die Geheimen Räte von Ulm und Nürnberg.20 Darin wurden die beiden Städte über das "bescheidene, friedliche und notwendige Anbringen" der Augsburger gegenüber dem Bischof in Kenntnis gesetzt und um ideellen Beistand gebeten. Ausdrücklich ist auch hierin wieder vom geplanten Ausmaß des Reformationsvorhabens die Rede, den altgläubigen Kultus im Dom und den übrigen "bischöflichen" Kirchen zu dulden.21 18
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StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 6.3.) (1. Exemplar), fol. 3r-4v; vgl. Sender-Chronik, 369371. Vgl. dazu unter den 22 Punkten besonders die 4. Widerlegung. Vgl. oben Kapitel 8.3. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 12.3.); größtenteils gedruckt in: Wolfart, Reformation, 144146, Beilage IX. Wolfart, Reformation, 94; Roth, Reformationsgeschichte II, 215; Broadhead, Politics, 339. "... die gevarlich und untreglich Spaltung der widerwertigen predigen ußzureuten, desgleichen die messen allain in den klainen kirchen usserhalben der hohen und nidern stift, und der prelaten clöster unnd die zechen in den pfarren alhie anzustellen, also das die Gaistlichen zu unser frauen, Sanct Moritzen, Sanct peter, sanct Ulrich, zum heiligen Kreutz, zu Sanct Geor-
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Es wurde weiter der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß die Geistlichen in die Forderung nach einer Disputation einwilligen, denn schließlich würden sie andernfalls in bezug auf sich selbst mehr aufs Spiel setzen, als sie der Stadt Schaden zufügen würden.22 Die Reaktion der beiden angeschriebenen Städte fiel jedoch teilweise unerwartet aus. Während die Ulmer23 wenige Tage später in geradezu überschwenglicher Vertrautheit ihren Beifall zu den Formulierungen der Augsburger Absichten gegenüber dem Bischof bekundeten und ihre Hilfestellung zusicherten, reagierten die Nürnberger24 ebenfalls am 16. März 1534 in ganz anderem Ton. Sie erinnerten den Augsburger Rat eindringlich und in wenig schmeichelhafter Formulierung an das unsichere Rechtsfundament für den Fall, daß man die eigene Obrigkeitsbasis auf Kosten der des Bischofs auszubauen gedachte.25 Darüber hinaus gaben die Nürnberger zu bedenken, daß der Moment für ein solches Unterfangen ungünstig gewählt sei. Auch dürften die Augsburger bei den geplanten Maßnahmen nicht das Nürnberger Vorbild vor Augen haben, denn die Verhältnisse und Voraussetzungen in Nürnberg wären seinerzeit andere gewesen.26 Die Nürnberger bezweifelten somit, daß die Augsburger durch ihr Vorhaben den erhofften Frieden erreichen könnten. Dann betonten sie, daß sie ihre Skepsis nur in bester freundschaftlicher Absicht geäußert hätten und zu ihrem Bedauern aufgrund der momentan unabsehbaren Folgen keinen anderen Ratschlag erteilen könnten. Denn einer noch eindringlicheren Warnung werde man in Augsburg keine Beachtung schenken, eine Ermunterung zur Durchführung des Vorhabens könne man aber aus Nürnberger Sicht nicht verantworten. Die Augsburger quittierten
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gen, Sanct Steffan und Sanct Ursula an iren Messen, Biltnußen und Ceremonien unverhinndert wol pleiben mögen" (fol. 1 bzw. Wolfart, Reformation, 144f.). Vgl. dazu auch unter den 22 Punkten die 1. Widerlegung. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 16.3.); gedruckt bei: Wolfart, Reformation, 146-147, Beilage X. Wolfart, Reformation, 94; Roth, Reformationsgeschichte II, 215; Broadhead, Politics, 339. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 16.3.); gedruckt bei: Wolfart, Reformation, 147-150, Beilage XI. Wolfart, Reformation, 94; Roth, Reformationsgeschichte II, 215; Broadhead, Politics, 339f.; Schmidt, Haltung, 219. Dies wäre nicht nur bei einer gesamtstädtischen Reformation der Fall, sondern bereits im Rahmen der Maßnahmen von 1534. Die zu diesem Zeitpunkt geforderte Abschaffung der Predigt - trotz Beibehaltung der Messe usw. - stellte schon einen Eingriff in die Obrigkeitsrechte des Bischofs dar. Diese Warnung begegnete auch schon in der Augsburg-internen Diskussion, vgl. unter den 22 Punkten den 18. Einwand. Die Äußerungen Nürnbergs stehen allerdings in direktem Zusammenhang mit der fur die Reichsstadt Nürnberg aktuellen politischen Krise im Kontext fränkischer Territorialverhältnisse; vgl. die präzise Darstellung der Sachlage bei: Schmidt, Haltung, 219ff.
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die Nürnberger Vorbehalte mit äußerstem Unwillen in einem Brief vom 22. März.27 Der Bischof und seine Geistlichkeit dagegen hatten in Erwartung der Ratsforderung nach einer Disputation bereits Fühlung mit dem benachbarten Bayern aufgenommen und ließen sich, nachdem die Übergabe der Ratsforderung erfolgt war, in München von den Herzögen und ihrem Kanzler Leonhard von Eck über die Formulierung einer geeigneten Reaktion beraten. Die daraus resultierende, schriftlich ausgearbeitete Antwort wurde durch eine bischöfliche Delegation am 24. März dem Rat übergeben.28 Nach einer Versicherungserklärung, sich ebenso wie der Rat für ein friedliches nachbarschaftliches Verhältnis einsetzen zu wollen, wird die historische Bedeutung des bischöflichen Hofes fur die Stadt rekapituliert und natürlich positiv gewürdigt.29 Zu der vorgeschlagenen Disputation erklärte man sich zwar nach wie vor bereit30, den effektiven Nutzen und die praktische Umsetzbarkeit einer solchen Veranstaltung zog man jedoch aus mehreren schwerwiegenden Gründen absolut in Zweifel.31 Vielmehr solle den Ratspredigern ein maßvolles öffentliches Auftreten auferlegt werden. Mit der Aufzählung einzelner Teilnahmebedingungen für ein Religionsgespräch schließt das Dokument.32
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StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 22.3.); gedruckt bei: Wolfart, Reformation, 150-153, Beilage XII. Wolfart, Reformation, 94f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 215; Broadhead, Politics, 34 If. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 24.3.) (3 Abschriften); Selekt "Wiedertaeufer & Religionsacten" (ad Religiosa); gedruckt bei: Sender-Chronik, 371-378. Wolfart, Reformation, 95f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 157ff.; Broadhead, Politics, 337. Vgl. oben unter den 22 Punkten den aus Peutingers Gutachten formulierten 1. und 6. Einwand gegen die Reformation. Vgl. schon die Antwort des Bischofs und Domkapitels vom Mai 1533, wo auch schon diese Gedankenführung - abgesehen von kleineren Details - vorhanden ist. Die wichtigsten waren: Die Ratsprediger seien untereinander uneinig. - Wer könne als Richter von beiden Seiten anerkannt werden? - Es sei nicht diskutabel, die Lehren und Gesetze der ganzen christlichen Kirche zugunsten der Entscheidung eines Religionsgespräches einiger Prediger in Zweifel zu ziehen. Diese enthalten eine Aufzählung des Personenkreises, der alternativ für die Funktion des Richters über das Ergebnis der Disputation in Frage kommt: der Bischof von Augsburg, der von Freising oder von Eichstätt, die Universitäten Ingolstadt, Tübingen oder Freiburg, der Kaiser, König oder die Herzöge von Bayern; vgl. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 24.3.) (1. Abschrift), fol. 5v (Sender-Chronik, 377).
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9.2. Die Begutachtung der reichsstädtischen Position gegenüber dem Bischof 9.2.1. Die zusätzlichen Gutachten von Langnauer und Peutinger Nach dem Empfang dieser Antwort des Bischofs entschied sich der Religionsausschuß der Stadt ein weiteres Mal, die Ratskonsulenten Balthasar Langnauer und Konrad Peutinger um eine Stellungnahme zu ersuchen.33 Nach den bisher eingeholten Gutachten dieser beiden Ratskonsulenten hatte man also je eine Stellungnahme zu einer der beiden religionspolitischen Positionen zu erwarten. Wie aus diesen beiden Stellungnahmen zu erfahren ist,34 wurden den Gutachtern sowohl das letzte Schreiben des Rates als auch die jüngste Antwort des Bischofs beigelegt. Langnauer gibt in seinem Gutachten35 zunächst den grundsätzlichen Ratschlag, sich bei einer Antwort dem Bischof gegenüber nicht schriftlich festzulegen, da man dadurch gezwungen wäre, auch zu weltlichen und die Verwaltung betreffenden Punkten Stellung zu nehmen.36 Dadurch würde man sich unnötig auf eine sehr unsichere Rechtsbasis begeben. Dies sei auch dadurch gerechtfertigt, daß es dem Rat doch nur um eine gottgefällige Lösung der anstehenden Probleme gehe. Auf dieser rein religiösen Ebene sei allerdings im bischöflichen Schreiben die Parteilichkeit des Bischofs offenkundig geworden. Somit sei der Rat der Stadt gut beraten, nur folgende Punkte in mündlicher Form zur Sprache zu bringen: 1) Der Rat müsse deutlich machen, daß sein Handeln allein von dem Motiv bestimmt sei, Frieden, Ruhe und Einigkeit in der Stadt zu fördern, und diesem - einer christlichen Obrigkeit von Amts wegen auferlegten Ziel solle sich auch der Bischof mit gleichem Eifer, wie es der Rat der Stadt tue, widmen.37 2) Über die Anspielungen auf die historischen Verdienste der Augsburger Bischöfe hinsichtlich des Steuer-, Spital- und Armenwesens solle einfach hinweggegangen werden, da sie für die aktuellen Probleme nicht von Belang seien.38
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Wolfart, Reformation, 97; Roth, Reformationsgeschichte II, 159. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23, fol. lr (2r); Nr. 14, fol. lr. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23 (2 Fassungen ineinander); Wolfart, Reformation, 4649. Im bischöflichen Schreiben (siehe oben) wurden angesprochen: die geistlichen und weltlichen Gesetze, die bischöflichen Rechte aus altem Herkommen bzw. gemäß bestehender Verträge und gültige Konzilsentscheidungen. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23, fol. 3r (6r). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23, fol. 3r/v (6r).
179 3) Das Disputationsangebot unter den im bischöflichen Schreiben genannten Bedingungen solle mit einem Ausdruck des Dankes angenommen und die Festsetzung eines Termins dem Bischof überlassen werden.39 4) Ob die Disputation tatsächlich und in der vom Rat beabsichtigten Art und Weise stattfinden werde, sei zweifelhaft. Die im päpstlichen Gehorsam wurzelnde Parteilichkeit des Bischofs mache es außerdem unmöglich, ihn als Richter (ordinarius) anzuerkennen.40 5) Der Verlauf des Religionsgespräches müsse von je einem Notar jeder Partei protokolliert werden.4' Mit diesen Vorschlägen gab der Ratskonsulent Langnauer dem Rat der Stadt das Werkzeug fur ein berechnendes Vorgehen gegenüber dem Bischof in die Hand: Unter der Fassade völliger Übereinstimmung wurde der Bischof auf sein vielleicht in der Hoffnung auf Ablehnung gegebenes - Angebot gnadenlos festgelegt. Das Gutachten Peutingers42 hat - wie schon sein Gutachten aus dem Vorjahr einen größeren Umfang und setzt sich mit grundsätzlicheren Fragen und Zusammenhängen auseinander. Außerdem füllen das Gutachten wiederum einige literarische Anspielungen und Zitate.43 Peutinger strukturiert die einzelnen Punkte seiner Stellungnahme, indem er die ihm zur Hand gegebenen Schreiben des Rates vom 6. März 1534 und des Bischofs vom 24. März 1534 nach und nach durchgeht: 1) Der Rat habe betont, daß man den Bischof und das Domkapitel bisher von allen bürgerlichen Pflichten frei in der Stadt habe wohnen lassen. Dafür hätten sich Bischof und Domkapitel in ihrer Antwort ausdrücklich bedankt. Das Thema bürgerlicher Rechte und Pflichten von Bischof und Domkapitel habe jedoch mit dem Ansinnen des Rates direkt nichts zu tun und überschreite die obrigkeitlichen Kompetenzen des Rates eindeutig.44 2) Bezüglich ihrer Freiheitsrechte würden sich Bischof und Domkapitel in ihrem Schreiben nicht nur auf geistliche, sondern auch auf weltliche Gesetze berufen. Wie an mehreren Beispielen gezeigt, sei die Geistlichkeit gegenüber weltlicher Gerichtsbarkeit frei.45 39 40 41 42
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23, fol. 3v-4v (6v). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23, fol. 4v (7r/v). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23, fol. 4v-5r (7v). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14; Wolfart, Reformation, 46-49; Broadhead, Politics, 342f. Sallust; kaiserliches Recht; Zitate aus den mitgeschickten Schreiben vom 6. und 24. März 1534; Reichsabschiede; alt- und neutestamentliche Stellen. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 2v; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. lr (Sender-Chronik, 372). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 3r-4v; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. lr (Sender-Chronik, 372).
180 3) Weiterhin hätten Bischof und Domkapitel darauf hingewiesen, daß sie trotz der nicht bestehenden Verpflichtungen stets bürgerliche Pflichten geleistet hätten.46 4) Auch würde die vom Bischof dem Schwäbischen Bund geleistete Hilfe extra betont; die Bürgerschaft habe allerdings mehr geleistet als ihr zuzumuten gewesen wäre.47 5) Dann berufe sich der Bischof auf die für die Stadt so nützliche Erhebung eines Ungelts durch die früheren Bischöfe; auch dieses Argument ziehe aber nicht, da das z.Zt. erhobene Ungelt ein kaiserliches Privileg fur die Stadt sei.48 6) Ferner würde betont, welche segensreiche Stiftungen im Spital und Armenwesen durch Bischof und Domkapitel erfolgt seien; dagegen sei aber einzuwenden, daß ein Beleg dafür in Form der Stiftungsurkunde des Spitals nicht vorliege; es stehe dagegen fest, daß die Bürger mindestens ebenso viel gestiftet hätten wie der Klerus.49 7) Ebenso sei davon die Rede, daß Bischof und Domkapitel in den schlechten Jahren auch von ihrem Getreide der Stadt abgegeben hätten, dennoch sei aber der Reichtum des Klerus beachtlich. Diesen Reichtum dürfe man allerdings dem Klerus nicht neiden, sondern müsse die eigene Last der Not geduldig tragen.50 8) Der Rat solle sich auf das im bischöflichen Schreiben wieder angesprochene Angebot zu einer Disputation nicht einlassen, sondern die Angelegenheit auf sich beruhen lassen und so möglichen weiteren Schaden von der Stadt abwenden.51 9) Der Ansicht von Bischof und Domkapitel, daß erst aufgrund der Neuerungen im Glauben im ganzen Reich Zwiespalt und Aufruhr entstanden seien, könne er sich nur anschließen, denn das Reichsregiment und der Kaiser seien auf allen Reichstagen der 1520er Jahre um Einigung und Frieden bemüht gewesen. Bei verschiedenen Reichstagen sei man schließlich so verblieben, daß man um des Friedens willen auf eine Konzilsentscheidung warte. Auch
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 4v; in Auseinandersetzung mit: Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. lr (Sender-Chronik, 372). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 4v; in Auseinandersetzung mit: Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. lr/v (Sender-Chronik, 372). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 4v-5r; in Auseinandersetzung mit: Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. lv (Sender-Chronik, 372). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 5r/v; in Auseinandersetzung mit: Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. lv (Sender-Chronik, 372). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 5v; in Auseinandersetzung mit: Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. lv (Sender-Chronik, 372). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 5v-6r; in Auseinandersetzung mit: Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 2r (Sender-Chronik, 373).
LitSlg, 1534, LitSlg, 1534, LitSlg, 1534, LitSlg, 1534, LitSlg, 1534, LitSlg, 1534,
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Augsburg hätte die angesprochenen Reichsabschiede mitunterzeichnet und damit bewilligt bzw. dem Kaiser verpflichtende Zusagen gemacht.52 10) Die im bischöflichen Schreiben formulierten Zweifel am Nutzen der Disputation, weil dadurch wohl doch keine Einigung erzielt werde, könne er nur teilen.53 11) Das angesprochene Problem, wie über die Auslegung des Gotteswortes mit beiderseitiger Anerkennung gerichtet werden könne, ließe sich in der Tat nur lösen, indem man auf ein allgemeines christliches Konzil oder eine Nationalversammlung warte und sich gedulde, wie es auch der Kaiser und die Reichsstände halten.54 12) Aufgrund der angedeuteten Probleme, die aus gescheiterten Religionsgesprächen erwachsen, könne es - wie schon oben bemerkt - gar nicht im Sinne des Rates sein, ein solches zu veranstalten; vielmehr gehe das Problem der religiösen Spaltung die ganze Christenheit an und könne nicht ohne Schaden im Alleingang gelöst werden.55 13) Korrekterweise berufe sich das bischöfliche Schreiben zudem auch auf die geistlichen und kaiserlichen Rechtsverordnungen, in denen es verboten ist, einmal gefaßte Konzilsbeschlüsse im Alleingang umzustoßen.56 14) Dem Ergebnis einer Disputation nur einiger Prediger könne man sich als verantwortungsbewußter Christ bzw. verantwortungsbewußte christliche Obrigkeit nicht anschließen; diese vom Bischof geäußerte Auffassung könne er nur unterstützen, denn er habe als warnendes Beispiel für den Versuch, einen Sonderweg zu beschreiten, die schroffe Zurückweisung der Tetrapolitana auf dem Augsburger Reichstag in Erinnerung.57 15) Ohne Zweifel werde auch nur eine von Polemik und Schmähungen freie Predigttätigkeit der Prädikanten zum Frieden in der Stadt beitragen; wie in anderen Städten solle eine diesbezügliche städtische Verordnung veröffentlicht werden.58
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 6r-9r; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 2v-3r (Sender-Chronik, 373f.). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 9v; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 3r (Sender-Chronik, 374). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 9v-10r; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 3v (Sender-Chronik, 375). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. lOr; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 4r (Sender-Chronik, 375). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. lOr/v; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 4r/v (Sender-Chronik, 375f.). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. llr; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 4v-5r (Sender-Chronik, 376). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. llr; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 5r (Sender-Chronik, 376f.).
1534, 1534, 1534, 1534, 1534, 1534, 1534,
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16) Vor einer Disputation mit dem Kaiser oder König als Schiedsrichter könne er nur warnen, da man sich dadurch nur das Mißfallen der Reichsgewalten bzw. anderer Reichsstände zuziehe.59 Peutinger kommt bezeichnenderweise bei einer Reihe von Argumenten dem Bischof weit mehr entgegen als dem Rat.60 Außerdem fällt bei seiner Bewertung der Aussagekraft und Berechtigung der bischöflichen Argumente sein Urteil sehr differenziert aus. Einige jedoch enttarnt er auch als reine Scheinargumente,6' anderen wiederum gesteht er ihren Wert voll zu. Hieran knüpft er auch seinen Appell an den Rat, sich durch Gehorsam das Wohlwollen der kaiserlichen Gewalt zu erhalten, den er mit historischen Beispielen über Abfall und Strafe bzw. Treue und Gunst in der Beziehung zwischen den Kaisern des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts und der Reichsstadt Augsburg belegt.62 Die abschließende Wiedergabe von Mahnung und Warnung vor eigenmächtigem Handeln durch den bayerischen Kanzler Eck, den Nürnberger Ratsherren Kress und den Augsburger Bischof53 stützt Peutinger mit einer stattlichen Reihe neutestamentlicher Belege.64 Somit ist Peutingers Gutachten einerseits wiederum ein Beleg für die ihm eigene sehr gründliche und kritische Auseinandersetzung mit den grundsätzlichen politischen Fragen, andererseits wird aber auch erneut deutlich, daß Peutinger die Vorzeichen der Zeit und die Intentionen, mit denen er zur Stellungnahme aufgefordert wurde, entweder nicht erkannt oder schlichtweg ignoriert hat. So geht das innerhalb der Argumente wiederholt und betont geäußerte Bemühen, die Unrechtmäßigkeit eines allein für Augsburg zu veranstaltenden Religionsgespräches nachzuweisen und stattdessen auf ein allgemeines Konzil zu vertrösten,65 an den Zielsetzungen der aktuellen Stadtpolitik weit vorbei.66
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Als Vorbild verweist Peutinger an dieser Stelle des Gutachtens besonders auf die entsprechenden Lehrregelungen in der Brandenburg-Nürnbergischen Kirchenordnung von 1533 (vgl. Sehling, Kirchenordnungen XI/1, bes. 141-144). StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. l l v ; in Auseinandersetzung mit: LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad. 24.3.) (1. Abschrift), fol. 5r/v (Sender-Chronik, 377). Vgl. die Argumente Nr. 1, 3, 9, 10 und 19. Etwa die Argumente Nr. 4, 5 und 6. Im negativen Urteil über diese Argumente bringt Peutinger auch seine Kleruskritik an. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 12r. Zu Eck vgl. die Mitwirkung am bischöflichen Schreiben vom 24. März des Jahres. Zu Kress vgl. den Hinweis auf die mündliche Mahnung zur Zurückhaltung im Brief vom 16. März des Jahres (siehe oben). Zu Bischof/Domkapitel vgl. den gesamten im vorliegenden Kapitel dargestellten Schriftwechsel. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 12r-15r. Vgl. die Argumente Nr. 8-14 und 16. Die Bearbeitung dieses Gutachtenauftrages war eine von Peutingers letzten Amtshandlungen (siehe oben Kapitel 5.2.1.). Mit der Ernennung seines Nachfolgers Johann Hagk hatte die Reichsstadt einen religionspolitisch linientreuen Juristen in das höchste Verwaltungsamt berufen, der sich auch in den vergangenen Jahren schon bewährt hatte. Grundsätzlich läßt sich bei der Stadtfuhrung gegenüber allen städtischen Juristen ein gewisser Vorbehalt erkennen, der in der Sorge gründete, daß diese auf die reichsstädtische Politik zu sehr Einfluß nehmen
183
9.2.2. Der Plan eines Augsburger Religionsgespräches Der Gedanke
an die Veranstaltung
eines Religionsgespräches 6 7
in
Augsburg
k o m m t in diesen beiden Gutachten u m f a s s e n d und klar z u m A u s d r u c k . D a h e r bietet sich an dieser Stelle eine Unterbrechung der c h r o n o l o g i s c h e n B e s c h r e i b u n g zugunsten einer genaueren Darstellung des A u g s b u r g e r Disputationsplanes an. Dabei werden neben den Gutachten a u c h Quellen zur S p r a c h e k o m m e n , die ihrer G e n e s e n a c h zu d i e s e m Zeitpunkt schon v o r l a g e n und bereits im K o n t e x t der Ereignisse dargestellt wurden. A b e r a u c h T e x t e , die erst in der F o l g e z e i t entstanden sind und d e m e n t s p r e c h e n d weiter unten im Z u s a m m e n h a n g ihrer Entstehung vertieft werden, sollen hier im Hinblick a u f ihre Z u o r d n u n g z u m R e l i g i o n s g e s p r ä c h berücksichtigt werden. Peutinger zählt in seinem Gutachten ausdrücklich eine R e i h e v o n theologischen und kirchenpolitischen Gesprächsveranstaltungen der j ü n g e r e n und j ü n g sten V e r g a n g e n h e i t auf: 6 8 Z u n ä c h s t nennt er die Disputation in L e i p z i g 1 5 1 9 , dann die G l a u b e n s g e s p r ä c h e in Z ü r i c h 1 5 2 3 , B a d e n im A a r g a u 1 5 2 6 und B e r n
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und als letztes den A u g s b u r g e r R e i c h s t a g 1 5 3 0 6 9 . D a es sich bei der L e i p z i g e r
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und gleichzeitig in ihrer Loyalität nicht über jeden Zweifel erhaben sein könnten. Deshalb versuchte die Stadtführung den Einfluß der Juristen restriktiv zu handhaben. Vgl. dazu die folgenden Quellenbelege: StAA, Ratsbücher Nr. 16, fol. 95r (ad 18.7.1534): "Uff 18. tag Julij anno xxxiiij hat ain erber rat die erkanntnus das hinfuro die doctores, so sie im Rath mit ire ratschlegen gehört werden, von stund an außtreten und nit bei der umbfrag sein, nochbleiben sollen, widerumb ernewert, und von Newem erkennt." StAA, Reichsstadt, Geh. Ratsbücher Nr. 6: "(pag. 228) Actum 17. tag Decembris / Hanns Riblinger [wohl nicht der "Doctor Johann Rechlinger"!] pleibt draussen / Doctor Hael sei Rö. Kai. und Kn. Mt. Rat vor lanngst gewesen / Doctor Peutinger: Er sei Rö. Kay. Mt. Rath unnd sonnst niemant verpflicht, dann ainem Rat alhie / Doctor Ulstat: Er hat kain diennst gelt von niemants etc. / (pag. 229) (Doctores:) Uff disen tag ist den hievorgemelt doctom angesagt, unnd beuolhen worden, das sie hinfuro von ainichem herrn, one ains Erbem Rats wissen und willen, ainichen diennst annemen, noch sich mit pflichten einlassen sollen noch wollen." Die angegebene Quellennotiz stammt zwar erst aus dem Jahr 1541, bezieht sich aber auf Sachverhalte, die bereits in den 1530er Jahren aktuell waren (vgl. Roth, Reformationsgeschichte III, 57, Anm. 42). Grundlegend und zum aktuellen Forschungsstand über die reichsstädtischen "Reformationsgespräche": Dingel, Art. Religionsgespräche IV, bes. 656ff. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. 1 Or: " . . . ,wo ain gespreche gehalten und die predicanten sich nit [verainigten], was verfall daraus zu letzt volgen wurde, benennen die geschicken der disputation zu Leipstzig, Zurch, Baden, Bern, des gleichen alhie auf gehalten reichstag, ..."; weiter unten im Peutinger-Gutachten kommen noch Marburg und Straßburg ohne nähere Ausführungen zur Sprache (fol. 1 lv). Gemeint ist hier wohl die öffentliche Verlesung des Augsburger Bekenntnisses am 25.6.1530 sowie die sich anschließenden Ausgleichsversuche in der Religionsfrage. Die Aufzählung speziell dieser Disputationen übernahm Peutinger aus dem ihm vorliegenden bischöflichen Schreiben; vgl. oben: StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 24.3.), fol. 4r (gedruckt: Sender-Chronik, 375). Davor findet sich ein diesbezüglicher Hinweis schon in einem
184 Disputation um eine in mittelalterlicher Tradition stehende akademische Veranstaltung, bei der Bekenntnisverlesung in Augsburg um einen Akt im Verlauf des Reichstagsgeschehens handelt, können aufgrund bestimmter Gattungskriterien 70 nur die drei Disputationen von Zürich, Baden und Bern mit dem geplanten Augsburger Unternehmen, auf das das Peutinger-Gutachten ausgerichtet ist, verglichen werden. Demnach bleibt zu untersuchen, ob das geplante Augsburger Religionsgespräch in der Tradition der von Zwingli veranstalteten Disputationen steht.71 Nachweislich wird der Gedanke einer in Augsburg abzuhaltenden Disputation erstmals in dem Eingabeschreiben der evangelischen Prediger an den Rat v o m Januar 1533 - als öffentlich geäußertes und stadtpolitisch relevantes Anliegen - artikuliert. 72 Nicht zufällig sind es die in ihrer theologischen Ausbildung von Bucer geprägten Prädikanten, die diesen Vorschlag dem Augsburger Rat unterbreiteten. 73 In der 22 Argumente umfassenden Zusammenstellung des Für und Wider einer Reformation in Augsburg taucht der Disputationsplan einige Monate später wieder auf, wobei er aus dem Obergutachten des Predigers Musculus entnommen wurde und auf der Seite der Widerlegungen der Einwände gegen eine Reformati-
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früheren bischöflichen Schreiben: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr.8, fol. lr/v (gedruckt: Sender-Chronik, 351). Grundlegend dargestellt in einem zweiteiligen Aufsatz Bernd Moellers. Zu den genannten Disputationen: Zürich (Moeller, Disputationen I, 275-325), Baden (Moeller, Disputationen II, 272-283) und Bern (Ebd., 289-302); die Gattungskriterien griffig zusammengefaßt (Ebd., 215): 1. "Form der Disputation"; 2. "politische Instanzen als Veranstalter"; 3. "das Schriftprinzip als Maßstab"; 4. "direkte oder indirekte rechtliche Konsequenzen". Vgl. auch: Hollerbach, Religionsgespräch, 35ff. Moeller, Disputationen II, 335-339. Zur Augsburger reformationsgeschichtlichen Stellung der Predigereingabe vgl. oben Kapitel 6.1.
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"Daz aber ir leer und verwendter gotzdienst wider got und sein heiligs wort sey, wissen wir mit der hilf gottes aus hailiger schrift beyzebringen und zuerweisen, wie wir uns selbs gegen dem prediger zu unser frauen erstmalen schriftlich und auch nachmalls mit gegenwirtiger haimsuechung erboten und begert haben, aber weder schriftlich noch muntlich antwurt, verhöer oder Zulassung erlangt, das er villeicht im bewust, dieweil er das liecht also scheuchet, wie sein leer und der ganz lesterlich handel mit gotlicher schrift nit mag vertedigt oder erhalten, sonder leichtlich überwunden und umbgestossen werden, weliches wir auch zethun, so es euer e. w. von uns erforderet, urbittig sind, und was wir bisher geprediget und gelert, aus hailiger schrift zuerhalten, schützen und schürmen." StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 2v; gedruckt in: Wolfart, Reformation, 129, Beilage I. Obwohl auch Moeller, Disputationen II, 336 mit diesem Dokument zur Frage der Augsburger Disputation einsetzt, erwähnt er gerade nicht, daß darin (a) ausdrücklich erstmals der Vorschlag ftir ein Gespräch anklingt und (b) Bezug genommen wird auf Augsburger Streitigkeiten unter den Predigern aus den 20er Jahren, die gemäß ihrer Intention auch schon an ein Religionsgespräch denken ließen (vgl. oben Kapitel 3.1.1.). Außerdem wurde bereits im Februar 1531 unter der Aufsicht des Augsburger Rates und mit indirekten Rechtsfolgen eine Disputation unter den verschieden lehrenden evangelischen Ratspredigern durchgeführt; vgl. dazu Kapitel 5.3. Zur Schlüsselrolle Bucers und der Ausstrahlung des Straßburger Disputationsvorbildes vgl. Moeller, Disputationen II, 351f. und 218-226.
185 on auftaucht. 74 In der - im folgenden Abschnitt dieses Kapitels behandelten zweiten Runde der Verhandlungen mit dem Bischof im Frühjahr 1534 wurden die Formalitäten der geplanten Disputation, soweit sie in den beiden vorangegangenen Gutachten, und besonders in dem von Langnauer, schon festgelegt worden waren, noch einmal eingehend diskutiert. Folgende Maßgaben zur Abhaltung des Religionsgespräches waren im Frühjahr 1534 Verhandlungsgegenstand, wobei anschließend von Punkt zu Punkt nur die weiter ins Detail gehenden Bestimmungen zusammengestellt sind: 1. Die heilige Schrift dient als Maßstab und ein Vergleich soll durch einen (dazu autorisierten!) Richter herbeigeführt werden. 75 2. Eine gleiche Anzahl von Prädikanten soll auf beiden Seiten disputieren; die heilige Schrift dient als Maßstab und die Vereinigung soll durch den guten Willen der Disputanten und das Wirken des heiligen Geistes herbeigeführt werden. Der Gedanke an einen beisitzenden Veranstalter tritt zurück, so daß nur von einer reinen "predicanten versamlung" 76 die Rede ist. Eine endgültig e Entscheidung bleibt dem erwarteten freien und allgemeinen Konzil vorbehalten. 77 3. D e m Zweifel am Erfolg der Vergleichung der Disputanten untereinander soll durch die Einsetzung eines Richters - und zwar nur aus dem Kreis alt-
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Auch war wohl Wolfgang Musculus schon bei der Abfassung der Eingabe der Prädikanten der dominierendste unter den Ratspredigem. Vgl. die tabellarische Übersicht über die 22 Einwände und Widerlegungen (4. Widerlegung) oben Kapitel 8.2. Rat an Bischof/Domkapitel 13.3.1533; darauf folgend: Bischof/Domkapitel an Rat: "... die [artickel] mit guttem grund biblischer schrifft und dem wort gottes zu verandtwurten, wa wir uns zuvor ains richters, der uns nach der verhöre und disputacion, welcher seiner sach fug und das wort gottes recht verstend und interpretierte, entschiden solte, vergleichen wurden." Vgl. Sender-Chronik, 351 (hier und in den folgenden Fußnoten dieses Abschnittes wurde auf die archivalische Quellenangabe verzichtet, da diese ausführlich im chronologischen Kontext belegt ist). Vgl. Sender-Chronik, 371. Rat an Bischof/Domkapitel 6.3.1534: "... das e.g. und gunsten und unserer herm, ains erbaren rats, predicanten in gleicher anzall [in] cristenlicher bescheidenhait, bruderlicher lieb und höchster begird des fridens und der ainigkait zusamenkomen, die strittigen, zwispaltigen artickel der religion unverzogenlich fur die hand nemen und dieselbigen durch die hailige, götlich, unfellig gschrifft mit vorgeender andechtiger anrieffung der gnad des hailigen gaists und rechts, lautteren Verstands erwegen und erürteren, also hierin ainander cristenlich, brüderlich und fridlich erinnern, berichten und weisen sollen, daraus sich alsdann mit der gnad gottes grundlich, ainheligklich und unzweiffenlich erfinden [ließ], was got dem almechtigen gefellig oder mißfellig, was auch der seelen hail fürderlich oder verhinderlich ist, und das fürohin bis auff das vil vertröst frei, gemein, cristenlich concilium oder ain national- oder andere besundere cristenliche versamlung und erorterung zu predigen und zu leren sein wirdt." SenderChronik, 370. Vgl. dazu auch im Peutinger-Gutachten (StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14), fol. 9v-10r.
186 gläubiger Autoritäten - , auch fur die nur bis zum freien und allgemeinen Konzil geltende Entscheidung, vorgebeugt werden.78 4. Veranstaltungsort der Disputation soll Dillingen sein, der Bischof kann als Reichsfurst, aber nicht als Ordinarius daran teilnehmen; jede Disputantenpartei soll einen Notar hinzuziehen; nach Absprache können in zahlenmäßiger Übereinstimmung von beiden Parteien Beisitzer ernannt werden.79 5. Der Bischof soll, falls keine gütliche Einigung erfolgt, bis zur Konzilsentscheidung als Richter eine vorläufige Entscheidung treffen, der sich die Parteien unterzuordnen hätten; die strittigen Artikel sollen vorab schriftlich eingereicht werden.80
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Bischof/Domkapitel an Rat 24.3.1534: "Wir haben aber zum ersten kain hoffnung, daß solich vergleichung geschehe und setzen in kain zweiffei, eure predicanten haben es für unmiglich, sei der mainung auch nit von inen angesehen, und auch ainem erbarn rat eingebildet; dan noch unerhört, daß sich die predicanten und lerer in ainer zwispaltung je selbs allein vergleichen." Sender-Chronik, 374 (An dieser Stelle wird der grundsätzliche Vorbehalt gegen die Rechtmäßigkeit einer solchen Veranstaltung deutlich zum Ausdruck gebracht!). "Zum andern ist kainswegs zuversichtlich oder zu gedincken, daß sie sich on ain schidrichter vergleichen. ... ob nun gesagt werden wolt, daß gots wort solt zwischen inen richter sein, welches gots wort kain richter leiden möchte, zeigen wir an: über das gotswort begert man nit zu richten, aber über die auslegung und mancherlei verstand der prediger ist ain richter ze haben, und sover gesagt wurde, das gotswort werde auch des mißverstands der prediger richter sein, das haist und ist circuitus [= Rreistanz] ... in summa, es muß je zuletzst ain richter da sein, der den streit und mißverstand entledige" Sender-Chronik, 375. "so seien wir, ain capitel, erpüttig, sampt euch die predicanten, beider strits [= seits] für den hochwirdigen fursten, unsern gn. herrn von Augspurg, zu weisen, vor dem sie als ordinario, gnugsam verglait, ain frei gesprech und disputacion halten, und von irer f. g. durch das wort gottes ain vergleichung erfolge. ob aber sie oder ir ab unsem gn. herm scheuchen tragen, migen wir leiden, daß solichs vor unserem gn. herrn, den bischoffen zu Freysing oder Aichstet, oder vor den nechsten universiteten Ingolstat, Tübingen oder Freiburg und zuvorderst vor der ro. kai. oder kn. mt. oder unsern gn. herrn hertzog Wilhalmen und hertzog Ludwigen in Bayren etc. bescheche." SenderChronik, 377.
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Vgl. auch Langnauer-Gutachten (StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 23), fol. 3v-4v (= 6v7v). Rat an Bischof/Domkapitel 24.4.1534: "So bitten unsere herrn und wir underthenigklich und dienstlichs vleiß, daß e. g. und gunsten die anzall irer prediger, desgleichen ain unverlengten ger'aumpten tag zu dem gesprech bestimen und denen erenstlich bevelchen wellen, [vor] hochgedachten unsern gn. herm von Augspurg als ainem cristenlichen fursten (doch nit als ordinario) zu Dillingen zu erscheinen. ... damit dann in solhem gesprech zu kainer zeit ainicher mißverstandt fürfall, so gedincken unsere herrn ain merckliche und unvermeidenliche notturfft sein, daß e. f. g. und gunsten ainen notari, desgleichen unsere herrn auch ain besunderen notari zu dem gesprech setzen. ... ob dann e. f. g. und gunsten geliebt were, zu dem gesprech etlich beisitzer, darzu neben iren predicanten etlich beistandt niderzusetzen oder darbeizuhaben, so bitten unsere herm, sie der anzall derselbigen irer beisitzer und beistendt itz zu verstendigen, damit sie ire beisitzer und beistendt in gleicher anzall auch verordnen und also die glaichait gehalten werden mög." Sender-Chronik, 380f. Bischof/Domkapitel an Rat 9.5.1534: "...dann on das [= eine bischöfliche Entscheidung] wurde ... alle handlung nit allein vergebenlich, sunder auch zu gewisser mer unru, widerwertigkait und allen unfriden zum höchsten dienlich, das wir euch und uns zu verhietten uns schuldig erkennen, were auch nit änderst, dann so sich ainer erbüt auff ain richter, der kainen
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Nach den formalen Kriterien von "Zwingiis Disputationen"81 entsprechen die Modalitäten des geplanten Augsburger Religionsgespräches nur sehr bedingt dem Züricher Vorbild. Am auffälligsten ist dabei, daß nirgendwo in den Augsburger Texten von einer Veranstalter- oder Richterrolle des Augsburger Rates explizit die Rede ist. Wenn man die Ernsthaftigkeit des gesamten Disputationsplanes nicht in Frage stellt und man nicht ein rein diplomatisches Geplänkel beim gesamten Schriftwechsel zwischen Rat und Bischof/Domkapitel unterstellt - wofür die Indizien erst am Ende der Korrespondenz ausreichen - , dann wird besonders an diesem Punkt deutlich, daß der Augsburger Disputationsplan nicht nahtlos in die Züricher Tradition einzuordnen ist, da eine politische Entscheidung erst durch vorherige theologische Konsenstmd\mg vorbereitet werden sollte. Auch im Hinblick auf den Veranstaltungsort und die Öffentlichkeit der Disputation bestehen gravierende Unterschiede zum Züricher Vorbild.82 Die im Zuge des gesamten Entscheidungsprozesses laut gewordenen grundsätzlichen Bedenken gegen das geplante Gespräch blieben trotzdem in Augsburg ungehört.83 Vielmehr waren die letzten
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entschidt, erkantnus noch urtail geben solt. zu dem so were in disen mancherlei unzelichen neuerungen vor allen dingen not, daß die strittigen disputierenden artickel der religion, uns darinnen zu versechen und darnach mit weitter unverweislicher andtwurt und sunst zu richten haben, uns zugestellt wurden." Sender-Chronik, 383. Eine solche schriftliche Ausarbeitung von Thesen hatten Bischof und Domkapitel schon einmal verlangt und vom Rat bereits am 13. Mai 1533 eine Thesenreihe erhalten; vgl. dazu bereits ausfuhrlich: Kapitel 8.3. Vgl. oben: Moeller, Disputationen II, 215. Als Ort der Disputation war die bischöfliche Residenzstadt Dillingen vorgesehen und vom Augsburger Rat akzeptiert worden. Dem Rahmen nach sollte es sich um eine geschlossene Veranstaltung handeln; vgl. dazu in einem späteren Rechtfertigungsschreiben ausdrücklich (StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 10.12.); dazu vgl. unten Kapitel 10.2.): "(lv) Also das wir ye kain offen(2r)liche disputation Turbis coadunatis, mit versamelten rotten furgeschlagen noch an dem waren christenlichen glauben gezweifelt, sonnder aus obvermelten Ursachen allein ain christenliche erinnerung und vergleichung gesucht und gepeten haben." Die Augsburger Disputation sollte damit nicht zum Forum öffentlicher Meinungsbildung werden. Im Gegensatz dazu fanden die meisten Disputationen, die dem Züricher Vorbild folgten, auf den Rathäusern und unter Anwesenheit von Bürgern statt. Freilich lagen die Dinge in Zürich auch insofern anders, weil Zürich nicht Sitz eines Bischofs und Domkapitels war; vgl. Moeller, Disputationen II, 356f., 361f. Peutinger: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 14, fol. Юг: "dweill ich aber bey meinem kleinfuegigen verstandt, nit anders befinden noch bedencken khan, das dise zeit kheins wegks in ains erbaren rhats gelegenheit, noch thün sein mag, sich in sonder in solhs disputation einzülassen, und auch am höchsten, dweill die (selben sachen nit allein) ain erbaren rhat und gemeine stat sonder auch teutsch nation, und woll die gantze Christenheit berurt, dan wie ich vor gemeldt hab, ainem stein der nit zü erheben ist, ainem allein zuerheben unmöglich, woll mag sich ain sonder person oder ain sonder commun, in solchem understeen (was zü erheben unmöglich sich damit) in gros beschwernus sorgfaltigkit angst und not zübringen." Und schon im Voijahr bei den ersten fünf Gutachten: Rehlinger, siehe StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 21, fol. 3r: "Desgleichen auch aus der ursach, das ain Erber Rat als der heiligen gottlichen schlifft grundtlich unerfaren, ungeubt, unnd also der ding nit so gar gruntlich wissent ist, das er, was den cristenlichen glaben allenthalben berurt, darinn ains vor dem andern, was man derhalben disputirren mecht, welches unnder demselben das rechter unnd gegrund-
188 Bedingungen seitens des Bischofs/Domkapitels (siehe oben: Punkt 5) für den Rat nicht akzeptabel. Diese vom Rat als eine Ablehnung der Disputation interpretierten Bedingungen lieferten somit die Rechtsgrundlage für das Ratsmandat im Juli 1534.84 Um den Ereignissen aber nicht vorzugreifen, soll zunächst der Handlungsfaden in chronologischer Reihenfolge - d.h. es folgen die Ereignisse ab Anfang April 1534 - wieder aufgenommen werden.
9.3. Das Ende der Verhandlungen zwischen Reichsstadt und Bischof Auf der Grundlage dieser beiden oben dargestellten Gutachten Langnauers und Peutingers wurde ein erster Entwurf für eine Antwort an Bischof und Domkapitel erarbeitet, der Punkt für Punkt auf das bischöfliche Schriftstück und die darin enthaltenen Argumente eingeht.85 In diesem Entwurf wurde hinsichtlich der Bewertung der historischen Rolle des Augsburger Bischofs in der Stadt zwar bevorzugt das Peutingersche Gutachten herangezogen, hinsichtlich der Verfahrensweise im geplanten Religionsgespräch finden sich dagegen die im Langnauerschen Gutachten angesprochenen Vorschläge teilweise wieder. Nach einer Überarbeitung und eingehenden Kürzung des Textes86 wurde schließlich am 24. April 1534 ein dritter Entwurf abgefaßt, der hauptsächlich die Modalitäten des Disputationsvorhabens aus der Sicht des Rates festschreibt.87 Von dem ursprünglich ausführlichen Text und der detaillierten Auseinandersetzung mit den Argumenten der bischöflichen Seite sind nur die diesbezüglichen Vorschläge aus dem vorangegangenen Gutachten Langnauers übriggeblieben. 88 Am 24. April 1534 wurde die endgültige Schrift durch eine Ratsabordnung, die aus Ulrich Rehlinger, Mang Seitz, Simprecht Hoser, zwei Zunftmeistern und Konrad Hei bestand, übergeben. Der Text betonte den Friedenswillen des Augsburger Rates und die Bereitschaft, die Prediger in Dillingen vor dem Bischof - allerdings nicht in der Funktion eines Richters - an einem vom Bischof zu bestimmenden Zeitpunkt und unter der Teilnahme protokollierender Notare disputieren zu lassen.
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ter were, nit erkennen, entschaiden, noch etwas gewiß unnd rechts oder grundtlichs ordnen möcht". Vgl. Moeller, Disputationen II, 339; Hollerbach, Religionsgespräch, 96f. StAA, LitSlg, 1534, Jan.-Mai (ad 24.4.). Wolfart, Reformation, 97-99. Wolfart, Reformation, 99f. StAA, Lit 1534, Jan.-Mai (ad 24.4.); gedruckt in: Sender-Chronik, 379-382. Wolfart, Reformation, 100f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 159f.; Broadhead, Politics, 338f. Vgl. die Langnauerschen Argumente Nr. 1 bis 5 [siehe weiter oben Abschnitt 2 dieses Kapitels]; einzig der Vorschlag Langnauers, dem Bischof gegenüber nur noch mündlich zu antworten (vgl.: StAA, LitSlg, Nachtrag I, Nr. 23, fol. 3r (lv)), wurde nicht befolgt.
189 Bereits am Tag darauf sammelten die Delegierten des Bischofs und Domkapitels Anhaltspunkte für eine Stellungnahme zu dem Antwortschreiben des Rates.89 Darin wurde vorgeschlagen, das Ratsschreiben heimlich an den bayerischen Kanzler Eck weiterzuleiten, dieser solle den Bischof - rein förmlich - und den Rat vehement vor dem unrechtmäßigen Vorhaben einer Disputation warnen. Falls diese Warnung ihre Wirkung verfehle, sollten die Bayernherzöge darauf bestehen, die Disputation an der bayerischen Landesuniversität Ingolstadt unter ihrem Vorsitz abzuhalten. Außerdem solle ein - von den Verordneten des Domkapitels vorformulierter - Protest aus der königlichen Kanzlei erwirkt werden, der dem Augsburger Rat zugeleitet werden solle. Daneben solle, ebenfalls durch Vermittlung Bayerns, ein kaiserliches Verbot an die Beteiligten ergehen. Aus diesem Text wird - sowohl an den Modalitäten der zu veranstaltenden Disputation als auch an den Heimlichkeiten des diplomatischen Spiels - eigentlich nur noch die Vortäuschung einer Bereitschaft von Bischof bzw. Domkapitel zu einem Augsburger Religionsgespräch deutlich. Doch nicht nur für Bischof und Domkapitel, sondern auch fur den Rat hatte sich die Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung des Konfliktes mittels eines Gesprächs zerschlagen. Denn unterdessen war man parallel zu der Beratung über die geplante Disputation schon längst dazu übergegangen, weitere Vorbereitungen und Pläne zu schmieden. Trotzdem faßte das Domkapitel seine Anliegen noch einmal in schriftlicher Form zusammen und leitete sie an den Rat der Stadt weiter. Diese Antwort läßt sich auf den 9. Mai 1534 datieren.90 Hierin wird nun zum erstenmal der Vorschlag ausdrücklich formuliert, auf die Disputation zu verzichten. Falls auf diesen Vorschlag jedoch nicht eingegangen werden könne, solle sie nur unter folgender Bedingung stattfinden: Entweder man einige sich auf der Grundlage von Recht und Gottgefälligkeit oder man erkenne einen bis zu einem künftigen Konzil gültigen Richterspruch des Bischofs an. Beide Alternativen waren selbstverständlich für den Rat unannehmbar. Somit fanden mit diesem Text die bezüglich des geplanten Religionsgespräches geführten Verhandlungen zwischen Bischof bzw. Domkapitel und Rat ein Ende. Die mittlerweile angelaufene Fühlungnahme von Bischof und Domkapitel mit auswärtigen Fürsten und Reichsgewalten (Bayernherzöge, König Ferdinand und Kaiser Karl V.) brachte bald die gewünschten Reaktionen, die gegen das Reformationsvorhaben des Rates gerichtet waren. Der Rat der Stadt seinerseits leitete unterdessen die letzten Vorbereitungen zur Entscheidung über die bürgerschaftliche Reformation in die Wege.
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"Ratschlag der Verordneten des Domkapitels", als Beilage gedruckt in: Roth, Reformationsgeschichte II, 173f.; vgl. Roth, Reformationsgeschichte II, 160f. Zur Datierung vgl.: WLBS, Cod. hist. 2° 218, fol. 287r/v; Text: Sender-Chronik, 382f. Wolfart, Reformation, 101f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 161f.
10. Die Einführung und Rechtfertigung der reichsstädtisch-bürgerschaftlichen Reformation 1534 10.1. Das Reformationsmandat des Rates 10.1.1. Unmittelbare Vorgeschichte Nach dem ergebnislosen Ende der Korrespondenz zwischen Rat und Bischof bezüglich des geplanten Religionsgespräches befürchteten sowohl die Prädikanten als auch die sich in den Zünften formierenden progressiven Kräfte der Stadtbevölkerung einen Stillstand bei den Reformationsbemühungen der im Kleinen Rat repräsentierten Stadtobrigkeit.' Aus der Perspektive der Bevölkerung war ein derartiger Verdacht nicht abwegig, hatte man doch aus der jüngsten Vergangenheit zahlreiche Beispiele für ein die Reformation hinauszögerndes Abwarten des Rates. So begannen die Prädikanten zusammen mit den Wortführern in den Zünften mit der Mobilisierung ihrer Kräfte, um die Stimmung im Volk zu schüren. Der Augsburger Rat indes wartete die Klärung des die Reichsstadt unmittelbar bedrohenden Württembergischen Machtkonfliktes ab,2 die sich im Juni 1534 nach erfolgtem militärischen Sieg durch die Restitution Herzog Ulrichs und die darauf folgende Reformation Württembergs abzeichnete. Auf dieses Ereignis hin begann der Augsburger Rat nun in eigener Initiative die Umsetzung der bürgerschaftlichen Reformation. Dies war zu diesem Zeitpunkt sicher der aufrechten reformationswilligen Einstellung vieler leitender Ratsherren zu verdanken, aber geschah auch nicht zuletzt in der Überzeugung, den Frieden in der Stadt und die eigene Führungsposition nur auf diese Weise unangefochten behaupten zu können. Am 7. Juli 1534 schließlich wurde im Kleinen Rat der Beschluß gefaßt, in Koordination mit dem Großen Rat zur Tat zu schreiten.3 Zum Zeitpunkt dieser Beschlußfassung hielt sich der Bürgermeister Hieronymus Imhof in Nürnberg auf. In
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Hierzu und zum Folgenden: Wolfart, Reformation, 103f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 162-164; Broadhead, Politics, 344. Nähere Einzelheiten können in der vorliegenden Abhandlung außer Acht gelassen werden; vgl. z. В.: Roth, Reformationsgeschichte II, 149, 161-163; Broadhead, Politics, 343. Umfassender und mit weiterführender Literatur: Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, 195-202; Press, Epochenjahr, 203-234. Wolfart, Reformation, 104f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 164.
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einem Brief vom gleichen Tag forderte der Rat den seit 25. Juni abwesenden Imhof auf, umgehend nach Augsburg zurückzukehren.4 Unter Hinweis auf die gereizte Stimmung in der Stadt wird die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Abwicklung der Reformation auf der Basis der in den Vormonaten erarbeiteten Grundlagen zum Ausdruck gebracht.5 Dabei wurde auf die Rückkehr Imhofs bis zum 19. Juli gedrungen, da man am folgenden Tag den Großen Rat zur entscheidenden Sitzung einberufen wollte. Das in den Quellen überlieferte Verhalten Imhofs und das Bemühen des Rates, ihn in die Pflicht zu nehmen, werfen ein bezeichnendes Bild auf die Augsburger Führung und ihre innere Zwiespältigkeit, in deren Schatten nun endlich die bürgerschaftliche Reformation vonstatten gehen sollte. Bereits Zeitgenossen unterstellten dem als "Papisten" verschrieenen und allgemein unbeliebten Imhof, daß er sich absichtlich entfernt und die diesbezüglichen Geschäfte seinen Amtskollegen6 übertragen habe, um nicht in die Reformationsvorgänge verwickelt zu werden.7 Obwohl Imhof dem Mahnschreiben des Rates termingerecht nachgekommen zu sein scheint, wurde die Entscheidungssitzung des Großen Rates um weitere 4
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StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad 7.7.); gedruckt bei: Wolfart, Reformation, 153f., Beilage XIII. Vgl. Wolfart, Reformation, 105; Roth, Reformationsgeschichte II, 165 und 172, Anm. 71; Broadhead, Politics, 344f. StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad. 7.7.): "... das von vilen ratgeben gemelt worden ist, das der gemein mann der relligion halben etwo murmul, und besonder etlich zunftgenossen bey den zunftmaistern emsig anhalten. So dann über das in dem erbarn grosen rat gehandelt und beschlossen worden ist und über sölh emsig anhalten noch stillgestanden werden solt, dardurch auch unsere predicanten mit iren predigen stillzusteen verursacht werden, was alsdann uss solhem stillstand under unser frommen gemaind für ain unrat und Zerrüttung etwo leichtlich und unversehenlich entspringen möcht, sein wir nit allain zufürtrachten, sonder auch als vil muglich zuverhüten schuldig. Das wir aber unsers erachtens nit fuglicher noch gewisser und bestendiger, dann durch schieinige handlung und fürgang des beschluss der religion halben, durch ain erbarn grossen rat mit dem merem gemacht, fürkommen mögen. Demnach wir heut abermaln mit dem merem beschlossen haben, das wir in solhen Sachen lenger nit stillsteen, sonder wie sich ains rats vorgethunem beschluss gemes gepürt, furfaren werden. Darzu wir e. f. als unsers geschwornen burgermaisters, one den wir in sölher hochwichtiger Sachen nit entlich handien sollen noch werden, zum höchsten nottürftig sein. ..." vgl. auch Wolfart, Reformation, 153f., Beilage XIII. Bei dem im Text erwähnten bereits vorgefaßten Beschluß handelt es sich um die im Mai 1533 erfolgte positive Abstimmung im Kleinen Rat (vgl. oben: Kapitel 8.1.). Zur Erinnerung: Imhof war zünftischer Bürgermeister und Wolf Rehlinger sein patrizischer Amtskollege, die Altbürgermeister waren Mang Seitz und Ulrich Rehlinger. Über die umstrittene Persönlichkeit Imhofs vgl. bereits ausfuhrlich weiter oben: Kapitel 5.1.2. Der Chronist Georg Preu schreibt über den Vorfall im Juni/Juli 1534. Er äußert darin den Vorwurf der Bestechlichkeit und des Wortbruches, da Imhof nicht zum (vor dem Mahnschreiben) vereinbarten Zeitpunkt wieder in Augsburg war: "Item adj. 25. junii ist der burgermeister Imhoff gen Nürnberg geritten, da hat man wollen mit den geistlichen handien, also hat er die drei burgermeister betten; haben sie gesagt, sie wollens ainem rath anzaigen; hat er gesagt, er wolle hinweckreiten, er woll dannest nit darbei sein und nichts darzu helfen, wann er hat miet und gab von pfaffen eingenomen. urteil ein jetlicher über das pochwerck, was ein burgermeister schwert!" Preu-Chronik, 60.
192 zwei Tage verzögert. A m 22. Juli fand eine mehrstündige gemeinsame Ratssitzung statt, in der der Kleine Rat dem Großen Rat die Entscheidung zur Reformation mit Ausnahme der dem Bischof zugehörigen Kirchen und unter generellem Verbot altgläubiger Predigt zur Ratifizierung vortrug. 8 Mit der die gesamtstädtische Reformation vorerst unberücksichtigt lassenden Entscheidungsvorlage schob der Kleine Rat den wohl überwiegend radikalen Reformationswünschen der im Großen Rat vertretenen Bürgerschaft vorerst einen Riegel vor. Diese Maßnahme einer einschränkenden Entscheidungsgrundlage entspricht ganz dem - auch in der Vergangenheit ständig zu beobachtenden - politisch vorsichtigen Kalkül des die reichsstädtische Obrigkeit allein repräsentierenden Kleinen Rates. Nach allem, was nach Auskunft der Quellen in den vergangenen Jahren passiert war, hätte der Kleine Rat zu diesem Zeitpunkt seine obrigkeitliche Rolle ausgespielt gehabt, wenn es schon im Sommer 1534 zu einer Beschlußfassung über eine gesamtstädtische Reformation gekommen wäre. 9 Hierin bestätigt sich der Eindruck, den bereits die Quellen bieten, die über den W e g zur Reformationsentscheidung am 22. Juli 1534 Aufschluß geben. Der Große Rat stimmte der Vorlage des Kleinen Rates mit einer Dreiviertelmehrheit zu. 10 Die einzelnen Bestimmungen des Beschlusses fanden sich in dem sieben Tage später datierten Ratserlaß wieder.
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Sender-Chronik, 383f. (= Kastner, Quellen, 192f.); Wolfart, Reformation, 106; Roth, Reformationsgeschichte II, 175; Broadhead, Politics, 345f. Besonders in den Quellen zur Arbeit des Religionsausschusses, in den Gutachten und den 22 Bedenken gegen die Reformation samt Widerlegungen kommt dieser Umstand zum Ausdruck. In den entsprechenden Fußnoten wurde wiederholt daraufhingewiesen. In den das Thema bisher monographisch behandelnden Darstellungen (Wolfart, Roth, Broadhead) kommt nicht ausreichend zum Ausdruck, daß das die Politik leitende Gremium und die Obrigkeit verkörpernde Verfassungsorgan der Reichsstadt allein der Kleine Rat (aus dem sich die Amtsträger des Dreizehnerrates rekrutierten) war. Bei ihm liefen alle Fäden, die zu politischen Entscheidungen führten, zusammen und er vermochte allein einen kontinuierlichen Überblick zu behalten. Nur dadurch war auch eine die politische Wirklichkeit treffende Einschätzung der Verhältnisse möglich und als reichsstädtische Politik vertretbar. Der Große Rat dagegen spielte eine verfassungspolitisch nur unwichtige Rolle, wenngleich ihm in diesen Jahren als Stimmungsbarometer eine große Bedeutung zukam. In diesem Forum konnte der Zunftbürger seine oft radikalen Vorstellungen artikulieren und zugleich konnte die Obrigkeit (d.h. der Kleine Rat) diese Strömungen kanalisieren. Alle diesbezüglichen Angaben in der Literatur beziehen sich auf folgenden Quellentext: WLBS, Cod. hist. 2° 161: "(fol. 265r) Wie die von Augspurg Ainhellig predig Auffrichtetten. 1534 Am Mittwoch vor Jacobj hielt man ainen grossen Ratt von wegen (fol. 265v) Das wol bey 10 jaren her oder lenger merlaj predig furgangen was als Euangelisch, Bäbstisch, und ettwa merlaj gattung das alles sich nit wol mer erleiden mocht und zu beßtem End geraicht. Da ward beschlossen Im Rat durch 175 stim ungeuar, daß man all predig ausserhalb meine herm aufgestellte predicanten abstellen solt so lang piß die pfaffen Ire leer gegen unsern predicanten mit hailiger schrift bewerten wellichs auch vormals gütliche an die pfaffen angesinnen aber sie wolten der kains Eingen darumb ain ratt verursacht worden zu handien wie obsteet alle messen ausserhalb 8 kirchen im torn S. Ulrich s. Moritz S. Jörg Zum Creutz S. Peter S. Steffan und S. Ursula die andern messen warden all abthon."
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10.1.2. Inhalt und Interpretation" Der Ratserlaß greift zu Beginn die bewußt wahrgenommene und als schmerzlich empfundene langwierige religiöse Spaltung'2 in Augsburg auf. Diese - von gegenseitiger Abgrenzung und unerbittlicher Polemik gekennzeichnete - Pluralität des religiösen Lebens habe zum Schaden der bürgerlichen Gesellschaft auch die säkularen Lebensbereiche erfaßt.13 Aufgrund dieser Situation - so erfährt man beim Lesen des Erlasses nach wenigen Zeilen - sah sich also nun der Rat zu einer Reihe von Maßnahmen genötigt. Zur Überraschung der Leser hatte zum Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung der Rat die Durchführung der einzelnen Maßnahmen allerdings im großen und ganzen abgeschlossen und die Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt.' 4 Der erste Punkt besteht in der Verfugung eines Predigtverbotes fur alle Prediger mit Ausnahme der vom Rat bestallten Prädikanten.15 Das Predigtmonopol der vom Rat berufenen Prediger wird mit der erwiesenermaßen unlauteren Auslegung des Wortes Gottes durch die übrigen Prediger begründet. Der Nachweis scheint überwiegend allein aus der Weigerung der übrigen (d.h. in der konkreten Situation: bischöflichen) Prediger herzurühren, sich in einem christlichen und brüderlichen Religionsgespräch mit den Ratsprädikanten zu einigen. Es wird in diesem Zusammenhang auf die wiederholte Aufforderung zur Teilnahme an einem solchen Gespräch hingewiesen. Obwohl nicht ausdrücklich auf den langandauernden
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Zwei unwesentlich verschiedene Drucke: StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad 29.7.); Nachtrag 1532-36 (ad Dez. 34, als Beilage); EWA-Akten, Nr. 486; Reichsstadt, Ratserlasse 1507-99 (ad. 29.7.34) (Kopie); SStBA, 2° Aug. 9 Anschläge, 1. A b t , Nr. 33, 2. Abt. S.75; 2° S. Anschläge, Nr. 20. Moderne Drucke finden sich in folgenden wissenschaftlichen Quellenausgaben: Sender-Chronik, 389-391 (= Kastner, Quellen, 194-196, Nr. 59), Sehling, Kirchenordnungen XII/2, 44f. In den Fußnoten weiter unten angeführte Zitate aus dem Mandat folgen der neuesten und am leichtesten zugänglichen Textausgabe von Kastner. Über den Inhalt vgl.: Wolfart, Reformation, 107; Roth, Reformationsgeschichte II, 175-178; Broadhead, Politics, 345-347. In der Bemerkung einer zeitgenössischen Chronik ist mit "10 Jaren ... oder lenger" die Dauer der bewußt erlebten religiösen Zerstrittenheit ziemlich exakt wiedergegeben, vgl. WLBS, Cod. hist. 2° 161, fol. 265v. "darbei allerlei weitleuffigkait, besunder unru under der comun, zerrittung der burgerschafft und zuletzst unwiderpringlich abnemen diser stat zu besorgen gewessen"; vgl. Kastner, Quellen, 194, Nr. 59. Dabei stand für die im Kleinen Rat oligarchisch herrschende Stadtfuhrung zu befurchten, daß sich all dies auch auf Augsburgs Attraktivität als Handels- und Finanzplatz auswirken könnte. "so hat [Hervorhebung von A.G.] gedachter rat ... die Spaltung der widerwertigen predigen alhie abgestelt"; vgl. Kastner, Quellen, 194, Nr. 59. Zur Durchführung vgl. den folgenden Abschnitt. Die regelrechten Bestallungen wurden erst ab 1535 mit einem entsprechenden Formular vorgenommen.
194 Briefwechsel zwischen Bischof bzw. Domkapitel und Rat eingegangen wird, 16 dürfte jeder Leser sofort verstanden haben, daß die altgläubige Partei und ihre Anhänger damit unmittelbar angesprochen waren. Zwar wird die Gültigkeit dieses Predigtverbotes zeitlich bis zu einer erfolgreichen Disputation begrenzt, 17 aber im folgenden Absatz von der Neuordnung des religiösen Lebens beim erhofften freien Konzil einseitig abhängig gemacht. 18 Bei der Berufung auf das erwartete 'freie' Konzil griff man ausdrücklich auf die reichsrechtlich in Aussicht gestellte Einberufung 19 desselben zurück, die in der Augsburger Diskussion um die Reformation v o m Juli 1534 immer wieder eine argumentative Rolle gespielt hat. 20 Im Dekretstext folgt weiter die Rechtfertigung der angeordneten Maßnahmen, indem unter ausdrücklichem Hinweis auf Paulus 21 auf die göttliche Legitimierung22 und Zweckbestimmung einer jeden Obrigkeit verwiesen wird, 23 womit sich die reichsstädtische Obrigkeit einer landesherrlichen gleichordnet. 24 Als Inhaber dieser Obrigkeit wird im Text wiederholt nur der Große Rat genannt, in dessen Auftrag der v o m Kleinen Rat eingesetzte Religionsausschuß die Mandatsbeschlüsse gefaßt und eine Abordnung diese durchgeführt habe. 25 Sodann ist im Er-
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Vgl. oben Kapitel 8.3.; Kapitel 9.2.2. Vgl. hierzu die Einschätzung eines Chronisten: Preu-Chronik, 61: "also haben die von Augspurg ain mandat angeschlagen, aus was Ursachen sie es thun haben bis auf ein disputacion, [die sie] mit inen halten wollen, aber sie nit dargewöllt". "doch nit änderst noch lenger, dann bis die abgestelten prediger ir leer und predigen warhafft und krecht zesein mit grund der hailige schrifft beweisen und darthon werden welche kirchen und Capellen bis auff das schierest frei, gemein, cristenlich concilium oder nacionalversammlung also verspert pleiben und nit mer änderst dann auff ain cristenliche enderung geöffnet werden sollen"; vgl. Kastner, Quellen, 194 und 195, Nr. 59. Speyerer Reichsabschied von 1526, § 1 (Kastner, Quellen, 493f., Nr. 154), Augsburger Reichsabschied 1530, § 5 (Kastner, Quellen, 503f., Nr. 158), Nürnberger Anstand (RTA J.R. X/3, 1521, Nr. 557) und das darauf bezogene Regensburger Mandat vom 3.8.1532 (RTA J.R. X/3, 1526, Nr. 559). Vgl. besonders: die Gutachten von Peutinger und Hei (siehe oben Kapitel 7.1. und 7.3., die Widerlegungen Nr. 7 und 12 der 22 Bedenken (siehe oben Kapitel 8.2.); Schreiben des Bischofs an den Rat vom 9. Mai 1534 (siehe oben Kapitel 9.3.). 2 Kor. 10,8; 13,10. Überhaupt ist von einer höheren Reichsgewalt bzw. kaiserlichen Gewalt zuerst nur im Zusammenhang mit der erwarteten Nationalversammlung die Rede. Weiter unten heißt es dann, daß der hiesigen Obrigkeit ihre Gewalt "von got und kai[serlicher] m[ajestä]t gegeben" (Kastner, Quellen, 195, Nr. 59) wurde. "wan aller gwalt ... zur besserung und nit zum verderben gegeben ist" (Kastner, Quellen, 194, Nr. 59). Vgl. auch die Abschlußformulierung im Peutinger-Gutachten: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15/2, fol. 65r. Schließlich waren die Augsburger in diesen Monaten Zeugen der in unmittelbarer Nachbarschaft spielenden Vorgänge um die protestantische Restitution des Herzogs von Württemberg. Im Mandatstext heißt es: "so hat ain erbarer groser rat ... alle und jede kirchen und Capellen alhie (auserhalb unser Frauen, sant Moritzen, sant Ulrichs, sant Peters, sant Jergen, zum hailigen Creütz, sant Stephan und sant Ursula, die ain rat ditzmals aus sundern beweglichen ur-
195 laß in einigen Absätzen vom räumlichen und inhaltlichen Umfang der konkreten Bestimmungen die Rede. Abgesehen vom allgemeinen, gesamtstädtischen Predigtverbot, von dem nur die Ratsprediger ausgenommen wurden, durften nur noch in acht Kirchen der Stadt altgläubige Zeremonien vollzogen und Meßgottesdienste gefeiert werden. Alle übrigen Kirchen und Kapellen in der Stadt wurden versperrt, so daß auch die Überwachung des kirchlichen Lebens effektiver vorgenommen werden konnte. Bei den von der Schließung ausgenommenen Kirchen handelte es sich um die dem Bischof spruchverwandten und damit der Obrigkeit des Rates unbestritten entzogenen Gotteshäuser, darunter die Pfarrkirchen der Stadt26 und die mit ihnen verbundenen Konvente von St. Moritz, St. Ulrich, St. Georg, Hl. Kreuz und St. Stephan sowie das Kollegiatsstift St. Peter am Perlach und das DominikanerTerziarinnenkloster St. Ursula. Wie das Beispiel des trotz kaiserlichen Privilegs geschlossenen Dominikanerinnenklosters St. Katharina zeigt, war einzig und allein die Spruchverwandtschaft mit dem Bischof Maßstab für Belassung oder Schließung, während man auswärtige weltliche Schutzhoheit zugunsten der bürgerschaftlich-städtischen Einheit überbieten zu können glaubte.27 Für die Bürgerschaft war also durch die Mandatsbestimmungen die einheitliche reformatorische Verkündigung des Wortes Gottes gewährleistet,28 daneben war jedoch in den nach wie vor zugänglichen Kirchen der Besuch der Meßfeier möglich.29 Obwohl der in den Pfarrkirchen traditionell vollzogene Ritus also nicht angetastet wurde, wurde im Mandat der Übergang des Vermögens der Pfarrzechen in die Obhut des Rates bekanntgegeben, um diese finanziellen Mittel einem Gott gefälligen und den Armen zu Gute kommenden Zweck zuzuführen. Damit erhielt die in der Almosenordnung von 1522 institutionalisierte Sozialfürsorge der Stadt ein breiteres finanzielles Fundament.30 Außerdem habe der Rat mit den Leitern der altgläubigen kirchlichen Einrichtungen vereinbart, daß die in den Klöstern lebenden Menschen, nicht am Besuch
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Sachen unangefochten bleiben [lassen will]), durch die verordneten beschliessen laussen" (Kastner, Quellen, 194f„ Nr. 59). An sie angeschlossen die Predigthäuser der evangelischen Ratsprädikanten; vgl. oben: Kapitel 2.2.2. Vgl. oben Kapitel 2.2.2. und 4.1. Vgl. das (im Mandat ausdrücklich formulierte) primäre Ziel der Bestimmungen, nämlich eine Durchsetzung der Verkündigung der reinen Lehre auf der Basis reformatorischer Schriftauslegung: "so hat gedachter rat als ain christenliche oberkait vnd gottes dienerin, die nichts anders dan daß der nam gottes groß gemacht und sein göttlich reich durch das hailig evangelium täglich gemert werde, begert, zu schuldiger fuderung und erhaltung der gesunden leer, geliebten frids und loblicher ainigkait irer von got bevolchner underthanen, hingegen zu verhiettung weitterer zwitrachten, nachtails und verderblicher zersterung der gemaind Cristi die Spaltung der widerwertigen predigen alhie abgestelt"; vgl. Kastner, Quellen, 194, Nr. 59. Siehe auch weiter unten in diesem Abschnitt. Vgl. oben Kapitel 3.1.2.
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der fortan allein in der Stadt geduldeten evangelischen Predigt gehindert werden dürfen. Selbstverständlich dürfe aber auch niemand - so heißt es zu Beginn dieses Absatzes im Mandat - zum Besuch der evangelischen Predigt gezwungen werden. In den drei den Mandatstext abschließenden Absätzen werden zunächst noch einmal in gebührender Länge die Beweggründe zur durchgeführten Maßnahme31 formuliert, bevor - in Ableitung daraus - eine generelle Gehorsamsforderung und ein allgemeines Widerstandsverbot erhoben werden. Wie üblich schließt auch dieses Mandat mit massiven Strafandrohungen bei Zuwiderhandlung gegen die Mandatsbestimmungen. Tatsächlich werden im Ratsmandat vom 29. Juli 1534 viele zentrale Punkte aus der Entwicklung der kirchenpolitischen Diskussion seit dem Aufkeimen reformatorischer Ideen in der Augsburger Öffentlichkeit verarbeitet. So zieht sich wie ein roter Faden seit 1520 in den vom Rat ausgehenden Schriftstücken das Bemühen um Sicherung und schrittweisen Ausbau reichsstädtischer Obrigkeit auf dem Terrain kirchlichen Lebens. Die in früheren Texten immer wieder verwendeten Formulierungen für göttliche Legitimierung und praktische Durchsetzung dieses Anspuches kehren in gebündelter Form auch im vorliegenden Mandat wieder. So wird die Verachtung der Ehre Gottes auf eine Stufe gestellt mit der Verletzung der weltlichen Obrigkeit. Wie auch der Rückbezug auf das städtische Almosenwesen zeigt, werden auch andere früher dekretierte Sachverhalte, die eine Verbindung zum Kirchenwesen in der Stadt haben, wieder aufgegriffen, andere freilich bleiben dagegen aus mangelnder Aktualität ausgespart.32 Doch fühlt man sich nicht nur an zahlreiche reichsstadtinterne Regelungen erinnert, sondern auch an die reichsstädtischen Zugeständnisse in der Religionsfrage gegenüber dem Kaiser nach dem Reichstag 1530.33 Neben dem auch vor dem Kaiser zum Ausdruck gebrachten festen Willen, den Obrigkeitsgehorsam in Augsburg zu fördern, tauchte damals bereits die Zusage auf, im Zusammenhang mit dem religiösen Leben dem Individuum eine gewisse Freiheit zuzugestehen. Dieses reformatorische Zugeständnis einer eigenen Gewissensentscheidung (besonders für ehemalige Klosterinsassen) in der religiösen Lebenspraxis wird im Mandat von 1534 explizit wieder aufgegriffen.34
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"zuvorderst got, unserm hailand, zu lob und eer, den cristenmenschen zu trost und hail irer seelen, auch allen und jeden gaistlichen und weltlichen bürgern und inwonnern diser stat zu bestendigem frid, merer ru und zunemender ainigkait" (vgl. Kastner, Quellen, 195, Nr. 59). Vgl. alle oben (Kapitel 3.1.) angeführten Mandate aus den 20er Jahren, besonders das Mandat gegen die Täufer 1527 (Kapitel З.1.З.). Vgl. oben Kapitel 4.2. "hat ain erbarer rat mit den prelaten und obem derselbigen betriebten und gefangenen menschen erenstlich handien laussen, daß denen fürohin der Zugang zu der verkündung und auslegung der leer Cristi nit gespert, noch sie in iren gewissen lenger beschwert, sunder inen wie andern cristen die freihait des gaists und innerlichen menschen bevorrsteen sol", vgl. Kastner, Quellen, 195, Nr. 59.
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Nicht weniger fühlt man sich Satz für Satz auf das Schlüsseldokument der ratsinternen Diskussion über Ausmaß und Rechtfertigung der bürgerschaftlichen Reformation verwiesen, das aufgrund der eingereichten befürwortenden oder verneinenden Gutachten durch den Religionsausschuß erarbeitet wurde und die zentralen Einwände und Widerlegungen formuliert.35 Sowohl in der Zusammenstellung von den 22 Einwänden / Widerlegungen als auch im Mandat 1534 sind die grundsätzlichen Formulierungen von Aufgabe, Ausmaß und Zweck weltlicher Obrigkeit nach Augsburger Selbstverständnis enthalten.36 In beiden Fällen findet sich auch die Erwähnung des hoffnungsvoll erwarteten, aber schon in Vorverhandlungen gescheiterten Augsburger Religionsgespräches.37 Dem damaligen Einwand der negativen Folgen für Stadt und Bürgerschaft durch Ausgrenzung von altgläubigen Geistlichen wird im Mandat eine die gemeinsame Situation betonende Formulierung entgegengesetzt38 und das allein auf bürgerschaftliche Interessen beschränkte Ausmaß und die Vorläufigkeit der Reformation unter möglichst weitgehender Wahrung bischöflicher Rechte betont.39 So zeigt sich in den Inhalten und Bestimmungen des Mandates vom Juli 1534 eine realistische Einschätzung der reichsstädtischen Politik für die Grenzen der Machbarkeit und Durchsetzbarkeit von Änderungen und Neuregelungen im Bereich des kirchlichen Lebens in Augsburg unter den aktuellen innen- und außenpolitischen Vorzeichen. Das Mandat und seine tatsächliche Umsetzung markiert damit einen in sich gänzlich abgeschlossenen Reformationsvorgang. An die zweieinhalb Jahre später durchgeführte vollständige gesamtstädtische Reformation war bei der politischen Realität des Sommers 1534 noch nicht zu denken, wenngleich die stadteinheitliche Regelung des kirchlichen Lebens auf einer einzigen Lehrgrundlage das Fernziel gewesen sein mochte.40 Die im Mandat geäußerte Terminierung des Predigtverbotes läßt den Schluß zu, daß der Rat noch so lange wie möglich an der Offenheit seiner Religionspolitik und einem Dialog mit der altgläubigen Geistlichkeit in der Stadt festhalten wollte. Das politische und kirchliche Klima in und um Augsburg wies 1534 aufgrund zu vieler unberechenbarer Komponenten jedenfalls noch nicht eindeutig in die Richtung der gesamtstädtischen Reformation und Kirchenordnung von 1537.41 35
36 37 38 39 40
41
Vgl. oben Kapitel 8.2. (Tabelle: die Zusammenstellung von 22 Einwänden gegen eine Reformation und deren Widerlegungen). Vgl. Tabelle: Widerlegung Nr. 6; 10; 11; 17; 19; 21; 22. Vgl. Tabelle: Einwand/Widerlegung Nr. 4. Vgl. oben ausfuhrlich dazu: Kapitel 9.3. Vgl. Tabelle: Einwand/Widerlegung Nr. 1; 5; 6. Vgl. Tabelle: Einwand/Widerlegung Nr. 12; 13; 15. Im Mandatstext ist von den genannten acht Kirchen die Rede, "die ain rat ditzmals [Hervorhebung von A. G.] aus sundern beweglichen Ursachen unangefochten bleiben [lassen will]"; vgl. Kastner, Quellen, 195, Nr. 59. Im Mandat wird ausdrücklich noch mit der Möglichkeit einer Einigung der Prediger in einer Disputation, trotz des zweifelhaften Ausgangs der bisherigen Verhandlungen mit dem Bischof und altgläubigen Klerus gerechnet ("doch nit änderst noch lenger, dann bis die abgestelten prediger ir leer und predigen warhafft und krecht [= gerecht] zesein mit grund der hai-
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10.1.3. Bekanntmachung und Durchsetzung Das Mandat vom 29. Juli 1534 war - wie erwähnt - sieben Tage nach der entscheidenden Beschlußfassung durch den Großen und Kleinen Rat datiert. Weitere Tage vergingen, bis am 1./2. August der Text zunächst an öffentlichen Gebäuden angeschlagen und offiziell verkündet wurde.42 Inzwischen waren die meisten Bestimmungen bereits ausgeführt und damit die Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt worden.43 Den Anfang dieser Ereignisse machte am frühen Morgen des 23. Juli eine vom Rat ernannte Delegation an das Domkapitel.44 Sprecher dieser siebenköpfigen Abordnung, der auch die Altbürgermeister Ulrich Rehlinger und Mang Seitz angehörten, war - wie gelegentlich schon früher - der Ratskonsulent Konrad Hei. In einer kurzen Rede wurden die wesentlichen Punkte, die das zukünftige Einvernehmen zwischen Rat und Bischof bzw. Domkapitel regeln sollten, zusammengefaßt.45 Die grundsätzlichen Erwägungen, wie sie im Mandat formuliert werden sollten, kommen aber nicht eigens zur Sprache. Dagegen werden der Prediger und seine Predigtkirche, welche im Falle des Domkapitels das Predigtverbot trifft, ausdrücklich genannt: Dr. Marx Avunculus sowie die übrigen Prediger im Dienst des Kapitels sollen in der Stadt nicht mehr predigen dürfen, und in der dem Dom benachbarten Kirche St. Johannes sollen zukünftig alltäglich die Ratsprädikanten ihren Predigtdienst versehen. Die Zechpfleger dürfen in der Ausübung ihrer Pflichten nicht behindert werden. Solange sich die Mitglieder des Domkapitels an die Befolgung dieser Vorgaben halten, werde man friedlich miteinander verfahren
lige schrifft beweisen und darthon werden."; vgl. Kastner, Quellen, 194). Ausdrücklich werden die Mandatsbestimmungen in Relation zu einer möglichen Entscheidung auf einem zukünftigen freien Konzil oder einer Nationalversammlung gesetzt. Die gesamte Geistlichkeit, ob im Besitz des Augsburger Bürgerrechts oder nicht ("allen und jeden gaistlichen und weltlichen burgern und inwonnern dieser stat"; vgl. Kastner, Quellen, 195, Nr. 59), wird explizit in die Äußerung gesamtstädtischer Hoffnung auf Frieden, Ruhe und Einigkeit eingebunden. 42 43
Sender-Chronik, 389; Preu-Chronik, 61. An dieser Stelle soll noch auf den Bericht über das Augsburger Predigtverbot des damaligen altgläubigen Predigers zu St. Ulrich und späteren Eichstätter Weihbischofs Leonhard Haller hingewiesen werden. Dieser Bericht, der etwa von 1530 bis zu den Ereignissen im Juli/August 1534 reicht, geht allerdings in seinem Informationsgehalt nicht über die von mir verarbeiteten Quellen hinaus. Vgl. Erläuterung und Druck: Ott, Bericht, 217-228.
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Wolfart, Reformation, 108; Roth, Reformationsgeschichte II, 176-178; Broadhead, Politics, 346.
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Der gesamte Vorgang und die Rede sind gedruckt bei: Sender-Chronik, 384f. ( = Kastner, Quellen, 193, Nr. 59).
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und die Abhaltung der Meßfeier würde keinerlei Einschränkung unterliegen.46 Wie bei den Ratsabordnungen der vergangenen Monate - im Rahmen der Verhandlungen über das abzuhaltende Religionsgespräch - äußerte das Domkapitel die Bitte, das mündlich vorgetragene Anliegen möge doch in schriftlicher Form übergeben werden. Auf diese Bitte, die mit der Absicht erhoben wurde, Zeit zu gewinnen, reagierte jedoch diesmal die Ratsabordnung unter ihrem Sprecher Hei nicht mehr, sondern verlangte mit Nachdruck Gehorsam, verbunden mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß auch das Domkapitel das freundliche Nachbarschaftsverhältnis nicht aufs Spiel setzen wolle.47 Im Laufe desselben Tages wurde die Ratsabordnung mit inhaltlich übereinstimmenden Ansprachen bei den übrigen Vorstehern und Konventen der von der Schließung ausgenommenen acht Kirchen vorstellig.48 Dann machte man sich daran, die restlichen Kirchen und Kapellen in der Stadt mit Ketten zu verschließen und ließ das Läuten der Glocken verbieten.49 An den folgenden Tagen gingen die vom Rat beauftragten und in den Ansprachen an die altgläubigen Geistlichen angekündigten Zechpfleger an die Arbeit, um von den Altären und aus den Kirchen das den Pfarrgemeinden gehörende Gut zu entfernen und in ihren Besitz zu nehmen.50 Im gleichen Zug wurden bis Mitte August die übrigen klösterlichen Konvente aufgehoben und die Klostergebäude unter städtische Verwaltung genommen. Dem Beschluß des Rates am 22. Juli war mit diesen - Schlag auf Schlag folgenden - Maßnahmen innerhalb Augsburgs bis Anfang August ein gründlicher Erfolg beschert. Für wirksame Gegenwehr blieb in diesen etwa zwei Wochen den 'Altgläubigen' und der Geistlichkeit innerhalb der Stadt keine Chance, doch 46
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Sender-Chronik, 385: "und wolten inen kain hindernus noch zwancknus thon mit der meßhabung". Sender-Chronik, 385f. Weiteren unmittelbar folgenden und bei Sender geschilderten Versuchen, den Vollzug der Maßnahmen durch den Rat hinauszuzögern, wurde eine ebenso entschiedene Abfuhr erteilt. Besonders heikel war dabei nur die Aufwartung im Kloster St. Ulrich, das durch verschiedene bayerische, bischöfliche und königliche Privilegien vor jeglicher Rechtsverletzung geschützt war (vgl. ζ. B. oben in der Tabelle der 22 Einwände gegen eine Reformation Nr. 9; weiter vgl. auch: Roth, Reformationsgeschichte II, 187). So berichtet der Chronist - Clemens Sender war Benediktiner in St. Ulrich - auch nur von merklichem Einspruch und passivem Widerstand gegen die Ratsabordnung bei St. Ulrich durch Abt, Konvent und Prediger; vgl. Sender-Chronik, 386f.; Ott, Bericht, 226f. Sender-Chronik, 387. Ein zweites besonders heikles Unterfangen war die vorläufige Schließung der bereits oben erwähnten Kirche St. Johannes, die vom Domkapitel zu den spruchverwandten, weil unmittelbar in den gottesdienstlichen Gebrauch der Dompfarrei gehörenden, Kirchen zählte. Noch dazu scheint man bei Räumung dieser Kirche unverhältnismäßig radikal verfahren zu sein: "Der stat werckleut haben auch in sant Johannescapell die fenster geöffnet und erschlagen, damit da es nit dimpfig sei an der lutherische predig, und haben dem thomstifft dardurch mit gwalt dise capell entpfrembt und den gemeinen tauff da den neugeboren kinden genomen" (Sender-Chronik, 388 [vgl. Kastner, Quellen, 193, Nr. 59]); vgl. auch SAA, Augsburg-Hochstift: NA-Akten Nr. 5299. Sender-Chronik, 388f. (vgl. Kastner, Quellen, 193f., Nr. 59); Wolfart, Reformation, 108-111; Roth, Reformationsgeschichte II, 177-180, 186-192; Broadhead, Politics, 346.
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konnten sich Bischof und Klerus auswärtiger Unterstützung gewiß sein, um die sie sich in den vergangenen Monaten schon ausreichend bemüht hatten.
10.2. Die auswärtigen Reaktionen und die Rechtfertigungsbemühungen des Augsburger Rates Die auswärtigen gegen die Religionspolitik der Stadt gerichteten Maßnahmen hatten ihren Ursprung in den in der Vergangenheit immer wieder an den bayerischen, königlichen und kaiserlichen Hof gerichteten Hilfsgesuchen des Augsburger Bischofs und Domkapitels. Besonders prompt und engagiert erschien im Auftrag seiner Herren der bayerische Kanzler Leonhard von Eck in Augsburg. Am 22. Juli schickte er an den Rat ein Mahnschreiben.51 Bereits am 27. Juli reiste er persönlich nach Augsburg, um im Namen der Bayernherzöge52 gegen die Reformmaßnahmen zu protestieren und einen Aufschub jeglicher Maßnahmen bis zu einem Konzil zu erreichen.53 Er hat mit seinem Einspruch und seinen Drohungen jedoch bei den Ratsherren nichts erreicht, konnte aber die resignierenden Domherren und ihren Anhang dazu bewegen, in der Stadt auszuharren, da man noch genügend Trümpfe gegen den Rat in der Hand hätte und die Situation nicht verloren sei. Um Übergriffen der Bürgerschaft gegen ihr Eigentum und wertvolles liturgisches Gerät vorzubeugen, veranlaßten die Domherren eine Räumung der verbliebenen Augsburger Kirchen und einen Umzug ihrer beweglichen Güter nach Dillingen, der Residenz des Bischofs. Auf den mündlichen Protest Ecks vor den Augsburger Ratsherren reagierten diese umgehend mit einer Gesandtschaft ins bayerische Ingolstadt. Dieser Abordnung an den Herzog Wilhelm unter der Wortfuhrung Konrad Hels wurde eine schriftliche Instruktion mitgegeben, in der nach der Formulierung üblicher Ergebenheitswendungen und der Bekundung des Willens zu guter Nachbarschaft die Gründe für die beschlossenen Reformationsmaßnahmen dargelegt wurden.54 In der Äußerung, daß dies allein im Bemühen um Vermeidung von Mißverständnissen geschehen sei, dürfte freilich nicht mehr als eine Floskel diplomatischer Höflichkeit zu sehen sein.55 51 52
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Broadhead, Politics, 367. StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad 24.7.): Begehren des bayerischen Herzogs zur Anhörung Ecks vor dem Augsburger Rat; vgl. Roth, Reformationsgeschichte II, 200, Anm. 19; Metzger, Eck, 21 Off. StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad 27.7.). Wolfart, Reformation, 112f.; Roth, Reformationsgeschichte II, 178f.; Broadhead, Politics, 343. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 11. Wolfart, Reformation, 112f.; Metzger, Eck, 210. StAA, LitSlg, Nachtrag I, Nr. 11, fol. lv. Darüber hinaus erinnert vieles im Text (z.B. zum Verständnis vom Amt der Obrigkeit) an Formulierungen im Mandatstext vom 29. Juli 1534. Im Detail kommen freilich kleine Nuancen zum Ausdruck, etwa die Inaussichtstellung einer
201 Nach dem Friedensschluß von Kaaden Ende Juni56 und der Mitte September erfolgten politischen Aussöhnung zwischen München und Wien mußten die Augsburger nach den bisherigen - eher vereinzelten - Erfahrungen mit wittelsbachischen und habsburgischen Reaktionen auf ihre bürgerschaftliche Reformation seit dem Spätsommer 1534 mit koordinierten Maßnahmen gegen ihre Stadt rechnen. Die geeignete Gegenmaßnahme war - wie schon wiederholt in der Vergangenheit - eine Aufnahme der Kontakte mit den befreundeten Reichsstädten Ulm und Nürnberg. Vorzugsweise korrespondierte Augsburg mit Ulm. Vom dortigen, auch für Augsburg tätig gewesenen Ratskonsulenten Hieronymus Roth ist ein Schreiben an die Augsburger Altbürgermeister Rehlinger und Seitz erhalten,57 in dem er eine Unterredung mit dem Ulmer Bürgermeister Besserer wegen Beitrittsverhandlungen Augsburgs zum Schmalkaldischen Bund mitteilt.58 Von verschiedenen Seiten war Ulm und seinen Repräsentanten die Rolle eines Unterhändlers in dieser Angelegenheit zugedacht worden. Noch waren allerdings für einen Beitritt Augsburgs die Voraussetzungen - nämlich aufgrund der Lehrunterschiede zwischen den Augsburger Predigern und den Wittenberger Theologen - nicht erfüllt.59 So
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Restitution der altgläubigen Predigt ("[die widerwärtigen Predigten abgeschafft] doch nit annderst noch lennger, dann bis die abgestelten prediger, ir leer unnd predigen warhaftig unnd gerecht sein, beweisen und darthun werden, alsdann si unverzogenlich widerum uffgestelt, und an gegrundter ußlegung und verkundung des evangeliums zu kainer zeit verhindert werden sollen [Hervorhebung von A. G.]", fol. 3r) und die Weitung, man habe aus Hoffnung auf Einsicht gegenüber dem altgläubigen Klerus gehörige Milde walten lassen ("der gaistlichen, unnd irer anhennger gleich wol etlicher massen mit beschwernus unnser gewissen, aber doch nit one sonnder ursach, nit wenig verschont, der getrösten hoffnung, das der allmechtig sein gnad, durch die ainhellig gesund leer, bey denselbigen, so vil wurcken lassen, das si sich selbs von den mißpreuchen zu got und seinem rainen wort, von tag zu tag, ye lennger ye mer ... keren werden.", fol. 3v-4r). Auch hinsichtlich des Gehorsams gegenüber Kaiser und Reich betonte man nachdrücklich die edlen Motive, von denen man sich habe leiten lassen, "das wir als ain underthenigst und gehorsam mitglid des hailigen reichs, bey frid, und recht pleiben, und nit unpillich gehanndthapt werden sollen" (fol. 4v). Anerkennung der Herrschaft Herzog Ulrichs über sein Stammland Württemberg und Einstellung aller Reichskammergerichtsprozesse gegen protestantische Reichsstände. StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad 4.8.). Vgl. Broadhead, Politics, 376. Vgl. oben die gescheiterten Bemühungen Ende 1530 (Kapitel 4.2.), Gutachten über geeignete Bündnisse (Kapitel 7.4.2.), Bündnisbemühungen Sommer 1533 (Kapitel 8.3.). Zu dieser letzten schließlich erfolgreichen Phase der Anschlußverhandlungen an den Schmalkaldischen Bund vgl. insgesamt: Roth, Reformationsgeschichte II, 282-288. Hierzu die einzelnen Abschriften am Ende des folgenden Faszikels: StAA, EWA-Akten, Nr. 487, fol. 52v-62v (bricht ab). Darin enthalten: Einzelne Vertragsbestimmungen des Bundes; Ablehnung von Argumenten, die gegen eine Vereinigung mit den schmalkaldischen Bundesgenossen stehen. Auch: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 32 (ad 25.8.). Vgl. Dommasch, Religionsprozesse, 68f. Am gleichen Umstand waren schon frühere Beitrittsverhandlungen gescheitert, siehe oben Kapitel 8.3.
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behalf sich Augsburg in den kommenden Monaten vorerst wieder mit einer regen Korrespondenz mit Ulm und Nürnberg über die anstehenden politischen Fragen.60 Unterdessen war auf königlicher Seite eine geballte Reaktion als Frucht der ständigen Klagen des Augsburger Bischofs und Domkapitels sowie der Diplomatie Leonhard von Ecks zu erwarten. Über all diese Vorgänge war der Augsburger Rat aus erster Hand informiert, denn man hatte den Ratskonsulenten Wolfgang Vogt61 an den königlichen Hof geschickt, um über alle Entwicklungen im Bilde zu sein.62 In Fortsetzung einer im Mai 1534 auf Drängen des Augsburger Domkapitels und des Kanzlers Eck gestarteten Initiative63 wurde der königliche Rat Jakob von Landau nun endlich mit einer Instruktion Ferdinands, die im August erarbeitet worden war, nach Augsburg gesandt.64 Landau sprach am 29. September 1534 beim Augsburger Rat vor. In der von ihm mitgeteilten Instruktion wurde der Rat unter Hinweis auf die Gnadenerweise früherer Habsburger Kaiser und Könige an Augsburg aufgefordert, die Forderungen des Domkapitels65 zu erfüllen. Gleichzeitig zog Landau eine schriftliche Mahnung von allerhöchster Seite aus der Tasche, die nach mehrmonatiger Reise endlich an ihr Augsburger Ziel gelangte. Es handelte sich um einen an Bischof, Domkapitel, Bürgermeister und Rat adressierten Brief im Stile eines kaiserlichen Mandates, den Karl V. aus dem kastilischen Ort Valladolid mit Datum vom 4. Juli geschrieben hatte.66 Diese kaiserliche Reaktion war vom Augsburger Bischof und Domkapitel noch in den Tagen der Verhandlungen um die Disputation im Mai 1534 initiiert worden67 und gelangte nun von den Ereignissen völlig überholt zur Kenntnis der Adressaten. Aufgrund dieser langen zeitlichen Verzögerung machte auch der äußerst schroffe Ton des Mandates68 kaum Eindruck auf die Augsburger, die sich zunächst nur ans 60
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Im Zusammenhang damit stehen auch ein Treffen von Gesandten und ein Vertragswerk der drei Städte: StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 1.-4.10.); Ratifizierungen der Beschlüsse in Ulm vom 9.10. und Nürnberg vom 10.10.; vgl. ebd. Roth, Reformationsgeschichte II, 217f.; Schmidt, Haltung, 223. Die einzelnen Briefe folgen chronologisch weiter unten. Über das Leben und die Tätigkeit dieses Ratskonsulenten und Syndikus ist kaum etwas bekannt. Er fungierte auf dem Regensburger Reichstag 1532 als Augsburger Gesandter; vgl. Roth, Reformationsgeschichte II, 42. StAA, EWA-Akten, Nr. 489. Roth, Reformationsgeschichte II, 216. Vgl. oben Kapitel 9.2.2. und 9.3. StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad 29.9.). Roth, Reformationsgeschichte II, 217. Hauptsächlich: Aufhebung des Predigtverbotes und Rückgabe der Kirche St. Johannes. SAA, Augsburg-Domkapitel: Urk. Nr. 3886; StAA, LitSlg, 1534, Juni-Sept. (ad 4.7.) (3 Abschriften); Nachtrag 1532/36 (ad 4.7.); Druck: Wolfart, Reformation, 155f. Dazu: Wolfart, Reformation, 11 lf.; Roth, Reformationsgeschichte II, 217; Immenkötter, Verantwortung, 87f. Roth, Reformationsgeschichte II, 161 und 170f., Anm. 59. "so gepüetten wir demnach euch allen und yeden besonder bey den pflichten, damit ir uns und dem haylichen reich verwandt seit, auch bey Vermeidung unser schweren ungnad und sonderlich bey peen gemelter rechten und abschiden, privierung und entsetzung aller regalien, lehen, gnaden und freyhaiten" (Wolfart, Reformation, 155). Karl V. berief sich in diesem
203 Werk machten, um ihre Religionspolitik gegenüber der königlichen Instruktion zu rechtfertigen. Zu diesem Zweck erbat sich der Rat umgehend Bedenkzeit, nutzte die gewährte Frist zu Beratungen auf dem Bundestreffen mit U l m und Nürnberg Anfang Oktober und bezog den Großen Rat in die Besprechungen mit ein. 69 Der Große Rat gab Landau die Antwort, daß man sich noch weiter beraten müsse. 70 Landau schrieb wenige Tage später, daß er die Antwort des Großen Rates akzeptiere, eine direkte Rechtfertigung auf die von ihm übergebene königliche Instruktion freilich noch ausstehe. 71 Der Augsburger Rat ging in seiner Vorsicht noch weiter und übersandte an den Geheimen Rat von U l m und die Ratsältesten von Nürnberg die Entwürfe für Rechtfertigungssschrifiten an den König und an den Kaiser mit der Bitte um Stellungnahme. Die Ulmer begründeten in ihrem Antwortbrief ihre kritisch vorgenommene Auseinandersetzung mit den Augsburger Entwürfen damit, daß es um Sachverhalte ginge, die auch ihre eigenen Verhältnisse beträfen. 72 Anstelle von Korrekturvorschlägen wiesen die Ulmer auf ein entscheidendes Detail hin, das die Augsburger bei ihrer Rechtfertigungsschrift wohlbedacht formulieren sollten. Es ging dabei um die Feststellung und ausdrückliche Betonung der Vorläufigkeit aller Maßnahmen gegenüber dem König bzw. dem Kaiser. 73
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strikten Verbot, "kain neuerung, in der religion oder ceremonien, in was gestalt das sein möcht, [zu] erdenken noch fur[zu]nemen" (Wolfart, Reformation, 156) - ebenso wie die Augsburger zur Rechtfertigung ihrer gegenteiligen Maßnahmen - ausdrücklich auf die Augsburger Zusagen von 1530 und den Nürnberger Anstand 1532. Zur Erinnerung: Die alljährlichen Sitzungen des Großen Rates fanden am 17. Oktober statt. StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 17.10.). Hierzu und zum Folgenden: Roth, Reformationsgeschichte II, 217-220; Broadhead, Politics, 368-370. StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 22.10.; Einlauf: 25.10.). StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 26.11.): "(r) Nachdem unns aber ietziger tage die zeit ain klain gerampt, unnd zu aigentlicher vernemung vorhabennder entschuldigunng platz geben, haben wir unns inn uberschickten Sachen fleißig unnd nicht ringers lasts, dann so sie unns selbst anlanngen, mit guttem müssen, ungeeillt von ainem zu dem anndem, durchaus ersehen. Unnd so wir die mit allen gelegenhaiten bester notturfft zuerwegen, inn unns fum, finden wir uß ringfurgem verstanndt, das dis alles fursichtig ordenlich, hochvernünfftig, unnd wie sich das uß herrschender notturfft, zu darthunung gegrunts fugens gezimpt, Dermassen beratenlich inn das wergk komen, das wir daran nichtzit sonders tadlen enndem oder verbessern konnden, obwoll wir unns nun zu demselben, noch auch Ewer Fkait, weg, maß, oder bericht, zuzaigen, zugering erkennen." StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 26.11.): "(r) So wir aber darumb ersucht, gepurt unns dagegen Ewer Fkait, unnser nachtpar bedenncken zueröffnen. Unnd wie unns hierauff ansehen, dass Ewer Fkait, derselben burger unnd unnderthanen gewißin halb, der unuermeidlich notturfft eruordern, das baidt schrifften, inn den puncten der religion, unnd wie E. Fkait desshalben ir beschirmung sucht, wol zuerklern unnd zu leutern, also das sie an den orten, dahin sie geuertigt ... nicht dahin gemaint, alls ob ir euch hierinn, die hanndt selbst kurzen oder euch dahin begeben, bey dem so ir geenndert (v) zu beleiben, stillzusteen, ... zu mergklicher geuar Ewer gewissen zuschreiten. Wo nun dis also uffgefanngen, haben E. Fkait zuerachten das darns eruollgte dass dem zuganng gottlichs worts unnd dem vollkomenlichen loff desselben gewört, und mercklichen abbruch entstünde."
204 Die Nürnberger erklären sich, ebenso wie die Ulmer, zwar grundsätzlich einverstanden, geben aber den taktischen Ratschlag, beide Entwürfe für die Schreiben an den König und den Kaiser an den Stellen zu kürzen, die lediglich das Erscheinen des königlichen Rates Jakob von Landau in Augsburg rekapitulieren.74 Bei der Aufzählung von Einzelgründen zur Rechtfertigung der kirchlichen Neuerungen sollte, nach Ansicht der Nürnberger, neben den geläufigen Gründen75 auch der Aspekt einer obrigkeitlichen Präventivmaßnahme gegen soziale Unruhen zum Ausdruck gebracht werden.76 Dieses Argument für kirchliche Neuerungen wäre schließlich auch schon von anderen Reichsständen und -Städten vorteilhaft verwendet worden. Um weitere Vorbehalte auszuräumen, müsse außerdem unter anderem betont werden, daß das vom Rat beschlagnahmte Kirchengut zur Unterstützung der Armen aufgebracht werde. Auch rieten die Nürnberger davon ab, das Mandat vom 29. Juli dem Schreiben beizulegen, da dies zur Grundlage gezielter Kritik gemacht werden könnte. Weiterer Kritik könne Augsburg nur durch die Zusage entgehen, daß man sich der künftigen Entscheidung eines freien Konzils unterwerfe und die im Kirchenwesen dekretierten Maßnahmen aus einem konkreten Notstand bzw. aktuellen politischen Handlungsbedarf heraus als gerechtfertigt betrachte und mit der Gehorsamspflicht gegenüber Kaiser und Reich für vereinbar halte.77 Inzwischen wuchs der politische Druck auf Augsburg, eine Antwort an König Ferdinand zu senden.78 Trotz der durch Vertreter des Domkapitels geschürten antiaugsburgischen Stimmung am Wiener Hof, durften die Augsburger bei geschickter Darlegung und Verteidigung ihrer Anliegen hinsichtlich der kirchlichen Änderungen auf eine günstige Reaktion durch Ferdinand hoffen. Denn dieser bemühte sich gerade eifrig um das Zustandekommen eines Bündnisses, für das er auch die süddeutschen Städte gewinnen wollte, wenngleich die Haltung in der Religionsfrage den Städten - besonders Ulm, Nürnberg und Augsburg - leicht zur Falle werden konnte. 74
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StAA, LitSlg, Nachtrag 1532/36 (ad 26.11.), fol. lr: "..., wölchs bey unnd darumb möcht umbgangen werden, das lannge schrifften zu hoff zuhörn etwas verdrießlich unnd die leng den verstanndt etwas verhindern möchte." StAA, LitSlg, Nachtrag 1532/36 (ad 26.11.), fol. lr: "gewissen, leib, ehr unnd gut". StAA, LitSlg, Nachtrag 1532/36 (ad 26.11.), fol. lr: "zertennung irer pollicey unnd sedition zufurkhomen". StAA, LitSlg, Nachtrag 1532/36 (ad 26.11.), fol. lv: "Dergleichen möchte auch im beschluß aingezaigter schrifften ain miltere weis gefuhrt werden, das ewr weishait [= der Augsburger Rat] aus besorgnus ainer grossen aufruhr unnd zerrittung gemaines bürgerlichen friddens zu solichem furnemen geursacht werden, der Zuversicht, die römische kayserliche unnd königliche maiestaten unnsere aller gnedigsten herrn werden solichs aus denselben angezaigten Ursachen, und kainer andern gestallt vernemen, dan ewr weishait erkhennen sich sonnst schuldig, der remischen kayserlichen unnd königlichen maiestaten allen unnterthenigen willen zuverzaigen." Hierzu und zum Folgenden: Roth, Reformationsgeschichte II, 219-222; Broadhead, Politics, 368-373; Dommasch, Religionsprozesse, 88.
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Als entscheidende Texte für die schriftliche und mündliche Antwort an König Ferdinand ergeben sich aus dem Quellenbefund der Literaliensammlung zwei Dokumente, die anschließend unter Auslassung ihrer ratsinternen Genese, jedoch unter Bezugnahme auf die beiden oben dargestellten Ratschläge aus Ulm und Nürnberg näher erläutert werden sollen.79 Der eine Text80 enthält als schriftlicher Bericht eine Verteidigung der Augsburger Vorkommnisse. Nach Auskunft des Textes waren zwei Anlagen dem Schreiben beigefugt: das kaiserliche Mandat von Anfang Juli 1534 und das Ratsmandat von Ende Juli 1534." Unterzeichnet ist der Text im Namen des Rates von den Gesandten Ulrich Welser und Stefan Eiselin. Diese beiden Ratsherren wurden in geheimer diplomatischer Mission an den Wiener Königshof gemeinsam mit dem Stadtschreiber Johann Hagk am 9./10. Dezember 1534 auf den Weg geschickt.82 Der Text setzt mit einer Bestätigung ein, daß die königliche Instruktion vom September des Jahres im Rat verlesen und zur Kenntnis genommen wurde. Doch wird gleich der Befürchtung Ausdruck verliehen, man sei durch Verleumdungen und falsche Unterrichtung von König und Kaiser in deren Ungnade gefallen. Mit dem gezielten Hinweis auf die seit Generationen bewährte Zusammenarbeit und Gunst zwischen dem Haus Österreich und der Stadt Augsburg werden solche Unterstellungen noch im Einleitungsabsatz wirkungsvoll wieder zerstreut. Da trotz der harten Vorwürfe gegen Augsburg - nämlich der Verstoß gegen den Reichsabschied von 1530, das kaiserliche Erbieten und den Anstand83 - der König doch einer Audienz zugestimmt habe, getraue man sich, an die kaiserliche und königliche Huld gegenüber den Augsburgern als treuen Untertanen zu appellieren.84 Nach derartig honigsüßer Einleitung, in der u.a. sehr geschickt die Umstän-
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Eine Rekonstruktion der ratsinternen Entstehung anhand der in den unterschiedlichen Faszikeln der Literaliensammlung verstreuten Texte würde möglicherweise nicht zum gewünschten Erfolg fuhren, nämlich eine detaillierte Gewichtung und Interpretation der in ihnen enthaltenen Argumente vornehmen zu können. Die Auseinandersetzung mit den sowohl chronologisch als auch inhaltlich eindeutig aufeinander beziehbaren Briefratschlägen aus Ulm und Nürnberg erscheint dagegen ertragreich. Somit soll einer fruchtlosen Kritik aus dem Weg gegangen werden, wie sie Broadhead, Politics, 368, Anm. 5 in Auseinandersetzung mit Roth, Reformationsgeschichte II, 219 fuhrt, ohne sich selbst über die Gattung der in Frage stehenden Texte (StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4 und Nr. 5) im Klaren zu sein. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4; Selekt "Wiedertaeufer & Religionsacten" (ad Religiosa). Beide Exemplare sind undatiert, vermutlich ist der Text in dieser Form Anfang Dezember 1534 entstanden. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4, fol. 2r, 2v. Der Gesandtenbericht, der erst zu Beginn des Folgejahrs in Augsburg eintraf, befindet sich: StAA, LitSlg, Nachtrag 1532/36 (ad 1535). Er enthält keine bemerkenswerten zusätzlichen Informationen. Roth, Reformationsgeschichte II, 220. Nürnberg/Regensburg 1532. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4: "(1 v) ... so haben doch unnsere herren sich dessen nit wenig erfreut, das eur kon. Mt., als ain milter kunig unnd unnser allergnedigster her, si zu underthenigster verhör bericht und entschuldigung gnedigstlich kommen last, des gegen eur
206 de der Durchführung des Ratsmandates dargelegt werden, werden anschließend die Fakten präsentiert. Der Hauptteil und Rest des Textes besteht aus einer recht breit angelegten Apologie des Ratsmandates. Unter Hinweis auf die Bedeutung christlicher Werte und den gesellschaftspolitischen Zugzwang, die den Rat zu den Änderungen im kirchlichen Leben der Stadt veranlaßt haben, wird die vorläufige Gültigkeit der Maßnahmen bis zu den umfassenden Kirchenreformbeschlüssen eines allgemeinen freien Konzils betont.85 Ausgehend von diesen grundsätzlichen Feststellungen fährt der Text fort, daß - wie in der Vergangenheit - auch in Zukunft das Untertanenverhältnis des Augsburger Rates gegenüber dem Kaiser und dem König außer Frage stehe. In diesem Sinn halte der Augsburger Rat die dekretierten Maßnahmen auch für vereinbar mit früheren Reichsabschieden, die Augsburg angenommen habe, und den Bestimmungen der letzten beiden Reichsabschiede - 1530 und 1532 - , die Augsburg aus Gewissensgründen nicht habe annehmen können und statt derer die Reichsstadt dem Kaiser besondere Zusagen zur Ordnung des religiösen Lebens in der Stadt gemacht habe. Diese Zusagen habe Augsburg auch Punkt für Punkt eingehalten, dagegen sei die Konzilsankündigung diverser Reichsabschiede immer noch nicht eingelöst worden. Auch träfe der Vorwurf gegen Augsburg nicht zu, durch das Ratsmandat seien die kaiserlichen Bestimmungen des Nürnberger Anstands und Regensburger Mandats von 1532 verletzt worden.86 Außerdem wird auf den nach wie vor nicht angetasteten Rechtsstatus der altgläubigen Körperschaften innerhalb der Stadt hingewiesen. Ihren Vertretern sei - und auch das nur vorläufig - lediglich das Predigen verboten und nur das Pfarr-
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kon. Mt. si sich zum allerunnderthenigsten bedancken . . . . (2r) ... yedoch dweyl die kay. und eur kon. Mt. nit weniger, dann ire voreitern des gepluts von Osterreich, fridlich, gutig, unnd milt kayser kunig, unnd herren, die auch genaigter sein, ire unnderthenigsten gehorsamen underthunen, unnd mitglider des heiligen reichs zuschirmen unnd in iren gewissen unbeschwert uffrecht zuerhalten, dann die verderben zulassen, unnd also dardurch ir selbs hilff zuschmelern, darzu unnsere herren, gegen den mißprechen kain rauen, sonnder nach gestalt der Sachen ain unbeschwerlichen weg, mit aller beschaidenhait furgenommen haben, so sein si unnsere herren der unnderthenigsten hoffhung, das ain erbarer Großer Rat, unnd gemaine stat Augspurg, bey irer relligionischen handlung, wol besteen, und darbey nit allain gottes huld behalten, sonnder auch durch sein göttliche Schickung, bey der kay. und eur kon. Mt. in gleichen gnaden ... pleiben mögen unnd werden." StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4: "(2v) darinn [gemeint ist das Ratsmandat] ye unnsere herren kain zeitlichen genies, wol allain die eer gottes, unnd der seelen seligkait gesucht und unnder annderm betracht haben, dweyl ain lannge zeither uff vilen reichstägen, mermalen ain frey gemain christenlich concilium verabschidet, unnd doch bisher weder ußgeschriben noch gehalten worden ist, das inen hiezwischen, und des verlenngten conciliums, sich unnd ire unnderthunen zubedenncken, von nöten sein wöll, die aber also beschaidenlich gehanndelt haben, das si solher irer hanndlung halben das götlich recht, verhör, entschid, und alle pillichait, in ainem freyen gemainen christenlichen concilio, oder christenlicher nationalversamlung, dahin die Sachen des glaubens christenlich zuerörtern, gehöm, neben anndern stennden, die der eingerißnen mißpreuch halben, ainer gepürlichen reformation verhoffen, wol erleiden mögen." StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4, fol. 3r-4r.
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zechenvermögen sei zugunsten der städtischen Armenfursorge, die den gegenwärtigen wirtschaftlichen Notstand in der Bevölkerung zu lindern hat, eingezogen worden.87 Schließlich wird im letzten Absatz des Textes die Hoffnung geäußert, daß den Augsburgern die kaiserliche und königliche Gunst erhalten bleiben möge. Dabei wird als Begründung ihr besonnener kirchenpolitischer Kurs angesprochen, durch den sie es bisher vermieden hätten und wohl weiterhin vermeiden würden, sich an den Obrigkeitsrechten anderer zu vergreifen oder sich einer allgemeinen christlichen Entscheidung durch ein Konzil oder eine Nationalversammlung zu entziehen. Die Äußerung dieser Hoffnung wird unterstrichen durch eine erneute Gehorsamszusage gegenüber Kaiser und König, allerdings mit dem deutlichen Hinweis, daß von den bereits erfolgten Änderungen im religiösen Leben Augsburgs aus Gewissensgründen und aus Furcht vor Unruhen vorläufig nicht abgesehen werden könne.88 Außer diesem schriftlichen Bericht reichsstädtischer Rechtfertigung gegenüber dem König hat sich ein Manuskript einer dazu gehörenden Gesandtenrede erhalten. Es ist allerdings nicht näher nachzuweisen, ob es sich bei diesem Manuskript um die Vorlage einer tatsächlich vorgetragenen Rede handelt.89 Es werden darin die bereits im schriftlichen Bericht formulierten Gedankengänge wiederholt und deutlich verteidigt. Namentlich wird wiederum Bezug genommen auf die erwartete Konzilsankündigung und das innerhalb der Stadt gescheiterte Vorhaben eines 87
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Hier klingen wiederum sowohl das - theoretisch noch im Raum stehende - städtische Religionsgespräch als auch das freie Konzil an: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4: "(4r) ... iren Predigern ain zeit lanng, uß den Ursachen im truck [gemeint ist das als Anlage dem Text beilegete Ratsmandat] verleibt, mit iren widerwertigen predigen zu ru zusteen undersagt worden, so ist doch solhs kainer anndem gestalt, noch lennger, dann bis die ir leer mit unfeligem grund, der schrift erzeugenn, beschehen, zu sampt dem, das den gaistlichen mitlerweil, der weg zu dem wort der herrn, vermög des trucks, offen und zuwanndlen bevor stat, so haben unnsere herren, die übrigen, usserhalb der acht kirchen, im truck bestimpt kainer anndem maynung, dann umb Vermeidung willen etlicher mißpreuch, und auch (4v) nit lennger, dann bis uff das schierist frey gemain christenlich concilium, oder national versamlung, und christenliche enndrung beschlossen, und nichts dann das den zechen (das ist iren pfarmenngin) zugehörig, und weder dem hohen noch den andern stiften oder clöstern ergeben worden ist, herdann nemen lassen, welhs si auch weder in iren aignen noch gemainen nutz bewenndt, sonder nach ußweißung des trucks den armen dürftigen Christenleuten, in diser werenden theure, und hungersnot, neben der sonndern personen, und des almusenseckels täglichen hilffen zur uffenthaltung gereicht." StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 4: "(4v) ... dann ye unnsere herren, one merckliche beschwemis irer gewissen, und one gevard allerlaj unrats, von irer hanndlung im truck begriffen, so merers tails in (5r) das werck kommen, und volbracht worden ist, nit weichen, noch dero abprechen künnen ...". StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 5; die auf der vorderen Umschlagseite angebrachte Dorsalnotiz spricht eher für ein - für den eigentlichen Vortrag noch geändertes - Konzept als fur eine Abschrift des tatsächlich gehaltenen Gesandtenvortrages. Wie weiter oben bereits in der Diskussion mit der Sekundärliteratur vermerkt, kann es sich schon aufgrund äußerer Kriterien bei Nr. 5 nicht um "the original draft", bei Nr. 4 um lediglich "another draft" (Broadhead, Politics, 368f.) handeln.
208 Religionsgespräches. 90 Ferner wird - als markantester Punkt, in dem der Text über den schriftlichen Bericht inhaltlich hinausgeht - die Inbesitznahme der St. Johanneskirche durch den Rat," gegen die das Domkapitel wiederholt ausdrücklich protestiert hatte, mit den gleichen Argumenten wie im schriftlichen Bericht gerechtfertigt. Neben diesem Text, der als ergänzende Ausführung des vorher behandelten Berichtes angesehen werden muß, ist auch dessen an den Kaiser persönlich gerichtetes Pendant aufschlußreich, wobei dieser als Adressat einer Augsburger Rechtfertigung auch im Bericht an den König schon immer wieder mit einbezogen war. Auch in diesem Rechtfertigungsbericht an den Kaiser92 wird zu Beginn auf die Gesandtschaft des königlichen Rates Jakob von Landau Ende September Bezug genommen, der zusätzlich zur königlichen Instruktion (s.o.) auch ein kaiserliches Mandat verlesen hatte. In diesem Mandat wurde u.a. ein scharfes Disputationsverbot ausgesprochen. Deshalb wird in der Augsburger Antwort an den Kaiser auch über die bereits in den anderen Rechtfertigungsschreiben formulierten Inhalte zusätzlich hinausgegangen. Der scharfe Ton des damaligen Mandates wird auf bewußte Fehlinformationen des Kaisers durch Gegner der Augsburger Ratspolitik zurückgeführt und daher in einiger Ausführlichkeit der Versuch einer Klarstellung unternommen. So wird die mit der Disputation verfolgte Absicht noch einmal näher erläutert.93 Nachdem sich die Ratsprädikanten einmal zu einer Disputation angeboten hätten, wäre dem Rat zur Behebung der Unruhe stiftenden und zwiespältigen Wortverkündigung in der Stadt keine andere gleichermaßen unkomplizierte sowie erfolgversprechende Möglichkeit in den Sinn gekommen, als der Vorschlag einer Disputation.94 Der Text enthält daneben die bereits be-
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StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 5, fol. 3v; zu Konzil bzw. Nationalversammlung auch: fol. 6r, lOr. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 5, fol. 4v-5r. Vgl. dazu unter anderem: Roth, Reformationsgeschichte II, 217. StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 10.12.); Nachtrag 1532/36 (ad Dez.1534) (beiliegend das Ratsmandat vom 29. Juli 1534). Roth, Reformationsgeschichte II, 224; Seebaß, Kirchenordnung, 35, Anm. 11. Vgl. oben Kapitel 9.3. StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 10.12.): "(lv) Das aber unnsere Predicanten in etlichen articuln aus geachter schuldiger pflicht ires underfanngnen ampts widersprochen, durch die schrifft taglich bestriten und das widerspill in ainem freien gemainen christenlichen Concilio National, oder anderer christenlicher versamlung oder gesprech mit beystand und grund der hailigen schrifft zubeweisen, außzufuern und zuerhalten sich erpotten, welche zwitracht, so vil überhand genomen, das wir darbey nit wenig besorgt haben, das allerlay vemere geverliche Zerrüttungen an seel, leib und gut daraus entsteen mochten, Die wir so vil an unns zuverhueten unns schuldig erkennen, haben wir (als wir mit Got bezeugen) ye kain anndern bequemern noch fridlichern weg finnden kunnen, Dardurch solche Spaltung, zwitracht und besorgt widerwertigkaiten den gaistlichen, unns und den unnsern zu gutem furkommen werden mocht. Dann das der gaistlichen und unsere predicanten in gleicher anzal christenlicher beschaidenhait bruederlicher lieb unnd höchster begird des frids und der ainigkait zusammen kommen, die stritigen articul fur die hand nemen, und dieselbigen mit vorgeennder andechti-
209 kannten Äußerungen über die Erfüllung bisheriger reichsrechtlicher Bestimmungen und endet mit der Zusage, sich einer künftigen Konzilsentscheidung unterordnen zu wollen, und der damit verbundenen Bitte um kaiserliche Gnade. 95
10.3. Ausblick auf die Entwicklung nach 1534 Mit diesem Schreiben an den Kaiser hatte sich der Augsburger Rat96 in seinem Rechtfertigungsstreben an die höchste weltliche Obrigkeit gewandt. Die zahlreichen Argumente, 97 die sich seit den Augsburger Zusagen vier Jahre zuvor in einer großen Zahl v o n Gutachten, Gegengutachten und Stellungnahmen angesammelt hatten, wurden darin noch einmal geäußert. Die politischen Umstände innerhalb Augsburgs und um die Reichsstadt herum hatten sich jedoch in einer Richtung gewandelt, die für die Zukunft eine andere Form politischer Positionsbestimmung notwendig machte. Dies läßt die Vermutung zu, daß allein der Rechtfertigungsdruck, dem die Reichsstadt Augsburg in der zweiten Jahreshälfte 1534 ausgesetzt war, in der Folgezeit zu weiteren eindeutig kirchenpolitischen Maßnahmen nötigte. 98 Der wachsende Druck zeigte sich schon Ende Januar 1535, als im Vorfeld
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gen anruefung der gnad des hailigen Gaists unnd Rechts lautem Verstands erwegen, derhalben amannder christenlich und bruederlich erinnern und sich also durch die heilig unfelig schlifft vergleichen mochten, Daraus sich alß dann was furohin bis auf das vil vertröst frey gemain christenlich Concilium National oder ain andere christenliche versamlung und erörterung zupredigen sein erfunden haben wurde, Also das wir ye kain offen(2r)liche disputation Turbis coadunatis, mit versamelten rotten furgeschlagen noch an dem waren christenlichen glauben gezweifelt, sonnder aus obvermelten Ursachen allain ain christenliche erinnerung und vergleichung gesucht und gepeten haben, der getrösten hoffnung das unns Got auch furohin vor dem abfall seins lautem worts behueten werde." StAA, LitSlg, 1534, Okt.-Dez. (ad 10.12.), fol. 4r. Über die Art und Weise der Formierung einer Obrigkeit im Rat und die kollektiven Zusammenhänge inner- und außerstädtischer Persönlichkeiten vgl. Kapitel 5.1. und 5.4. Besonders sei erinnert an folgende Argumente: Die Auswirkungen des Gewährenlassens des altgläubigen Kultus, die Hoffnung auf ein freies Konzil, der Plan auf eine Verständigung mit den Altgläubigen in der Stadt (Bischof und Stifte) auf dem Wege eines Glaubensgespräches. Dies alles sollte zur Erhaltung des politischen, sozialen und ideellen Friedens in der Stadt dienen. Dagegen: Immenkötter, Verantwortung, 88: "Bei Bekanntwerden der kaiserlichen Argumentation war die entscheidende Weichenstellung im Hinblick auf die endgültige Reformation in der Reichsstadt längst erfolgt. ... Es war dies nur der Auftakt zur vollständigen Reformation in der Reichsstadt drei Jahre später. Noch scheute der Rat ängstlich vor einer vollständigen Preisgabe seiner so erfolgreichen Politik eines Mittelweges zurück." Der ersten These dieses Zitates kann ich aufgrund der Auswertung der Quellen nicht zustimmen. Deshalb teile ich auch nicht die Folgerungen, die Immenkötter aus ihr zieht. Vom Erfolg der Politik des mittleren Weges konnte spätestens seit 1530 überhaupt keine Rede mehr sein. Nur ein Nachhall dieses Konzeptes ermöglichte den reformationspolitischen Kurs bis 1534; vgl. dazu Kapitel 3.2. und Kapitel 10.3.
210 der Konstituierung eines königlichen Bundes in der Nachfolge des Schwäbischen Bundes die altgläubigen Nachbarn von den Augsburgern forderten, die Änderungen im Kirchenwesen wieder vollständig rückgängig zu machen." Durch den - im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten - wiederholten Rechtfertigungsdruck war die Reichsstadt Augsburg gezwungen, eindeutig för die Reformation Stellung zu nehmen und auch in den verhärteten Fronten zwischen altgläubigen und protestantischen Reichsständen unmißverständlich Position zu beziehen. Dies hatte für die Augsburger Religionspolitik schwerwiegende Folgen. Die kommenden Jahre, also die Zeit zwischen 1534 und 1537, müssen daher als eine zweite Phase des Augsburger Weges zur Reformation angesehen werden.100 Ganz im Gegensatz zur ersten Phase, die in dieser Arbeit untersucht und deren Offenheit und Dialogcharakter anhand der Quellen dargestellt wurde, ist die zweite Phase inhaltlich durch eine auf Initiative der reichsstädtischen Obrigkeit intensiv betriebene Institutionalisierung, d.h. eine Aufrichtung des Ratskirchenregiments, zu charakterisieren. Sie erwächst aus dem Scheitern einer um Dialog bemühten 99
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Die Forderungen wurden hauptsächlich auf Betreiben Bayerns aufgestellt: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 7: z.B.: Die Einschränkung der Rechte von Bischof und Domkapitel müssen aufgehoben, die versperrten Kirchen geöffnet, der rein altgläubige Kultus und die altgläubige Predigt in den Kirchen wiederhergestellt werden, evangelischer Gottesdienst dürfe nur in den Predigthäusern stattfinden und zukünftige Neuerungen würden vor dem Gericht des neuen Bundes geahndet. Bei Verweigerung dieser Forderungen würde keine Aufnahme in den Bund erfolgen. Die unausgesprochene Alternative und gleichzeitig inhärente Drohung war die politische Isolierung der Reichsstadt Augsburg. Roth, Reformationsgeschichte II, 224f.; Dommasch, Religionsprozesse, 88. Broadhead, Politics nimmt in der Augsburger Reformationsgeschichte ebenfalls im Jahr 1534 einen Einschnitt zu einer neuen Phase vor. Ihren Anfang charakterisiert er besonders durch die Einführung der Predigerbestallung (vgl. dazu und zu den anderen Kennzeichen für den Phasenumbruch weiter unten im Text) als "beginning of the magisterial Reformation" (ebd., 393). Das gesellschaftspolitische Charakteristikum dieser Phase ist für Broadhead die Sicherung und Festigung der Machtposition der städtischen Oligarchie mit gleichzeitig einhergehender Zügelung der protestantischen Bewegung in der Stadt. Broadhead (ebd., 387): "The major changes which occurred in the domestic politics and foreign policy of Augsburg between 1535 and 1537 mark a new phase in the Reformation in the city. By 1535 the magistrates had taken control of the Protestant movement and were successful in imposing major doctrinal changes upon it, and in establishing a system of religious organisation and discipline which no longer presented a challenge to the authority of the ruling oligarchy. Prior to 1534 the Council had been on the defensive before a popular Protestant movement, in which an alliance of pastors and populace had challenged the spiritual and secular authorities. After 1534 the Protestant Church was brought under the dominance of the Council, whose rule it upheld in return for official recognition and support." Bleibt man bei dieser Einschätzung stehen, können wesentliche, die Ratspolitik der Jahre 1530 bis 1534 bestimmende Faktoren nur unscharf wahrgenommen werden. Dies gilt besonders für eine kirchengeschichtliche Würdigung der Inanspruchnahme weltlicher Kirchenhoheit durch die reichsstädtische Obrigkeit, die in der vorliegenden Arbeit durch die intensive Auseinandersetzung mit einzelnen zeitgenössischen Quellentexten mit dem Ergebnis erfolgt ist, daß der dialogische Charakter dieser Phase Augsburger Religionspolitik herausgearbeitet und näher bestimmt werden konnte.
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Politik der Mitte und Milde als Folge aus den gesamtpolitischen Entwicklungen, d.h. einer Verhärtung der religionspolitichen Fronten in der Nachbarschaft Augsburgs und im Reich. Daher war diese Politik, die das Dezennium vor 1534 in Augsburg gekennzeichnet hatte, nun nicht mehr durchzuhalten. Zudem ging es in der ersten, von Dialog und dem Austausch von Argumenten geprägten Phase um einen nur selektiven Eingriff in das Kirchenwesen,'01 der vor allem die der reichsstädtischen Obrigkeit untergeordnete Bürgerschaft im Auge hatte. Dagegen ist der angepeilte Ziel- und Endpunkt der zweiten Phase - entsprechend dem reformatorischen Vorbild anderer Reichsstände - die gesamtstädtische Vereinheitlichung des religiösen Lebens in all seinen Ausprägungen. Theologisch wurde der Kurs in diese Richtung von dem Prediger Wolfgang Musculus, einem der profiliertesten unter den Augsburger Reformatoren, vor allem zwischen 1534 und 1537 in einigen unter anderem an den Augsburger Rat gerichteten Memoranden und theologischen Schriften formuliert.102 In Anknüpfung an Bucer entwickelte er eine Lehre vom Amt der Obrigkeit, die für die Reichsstadt erst mit der Kirchenordnung 1537 und dem darin begründeten Ratskirchenregiment verwirklicht wurde.103 Dieser sich ab 1534 anbahnende und ab dem Folgejahr weiter fortschreitende Übergang kommt durch eine Reihe von Vorgängen deutlich zum Ausdruck. Die Augsburger Obrigkeit tritt bei diesen Vorgängen in zweifacher Weise in Erscheinung. Entweder tritt sie bei Begebenheiten, die sich auf regionaler Ebene (in der Nachbarschaft) vollziehen als ein reichsständischer Repräsentant unter mehreren hervor, oder bei Vorgängen, die sich auf das Gebiet der Reichsstadt beschränken, als maßgeblich handelndes Subjekt. Die damit verbundenen Ereignisse sollen kurz dargestellt werden. Auf reichs- oder ständepolitischer Ebene vollziehen sich nacheinander die Auflösung des Schwäbischen Bundes (Februar 1534) und die endgültige Ratifizierung des Städtebündnisses zwischen Ulm, Nürnberg und Augsburg (März 1534). Im Juni 1534 folgt die Restituierung des Herzogs von Württemberg mit der nachfolgenden Einfuhrung der Reformation in seinem Territorium. Gegen Ende des Jahres setzen darüber hinaus zwei Bemühungen ein, die sich im Folgejahr fortsetzen. Es ist einerseits der Versuch König Ferdinands, den Schwäbischen Bund erneut ins Leben zu rufen, und andererseits das ernsthafte Bestreben Augsburgs um Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund.104 Dieser bündnispolitisch wichtige
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Nämlich: Die Gewährleistung einer einheitlichen evangelischen Verkündigung an allen Predigtstätten. Vgl. Ford, Unter dem schein...; sowie: Hans, Gutachten, 55-60; Dellsperger, Musculus, 97ff. Vgl. neben der oben angegebenen Literatur, die sich ausfuhrlich mit der Theologie Musculus1 befaßt, auch die Wiedergabe einiger seiner Gedankengänge in dem oben (Kapitel 8.2.) im Hinblick auf die Widerlegung einiger Einwände gegen eine Reformation (Tabelle: Widerlegung 17, 19, 22) erörterten Gutachten des Musculus: StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag II, Nr. 27. Von diesen Aspekten war in den unmittelbar vorangegangenen Kapiteln dieser Arbeit immer wieder die Rede.
212 Schritt gelingt endgültig im Frühjahr 153 6.105 Bald darauf folgt auch die theologische Einigung zwischen den Augsburger Predigern und den Wittenberger Theologen durch den Abschluß der Wittenberger Konkordie im Mai 1536;106 ihr war schon im Juli 1535 eine direkte Aussöhnung zwischen Luther und Augsburg vorausgegangen.107 Auf innen- bzw. stadtpolitischer Ebene vollzieht sich immer mehr eine Vereinigung von weltlicher und kirchlicher Autorität allein in den Händen des Rates. Dies geschieht nacheinander durch die Bestallung der städtischen Prediger durch den Rat 153 5108 und die Kombination des Amtes der Kirchenpröbste mit der Institution eines Pfarrgemeindekonventes zur laikal-politischen Überwachung der Prediger109 im Verlauf des Jahres 1535. In einem zweiten Schub wird diese Überordnung der weltlichen Gewalt über das Kirchenwesen in der Stadt im Januar 1537 mit der Einführung einer Kirchenordnung vollzogen, mit der die vollständige Reformation und Neuordnung des Kirchenwesens in der gesamten Stadt durchgeführt wird.110 Im August desselben Jahres wird diese Kirchenordnung mit dem Erlaß einer alle Lebensbereiche der Bürger reglementierenden und kontrollierenden Zucht- und PoliceyOrdnung ergänzt.11' Anhand dieses Ausblickes und im Rückblick auf die Ratspolitik der Jahre 1520 bis 1534 läßt sich deutlich erkennen, wie die Wahrnehmung der Kirchenhoheit des Rates sich phasenweise entwickelte, wobei der Rat erst 1537 im vollen Besitz der Kirchenhoheit war.
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Vgl. Roth, Reformationsgeschichte II, 287f.; Dommasch, Religionsprozesse, 84. Roth, Reformationsgeschichte II, 256-263; Broadhead, Politics, 386. Vgl. dazu folgende Lutherbriefe: An Bürgermeister und Rat von Augsburg vom 20. Juli 1535 (WA.B 7, 210ff., Nr. 2211), an die Geistlichen zu Augsburg vom 5. Oktober 1535 (WA.B 7, 289ff., Nr. 2253), an Bürgermeister und Rat von Augsburg vom 5. Oktober 1535 (WA.B 7, 291 f., Nr. 2254; Rassow, Reichstage, 276 [Faksimile und Transkription]), an die Kirchenpfleger zu Augsburg vom 5. Oktober 1535 (WA.B 7, 292, Nr. 2255) und an Bürgermeister und Rat von Augsburg vom 29. Mai 1536 (WA.B 7, 420ff., Nr. 3029). Die drei Briefe an Bürgermeister und Rat von Augsburg im Original: StAA, Schätze, Nr. la. Vgl. unter anderem: Roth, Reformationsgeschichte II, 241-252; Broadhead, Politics, 383ff. Vgl. Sehling, Kirchenordnungen XII/2, 46ff.; Broadhead, Politics, 389-397. Diese Institution wurde bis 1537 noch weiter reglementiert; vgl. Broadhead, Politics, 408. Vgl. Sehling, Kirchenordnungen XII/2, 50-64; Roth, Reformationsgeschichte II, 309ff.; Broadhead, Politics, 400-408. Vgl. Broadhead, Politics, 409ff.
11. Zusammenfassung 1. Die reformatorische Entwicklung in der Reichsstadt Augsburg ist durch zwei Phasen gekennzeichnet, die sich sowohl inhaltlich aufgrund der verschiedenen regionalen und überregionalen Begebenheiten, als auch zeitlich deutlich voneinander abgrenzen lassen. Die erste Phase erstreckt sich vom Beginn der 1520er Jahre über den Augsburger Reichstag 1530 als wichtigen Einschnitt bis zu den entscheidenden reichsund ständepolitischen sowie stadtinternen Ereignissen im Jahr 1534. Die zweite Phase umfaßt die durch eine intensiv betriebene und zunehmende Institutionalisierung charakterisierte Entwicklung der Augsburger Reformationsgeschichte nach 1534 und dauert bis 1537, dem Jahr also, in dem die Reformation in Augsburg als vollständig, d.h. gesamtstädtisch, durchgeführt angesehen werden muß. Die vorliegende Arbeit befaßt sich ausschließlich mit der ersten Phase, die im Gegensatz zur zweiten durch ihren vorherrschend dialogischen Charakter gekennzeichnet ist. 2. Die Verbreitung reformatorischen Gedankengutes nahm in Augsburg zu Beginn der 1520er Jahre ihren Anfang.1 Dieser Prozeß war im wesentlichen bestimmt von der öffentlichen reformatorischen Verkündigung, deren Inhalte sehr von dem geistigen Profil und der Radikalität des theologischen Ansatzes eines jeweiligen Predigers abhängig waren. Zustimmung von seiten der Augsburger Bevölkerung kam vielfach aus einigen Zünften und deren sozial schwächsten Mitgliedern. Die sich in dieser Gestalt formierende reformatorische Bewegung in der Stadt führte bald zu einer kritischen Infragestellung des labilen Gleichgewichtes der städtischen Gesellschaft. Dies geschah im Verlauf der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse der 1520er Jahre mehrmals. Der vom Patriziat und den reichen Kaufmannsgeschlechtern dominierte Kleine Rat und Dreizehnerrat, der sich zunehmend als Obrigkeit artikulierte, reagierte innenpolitisch darauf durch gezielte Erlasse. Stets geschah dies als Antwort auf die das soziale und kirchliche Leben irritierenden Ereignisse, niemals aus eigener Initiative und innovatorischer Absicht. Die politischen Instanzen in Augsburg enthielten sich folglich weitgehend einer Politik, wie sie in anderen Reichsstädten zur Einfuhrung der Reformation vollzogen wurde. Der Rat rekurrierte jedoch betont auf die göttliche
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Die persönliche Anwesenheit Luthers im Oktober 1518 hatte keine breitenwirksamen Folgen innerhalb der Reichsstadt Augsburg. Diese Feststellung läßt sich am negativen Befund in den Augsburger Chroniken von Sender, Rem und Preu erhärten, wobei die Sender-Chronik als einzige überhaupt die Tatsache von Luthers Aufenthalt mitteilt (Sender-Chronik, 142).
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Legitimierung obrigkeitlichen Handelns mit dem Ziel der Sicherung des Friedens innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. Im Laufe des Zeitraumes von 1520 bis 1529 ist die eine Gruppe von Erlassen, mit denen der Rat punktuell die Kirchenhoheit ausübte, thematisch zur Überwachung der öffentlichen Meinung und zur obrigkeitlichen Kontrolle der sozialen Randgruppen einzuordnen. Die andere Gruppe ist zeitlich mit Schwerpunkt in den Jahren des Bauernkrieges und der Täuferbewegung anzusetzen.2 3. Ähnlich wie im innenpolitischen Bereich lassen sich auch in Fragen der reichsstädtischen Bündnispolitik und Diplomatie, die im Zusammenhang mit der allmählichen Formierung religionspolitischer Fraktionen im Reich stehen, Vorgänge beobachten, in denen sich der Augsburger Rat vergleichbar zur innenpolitischen Vorgehensweise verhält. So zeigte Augsburg in den 1520er Jahren eine äußerste Zurückhaltung, politische Bündnisse einzugehen, die entweder an Kaisertreue Zweifel aufkommen lassen oder im Ernstfall in Konkurrenz zu bereits bestehenden Bündnisverpflichtungen treten konnten. Dabei berücksichtigte man in Augsburg besonders die Machtverhältnisse im Schwäbischen Bund, dessen Mitglied die Stadt war und der durch habsburgische Interessen dominiert wurde. Diese passive Politik zeigte sich auch in der Annahme aller Reichsabschiede durch Augsburg in den 20er Jahren. Spätestens mit dem Reichsabschied von Speyer 1529, den Augsburg auch noch angenommen hatte, war jedoch eine Polarisierung in der Religionsfrage und damit der gesamten politischen Landschaft verbunden.3 Zugleich war Augsburg aus einer politischen Korporation der Reichsstädte vorläufig ganz ausgeschert. Im politisch-diplomatischen Bereich war bei der Augsburger Politik die Vorgabe des "mittleren Weges" entscheidend. Sie war maßgeblich von Konrad Peutinger mitbestimmt. In diesem ersten Jahrzehnt der Reformation wußte sich Peutinger im Betreiben einer sozialen, wirtschaftlichen und kirchlichen Politik des "mittleren Weges" noch ganz im Einklang mit der Augsburger Obrigkeit. In verschiedenen ratsinternen Dokumenten und politischen Korrespondenzen wird offenbar, daß diese Politik zunächst ganz allgemein um einen möglichst umfassenden Ausgleich zwischen allen politischen Kräften bemüht war. Dies war einerseits innenpolitisch mit dem Bemühen um einen sozialen und kirchlichen Frieden in der Stadt verbunden. Andererseits betrieb man außenpolitsch eine kaisertreue Politik und hatte stets die wirtschaftliche Konkurrenz zu den anderen Reichsstädten vor Augen, die einen nicht zu unterschätzenden außenpolitischen Faktor darstellte. Auch auf diesem Gebiet konnte ein "mittlerer Weg" vorerst belebend auf die Augsburger Verhältnisse wirken. Mit der zunehmenden Polarisierung der Religionspolitik im Reich ab 1529 war die Augsburger Politik des "mittleren Weges"
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Vgl. Kapitel 3.1. Vgl. Kapitel 3.2.
215
aber zum Scheitern verurteilt.4 Dies wurde innerhalb der Stadt im Laufe des Reichstages 1530 deutlich spürbar. Seine Bedeutung für Augsburg liegt in der, auf kaiserlichen Befehl vollzogenen, Kündigung und Vertreibung der evangelischen Prediger und in dem Versuch einer Restituierung des altgläubigen Kirchenwesens in der gesamten Stadt über die reichsstädtische Obrigkeit hinweg. Das Ende des Reichstages, mit dem von Augsburg abgelehnten Reichsabschied und den Zusagen an den Kaiser, und der Wiedergewinn der Herrschaft des Rates über die Stadt, die durch die kaiserliche Präsenz vorübergehend eingeschränkt war, markieren den Beginn einer neuen Teilphase.5 In ihr wurde der politische Einfluß der meist neuberufenen Prediger auf die Augsburger Politik zum bestimmenden Faktor, zumal sie sich eines breiten Rückhaltes in der städtischen Bevölkerung sicher sein konnten. 4. Nach Abschluß des Reichstages bemühte sich der Augsburger Rat um Rückbzw. Neuberufung von evangelischen Predigern. Dies korrespondierte mit dem konstant gewachsenen Anteil von Reformationsbefürwortern im Rat. Dieser Umstand deckte sich aber auch mit den politischen Absichten der trotz religionspolitischem Wandel dominierenden Oligarchie, die hoffte, durch die Anwesenheit und das Wirken der Prediger, zu denen sie Kontakte aufbaute, auch die sozialen Konflikte in der Stadt kalkulierbarer zu machen. Um diese Vorgänge konkret nachvollziehen zu können, erschien es notwendig, an dieser Stelle die Biographien und Charaktere einiger Persönlichkeiten vorzustellen, die damals die Ratspolitik bestimmten (Georg Vetter, Wolf Rehlinger, Hieronymus Imhof, Ulrich Rehlinger, Anton Bimmel, Mang Seitz, Konrad Peutinger, Johann Rehlinger, Konrad Hei, Johann Hagk und Balthasar Langnauer). Die dabei gewonnenen biographisch-historischen Hintergründe wurden in eine Erörterung des Verhältnisses zu Stadtbevölkerung und Predigern integriert sowie in Verbindung zu einem kollektiv-biographischen und überregionalen Kontext gebracht.6 5. Im Januar 1533 erfolgte eine Eingabe der Prädikanten an den Rat. Durch die darin enthaltene Forderung nach Beseitigung des altgläubigen Kirchenwesens wurde der latente Konflikt zwischen Reformbefurwortern und -gegnern deutlich erkennbar. Um dieser Herausforderung zu begegnen und den Ausbruch eines offenen Konflikts zu vermeiden, gründete der Rat einen Religionsausschuß, der die Ratskonsulenten zu juristischen Beratungen heranzog.7 Die reformationspolitische Willensbildung in Augsburg wurde so letztlich durch eine auf juristische Grundlagen ausgerichtete Strategie legitimiert. Zu die4 5 6 7
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel
3.3. 4.1.-2. 5.1.-4. 6.1.-3.
216
sem Zweck wurden fünf reichsstädtische Juristen (Konrad Peutinger, Johann Rehlinger, Konrad Hei, Johann Hagk und Balthasar Langnauer) zur Erstellung von Gutachten aufgefordert. Die in diesen Gutachten formulierten Stellungnahmen und Argumente für bzw. gegen eine bürgerschaftliche Kirchenreform dokumentieren besonders deutlich die uneinheitliche und damit schwierige Rechtslage, sowohl innerhalb der Stadt als auch über ihre Grenzen hinaus. Dabei hat sich bei der im Mittelpunkt der Arbeit stehenden Analyse der Gutachten besonders die kritische Beurteilung der Aussichten auf ein freies Konzil und die realistische Einschätzung oder juristische Urteilsfindung durch die Gutachter angesichts der politischen Lage als bemerkenswert erwiesen.8 Der Religionsausschuß versuchte durch eine sorgfältige Auswertung dieser Gutachten und Einholung zusätzlicher gutachterlicher Stellungnahmen, alle Einwände gegen die Durchführung einer bürgerschaftlichen Reformation zu entkräften. Erst im Zuge dieser Bemühungen wurden die politischen Maßnahmen zur Absicherung des Reformationsvorhabens eingeleitet und damit eine weitergehende Inanspruchnahme der weltlichen Kirchenhoheit vorbereitet.9 Die in den Quellen insgesamt reich dokumentierte Arbeit dieses Ausschusses sowie die Schriften von den städtischen Juristen und Predigern, die diesem Ausschuß zuarbeiteten, gehören zum differenziertesten und aufschlußreichsten Material, das uns für die Rekonstruktion des Meinungsbildungsprozesses innerhalb der Augsburger Obrigkeit zur Verfügung steht. Die Stellungnahmen dieser Gutachter sowie die Rekonstruktion ihrer genauen Entstehungsumstände erhielten deshalb in dieser Arbeit einen Schwerpunkt. 6. 1533/34 setzte eine deutliche Wende der innen- und außenpolitischen Verhältnisse ein. Der Augsburger Rat führte aber den von ihm einmal eingeschlagenen Weg durch Einholung weiterer Gutachten und die Erstellung von Plänen zu einem städtischen Religionsgespräch konsequent weiter.10 Die für eine Durchführung reformationspolitischer Maßnahmen günstige allgemein-politische Situation im Sommer 1534 ermöglichte schließlich auch im Bereich des bürgerschaftlich verwalteten Stadtgebiets von Augsburg einen Erlaß des Rates. In diesem Erlaß wurden unter ausdrücklicher Befristung die einheitliche reformatorische Predigt gewährleistet, die altgläubige Meßfeier eingeschränkt und die Pfarrvermögen für die sozialen Aufgaben der Stadt sichergestellt. Trotz dieses entscheidenden Fortschrittes in der Wahrnehmung weltlicher Kirchenhoheit hielt der Rat durch die Befristung der Verfügungen zumindest äußerlich an der Offenheit und Dialogbereitschaft fest. Die Durchsetzung der Verfügungen und vor allem die Rechtfertigung dieses Vorgehens vor dem König und Kaiser stellen einen
8 9 10
Vgl. Kapitel 7.1.-6. Vgl. Kapitel 8.1.-3. Vgl. Kapitel 9.1.-3.
217
entscheidenden Abschnitt in der Augsburger Reformationsgeschichte dar und markieren zugleich einen Umbruch in ihrem Verlauf." 7. Die Augsburger Reformationsgeschichte in der gesamten ersten Phase (15201534) und vor allem zu Beginn der 1530er Jahre ist durch eine ausgeprägte Heterogenität der Augsburger Gesellschaft gekennzeichnet. Dieses Phänomen verursachte eine in der gesamten Zeitspanne anhaltende (wenngleich auf Unsicherheit beruhende) Offenheit der reichsstädtischen Politik, die ihrerseits durch einen besonders intensiven Dialogbedarf gekennzeichnet ist. Dieser Zeitraum muß daher als eine offene und dialogische Phase bezeichnet werden. Dies ist im Kontext der Ausübung der weltlichen Kirchenhoheit in der Reichsstadt vor allem durch drei wesentliche Gesichtspunkte gerechtfertigt: - Die reichsstädtische Obrigkeit verfolgte seit 1524 eine zum Programm erhobene Politik der Mitte und Milde. Politischer Kompromiß in der Meinungsbildung mußte daher das, wenn auch nicht immer und nachhaltig wirksame, Prinzip der Politik sein. - Dieses Prinzip war auf Reichsebene bestimmt durch die Aussicht auf Abhaltung eines freien allgemeinen Konzils und auf Reichsstadtebene durch die Hoffnung und für gewisse Zeit auch ernste Absicht auf Veranstaltung eines Religionsgespräches. - Das genannte Prinzip war in Augsburg also bis zu einem Zeitpunkt wirksam, an dem auf Reichsebene und bei der Mehrzahl deijenigen Reichsstände, die - wie Augsburg - seit Beginn der 1520er Jahre mit dem reformatorischen Aufbruch konfrontiert waren, die kirchenpolitische Ausrichtung schon wesentlich festgelegt war. Aus der Tatsache, daß Augsburg dieses so häufig in den Quellen geäußerte Prinzip nicht durchhalten konnte, darf der reichsstädtischen Obrigkeit im Nachhinein nicht etwa eine mangelnde Entschlossenheit zu ihrer Durchsetzung unterstellt werden. Vielmehr hat die vorliegende Arbeit die Schlüssigkeit der Anliegen und Argumente verschiedener gedanklicher Provenienz bis zum Jahr 1534 aufgezeigt.
11
Vgl. Kapitel 10.1.-3.
Anhang
Edition des Peutinger-Gutachtens 1. Vorbemerkungen 1.1. Die Überlieferung des Textes und äußere Beschreibung der Textvarianten Das Gutachten, zu dessen Abfassung Konrad Peutinger im Februar 1533 durch den Religionsausschuß aufgefordert wurde und das er im Mai des selben Jahres einreichte1, ist in zwei Fassungen überliefert. Peutingers Urschrift2 hat den Charakter eines Konzeptes. Im Text sind zahlreiche inhaltliche und stilistische Ergänzungen sowie Streichungen zu finden. Trotzdem ist dies die Fassung mit einem Präsentationsvermerk. Auf die Titelseite folgend beginnt der Gutachtentext fol. lr und endet fol. 47v. Verschiedene Textergänzungen zum Gutachten sind auf kleineren Zetteln in das lose zusammengebundene Konvolut eingelegt (fol. 2r/v, 15v, 18r), die Reihenfolge der beiden letzten Blätter ist vertauscht (auf fol. 45v folgt 47r/v, dann fol. 46r/v). Außerdem befinden sich drei kleinformatige Einlagen im Text: Ein anonym verfaßter, im Januar 1535 in der St. Johanniskirche gefundener Brief (fol. 28r/v), ein Brief Ulrich Rehlingers an Peutinger (fol. 39r)3, ein Exzerpt eines Erasmus-Briefes von Peutingers Hand (fol. 40r/v), sowie eine viel spätere (19./20. Jh.) Transkription der ersten vier Gutachtenseiten (fol. lr-2v). Die Kanzleiabschrift des Gutachtens4 befindet sich in den offiziellen reichsstädtischen Unterlagen, stellt also den wirkungsgeschichtlich relevanten Text dar, und ist durch Peutingers eigenhändige Unterschrift autorisiert. Nicht zuletzt aufgrund dieser beiden Umstände wurde diese Version zur Grundlage der folgenden Textedition gemacht. Auf die Titelseite folgend ist dem Gutachtentext eine Abschrift der Supplikation der Städte auf dem Reichstag 1529 vorgebunden (fol. lr-6r).5 Nach drei Leerseiten (fol. 6v-7v) folgt das eigentliche Gutachten (fol. 8r-65r).
1 2 3 4 5
S.o.Kap. 6.3. und Kap. 7.1. StAA, EWA-Akten Nr. 44. Text: s.o. Kap. 7.1. StAA, LitSlg, 1534, Nachtrag I, Nr. 15. Vgl. RTA J.R. 7, 1222ff.
222
1.2. Die Grundsätze der Edition des Textes Die Gestaltung des Textes folgt im wesentlichen den "Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte der 'Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen"' von 1981.6 Auf die wichtigsten Bearbeitungsgrundsätze soll dennoch im einzelnen hingewiesen werden: a) Erläuternde Zusätze (nachgewiesene Bibelzitate) sind in eckigen Klammern innerhalb des edierten Textes beigefugt. b) In Anlehnung an die Vorlage wurden die Unterstreichungen im Text (mit roter Tinte) als einfache Unterstreichungen wiedergegeben. c) Zitate wurden weitestgehend nachgewiesen; die numerierten Fußnoten im Apparat belegen Peutingers Zitate in modernen kritischen, teilweise aber auch zeitgenössischen Ausgaben. Abweichend von der Vorlage wurden die Zitate im Text durch eine andere Schriftart kenntlich gemacht. Dadurch wird Peutingers Argumentationslogik auch optisch erkennbar. d) Als Editionsgrundlage wurde ausschließlich die von Peutinger autorisierte Abschrift verwendet; sachlich relevante Textvarianten der Urschrift sind im Apparat im Wortlaut wiedergegeben (vgl. die Fußnoten mit Sonderzeichen). e) Die Marginalien der Abschrift blieben aus drucktechnischen Gründen bei der Edition unberücksichtigt. Ihre Weglassung ist auch inhaltlich zu rechtfertigen, da sie weder eine gliedernde noch eine - über die (roten) Unterstreichungen im Text hinausgehende - sachliche oder erläuternde Funktion haben. f) Die Interpunktion der Vorlage wurde modernisiert. g) Der Vokal- und Konsonantenbestand der Vorlage wurde in der Regel beibehalten. Abweichend davon wurde "v-" am Wortanfang durch "u-" wiedergegeben, sowie Doppelung ein- und desselben Konsonanten durchgehend reduziert (z. В.: "vnnd" zu "und"; ζ. В.: "nn" zu "n", "11" zu "1", "ff" zu "f"). Groß- und Kleinschreibung sowie Getrennt- und Zusammenschreibung folgen der Vorlage. Eine Ausnahme bilden die durch die modernisierte Interpunktion vorgegebenen Satzanfänge. Abkürzungen wurden bei Namen sowie den Titeln und Initien der von Peutinger zitierten Texte und Werke stillschweigend aufgelöst. In diesen Fällen wurden auch die Titelanfänge durch Großschreibung kenntlich gemacht.
6
In: ARG 72 (1981), 299-315.
Abbildung 1 StadtA Augsburg, EWA-Akten, Nr. 44, fol. 3v.
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225
2. Textedition
D. Conrad Peutingers bedüncken über die frag: Ob Ε. E. Rath änderung in der Religion fürnehmen möge?*
(lr-6r) b (6v-7v) [unbeschrieben] (8r)c Fürsichtigen ersamen, weysen, gebietenden, lieben herren, auf montag nach Invocavit den driten tag des monats Martij dis gegenwirtigen jars haben herr Ulrich Röhlinger und herr Mang Seytz, bede burgermaister, mein gepietendt lieb herren, mir ain schrift zugestölt und ubergeben, daryn etlich frag articul begriffen sein, mit beger, das ich mein bedencken darauf in schrift stellen und dasselb ynen oder ains erbern rats verordneten ausschus, auch mein herren, überantwurten solle, und wie wol disis fürgenomen handlungen an ir selbs gros und wichtig, auch dermassen in das bewegen und ermessen gepracht ist, das ich mich zu und in diser sache gantz klein fuegig und gering acht, zu dem, das ich vormaln ainem erbern rath, mein gepietenden lieben herren, auf ir begern doch zum tail mein bedencken mundtlich hab angezaigt, ye doch ernannten mein herren auf ir wideräefert ansuchen und begern zu undertheniger gehorsam, und ir wolmainung auch Verbesserung, hab ich hieryn mein bedencken, als vil ich disis sache verstee, in schrift verfasst, wa dasselb mer gemelten meinen (8v) herren und gemeiner burgerschaft alhie solt, könnt oder möcht zu gutem erschiessen und komen, das were mir ain sonder frewde zuvernemen, den ich mich auch underthänigklich will bevolchen haben.
Und laut der erst anfrag articul also, ob ainem erbern rat, als ainer weltlichen oberkait diser statt Augspurg. gepüren. in Sachen die religion und den hailigen
' b
c
Von späterer Hand, ebenso auch der Titel der Urschrift: Schriftliches Bedencken auf Ε. E. Raths begehren, von Dr. Conrad Peutinger gestellet. Religions=Sachen betreffendt. Abschrift der Städtesupplikation von 1529 (RTA J.R. 7, 1222ff.) mit Titel von der Hand Peutingers. (am linken Rand von späterer Hand)] 3/3 1534 [mit Bleistift korrigiert: 33].
226 glawben betreffendt. handlungen. enderungen und new Ordnung fiirzunemen und aufitzurichten und zuhalten oder nit. Aber ehemaln ich mein bedencken auf dise anfrag anzaig, acht ich notwendig zusein, vorzu erzein, von wannen das wort religio sein ursprung hab, zum andern was religio seye, zum driten, was underschid zwischen den Worten religio und superstitio seyed, zum vierten, was glauben seye.
Nun zukomen auf das erst, befinde ich solch wort religio nit allein von cristen sonder (9r) auch von völckern (wie man etwan haiden benennt) gebraucht ist worden, dann Marcus Tullius Cicero, wie wol der ain haide und kain christ, auch vor Christj unsers lieben herren gepurt in leben ist gewesen, so hat doch der aus erbern menschlichen guten bewegknussen und Ursachen vil guts und fruchtbarlichs in sein schriftlichen underrichtungen und leeren angezaigt und hinder sein verlassen und mag doch etwan (als menschlich ist) und sonderlich die cistenlich religion und glauben belangendt, dieweyl er der kain wissen entpfangen, auch geirret haben, wie hernach ferrer gemelt wirt. Doch hat er in seinem andern buch Von der natur der götter also geschriben: Die jhenigen die alle ding, so zu der liebung und ehererpietung der götter gehörten, fleissigklich verhandelt, und, gleich alsob sy die wider thäten erlösen, sein genannt worden religiösj ex religendo, als erlöser und aus dem außlesen ßeissig erwoler erkieset und aus dem angenomen verstände verstendig sein.1 Zu dem das er nächst davor weiter gesprochen hat: Das die liebung und ehererbietung der götter die peste, auch die keuschest, hailigest und volkomenlichest der guetigkeit oder gotsäligkait seye, das man die allwegen (9v) mit lawtern, gantzen und unzerstörten gemuet und stymme lieben und eeren sollet Es schreibt auch Titus Livius am driten buch Nach erpauung der statt Rom9, das datzumal zu Rom aus nachvolgendem ain zwispalt erwachsen sey, das sy die Römer in ain versawbnus und hinlässigkait irer Ordnungen, die sy für göttlich gehalten haben, gefallen warn und sonderlich der religion halben, den aid belangendt, dan etlich denselben irs anmassens und gefallens außlegen und interpretiern wolten, das doch davor nit beschehen was, sonder ain yeder sein thun, irer vorelter sitten und alten Ordnungen gemäs und gleich formig angericht, gepraucht und erhalten hette. Wie auch Virgilius schreibt: Religione patrum multos
d
Urschrift fol. 1 ν (alternativ bzw. zusätzlich)] wolche religio zu halten oder nit zu halten seye.
7
Cicero, De natura deorum 2, 72 (ed. Gerlach/Bayer, SlgTusc., 1990, 226). Cicero, De natura deorum 2, 71 (ed. Gerlach/Bayer, SlgTusc., 1990, 224). Die folgende Paraphrase nach: Livius, Ab urbe condita 3, 20 (ed. Foster, LCL 133, 1967, 68ff.).
8 9
227
seruata per annos'". Aber durch solch zwispalt inen nit wenig unrhat zu derselben zeit zustund, so nun das wort religio in ainer grossen achtung und haltung und bey den jhenigen, die dannocht Cristum nit gekannt haben, gehalten worden ist, mögen und sollen wir die warn got erkennen (als vil menschlich) billich bedencken, was wir der religio halben schuldig sein. Und dieweyl oben von pesten meidung beschicht, so schreibt Cicero auch weiter (Юг) in dem andern buch Von den gesatzen: Wie man in den vaterlandischen Ordnungen auch begriffen were, das die pesten Sölten geliebt und geert werden. Darauf die Athenienser Appollinem Pythium mit frag anredten, wölche religion sy am maisten Sölten halten, sol inen das oracul und der beschaid geben sein worden: Die in geprauch der eitern were. Als sy aber wider kamen und sagten, der geprauche der religon were oft verendert worden, wolche doch sy aus vilen halten. Darauf aber antwurt folget: Den pesten! Und fiirwar, spricht Cicero, уme ist also das, das jhenig fur das peste und das eltest, so got am nechsten ist, gehalten werden soll. Also auch ob yemant hieryn dem zu vil thun und etwas sonders und beachtlichs wolt machen, der wurde nit fur religioso, sonder für superstitioso geacht. Wie dann auch Cicero weiter antzaigt: Das die superstition, von der hernach ferner gemelt wirt, die gemuet der menschen erfüllet, aber sy erschöpfe die hewser." Wiewol das meins achtens dahin bedewt, die datzemal under dem schein der religion gros, zierlich und costlich tempel pawete und die gemuet und hertzen von der rechten liebung und religion absonderten. (lOv) Aber Aulus Gellius am vierten buch und neundten capitul seiner Atticischen nächt zaigt ainen an, der bey den Romern fast alt und gelert ist gewesen mit namen Nigidium Figulum: Der hat gesagt, das ain religiosus datzemal benamet sey, der für kewsch geacht und sich haltendt und erpoten hat etlichen gesatzen und enden zugeleben.u Und sagt ferrer das ain ander Römer Massurius Sabinus das für religiosum gehalten hab, das umb ainicher hailigkait willen abgesondert und von uns hindan gelegt ist gewesen, und das wort religio a relinquendo gesprochen als wie die ceremonien a carendo. Und wirt solchs durch Gellium dahin auf die tempel und kirchen bedewt. Wolcher hawfen in Verspottung auch in das lobe, das unbescheiden ist, nit fallet, das auch nit fräwenlich, sonder mit kewschhait und den ceremonien mer anzugeen, zu eheren und zu forchten weder gemeinlich zu ofhen sein solt.13 Lactancius Firmanus seins wercks Von den gütlichen underrichtungen am vierten buch und achtundzwainzigisten capitul als ain cristenlicher lerer Ciceronj widerstrebt und will nit, das das wort religio von dem wort relegendo, das ist erlösen (1 lr) oder erwolen, sonder von dem wort religando herkome, das wirt verstanden von wider anbinden, und spricht daselbs: Dieweyl sich die sachen also halten, 10 11 12 13
Vergil, Aeneis 2, 715 (ed. Fairclough, LCL 63, 1967, 342). Cicero, De legibus 2, 16, 40 (ed. Keyes, LCL 213, 1977, 420). Aulus Gellius, Noctes Atticae 4, 9, 3 (ed. Rolfe, LCL, 1961, 338). Aulus Gellius, Noctes Atticae 4, 9, 8f. (ed. Rolfe, LCL, 1961, 340).
228
wie wir anzaigt haben, so erschaint sich, das dem leben der menschen kain ander hofnung fiirgesetzt seye, dann das die eytelkaiten und erbärmliche irsal ab und hinweg gethan und geworfen werden sollen und der mensch Got den herren erkenne, ime diene, also sich des zeitlichen lebens begebe, der leere der gerechtigkait, zu der lieb und eere der religion underfahe. Dann mit solchen masse und condition wir geporn, damit wir Got dem herren unser schuldig dienstbarkait anbieten, ym die beweysen, ime allain erkennen und ime nachfolgen. Also mit dem gepande der guetigkait oder gotsaligkait verstrickt Got auch angebunden seyen. Dannenher das wort religio sein namen hat entpfangen, nit, wie Cicero aufliegt, a relegendo.14 Wie oben gemelt ist, Lactantio die hailigen Hieronimus und Augustinus auch zustymmen. Hieronimus Über den propheten Amoß am driten buch und auch über das newnt capitul. da er meidung thut der wort Arnos [= Am 9, 6]: Der pawet im himel sein aufsteigen, spricht er, der so alletag in sein heiligen aufsteiget, sein (1 lv) pündtel auf der erden begrundt hat. Als Lucas am zwölften [= Lk 12. 321 schreibt: Förcht dich nit du klaine hord, dann es ist ewers vaters wolgefallen, euch das reich zugeben. Diser pündtel mit ainigen religion des herren verstrickt. Demnach die religio vom religando. das ist widerbinden, pündtel im herren zubinden, den namen empfangen hat}5 Item Augustinus in seinem buch Von der waren religion am letzten capitul spricht: Mit inen (vermaint die Engel) zu ainem Got trachtende und ime ainigen, unser seien (mit dem wort religantes) anbinden, dannenher die religio gesagt zu sein geglawbt wirt, aller superstition in mangel steen sollen? Nempt war, ich liebe ain Got, ain aller anfang und ain weyßhait, derohalben erweys ist etc.16 (Und nachfolgendt abermaln sagt:) Darumb die religio uns dem ainigen allmachtigen Got wider anbinde (und mit dem wort religet) etc. Dan zwischen unserm gemute, in dem wir den vater und die warhait begreifen und versteen, das ist das ynner liecht, durch wolchs er in unserm verstandt wirt gepracht und ist kain creatur dazwischen gesetzt. Darumb wir auch ferrer die warhait als an kainem ort (12r) im ungleich in und mit ime eeren, das auch der form aller ding, die dann von im ainig gemacht sein und auf das ain tringen. Deßhalben den gaistlichen gemueten alle ding durch disen form gemacht sein derselb form auch allain das alle ding begern erfollet. Wolche alle ding nit geschehen vom vater durch den sune noch an iren enden sicher, es were dann gott am höchste gut, der auch kainer natur, die von im gut sein mag, ainichen neyd tregt, und in demselben guten etlichen als vil die wolten, etlichen als vil die mochten das beleiben geben hat. Darumb auch die gawb Gottes mit dem vater und sune gleich unbeweglich durch uns zulieben und zuhalten sich gepurt: Ainer substantz trifaltigkait, ain Got, von dem wir sein, durch den wir sein, in dem wir sein, von dem wir nit abgewichen, im 14 15 16
Laktanz, Institutio divina 4, 28 (CSEL 19, 388f.). Hieronymus, Commentariorum in Arnos prophetam 3, 9, 6 (CChr.SL 76, 340). Augustin, De vera religione 55, 111 f. (CChr.SL 32, 259).
229
auch nit ungleich gemacht worden, also vertilget zuwerden nit zugelassen, der anfangk, dem wir zulawfen, der form, dem wir folgen, die gnad, damit wider versönet, ain Got,durch den wir beschaffen, und gleichnus, durch die wir zu der ainigkait reformiert sein, auch den frid, durch den wir der ainigkeit anhangen, Got der gesprochen hat: Es soll beschehen, also (12v) das wort, durch das beschehen alles, das wesenlich und naturlich ist, gemacht und die gawb seiner guetigkait, mit der er seinem aufhören gefallen und versönet hat, damit nit vergenge, was durch sein wort gemacht ist, ainen gotschöpfer durch den wir leben, durch den wir reformiert weyßlich leben, den wir liebende und den wir brauchende säligklich leben, ain Got, von dem alle ding, in dem alle ding. Ime seye die glorj in die weit der weit.17 Ferrer wirt in ainem buch Vom gaist und von der seele. so auch Augustino zugeschriben. also am lxj capitul gemelt: Die war religio ist, dardurch sich die seele mit der widerverainigung gegen Got anbindet (auch mit dem wort religat), von dem sy sich gleich mit der Sünde abgerissen hat.18 Et illam interpretationem etiam secutus et archidiaconus xx O. ii c. Praesens super verbo absque regulari.'9 Item obgemelter Augustinus im ersten buch seiner Retractation zu end des drevzehenden capituls weiter spricht: Als wir trachten zu ainem Got und ime ainigen unser seelen (mit dem wort religantes) anbinden, dannen her religio benant zusein geglawbt wirdet, also aller superstition in mangel steen sollen. (13r) In den Worten die ursach anzaigt, dannenher religio ist benennt, das mir vil bas gefallen. Wiewol mir nit unbewisst, das die authoren der lateinischen sprach ain andern ursprunge dis namens außgelegt haben, das darumb religio benamet sev (quod religatur [= religitur]) wölchs vom legendo, das ist zusamen fuegen (id est eligendo), also das es ain lateinisch wort sey religo, als eligo.10 Das alles, wie obstat, hat Augustinus über das egerürt buch Von der waren religion am lv capitul gelert und angezaigt21, damit er uns gar helle und clar vermanet, zu der waren rechten religion anzutreten, das zu lang were alles alhie zuertzelen. Dergleichen schreipt auch Isidorus Ethymologiarum am achtenden buch und andern capitul22.
17 18 19 20 21 22
Augustin, De vera religione 55,113 (CChr.SL 32, 259f.). Augustin, De spiritu et anima 61 (MPL 40, 826). CJCan. Decr. Grat. c. 4 С. XX. qu.3. (RF 1, 849f.). Augustin, Retractationes 1, 13, 9 (CChr.SL 57, 40f.). S.o.: Augustin, De vera religione 55, 11 Iff. (CChr.SL 32, 258ff.). Isidor, Etymologiarum 8, 2, 2 (MPL 82, 295f.).
230
Zum andern was religio ist, die gemein antwurt, die seye ain liebung und eer erpietung gegen Got, als auch Augustinus am zehenden buch und ersten capitul Von der statt Gottes beschreibt und spricht:' Das ist der gotlichait oder, das ich nach außtruckenlichen anzaig, der gothait schuldige liebung, von dero wegen die mit ainem wort zubedewten, dieweyl (13v) mir ain solch lateinisch wort nit zugegen gat, zaig ich das, wann solchs die notdurft erfordert, kriechisch. Und will sagen latriam, das die unsern, wa das in der hailigen schrift ist gesetzt und wirt befunden, für ain dienstbarkait außgelegt haben. Aber die ander dienstbarkait, die man den menschen schuldig ist, derohalben der apostel \= Tit 2. 9] gepewt, die knecht iren herren underthenig zusein, in ainer andern gestalt kriechisch außgelegt wirt. Doch latria nach der gewonhait, wie wir gesagt haben, die uns die gütlichen reden zugeordnet und zugestölt, aintweders allwegen oder doch oft als gleich schier allwegen fur die dienstbarkait gesagt wirt, die zu liebung Got furstendig ist. Und spricht Augustinus nachvolgendt weiter: Demnach auch religio auf das sonderlichest nit ain yegkliche liebung, sonder die Got gefellig, bedewten ist. Darumb die unsern under dem namen die außgelegt haben, so die kriechen benennen trescian. Wie wol nit allain die ungelerten, sonder auch die hochverstendigen aus ainer gwonhait auch zu den plut verwandtnussen, sipschaften und andern freuntschaften mit und in iren reden (14r) auch zuversteen geben, die religion, das ist die liebung, zuerpieten und zubeweysen aber doch das, so zweiflich hieryn ist, wirt alhie vermuten, sonderlich, so die anfrag von liebung der gothait yetzo vor äugen schwebt, also das wir dannocht vertrewlich mögen sagen, das religio nichts anders seye, dann Gottes liebung und eer erpietung, demnach das wort religio von obgemelten menschen haltungen gleich wol ungewonlich abgezogen wirt. Deßgleichen auch die guetigkait oder gotsäligkait, in latein pietas genannt, in irem aigenen verstände die liebung gegen Got auf ir tregt und hat, welche die kriechen eusebian benennen. Wie wol die auch amptlicher weyse gegen vater, muter und ander geperer, deßgleichen nach sitten des gemeinen mans in wercken der barmhertzigkait gepraucht wirdet. Das ich acht darumb solchs seye beschehen, das solchs Got furnemblich bevilhet, und ime das für oder vorzu opferen zugefallen betzeugt. Also aus gewonhait solch redens ervolgt ist, das Got selb pius, das ist guetig, gesagt wirt, das doch die kriechen in ir rede nit in geprauch haben, wiewol der gemain manne in kriechen das (14v) wort eusebian fur das wort barmhertzigkait auch praucht. Und doch bey etlichen ain underschid daryne ist, das nit durch schlechts eusebian. aus guter liebung, sonder theosebion. das aus liebung gegen Got zusamen gethan verlawt, sagen wollen. Ain yedes aber derselben wort wir mit ainem wort nit aussprechen konnden. Was aber latria auf kriechisch haißt, wirt in latein servitus. das ist dienstbarkait, genant, aber mit der wir Got lieben; oder aber trescia kriechisch, e
In der Urschrift, fol. 5r, wird auch der vorhergehende Satz zitiert: Augustin, De civitate Dei 10,1 (CChr.SL 47, 272).
231 in latein auch religio benannt wirt, aber die so gegen und zu Got ist; oder die sy theosebian. wir aber die mit ainem wort nit aussprechen könnden, doch die als ain liebung zu Got benennen mögen. Wolche man allain Got der war schuldig ist und auch sein liebende gotter macht. Also alle, die in himlischen bewonungen sein, untödlich und sälig, so die uns nit lieben, wollen sy uns auch nit sälig, darumb sy auch nit zulieben sein. So sy uns aber lieben und sälig gehapt, so wollen sy auch fiirwar uns dahin haben, dannen sy sein.23 Es ist auch hieryn notwendig zuvernemen, das der obgemelt Cicero in seinem andern (15r) buch so auch Rhetorica oder De inventione genannt wirt. under anderm von der natur oder dem naturlichen rechten also schreibt: Das recht wirt betracht und angesehen, das es sein ursprung von der natur hab entpfangen, etlichs aus ursach der nutzbarkait, so daraus ervolgt, etlichs aus ainer hergebrachten gewonhait, etlichs als ob das fiir nutze zusein bedacht und angesehen, dasselb recht und ain yedes, wie gemelt, nachvolgendt mit aufrichtung ains und merers gesätze bekrefiget und bestäet wirt. Item: Das naturlich recht, wölchs nit die menschlich verwenung und opinion, sonder ain craft dem menschen angeporn und in ime rechtmessigklich wirckende und zubringen thut, aus wolchen naturlichen rechten (spricht Cicero) erwachsen religio, guetigkait und das ainer des seinen und so im zugehört, thut begern, erber und gepurendt haltung und observantz und auch die warhait. Aber umb kurze willen, die alle obgemelte zucht und tugendt diser zeit zu umbgeen und allain der religion halben Cicero weiter schreibt: Das die religio seye ainer obern natur, die gotlich wirt benant, sorgfaltigkeit und ceremonien zubringendt24 Hie sein zumercken die wort Ciceronis, (15v) so er spricht ainer obern natur, die gotlich wirt benannt, dann Augustinus in dem buch der Drevundachtzig fragen in der ainunddreissigest frage den obbestimpten Ciceronem, wie hiervor geschoben ist, auch meldet, den bas thut erkleren.f Und sonderlich aus bemeltem Ciceroni spricht er weiter: Das das recht aus der gewonhait entspringendt, leichtlich die natur ernäert, auch der geprauche das grosser macht als die religion und anders merer von der natur entspringende,25 oben angezaigt. Demnach auch als der christenlich kavser Justinianus die gesätze der weitleufigen recht reformieren lassen, hat er under anderm in seinem recht buch, so Codex benannt wirt. zu eingangk desselben ersten buchs den titul oder die rubrica fürgesetzt: De summa trinitate etfide catholica et ut nemo de ea publice contendere audeat26. das ist: Von der hohen trivaltigkait und gemainem glaIn der Urschrift, fol. 7r, wird hier zunächst zitiert aus: Augustin, De diversis quaestionibus octoginta tribus 31,1 (CChr.SL 44 A, 41). 23 24 25 26
Augustin, De civitate Dei 10, 1 (CChr.SL 47, 272ff.). Cicero, De inventione 2, 53, 160f. (ed. Hubbell, LCL 386, 1976, 328). Augustin, De diversis quaestionibus octoginta tribus 31,1 (CChr.SL 44 A, 42). CJCiv.C., 1, 1 (KM 2,5).
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wben auch das nyemant in gmein oder offenlich davon streiten soll. Über solchen titul etlich recht gelert und insonder Guilhermus von Cungno27. ain franzos, schreibt, wie religio (als auch oben antzaigt) ain tail der gerechtigkait (16r) seye, dann das recht und die gerechtigkait im thun und im geprauch schweben und das recht sein ursprung auch von der gerechtigkait hab. Wie Celsus der rechtsetzer zuerkennen gibt und Vulpianus am ersten buch seiner Underrichtungen und Institutionen28 (et ut habetur in L. prima ff De justitia et iure29-) ermelt. Und demnach Guilhermus weiter spricht, wie das recht vil glider hab, etlichs wirt benannt gentium, das ist der völcker, etlichs civile, das ist das bürgerlich recht, etlichs nature oder naturale, das ist das recht der natur oder das naturlich recht, under wolchem religio ist begriffen, also durch mitel desselben naturlichen rechten, das ist der obern natur, die götlich wirt benannt, wie vor anzaigt ist, also auch religio von der gerechtigkait (die auch gotlich ist, dan die von himel herab hat gesehen, wie David am lxxxxiiii psalm |= Ps 84/85. 12] schreibt) iren ursprung hat, wiewol nachvolgendt der genant Vulpianus an obgemeltem ort und am ende weiter meldet: Jus gentium das ist der völcker recht, wölches die völcker menschlich geprauchen, das von dem naturlichen abweichen thut, aus dem sich leichtlich (16v) zuversteen gezimpt, wan das jhenig (das ist das naturlich) allen thiern, aber das ander (das ist der völcker) attain den menschen under inen selbs gmein is f als die religio gegen Got und das wir unsern geperern und vaterlandt gehorsam beweysen,31 wie Pomponius auch ain rechtsetzer in seinem buch das genennt wirt Singulare enchiridium schreibt et habetur in L. ii a ff. De justitia et iure32. Aus dem wirt lawter abgenomen und verstanden, wie gnahe Cicero und die bemelten rechtsetzer, wie wol sy nit cristen sein gewesen, in disem der christenlichen leer zustymmen. Paulus de Castro33, auch ain außleger der recht, über obgemelten titul die anfrag thut. warumb religio der merertail der gerechtigkait seye, und antwurt darauf, wie religio soll an dem ort verstanden werden, das die nichts anders, dan ain gotliche liebung, wolche man Got schuldig seye. Dann Got den menschen darumb beschaffen hat, das er ime soll lieben, eheren und also durch sein gnade das reich der himel erlangen, und aber auch ain furnemblich geböte der gerechtigkait ist, das ainem yeden sein recht zugestölt werde, also (17r) auch nit allain den menschen, sonder auch am maisten Got dem herren, dieweil man aber solch liebung und eer erpietung Got zuvor ist schuldig, volgt daraus, das die religio der furnemest tail der gerechtigkait ist. Zum andern hat 27 28 29 30
31 32 33
Wilhelm von Cungno, Lectura super codice, Lyon 1513 (BSBM: 2° J.rom.c. 122). Domitius Ulpianus, Institutionum 1 (§ 1909ff.) (ed. Lenel, Palingen., 927f.). CJCiv.D., 1, 1 (KM l,29f.). Domitius Ulpianus, Institutionum 1 (§ 1910) (ed. Lenel, Palingen., 927) bzw. CJCiv. D., 1, 1, 4 (KM 1,29). Sextus Pomponius, Enchiridium, § 177 (ed. Lenel, Palingen., 44). CJCiv. D„ 1, 2 (KM 1, 30ff.). Paulus de Castro, Lectura super primo, secundo et tertio libro codicis, Venedig 1487, fol. a 3r (BSBM 2° Inc. c.a. 2026).
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bemelter doctor disputatione weys gefragt: Ob religio on den glauben möge sein? Antwurt: Wölche Got den herren on christenlichen glawben lieben, die geen zur thür nit ein. Dann Johannes in seinem hailigen evangelion am χ capitul Joh 10. JJ also schreibt: Warlich warlich ich sage euch, wer nit zu der thür hineinget in den schafstall, sonder steigt anderswa hinein, der ist ain dieb und morder. Also der cristenlich glaub ist die recht grundt feste der götlichen liebung und eer erpietung, demnach religio und glauben wol beyainandersteen. Zu dem auch nit für undienstlich geacht wirt, das der genannt Lactantiusg in seinem vierten buch und capitul seiner Götlichen underrichtungen anzaigt und zuerkennen gibt von wegen der Cristenlichen weyßhait und religion: Das dieselb weyßhait den sunen und die religion seruis, das ist aigen lewten oder knechten (wie man es will nennen), (17v) zugehörig und der baider brunne Got der herre ainig, allain und warhaft seye, der den undanckbarn sune von ime abdiciert, entewssert und ausschleußt und den abgewichen, flüchtigen knecht strawfet,34 Auch weiter meldet: Das sich aus disen dingen erschaine, wie wol die religion und weyßhait under inen selbs zusamen gethan sein. So gehört doch den sunen (so die liebe) die weyßhait und den knechten (so die forcht erfordert) die religion zu. Wan so die sune gegen iren vatern die liebe, also auch die knechte die forcht gegen iren herren tragen und gebrauchen sollen. Dieweyl doch der ainig Got, die beder personen, das ist des vaters und des suns, tregt, dan wir umb das, das wir sune sein, lieben und, umb das wir knechte sein, ine förchten sollen. Darumb mag auch die religion von der weyßhait und die weyßheit von der religion nit abgesondert werden, daraus volgt auch, das (als vil möglich) in menschlichen verstände gepracht, damit der geliept, geert und geforcht werde. Also das in obgemelten beden namen ain craft schwebt, doch der ain namen dem synne und der ander der wirckung zugelegt wirt, aber sy sein zween gleichförmig (18r) flusse, aus ainem brunnen entspringendt. Also das derselb brune, der beder flüsse, weyßhait und religion, Got der herre ist, wa aber dieselben bed flüsse von irem entspringenden brunen sich absondern und furter verirren, alßdann volgt, das die erseyhen also auch trucken gelegt werden müssen. Wölche auch denselben brunen nit wissen, die mögen weder weys noch religiösj geacht werden." Das aber die cristenlich religion vor allen andern die erst und vorderst seye, das wirt durch Eusebium Caesariensem in seiner Ecclesiastica historia am ersten buch und am andern capitul lauter angezaigt36 und Augustinus Von der statt Got-
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Urschrift fol. 8r] Firmianus, ain alter der christenlichen leer erfarner und der lateinischen spräche fur ander hochberumbt.
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Laktanz, Institutio divina 4, 4, 5 (CSEL 19, 282). Laktanz, Institutio divina 4, 4, 1-4 (CSEL 19, 282). Euseb, Historia ecclesiastica 1, 2, 17 (GCS 9/1, 21).
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tes am xviii buch und liiii capitul37. Dieweyl nun von der religion wirt gehandelt, wie vor zum tail auch gemelt, die (wie auch Augustinus im buch Von des glaubens nutzbarkait am zwölften capitul schreibt): Das ist, so man handelt, Got zulieben und zuversteen.38 Und spricht im nechsten capitul darnach: Nit aus ainem yeden zaichen was erlernet und erkannt werden mag, es seye dann sach, das das jhenig des solche zaichen sein, auch erkannt werde. Dann mit leiplichen synnen (18v) wir was anrüren. Dieweyl die uns eusserlich zugegen geen, darumb uns zugelassen ist, etwan fremb ding mit unsern äugen zusehen, wie wol wir weder die noch derselben geschlechts bey uns haben. Was aber im verstand angenomen wirt, das ist und berwet im gemuete, darumb ain Thor dieweyl der der weyßhait in mangel stat (spricht Augustinus), die er mit den äugen nit mag sehen, und als lang der von solchem nachtail nit gelediget, кап er mit gwißem wissen den weysen nit finden noch erfarn. Und doch die weyßhait zu der religion, wie gemelt, nit allain fiirstendig, sonde[rn] auch notwendig ist, so mag solchen nachtail allain Got hallen und erstatten, wan wir sollen glawben den wesenlich zusein und das er den menschlichen gemueten zu hilf komen möge, dann sonst wir die war religion nit suchen noch erlangen konden.39 Und darauf Augustinus dahin am ende desselben capituls schleusst: Das ganz recht durch die mayestat der gemainen zucht und arte ist und sein sol, das den jhenigen, die zu der religion anzutreten begern, der glawben vor allen dingen fleissigklich geraten werde.™ Daraus (19r) eruolgt, das der glawb der religion anfangk und grundt vest ist und darfiir gehalten werden soll. Dieweyl dan Augustinus in dem buch Von der waren religion am fünften capitul auch anzaigt: Das die religion an kainem ort dann bey den cristen zusuchen seye."1 So spricht er doch am sibenden capitul daselbs weiter: Das in allweg die cristenlich religion und der kirchen gemainsamkait, wie die catholica wir benamet, das ist die gemein kirch oder versamblung, nit allain von den jren, sonder auch von allen feinden, die wollen oder nit, zuhalten seye.n Und volgt bald daselbs ferrer darauf: Solcher religion nachzufolgen hawpt ist, die prophetisch historj der zeitlichen dispensation und ausspendung der götlichen fursehung umb das hail für das menschlich geschlecht, dasselb in das ewig leben zureformieren und wider zubringen. So die wirt geglaupt, die das menschlich geschlecht rainiget, die masse des lebens aus den götlichen gepoten zusamen verainiget, das auch die gaistlichen Sachen zuentpfahen geschickt machen wirt, die auch weder vergangen noch künftig, sonder in gleicher masse kainer verenderung underworfen, sonder
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Augustin, Augustin, Augustin, Augustin, Augustin, Augustin,
De De De De De De
civitate Dei 18, 54 (CChr.SL 48, 653ff.) utilitate credendi 12, 27 (MPL 42, 84). utilitate credendi 13, 28 (MPL 42, 85f.). utilitate credendi 13, 29 (MPL 42, 86). vera religione 5, 9 (CChr.SL 32, 194). vera religione 7, 12 (CChr.SL 32, 196).
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(19v) allwegen beleiplich sein, das ist den ainen Got, vater, sune und dem hailigen geist, wölcher in der triualtigkait, als vil die in disem leben zugeben erkant ist, alle verstendig, dierlich und leiplich creatur, von derselben triualtigkait der beschafferin das wesen als vil das ist und sein gestalt zuhaben und am ordentlichisten verwaltet zuhaben, on ainichen zweyfel geacht und angesehen wirt. Nit das ainen tail an der ganzen creatur der vater und den andern tail der sune und aber ain tail der heilig gaist, sonder der vater durch sein sone in der gawb des haiigen gaists gleichheilig alle ding und ain yegliche natur beschaffen und gemacht zuhaben angenomen und verstanden werden soll. Wann ain yeglich ding oder substantz und wesen oder natur oder wie solchs mit ainem andern wort besser mag außgesprochen werden samet dise drew ding hat: Das ains etwas seye und mit aigner gestalt von den andern erkannt werde und die Ordnung derselben ding nit überschreit,43 Und wiewol ich hieuor Augustinus in seinem ersten buch Retractationum am drevzehenden allain in gemein gemelt hab, so kan ich doch, ain sein leer an demselben ort (20r) begriffen, alhie nit umgeen, dan er daselbs lauter anzaigt. Wie das ding so yetzo ain cristenliche religion wirt benennt, sey auch bey den alten gewesen, man sey auch der im anfang des menschlichen geschlechts nit in mangel gestanden, bis das Cristus im fleisch komen ist, demnach die war religion, die datzemal was, angefangen hat, cristenlich benennt zuwerden. Dan nach der urstende und der auffart in himel, als die apostel angefangen zupredigen und vil geglaubt haben, wie im buch der geschieht der apostel am ailften |= Apg 11. 26] ist begriffen, sein die erstlich zu Antiochia cristenlich junger benant worden. Darumb hab ich sesaet (spricht Augustinus), das ist yetzo zu unsern zeiten die cristenlich religio, nit das die nit vorgewesen were, sonder erst hernach den namen hat entpfangen.44 Item Augustinus in der fünf und viertzig und zwavhundersten predig, sonst die erste am drevundzwanzigisten sonntag nach Trinitati. schreipt er: Was dötfen wir von Got furchten, der nit betruegen mag, wan er die warhait, allen, dieweyl er all ding beschaffen hat, gnugsam ist. Darumb ir brueder wir sollen Got glauben. Das erst gebot, das ist der anfang der religion und unsers wegs, ain (20v) angeheft herz haben im glauben und das herz im gleuben verheft, wol leben und abzuwenden von allen verfuerern, darob gleich wol zeitlich ubels zutragen etc.*5 Von wölcher auch weiter der benant Augustinus Von der statt Gottes am achtenden buch und xxiij capitul Hermeten Trismegistum anzaigt. das derselb, wie wol er ain haid ist gewesen, die cristenlich religion furgesagt und prediciert hab. Und spricht weiter: Als vil die warhafter und hailiger ist, als vil hat sy embsigklicher und freyer alle betrogliche gedieht umbgestürzt, damit durch die gnad des warhaftesten haylands die menschen von den gottern, die der mensch macht, und inen Gote underwirft, von der er mensch gemacht ist worden, erledi43 44 45
Augustin, De vera religione 7, 13 (CChr.SL 32, 196f.). Augustin, Retractationes 1, 13, 3 (CChr.SL 57, 37). Augustin, Sermones de Tempore 38, 4f. (MPL 38, 237).
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ge.46 Item von der religion (spricht aber Augustinus im buch Von der waren religion am zehenden capitul): Ist die bey unsern Zeiten, wolche zuerkennen und der nachzufolgen das gewisest und sicherest hail der menschen ist. Die wider die vil redenden beschirmet, und den, so die suchen und begern, in vil weg erofnet werden mag, der allmechtig Got, durch sich selbs anzaigent, das war ist, und das selb anzusehen und zuvernemen guten (21r) willen, durch gut engel und yegklichs mensch zuhelfen vorhaben. Also das ain yeder gepraucht, den er sieht bequemlich sein, den jhenigen, mit den er handelt. Ich hab auch vil und lang (sagt weiter Augustinus) betrachtendt, bis ich, was der widerstreber und was die suchende sein, erfarn, was auch ich gewesen bin, da ich thät widerstreben oder suchen, also hab ich mir zugeprauchen geacht. Was du war sein erfarest, das halt und leg das der gemainen kirchen zu, was falsch ist, das verwirf und verzeyhe mir, ich bin auch ain mensch, was zweißich ist, glawb ich so lang, bis das zuuerwerfen oder war oder allwegen glawben zusein, aintweders durch die Vernunft gelert oder aber, die das macht und authoritet haben, solchs gepieten.47 Dise wol mainung Augustini ist in disen sorgklichen lewfen am höchsten in der menschen gemuet zufuern und zubringen. Also die wol zubedencken und zuermessen, dan vil guts daraus mag abgenomen und verstanden, auch nachtailigs, so daraus mocht erwachsen, verhuet werden. Item obgemelten Augustinus in dem dreyundzwainzigisten Tractat über das fünft (21v) capitul Johannis |= Joh 5. 39f.1 spricht er weiter: Das ist die cristenlich religion, das nit vil götter, sonder ain Got geliept werde, dan allain Got die seel sälig macht. Durch mittailung Gottes wirt sy sälig. Nit durch mittailung der hailigen seel, die schwach seel sälig wurdet. Sonder so die sälig zuwerden, soll sy sich erfarn von wannen die hailig seele sälig worden seye. Dan du vom engel nit sälig würdest, sonder dannenher der engel ist sälig worden, dannen auch du sälig werden magst.4' Das der waren religion halb fast wol ist zumercken, wie auch ferner in obgemeltem achtenden buch und sibenzehenden capitul Von der statt Gottes Augustinus schreibt: Mit was demnach unweißhait oder mer thorhait durch etlich religion wie uns den bösen geisten, als daemonibus. underwerfen, so wir doch durch ware religion von der schedlichait, in der wir inen geleich sein, erledigt werden. Wan dieselben gaist, darvon auch Apuleius schreipt. wie wol er inen vil nach gipt und sy gütlicher ehern wirdig acht, so wirt er doch zubekennen bezwungen, das sy auß zorn angeraitzt werden, dieweyl uns die war religion gepeuet, das wir uns in zorn (22r) nit anraitzen lassen, sonder dem mer widerstandt thun sollen. Die gaist werden durch glawben geladen, aber uns die war religio gepeuet, das wir nyemant durch annemen der glawben gunst tragen. Die geist werden, mit eeren erwaicht, uns die war religion aber gepeuet, das wir durch solche in kain weg sol46 47 48
Augustin, De civitate Dei 8, 23 (CChr.SL 47, 240f.). Augustin, De vera religione 10, 19 (CChr.SL 32, 200). Augustin, In Johannis evangelium tractatus 23, 5 (CChr.SL 36, 235).
237 len bewegt werden. Die geist sein auch etlicher menschen verhasser, etlicher liebhaber, doch nit mit ainem furtrachtigen und ruwigen bericht, sonder, als Apuleius das benennt, aus ainem leydenden gemuete, aber uns die war religio gepeuet, das wir unßer feindt auch lieben sollen. Und am jüngsten Apuleius alle bewegung des hertzens und das gesalzen möre des gemuets, alle betruebung und ungesteumigkeit desselben, damit die geist erhitzen und hin und wider waltzen, anzaigt und lernet, wolches alles die war religion wegk zuthun haist. Was ist dann dis sache, nichts dann thorhait und ain erbärmliche verirrung das du dich demselben, den zu erwirdigen diemuetig machest, dem du dich doch begerst nit gleich zusein, und den mit der religion liebest, dem du nit woltest nachuolgen, so doch der (22v) religion summa ist, dem nachtzuvolgen, den du liebest.™ Darumb ferner Augustinus De quantitate anime am xxxiiii capital auch vil von der waren religion schreibt und beschleußt dahin: Das wir wollen sollen, das uns allen zu hilfkomen werde, auch den jhenigen, die uns verletzt haben oder uns verletzen, oder das wir verletzt werden wolten. Das ist die warheit (spricht Augustinus), das ist die volkomen, das ist die ainig religio, durch die wir Got wider zuverainigen zu der grosse der seel gehört, von der wir suchen, durch wolche sich die wirdig macht. Dann der uns von allem erlediget, wölchem zudienen allen am nutzbarlichen ist, in wolches dienst volkomenlich zugefallen, die freyhait allain schwebdt.50 Aus dem allem und vedem ist lauter abzunemen und zuversteen. das nit allain bev den cristen. sonder auch bev den volckern. die nit cristen. das erfarn gewest. was religio sein soll und wie streng darob gehalten worden sev.
Nun zukomen auf das drit, was zwischen den worten religio und superstitio underschid seye, darauf ich anzaig, wiewol (23r) Cicero, als oben ist vermelt. von dem wort religio (als ain haide) nit ungeschickt geschriben, so hat er doch in nechstbestimptem underschid, und differentz (als Lactantius vermainf) nit grundtlich meidung oder bescheid geben. Cicero im andern buch Von der natur der götter spricht: Nit allain die philosophi (das sein liebhaber der weyßhait), sonder auch unser elter (vermeint die Römer) die substition von der religion gesondert und abgeteilt haben. Wann die, so die ganzen tage gebetet und geopfert, ire sune sy überleben und inen überbeleiben Sölten, die sein superstitiosi geacht. Wölcher aber alles das, so zu der liebe der gotter gehört, wider betracht und retractiert hat, gleich als ob ainer das peste hieryn wider zuerlösen und erkiesen willens were, der ist religiosus benannt, auch aus gutem versteen verstendig worden. Aber in ainem yeden selben, ist ain ainig kraft und wirckung des wider außerlösens und erkuesens gleich im religioso als 49 50
Augustin, De civitate Dei 8, 17 (CChr.SL 47, 234f.). Augustin, De quantitate animae 34, 78 (MPL 32, 1078).
238 im superstitioso, dann das ains dem laster und das ander dem lobe zugewendt wiri.51 Aber Lactantius in bemeltem (23v) buch seiner Gotlichen underrichtungen und am xxviii sten capital sagt weiter: Aus disem fürtrag mag abgenomen werden, wann religio und superstitio in liebung der götter gepraucht, das derohalben gar ain klainer oder villeicht gar kain underschid erfunden wirt. Wann was mag es mir zulegen, so ich ain mal fur mein sone, wie gemelt, bite und opfere, das ich demnach religiosus, und so ich das zehenmal thu, sol ich superstitiosus geacht? Item: So ich solchs ainmal verbringe, soll das für pest geschätz werden, also noch vil mer, so das oft beschicht? Dann was ich verbringe die ersten stund des tags, warumb nit auch, so ich mich des den gantzen tag zuverbringen understande, ist auch im opfer ainmal annemblich und gefellig, warumb auch nit die vili dermassen sein solt und insonder dieweyl gehawfet und gemeret dienst mer frucht weder schaden bringen. Und doch bey uns die diener oder knechte, die irer dienst und arbait milt, embsig und mit stetigem fleis erscheinen, nit allain nit für hässig angesehen, sonder von uns vil mer geliept werden. (24r) Warumb soll dan das ain schuld auf im tragen, auch ain verweyßlichen namen entpfahen, wann ainer sein sone mer liebet oder die gotter mit mererm opferen eheret, aber ainer der solchs weniger thäte verbringen, solt mer gelopt werden? Demnach solch argument im widersynne mer stat hat. Dann solt das fürbitten und opfern, so den gantzen tag beschicht, ain verschulden geperen, so mueßt von nöten, das ander, so ain mal bescheche, auch damit befleckt sein. Also möcht der, so solchs selten thut, auch superstitiosus geacht werden. Es mag auch dises laster aus dem namen oder wort nit gezogen werden, dieweyl in solchen vilen furbiten und opfern allain erbers und rechts wirt begert. Aber zu dem, als auch Cicero spricht und oben gemelt ist, das religiosi vom wort religendo benamet sein, die was fleissigklich widerhandlen und retractiern und sonderlich die ding, so zu liebe und ehere der gotter gehören, warumb nit auch die, die solchs oft im tag thun, solten sy aber umb solchs den namen der religiösen verwürcken das doch schwer wer zuvernemen, (24v) dan was solchem mit unserem fleiss und embsigkait furgat und beschicht, das soll ye mer liebung und gnad erlangen. Was ist dann religio? Ja ain ware liebung und superstitio ain falsche liebung. Und in allweg das mer ain recht und geschickt ansehen hat, was du liebest und eherest, weder wie du das verbringest oder biten thust. Dieweyl sich aber die für religiösen achten, so die götter lieben und eheren. und die selben in disem fall von den superstitiosen nit fuegklich mögen abgesondert werden noch solchs dermassen die namen fölligklich mögen bedeuten, darumb haben wir gesprochen, das die religio vom bände der guetigkait entsprungen seye, umb das Got ime den menschen notwendigklich angebunden und als dem herren zugedienen und als dem vater gefällig zusein mit 51
Cicero, De natura deorum 2, 71 f. (ed. Gerlach/Bayer, SlgTusc., 1990, 226).
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guetigkait verstrickt. Hierauf spricht ferner Lactantius: Das Lucretius vil bas sollten namen hab außgelegt der schreibt er wolle die knöpf der religion entledigen52, Wie hernach ausserhalben Lactantio aus dem Lucretio ferner in latein anzaigt wirt. Und schreipt Lactantius (25r) weiter: Superstitiosi werden benannt nit die, so ir sune sy zu überleben winschen und attain das begern, sonder die überbeleiben und der abgestorben gedachtnus eheren oder solche, die ir vater, muter und ander geperer, so abgestorben sein, bildtnussen als gotter lieben, die man nennet penates. Die auch, so neue Ordnungen annemen und sich der geprauchen, umb das sy die toten anstat der gotter ehern, auch die, so vermainen, das die abgestorben menschen in hymel als gotter an und aufgenomen sein Sölten, die sein superstitiosi, aber die jhenigen, so gemeine und alte götter geliept und geeheret, haben sy flir relgiosos gehalten. Als auch Virgilius schreipt.: Vana superstitio veterumque ignara deorum". Aber so wir dannacht befinden, das die alten götter dermassen nach inen absterben consecriert worden, darumb so sein auch superstitiosi. die vil und falsch götter ehern, wir aber, die ain Got ehern und lieben und denselben als waren Got anbeten. religiosi geacht sein54 - bißher Lactantius. Also in gemainem verstand (25v) nit allain die munich, die sich dis namens hoch überheben, sonder alle from cristen, die der cristenlichen religion warhaftigklich anhangen religiosi benennt werden. Wie dann solchs bey den, so die recht versteen auch begriffen ist: c. Ex multa extra De voto55, ubi glossa super verbo religiosi', et Joan de Imola56 in c. Cum laicis in primo notabili extra De rebus ecclesiae non alienandis;57 Antonius de Butrio58 et alij extra De regularibus59 super rubrica. Wiewol bey den alten das wort religiosus nit allwegen in gutem verstanden, sonder auch fur die superstition genomen worden ist, als Lactantius. wie vorstat. Lucretium hat anzogen, wölcher in seinem ersten buch also schreibt: Humana ante oculos foede cum vita iaceret, in terris oppressa gravi sub religione, quae caput a coeli regionibus ostendebat, horribili super aspectu mortalibus ins tans.60 (Et infra:) Quare religio pedibus subiecta vicissim: obteritur.61 (Et rursus:") Religio peperit scelerosa et impia facta.62
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Unter Verwendung eines Zitates aus: Lukrez, De rerum natura 1, 932 (ed. Rouse/Smith, LCL, 1975, 78). Unter Verwendung eines Zitates aus: Vergil, Aeneis 8, 187. (ed. Fairclough, LCL, 1966, 72). Laktanz, Institutio divina 4, 28 (CSEL 19, 389ff.). CJCan. Decretal. Greg. III. 34. 9. (RF 2, 594f.). Johannes de Imola, Super tertio decretalium, Venedig 1500, fol. ρ VII r/v (UBM: 2° Inc.lat. 1475). CJCan. Decretal. Greg. III. 13. 12. (RF 2, 516). Antonius de Butrio, Lectura super tertio decretalium, Lyon 1532, fol. 133v (SStBA: 2° KR 39-5.6.). CJCan. Decretal. Greg. III. 31. (RF 2, 569ff.). Lukrez, De rerum natura 1, 62-65 (ed. Rouse/Smith, LCL, 1975, 6f.). Lukrez, De rerum natura 1, 78f. (ed. Rouse/Smith, LCL, 1975, 8). Lukrez, De rerum natura 1, 83 (ed. Rouse/Smith, LCL, 1975, 8).
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(Et iterum:) Tantum religio potuit suadere malorum(Et tandem eodem libro 64 primo:) Religionum animum nodis exoluere pergo. Das alles (26r) wirt verstanden auf die superstitio, wie Johannes Baptista Pius Bononiensis65 solchs daselbs außlegt. zu dem, das die wort, die sich in die sillaben -osus enden, ain vili, die sich etwan in ain unmässigkait thut ziehen, bedeueten, wie man des vil exempel möcht anzaigen, als superstitiosus der sich mit vilen und gleich überflüssigen religion beladen und sich der angepunden hat als in ainem gemainen Sprichwort laut: Religentem oportet esse: religiosum ne phas.66 Quod retulit Nigidius Figulus. ut docet Gellius Noctium Atticarum libro iiij c. ix. Aber wie dem allem schreipt Augustinus am andern buch Von der cristenlichen leer am xix und xx capitul: Das zway geschlecht der leeren sein, die auch bede in heidnischen syten geübt werden. Das ain der ding, so die menschen angericht haben, das ander, des die menschen wargenomen haben, vor langest verpracht oder götlich aufgesetzt zusein. Das aber, so nach anrichtung der menschen, ist zum tail superstitiosum und zum tail nit superstitiosum. Und demnach (26v) das superstitiosum seye alles das, so von menschen die abgötter zumachen und zu lieben angericht ist, fiirstendig sein solt, die creatur oder ainiche derselben creatur gleich als Got zu ehern oder zuratschlagen und etlichen gedingen und pacten mit andewtungen gegen den teuflen aynung und pundtnus gemacht zuhaben, wie die furnemen und in bewegungen schwarzer künst, die etwan die poeten mer bedencken weder zu leeren pflegen. Aus wolchem geschlecht auch sein, doch etwas mit ainer freyeren eytelkait, die buecher der warsager, so man in latein benennet haruspices und augures. Item: Zu disem geschlecht gehorn auch alle bindung und ligatur auch die artznei und hilf derselben, wolche auch der artzt kunst, verdampt, es sey in bitungen oder in etlichen noten, die man chariacteres benennt, oder in andern, die man anhengkt und anbindet, oder auch die etlicher masse mit dem sprung zugeen, nit zu ainer massigung des leibs gehören, sonder zu etlichen bedewtungen heymlichen oder offenbarn; die doch (27r) mit ainem senftern namen in latein phisica genannt werden, also das die nit angesehen sollen werden superstition weys, sonder der natur zu frucht zukomen, als sein die oren bender in der hohe yeder oren oder die handtheblin von dem gepein der strawssen zöhen oder wan dir, so du den heschen hast, gesagt wirt, du sollest mit der rechten den lingken dawmen halten und trucken. Den mögen auch tawsent der aller eyteligisten leere und gepreuche zugefuegt werden etc.61 - bißher Augustinus. Hierauf ist lauter außgefuert, was religion oder superstition ist und wie ain yedes wirt gehalten. Das auch das wort religio in mererlay 63 64 65
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Lukrez, De rerum natura 1, 101 (ed. Rouse/Smith, LCL, 1975, 10). Lukrez, De rerum natura 1, 932 (ed. Rouse/Smith, LCL, 1975, 78). Lukrez, De rerum natura libri sex. Mit Kommentar von Giovanni Battista Pio, Paris 1514, fol. Χ ν (SStBA: 2° LR 98; Peutingers Exemplar). Aulus Gellius, Noctes Atticae 4, 9, 1 (ed. Rolfe, LCL, 1961, 338). Augustin, De doctrina Christiana 2,19f. (CChr.SL 32, 53f.).
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verstand und außlegung gepracht wirdet, zaigen die lerer an und sonderlich Bartolus68 in L. ij a in quarta oppositione et etiam ibi, quod duplex sit С. De summa Trinitate et fide catholica69 et Card. Zabarella70 in Clementina prima in quarto notabilij de testibus71, et doct extra De regularibus72 super rubrica, et in c. Pro humanj, De homicidio, Libro VIto73, Dominicus super c. Ecclesia sanctae mariae, De Constitutionibus74, deßgleichen (27v) Erasmus Roterdamus das wort colentes für religiosus außlegt, act. cap. xvijmo [= A p g 17, 17] 75 .
Nun zukomen auf das viert, den glauben belangendt. Cicero im ersten buch Von ämptern zaigt an: Das der glauben der gerechtigkait grundt vest und sey der zugesagten und überkomen sachen bestendigkait und warhait. Und der glauben hais darumb fides, wie die Stoici sagen, quia fiat, quod dictum est.16 Und wiewol das wort fides, das ist glauben, vil außlegung hat, prout refert glossa extra De summa trinitate et fide catholica und Roterodamus dergleichen manicherlay außlegung über die epistel zun Romern und ersten capital [= Rom 1,17] über das wort ex fide in fidem77 auch meldet, so beruwet die anfrag doch vetzo auf dem cristenlichen glauben, von dem der heilig Paulus in der epistel zu den Hebraeer am ailften capital Г= Hebr 11. 1-31 und zu eingang desselben schreipt also, es ist aber der glauben (wie Erasmus Roterdam dieselb epistel in latein gepracht hat) ain Wesen und substantz verhoffender ding und ain antzaigen der, die nit ge(28r) gesehen werden, durch die auch die eitern ain getzewgnus verdienet haben, durch den glawben versteen wir, das die weit mit dem wort Gottes gemacht und verpracht, damit aus den jhenigen dingen, die nit erschynen, das, so gesehen, gemacht und verpracht werde™ Die wort verhoffender ding bedewten unsichtbare
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Bartolus de Saxoferrato, Super prima parte codicis, Venedig 1492, fol. 5r (SStBA: 2° Inc.
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CJCiv. C„ 1, 1(KM2, 5). Franciscus de Zabarellis, Commentaria in Clementinarum volumen, Lyon 1534, fol. 65ν (SStBA: 2° KR 178). CJCan. Clem. II. 8. (RF 2,1147). CJCan. Decretal. Greg. III. 31. (RF 2, 569ff.). CJCan. Sexti Decretal. V. 4. 1. (RF 2, 1080). CJCan. Decretal. Greg. I. 2. 10. (RF 2, 12ff.). Erasmus von Rotterdam, Novum Testamentum ad Act 17 (LA 6, 499). Cicero, De officiis 1, 23 (ed. Büchner, SlgTusc, 1987, 20). Erasmus von Rotterdam, Novum Testamentum ad Rom 1 (LA 6, 562f.). Erasmus von Rotterdam, Novum Testamentum ad Hebr 11 (LA 6, 1012).
882). 70
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242 ding, wie dann oben nach dem wort anzaigen auch gemelt wirt, und wie wolh im glawben, wie gemelt, werden die gemeine wort unsichtbar ding, aber wie dem, so lendet sich doch sant Paulus mainung nit auf alle unsichtbare, sonder allain auf gotliche verewigete ding, also auf Got, der unsichtbar, war, gut, weys und allmachtig ist, in dem unser ding beruwen, in dem alles unser glück, alle unser wort und hofnung rastet. Darumb spricht Paulus hernach [= Hebr 11. 24-27]: Durch den glauben hat Moses Pharaonis tochter sune nit wollen benennt werden, sonder er wolet vil lieber mit dem volcke Gottes ubels zuleiden weder sich der zeitlichen bequemlicheiten und nutzbarkeiten der sunde zu under(28v) fachen. Achtende die schmach Cristi fiir grosser reichtumb weder die schätze Aegypti, dann er sein über sich sehen in der widergeltung hette. Durch den glawben verlies er Aegyptum, die greulichait des kunigs nit forcht, gleich als aber den thate sehen, der unsichtbar ist, also war er erhertet. Durch solchs wirt clar abgenomen, was der glaub und was unsichtbar ist. Paulus schreipt auch den Römern am ersten capitul Γ= Rom 1. 19f.]: Das von Got mag erkannt werden, ist inen (vermeint den volckern) auch offenbar, dan Got hat inen solchs geoffenbart, ja sein unsichtbarliche ding, das sein sein ewige macht und gothait, dann aus beschajfung der weit und andern sein thun und wercken wirt solchs abgenomen und verstanden. Also auch die unsichtbarn ding, an die sich der glauben verlasst und den anhangt, sein ewig als Got der herre selbs, und auch des glaubens gegenwurf ist, insonder dieweyl der war glauben sich auf kain sichtbar leiplich sache, wol allain in Got, der unser hofnung ist, richten thut. Das er aber unser (29r) hofnung seye, meldet Paulus am anfang der ersten epistel zu Thimotheo [= 1 Tim 1,1]. Item zu den Hebraeren am sechsten [= Hebr 6, 18-20] spricht er weiter: Das wir ain kreftig trostung heten, bey der wir unser Zuflucht suchten, damit wir aus furgesetzter hoffnung erlangen, die wir der seele, wie ain ancker halten, also sicher, bestendig und eingeende, bis dahin da die ding inwendig des furhangs sein, daselbs unser vorlaufer Jesus fur uns ist eingangen und nach der Ordnung Melchisedec ain hoher priester ewig ist. Also hat auch Paulus recht gelert, das der glauben nit aller, sonder der verhoffenden und unsichtbaren ding ain substantz und wesen sey, dieweyl er zu den Römern am achtenden f= Rom 8. 24f.] auch schreipt: Ja wir sein durch die hoffnung behalten worden. Demnach wa die hofnung gesehen, ist die nit mer ain hofnung. Warumb wolt ainer auch das jhenig, so er sieht, ferrer verhoffen. Dweyl, das verhofft wirt, nit gegenwärtig, sonder das künftig und ewig ist, also der apostel das wort sehen für ain synne, wie das
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Urschrift fol. 16r/v] solchs nit gantz lawter verstendig, wie das auch tunckel ist, dann solt der glawben aller ding, die nit werden gesöhen, ain wesen sein. Mocht ainer sprechen: ain stain, den ich dir zu stölle, wer gold, und derselb werde solchs vemainen, spreche ich weiter: ich welts mit dem beweisen, der müst solchs glawben. So ist es gold, dan durch die craft des glawbens were das gold daryne verporgen, also der stain gold were, dan".
243 (29v) jhenig, so ain ding mit leiplichen synnen wir leiplich thun erfarn, und beschlüßlich ist die hoffhung ain wort bessers lebens und sonderlich ains künftigen. 1 Das auch sant Pauls durch solch sein außlegung die articul des cristenlichen glaubens, so vergangen sein, nit ausschleußt, sonder an andern orten davon meidung thut, als: Das Cristus unser haylant geporn sey und geliten hab etc. Item: Was Cristas selbs auf gegenwirtig zeit gesetzt hat. Item: Auch das künftig ist, als yme zekomen und zurichten über lebendig und über tod. Aber aus der vili der zeit nit volgt, das darumb vil glauben sein sollen, sonder ist ain glaub, der durch die liebung wirckt, wie Paulus zu den Galater am fünften f= Gal 5. 61 schreipt et habetur in c. Firmum. De poenitentia dist. secunda79. Aber solcher glauben erfordert ain starck und manlich seele, die alle entpfindtliche ding, auch die schwachait menschlicher auffurung uberschreit, dann sonst mag nyemant selig werden, demnach allein, das sich ain mensch selbs von der gemeinen gewonhait abschwaif mache,™ (30r) als Crisostomus in der xxii Homilia über das newnt capital zu den hebraer [= Hebr 11.3] anzaigt. Desselben cristenlichen glaubens stuck und articul, so von der gemeinen cristenlichen kirchen ist angenommen, werden auch nit allain in der hailigen schrift, sonder auch in beden geistlichen und weltlichen recht buechern begriffen, wie dan hieuor vom kavßer Justiniano ist anzaigt und dergleichen in geistlichen rechten auch sagende Von der höchsten triualtigkait und dem gemainen glauben, davon sant Augustin an vil orten und besonder im buch Wider die manicheer am xlvj capital81 auch meidung thut. Und in obgemelten rechten ist lauter außgetruckt, was apostolischen glauben man halten soll.j Dann die drey keyser Gratianus. Valentinianus und Theodosius. so mitainander regiert, in irem ersten und andern gesatze des obgemelten tituls also geordnet haben: Das alle völcker, über die ir reichs guetigkait herschet, in der religion wandlen sollen, die der gotlich apostel Petrus den Römern geben hat, wie dann dieselb religio von ime verkondt, noch zur zeit erklaert,
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Urschrift fol. 17v] Hierauf aus dem volgt, das die verhoffende ding alhie sein geistlich, künftig und ewig, mit den sich der glawben nit auf sichtbar und leiplich, sonder unsichtbar, künftig, ewig und gotliche ding sich verlassen, das ist Got dem herren selbs aller gutheit höchsten schätze, der nit mit leiplichen synnen, sonder ym geist, im gmuet und in der seele wirt vemomen. Also wir auch erfaren mögen, warumb Joannes am zwölften capitul [= Joh 12, 44] meldet, das Christus hab gesprochen: Wer an mich glawbt, der glawbt nit in mich, sonder in dien, der mich gesendt hat. Urschrift fol. 19r] Daselbs auch durch bemelten keyser Justinianum die vier concilia als das Nicenisch, Constantinopolitanisch, das erst Ephesisch und das Chalcedonisch angenommen worden sein, wie wol vor yme. CJCan. Decr. Grat. c. 25 D. II. (RF 1, 1198). Johannes Chrysostomus, Homiliae XXXIV in Epistolam ad Hebraeos 22, 1 (MPG 63, 153). Augustin, De fide contra Manichaeos 46 (MPL 42, 1152).
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(30v) den auch bapst Damasus und Petrus bischowe zu Alexandria, ain manne apostolischer heyligkait, nachgeuolgt zuhaben sich erschaint, das ist nach der apostolischen zucht und der evangelischen leere des vaters, des suns und des hailigen gaists ain gothait, under gleicher mayestat und guetiger triualtigkait, glauben. Und wollen auch das der namen der gemeinen cristen dasselb gesatze an sich nemen soll. Wirt auch daselbs gemeldt: Das der ain warer lieber der gemainen religion antzunemen seye, der den nicenischen glauben bekennt. Also ander alle dieselben keyser, die nit des glaubens sein, fur torat und unbesynnt urtailen, und das sy die verlaimbdung der kezerischen leere gedulden, erstlich mit gütlicher rachsal und darnach aus irer gemuete bewegung, die sy aus hymlischer Willkür entpfangen haben, mit der strawf angriffen werden.*2 Nachvolgend und am driten ist auch kavse[r] Marciani gesatz daselbs ermeldt: Das weder cleric noch ritter massiger maner noch (3 lr) yemant ainer andern condition ojfenlich bey versamelten volcke und dem zuhörende vom cristenlichen glauben hinfuro handien noch tractiern solle, daraus aufrur oder der neydigkait Ursache entstendt. Dann der dem erwirdigisten concili unrecht thut und schmach beweyßt, wölcher, was ain mal geurtailt und recht geordnet ist, umbkeren und ojfenlich davon disputiern will, zusampt dem, das yetzo von dem cristenlichen glauben von priestern zu Chalcedone aus irer mayestat gepot zusamenkomen, der apostolischen außlegung und der einsatzung und instituta halben, so durch die heiligen väter die dreyhundert und achtzehen zu Nicea und zu Constantinopel die hundert und funftzig erkannt, gesetzt und statuiert worden ist. Dan wider die verachter derselben die strauf des gesatzs nit manglen soll, umb das sy nit attain wider den glauben, der recht außgelegt ist, komen, sonder auch den juden und hayden zugut durch solch streiten die hailige geheymnus schmehen und enteheren. Darumb ist derselb ain cleric, der sich understeet offenlich (31v) von der religion zutractiern, der soll von der gemeinschaft der cleric abgewendt, ist er ain ritermässiger, seiner ritterschaft beraupt, aber die andern alle, die solchs ubels schuldig, ob sy frey, aus der statt verjagt, sein sy aber aigen, mit heftigisten straufen gezüchtig werden." Nachvolgendt auch der genant kavser Justinianus84 die obgemelten drew concilia nit allain, sonder auch das viert, das ist das erst zu Epheso, gehalten zusein bestimpt. Die werden auch besteet xv q. j. c. Canones.85 Was auch das wort concilium bedewt, wirt daselbs lauter antzaigt. Also auch in obgemelten rechten nyendart zugelassen ist, von der religion des glaubens zuhandlen und zu tractiern noch zu disputiern, dann wa derohalben ain zwispalt einrise, das solchs in concilien oder, wie yetzo der geprauch ist, in gemeinen kayserlichen reichsversamblungen, daselbs doch endtlich der sachen hal82 83 84 85
CJCiv. C., 1,1-3 (KM 2, 5f.). CJCiv. C., 1,4 (KM 2, 6). CJCiv. C., 1,5 (KM 2, 6f.). CJCan. Decr. Grat. с. 1 D. XV. (RF 1, 34).
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ben, nichts beschlossen, sonder die allwegen auf die concilia geschoben und aufgeschurtzt werden. Und sein das die Ursachen, das solch (32r) Sachen nit allain weder myndere geistlich noch weltlich oberkaiten, sonder die gemein cristenhait angeen, dann solt ain yede mindere sonder oberkait als von ainem fürsten, grauen oder von ainer statt solches geduldet werden, handlung und tractat oder enderung der religion und glaubens halben furtzunemen und zubeschliessen, so möcht daraus volgen, das auch nit allain merckt und dörfer, sonder auch sonder rotten in Stetten und dorfern sich zusamen thun, widerwärtig irrung und zwispalt gegen ain ander erwecken suchen und die Sachen dahin bringen, das nichts, dann widerwill, aufrur und entpörung daraus erwachsen wurden, wie sich dann des verschinen funfiindzwanzigisten jars clar und lauter in den pewrischen und nachvolgendt aidgenossischen aufrurn under dem schein des heiligen evangeliums erschaint und begeben hat. Und demnach obgemelt keyser, als die obersten von Got eingesezte hawpter, der macht, gwalt und herschung von aufgang bis zu nidergang, also (32v) vil weiter weder yetzo das römisch reich in teutscher nation, datzemal sich erstreckt hat, soliche der cristenlichen religion und glaubens Sachen, nit allain durch mynder oberkaiten und sonder personen, sonder auch durch sich selbs allain nit handien noch tractiern wollen, aber allwegen die den general concilien beuolchen, dann in religion und gemeinen glauben sachen muessig, aigenwillig, verwenung und opinion außgeschlossen und das gepraucht, das die gemeiner cristenlich kirch halt, oder aber warumb solchs nit sein, an dem enden und orten außgefuert werden soll, da sich solichs gepürt. Der hailig Augustinus in seiner ainundachtzigisten predig, die er am aubent des heiligen Pfingstags von außlegung des glaubens gethan hat, über die wort: Ich glaub in Got vater, allmachtigen etc. spricht also: Ir geliebsten, ir wollen dises haupts symboli, das ist als ains anzaigens, des zusamen ist getragen, fleissig aufmercken haben, also (33r) daselbs vil vom glauben thät underrichten. Und doch dahin beschleußt, das wir sollen aufmercken, so in der bekantnus, der namen Gottes des vaters zusamen gezogen wirt, anzaigt, das er nit vor angefangen hat Got und erst nachuolgendt der vater zusein, sonder on allen anfang Got allwegen ist, so du aber den vater hörest, bekenn das er ain sune warhaftigklich geporen hab, als der wirt ain besitzer gesprochen, der was besitzt, und der ain herr, der etwan herschet. Darumb Got vater ist ains gehaymen sacraments namen, wolches warhaftigklich der sune, das wort ist, es soll auch nit gefragt werden, wie der vater den sune (das auch die engel nit wissen) geporn hab, solchs auch den propheten ist unbekannt, darumb Hiesaias im drevundfunfzigisten capitul Γ= Jes 53. 1] geschriben hat: Wer will sein gepurt erzein? Dannach sollen wir des disputierens, was Got sey, absteen, sonder solchs glauben. Und damit ich solchs kurz sage (spricht Augustinus) so ist uns gnug zuwissen, das das liecht den glänz hab geporn allmachtigen, hat er darumb gesagt
246 (33v) umb das er allmachtig, dem nichts unmuglich ist, der den hymel, das erdtrich, die menschen und alle thüer, auch die kreysende, nit aus ainichen thun des wercks, sonder allain aus dem gewalte seins worts beschaffen, also uns auch nit in betrachtung gefurt werden soll, wie das oder jhenigs hat mögen beschehen, sonder ime allmachtigen biten und bekennen. Zu dem schreipt er [= Augustinus] auch in der xx predig von den worten des apostels: О du hochait der reichtumb der weyßhait und der wissenhait Gottes! Du such Ursachen, ich verwundere! Du disputiere, ich glaub! Die höhin sihe ich, zu der tüfin kan ich nit komen. О du hochait der weyßhait und wissenhait Gottes! Wie unetfarlich seine gericht und unerfindtlich sein weg! Villeicht du auslegen wirdest? Wer hat den synne des herren erkandt? Oder wer ist sein ratgeb gewesen? Oder wer voriger hat im das geben? (Und volgt im beschluß:) Ob du unerfarliche ding zuerfaren komen bist und unerfindliche ding finden wilt, glaub, sonst bist vergangen. Das ist unerfarliche ding (34r) wollen erfarn und unerfindtliche wollen finden, als unsichtbarliche ding wollen sehen und unaussprechliche ding wollen ausreden. Darumb soll das haus also erpawen werden, so man alßdann komet zu desselben weyhung, veleicht zu der selben zeit solcher verborgener ding offenbar Ursache erfunden werden mögen}6 So vil vezo an dem ort aus Augustino. wölches leer und predig vom glauben meins achtens grosschätzig und allen fromen cristen zu fiirderung ewiger saligkait vast furstendig ist, die ich auch etwa, so mir Got der herre mer gesundthait verleicht, zuvertewtschen willens bin. Derselb Augustinus hat auch den prüdem in der wüstin an seiner funftzehenden sermon under anderm also gepredigt als am ersten buch der kunigen und andern capitul [= 1 Sam 2, 3] ist geschriben: Ir sollen nit erweitern ewer reden in hohen sachen, solchs an euch fast fur dienlich ist, dieweyl ir in weidern wonen, und doch der hailigen burger und Gottes hewßlich beywoner sein, als Paulus in der epistel zu den Ephesern am andern capitul [= Eph 2. 19] leret: Was sein nun dise hohe ding, von den vil zureden sich (34v) nit gepurt, dann allain von der allmechtigkait Gottes seins ain gepornen mit ewigkait, von der großmachtigkait des hailigen gaists. (Und erzelet weiter:) Wider die so mer wollen wissen weder die notdurft erfordert, das der hailig Salomon strafendt und lerende - als geschriben ist, Ecclesiasticj am driten - gesprochen hab: Sachen die dir zu hoch sein, wollest nit suchen, und sterckere ding wollest nit erfarn, weiter bezewgt er mit Paulo als ainer Sawl der glaubigen und ain liecht des circkels der gantzen weit, der mit seiner styme alle philosophierer abgetriben hat und sonderlich die, so den namen Cristi tragen und mer wollen wissen weder inen gepürt zu wissen, wie er dann schreipt zu den Römern am zwölften | = Rom 12. 31. Ich sprich - sagt ferner Augustinus - solchs nit darumb, das ir gar nichts suchen noch erfarn sollen, aber die anfrawgen, die in gütlichen sachen schweben, der ir nit verstendig sein mochten, solt ir nit erweitern. Sucht
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Augustin, Sermones triginta de verbis Apostoli 27, 7 (MPL 38, 182).
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allain, dieweyl ir gaistlich sein, wie ir die gepot Gottes halten und den tewfel in der wüstin überwinden wollen, auch wie Cristus (35r) die geduldigkait gelernet hat. Das soll ain diener Gottes allwegen lernen und erfüllen. Und nachvolgendts aber meldt: О bruder, es ist besser die unwissenhait guetlich zubekennen weder sich freuenlich der künst anzumassen und zu underfahen, dann der frauel hat die strauf undpeen, so die unwissenhait nachlassung und entschuldigung, erlangt.*1 Dieweyl nun auch der glauben, wie oben an zaigt, in der zusamenthonung derselben articuln schwebt und solchs auch in obgemelten beder rechten titul, deßgleichen auch Tertullianus- von der regel des glawbens schreibt und auch im psalm Athanasv ist begriffen, demnach der glauben nit änderst, dan durch die schrift wirt bewisen, ut in extra vagantj Cum inter nonnullos89, ubj glossa in verbo per consequens allegat concordantes, dasselbe wirt auch anzaigt in glossa super verbo declaramus, das nit zuglauben sey, das der bapst ain newen articul des glaubens machen mög.k Dann wen vom glauben gehandelt und tractiert wirt, ist ain bapst schuldig das concilium als das merer zuersuchen, ut xv dist. c. Sicut- ad finem (35v) ita glossa in c. Anastasius, xix dist.-. Wiewol man auch geschriben hat, wie ain concilium des glaubens sache dem bapst bevolichen hab, xxi dist. c. Nunc autem92 et de hoc etiam glossa in c. Ouodcumque super verbo reconciliat xxiiii q. i.93 et Card. Alexandrinus94 super dicto c. Anastasius.
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Urschrift fol. 21v-22r (alternativ bis Absatzende)] Und dweil die Sachen des glaubens etwas hoch, scharpf und schwerlich sein zu disputiern, wie oben anzaigt, so hat der heilig Augustinus etlich wollen auch sagen als am ersten buch der kunig am sechsten capitul [= 1 Sam 6, 19ff.] geschriben ist, das die Bethsamiter umb das sy die arch Gottes gesehen haben, das inen nit gepurt, sonder solhs verpoten gewesen geschlagen worden sein, dann am buch der zal und vierten capitul [= Num 4, 5 ff.] antzaigt wirt, wie Rupertus, ain apt von Tewtz vor Colen am ersten buch in das buch der kunig und xvj. capitul desselben über obgenannt viert capitul schreibt: [Rupert von Deutz, De trinitate et operibus eius - in Reg. 1, 16 (MPL 167, 1084D)]. Und ist wol war, das im buch der zal am vierten capitul lawter anzaigt wirt, wer in das allerheiligst eingeen und also die heilig schrift handien und tractiern und wer des muessig steen, auch wie sich jederman sonst halten soll, wie auch Origenes über dasselb viert capitul ain fast hipsche Homilia [Origenes, Homilien zum Hexateuch 5 (GCS 30/2, 24-30)] beschriben und doch daneben der mengin des volks ain guten trost geben hat. Es wirt auch von etlichen ain gleichnus von den Bethsamiter von den am ersten buch der kunig und sechsten capitul meidung beschicht, warumb sy in so ain grosse anzal erschlagen sein worden.
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Augustin, Sermones ad fratres in eremo 15 (MPL 40, 1259f.). Vermutlich: Tertullian, De praescriptione haereticorum 13 (CChr.SL 1, 197f.). CJCan. Extravag. Joh.XXII.tit. 14 c. 4 (RF 2, 1229f.). CJCan. Decr. Grat. c. 2 D. XV. (RF 1, 35f.). CJCan. Decr. Grat. c. 9 D. XIX. (RF 1, 64). CJCan. Decr. Grat. c. 7 D. XXI. (RF 1, 71 f.). CJCan. Decr. Grat. c. 6 С. XXIV. qu. 1. (RF 1, 968). Johannes Antonius de Sancto Georgio, Commentaria super decreto, Pavia 1497, fol. к 6r/v (BSBM: 2° Inc. c.a. 3483).
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248 Doch ist dis nachgemelten articuls halben weiter zumercken, das derselb etwan in ain disputation gefurt und das widerspil daneben auch gesagt mocht werden, ut in c. Cum Christus extra De hereticis daselbs gepoten wirt: Das hinfuro nyemandt sagen soll, das Cristus, nachdem er ain mensch, nit was gewesen, sonder er ist warer Got und warer mensch etc.95 Soll nun hinfuro menigklich derselben reden absteen. Voigt, das vor die nit verpoten gewesen und also vom bapst ain newer articul gemacht ist, solch widerwärtig disputiern abtzulainen sprechen die verstendigen der recht, articul des glaubens in dreyerlay weg und masse verstanden werden sollen, ain mal streng und einzogenlich, (36r) zum andern gemiltert und erweitert und zum driten auf das aller weitest ausgebrait werden mögen. Also auf die erst mainung soll man yetzo und allweg glauben als den apostolischen glauben, die auch all gleubig schuldig sein zu wissen und zuglauben, wie dann oben vom glauben zum tail ist anzaigt worden, per iura in glossa dicti c. Cum Christus extra De hereticis96. Zum andern als gemiltert und erweitert, das ist, was durch die concilia und etwan die bäpst erkannt worden, als da gesetzt ist, das in der driualtigkait die drey personen gleich sein und anders mer dergleichen, von denen xv dist. c. primo. secundo et iii°97 et De consecratione dist. 4 c. penultimo et finali98. tarnen aliter et forte melius distinguit praepositus Alexandrinus" sup, allegata с. Anastasius ad finem secundae et sequentis col. Und die articul alle des glaubens sollen implicite geglaupt werden; das ist, wa ainer glaupt, was die kirchen glaupt, und ob er gleich falschs aus naturlichen Ursachen bewegt verwenung und opinion weys furtragen und darynn (36v) der gemainen kirchen glauben will, so wirt er darumb nit fur ain ketzer geacht, er wolle dann sein irsal, ob er den hette begangen, aus angenomner hertigkait und also pertinaciter bestreiten, secundum quosdam, ut refert Innoc.""1 c. primo extra De summa trinitate et fide catholica et ita etiam latius refert Joan, de Imola"" super eadem rubr. col. V versiculo decimo Quaero et de hoc De consecratione dist. iij c. Perlatum102. Aber die vorsteer und prelatum, die sein nit allein schuldig, wie gemelt, implicite zu glauben, sonder auch explicite, die in allweg erfarlich (Got woll das es geschehe) das gesatz glauben sollen, wie dann in rechten, so bemelt gloss über egerurts capitul cum Christus103 anzaigt, ist begriffen und an 95 96 97 98 99 100
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CJCan. Decretal. Greg. V. 7. 7. (RF 2, 779) S.o.: CJCan. Decretal. Greg. V. 7. 7. (RF 2, 779). CJCan. Decr. Grat. c. 1-3 D. XV. (RF 1, 34ff.). CJCan. Decr. Grat. c. 155-156 D. IV. de cons. (RF 1, 1412). Johannes Antonius de Sancto Georgio, s.o. Innocenz IV., Apparatus super quinque libros decretalium, Venedig 1491, fol. a 2v (BSBM: 2° Inc. c.a. 2578). Johannes de Imola, Super prima parte primi libri decretalium, Venedig 1500, fol. 8v (UBM: 2° Inc.lat. 1474). CJCan. Decr. Grat. c. 27 D. III. de cons. (RF 1, 1360). S.o.: CJCan. Decretal. Greg. V. 7. 7. (RF 2, 779).
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disem ort die bischove am höchsten verbunden sein, damit sy ainem yeden das begerende, gepurenden bescheid geben und ursach anzaigen: xxxviii dist. c. Omnes psallentes104 et xxvj dist. c. Qui ecclesiasticis § Ecce105. Aber zum driten und auf das allermiltest und ganz erweitert die articul des glaubens verstanden, das ist ain (37r) yede maynung, die an ir selbs nit zweyfelich, sonder war, mag gehalten werden, ob die schon noch zur zeit nit erkannt noch zugelassen ist. Auf solch beschehen underschaid sprechen aber die verstendigen der recht, das der bapst auf den andern und driten weg mög ain newen articul machen. Aus dem volgt, das man in etlichen articuln zweyfeln mag und sonderlich, so die vor nit erörtert sein, und wirt des ain sonder extrauagant bapsts Benedict!, so angept: Benedictus deus. auch anders merers, wie obstat durch den cardinal Zabarella106 über obgemelt c. cum Christus angezaigt und vor im hat zum theil Innoc.107 super c. primo extra De summa trinitate et fide catholica'"8 auch dauon und sonderlich von bischoven, wie ermeldt, also das ich dannocht zur zeit nyendart in rechten außgetruckt befunden hab, das sich ainich weltlich oberkait und insonder ain myndere als nach ainem romischen kayser oder kunig fur sich selbs von wegen der religion und des glaubens handlungen und tractat zuhalten, enderung oder new Ordnung daryn zumachen einge(37v) lassen haben, aus vermögen der recht zugelassen und gestattet auch dawider nit gehandelt worden seye.1 Dann wiewol die hailigen apostel under der furstengwalt und gerichtzwangk gelept zuhaben anzaigt werden, auch ander dermassen zu leben angelernet, so haben doch sy nit änderst geprediget und geleret, dann was inen Cristus hat geoffenbart, also auch ire kirchen im anfang des cristenlichen glaubens an und aufgericht, die auch apostolisch kirchen als die mutern genennt sein worden, aber nit aus vilj derselben kirchen vil glauben erwachsen, sonder ain gemainer apostolischer glawbe und in gleicher leere den cristen gepredigt und fiirgeschriben ist worden, als auch Tertullianus schreipt und leeret, das uns für uns selbs und aus unserm furnemen und erwolen, was sonders im glauben zuhalten und vom ursprung zuschreiben, so ist war, das Christus der herre, als gemelt wirt Johannis am XXte" [= Joh 20, 21-23], gemeinlich und nit underschidlich zu den aposteln geredt: Als mich der vater gesandt hat, sende ich euch. Und als er solchs geredt, blies er sy an
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Urschrift fol. 23v] Dan zu besorgen, das ynn solhs durch höhere oberkaiten nit gestattet worden wer.
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CJCan. Decr. Grat. c. 6 D. XXXVIII. (RF 1, 142). CJCan. Decr. Grat. c. 2 D. XXXVI. (RF 1, 134). Franciscus de Zabarellis, Lectura super decretalibus, Teil 5. Lyon 1517, fol. LVIIIr, BSBM: (Res. 2° J.can.u. 240-3.4.5). Innocenz IV., s.o. CJCan. Decretal. Greg. I. 1. 1. (RF 2, 5).
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250 (38r) und spricht zu inen: Nemen hin den hailigen gaist. Wolchen ir die sunde erlassen, den sein sy erlassen, und wolchen irs behalten, den sein sy behalten. Also das er yedem nit underschidlich das predig ampt in der gantzen weit beuolchen, dann er, wie Matheus am letzten capitul Γ= Mt 28. 191 beschreibt, hat inen allen bevolchen, das sy hingeen und alle völcker lernen sollen etc. Zu solcher beruefiing, hat er bald darnach Paulum erfordert, als ain erwolt fas des hailigen gaists und andern aposteln den zugethan, wie in der geschieht der aposteln am neundten |= Apg 9. 15] ist begriffen. Die haben erstlich in dem judischen land das evangelion und den cristenlichen glauben gelernet und nachvolgendt send etlich in Judea beliben, etlich weiter getzogen, daselbs sy auch solchs gehandelt aber die zwen Petrus und Paulus, wie die historien [= Apg 9, 15] anzaigen, fast furtreffenlich, als solchs in obgemeltem neundten capitul und zun Galater am andern [= Gal 2. 2] ist gemelt. Also auch Paulus zu den heidnischen volckern fast der erst worden, (38v) wie auch zum Römern am ailften [= Rom 11, 13] verlawt, und solchs sant Augustein Von der statt Gottes am xiiij buch und ix capitul109 zuerkennen gipt, wolche apostel alle irem maister Christo nachvolgend neben dem das sy, wie obstat, gepredigt und geleret ainen ainfaltigen cristenlichen glawben, haben sy den weltlichen gwalt nit geflohen, auch ander evangelische solchs gelertm: Mathei am xxij [= Mt 22. 21]: Den zins dem kayser zugeben, item Mathei am xvij f= Mt 17. 24f.] auch vom zins geben, Paulus zu den Römern am xiij \= Rom 13. 1.]. Item Christus hat sich fahen zu des kaysers anwalt fuern und durch weltlichen gwalt tödten lassen: Mathei am xxvij [= Mt 27. 21 Joannis am xix ("= Joh 19. Iff.]. item Mathei am xx [= Mt 20. 26f.1. Luce am xxij [= Lk 22. 261. das er nit oberer, sonder diener haben wollen, item Paulus in der andern epistel zu Thimotheo am andern capitul ["= 2 Tim 21 sich in weltlichen gwalt nit einzulassen. Item in der ersten epistel zu den Chorinthern [= 1 Kor 4, 5] hat Paulus die meister und diener des evangelions vom richter ampt, umb das sy merers verwalten, außgeschlossen, wie dan Bernhardus (39r) solchs im ersten buch Von der betrachtung und am fünften capitul"" lauter außlegt, damit so ist auch nit der gaistlichait die erwirdigung und gepurent gehorsam in dem das sy zuhalten leret und gepewt nach dem evangelischen gesatze nit entzogen, ut Mathei am xxiii [= Mt 23. 31. und daselbs Hieronimus'". Doch soll zu solchem nyemant benötigt werden, wie dann Paulus in der andern epistel zu den Corinthern zu ende des ersten capituls | = 2 Kor 1. 241 schreipt: Das er nit komen sey zu herschen über iren glauben, sonder wolle ain mithelfer sein irer frewde. Daselbs auch Ambrosius spricht" 2 : Herschung und zwangk der glauben m
Urschrift fol. 24r] hab(en), bis auf die zeit kayser Constantini des ersten, also das sich bisda auf die selb zeit dhein bischoue ainichs gerichtszwangks underfangen hat.
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Augustin, De civitate Dei 14, 9 (CChr.SL 48, 426). Bernhard von Clairvaux, De consideratione 1, 5 (MPL 182, 734f.). Hieronymus, Commentariorum in Matheum 4 (CChr.SL 77, 210). Bei Ambrosius nicht nachweisbar.
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nit leidet, dieweyl der in den menschen willen schwebt und der notwendigkait nit ist underworfen. Und sonst Chrisostimus auch meldet, wie hernach ferrer anzaigt wirt. Item Paulus aber in der ersten epistel zu Thimotheo am andern Г= 1 Tim 21. Item zum Tito am driten (= Tit 3. 1]. Item in der andern zu Thimotheo am andern |= 2 Tim 2]. Daraus lauter wirt abgenomen, das die gaistlichen sich weltlicher oberkait nit (39v) sollen underfahen herwiderumb auch die mynder weltlichen oberkaiten, sich gaistliche sachen die irs gefallene zu endern und derohalben Satzung zumachen, die man on alles mitel und von zwangs wegen zuhalten schuldig sein, sich auch enthalten solten. Dann der hailig Chrisostimus am andern buch des dialogi Von der priestlichen wirdigkait in dem driten capitul also schreibt: Wie mag der kranckhait ain hilf gethan werden, wölcher masse und gelegenhait nit bewißt ist? Dann es tregt sich oft zu, so die heimlichait des gwissens emblößt und dieselb kranckhait anfacht zuerscheinen, ursach gipt zu schwerlicher hilfe, so es sich doch nit getzymen will den menschen zu ertzneyen zubenötigen, wie ain hirdt mit ainem krancken schawf thun und das bezwingen mag. Als Crisostimus nechst dauor auch meidung gethan, und spricht weiter: Ainem krancken schawf ist der hirt zugegen, bindet das, thut das auch von der waide wegk, brents oder schneits, aber bey dem, der ainen menschen ertzneyen soll, ist kain macht noch gwalt, sonder sein die, des der mit (40r) kranckhait beladen ist. Dann der verwunderbarlich man (vermeint Paulum), als er das gemerckt, hat er die Corinther in der andern epistel und ersten capitul [= 2 Kor 1, 24] also angeredt: Nit das wir under dem namen des glaubens über euch herschen, wir seyen mithelfer ewerer freude - als auch vorgemelt ist - , dann den cristen am ersten nit gezimpt ainichen gwalt mit der strawf anzulegen. Sonder aber die äussern richter, so sy etlich ubelthäter, die das gesatz ubertretten haben, ankörnen, ire manigfaltig macht und gwalt gegen inen erzaigen, dieselben auch als die unwilligen ir bose sitten abtzustellen zwingen, aber alhie (das ist in der cristenlichen versamblung) gwalt antzulegen, sonder solchs sich nit wol allain zu raten gepurt und aus derselben ursach sich den angenomen zum bessern zukeren gepurt. Wann uns ist der gwalt von den gesatzen nit zugeben worden, das wir die menschen von der sünde bezwingen sollen. Und ob solicher gewalt uns geben wer, hetten wir die stat nit, da wir solch macht üben und geprauchen Sölten, dann Cristus die mit der ewigen (40v) Chron begapt, die nit bezwungen, sonder aus aim herzlichen fursatz von der sünde absteen. Darumb die notdurft in vil weg erfordert, das die menschen, so schwach, ime selbs berätig, sich der priester artzney zu undergeben, auch das nit allain sonder solcher artzneye und begunstigung auch danckbar seyen. Ob nun ainer also mit Sünden gepunden, ungehorsamlich widerstrebt (dieweyl er das thun mag) sein sach damit scherpft und schwerer macht, wa er die wort, die seinem leben nutzbar weren, ime selbs ain ander wunden, und under dem schein der hinle-
252 gütig* ain schedlicheren kranckhait zufuegt, dann nyemant alhie ime gwalt anlegen noch denselben unwilligen heylen will.1" - bißher an dem ort Crisostomus. Aus dem allem wol zuvermercken, das ain mynder weltlich oberkait in sachen in bemelter ersten anfrag begriffen, (dieweyl das den sondern priestern auch nit zugeben ist) sich allain auch nit einlassen solle, das aber allain den gemainen und general concilien und sonst kainer andern sonder person oder sondern collegio zugeben seye, bey dem gotlichen gesatze etlich eingerisen zwispalt und zweyfel sampt anderm (41r) der kirchen Ordnung und gotliebung und religion und der glaubigen fride und ainigkait berürt, zu örtern oder zu determiniern, befindt sich in den geschichten der apostel, am xv [= Apg 15. 6. 221 daselbs Petrus nit allain hat wollen handien. Man fmdt auch aus andern nachfolgenden geschichten, das kayser und keyserin und wol zu vermuten auch ander erber geschickt und gelert von layen personen in die concilia erfordert sein, die auch das pesst haben helfen handien, dann höchste oberkait wol schuldig wem, so sy von priester und layen geschlechten, dermassen geschickt lewt verordneten, die das gotzwort am höchsten voraugen hetten, nit neydig, nit aigennützig, nit ehersuchig und am höchsten unvermaigelt wem. Und das solch obgemelt layen auch erfordert werden sollen, zaigt an Isidorus De ordine celebrandi concilii c. primo mit den Worten: Deinde ingrediantur laici. qui electione concilii interesse meruerunt•"" Dann am aigenklichisten von der cristenlichen gemeinen kirchen zureden, so sein der die layen gleich, als wol als die kirchen diener eingeleipt, (41v) als auch Paulus der Corinther kirchen benennt, an der ersten zu den Corinthern und ersten capitul [= 1 Kor 1. 2] und in den geschichten der apostel am 2QC capitul [= Apg 20, 28] von der Ephesier kirchen, also das ecclesiastici nach warer außlegung sein alle cristgläubige, priester und nit priester, die Cristus mit seinem plut erloßt hat, damit die cristenlich kirch aller mackel und runzeln frej geledigt, auf der warn grundt vest, das ist Cristus, beruwen möcht. Got der Herre wolle uns die gnad und barmhertzigkait mittailen, damit wir warhaftigklich seiner kirchen eingeleipt werden und wolcher also geschickter zu solchem concilio erfordert wurde, solt erscheinen. Dan: Ainer der guts wisste zuthun und zuschaffen, that und schief das nit, der beflecket sich mit sünden, Jacobi am vierten Γ= Jak 4.
121· Und als oben anzaigt ist worden, was die gar alten kayser von wegen des cristenlichen gemeinen glaubens gehandelt haben, ist ferrer zumercken, das als man zalt tausent drewhundert am dreyzehenden tag des monats Aprilis zu Pisis in der statt weylent kayser Hainrich der Sibendt. ain gepomer
"
Urschrift fol. 25v (stattdessen)] hailung.
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Johannes Chrysostomus, De sacerdotio 2, 3 (MPG 48, 634). Pseudo-Isidor, Ordo de celebrando concilio (MGH, Ordines de celebrando concilio, 176f.).
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253 (42r) graue von Lützelburg, seins kayserthumbs im ersten, des reichs im fünften jaren, ain gemain kayserlich gesatze, den cristenlichen gemainen glauben belangendt, geordnet, publiciern und verkönden lassen hat, wolches auch wevlent Doctor Hans Fergenhans Probst zu Dubingen in seinem andern buch seiner Chronica"5 und am ende des ccxlv plats gedenckt, aber doch daselbs die nit lauter von wort zu wort anzaigt. In demselben gesatze ist under anderm also begriffen: Wir zustöllent und gebende der höchsten und untailbarn triualtigkait die ehere und schuldig reuerentz, durch wolcher fursehung und guetiger bamhertzigkait wir des hailigen römischen reichs crone entpfangen und dasselbe regiern, in die wir am furnemesten unser hoffnung setzen, bestendigklich glauben und ainfeltigklich erkennen den vater, den aingepornen sone, aus dem vater geporn, und den hailigen gaist, aus inen beden körnende, ain gothait und gleicher mayestat und guetiger triualtigkait, nach der apostolischen zucht, und euangelischen leere, zubeleiben und zu eheren. Das ist der recht glawben, der (42v) wider alle irrsal tringt, dann der gotlich apostel Petrus und Paulus ain leerer der volcker, wir bekennen gegeben zuhaben, in wolchem gütlicher gedechtnus Constantinus. der durchleuchtig unser vorfarn, das römisch reich beuestnet und gemert hat, wollen wir alle völcker unserm reich underwerfen in diser religion zuwandlen und das solchs also in ewig zeit gehalten werden sol erkennen etc.'16 Wiewol er nachuolgendt groß straf wider die ketzer gesetzt und will, das man der bapst Satzungen wider dieselben solle geieben, dauon diser zeit on not ist ferner zumeiden, aber dis erkantnus und Satzung nachlengs wirt angezaigt per Albericum Rosatum"7 super rubrica c. De summa trinitate et fide catholica. Dieweyl dann erstlich von Cristo nachuolgendt durch sein apostel und furter durch die, die sy gelernet, und derselben nachkomen ye und allwegen ain ainfaltiger cristenlicher glauben ist gewesen und gehalten worden. Und dann als auch Tertulianus leret: Das ainer aufsatzung und instituts unendig erforschung nit sein mag und sey zusuchen, bis das dieselbig aufsatzung (43r) gefunden wirt, und so du alßdann die gefunden, die glauben und nichts weiters daryn handien sollest. Und zum jüngsten schleußt er dahin: Er hat dir die grub verordnet, dann er will das du nichts glaubest, dann was er aufgesetzt, dann dieweyl dasselb war und gerecht, also auch solchs zubehalten und zuglauben, und dabey nichts anders zusuchen beuolchen, dann, wie gemelt, das, so er aufgesetzt hat.
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Johann Nauclerus, Memorabilium omnis aetatis et omnium gentium chronici commentarii II, fol. 245v f. (BSBM: Res. 2° Chron. 51-1.2.). Heinrich VII., Constitutio contra haereticos et sacrilegos, 29. Juni 1312 (MGH, Const. 4/2, 800). Albericus de Rosate, Lectura super codice, Mailand 1492, fol. a 7r (BSBM: 2° Inc. c.a. 2764).
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Als auch vor etlichen verschinen jaren, als die luterisch leer eingerisen, auch ander mer darauf geuolgt haben, ist vilen noch bewißt, was grosser bewegung daraus entstanden sein, und im nechst verschinen ain und zwainzigisten jare, sich der reichstag zu Worms zugetragen, wiewol daselbs der Rhom zug Kayß. Mt. belangendt furgenomen, so ist doch datzemal durch ir Mt. und gemeinlich die reichsstende der religion und glaubens halben auch gehandelt und die sach dahin, doch vast durch des bapst botschaft gericht worden, das ir kayß. Mt. ain heftig edict außgeen und verkönden lassen haben, was darauf unge(43v) schickts geuolgt ist, haben ir mein herren wissen und ist zum tail oben begriffen. Demnach im sechs und zwainzigisten jare ist ain gemeiner reichstag erstlich alhie und nachuolgendt zu Speyer furgenomen und gehalten und daselbs befunden, das bemelt edict etwas zu scharpf gewesen. Demnach durch kayserlicher Mt. comissarien und gemein reichsstende aus beweglichen datzemal voraugen schwebende Ursachen in die beden abschid derselben reichstage gepracht, das ain gemein frej universale concilium furgenomen werden soll, und daneben besonder im bemelten Speyrischen Abschid auch begriffen worden, das: mitlerzeit des concilij oder aber national versamlung nichts desterminder mit des reichs underthanen ain yegklicher, so das edict durch kay. Mt. auf dem reichs tag zu Wormbs gehalten außgangen belangen, mochten fur sich also zuleben, zuregiern und zuhalten, wie ain veder solchs gegen Got und kay. Mt. hofft und trawt zuverantwurten.Ui Wölche nechst gemelt mainung von vilen und nit unpillich in höchsten zweifei (44r) ist gezogen und insonder, das solch kay. edict und hohen strawfen und bussen daryn begriffen, nyemandts erlassen sey, der dawider handle, des dann auch wol in acht ist zuhaben, und ferrer zubedencken, doch aus dem egerürten articul also ain mißverstandt ist erwachsen, das der nachuolgendt auf dem reichstag zu Speyer anno und im xxix ain erklerung hat entpfangen, lautende: Und aber derselb articul (zuuersteen der nechst obgemelt) bey vilen in ain grossen mißverstandt und zu entschuldigung allerlay erschrockenlichen neuen leeren und secten seyther getzogen und außgelegt hat werden wollen. Damit dann solchs abgeschniten und weiter abfall. unfridt. zwitracht und unrat furkomen werde, so haben
newerung bis zu künftigem concüien sovil möglich und
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Reichsabschied Speyer 1526, § 4 (ed. Kastner, Quellen, 494f.).
255 den. Und sonderlich soll etlicher leer und secten, sovil die dem hochwirdigen fronlichnam und plut unsers herren Jhesum Cristi zugegen, bey den Stenden des hailigen reichs teutscher nation nit angenomen noch hinfuro zu predigen gestat oder zugelassen. Deßgleichen sollen die ampter der hailigen meß nit abgethaun, auch nyemants an den orten, da die andern leer entstanden und gehalten wurdet, die meß zuhorn, verboten verhindert noch dartzu oder dauon getrungen werden etc.119 Solcher abschid ist nit allain durch euer meiner herren gesandten, ains erbarn rats alhie potschaften herren Chuonraten Herwart saligen und herren Matheusen Langenmantel, aus bemelter meiner herren sondern beuelch bewilligt, angenomen und umb das sigil derselben gebetten, sonder auch haben meins enthalts auf bemeltem reichstag zu Speyer (45r) und vor annemen desselben abschids gemein frey und reichsstet ain schrift120 laut bevligender copev kav. Mt. commissarien und andern Stenden daselbs ubergeben, wolche dann vil articul inhalt und sonderlich des glawbens und desselben zwispalt und anders merers, wie dann die creutzlin bey denselben articuln in gemelter schrift bezaichnet, erfunden werden, die auch wol zubedencken, damit newerung und anders, so daraus (als zu besorgen ist) erfolgen, wa dem, so in bemelter schrift und abschid begriffen ist, zugegen und wider gehandelt wurde, als vil möglich ist, verhuet und solchem bewilligen und annemen gedachts abschids gelept werde. Dann in eingang desselben abschids die Ro. Kn. Mt. und ander Kay. Mt. Commissarien laut irs beuelchs dergleichen churfursten, forsten, prelaten, grauen und stende des hailigen reichs samentlich sich des bemelten abschids und derselben ratschlag verainiget und verglichen etc.™ Wie dann die articul, daryn begriffen, außweyßen und zum tail hieoben gemelt ist. Dann die wort verainigen und vergleichen ain vertrag oder pact auf in tragen, die man zuhalten schuldig ist. (45v) So steet auch am ende desselben Speyrischen abschids ain ander articul also lautend: Und wir churfursten, fursten, prelaten, grauen und herren, auch der churfursten, fursten, prelaten, grauen und des hailigen römischen reichs frey und reichsstet gesanten botschaften und gewalthaber, hernach benannt, bekennen auch offenlich mit disem abschid. das alle und yede obgeschriben puncten und articul mit unserm guten wissen und willen und rathe furgenomen und beschlossen sein. Willigen auch dieselben alle sampt und sonderlich hiemit und in kraft disis briefs. Gereden und versprechen in rechten, waren trewen die, souil ainen yeden sein herschaft oder freunde, von den er geschickt oder gwalthaben ist, betrifft oder betreffen mag, war, stet, vest, aufrichtig und unuerprüchlich zuhalten, zu-
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Reichsabschied Speyer 1529 (RTA J.R. 7, 1299 bzw. 1142f.). Vgl. oben fol. lr-6r. Fünf Absätze dieses Textes sind markiert. Reichsabschied Speyer 1529 (RTA J.R. 7, 1299).
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voltziehen und demnach allen unsern vermögen nachzukomen und zugeleben sonder geuärd.122 Item in bemeltem Speyrischen abschid sein für ains erbarn rats und gemainer statt Augspurg potschaften im truck vergriffen und außgangen herr Matheus Langenmantel und Johann Hagk. (46r) Und zum beschlus in dem selben abschid laut: Und wir burgermaister und rat der statt Speyer von unser und der frey und reichsstet wegen diser versamlung unser insigel an disen abschid thun hencken. Geben und geschehen in des hailigen reichs stat Speyer am xxijten tag des monats Aprilis nach Christ) unsers lieben Herren gepurt im xvten und newen und zwanzigisten jare.123 Nachuolgendt im dreissigisten jare als kayserliche Mt. den reichstag alher gesetzt und herkomen ist auch der reichstag angefangen, haben ir Mt. frej und reichsstet, so den obgemelten jüngsten Speyrischen abschid angenomen, für ir Mt. selbs person auf ain genannten tag erfordert und inen furhalten lassen, das ir Mt. zu gnadigem willen und danck der frey und reichsstet bewilligen und annemen des abschids des reichstags zu Speyr geren gehört, inen auch daneben gnadigen danck sagen lassen und denselben der frey und reichsstet gesandten die hand gebotten. Darbey meinen herren von Augspurg verordneten auch (46v) gewesen, nichtz dawider gehandelt, sonder das alles und yedes furgeen und geschehen lassen haben. Item auf bemeltem reichstag alhie, als nach manicherlay handlung, datzemal gepraucht, die schrift des Augspurgerischen abschids vergriffen werden solt und der frey und reichsstette gesanten datzemal alhie waren, die selb schrift fürgehalten ward, haben sich etlich vil der erbern frey und reichsstette gesanten solchs abschids als vil die religion und glauben berürt hoch beschwardt, den nit annemen wollen, dawider protestiert. Aber nit destweniger hat ain erber rat der statt Augspurg, mein günstig lieb herren, im pessten bewegen nit allain durch sich selbs, sonder auch den grossen rat, solchen abschid als vil die religion und glauben berürt auch nit wollen annemen, doch sich entschlossen wiewol ain erber rat solchen abschid die religion und glauben belangent vor churforsten, forsten und Stenden, als gemainer statt beschwerlichen, nit angenomen und doch wider solchen abschid (47r) der kayß. Mt. und den Stenden des hailigen reichs nit gantz ungehorsam wollen erscheinen und demnach ain mitlen und milteren weg zugeen und zuhalten, wie hernach weiter folgt. In dem ist von wegen kayß. Mt. in demselben xxx ten jar und auf zwölften tag Nouembris mein herren den dreyzehen ain schrift uberantwurt.
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Reichsabschied Speyer 1529 (RTA J.R. 7, 1308f.). Reichsabschied Speyer 1529 (RTA J.R. 7, 1314).
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Und daryn under anderm begert worden, dieweyl ain rat hieuor den Speyrischen abschid der religion halben angenomen, demnach solt die den Augspurgerischen auch bewilligen, dieweyl doch der auf guten grundt, unsers waren alten cristenlichen glaubens gemees, den ains ratsvordern auch dermassen gehalten haben, und dartzu auf das künftig concilium gestölt were, also solchs nit zuwaigern etc.'24 - mit erzelung merer Ursachen etc. Auf solchs hat kayß. Mt. ain erbar rat auf xvj t e m tag bemelten monats und jars auch in aller underthenigkait in schrift ain antwurt ubergeben, wie die bewisst und under anderm auch daryn die nachvolgenden zusagen, (47v) kayß. Mt. gethan, begriffen sein: Erstlichen neben dem Speyrischen abschide den predigern zubeuelchen: Wider das hochwirdig sacrament des warn leibs und pluts Christj weder zuschreiben noch zupredigen zugestatten. Zum andern: Wie bißher die widertawfer nit zugedulden. Zum driten: Nit lern noch predigen zulassen, das die oberkait undertruckt oder der nit gepurent gehorsam gelaist werden solt. Zum vierdten: Die predigen und bewegung abzustöllen, dardurch der gemein man wider die oberkait oder die cristen menschen in uncristlich irrung gefurt, der sunst gegenainander verhötzt werden mocht. Deßgleichen schmehen, schümpßern und lestern gegen allen Stenden doch zimblicher gepürender und notdürftiger erynnerung und strafe zumeiden, als vil ainem prediger gepurt, unbenomen. Zum fünften: Das die prediger zu raichung des almusens und zum zimblichen (48r) gebet und allem andern, das ainem christen gepürt, die cristenmenschen ermanen und weysen sollen. Zum sechsten: Das mitler zeit des künftigen conciliumb bey allen buchtrucker und bucherverkaufern aller ernstlicher fleis ankort, damit alhie nichtz schmehlichs getruckt noch verkauft werde. Zum sibenden zuuerfiiegen: Das ain yede oberkait und dartzu ire gaistlich und weltlich underthan an iren renten, gälten, zinßen und zehenden beleiben, kainer den andern derohalben den andern entsezen, verhindern noch betrüeben soll.
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Nicht ganz wörtlich: Langenmantel-Chronik, 398f.
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Zum achtenden: An der meß, beicht noch sonst andern ceremonien nyemant dauon zutringen oder daran zuverhindern.125 Und darauf kayß. Mt. in aller underthenigkait angerufen und gebeten, ain erbern rat und gemaine statt Augspurg bey dem Speyrischen abschid, des xxix ten jars beschlossen, beleiben zulassen. (48v) Item neben Übergebung des obgemelten ains erbern rats antwurt, hat aus beuelche des selben, mein herr Doctor Röhlinger irer Mt. etlich articul mundtlich angezaigt, das doch hieryn diser zeit nit not ist zumeiden. Es ist auch nit on, das solchs Augspurgerischen abschids nit annemens halben mein gnedigister herr von Mentz von ainem erbern rat protestation weis geschriben, aber von sein F. Dtl. nit angenomen worden, wie dann des auch Schriften verhanden sein. Zu dem allen auch, obgleich ain erber rat den nachuolgenden Regenspurgischen abschid auch nit bewilligt, so konden doch die beden obgemelten nit bewilligen, der Augspurgerischen und Regenspurgerischen abschide, über und wider das annemen und bewilligen des Speyrischen abschids des xxix ten jars gemacht, und das zusagen kayß. Mt. alhie auf dem reichstag, wie gemelt, gethan, souil nit würcken noch zugeben, das ainem erbern rat hette sollen oder mögen gepurn, in Sachen (49r) die religion und den hailigen glauben betreffent, handlungen, enderungen und new Ordnung furtzunemen, aufzurichten und zuhalten, dan über obgemelt erzelungen und einpracht underricht, auch das zusagen, das auf gemelten tag zu Speyer durch die frey und reichstet, den Stenden des reichs datzemal in schrift ubergeben, auch das bewilligen und annemen des Speyrischen abschids, ist dieselb sach auf ain künftig concilium geschürtzt und gestolt. Zu dem allen, so hat die Ro. Kayß. Mt. in dem nechst verschinen xxxij ten jar auf den driten tag Augustj zu Regenspurg der religion und glaubens und derselben fridlichen anstände im heiligen reich teutscher nation halben ain offenlich kayserlich mandat lassen außgeen und verkönden, wie dann ainem erbern rat auch bewißt, so auf die handlung zu Nurmberg gehalten, geuolgt hat, in wolchem mandat nachbeschriben articul begriffen sein. (49v) Der erst: Dieweyl sich im hailigen reich teutscher nation mercklich gros irrungen, zwitracht und beschwerung des glaubens und religion halb zugetragen haben, dadurch, wa von uns mit zeitigem rat darein nit gesehen, krieg, aufrur und
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Langenmantel-Chronik 399f.
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widerwertigkait im hailigen reich zu unwiderbringlichem verderben, schaden und am letzten Zerstörung gemainer teutscher nation erwachsen wurde - zu dem mit erzelung, das der Türck dazemal anziehe etc.
Der ander articul: Und aber aus den berurten und andern treffenlichen Ursachen, die mercklich gros notdurft erfordert, die gemein teutsch nation in gutem fride und ainigkait zuerhalten, damit derselben verderbung, schaden und nachtail verhuet werde. Der drit articul: Demnach haben wir als das obrist haupt, zwischen allen Stenden des hailigen reichs teutscher nation, geistlichen und weltlichen, bis zu ainem gemainen, freyen, cristenlichen concilium, wie solchs auf dem reichstag (50r) beschlossen ist oder, wa das sein furgang nit haben wurde, bis die gemeinen stende des reichs, wie hernachvolgt, wider auf ain gelegen maistat zu ainander berueft und beschriben, ainen gemainen friden auftzurichten und allenthalben in das reich publiciern zulassen furgenomen, wie wir dann aus römischer kavß. macht und rechtem wissen hiemit solchen gemein friden aufrichten und publiciern. Der viert articul: In der gestalt, das hiezwischen dem gemelten concilj oder das die stendt, wie obsteet, wider zuainander komen und durch ain reichstag in der religon Sachen ander einsehen beschicht, kainer den andern des glaubens und religion noch sunst kainer andern ursach halb bereden, bekriegen, berauben, fahen. uberziehen, belegern auch dartzu durch sich selber oder vemants andern von sein wegen nit dienen noch ainich schlos. stet, marckt. beuestigung. dorfer. höfe oder wevler absteigen oder on des andern willen mit gwaltiger that freuenlich einnemen oder gefarlichen mit brandt oder (50v) in ander weg dermassen beschedigen, auch nyemant solchen thatern rat, hilf und in kain ander weys beystandt oder furschub thun, auch sy wissenlich oder gefarlich nit behörbergen, behausen, ätzen, trencken, enthalten oder gedulden, sonder ain yeder den andern mit rechter freuntschaft und cristenlicher lieb mainen soll. Der funft articul: Wir erpieten uns auch allen fleis furzuwenden und zufurdern, damit das obgemelt concilium in ainem halben jar außgeschriben und publiciert und darnach in ainem jar gehalten. Aber im fall so das nicht erlangt werden möcht, das alßdann die gemein stende des reichs wider zuainander auf ain gelegne maistat zusamen berueft und beschriben wurden, zuratschlagen, was des gemelten concilj und sonst ander notdurftigen Sachen halb ferrer furtzunemen und zuhandlen sey.
260 Zum sechsten: So ist solchen gemeiner frid gepoten, des reichs underthanen bey iren aidspflichten, damit sy (51r) ir Kayß. Mt. und dem hailigen reich verpunden sein, in allen sein puncten und articuln, wie der von wort zu wort außgetruckt ist, den vestigklich zehalten und kainer den andern, er sey geistlichs oder weltlichs stands, dawider nit zubetrieben noch zubeschedigen noch zu belaidigen etc.126 Und volgt auf das, wer solchen gemeinen friden ubertrit, der soll, wie der im kayß. landtfriden zu Wormbs außgangen begriffen ist, denselben peenfall verfallen sein. Auf disen gemein ausgangen kayserlichen friden ist widerumb lauter zuermessen und sonderlich von den jhenigen, die den Speyrischen abschid des xxix t e n jars angenomen haben, daryn der nachgemelt articul auch ist begriffen, lautende: Wir auch churfursten, fursten, prelaten, grauen und stende haben uns auch verglichen und einander in guten, waren trewen zugesagt und versprochen, das kainer von geistlichen noch weltlichen stände den andern des glaubens halber (51v) vergweltigen, tringen oder uberziehen noch auch seiner rent, zins, zehenden und gueter entwern. Deßglaichen keiner des andern underthan, verwandten des glaubens und anderer Ursachen halben in sonder schütz und schirm wider ir oberkait nemen sollen noch wollen, alles bej репе und straf des kayserlichen aufgerichten landtfriden, wolcher alles seins Inhalts in wirden beleiben, vestigklich gehalten und voltzogen werden soll.127 Darnach volgt die volziehung und wie wider die ungehorsamen darauf der fiscal soll procediern, und anders merers yetzo on not zumeiden, sonder solchs ist lawter in bemeltem abschid begriffen. Dieweyl nun oben in vil weg ist gemelt, was die romischen kayser hieryn angesehen, erkannt, gesetzt und statuiert, auch was hieryn ain erber rat diser statt Augspurg mit annemen des Speyrischen abschids und sonst kayß. Mt. bewilligt und zugesagt hat und dann auch in recht geordnet und fursehen ist, (52r) das kain statt zu nachtail der kayserlichen gerichtzzwangs und hochait ichts weder zusetzen, zustatuiern weder macht und gwalt hat. Und sonderlich als vil dis sache endrung und vernewerung im glauben berürt, dann sy ist so wichtig und gros, das die den höchsten Stenden zugehört, per notata per Antonius de Butrio128 et Joan, de Ymola129 in c. primo extra De Institutionibus. Zu dem das die minder oberkait der merer wolmainung ansehen und erkantnus nit aufheben mag, wie geschrieben ist: ff. Mandatj vel contra L. Si hominem130, aus dem auch durch 126 127 128
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Regensburger Mandat 1532 (RTA J.R. 10, 1525f.). Reichsabschied Speyer 1529 (RTA J.R. 7, 1301). Antonius de Butrio, Lectura super tertio decretalium, Lyon 1532, fol. 45r/v (SStBA: 2° KR 39- 5.6.). Johannes de Imola, Super tertio decretalium, Venedig 1500, fol. h IX r (UBM: 2° Inc.lat. 1475). CJCiv. D., 17, 1, 30 (KM 1, 252).
261 die rechtferstendigen außgefurt wirt, ob gleich ainer statt von ainem rö. kayser oder kunig zugestelt und geben worden were, statuta, und Ordnungen zumachen, so ist sich doch solcher gwalt nit auf ainich vernewern, corrigiern noch verendern ziehen noch erstrecken, das des jhenigen das er vor angesehen, erkant, offnen und publiciern lassen hat, es were dann dasselb insonder von der höhern der myndern oberkait zugestelt worden et ad hoc faciunt Notata per Baldum 13 ' et Angelum super L. Ex imperfecta C. De Testamentis ordinandis. 132 Es mögen auch die gemeine recht nit erleiden, das ain myndere oberkait (52v) das jhenig, das die hoher oberkait hat gemacht und mit vil wachen, mue und arbait zuwegen gepracht, angesehen, erkannt, aufheben, wegknemen und verhindern soll: L. Si quando C. Inofficioso testamento 133 quem textum ad hoc allegat glossa in c. finali super verbo figura De hereticis Libro vi t0 .' 34 Und das die minder der obern oberkait ansehen und erkantnus nit wegkthun noch verwerfen möge, ist im kayserlichen rechten auch fiirsehen: L. finalj C. De legibus135 et L. попа C. De officio praesidis 136 . praeterea c. Cum inferior extra De maioritate et oboedientia 137 . Joannes Andreae 138 in additionibus ad speculum super rubr De electione. glossa in c. Cum dilectus139 super verbo constitutum extra De consuetudine 140 . et ad hoc etiam facit. quod docet Fridericus de Senis"" in consilio x v i j m o questio Est talis in verbis praeterea quoniam episcopus et sequentj. Es wirt auch sonst in recht fursehen, das weder bischoue noch ainich magistrat wider die Constitution der höchsten oberkait nichts furnemen, sondern die halten sollen: in auctentica Ut ius iurandum. quod prestatur ab his in ... pulchre Baldus142 super L. Omnes populi in iij col verbo in contrarium ff. De lust, et Jure143 et allegatur Cle Ne
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Baldus de Ubaldis, Lectura sexti libri codicis, [Perugia, vor Okt. 1472], fol. к 8v (BSBM: 2° Inc. s.a. 146). CJCiv. C„ 6, 23, 3 (KM 2, 253f.). CJCiv. C., 3, 28, 35 (KM 2,135). CJCan. Sexti Decretal. V. 2. 20. (RF 2, 1078). CJCiv. C„ 1, 14, 12. (KM 2, 68). CJCiv. D., 1, 18, 9. (KM 1,45). CJCan. Decretal. Greg. I. 33. 16. (RF 2, 202). Guilelmus Duranti, Speculum iudiciale. Mit Additiones von Johannes Andreae und Baldus de Ubaldis, Venedig 1488, Teil 3, fol. Ε r (Studienbibliothek Dillingen: XXIV, 420; Peutingers Exemplar). CJ Can. Decretal. Greg. I. 6. 32 (RF 2, 77ff). CJCan. Decretal. Greg. I. 4. 8. (RF 2, 39ff.). Fridericus Petruccius, Consilis et questiones, Venedig 1498, fol. 12v (BSBM: 2° Inc. c.a. 3677). Baldus de Ubaldis, Lectura super prima parte digesti veteris, Venedig 1493, fol. 12r (BSBM: 2° Inc. c.a. 2812). CJCiv. D., 1,1,9 (KM 1,30).
262 (53r) Romani De Electione 144 . ubi Petrus de Ancharano 145 in quarto notabili De electione et idem in consilio xxv quod incipit Videtur prima facie dicendum in prima col verbo Et sicut civitas et с. Si quis venerit extra De maioritate et obedientia.146 Und wie wol daselbs das buch der kunig [= 1 Sam] wirt angetzogen, so dienet doch alher am maisten das xvii capitul Deutr Г= Dtn 17. 11] und insonder das kay. Mt. und die stende des reichs auf dem reichstag zu Speyr im xxix t e n jar von wegen der religion und glauben nichts haben wollen verendern, vernewern noch das alt wesen entlich hieryn weder becreftigen noch confirmiern, sonder die Sachen geschürtz auf ain künftig concilium oder, wa das nit gehalten wolt werden, auf ain national versamblung, wolchen abschid ain erber rat, wie gemelt, auch bewilliget angenomen und solchs auf dem reichstag alhie nechst gehalten, vernewert, auch dieweyl der yetzig außgangen kayserlich gemein fride, sich, wie gemelt, dahin lendet, so kan ich bey mir nit finden, das ainem erbern rat wolle über solchs alles und yedes gepurn newer(53v) ung und endrung in der religion und glauben diser zeit furtzunemen, man wolle dann ain rat und gemeine statt in gros farz und sorgfaltigkait stecken, das meins achtens hoch ist zubedencken und zuermessen. Zu dem so ist auch ferrer zubetrachten, das der egerürt Speyrisch abschid auf ain gemaine vertrag, verainung und pacts weys von kayß. Mt. und den Stenden des reichs ist furgenomen und beschlossen und also ain gemein recht daraus worden. Demselben zugegen und zuwider kain sonder reichsstand und sonderlich, der solchs auch angenomen hat, weder durch ander pundtnus, pact noch in ander weg handien soll noch mag: Extra De foro competent! с. Si diligentj' 47 et extra De testamentis c. Requisisti 148 . L. Ius publicum priuatorum pactis mutari поп potest ff. De pactis149 et L. Inter debitorem eodem titulo.' S0 Und sonderlich, so was gemacht und aufgericht ist von wegen gemeins nutzes: ut per glossam in dicto c. Si diligentj cum similibus. Man soll auch die form nit allain des, wie gemelt, angenomen, sonder auch, wie der von alter gewesen ist, nit verkoren: (54r) L. Quidam decedens ff. De administratione tutorum. 151
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146 147 148 149 150 151
CJCan. Clem. I. 3. 2. (RF 2, 1135). Petrus de Ancharano, Super Clementinis, Lyon 1549, fol. 5ν (SStBA: 2° KR 19/1); Consilia, Pavia 1504, fol. 12r (SStBA: 2° Rw 24; Peutingers Exemplar). CJCan. Decretal. Greg. I. 33. 2. (RF 2, 195f.). CJCan. Decretal. Greg. II. 2. 12. (RF 2, 25 lf.). CJCan. Decretal. Greg. III. 26. 15. (RF 2, 543f.). CJCiv. D., 2, 14, 38 (KM 1, 60). CJCiv. D., 2, 14, 42 (KM 1, 60). CJCiv. D., 26, 7, 5 (i.m.) (KM 1, 378f.).
263
Und auch dabey man vernemen mag, das das hailig römisch reich teutscher nation ist ain corpus, dem Got der allmächtig und insonder auch diser loblichen stat, die auch ain glid desselben, vil gnad und guts hat verlihen, und aber in ainem solchen corpus als vil möglich kein widerwärtigkait erscheinen und ob sich die zutrieg, soll die gemiltert werden, wie dann kayß. Mt. und die reichsstende meins achtens denselben weg gangen sein, das dis laider eingerisen, widerwärtig und spennig sache, von des pessten wegen widerwillen und aufrar zuverhueten, wie gemelt, auf ain general oder national concilj geschoben ist. Dann wir ye glauben sollen ain gemaine und nit vil cristenliche kirchen und, ob ain spalt darein kome, so soll doch die wider in gemeinhait, die Got dem herren gefellig und angenem ist, gepracht werden, das aber nit beschehen mag, wa deßhalben ain yede sonder partheye sonder weg suchen und geprauchen wolt, so ist auch diser statt gelegenhait kains wegs das die gemeine, und sondere burger(54v) schaft und on außraisen und wandern sich anheyms erhalten, wie bey andern Stetten villeicht bequemblich sein mocht, solt nun etwas alhie furgenomen und gehandelt werden, das den abschiden des reichs und yezo dem gemainen kayserlichen außgangen und verköndten friden zugegen und wider (als ich nit verhoff, das solichs geschehen) und man dann waist, wie mit Gottes hilf die statt aufgenomen hat, so möchten wider wertig diser statt sich mer alßdann darnach richten, sich zusamen thun und aus vil Ursachen, es were durch den fiscal an dem camergericht oder in ander weg, die ain yeder, der diser statt ehern und wolfart geren sehe und der guts gönnet, wol hat zuermessen, mer lust und willens haben die zubekriegen und zubeschedigen weder ain andre, und neme des ain schein, aus obgemeltem Speyrischen abschid und kayß. Mt. außgangen gemein friden, wie und wolcher gestalt, die peenfall und straufen daryn begriffen sein, auch sonst von kainer oberkait nit vernympt, das die seyther der selb kayß. frid ist verkont worden ainich ferner newerung oder enderung hab furgenomen (55r) oder gethaun, das auch wol zumercken und insonder dieweyl der frid durch vil partheyen zu Nurmberg ist bewilligt und angenomen worden, die mer dann Augspurg sein. Und ob yemant sagen wolt, der oder jhener hat solchen friden nit angenomen, das sein mocht, so volgt doch nit daraus, das yemand dawider zuhandlen macht hab. Dan kayß. Mt., als das obersthaupt, hat den erkannt und geboten, zu dem so ist der dem Speyrischen abschid gleich. Also ob sölicher gemeiner frid yemant nit bände, so bindet doch der Speyrisch abschid den, der ine hat angenomen. Und beschlußlich von disem articul der gemelten ersten anfrag zuschreiben, so bedunckt mich, doch auf Verbesserung meiner herren ains erbern rats, das in diser Sachen die religion und glauben und sonderlich derselben newerung und enderung belangendt stilgestanden werd, dieweyl solchs meins achtens furwar in ains erbern rats als ains erbern rats thun und werck allain nit steet noch schwebt noch ist, ferrer newerung hieryn furtzunemen und endrung zuthun und sonderlich in Sachen, die vor vil jaren auch auf
264 (55v) die ban gepracht, in zweyfel getzogen und abgepracht und gestillt, yetzo wider erwöckt und noch in zweyfel gefurt sein, und also damit vil menschen wider ir gewissen und iren freyen willen bezwungen werden mochten, das doch nit sein soll, dieweyl doch der geist Gottes nyemant mit gwalt tringt, wiewol die gauben sonst ungleich, auch vil berueft und wenig erwölet sein. Ich find auch geschriben, das articul des glaubens zustellen oder newes oder verenderlichs daryne zusetzen, mocht von etlichen gesagt werden, das von dem hailigen gaist was vergessen und etwan das wort oder die warhait ungenügsam sein solt oder in ain zweyfel gestölt weren, das dann auch zusagen beschwerlich were, und0 sonst das volck fur sich selbs, on ansehen und erkantnus ains rats, erbern cristenlichen bericht, wie es die gnad von Got gehaben oder entpfahen mag, was ime zu ain cristenlichen leben auf diser erde furstendig und zum ewigen leben furderig ist und sein, und das ain rat als ain rat und auch als ain sonder particular commun noch zur zeit diser sachen halb wol in ruw besteen und beleiben. Dann on (56r) zweyfel Got der allmachtig wirt in dem und anderm selbs handien nach seinem gotlichen willen, dem nyemant widerstand thun mag. p Und aber Cristus, warer mensch und Got, hat, als Matheus am xxii capitul [= Mt 22, 37-40] schreibt, und Deutr am sechsten [= Dtn 6, 5], auch leuiticj am xix [= Lev 19, 18] und Paulus zun Römern am xiii [= Rom 13. 9] ermeldt, die antwurt den Phariseern geben: Du solt lieben den Herren dein Got, aus gantzem deinem hertzen und in gantzer deiner seele und in gantzem deinem gemuete, das ist der erst und gros beuelche. Der ander ist auch dem gleich: Du solt dein nechsten lieben gleich als dich selbs. Wann in disen bevelchen das gantz gesatz und die propheten hangen. Wie auch Marcus am zwölften [= Mk 12, 30f.] solch beuelch gepot nennet, mit dem wort preceptum, aber Matheus [= Mt 22, 38. 40] benents mandatum. Daryn ist aber kain underschaid und wirt daraus genomen, die recht grundt vest der cristenlichen religion und glauben, das auch darüber kain menschlich erkantnus bedarf, will man änderst dem volg thun, wie auch Luce am χ Γ= Lk 10. 22]. Johannis am xiiij und xv capitul f= Joh 14. 6: 15. 7. 16] ist beschriben. und nit allain das wir unserm nechsten, sonder auch unser veind (56v) lieben, die benedeyen, die uns maledeyen, den wol thun, die uns hassen, fur die auch biten sollen, so uns beleidigen und verfolgen, wie geschriben ist Mathev am fünften |= Mt 5. 43f.]. Luce am sechsten [= Lk 6. 27f.] und an mer orten. Aus dem allem nit abgenomen und verstanden wirt, das in der religion und glau-
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Urschrift fol. 37v-38r] doch Moses das Volk trewlich lernet, wie geschriben ist Deutr. am vierten [= Dtn 4, 5] und am zwölften [= Dtn 12, 1], Salomo an dem buch der spruchwort am xxxsten [= Spr 30, Iff.] und am buch der Offenbarung Johannis am letzten capitul [= Apk 22, 18f.] auch mer orten trewlich underricht und gelert wirt, on das dan ain yeder mensch fur sich selbs, so er die gnad gottes erlangt, wol waiß zu suchen, zu nemen und zu gebrauchen. Urschrift fol. 38r] der verleyhe uns sein gnad und barmhertzigkeit.
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ben newerung oder endrung furgenomen mag werden, dardurch kay. Mt. als höchste und ander mer oberkaiten, ainem erbern rat nit underworfen, als ich ain erbern rat gentzlich darfiir acht und halt, zusolchem keins wegs genaigt seye, angetascht, oder inen eingriff beschehen solt, dardurch widerwillen aufrur und entpörung erwachsen, und sonderlich das solch gemainer statt hinfuro zu beschwerlichem nachtail und schaden raichen mocht, und ob dagegen gesagt wirt, man soll Got mer gehorsam sein, dann dem menschen, das ist war, das wir solchs thun, aber darumb sollen wir yemant anderm, uns nit verwandt, hieryn nit betrieben noch turbiern: Sonder ob uns gleich ainich Verfolgung von fursten oder andern oberkaiten von wegen des cristenlichen namens (57r) entgegen geen wurde, soll die geduldet und getragen werden. Wie dann Erasmus Roterdam das xiij capitul Pauli zun Römern in seiner Paraphrasj außlegt und spricht weiter: Wie ain yede oberkait in ainer Ordnung bestände, die von wegen der religion nit betrüept noch turbiert werden soll. Ob gleich etlich schandlich begirden und laster sein und aber in solchen doch sich nit gepürt mit inen zuvergleichen. Aber herwiderumb so sein etlich sachen in wolchen von notwendigkait wegen sich gepurt, fridt und ainigkait des gemainen stadts und Verwaltung gemeins nutzes zuerhalten, ob sy gleich heyden wem, doch auch nach gelegenhait der zeit damit die aus unserm beyspil und exempel nit merer ergernus entpfahen. Und tailt diser sachen suma in drey tail. Der erst ist warhaftigklich himelisch und Cristo gleich als gemeine, den wir fur uns selbs allen dingen fursetzen. Also uns selbs Cristo zu seinem tempel anordnen und erpawen sollen, wie Cristus sich auch ain tempel genennt hat, als Johannis am andern [= Joh 2. 19(.21ϊ] geschriben stat: Precht den tempel und in dreyen tagen will ich ine aufrichten. (57v) Also wolche im zutziehen, werden lebendig sein den geistlichen tempel Gottes zuerpawen und ain solchen wie yegkliche selbs lebendig stein sein, ir yeder auch ain tempel ist, wie das Petrus in seiner ersten epistel am andern capitul [= 1 Petr 2. 5f.] lernet. Der ander tail wirt in weltlich und unordenlich begirde gericht; den sollen wir in allweg fliehen. Der drittail wirt in ain mitel und milteren weg gestölt, der fur sich selbs weder gut noch bös ist, aber doch widerwillen, aufrur und anders ubels zufurkomen und frid und ainigkait von wegen gemeins nutzes zupflantzen, zuerhalten und zubeschirmen, wirt der gesucht und gepraucht.152 Obgleich der ain schaten der ungerechtigkait auf im trüge, so soll doch das (wie gemelt) nach gelegenhait der zeit guetigklich geduldet und getragen werden, wie dann etwan von den weltlichen oberkaiten und herschungen, ob die gleich unpillich wem, auch gesagt werden mag. Doch wa solchs offenlich ain ungerechtigkait wider Cristum auf im truege, weren wir nit schuldig, dem volg zuthun, (58r) sonder deßhalben unser creutz zutragen. Dieweyl dann die kay. Mt. in den zwispalten und zwifel sachen der religion und glaubens halben das mitel ha-
152
Erasmus von Rotterdam, Paraphrasis in Epistolam Pauli ad Romanos 13 (LA 7, 820).
266 ben gefunden, furgenomen, geordnet und publiciert, wie oben in dem gemainen friden ist ermelt, damit zu diser zeit widerwill, aufrur verhuet und frid und ainigkait gefordert werden, dieselb Satzung und constitution dermassen gethan, wie hieoben von ainem auf das ander ist erzelt, zu dem was dann daneben ain erber rat von wegen gemainer statt fur sich selbs und durch sein erber potschaft hat auch bewilligt und zugesagt, das ist auch zuermessen und in betrachtung zuhaben. Und in disen schweren lewfen meins achtens also das wegest, beste und nuzlichest sein möcht, auch den mitlen und miltern wege zuwandlen, und also was guter erber und cristenlicher Ordnung mochten betracht und furgenomen werden, daraus weder gegen kay. Mt. als höchster noch andern oberkaiten ainem erbern rat nit verwandt noch zugehörig gemainer statt Augspurg und der burgerschaft daselbs ainich widerwill, aufrur und (58v) entpörung nit besorgt noch getragen noch zugelegt, das in solchem allain zur notdurfit und doch zimblicher weyse wurde gehandelt, wa man aber sorgen und furchten müßt oder solt, das solchs gemainer statt reichen und armen zu mue, arbait, unrhat widerwillen, feintschaft und in ander vil mer weg zu nachtail und schaden und sonderlich gegen kayserlichen fiscal erwachsen und raichen mocht oder das in solchem dem camergericht ursach geben wurde, peenal gepots oder gleich wol aucht brieve außgeen und verkonden zulassen, das demnach in solchem diser zeit still gestanden wurde, dan Got der herre sonst sein sache selbs nach seinem gütlichen willen wol anzurichten waißt und die schicken wirt nach seinem gotlichen gefallen, und wir wie uns Got der herre sein erkantnus (als vil die menschen der begreifen mögen) und sein glauben mitgetailt hat, nach seinem gotlichen willen zu unser seele hail, fur uns selbs uns auch also darein schickten, das (59r) uns nach disem zergencklichen leben zu furderung ewiger saligkait furstendig ist und nit achten, was ander thaten, die uns nit zugewandt noch zugehörig sein, dann die yetzo schwebenden zweyflichen Sachen, so vor Zeiten auch in das thun und in das werck gepracht sein möchten, aber die yetzo widerumb zuerörtern, ains hohen gemainen merern erbern und cristenlichen Verstands und ermessene bedörfen, damit nit ain yeder fur sich selbs ist begawbt noch auch weder macht noch gwalt hat, allain und fur sich selbs andern hieryn Ordnung und Satzung zugeben, das will ich also meinem kleinfuegigen versteen underthenigklich angezaigt und dabey gepeten haben, mir solchs im pessten zuuernemen. Dann ich ye der underdienstlichen hoffnung bin, ain erber rat werde sich in ichten nit einlassen noch begeben, daraus bey disen geschwinden sorgklichen und beschwerlichen lewfen ime selbs, gemainer statt Augspurg und der burgerschaft, reichen und armen, ungnad und anders oben ermelt zugetragen und zugelegt werden solt. (59v) Zum andern ist ain anfrag an mich beschehen. durch was weg und in was gestalt der ungleich und widerwertigen predigen mag abgestölt werden, so die widerwertigen predigen nit allain in den gaistlichen. sonder auch in weltlichen Sachen zerütungen bringen.
267
Acht ich diser anfrag halben, ain notwendiger articul im ermelten Spevrischen abschid des xxix jars begriffen seve. der also lawt: Und als zu Nurmberg auf den zwayen leisten alda gehalten reichstagen zwen articul sonder der prediger und der truckerey halber verabschidt und verwilligt worden sein, haben wir uns mit sampt churfursten, fursten, prelaten, grauen und stend verglichen und verainigt, das denselben nochmals gelept und volg gethan werde, nemblich das ain yeder churfurst, fürst, prelat, graue und andere stend im reich mit allem möglichen fleis in seiner oberkait bestellen und verfuegen, das mit allen predigern fuegk(60r) lieher und zimblicher weys geredt und gehandelt werde, in iren predigen zuvermeyden, was zubewegung gemainen mans wider die oberkait oder die cristen menschen in irrung zufueren ursach geben möcht, sonder das sy allain das evangelion nach außweyßung der Schriften und der hailigen cristenlichen kirchen approbiert und angenomen zupredigen und zu leren und wes disputierlich Sachen sich desselben zupredigen und zuleren zuenthalten, sonder gemelts cristenlichen concilj endtschids zugewarten?53 Und wie wol in disem articul gemelt wirt von zwayen reichstagen zu Nurmberg begriffen sein, so hab ich doch in der eyl im abschid daselbs zu Nurmberg des xxij ten jars nichts, wol im abschid des xxiiij ten jars, auch zu Nurmberg also verabschidt, gefunden: Es sollen auch unser Statthalter und regiment darzu churfursten, fursten, prelaten, grauen und stend des reichs daneben mit sonderm hohen fleis und aufmercken, versehen, das mitler zeit das hailig evangelion und gotswort nach rechtem warem verstandt und außlegung der gemeinen kirchen ange(60v) nomen lerer, on aufrur und ergernus gepredigt und gelert werde.154 Item im abschid zu Augspurg anno xxvi ist auch also begriffen: Und nach dem etwan vil prediger das hailig evangelion und wort Gottes in mancherlay mainungen zutziehen und zutheiln understeen, so soll ain yede oberkait, sy seye geistlichs oder weltlichs stands, ain fleissig aufmercken und einsehen haben, das in iren fürstenthumern, landen und gepieten mitler zeit das hailig evangelion und gotswort nach warem rechten verstandt und außlegung deren von gemeiner cristenlichen kirchen angenomen lerer on aufrur und ergernus zuerhaltung Gotes lob, friden und ainigkait gepredigt werde, wie auf jungst gehaltem reichstag zu Nurmberg auch beschlossen und im abschid begriffen ist, solchs auch den predigern antzaigen zulassen, im selben gewarnet zusein. Wol auch im abschid zu Augspurg anno xxx ist ain articul begriffen worden, mit etwas mer mainungen, dieweyl aber derselb abschid, von ainem erbem rat nit angenomen, hab ich den weiter nit melden wollen, wer aber den haben
154
Reichsabschied Speyer 1529 (RTA J.R. 7, 1300). Reichsabschied Nürnberg 1524 (RTA J.R. 4, 605).
268 (61 г) will, der findt den in bemeltem abschid am blat В iiij, und hept an: Es haben uns darauf etc.X5S Nun wais ich kain nutzlichen noch fürstendigern weg, dann wie oben in bemelten dreyen abschiden ist begriffen, fürtzunemen, acht auch, wa dermassen mit meinem gnedigen herren von Augspurg gehandelt, sein fürstlich gnaden werde solchs bey den predicanten, den stiften und pfarrern alhie zugehörig auch gern verordnen. Und sonderlich vermaint ich, daneben gut und fruchtbar zusein, damit frid und ainigkait destbas underhalten das auch sonst alle schwerlichen, antaschen, dann allain was Gottes wort lauter außtruckt, auf der cantzel und in den predigen auch abgestölt werde.
Auf die drit anfrag ist meins achtens unnotdurftig und gleich wol ain uberflus ainichen ratschlag zugeben, dann solt ain erber rat ain endrung und new Ordnung fürnemen und die sach auf ain retung wollen stellen, die ich für mein person nit versten noch ermessen (61v) kan, auch meins achtens reichen und armen, die ir narung alhie nit gehaben, sonder außwendig und an vil orten die zuerlangen handthiern muessen zu gutem und wolfart nit möglich wirt sein, wie der articul laut ainer gwisen unverzigen hilf zuuersehen und zugetrosten, das sy also sicher hin und wider ziehen mögen, wo änderst was furgenomen wurde, das kay. Mt. und gleich wol auch kon. Mt. deßgleichen andern Stenden des reichs zu wider sein mocht, das doch besser zu underlassen ist und sein wirt, aus den Ursachen, hieoben ermelt, dartzu so mochten sich, die Sachen also beschwerlich zutragen, das kain retten furstendig sein mocht, das doch der allmechtig gnedigklichen verhueten wolle, so sein auch die burger alhie mit iren handthierungen und gewerben in fast vil fern landen und gebieten begriffen, das solch angefragt retten auch nit furstendig sein wurde. Und dieweyl mir aber daneben auch aufgelegt ist zuberatschlagen, in was gestalt, mit wien die statt Augspurg unangesehen (62r) irer furgenomen endrung und ainer newen Ordnung sich gwiser hilf versehen und getrösten soll, solchs mir zu ratschlagen aus erzelten Ursachen ist auch unmöglich, dann menschlich gwis hilf allain zu Got stat, also was der mensch für sich selbs für gwis achten, bey Got ungwiß sein mag, quia ipse disponit, wiewol was man handelt, das mit gutem gründe bewärt und verantwurtlich, auch mit fueg weder forcht noch sorg auf im tregt, etwas schirm und defension auf im tragen mocht. Doch aus oben vil erzelten Ursachen ist man vor Got diser statt schuldig, nichts ungwis noch zwiflichs also gleich wol disputierlichs einzufüeren, auch weder fürtzunemen noch zuhandlen, dann solt gemainer statt ain unrhat daraus ent-
155
Reichsabschied Augsburg 1530 (ed. Kastner, Quellen, 514).
269 steen, das Got der herre wolle verhueten, so ware ain rat schuldig daran, und könde des gemeine statt nymmer ergetzt werden. Dieweyl aber ain erber rat sich mit den erbern Stetten Nurmberg und Ulm in verainung eintzulassen willens, so ist doch in den articuln, so zu Nördlingen (62v) fiirgeschlagen worden sein, und veleicht hie weiter gehandelt werden, dauon ich doch gar kain wissen hab, was dieselb handlung ferrer ist und sein wirt, mir nit möglich in gmein hierauf die begert copia fruchtbarlich und furstendig zustellen und zuuergreifen, sonder, so die gepurendt bewilligung und einlassen, von den erbern Stetten erlangt werden, muß man vor articuls weys die sachen in ain vergriff stellen. Alßdann mag man wolgedachtlich die copey verfertigen, dan solch sachen lassen sich auf ain ungwisen grund nit fur arbaiten, sonder solchs als vergebenlich gehandelt wurde. Und insonder in bemelten articuln zu Nördlingen gestölt, stet meins achtens begriffen, das yede statt under den dreyen in sachen der religion und des glaubens frey sein wolle, das in vil weg verstanden und dannocht auf kein hilf getzogen, deßhalben derselb articul höher, gwiser und verstendiger erlewtung bedarf. Aber ich acht mein herren, die bißher in derselben sach gehandelt (63r) oder noch handien, dieselb erlewterung mögen erlangt habenq oder noch erlangen. Und das auch solch sachen sampt mit hilf des allmechtigen also fursehen werden, damit dise statt mer in frid und ainigkait erhalten, weder die in unruw und sorgfeltigkait gestolt, also vor unwiderbringlichem nachtail und schaden verhuet werde. Deßhalben und auch aus erzelten Ursachen hoch, gros und fleissig aufmercken gehapt, wa enderung und newerung im glauben solt fiirgenomen werden, das dise statt die höchste hawpter und ander oberkaiten, die sy in ungnad bringen, strawfen und beschedigen mögen, nit auf sich laden thue noch in ichten, das derohalben zu widerwillen raichen mag, ursach gebe, dan die kriegsleut nit nach recht oder unrecht der sachen, sonder allain nach solde und gwynnen frawgen und trachten, das man alhie für all ander stett tewtscher nation im reich zubekomen verhofft. Solchs alles mit besstem rat bedacht und furkomen werden soll, dann sonst daneben mag ain erber rat woll ermessen, was bißher Got der allmächtig, mit (63v) erhaltung frid und ainigkait alhie aus gnaden dem gemein manne zubefridung leib, eer und gut scheinbarlich gewirckt, mitgetailt und gefurchtet hat und was hinwider aus solchem bewegen und suchen volgen wurde. Dartzu so sein in disen thewren jaren die gemeinen kosten alhie mit getraid fast gemyndert und klein worden, solt nun dise statt mit grosser rettung erhalten und man lies von Bayren noch von Schwaben nichts herein geen, mag auch bey ainem rath bedacht und abgenomen werden, was nachtail schaden, verderben und sterben daraus erwachsen und insonder wa den stiften alhie ursach geben wurde, das sy von hynq
Urschrift fol. 45v (anstatt der folgenden 6 Wörter)] disis pundtnus ist mir dhain wort von der selben handlung (wie auch mein halb on not) anzaigt, anders und billich als ich acht on not sey, meins ferners gütbedenkens anzaigen züthun, sonder.
270 nen mueßten entweichen, die wie sy verfreindt und bey wolchen hohen und nidern Stenden sy angesehen und veleicht dieselben nit fröwer sein mochten, ursach wider gemaine statt zusuchen, dann man gern klawbet, wa man sich vermut zufinden. Wiewol das auch ain weg, als diser zeit zu Straßburg meins achtens furgangen ist, dieweyl allain grauen und herren (64r) auf denselben hohen stift und fur sich selbs von iren hergeprachten gepreuchen abzusteen gewilligt gewesst sein, ob ob es hie auch also, mit willen und freuntschaft (des ich doch sorg trag, nit beschehen) erlangt, so mocht solchs dest mer verantwurtung auf im tragen und ob es gleich furgeeng, so mochten doch frembdt, der vor elter an die stift geben hetten, solchs nit gedulden noch wollen dulden, und dardurch auch bewegt werden, unrat zusuchen, das alles die notdurft erfordert zubedencken. Item es ist auch hieryn zuermessen, das die von Costentz iren geistlichen ursach geben haben, Costentz zu räumen, mit was grossen erlangten Unwillen das sey beschehen, und dannocht die von Costentz zur selben zeit ain grossem anhang von Aydgnossen weder yetzo gehapt haben, dieweyl auch die funfort yetzo wider sy sein, taglich in grossen far und sorgen steen muessen, und aber Augspurg weder Costentz in manicherlay weg ain ander bedencken und ansehen hat, wie sich Costentz auch yetzo underhalt, und (64v) sonderlich der handtwercker halben, ist den jhenigen die daselbs geweßt sein und solchs gesehen haben, wol bewißt, dartzu so hat Costentz nit als vil zuuerlieren als Augspurg, mag wol etwas zu wor gerust und fiirsehen sein. Item zu Wormbs und Speyer hat man mit den stiften nichts zuhandlen, lassen die beleiben, dan sy der Pfaltz und den andern chur- und fursten zu nach gelegen sein. Was trosts und hilfe auch Straßpurg und Costentz sich yetzo von Aydgnossen versehen könden oder mögen, ist auch zuermessen. Ob man auch hie geschickt sey höchsten und andern Stenden des reichs widerstandt zuthun, soll auch billich werden bedacht. So ist auch wol zubedencken, ob man auch newerung und enderung im glauben und religion alhie fürneme und sonderlich in Sachen die vor etlichen vil jarn auch auf der (65r) pan gewesen und durch gemeine concilia aberkant, was leit man dartzu gehaben möge, die an leer und kunst gnugsam weren, solch furnemen zuuertädigen, zuuerantwurten und zuuertreten wüssten und des gwissen verstandt hetten, damit durch sy dise statt, reich und arm, nit in abfall schaden verderben und sterben gepracht werden.
271
Das alles will ich, auf das begern, an mich beschehen, allain gantz guter, getreuer, underdienstlicher, schuldiger und williger mainung anzaigt haben, doch alles auf Verbesserung und wolgefallen der genanten meiner herren ains erbem rats diser statt Augspurg und ains yeden andern merern und bessern verstandts und damit dise statt (wie ich andechtigklich bite) Got dem allmächtigen in sein gnad, schütze, schirm und barmhertzigkait bevolchen haben.
r
Ich Chonrat Peutinger beder recht doctor hab mich mit mein selbs handt underschreiben etc.
'
Urschrift fol. 46v] Causa religionis et fidei pro dominis meis Augustensibus, presentata auf sambstag post ascensionis.
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen von Zeitschriften und Schriftenreihen richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis der theologischen Realenzyklopädie von Siegfried M. Schwertner (Hg.), 2. Aufl. Berlin - New York 1994. Abkürzungen biblischer Bücher richten sich nach dem Verzeichnis der Abkürzungen in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd.l, 3. Aufl. Tübingen 1957. Die von den Augsburger Ratskonsulenten benutzten und zitierten Werke wurden in aller Regel mit modernen Quellenausgaben verglichen. Die entsprechenden Abkürzungen werden im folgenden Abkürzungsverzeichnis aufgelöst, doch wurden die Quellensammlungen nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommen. Zudem wurden die Abkürzungen der Archivnamen aus Gründen der Übersichtlichkeit in das Abkürzungsverzeichnis aufgenommen. ABA
Archiv des Bistums Augsburg
BSBM
Bayerische Staatsbibliothek München
CChr.SL
Corpus Christianorum, Series Latina, Turnhout 1953ff.
CSEL
Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Wien 1866ff.
GCS
Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte, hg. von der Berliner Akademie, 1897ff.
KM
Corpus iuris civilis, hg. von Th. Mommsen, II. Teil: Codex Justinianus, hg. von P. Krüger, Berlin 1954.
LA
Leidener Ausgabe: Desiderii Erasmi Roterodami Opera omnia, Leiden 1703 ff. (Nachdruck: Hildesheim 1961 f.).
LCL
The Loeb Classical Library, Cambridge/Mass. - London 1914ff.
Mirbt/Aland
Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, hg. von C. Mirbt und K. Aland, Bd. 1, 6. Aufl. Tübingen 1967. Monumenta Germaniae Historica, Berlin u.a. 1826ff.
MGH
274
MPG
J.P. Migne, Patrologia Cursus Completus, Series Graeca, Paris 1844ff.
MPL
J. P. Migne, Patrologia Cursus Completus, Series Latina, Paris 1857ff.
RF
Corpus iuris canonici, hg. von Ε. L. Richter und E. Friedberg, Nachdruck: Graz 1959.
SAA
Staatsarchiv Augsburg
Slg. Tusc.
Sammlung Tusculum, München - Zürich 1923ff.
StAA
Stadtarchiv Augsburg
SStBA
Staats- und Stadtbibliothek Augsburg
UBM
Universitätsbibliothek München
WGA
Wesensarchiv bei der Evangelisch-Lutherischen Gesamtkirchengemeinde Augbsurg
WLBS
Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Quellen- und Literaturverzeichnis A. Ungedruckte Quellen ARCHIV DES BISTUMS AUGSBURG ( A B A ) *
ВО 383
WÜRTTEMBERGISCHE LANDESBIBLIOTHEK STUTTGART HANDSCHRIFTEN ABTEILUNG ( W L B S )
Cod. hist. 2° 161 Cod. hist. 2° 218 Cod. hist. 2° 243
STAATSARCHIV AUGSBURG ( S A A )
Augsburg-Hochstift: Urk. Nr. 2776 1,11; NA-Akten Nr. 5299 Augsburg-Domkapitel: Urk. Nr. 3886
BAYERISCHE STAATSBIBLIOTHEK MÜNCHEN - HANDSCHRIFTENABTEILUNG (BSBM)
Cgm 1355
Roth, Reformationsgeschichte II teilt außerdem (ohne Signatur) als Quellenbeilagen zwei für die vorliegende Arbeit aufschlußreiche Texte aus dem bischöflichen Archiv mit, die während des 2. Weltkrieges vernichtet wurden: 1. Ratschlag der Verordneten des Domkapitels am 25. April 1534 (Roth, 173f.). 2. Ratschlag betr. der von Augsburg attentate in der religion Sachen [Oktober 1534] (Roth, 238).
276 STADTARCHIV AUGSBURG ( S T A A )
Augsburg und Kaiser: Nr. 33a Einwohnermeldearchiv Familienbogen (Greiff, Benedikt und Greiff, Ludwig) Evangelisches Wesensarchiv (EWA): Akten Nr. 12; 44; 47; 58; 389; 486; 487; 488; 633; 696/1; 1561/1 Historischer Verein: H.P. 9; H.P. 178; N 7 Katholisches Wesensarchiv (KWA): G П^ОЗб1 Literaliensammlung (LitSlg): Aug.-Dez. 1522; Jan.-Febr. 1525; März 1525; März-April 1528; Mai 1528; Jan.-Juli 1530; Aug.-Dez. 1530; Nachtrag 1530; April-Dez. 1531; Jan.-Juli 1533; Aug.-Dez. 1533; Jan.-Mai 1534; Juni-Sept. 1534; Okt.-Dez. 1534; Jan.Juli 1535; Aug.-Dez. ("A"-"0", Nr. 1-18, dann unnumeriert!) 1535; Nachtrag 1532-1536; Nachtrag 1534 I (Nr. 1-25) und II (Nr. 26-56); Personenselekt "Peutinger 1490-1569"; Selekt "Wiedertaeufer & Religionsacten". Reichsstadt: Akten Nr. 1037; Anschläge und Dekrete I (1490-1649); Bauamt-BaumeisterbücherNr. 125 (1531); 128 (1534); 129 (1535); 130 (1536); 131 (1537); 132 (1538); 134 (1540); Geheime Ratsbücher Nr. 1 (1524-1526); Nr. 2 (15261530); Nr. 3 (1530-1537); Nr. 6 (1540-1542); Ratsbücher Nr. 14 (1501-1520); Nr. 15 (1520-1529); Nr. 16 (1529-1542); Ratserlasse 1507-1599 Repertorium: Nr. 35/1 Schätze: Nr. la; 16; 49a
277 STAATS- UND STADTBIBLIOTHEK AUGSBURG - HANDSCHRIFTENABTEILUNG (SSTBA)
2° Aug. 9 Anschläge, 1. Abt. und 2. Abt. 2° Aug. 243/2 2° Aug. Ordnungen, 1. Abt. und 2. Abt., 4. Bd., 1. Teil 2° S. Anschläge 2° H.V. 105 Statuta, 1. Abt. 4° Aug. Anschläge 4° Aug. Ordnungen, 2. Abt., 5. Bd., 1. Teil 4° Aug. 1194 Cod. Aug. 89 Cod. 2° S 92 WESENSARCHIV BEI DER EVANGELISCH-LUTHERISCHEN GESAMTKIRCHENGEMEINDE AUGSBURG ( W G A )
Fase. 1 (1500-1561) [unfoliiert und unpaginiert]
278
В. Gedruckte Quellen und Darstellungen P. S. (Hg.): Opus Epistolarum Des. Erasmi Roterodami, Oxford 1906ff. (Nachdruck 1992).
ALLEN,
ARBEITSGEMEINSCHAFT AUBERUNIVERSITÄRER HISTORISCHER FORSCHUNGS-
EINRICHTUNGEN: Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte; in: ARG 72(1981), 299-315. Rosemarie: Das Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert. Beiträge zu einer typologischen Analyse schriftlicher und bildlicher Quellen (SHKBA; Schrift 18), Göttingen 1980.
AULINGER,
DIES.: Konrad Peutinger of Augsburg; in: DIES.: Contemporaries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reformation Bd. 3, Toronto 1987, 74-76. DIES. ( B e a r b . ) - HISTORISCHE KOMMISSION BEI DER BAYERISCHEN AKADEMIE
(Hg.): Deutsche Reichstagsakten - Jüngere Reihe unter Kaiser Karl V. Bd. X, 1-3, Göttingen 1992. (= RTA J.R. X) DER WISSENSCHAFTEN
BAER, Wolfram: Zum Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt in der ehemaligen Reichsstadt Augsburg; in: Aus Archiven und Bibliotheken (Festschrift fur Raymund Kottje zum 65. Geburtstag), Frankfurt u.a. 1992,429-441. BAYERISCHE STAATSBIBLIOTHEK (MÜNCHEN) - HERZOG AUGUST BIBLIOTHEK
(Hgg.): Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts, Stuttgart 1983ff. (= VD 16) (WOLFENBÜTTEL)
BDS
BUCER, Martin
Hans-Jürgen: Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht; 17), Köln/Wien 1988. BECKER,
Okko u.a. (Hgg.): Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung, I.Institutionen, Heidelberg, 2. Aufl. 1997, II: Digesten 1-10, Heidelberg 1995. BEHRENDS,
279
Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, hg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, 10. Aufl. Göttingen 1986. (= BSLK) BELLOT, Josef: Humanismus - Bildungswesen - Buchdruck und Verlagsgeschichte; in: GOTTLIEB, Gunther u.a. (Hgg.): Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 1984, 343-356. DERS.: Art. Faber, Johann; in: BAER, Wolfram u.a. (Hgg.): Augsburger Stadtlexikon (Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Recht, Wirtschaft), Augsburg 1985, 102. DERS.: Art. Peutinger, Konrad; in: BAER, Wolfram u.a. (Hgg.): Augsburger Stadtlexikon (Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Recht, Wirtschaft), Augsburg 1985,282. BELOW, G. von - ROTH, Friedrich (Hgg.): Die Chronik des Augsburger Malers Georg Preu des Älteren 1512-1537; in: HISTORISCHE KOMMISSION BEI DER BAYERISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (Hg.): D i e Chroniken der
deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert XXIX. Bd., Augsburg 6. Bd., Leipzig 1906 [Nachdruck: Göttingen 1966]. (= Preu-Chronik) BLENDINGER, Friedrich: Ulrich Artzt; in: PÖLNITZ, Götz Freiherr von (Hg.): Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben Bd. 6 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte; Veröffentlichungen Reihe 3), München 1958, 88-130. BLICKLE, Peter: Gemeindereformation. Die Menschen des 16. Jahrhunderts auf dem Weg zum Heil, München 1985. BOCK, Ernst: Der Schwäbische Bund und seine Verfassungen (1488-1534). Ein Beitrag zur Geschichte der Zeit der Reichsreform (Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte; 137. Heft), Breslau 1927. BÖHM, Christoph: Die Reichsstadt Augsburg und Kaiser Maximilian I. Untersuchungen zum Beziehungsgeflecht zwischen Reichsstadt und Herrscher an der Wende zur Neuzeit (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg; 36), Sigmaringen 1998.
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Martin - EHMER, Hermann: Südwestdeutsche Reformationsgeschichte. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württemberg 1534, Stuttgart 1984.
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Philip: Popular Pressure for Reform in Augsburg, 1524-1534; in: Wolfgang J. (Hg.): Stadtbürgertum und Adel in der Reformation. Studien zur Sozialgeschichte der Reformation in England und Deutschland (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London; Bd. 5), Stuttgart 1979, 80-87.
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BSLK
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Index der Orts- und Personennamen
A Agricola, Stephan 43, 62, 85f
Dillingen 22f, 110, 1 8 6 - 1 8 8 , 2 0 0
Artzt, Ulrich 24, 2 7 , 4 9 f , 65
Dinkelsbühl 82
Augsburg 13-25, 28-30, 32-62, 6 5 - 6 7 , 6 9 - 9 1 , 9 3 - 9 8 ,
Donauwörth 78
100-102, 107-110, 112, 116f, 119f, 122-137, 139,
D r e c h s e l , Hans 63
141-145, 147, 150-153, 156f, 159-166, 168f, 172178, 181-184, 187-191, 193f, 196-206, 208-217 Ε Avunculus, Marx 198 Eber, Valentin 71 Eck, Leonhard von 177, 182, 1 8 9 , 2 0 0 , 202 В Baden
Edelmann, Haimprand (Heimprand) 97, 99 Ehem, Christoph
183f
123
Basel 41, 70f, 125, 132
Ehinger, Hans 82
Beringer, Anna 7 7
Eiselin (Eyselin), Stephan 94
Bern 183f
Eiselin, Stephan 62f, 9 4 , 2 0 5
Besserer, Bernhard 201
Ephesus 114 Erasmus von Rotterdam 49, 73, 75, 77
Bimmel -Anton
27,51,62-64,67-69,88,215
Eßlingen 53, 78
- Familie 33 Blarer, Ambrosius 85
F
Bologna 71 Brigel, Franz 63
Fabri, Johannes 31
B r ü g g e 72
Feneberg, Jos 62f
Bucer, Martin 68, 85-87, 89f, 136, 141, 151, 184,211
Ferdinand, Erzherzog/König 24, 75, 83, 137, 189, 202, 204f, 211 Fischer, Hans 63
С
Forster, Johann 86
Celtis, Conrad 75 Chalcedon
Florenz 71
Freiburg
114
177,186
Friedrich, Kurfürst von Sachsen 75
Chieregati, Francesco 37
Fröhlich (Laetus), Georg 84
Clemens V I I , Papst 136
Frosch - Franz 15lf, 157
D Denck, Hans 42
- Johann(es) 3 0 , 4 3 , 62, 85f Frosch, Johann(es) 86
298 К
Fugger -Anton
171
Kappel 87, 105
- Familie 33
Karl V., Kaiser 24, 28, 55-59, 66, 71-73, 75f, 108,
- Jakob 30, 36
189, 202 Kaufbeuren 78
G
Keller, Michael 4 3 , 4 5 , 62, 85-87, 89 Kempten 80
Georg, Herzog von Sachsen 75
Köln 73
Greiff
Konstantinopel
114
- B e n e d i c t 96
Konstanz 7 1 , 8 5 , 9 8 , 110, 112
- Ludwig 96
Kötzler, Franz 97, 151, 153-155, 157-160, 166 Kress, Christoph 182 Η
L
Hagk, Johann 62, 80, 82-84, 89, 97, 99, 102, 107, 133f, 137, 143, 146, 151, 153, 168f, 172, 182, 205, 215f
Langenmantel
Haiden, Martin 97
- Georg 65
Haintzel, Hans 63, 67, 94f Haller, Leonhard
L a n d a u , J a k o b von 83, 202-204, 208
- Matthäus 64, 8 2 , 1 0 7
198
Langnauer 140
Heidelberg 80
Langnauer, Balthasar 69, 80, 82, 84f, 8 9 , 9 7 , 9 9 , 102,
Hei (Hael), Konrad 69, 80f, 89, 97, 99, 101 f, 123, 127-133, 143, I45f, 151, 153, 156-162, 174, 183, 188, 194, 198-200, 215f
138-147, 151-157, 178f, 185f, 188, 215f Lauginger, Felizitas 81 Lauingen 81
Held, Johann Heinrich 86
Leipzig 183
Herbrot (Familie) 88
Luther, Martin 30, 35f, 40, 72f, 77, 87, 116, 129f,
Herwart
150, 169, 212f
- Conrad (Konrad) 51, 82, 107 - Georg 63 Μ
Höchstetter, Ulrich 70 Hoser, Simprecht 62f, 87, 94f, 148, 164, 174, 188 Hubmaier, Balthasar 42
Maier, Sebastian 86, 93 Mair, Kaspar 64
Hutten, Ulrich von 71
Marburg 183 Maximilian I., Kaiser 23f, 46, 71, 75-77 I
München
117,177,201
Musculus, W o l f g a n g 85f, 89f, 123, 141, 151, 153, Imhof
155f, 159f, 184f, 211
- Familie 33 - Hieronymus 2 7 , 6 2 - 6 8 , 8 8 , 9 4 , 172, 190f, 215 N
Ingolstadt 36, 77, 80, 84, 177, 189, 200 Nachtigall, Othmar 38
299 - Johann 31, 57f, 69, 77, 79, 89, 97, 99, 102, 108,
Nigri, Theobald 86 Nizäa 114
113, 143, 145f, 151, 153, 156-162, 183, 215f
Nördlingen 78, 84, 268
- K o n r a d d . Ä . 6 4 , 7 7 , 164
Nürnberg 34, 36f, 4 0 , 4 6 , 4 9 , 52, 78, 8 l f , 91, 109f,
- Ulrich 27, 62-64, 67-69, 77, 87f, 94f, 103, 148,
133, 152, 158f, 163f, 173, 175f, 182, 190f, 194,
151, 164, 168, 172, 174, 188, 191, 198, 201,
201-206,211
215 - Wilhelm 64 - Wolf (Wolfgang) 27, 64, 66, 77, 88, 94f, 172, О
Oekolampad, Johannes 4 1 , 7 0
191,215 Rem - Barbara 84
Oslander, Andreas 91
- Ursula 82 - Matthaeus 82 Ρ
-Wilhelm
17,213
Reuchlin, Johann 75
Padua 71
Rhegius, Urbanus 4 3
Peutinger
Rhenanus, Beatus 75
- Anna 70 - Barbara, geb. Frickinger 70
Rom 2 3 , 3 5 , 4 9 , 7 1 , 139 Roth, H i e r o n y m u s 1 5 l f , 1 5 6 - 1 5 8 , 2 0 1
- Christoph 70 - Claudius Pius 70
s
-Felicitas 3 1 , 7 1 - Juliane 71 - K o n r a d 16, 19, 24, 3 1 , 3 4 , 36f, 4 3 , 4 6 , 48, 51, 5 5 , 6 8 - 7 1 , 7 3 , 7 6 , 79, 88f, 97, 99, 102, 143-
Sailer, Gereon 85, 87 Schellenberg, Lukas 64
147, 151, 153, 155-158, 160f, 162, 178f, 182-
Schilling, Johann(es) 3 0 , 4 1 , 4 4 f , 73, 78
184, 188, 1 9 4 , 2 1 4 - 2 1 6
Schwabeck 66f Seitz, M a n g 27, 62, 64f, 67-69, 88, 94f, 148, 164,
- Konrad d.Ä. 70
172, 174, 188, 191, 198, 2 0 1 , 2 1 5
- Konstanze 71 Philipp, Landgraf von Hessen 53, 61, 81, 162
Sender, Clemens
Pico della Mirandola, Giovanni 75
Sieghart, Urban 64
17,199,213
Pirckheimer, Willibald 75
Spalatin, Georg 116
Preu, Georg 1 7 , 6 5 f , 68, 171, 191, 213
Spengler, Lazarus 91 Speyer 51 f, 78, 107f, 110, 112, 119, 125f, 1 4 3 , 2 1 4 Stadion, Christoph von 22, 164
R Ravensburger, Lucas d.Ä. 70 Regensburg 77f, 81, 108, 152, 158, 1 9 4 , 2 0 2 , 2 0 5 , 206
Straßburg 4 0 , 4 6 , 53, 85f, 88-90, 98, 110,136, 141, 151, 162, 168, 183 Sturm, Jakob 90, 151, 168 Stuttgart 17
Rehlinger - Brigitta 31
Τ
- Familie 33 - Hans 64
Tübingen 84, 177, 186
300 и U l m 2 3 , 3 4 , 4 1 , 4 8 , 5 2 , 6 1 , 7 8 , 81, 83f, 8 9 - 9 1 , 9 8 , 110, 152, 1 6 2 - 1 6 4 , 168f, 173, 1 7 5 , 2 0 1 - 2 0 5 , 2 1 1 , Ulrich, Herzog von Württemberg 2 4 , 190, 1 9 4 , 2 1 1 Ulstet (Ulstat), Lukas 8 4 , 183
Welser - Anton d.Ä.
70
- Familie 33 - Hans 6 8 , 9 5 - Margarethe 7 0 - Ulrich 2 0 5 Wieland, Georg
V Valladolid
64
Wien 8 1 , 8 3 , 2 0 1 , 2 0 4 f Wilhelm, Herzog von Bayern
202
200
Wittenberg 3 0 , 4 0 , 6 6 , 8 5 - 8 7 , 1 6 9 , 2 0 1 , 2 1 2
Venedig 70, 7 2 , 7 8 Vetter, Georg 2 7 , 6 3 - 6 6 , 88, 172, 2 1 5 Vogt, W o l f (Wolfgang) 97, 99, 202
Wolfart, B o n i f a z ( B o n i f a c i u s ) 8 5 - 8 7 , 89, 141, 169 W o r m s 3 6 , 4 8 , 5 3 , 7 2 , 7 8 , 9 8 , 107, 110, 1 2 5 f
Vöhlin, Katharina 7 0 Ζ
w Weinmair, Michael
86,172
Zasius, Ulrich Zürich
80
183f, 187
Zwingli, Ulrich (Huldreych) 8 7 , 184, 187