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German Pages 474 Year 2015
Roland Leikauf »Welcome to My Bunker« – Vietnamkriegserfahrung im Internet
Locating Media | Situierte Medien
Band 11
Editorial Orts- und situationsbezogene Medienprozesse erfordern von der Gegenwartsforschung eine innovative wissenschaftliche Herangehensweise, die auf medienethnographischen Methoden der teilnehmenden Beobachtung, Interviews und audiovisuellen Korpuserstellungen basiert. In fortlaufender Auseinandersetzung mit diesem Methodenspektrum perspektiviert die Reihe Locating Media/Situierte Medien die Entstehung, Nutzung und Verbreitung aktueller geomedialer und historischer Medienentwicklungen. Im Mittelpunkt steht die Situierung der Medien und durch Medien. Die Reihe wird herausgegeben von Sebastian Gießmann, Gabriele Schabacher, Jens Schröter, Erhard Schüttpelz und Tristan Thielmann.
Roland Leikauf, geb. 1973, promovierte im Graduiertenkolleg »Locating Media« der Universität Siegen. Er arbeitet für die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und forscht an den Schnittstellen von Geschichts- und Medienwissenschaften.
Roland Leikauf
»Welcome to My Bunker« – Vietnamkriegserfahrung im Internet
Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen.
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Inhalt
Einleitung: „War and Loss“ | 9
E RSTER T EIL: VOM E REIGNIS ZUM B ERICHT Der Mensch im und nach dem Ausnahmezustand | 27 Ausnahmezustand und Trauma – ein Kurzüberblick | 28 Kriegs- und Erfahrungsverarbeitung: eine Kritik | 32 Identitätskonzepte – eine Annäherung | 36 Erfahrungsdarstellung als Quelle | 43 Erzählen und Erinnern als interdisziplinäre Konzepte | 44 Erzählen vom Krieg in Oral History und Volkskunde | 54 Die (Un-)Möglichkeiten der Kriegserzählung | 57 Erinnern und Gedächtnis als interdisziplinäre Konzepte | 61
ZWEITER T EIL : V IETNAM: E IN ‚AUSNAHMEKRIEG ‘ WIRD ERINNERT Vietnam. „The war that won’t go away“ | 69 Der Vietnamkrieg: Kurzcharakterisierung eines Konfliktes | 70 Wichtige Diskurse des Vietnamkriegs | 75 Kernthemen der Vietnamerzählung | 84 Kriegsbeteiligte berichten von Vietnam | 91 Rückkehr aus dem Krieg: Kontexte und Mythen | 91
„Vietnam Voices“: Nichtvirtuelle Quellen des Vietnamkriegs | 96 Physische Memorials des Vietnamkriegs | 107
DRITTER T EIL: V IETNAMKRIEG VIRTUELL Erzählen über Vietnam im Netz | 121 Die Quellengrundlage: Annäherung, Eingrenzung, Abgrenzung | 121 ‚Wege‘ in und durch die Internetseiten: Strukturen | 127 Konstituierende Elemente einer virtuellen Erzählgemeinschaft | 133 Quellenkritische Schlussfolgerungen | 137 Die potenziellen Erzählerinnen und Erzähler | 145 Die Vietnamgeneration als Ausgangspunkt | 146 Ergebnisse einer Kontaktaufnahme | 154 Öffentlich im Netz? Schlussfolgerungen | 162
V IERTER T EIL: PRAKTIKEN UND INHALTSKATEGORIEN Vietnamkrieg im Netz: Praktiken | 167 Der Weg vom Tagebuch zur Webseite: (k)eine Einführung | 168 Darstellungspraktiken | 172 Die Memorials des Vietnamkriegs als Bausteine der Internetseiten | 182 Exkurs: Grundriss einer virtuellen Sepulkralkultur des Quellenkorpus | 200 Vietnamkrieg im Netz: Inhaltskategorien | 207 Inhaltskategorien: eine Einleitung | 207 ʼNAM: Kriegserfahrung I | 212 ʼNAM: Kriegserfahrung II | 225 ʼNAM: Personen | 235 ʼNAM: Räume | 260 „Goodbye Vietnam“: Transitionen | 273 „World“: Die Nachkriegszeit in der Heimat als Quelle kritischer Lebensereignisse? | 276 „World“: Making Sense of Vietnam | 284
„World“: Hilfe & Dienstleistung | 294 „World“: Freunde und Feinde | 302 Inhaltskategorien: Schlussfolgerungen | 325
F ÜNFTER T EIL: U MGEHEN MIT DER V IETNAMERFAHRUNG Krieg und Nachkrieg: Vietnamerfahrung im Netz | 333 Kriegs- und Erfahrungsverarbeitung | 333 Ziele: Die Webseiten zwischen Selbstbestimmung, Interaktion und Instrumentalisierung | 337 Der Krieg: Fragmentarisierung und Amerikanisierung | 348 Potenziale: Die Möglichkeiten des Internets in Theorie und Praxis | 356 Selbst und Gruppe: Veteranenidentitäten im Netz | 363 „Run for the Wall“: Veteranenkonzepte im Amerika von heute | 364 Identitätskonzepte: citizen – soldier – veteran | 372 Gruppenkonzepte | 386 „Long Live the Web“: Kriegsverarbeitung 2.0 | 395 Andere Kriege, andere Medien: Protagonisten | 395 Fazit | 404 Danksagung | 409
A NHANG Literatur und Quellen | 413 Sekundärliteratur | 413 Quellen und Populärliteratur | 431 Internetquellen | 435 Comics | 452 Filme | 453 TV-Sendungen | 453 Spiele | 454
E-Mail-Umfrage | 455 Glossar | 459
Einleitung: „War and Loss“ „Home: twenty-eight years old, feeling like Rip Van Winkle, with a heart like one of those little paper pills they make in China, you drop them into water and they open out to form a tiger or a flower or a pagoda. Mine opened out into war and loss.“1
Der Journalist und Vietnamkriegs-Korrespondent Michael Herr beschreibt seine Rückkehr aus dem Kriegsgebiet als radikalen Übergang. Als er die Grenzüberschreitung vom Kriegsgebiet in die Friedenslandschaft vollzog, seien viele Erinnerungen bereits in seinem Selbst eingeschlossen gewesen. Für Herr brachte dieser Übergang jedoch nicht die Befreiung von den Belastungen des Kriegs. In der Heimat fühlte er sich wie der Protagonist in Washington Irvings Geschichte Rip van Winkle, der nach zwanzig Jahren magischem Schlafs in einer ihm fremden Welt erwacht.2 Er sei nicht nur gealtert, so Herr. Der Krieg habe sich noch während der Grenzüberschreitung so in ihm verfestigt, dass dieser nach Kriegsende weiterhin sein stetiger ‚Begleiter‘ bleiben würde. In vielen medialen Darstellungen von Kriegserfahrung werden die Folgen der Übergänge von der Kriegs- in die Friedenslandschaft meist nur wenig berücksichtigt. Als der US-amerikanische Kriegsheld Audie Murphy aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte, war sein Heldenstatus durch die ständige Berichterstattung über seine Handlungen bereits festgeschrieben worden. Nach Veröffentli-
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Michael Herr: Dispatches, Vintage: New York, NY 1991, S. 250. Da die in der Arbeit verwendeten Quellen über eine große Zahl an Rechtschreib- und Grammatikfehlern verfügen, wird auf die Auszeichnung oder Korrektur solcher Fehler in Zitaten verzichtet. Washington Irving: The Sketch Book: Comprising Rip van Winkle, Rural Life in England, The Widow and Her Son, Christmas Day, London Antiques, Stratford-on-Avon, The Pride of the Village, The Legend of Sleepy Hollow, Bell and Daldy: London 1873.
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chung seiner Autobiografie stellte er sich in dem darauf basierenden, gleichnamigen Spielfilm To Hell and Back (1955) selbst dar.3 Der Wechsel vom Soldaten zum erfolgreichen Schauspieler und Autor schien bei ihm ohne Komplikationen verlaufen zu sein. Murphy war der meistausgezeichnete US-Soldat des Zweiten Weltkriegs und viele seiner offiziell bestätigten Handlungen während des Kriegs ließen sich im Film publikumswirksam verwerten, darunter die eigenhändige Zerstörung von fünf Panzern und die ständige Opferbereitschaft des Soldaten im Angesicht der Gefahr. Der Ex-Soldat und Schauspieler hatte jedoch ebenso wie der Journalist Herr andere Dinge aus dem Kriegsgebiet mit in die Heimat gebracht. Für seine Schlaflosigkeit, die ständigen Aggressionsschübe und seinen langsamen Weg in den Alkoholismus war in der Medienwelt der Nachkriegszeit jedoch kein Platz.4 Aktuellere TV-Serien wie Band of Brothers (2001-2002) bedienen sich der ästhetischen und strukturellen Stilmittel der Dokumentation, um eine ‚glaubhaftere‘ Darstellung der Kriegserfahrung zu erreichen.5 Solche Produktionsentscheidungen finden innerhalb der Mediensysteme statt und reagieren auf die kulturellen und gesellschaftlichen Vorstellungen, die die Verantwortlichen auf dem Markt für vorherrschend halten. In dieser Serie ist Heldentum ohne Schrecken und Leiden nicht denkbar und der immer mutige Soldat würde nicht bewundernswert, sondern unglaubwürdig wirken. Beide Formen der Darstellung bieten dem Zuschauer unterschiedliche Interpretationen von Fiktion und Realismus an, die auf den Publikumsgeschmack ebenso abgestimmt worden sind wie auf die vorherrschenden kulturellen Vorstellungen. Um den Anspruch auf ‚Realitätsnähe‘ weiter untermauern zu können, wurden bei Band of Brothers ehemalige Weltkriegssoldaten als Berater hinzugezogen. Ihr tatsächlicher Einfluss auf die Inhalte der Serie lässt sich nur schwer ermitteln. In diesem medialen Kontext sind die ehemaligen Soldaten jedoch vor allem als Garant einer ganz bestimmten Form von Authentizität präsent, die produktionsseitig konstruiert und definiert wird.6 In allen drei Beispielen sind die ehemalige Kriegsteilnehmer mit ihrem „heart like one of those little paper pills they make in China“, wie Michael Herr es ausdrückt, die Garanten für Inhalte, die sich in kommerzielle Erfolge umsetzen lassen. Dass sie nicht nur Produkte ihrer Zeit, sondern auch ihrer jeweiligen medialen Produktionskontexte sind, steht außer Frage. 3 4 5 6
Jesse Hibbs: To Hell and Back (Film), USA: Universal International Pictures: 1955; Audie Murphy: To Hell and Back, Henry Holt and Company: New York, NY 1949. Vgl. Robert Niemi: History in the Media: Film And Television, ABC-CLIO: 2006, S. 91. Phil Alden Robinson, Richard Loncraine, u.a.: Band of Brothers (TV-Sendung), HBO: USA 2001-2002. Vgl. zu solchen Interpretationen Pam Morris: Realism, Routledge: New York, NY 2003.
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Abbildung 1: Der Veteran Travis Skaggs stellt sich vor und führt die Besucherinnen und Besucher in seine Seite ein.
Quelle: Travis Skaggs: Greetings and Welcome to my Website, unter: Golf Company 2nd Battalion 7th Marines, URL: http://www.golfco7thmar.com/, Stand: 17.04.2013.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem der umstrittensten Kriege der US-amerikanischen Geschichte dagegen sind heute in der Lage, sich mithilfe neuer medialer Möglichkeiten und Praktiken von solchen Einflüssen zu befreien. ‚Ihr‘ Krieg ist der Vietnamkrieg, dem sie sich auf selbst erstellten Internetseiten erneut annähern. Mit Bildern, Texten und anderen medialen Formen, die das Internet zur Verfügung stellt, entwickeln sie eigene Herangehensweisen an ihre persönliche Erfahrungsdarstellung. Ganz ohne die Hilfe von Verlagen oder Filmfirmen beziehen sie sich auf die Ausnahmesituationen der Vergangenheit und die Folgen ihrer Kriegserlebnisse. Sie knüpfen dabei an gesellschaftliche Prozesse im Umgang mit der Kriegserfahrung an, die sich seit Ende des Kriegs im Jahr 1975 entwickelt haben, ohne ganz zu verschwinden oder zu einem Abschluss zu gelangen. Aber haben sie durch die besonderen Eigenschaften des Internets tatsächlich neue Möglichkeiten, in der Darstellung ihrer Erfahrungen neue Wege einzuschlagen, und in welchem Umfang nutzen sie dieses Potenzial? Am Anfang steht jedoch die Frage nach dem Warum, nach den Gründen für den Drang, den Vietnamkrieg immer wieder und wieder zu thematisieren und darzustellen. Im Rückblick betrachtet nimmt der Vietnamkonflikt eine ganz besondere Stellung in der Geschichte ein. Nach den Weltkriegen schien der Wechsel ins
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Atomzeitalter das Massensterben in den Schützengräben mit atomarer Abschreckung und ständiger Forschung und Aufrüstung zu ersetzen. Die Blockbildung des Kalten Kriegs und die ständige Angst vor einer atomaren Eskalation führten zu einer Reihe von Stellvertreterkriegen, die oft nicht einmal als solche bezeichnet wurden. Neben dem als Polizeiaktion im Rahmen einer UNO-Intervention definierten Koreakonflikt traten für die Vereinigten Staaten von Amerika immer wieder Interventionen gegen kommunistisch dominierte oder beeinflusste Guerillas in den Vordergrund. Einsätze wie der gegen die Hukbalahap-Bewegung (etwa: Antijapanische Volksarmee) auf den Philippinen konnten die mächtige Nation USA aber nicht auf ihr nächstes Engagement im asiatischen Raum vorbereiten. Für den Vietnamkrieg, der sich aus dem französischen Kolonialkonflikt entwickelte und deshalb häufig als Zweiter Indochinakrieg bezeichnet wird, standen keine Vorerfahrungen zur Verfügung. Je nach Betrachter oder betrachtetem Aspekt war er Bürgerkrieg, Revolutionskrieg, postkolonialer Konflikt oder Stellvertreterkrieg. Sein militärischer Charakter war bestimmt von vielen Aspekten bisheriger Kriege: Stellungsgefechte mit Artillerieduellen an der demilitarisierten Zone (DMZ) fanden ebenso statt wie Panzergefechte und Großmanöver.7 Kleinsteinheiten durchstreiften den Dschungel, Söldner drangen in die neutralen Länder Kambodscha und Laos vor, B52-Bomber legten Bombenteppiche, oft um Verstecke von nur mit dem nötigsten ausgerüsteten Guerillas auszuheben. Zwangsumsiedlungen in Wehrdörfer und die Rodung ganzer Landstriche, die dem unter der Bezeichnung Viet Cong zusammengefassten, kommunistischen Gegner seine wichtigste Ressource nehmen sollten, verwandelten die ‚Kornkammer‘ Südvietnam in ein von Lebensmittelimporten abhängiges Land.8 Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den USA war der Vietnamkrieg ein Konflikt, in dem sich die Hoffnung auf das schnelle Kriegsende ebenso als falsch erwies wie die Vorstellung eines moralisch nicht angreifbaren Engagements der USA. Unter Präsident John F. Kennedy (1917-1963, Präsident 19611963), dem Hoffnungsträger der US-amerikanischen Nachkriegsgeneration, schien eine Lösung des Konflikts durch „counterinsurgency“ noch denkbar.9 7
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Abkürzungen und Spezialbegriffe des Vietnamkriegs werden im Glossar erläutert. Um ihn von den vorhergehenden Konflikten in Vietnam besser unterscheiden zu können, wird der Vietnamkrieg auch als Zweiter Indochinakrieg bezeichnet. Zu den unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs vgl. David L. Anderson: The Columbia Guide to the Vietnam War, Columbia University Press: New York, NY 2002, S. 3f. Der breite Überbegriff Viet Cong (etwa: vietnamesischer Kommunist) wurde für alle Kommunisten, ihre Sympathisanten und teilweise für alle politischen Gegner der Regierung in Südvietnam verwendet. Vgl. Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 207f.
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Diese Kombination aus unterschiedlichen (durchaus widersprüchlichen) Initiativen sollte der Infiltration der Landbevölkerung durch gegnerische Guerillas entgegenarbeiten und den Kriegsverlauf ohne direkte US-amerikanische Intervention beeinflussen. Die neue Strategie im Kampf gegen den Viet Cong nannte sich winning hearts and minds. Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Unterstützung sollten vor allem die Landbevölkerung, die unter dem Kriegsgeschehen am meisten zu leiden hatte, den USA sowie der südvietnamesischen Regierung gewogen stimmen.10 Als am 8. März 1965 die ersten US-amerikanischen Kampftruppen in Südvietnam anlandeten, zeichnete sich jedoch bereits ab, dass die Auseinandersetzung bald auf anderer Ebene ausgetragen werden würde. Für viele junge Bürgerinnen und Bürger der USA und anderer Nationen stand Vietnam als Land ebenso wie als Krieg für den Beginn einer Reise, die sie für immer verändern sollte. Während viele andere Gruppen ins Kriegsgeschehen verwickelt wurden, kamen die meisten als Teil der Streitkräfte mit dem Konflikt in Berührung. Frauen konnten sich für wenige Aufgaben freiwillig melden, für die meisten jungen Soldaten war der Kriegsdienst dagegen eine Pflicht, die mit dem Zerbrechen von Lebenszusammenhängen und persönlichen Wahrheiten einherging. Wie viele andere Generationen von Kriegsbeteiligten vor ihnen hielten sie ihre Erfahrungen auf unterschiedliche Art und Weise fest. Mit Briefen, Tagebüchern, Tonbandaufzeichnungen oder Schmalfilmen wurden sehr persönliche Erfahrungsquellen geschaffen, die bisher nur in kleinen Teilen zugänglich gemacht wurden. Die Konfrontation mit der fremden Kultur und den ungewohnten Sinneseindrücken haben in diesen Quellen viele Spuren hinterlassen. Die Schönheit der vietnamesischen Landschaft bildete den Kontrast zur Angst vor Heckenschützen und Sprengfallen, dem Gestank der in Vietnam verbreiteten Fischsoße „nuoc-mam“ und dem von Leuchtspurgeschossen erhellten Nachthimmel.11 Während manche dieser Erfahrungen zu den Kontinuitäten der soldatischen Existenz gehören, stellen viele dieser Kriegsbeteiligten ihren Übergang in die Nachkriegsgesellschaft als etwas Außergewöhnliches dar. Durch den Truppenabzug im Jahr 1973 und den Zerfall Südvietnams im Jahr 1975 schienen all ihre Anstrengungen und Opfer infrage gestellt zu werden. Ihnen blieb nur der Weg nach vorne, in eine Zukunft, die als belastend und frustrierend empfunden wurde. In den USA gab es für den Umgang mit Kriegsverlierern keine erprobten 10 Andere Begriffe für dieses Konzept waren pacification sowie rural reconstruction. Zur Entwicklung des Begriffs, der bereits in mehreren anderen Kontexten verwendet wurde, vgl. Elisabeth Dickinson: A Bright Shining Slogan. How „Hearts and Minds“ came to be, in: Foreign Policy 174 (2009), S. 29-32, hier S. 29. 11 Der Veteran Donald Duncan versichert, er habe während des Kriegs am Geruch der Fischsoße feindliche Lager aufspüren können. Vgl. Donald Duncan: The New Legions, Gollancz: London 1967, S. 15.
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Handlungsschemata. Niederlagen waren (im Koreakrieg) zu heroischen Rückzugserfolgen umgedeutet worden oder beschränkten sich auf die Niederlagen anderer, die von den USA unterstützt wurden (wie Frankreich während des Ersten Indochinakriegs). Die scheinbare Ablehnung durch die US-Bevölkerung, die Stellung als Soldaten des ersten verlorenen Kriegs der Weltmacht und die politischen Veränderungen in der Nachkriegszeit werden in vielen Erinnerungen als Auslöser für ein intensives Gefühl der Isolation dargestellt. Mit dieser Entfremdung hatte sich bereits kurz nach Kriegsende ein Topos entwickelt: die typisierte Kriegserfahrung männlicher Soldaten, die im Zuge ihres Militärdienstes nach Vietnam geschickt wurden, um nach ihrer Rückkehr in der Heimat zum Außenseiterdasein verurteilt zu sein.12 Inwieweit dieser Mythos des bis in die Gegenwart isolierten und sogar angefeindeten Vietnamsoldaten im Allgemeinen oder bezogen auf die untersuchten Quellen glaubwürdig ist, muss und wird bei dieser Untersuchung immer als Frage im Raum stehen. Der Umgang der (amerikanischen) Gesellschaft mit dem Thema Vietnamkrieg steht damit in direktem Zusammenhang. Direkt nach Ende des Kriegs schien ein gesellschaftlicher Konsens über dessen Einschätzung unmöglich zu sein, weshalb er zusammen mit seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer wieder aus der öffentlichen Diskussion verbannt wurde. Man kann das Jahrzehnt nach Ende des Kriegs entsprechend als die „silent seventies“ bezeichnen.13 Diese „Sprachlosigkeit“ war jedoch nur eine Phase im Umgang mit der Vietnamerfahrung.14 Sie endete nicht mit der Rückkehr aus dem Kriegsgebiet oder dem ersten Kontakt mit der Heimat. Die 12 Zur Definition und Zusammensetzung der Vietnamgeneration und anderer relevanter Gruppen vgl. „Die Vietnamgeneration als Ausgangspunkt“ im dritten Teil. Selbst wenn weibliche Kriegsbeteiligte von ähnlichen Problemen berichten, dominieren die Männer bis heute mit ihren Problemen die Diskurse über die Vietnamerfahrung. 13 Der Begriff wurde vom Verfasser geprägt, da vom Ende des Kriegs bis zum Anfang der 1980er Jahre verhältnismäßig wenige Medienprodukte über diesen erschienen und er nach Meinung der Veteraninnen und Veteranen in der amerikanischen Öffentlichkeit totgeschwiegen wurde. 14 Schon während des Kriegs hatte sich der Überbegriff der Vietnam experience herausgebildet, um im Rahmen von wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Werken einen Überbegriff über die Gesamtheit der möglichen Erlebnisse im Kriegsgebiet zu formulieren. Vgl. z.B. Boston Publishing Group (Hg.): The Vietnam Experience: Nineteen Sixty-Eight, Time Life Education: Boston, MA 1983; Boston Publishing Group (Hg.): The Vietnam Experience: Words of War. An Anthology of Vietnam War Literature, Time Life Education: Boston, MA 1988; Kevin Hillstrom und Laurie Collier Hillstrom (Hg.): The Vietnam Experience. A Concise Encyclopedia of American Literature, Songs and Films, Greenwood Press: Westport, CO 1998; Philip D. Beidler: American Literature and the Experience of Vietnam, University of Georgia Press: Athens, GA 1982. Einige der Internetseiten verwenden den Begriff ebenfalls, z.B. Bill McDonald: Sharing the Emotional and Spiritual Experience of the Vietnam War through Poetry, Stories, and Photos by Combat Veterans, unter: The Vietnam Experience, URL: http://www.vietnamexp.com/, Stand: 15.01.2010.
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Kriegserfahrung ging in eine ähnlich intensiv erlebte Nachkriegserfahrung über, die in den Erzählungen von Kriegsbeteiligten bis heute eine große Rolle spielt. In der medialen Auseinandersetzung mit dem Krieg wurden die Soldaten abwechselnd als gefährliche Soziopathen, bewundernswerte Film- und Serienhelden, drogenabhängige ‚Wracks‘ oder fanatische Friedensaktivisten dargestellt. Schon im Jahr des Truppenabzugs der USA thematisierte der Thriller Forced Entry (1973) einen Vietnamveteranen als Vergewaltiger und Serienmörder.15 Daneben entwickelte sich eine Serie revisionistischer Racheträume in unterschiedlichen Medien, die im filmischen Bereich in der Missing in Action-Filmreihe (1984, 1985, 1988) ihre erfolgreichste Ausprägung erfuhren.16 Immer wieder waren talentierte Kriegsbeteiligte in der Lage, eigene Interpretationen der Vietnamerfahrung darzustellen. Am Anfang standen Bücher über Einzelschicksale wie im autobiografischen Roman Born on the Fourth of July (1976) oder in der ernüchternden Auseinandersetzung mit der Heimkehr aus Vietnam wie im Roman Dog Soldiers (1974) von Robert Stone.17 Nur wenige Kriegsbeteiligte waren jedoch in der Lage, sich auf diese Weise zu äußern. Um die Diskurse von Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts zu erleben, würde es heute dagegen reichen, einige Schlüsselworte in eine Suchmaschine einzugeben. Wie im Internet üblich, ist diese Informationsflut multimedial und heterogen. Neben den üblichen Webseiten von Veteranenorganisationen und anderen Verbänden, in denen Beteiligte des Vietnamkriegs sich zusammengeschlossen haben, findet sich eine große Zahl persönlicher Seiten. Der Anteil der männlichen Kriegsveteranen, die sich auf eigenen Internetseiten äußern, ist nicht nur sehr hoch, diese nehmen außerdem die Meinungshoheit über den Vietnamkrieg für sich in Anspruch. Die Geschichten und Aussagen, die sich auf solchen Seiten finden lassen, sind vielschichtig. Eigene Erfahrungen sind meist nur der Nukleus, um den die Kriegsbeteiligten ihre Darstellungen versammeln. Dazu gehören unzählige Fakten über den Konflikt ebenso wie detaillierte Erinnerungen an gefallene, vermisste oder lebende Freunde. Diese Internetseiten bilden den Quellenkorpus für diese Untersuchung.
15 Shaun Costello: Forced Entry (Film), USA: Variety Films: 1973. 16 Joseph Zito: Missing in Action (Film), USA: Cannon Films: 1984; Lance Hool: Missing in Action 2. The Beginning (Film), USA: Cannon Films: 1985; Aaron Norris: Braddock. Missing in Action III (Film), USA: Cannon Films: 1988. 17 Vgl. z.B. Ron Kovic: Born on the Fourth of July, McGraw-Hill: New York, NY 1976; Robert Stone: Dog Soldiers, Houghton Mifflin: Boston, MA 1974; Ted Kotcheff: First Blood (Film), USA: Orion Pictures: 1982.
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Abbildung 2: Der Veteran „Buzz“ Adams begrüßt die Besucher seiner Seite mit einem unscharfen Hintergrund, der sich als die mehrfach gespiegelte Innenansicht eines Bunkers herausstellt. Wie so vieles in diesem Internetbereich wirkt auch dieser Teil seiner Seite improvisiert und mit wenig Aufwand erstellt.
Quelle: „Buzz“ Adams: Welcome to my Bunker, unter: FOPicPage, URL: http://www.12thmarineartilleryregimentassociation.org/FOPicPageAdams-Angelico.html, Stand: 12.08.2013, Offline seit: 17.05.2015.
Für die Autorinnen und Autoren bedeutet das Netz das Verschwinden vieler Zwänge. Nicht länger auf Verlage angewiesen zu sein wird ebenso als positiv empfunden wie die Freiheit, sich die eigenen Zielgruppen selbst aussuchen zu können. Dieses Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Schutz vor äußeren Einflüssen betont der Veteran „Buzz“ Adams, indem er die Besucherinnen und Besucher seiner Seite mit den Worten „welcome to my bunker“ begrüßt.18 Er betont damit nicht nur, wie wichtig für ihn der militärische Aspekt seiner Vergangenheit ist. Ein Aspekt des Kriegs wird zur Metapher für seine persönliche Kommunikationspraxis. Wenn er andere zu sich einlädt, dann nur in einen von ihm selbst erstellten, abgegrenzten Bereich, der gegen ‚Angriffe‘ von außen Schutz bieten kann. Die animierte Kerze, die über der Begrüßung flackert, erleuchtet den Bunker nicht nur, sondern ist ein Orientierungspunkt für all jene, die seine Erfahrungen teilen. Sein ‚Bewohner‘ kann sich, geschützt vor unliebsamen Meinungen und Angriffen, mit der eigenen Vergangenheit beschäftigen. Abgrenzung bedeutet auf diesen Seiten aber nicht nur Schutz, sondern auch Isolation, und im schlimmsten Fall die Ausbildung einer „echo chamber“, in der die Aussagen und Vorstellungen der Seitenbesitzerin oder des Seitenbesitzers immer wieder auf sie oder ihn zurückgeworfen werden. Ein ‚Bunker‘ ist zudem etwas altmodisches, ein Relikt aus einer Zeit, die vielen Nutzerinnern und Nutzern des Internets nicht wirklich zugänglich ist. Das ständige Schwanken zwischen Offenheit und Verteidigungsbereitschaft, Kontaktfreudigkeit und Isolation sowie militärischer Identität und der privaten Existenz in der Nachkriegszeit unter Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen ist zwar kein rein virtuelles Phänomen. Im 18 „Buzz“ Adams: Welcome to my Bunker, unter: FOPicPage, URL: http://www. 12thmarineartilleryregimentassociation.org/FOPicPage-Adams-Angelico.html, Stand: 12.08.2013, Offline seit: 17.05.2015.
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Netz scheint es sich aber nicht nur zu intensivieren, sondern wird auf eine Art und Weise sichtbar, die eine Auswertung erleichtert oder erst ermöglicht. ‚Das‘ Internet zu definieren ist ebenso problematisch wie von ‚dem‘ Vietnamkrieg zu sprechen. Nicht nur die Bezeichnung als ‚Medium‘ greift längst zu kurz, da es immer mehr Einzelmedien in sich integriert und miteinander verknüpft. Auch der Begriff des ‚Medienverbunds‘ ist problematisch, da die Nutzerinnen und Nutzer heute die Freiheit haben, sich ihre eigenen Medienensembles zusammenzustellen. Es muss deshalb in seinen Komplexitäten verstanden und möglichst nah an den Fragestellungen definiert werden. Aus rein technischer Sicht wäre es „eine auf vernetzten Computern und Übertragungsprotokollen basierende Kommunikations-Infrastruktur, die diverse Dienste und Anwendungen bietet.“19 Diese technisch-infrastrukturelle Definition allein wird seiner Natur jedoch nicht gerecht. Es ist ein Bündel von Praktiken, der ‚Austragungsort‘ von Diskursen, das Mittel und der Fokus sozialer Gruppenkonstruktionen und vieles mehr. Wenn es hier als Meta-Medium verstanden wird, dann wird damit keine qualitative Einschätzung abgegeben. Das Netz macht es möglich, viele herkömmliche Medienformen zu integrieren und miteinander zu verbinden. Auf diese Weise entstehen unterschiedliche Medienensembles, die definitorisch durchaus als separate Entitäten verstanden werden können, als Teile einer virtuellen Welt, unter deren Oberbegriff sich all diese Vorstellungen des Internets versammeln lassen. Für den Medienwissenschaftler Jens Schröter ist eine virtuelle Welt eine „von Materialität abgelöste, formalisierte, approximative, modifizierbare und in einem Rechner operative Struktur von Stellen, auf der sich Objekte bewegen können und die auf verschiedenen Displays dargestellt wird.“20 Hier liegt der Fokus jedoch nicht auf beweglichen Objekten, sondern auf der Definition des Internets als eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte, die ebenso sozial und praxeologisch sind wie technologisch, sich für jede Nutzerin und jeden Nutzer auf eine ganz spezifische Art und Weise manifestieren und zu denen jedes Individuum eigene Zugänge findet. Die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus bringen in diese virtuelle Welt Erfahrungen ein, die direkt oder indirekt mit ihrer Vergangenheit im Kriegsgebiet in Verbindung stehen. Als Einzelperson oder Gruppe Teile dieser Erfahrungen auswählen und im Netz medial
19 Nicola Döring: Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen, 2. Auflage, Hogrefe-Verlag: Göttingen 2003, S. 124. 20 Jens Schröter: Die Ästhetik der virtuellen Welt. Überlegungen mit Niklas Luhmann und Jeffrey Shaw, in: Manfred Bogen, Roland Kuck, u.a. (Hg.): Virtuelle Welten als Basistechnologie für Kunst und Kultur? Eine Bestandsaufnahme, Transcript: Bielefeld 2009, S. 25-36, hier S. 26.
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darstellen zu können, ist für sie eine wichtige Handlungsmöglichkeit in dieser virtuellen Umgebung. Ob und in welchem Umfang in diesem Quellenkorpus die Auseinandersetzung mit Kriegserfahrung auch die Aufarbeitung traumatisierender Kriegserlebnisse bedeutet, lässt sich erst aus der ausführlichen Analyse der Quellen erschließen. Dabei steht immer die Frage im Raum, inwieweit sich Internetquellen für die Beantwortung einer solchen Frage eignen können. Als sich der Traumabegriff als Zusammenführung von psychischen und physischen Erkrankungen durchgesetzt hatte, wurde es möglich, sich auf wissenschaftlicher und medizinischer Ebene effektiv mit den Folgen des Kriegserlebnisses auseinanderzusetzen.21 Gleichzeitig wurde dadurch jedoch der Umgang mit kritischen Lebensereignissen oft auf die Überwindung des Kampftraumas verengt.22 Deshalb ist es besser, von Strategien der Erfahrungsverarbeitung zu sprechen. Eine der wichtigsten Strategien, um sich mit solchen kritischen Lebensereignissen auseinanderzusetzen, ist die Darstellung der eigenen Erfahrungen. Wer sich erfolgreich mit anderen über seine Erlebnisse austauscht, kann auf diesem Weg versuchen, die eigene Vergangenheit besser zu akzeptieren und sich gleichzeitig in die Gesellschaft zu reintegrieren. Anders als in Medienprodukten wie To Hell and Back oder Band of Brothers können die ehemaligen Kriegsbeteiligten des Vietnamkriegs ihre Inhalte gemessen an ihren eigenen Bedürfnissen entwerfen. Sie können sich nicht nur über ihre Erfahrungen äußern, sondern erhalten das erste Mal die Gelegenheit, die gesellschaftlichen Diskurse über ‚ihren‘ Krieg nur dann zu rezipieren, wenn sie für ihre Ziele relevant sind. Die dominierende Figur auf den Internetseiten ist der männliche Krieger. Viele dieser Darstellungen erinnern an die zeit- und kulturübergreifende Natur des männlichen Kriegers, wie sie der Mythenforscher Joseph Campbell herausgearbeitet hat. In seinem wegweisenden Buch über die mythologischen Grundkonzepte der Menschheit beschreibt er den Heros mit den tausend Gesichtern
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Vgl. „Ausnahmezustand und Trauma – ein Kurzüberblick“ im ersten Teil. Zur Interaktion solcher lebensverändernden Ereignisse mit sozialen Lebenszusammenhängen vgl. Siegfried Geyer: Belastende Lebensereignisse und soziale Unterstützung, in: Andreas Mielck, Kim Bloomfield (Hg.): Sozial-Epidemiologie: Eine Einführung in die Grundlagen, Ergebnisse und Umsetzungsmöglichkeiten, Beltz Juventa: Büdingen 2001, S. 207-218. Die Lebensereignisforschung betont besonders das Zusammenspiel von Stressoren und Vulnerabilitätsfaktoren in der Entwicklung dauerhafter Beeinträchtigungen.
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als Archetypen des männlichen ‚Helden‘ mit oft ambivalenter ethischer Ausrichtung, dessen epische Reise ins Fremde ihn auf immer verändert.23 Seine Aufgabe sei es, die Grenzen des Bekannten zu überschreiten, gegen Feinde zu kämpfen, tödliche Hindernisse zu überwinden und sein gewonnenes Wissen in die Gemeinschaft zu integrieren. Nach seiner Rückkehr sei er aber nicht nur erstarkt, sein Wissen und seine Erfahrungen in den Bereichen jenseits der Normalität hätten ihn verändert. Er habe Kontakt mit einer Welt gehabt, die der Gemeinschaft fremd sei und habe Gewalt mit großer Regelmäßigkeit erfahren und ausgeübt. Niemand könne seine Erfahrungen nachvollziehen. Der Held mit den tausend Gesichtern sei ein zentrales Element der Mythologie der Menschheit, aber voller Tragik, da er sich mit jeder ‚Heldentat‘ mehr und mehr isoliere. Diese Beziehung zwischen den pathologischen Hinterlassenschaften der Kriegssituation und der Entrückung von der Gemeinschaft durch die eigene Kriegserfahrung hat Campbells Heros mit den Erzählungen der Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts gemein. Der von ihnen kolportierte Mythos ist, dass die Kriegssituation sie vollständig verändert habe und trotz Heldentat und Pflichterfüllung nach der Heimreise nicht mehr die gewohnte Gemeinschaft auf sie wartete. Wie der Heros hatten sie Gewalt in großer Regelmäßigkeit erfahren und ausgeübt und Tragödien der menschlichen Existenz erlebt, die für andere kaum verständlich sein konnten. Daraus entstanden viele Probleme für das Individuum: die Entfremdung von der Gemeinschaft, Probleme in der Nachkriegsrealität und Kommunikationsschwierigkeiten mit dem eigenen Umfeld. Der Konstruktcharakter der Erzählinhalte und die scheinbare Verwandtschaft zu überlieferten Kriegermythen machen es notwendig, die verwendeten Begriffe kritisch zu hinterfragen. Als Kriegsbeteiligte lassen sich alle Personen bezeichnen, die direkt oder indirekt mit dem Kriegsgeschehen in Vietnam in Kontakt gekommen sind und nach eigener Ansicht dadurch dauerhaft verändert wurden. Das Wort wird im Folgenden als geschlechtsneutraler Überbegriff dienen. Das Sprechen über diesen Krieg wird jedoch nicht nur im Netz fast völlig von USamerikanischen Männergruppen mit militärischem Hintergrund dominiert. Ihre „band of brothers“ hatte sich in Kriegszeiten gebildet und in Friedenszeiten weiter konsolidiert. Frauen waren während des Vietnamkriegs in unterschiedlichen Rollen im Land. Neben ihrer Zugehörigkeit zu Hilfsorganisationen fungierten sie als Verwaltungsangestellte, Krankenschwestern oder Journalistinnen. Viele Teile der amerikanischen Streitkräfte besaßen eigene Bereiche, in denen Frauen als
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Joseph Campbell: The Hero with a Thousand Faces, Princeton University Press: Princeton, NJ 2004. Vgl. zur Verbindung von Geschichtsschreibung und Mythos William H. McNeill: Mythhistory, or Truth, Myth, History, and Historians, in: The American Historical Review Nr. 1, 91 (1986), S. 1-10.
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Freiwillige beschäftigt werden konnten. So waren viele amerikanische Krankenschwestern Teil des „Army Nurse Corps“ (ANC).24 Sie konnten als Teil solcher Programme in den Offiziersrang aufsteigen, hatten in dieser Rolle jedoch nur eine sehr beschränkte Weisungsbefugnis. In dieser Hinsicht stellt der Begriff „Soldatin / Soldat“ ein besonderes Problem dar. Das englische Wort „Soldier“ bezeichnet ausschließlich Angehörige der US-Armee, während andere Teile der „United States Armed Forces“ eigene Oberbegriffe verwenden.25 Der deutsche Begriff des Soldaten dagegen wird meist für alle Angehörigen der Streitkräfte eines Landes verwendet. Die im Deutschen notwendige Unterscheidung zwischen Soldatin und Soldat ist im Englischen nicht nur nicht vorgesehen, sondern wird aktiv vermieden. Die Begriffe Soldatin und Soldat werden im Folgenden in der deutschen Bedeutung verwendet: zur Beschreibung von Mitgliedern der Streitkräfte eines Landes. Dies bezieht explizit Frauen ein, die als Freiwillige im militärischen Umfeld tätig waren. Der englische Begriff „soldier“ ist wie erwähnt mit dieser Definition nicht vergleichbar und wird von Frauen im Quellenkorpus bezogen auf ihren Dienst während des Vietnamkriegs fast nie verwendet. Selbst wenn ihnen Bezeichnungen wie „Soldier“ oder das (ebenfalls geschlechtsneutral zu verwendende) „Airman“ zustünden, verwenden sie diese in der Praxis kaum. Auf der kommunistischen Gegenseite waren Frauen dagegen auch als Teil der regulären Streitkräfte aktiv, in den untersuchten Quellen finden sich von diesen aber keine Beiträge. Ganz anders wird in den Quellen der Umgang mit den Begriffen Veteranin oder Veteran gehandhabt. Autorinnen und Autoren fordern die Anerkennung dieser Bezeichnungen für sich gleichermaßen aktiv und vehement ein. Häufig werden dafür englische Begriffe wie „women veterans“ oder „female veterans“ verwendet, obwohl eine solche deutliche Geschlechterzuweisung im militärischen Jargon unüblich ist.26 Dies kann unter anderem als Reaktion auf den Umstand verstanden werden, dass nur Personen mit Veteranenstatus dauerhafte Probleme im Umgang mit ihrer Kriegsvergangenheit zugestanden werden. Diese Rolle als Opfer oder zumindest als Betroffene, auf die der Begriff nicht nur von den Autorinnen bezogen wird, lässt ihn zum Überbegriff für alle werden, die mit dem Kriegsgeschehen in Vietnam in Berührung gekommen sind und dauerhafte
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Vgl. Kara Dixon Vuic: Officer, Nurse, Woman: The Army Nurse Corps in the Vietnam War, JHU Press: Baltimore, MD 2010. United States Marine Corps = Marine, United States Navy = Sailor, United States Air Force = Airman. Alle Oberbegriffe müssen groß geschrieben werden und werden im US-amerikanischen Militärkontext genderneutral verwendet. Einige dieser Bezeichnungen sind zusätzlich Ränge innerhalb der jeweiligen Organisation. Vgl. z.B. Terri Spencer: Welcome Home!, unter: Vietnam Women Veterans, URL: http://www.terrispencer.com/vwv/, Stand: 30.04.2013.
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Beeinträchtigungen davongetragen haben. Dieser Selbsteinschätzung wird dadurch Rechnung getragen, dass im Allgemeinen von Veteraninnen und Veteranen gleichermaßen gesprochen wird. Ähnlich problematisch ist der Umgang mit den Konzepten von Kameradinnen und Kameraden. Männer und Frauen benutzen die Begriffe gleichermaßen, folgt man den Quellen jedoch in ihrer Interpretation, scheinen Männer nur Kameraden und Frauen nur Kameradinnen im Kriegsgebiet gefunden zu haben. Ob sich diese Geschlechtertrennung allein auf die Realitäten während des Vietnamkonflikts zurückführen lässt oder die Nachkriegszeit in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle gespielt hat, lässt sich nur schwer beantworten. Die Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten oder anderen Gruppen dagegen schlägt sich auf den Internetseiten kaum in einer begrifflichen Form nieder, über die separate Gruppen konstruiert werden könnten. Man ist Veteranin oder Veteran, ohne weitere Abgrenzungen vorzunehmen. Dass solche Fremd- und Selbstbezeichnungen im Netz nur schwer auf ihre Richtigkeit überprüft werden können, ist den Autorinnen und Autoren dabei bewusst. Die Annäherung an die Quellen hatte sich aus zwei Ausgangspunkten entwickelt. Der erste war die These, dass die Internetseiten ihren Besitzerinnen und Besitzern zur individuellen Kriegsverarbeitung dienen. Im Forschungsverlauf wurde nicht nur die Problematisierung des Begriffes notwendig, ihm wurde das allgemeinere Konzept der Erfahrungsverarbeitung zur Seite gestellt. Der zweite Ausgangspunkt war die These, dass spezifische Eigenschaften und Potenziale des Internets der Grund dafür sind, wieso sich die Autorinnen und Autoren darin betätigen. Ein Beispiel dafür ist die große Zahl unterschiedlicher Öffentlichkeiten, auf die sie mit ihren Seiten Zugriff erlangen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass innovative Möglichkeiten nicht automatisch zu neuen und besonderen Nutzungsszenarien führen müssen. Die inhaltlichen und methodisch-ästhetischen Experimente der Seiten spielen sich oft nur in sehr begrenztem Rahmen ab. Das Vorhandensein der medialen Potenziale nachzuweisen ist deshalb nicht genug. Es geht vielmehr darum zu analysieren, ob und in welcher Art und Weise das Internet den Autorinnen und Autoren etwas Neues ermöglicht, das für diese Gruppe bisher noch nicht möglich war. Dabei ist der Umstand besonders bedeutend, dass sich im Netz die Kontrolle über die Darstellung der eigenen Kriegserfahrung erheblich wirksamer gestalten lässt, als dies in anderen Mediensystemen der Fall wäre. Während der Recherche und Analyse haben sich zwei Ergebnisse ganz besonders in den Vordergrund gedrängt. Als erstes hat sich nachweisen lassen, dass die Erzähl- und Darstellungsbedürfnisse der Autorinnen und Autoren nur selten
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direkt aus ihrer Kriegserfahrung zu entspringen scheinen. Viele Lebensereignisse, die sie bis heute beschäftigen, sind Erfahrungen aus der Nachkriegszeit. Der Vietnamkrieg ist damit ‚nur‘ der Nukleus, um den die stetige Auseinandersetzung mit seinen Konsequenzen gewachsen ist. Dazu zählen bürokratische Streitigkeiten aufgrund fehlender Veteranenbetreuung, fehlende Freiräume, um sich mit anderen über den Krieg auszutauschen und die Erkenntnis, dass andere längst all das definiert haben, mit dem man nach Jahrzehnten noch jeden Tag ringt. Das zweite Ergebnis steht mit dem ersten in direktem Zusammenhang: Die zentralen und verbindenden Elemente fast aller Handlungen auf den Seiten sind unterschiedliche Selbstkonzepte, die von den Autorinnen und Autoren mit ihrer Kriegs- und Nachkriegsidentität in Verbindung gebracht werden. Diese Konzepte manifestieren sich für Forscherinnen und Forscher vor allem dort, wo Begrifflichkeiten und Identitätszuschreibungen wie Soldatin und Soldat, Veteranin und Veteran oder Kameradin und Kamerad erneut oder weiterhin von den Kriegsbeteiligten des Quellenkorpus ausgehandelt werden. Die Redefinition und Vereinnahmung des Veteranenbegriffs spielt dabei die wichtigste Rolle, da an seinem Beispiel die Konstruktionsbemühungen auf den Webseiten am deutlichsten sichtbar werden. Im Internet lässt sich, ebenso wie in vielen anderen Quellenformen, nur in sehr begrenztem Rahmen Zugriff auf die psychologisch-intrapersonelle Ebene der Autorinnen und Autoren erhalten. Das Hauptaugenmerk liegt deshalb darauf, die Konstruktion von Identitäten in einem spezifischen medialen Kontext zu erforschen und Anhaltspunkte dafür zu finden, welche Ziele sie mit ihren Handlungen verfolgen. Um den Zusammenhängen zwischen Kriegsverarbeitung und Identitätskonstruktion auf die Spur zu kommen, werden mehrere Schritte unternommen. Im ersten Teil geht es darum, den Umgang des Menschen mit dem Ausnahmezustand und dessen Folgen begreiflich zu machen. Hier wird die theoretische Grundlage für die weitere Untersuchung gelegt und auf die Wissensinhalte mehrerer Disziplinen zu Konzepten wie Erzählen und Erinnern zurückgegriffen. Als Zweites ist eine Vertiefung der hier grob umrissenen Aspekte des Vietnamkriegs und seiner Diskurse notwendig. Neben nichtvirtuellen Quellen müssen hier auch die Mythen betrachtet werden, die sich um den Vietnamkrieg und seine Kriegsbeteiligten gebildet haben, und die mit allen Diskursen über den Konflikt verbunden sind. Der dritte Teil beschäftigt sich ganz mit den Rahmenbedingungen des Quellenkorpus im Netz und konstituiert diesen als Forschungsobjekt. In diesem Abschnitt geht es außerdem um Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit den Autorinnen und Autoren der Quellen, unter anderem durch die Auswertung einer E-Mail-Umfrage. Der vierte Teil konzentriert sich dann ganz auf die Herausarbeitung, Kategorisierung und Analyse der Inhalte auf den Webseiten sowie
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auf die medialen Praktiken, mit denen die Autorinnen und Autoren ihre Inhalte darstellen. Der fünfte und letzte Teil kontextualisiert die Ergebnisse am Beispiel eines modernen Veteranen, der ganz andere mediale und narrative Konzepte als die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus entwickelt hat. Aus der Beziehung des Kriegsbeteiligten zu seiner Vietnam- und Nachkriegserfahrung entspringt im Netz ein Konglomerat aus Erzählungen, Erinnerungen und anderen Prozessen, in denen Neues entsteht und Altes aufbereitetet und verändert wird. Die Auswirkungen des gewählten Mediums auf den Umgang mit den Erfahrungen werden dabei deutlich sichtbar. Diese Verschmelzung von Alt und Neu auf der Reise aus der Kriegslandschaft in den eigenen ‚Bunker‘ in der digitalen Welt ist eine aktive Konstruktionsleistung. Ihre Betrachtung muss dort ansetzen, wo der Mensch mit der Ausnahmesituation Krieg aufeinandertrifft.
Erster Teil: Vom Ereignis zum Bericht
Der Mensch im und nach dem Ausnahmezustand „Psychological trauma is an affliction of the powerless. At the moment of trauma, the victim is rendered helpless by overwhelming force. When the force is that of nature, we speak of disasters. When the force is that of other human beings, we speak of atrocities. Traumatic events overwhelm the ordinary systems of care that give people a sense of control, connection and meaning.“1
Krieg und Trauma sind, zumindest in der Vorstellung, immer miteinander verknüpft, jedoch war der Umgang mit solchen und ähnlichen Kriegsfolgen lange Zeit problematisch. Die Definitionen der Ärzte und die Einschätzung der Öffentlichkeit über Personen, die über dauerhafte psychische Probleme klagten, schwankten zwischen Ablehnung, Unverständnis und Neugier. Während heute medizinische und therapeutische Systeme funktionierende Zugänge zu diesem Thema gefunden haben, bleiben immer noch viele Fragen unbeantwortet und die gesellschaftliche Stellung der Kriegsheimkehrer wird während und nach jedem Konflikt neu ausgehandelt. Die Darstellung der eigenen Erfahrungen hat sich als wichtiges Werkzeug für den Umgang mit dem Kriegserlebnis erwiesen. Die Umsetzung solcher Kommunikationsanstrengungen bleibt jedoch immer noch extrem schwierig. Die für funktionierende Kommunikation notwendige gemeinsame Erfahrungsbasis ist in der Friedenslandschaft kaum vorhanden, was die Isolation der Kriegsbeteiligten bis heute stark begünstigt.
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Judith Lewis Herman: Trauma and Recovery. The Aftermath of Violence – from Domestic Abuse to Political Terror, Basic Books: New York, NY 2003, S. 33.
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Ausnahmezustand und Trauma – ein Kurzüberblick Wenn Phänomene im Zusammenhang mit der menschlichen Erfahrungsdarstellung erforscht werden sollen, wird häufig versucht, historische Korrelationen zu entwickeln. Im Umgang mit dem Traumakonzept wird vor allem in der medizinischen Literatur häufig das Tagebuch von Samuel Pepys herangezogen. Der Beobachter des großen Feuers von London im Jahr 1666 klagte in seinen Tagebüchern über Schlaflosigkeit und ständige Rückerinnerung an die Katastrophe.2 Krankheiten der Vergangenheit als unkonstruiert und äquivalent zu heutigen Erkrankungen zu sehen, ist jedoch ein Anachronismus, der nicht nur den Traumabegriff belastet.3 Als das Wort „traumatic“ Ende des 16. Jahrhunderts erstmals nachweislich häufiger in Sprache und Schrift verwendet wurde, bezog es sich noch ganz auf die Verwundung des Körpers, wie es in der griechischen Wurzel des Wortes angelegt ist.4 Ob emotionale Erlebnisse bleibende Persönlichkeitsveränderungen nach sich ziehen konnten, sollte bis in die Weltkriege umstritten bleiben. Thematisiert wurden solche Phänomene meist isoliert und einzelne Forscher entwickelten ihre Ansätze aus ihrer beruflichen Praxis heraus. Die Tätigkeit der noch ausschließlich männlichen Forscher wurde zu einem ‚Krieg der Begriffe‘: Die traumatische Hysterie von Charcot stand gegen die traumatische Neurose des deutschen Neurologen Hermann Oppenheim. Emil Kraepelin, vor Freud eine zentrale Figur der frühen Psychotherapie und Neurologie in Europa, wählte den Begriff der Schreckneurose.5 Die Kultur der Zeit spiegelte sich in diesen Auseinandersetzungen wider. 1866 hatte John Eric Erichsen sich mit einem Schrecken ganz eigener Art auseinandergesetzt. Der Arzt untersuchte die Opfer von Eisenbahnunfällen und entwickelte das Konzept, dass die negativen Folgen (Angstzustände, Albträume, Rückerinnerung) auf eine Schädigung des vegetativen Nervensystems zurückzuführen seien. Sein Beitrag zum ‚Krieg der Begriffe‘ war „railway spine“ (oder „Erichsenʼs disease“). Die Angst vor dem Eisenbahnunfall als Ausdruck der Angst vor der fortschreitenden Technisierung ließ solche Phänomene ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten. Für die Betroffenen hatte die Erarbeitung psychischer Erklärungsversuche jedoch viele
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Samuel Pepys: Die Tagebücher 1660-1669, übersetzt von Gerd Haffmanns und Heiko Arntz, Haffmans: Frankfurt am Main 2010. Vgl. z.B. RJ Daly: Samuel Pepys and Post-Traumatic Stress Disorder, in: British Journal of Psychiatry 143, S. 64-68. Vgl. zur Begriffsentwicklung Elizabeth Campisi: Guantanamo: Trauma, Culture, and the Cuban Rafter Crisis of 1994-1996, ProQuest: Ann Arbor, MI 2008, S. 82. Edward Shorter: A Historical Dictionary of Psychiatry, Oxford University Press: New York, NY 2005, S. 224f.
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Nachteile. Vor Gericht konnten sich die Eisenbahngesellschaften auf die physische Unversehrtheit der Opfer berufen und so Schadensersatzansprüche abwehren.6 Was sich in dieser Diskurslinie vor allem manifestiert, ist die Auseinandersetzung um die Beziehung zwischen Körper und Geist, zwischen Innenwelt und Außenwelt, die gerade die beginnende Psychoanalyse noch stark beeinflussen sollte. Es ist unmöglich, diese Entwicklungen getrennt von der Forschung zur Hysterie zu betrachten. Die ‚Frauenkrankheit‘ war ein ganz besonderer Ausnahmezustand. Im 17. Jahrhundert begann die professionalisierte Medizin damit, die wissenschaftliche Deutungshoheit über den Zeugungsvorgang und die Geburt zu übernehmen.7 Die Kombination aus tabuisierter Weiblichkeit und dem Drang nach wissenschaftlicher Kontrolle über die weibliche Sphäre Geburt beeinflusste die frühe Hysterieforschung stark.8 Sigmund Freud begann seine Auseinandersetzung mit dem Thema mit einem Konzept, das eine klare Kette von Ursache, Krankheitsentwicklung und möglicher Heilung entwickeln sollte. Freud ging von einem traumatischen Ausnahmeerlebnis aus und sprach vor allem von Missbrauch im Kindesalter.9 Physiologische Ursachen und Veränderungen waren nicht ausgeschlossen, der zentrale Aspekt der Hysterie in der frühen Freud’schen Vorstellung war aber der einer Traumatisierung, die zu körperlichen und emotionalen Symptomen führte. Zusammen mit Josef Breuer publizierte Freud im Jahr 1895 das Buch Studien über Hysterie.10 Beeinflusst von Charcot und dem französischen Psychologen Pierre Marie Janet katalogisierten sie die Symptome der Hysterie. Das Buch brach nicht mit der genderbasierten Trennung unterschiedlicher Formen von Hysterie, die in den Auseinandersetzungen über die Natur des Kriegstraumas noch eine große Rolle spielen sollte. Was Freud und Breuer vor allem für das moderne Traumakonzept leisteten, war die Feststellung, dass die fehlende Integration traumatisierender Erlebnisse ins eigene Selbst das Trauma dauerhaft verfestigen konnte.11
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Andreas Maercker: Posttraumatische Belastungsstörungen, 3. Auflage, Springer: Heidelberg 2009, S. 5. 7 Wichtige Quellen für diesen Übergang sind Broschüren, in denen die Aufgaben von Mann und Frau im Umgang mit der Geburt beschrieben wurden. Diese wurden meist von Ärzten verfasst und waren ein Anzeichen für den Verantwortungsverlust von Hebammen über den Geburtsprozess. Vgl. Rebecca Kukla: Mass Hysteria: Medicine, Culture, and Mothers’ Bodies, Rowman & Littlefield: Lanham, MD 2005, S. 20. 8 Ebd., S. 67. 9 Jeffrey C. Alexander, Ron Eyerman, u.a.: Cultural Trauma and Collective Identity, University of California Press: Berkeley, CA 2004, S. 32. 10 Josef Breuer, Sigmund Freud: Studien über Hysterie, F. Deuticke: Leipzig 1895. 11 Vgl. Victoria M. Follette, Josef I. Ruzek: Cognitive-Behavioral Therapies for Trauma, 2. Auflage, Guilford Press: New York, NY 2006, S. 3.
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Als die Traumaforschung männliche Soldaten zum Forschungsgegenstand zu erklären begann, blieben die Erkrankungen der hysterischen Frau und des geschädigten Mannes lange Zeit strikt getrennt. Weiterhin wurden die meisten Traumafolgen mit physischen Verletzungen in Zusammenhang gebracht. Die Begriffe „soldier’s heart“ oder „irritable heart“ („DaCosta syndrome“) zeigen dies deutlich. Für die Betroffenen, für das Militär und für die Mediziner hatte es viele Vorteile, sich auf die physischen Ursachen zu konzentrieren. Der Betroffene geriet nicht in den Verdacht der Feigheit, was zu unehrenhafter Entlassung oder Hinrichtung führen konnte. Die Militärführung konnte die Männer schnell wieder an die Front schicken, wenn sie aus den Hospitälern entlassen wurden. Die Militärärzte und Neurologen behielten die Kontrolle über die Erforschung des Phänomens. Es blieb einzelnen Forschern überlassen, neue Wege zu beschreiten. Diese institutionellen Zwänge blieben als Widerstände jedoch jahrzehntelang problematisch. Aufbauend auf den Forschungen von Janet und Freud und seiner eigenen Arbeit mit Veteranen des Ersten Weltkriegs, entwickelte der Psychoanalytiker Abram Kardiner sein Konzept der Physioneurosen, die aus dem Aufenthalt auf dem Schlachtfeld entstehen konnten.12 Das Trauma wurde zu einer Kombination aus psychischen und physischen Ursachen erklärt und die Gewichtung beider Teile konnte je nach Patient unterschiedlich ausfallen.13 Viele Eigenschaften seines so entwickelten Neurosekonzeptes stimmen mit modernen Entwürfen überein. Seine Patienten waren überreizt, mussten sich immer wieder an ihre Erlebnisse erinnern und litten darunter, dass sie die Erfahrungen weder verdrängen noch in ihr Leben integrieren konnten. Kardiners Patienten klagten außerdem darüber, dass es ihnen schwerfiel, mit Nichtsoldaten über ihre Erlebnisse zu sprechen. Dieser Umstand wurde ebenfalls als traumatisierend empfunden und ist als belastender Aspekt scheinbar eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Ausnahmezustands. Was sich weiterhin als schwierig herausstellte war die Suche nach Heilungskonzepten. Kardiner lehnte ebenso wie Freud die aus der Hysterieforschung entwickelten physischen Methoden wie die Elektroschocktherapie ab.14 Er publizierte seine Ergebnisse aus dem Ersten Weltkrieg erst im Jahr 1941. The Traumatic Neuroses of War erschien in einer Zeit, in der bei Soldaten immer noch „soldier’s heart“, „shell shock“ oder „bombshell disease“ diagnostiziert wurde und geriet nach dem Krieg in Vergessenheit.15 Es fand sich kein gemeinsamer 12 Ebd., S. 4. 13 Vgl. Ebd.; Matthew J. Friedman, Terence M. Keane, u.a. (Hg.): Handbook of PTSD: Science and Practice, Guilford Press: New York, NY 2010, S. 26. 14 Vgl. E. Ann Kaplan: Trauma Culture: The Politics of Terror and Loss in Media and Literature, Rutgers University Press: Piscataway, NJ 2005, S. 30. 15 Abram Kardiner: The Traumatic Neuroses of War, George Banta: Menasha, WI 1941.
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Nenner, der die Erlebnisse der Soldaten und die der Vertriebenen, Versehrten und Gefolterten zu einem funktionierenden System der Traumabewertung und bewältigung verbinden konnte.16 Neue Impulse erhielt die Forschung erst aus der Auseinandersetzung mit Gewalt und Trauma im privaten Bereich. Die ‚neuen‘ Symptome nannten sich „rape trauma syndrome“ oder „battered woman syndrome“ und wurden zusammen mit den Folgen von Kindesmissbrauch und häuslicher Gewalt zu wichtigen Untersuchungsgegenständen. Diese von Gesellschaft und Forschung lange Zeit ignorierten oder marginalisierten Themen ließen sich nun mit den Erkenntnissen aus anderen Bereichen verknüpfen.17 Diese ‚Neuentdeckung‘ des privaten Traumas war die notwendige Gegenreaktion darauf, dass ‚echtes‘ Trauma bisher vor allem durch Männer erlitten oder bei Männern diagnostiziert worden war. Forschungen zur Gewalt in der Familie wurden parallel zu den ersten Gesprächsgruppen und ähnlichen Experimenten zur Behandlung von Kriegsbeteiligten des Vietnamkriegs durchgeführt.18 Letztere Forschungen konzentrierten sich jedoch wiederum fast ausschließlich auf Männer. Der entscheidende Durchbruch in der Traumaforschung war die Verschmelzung beider Phänomene zu einem Bündel von Symptomen, Verläufen und Krankheitsbildern. Festgeschrieben wurden diese Erkenntnisse erst im Jahr 1987, als das DSM-III-R erschien.19 Im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders legt die „American Psychiatric Society“ bis heute die Rahmenbedingungen für die Identifizierung von geistigen Erkrankungen fest. Der Vorgänger DSM-III wurde zum Fokus heftiger
16 Zur Geschichte und Entwicklung der Forschung vgl. Martin Bergmann, Milton Jucovy, u.a.: Kinder der Opfer, Kinder der Täter: Psychoanalyse und Holocaust, Fischer Taschenbuch-Verlag: Frankfurt am Main 1998; José Brunner, Nathalie Zajde: Holocaust und Trauma. Kritische Perspektiven zur Entstehung und Wirkung eines Paradigmas, Wallstein: Göttingen 2011; Natan P.F. Kellermann: Holocaust Trauma: Psychological Effects and Treatment, iUniverse: New York, NY 2009. 17 Victoria M. Follette, Josef I. Ruzek: Cognitive-Behavioral Therapies for Trauma, 2. Auflage, Guilford Press: New York, NY 2006, S. 5. 18 Zur parallelen Entwicklung dieser Forschung vgl. Bessel A. Van der Kolk, Alexander C. McFarlane, u.a.: Traumatic Stress: The Effects of Overwhelming Experience on Mind, Body, and Society, Guilford Press: New York, NY 2007. 19 American Psychiatric Association (Hg.): Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders: DSM-III-R, American Psychiatric Association: Washington, DC 1987. Neben dem DSM besitzt die World Health Organization ihren eigenen Definitionskatalog, den ICD (International Classification of Diseases), der zurzeit in der Revision ICD-10 vorliegt. Vgl. Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information: IDC-10-WHO Index, unter: DMDI ICD-10-WHO, URL: http://www.dimdi.de/static/ de/klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2011/index.htm, Stand: 18.03.2013.
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Diskurse.20 Das biosoziologische Modell, mit dem die Psychologie zu dieser Zeit vor allem arbeitete, bewährte sich als Erklärungsgrundlage, seine Umsetzung in Behandlungskonzepten konnte mit den Anforderungen der Praxis aber nicht Schritt halten.21 Während neue Behandlungsmethoden entwickelt werden mussten, nahm langsam das neue Konstrukt PTSD Formen an. Die „post traumatic stress disorder“ (oder im Deutschen posttraumatische Belastungsstörung) vereinte als Begriff und Diagnose alle genannten Symptome miteinander, musste dabei aber als Kompromiss Inhalte der alten Einzeldiagnosen ausklammern. Die Urform von PTSD im DSM-III war ein Konglomerat aus den bisher bekannten Symptomen. Spezielle Untersuchungen, um die Definition zu schärfen und praxiskompatibler werden zu lassen, erfolgten erst später, größer angelegte wissenschaftliche Studien wurden erst im Vorfeld des DSM-IV durchgeführt.22 Der Kurzüberblick hat gezeigt, wie schwierig der Weg zur wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Anerkennung traumatischer Erlebnisse und ihrer Folgen war. Für die Betroffenen ist der Umgang mit solchen Erfahrungen von der Notwendigkeit geprägt, sie und ihre Spätfolgen entweder zu verdrängen oder in den eigenen Alltag integrieren zu können. Was Verarbeitung von Erfahrungen dabei sein kann oder sein soll wird im Folgenden erörtert.
Kriegs- und Erfahrungsverarbeitung: eine Kritik Der Umgang mit den Erfahrungen der Vergangenheit, unabhängig davon, ob man sie als Ausnahmesituationen oder kritische Lebensereignisse bezeichnen will, findet auf dem Weg vom Erlebnis zur Erinnerung statt. Verarbeitung macht es notwendig, ausgewählte Inhalte zu thematisieren und mit dem Selbstbild in Verbindung zu bringen. Deshalb ist sie außerordentlich prozessual und erstreckt sich über lange Lebenszeiträume. Es könnte angenommen werden, dass Kriegsverarbeitung als Begriff und Konzept ausführlich wissenschaftlich bearbeitet wurde und viele Anknüpfungspunkte für den weiteren Umgang mit dem Verarbeitungskonzept bieten kann. Tatsächlich wurde und wird der Begriff zwar häufig verwendet, aber nur sehr selten ausführlich definiert. Seine Inhalte und Bedeutungen müssen oft aus den
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American Psychiatric Association (Hg.): Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders: DSM-III, University of Cambridge Press: Cambridge 1986. Vgl. M. Wilson: DSM-III and the Transformation of American Psychiatry – A History, in: American Journal of Psychiatry Nr. 3, 150 (1993), S. 399-410. American Psychiatric Association (Hg.): Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders: DSM-IV, American Psychiatric Association: Washington, DC 1994.
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Herangehensweisen und impliziten Konzepten extrapoliert werden. Die Kernaussagen, die fast immer unausgesprochen im Raum stehen, lassen sich mit Paul Fussell folgendermaßen ausdrücken: „the man who really endured the War at its worst was everlastingly differentiated from everyone except his fellow soldiers.“23 Das Fundament der Kriegsverarbeitung ist damit aus seiner Sicht klar definiert. Der Krieg verändert die Kriegsbeteiligten unausweichlich, entrückt sie von ihren Zeitgenossen und trennt sie von ihrer eigenen Generation. Krieg muss, so scheinen die Definitionen zu implizieren, geradezu unausweichlich als etwas Schreckliches erlebt werden. Genauso eindimensional ist dann das Verständnis von Kriegsverarbeitung: Leiden an der eigenen Vergangenheit und der Versuch, mit diesem Leiden umzugehen. Dabei muss die Frage gestellt werden, wie sehr dieses enge Konzept von modernen Vorstellungen über den Krieg überlagert wird. Freude oder Begeisterung über den Kriegseinsatz erkennen zu lassen, sind keine gesellschaftlich akzeptablen Verhaltensweisen. Die Lust am Töten oder die Begeisterung für den Umgang mit Waffen und Kriegsgerät lässt sich scheinbar nicht in Vorstellungen über die Natur des soldatischen Erlebnisses integrieren, die mit der Friedensgesellschaft kompatibel sein müssen. Krieg darf keine positiven Seiten haben. Entsprechend berichten die Kriegsbeteiligten entweder von den neutralen Bestandteilen ihrer Kriegserfahrung (wie Lagerleben und Kameradschaft) oder konzentrieren sich auf die negativen Auswirkungen auf ihr eigenes Leben. Die von Sönke Neitzel und Harald Welzer ausgewerteten Abhörprotokolle aus alliierten Gefangenenlagern des Zweiten Weltkriegs zeigen, dass das Erzählen (wohl nicht nur) deutscher Soldaten im eigentlichen Kriegsumfeld in keiner Weise in solche Nachkriegskonzepte über die Kriegserfahrung passt.24 Die Soldaten sprechen über ihre Freude an der Vergewaltigung, über die Lustgefühle, die ein erfolgreicher Todesschuss zu wecken vermag oder über gewaltsame Übergriffe auf die Zivilbevölkerung. Der Krieg wird zur Abenteuergeschichte oder zur industriellen Arbeit.25 Neitzel und Welzer erklären diesen inhaltlichen Bruch damit, dass die Kriegs- und Nachkriegszeit jeweils unterschiedliche Referenzrahmen besitzen, die Auswirkungen auf Erlaubtes und Erzählbares haben: „Aus unserer Sicht ist die Verschiebung des Referenzrahmens vom zivilen Zustand in jenen des Kriegs der entscheidende Faktor, wichtiger als alle Weltanschauung, Disposition und
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Paul Fussell: The Great War and Modern Memory, Oxford University Press: New York, NY 1979, S. 90. Sönke Neitzel, Harald Welzer: Soldaten: Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben, 2. Auflage, Fischer: Frankfurt am Main 2011. Ebd., S. 36.
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Ideologisierung. Diese sind nur wichtig dafür, was die Soldaten für erwartbar, gerecht, irritierend oder empörend halten, aber nicht für das, was sie tun.“26
In Nachkriegszeiten werden Inhalte wie die Freude am Kriegsgeschehen durch neue Rahmenbedingungen der sozialen Umgebung überlagert und transformiert. „War is hell“ ist als Aussage das Produkt einer nachträglichen Selektion, die dann meist schon abgeschlossen ist, wenn ein Erzählen mit größerer Öffentlichkeitswirksamkeit überhaupt erst einsetzt. Der Vietnamveteran und Autor Tim O’Brien erkennt dies ebenfalls an: „As a moral declaration the old truism [War is Hell] seems perfectly true, and yet because it abstracts, because it generalizes, I can’t believe it with my stomach. Nothing turns inside.“27 Krieg ist eben nicht immer die Hölle, sondern ein Wechselspiel aus Freude, Lust, Gier, Trauer und Angst. OʼBrien streitet damit keinesfalls ab, dass seine Zeit als Soldat zu einem dauerhaften Leidensdruck geführt hat. Dieser Aspekt ist aber nur einer unter vielen. Wenn das Erzählen über die eigene Erfahrung wissenschaftlich untersucht wird, dann sind diese Ideen der Kriegsverarbeitung meist schon in die Vorstellungen der Forscherinnen und Forscher übergegangen. Für viele Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftler, die sich mit den literarischen Erzeugnissen von Kriegsveteranen auseinandergesetzt haben, ist die implizite Definition von Kriegsverarbeitung fast immer gleichbedeutend mit der Verarbeitung von Kampftrauma. Tobey C. Herzog hat viele Schriften von Kriegsbeteiligten untersucht. Für ihn liegt das Problem dieser Form der Erfahrungsverarbeitung genau hier: „how can veterans be expected to articulate the horrors, the guilt, the nightmares, the disgust – the unspeakable – to people whose only contact with war has been through war stories or the media?“28 In dieser Interpretation ist es allein der Leidensdruck, aus dem der Erzähldrang entsteht und mit dem sich die Autorinnen und Autoren auseinandersetzen. Herzog ist selbst ein Veteran und hat in Vietnam gedient. Wie viele Veteraninnen und Veteranen hat er die neuen Referenzrahmen in der Friedenszeit als Ausgangspunkt für seine Auseinandersetzungen mit der Kriegserfahrung akzeptiert. Der Soldat ist das leidende Opfer seiner Erlebnisse und Kriegsverarbeitung resultiert aus diesen anhaltend negativen Auswirkungen. Der Psychologe Arthur Egendorf hat seine Annahmen so zusammengefasst: „Retelling oneʼs story is an ancient cure. It allows people to take a more livable stance toward what theyʼve experienced, one that may not have been possible at the time the 26 27 28
Ebd., S. 391. Tim O’Brien: The Things They Carried, Broadway: New York, NY 1998, S. 78. Tobey C. Herzog: Vietnam War Stories. Innocence Lost, Routledge: London 1992, S. 181.
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events took originally place. Retelling is likely to allow us to feel ‚more human‘ afterward, for recapturing the past in a sensitive way, often through the process of mourning, enables us to set aside our fearful self-protectiveness. In this way we overcome the greatest burden we carry away from shocking experiences: the limits weʼve placed on our capacity to care.“29
Während der Umgang mit Kriegserlebnissen nicht auf pathologische Aspekte reduziert werden darf, verweist Egendorf hier auf eine Thematik der Kriegsverarbeitung, die oft übersehen wird. Die Nacherzählung führt zu einem „more livable stance“, einer Einstellungsveränderung zum eigenen Leben und zum Erlebten. Während Egendorf diese Aussage sofort wieder auf die „shocking experiences“ zurückwendet, sind diese nur ein kleiner Aspekt all der Probleme, zu denen der Betroffene eine Einstellungsveränderung herbeiführen möchte. Der Umgang mit der eigenen Familie, mit Freunden oder Kameradinnen und Kameraden gehört ebenso dazu wie die Vorstellung über die eigene Position in der Gesellschaft. Die Schlussfolgerung dieser Betrachtung muss sein, dass die Verarbeitung des Ausnahmezustandes nicht auf Trauma und andere pathologische Konzepte reduziert werden darf. Die Referenzrahmen der Gegenwart bestimmen jene Inhalte, mit denen sich die Person auseinandersetzen kann und wird. Die Traumata der Vergangenheit haben in solchen Fällen nur geringen oder gar keinen Einfluss auf das Handeln. Kriegsverarbeitung ist nicht nur an solche Referenzrahmen gebunden, sie ist vor allem gegenwartsbezogen und darauf ausgerichtet, im aktuellen Lebenskontext das zu verarbeiten, was auf Vergangenes zurückgeführt wird. Die Natur der Lebensereignisse, auf denen sich diese Verarbeitungsprozesse beziehen, ist viel komplexer und heterogener, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Die Verarbeitung von Kriegserlebnissen aus dem Vietnamkrieg, die im Folgenden eine wichtige Rolle spielen wird, muss deshalb zuallererst als Prozess im Jetzt verstanden werden, dessen Ausnahmeereignisse nicht auf den zeitlichen Rahmen des Kriegsereignisses begrenzt werden können. Der Historiker Robert Schulzinger hat diesem Umstand Rechnung getragen, als er seinem Buch A Time for War ein Folgewerk namens A Time for Peace folgen ließ.30 Die unübersichtliche, komplexe Natur der Nachkriegsdiskurse muss, ebenso detailliert behandelt werden wie die chaotische und oft ebenso unübersichtliche Entwicklung des Konflikts in der Vergangenheit. Der Vietnamkrieg ist in den Referenzrahmen
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Arthur Egendorf: Healing from the War. Trauma and Transformation after Vietnam, Shambhala: Boston, MA 1986, S. 69. 30 Robert D. Schulzinger: A Time for War: The United States and Vietnam, 1941-1975, Oxford University Press: New York, NY 1998; Robert D. Schulzinger: A Time for Peace. The Legacy of the Vietnam War, Oxford University Press: New York, NY 2006.
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der amerikanischen Öffentlichkeit nicht nur mit seinen Veteraninnen und Veteranen verbunden, sondern eine Quelle für Verschwörungstheorien, ein Diskurswerkzeug für aktuelle politische Entscheidungen sowie ein Maßstab für den Umgang mit der Memorialisierung vergangener Ereignisse. Zwischen diesen anhaltenden Definitionskämpfen auf politischer und sozialer Ebene suchten und suchen sich die Kriegsbeteiligten die Referenzrahmen für den Umgang mit ihrer Vergangenheit. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Kriegsverarbeitung als wissenschaftliches Verständniswerkzeug mehr sein kann und mehr sein muss als der pathologische Zugang zum Umgang mit Kriegstrauma. Verarbeiten ist nicht zwangsläufig Vergessen oder Verdrängen, sondern das ständige Thematisieren und Integrieren von Erfahrungsinhalten. Die Inhalte dieser Prozesse sind jedoch bereits einer radikalen Auswahl unterworfen worden und beinhalten nur noch das, was von den Erzählerinnen und Erzählern als bedeutend oder notwendig erachtet wird. Die Referenzrahmen des Kriegs sind längst Vergangenheit und der Umgang mit der eigenen Kriegserfahrung muss sich an den gesellschaftlichen Kontexten der Nachkriegszeit orientieren. Viele Konzepte der Kriegsverarbeitung rezipieren diese Veränderungen jedoch nicht und reduzieren die Probleme von Kriegsbeteiligten auf die direkten oder indirekten Folgen des Aufenthalts im Kriegsgebiet.
Identitätskonzepte – eine Annäherung Der Umgang mit dem Ausnahmezustand bleibt selbst dann, wenn er innerhalb von Gruppen zelebriert werden kann, ein außerordentlich persönlicher Prozess. Er richtet sich auf das Ich, das Zentrum des Selbstverständnisses einer Person und konstruiert im Rückbezug auf das Vergangene die Wahrheiten der Gegenwart. Dass Identitätskonzepte für den Umgang mit diesen Phänomenen herangezogen werden ist fast unausweichlich, da in diesem Zusammenhang auch immer das eigene Selbstverständnis in Vergangenheit und Gegenwart thematisiert wird. Die Diskussion um diesen alle Teile der menschlichen Existenz berührenden Begriff in ihrer Gesamtheit darstellen zu wollen, wäre vermessen. Da er in den Quellen aber in seiner Interpretation als das nach außen kommuniziertes Selbstverständnis eine große Rolle spielt, muss er hier zumindest als Orientierungspunkt nutzbar gemacht werden. Der Begriff der Identität ist im Laufe der Zeit mit Bedeutungen überfrachtet worden und dies im wissenschaftlichen Bereich durchaus disziplinübergreifend. Was Identität ist und wie sie verstanden werden soll, wird auf unterschiedlichste
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Art und Weise beantwortet. Die Erweiterung des Begriffs um zuspitzende Deskriptoren (sozial, persönlich, kollektiv etc.) hat ihn an disziplinäre Blickwinkel angepasst und den in den Wissenschaften immer gefährlich anmutenden Allgemeinheitsanspruch entschärft. Dadurch ist jedoch eine Fülle unterschiedlicher Identitätsbegriffe entstanden, aus der sich ‚die‘ Identitätsdiskussion kaum mehr herausarbeiten lässt. Den Begriff der Identität ganz abzulehnen, wie es Lutz Niethammer in seiner Diskussion zur kollektiven Identität angestrebt hat, würde jedoch zu weit gehen.31 Egal ob man sich dem Sozialen annähern oder Selbstverständnisse erforschen möchte, der Begriff ist eingeführt und griffig genug, dass er in der Forschungspraxis verwendet werden kann. Am Anfang der Auseinandersetzung mit der Identität steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen Einzelperson und Gruppe. Identität ist immer geprägt durch die Auseinandersetzung darum, wie sich das Selbst eigenständig in die Gesellschaft einfügen kann.32 Identität bedeutet, sich zu verorten und mit der Umgebung in Beziehung zu setzen. Gewandelt hat sich dabei vor allem, zu welchen relationalen Punkten diese Verortung stattfindet. Einen zentralen Orientierungspunkt im traditionellen Verständnis von Identität stellte die Heilslehre und Heilsvorstellung Gottes dar.33 Hier ist der Einzelne von vorne herein als Subjekt zwischen Heil und Verdammnis positioniert. Bestimmt wird die Position zwischen diesen Extremen allein durch sein individuelles Handeln. Dies bedeutet, dass die eigene Identität zuallererst durch metaphysischen Zwang definiert wird, der die Position des Betroffenen zwischen Himmel, Hölle und Fegefeuer festschreibt. Erst danach sind alle sonstigen sozialen Trennungen und Einteilungen relevant. Die Identitätskonzepte, die in den hier behandelten Quellen untersucht werden können, lassen sich mit solchen Konzepten kaum in Verbindung bringen. Sie wurzeln in dem (immer unscharfen) Konzept des ‚modernen‘ Menschen, der frei entscheiden kann und gleichzeitig von Möglichkeiten und Anforderungen schier überwältigt wird.34 Diese Interpretation von Identität kennt weiterhin Zwänge durch Selbst- und Fremdanforderungen oder soziale Kontexte. Weggefallen ist dagegen das Versprechen, es gäbe überindividuelle Orientierungspunkte für die 31 Lutz Niethammer: Kollektive Identität: heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Rowohlt-Taschenbuch-Verlag: Reinbek bei Hamburg 2000. Vgl. zur Diskussion: Ludger Jansen: Identität und Gemeinschaft. Neuere Beiträge zur Ontologie des Sozialen, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 60 (2005), S. 118-132, hier S. 118. 32 Werner Becker: The Western Concept of Person – a Challenge to Religion, in: Gerhard Preyer (Hg.): Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft, Springer-Verlag: Wiesbaden 2009, S. 19-24, hier S. 19. 33 Ebd., S. 20. 34 Vgl. Heinz Abels: Identität, Springer-Verlag: Berlin 2010, S. 245.
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eigene Identität, die unkorrumpierbar und unverrückbar sind. Identität ist geprägt von Unsicherheit und Instabilität und muss ständig neu gebildet und aufrechterhalten werden. Wenn Ausnahmezustand und Trauma als untrennbar verbunden dargestellt werden, gilt dies doppelt für Identität und Krise. Wer seine Identität thematisiert, zweifelt an ihr oder muss um sie kämpfen. Konstruiert und konzipiert werden Identitäten besonders dann ganz intensiv, wenn sie bereits in Frage gestellt worden sind: durch Grenzerfahrungen wie Krieg und Vertreibung, Furcht oder Schmerz.35 Dieses moderne Verständnis von Identität erhält dadurch Nachdruck, dass es in den Quellen fast ausschließlich in medialer Form vermittelt wird. Das MedienKonglomerat Internet besitzt dafür eine ganz eigene Kombination aus Anforderungen und Möglichkeiten. Es eröffnet unterschiedliche Öffentlichkeiten, verbirgt die Nutzerin oder den Nutzer vor dem Publikum und gibt im selben Moment Werkzeuge der Selbstdarstellung an die Hand. Über Text und Bild lassen sich Inhalte zuspitzen und redefinieren – Strategien, die sich in den untersuchten Quellen ganz häufig finden lassen. Identitätskonstruktionen lassen sich nicht von der medialen Dimension trennen, in der sie zu finden sind. Sie entspringen ordnenden Aktivitäten, die aus den verwirrenden und unzusammenhängenden Erlebnissen der Vergangenheit etwas Kohärentes zusammenfügen sollen. Die mediale Natur der Werkzeuge, die dabei eingesetzt werden, muss immer im Gedächtnis behalten werden. ‚Die Primär nach außen gerichtete Auseinandersetzung mit den Partikel des Selbst innerhalb medialer Kontextrahmen‘ soll hier als Arbeitsdefinition von Identität dienen. Sie soll gleichzeitig noch einmal unterstreichen, wie untrennbar das Reden über Identität immer auch mit dem Zweifel an Identität verbunden ist – dem Zweifel an der eigenen und an der von anderen. Das auf Identität gerichtete Handeln ist für den Quellenkorpus auch deshalb bedeutend, weil – wie sich in der Analyse gezeigt hat – dort solche Konstruktionen mit großer Vehemenz und oft auch großer Aggressivität vorgetragen werden. Die Vehemenz, mit der diese Konstruktionen weiterhin vorgenommen werden und die großen Ansprüche, wenn es darum geht, für andere ihre Identität mitdefinieren zu dürfen, machen die Betrachtung des Begriffes so wichtig.36 Identität wird im Fol-
35 Vgl. z.B.: Simela Delianidou: Transformative, transitäre, transgressive Identitätsmodelle: autothematische Exilliteratur zwischen Moderne und Postmoderne, Königshausen & Neumann: Würzburg 2010. 36 Vgl. Gabriele Lucius-Hoene, Arnulf Deppermann: Narrative Identität und Positionierung, in: Gabriele Lucius-Hoene, Arnulf Deppermann (Hg.): Rekonstruktion narrativer Identität. Ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews, 2. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2004, S. 166-183, hier S. 168.
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genden deshalb als Konstrukt verstanden, das über narrative Techniken geschaffen wird und ausschließlich über die Außenrepräsentation des Handelnden innerhalb medialer Kontexte zugänglich ist. Mag sein, dass die Identität eines Subjekts auf seinen Erfahrungen und Erwartungen basiert, wie es Jürgen Straub in seiner Untersuchung von Biografie und Subjekt anspricht: erreichbar ist nur die nach außen gerichtete Selbstdarstellung.37 Die Identitätskonstruktionen in den betrachteten Quellen konzentrieren sich zu einem großen Teil auf die Selbst- oder Fremdidentifikation als Soldatin oder Soldat, Veteranin oder Veteran. Die Frage danach, was die Identität des Subjekts im Krieg heute noch sein kann oder darf ist immer wieder gestellt worden. Parallelen und Vergleiche finden sich viele: die Herausarbeitung des Kriegers als Heros ganzer Kulturkreise bei Campbell wurde bereits genannt, Vergleichsbeispiele in spezifischen Epochen sind ebenfalls häufig zu finden.38 Der Krieger in der Vergangenheit wird als (bis auf Ausnahmen ausschließlich männliche) Einzelperson dargestellt, die aus eigener Kraft auf die Entwicklung von Kämpfen und historischen Entwicklungen Einfluss nehmen kann. Der Umbruch vom individualistischen Krieger zum Einzelnen, der sich dem Dienst am Gemeinwesen verschreibt, wird teilweise schon im Gegensatz zwischen Achill und Hektor in der Ilias verortet: hier der unersetzliche Kämpfer, ohne den die Kriegsanstrengung hoffnungslos ist, dort der Sohn der Stadt, der sich für das Gemeinwohl opfert.39 Kriegertypen werden ebenso wie die Kriegsführung vor allem durch Umbrüche repräsentiert. So schreibt Bernd Hüppauf in seiner Kulturgeschichte des Kriegs: „Der industrialisierte Krieg der Moderne gehört ebenso in die Vergangenheit wie Krieg als Zeichen der Geburt von Helden und Märtyrern. Wir werden Zeugen des Endes des Kriegstypus: mechanisierter Krieg und industrialisiertes Schlachtfeld.“40 Die Phaseneinteilungen ähneln sich: auf den persönlicheren Einzelkonflikt folgt der Gruppen- und Völkerkrieg, der in den modernen Massenkrieg mündet. Die Grenzziehungen sind vielseitig und basieren auf Epochen, technologischer Entwicklung oder sozialen Organisationsstrukturen. Die
37 Jürgen Straub: Zeit, Erzählung, Interpretation. Zur Konstruktion und Analyse von Erzähltexten in der narrativen Biographieforschung, in: Hedwig Röckelein (Hg.): Biographie als Geschichte, Edition Diskord: Tübingen 1993, S. 143-183, hier S. 147. 38 Vgl. z.B. Jonathan Shay: Achill in Vietnam. Kampftrauma und Persönlichkeitsverlust, Hamburger Edition: Hamburg 1998. 39 Vgl. Joachim Latacz: Kampfparänese, Kampfdarstellung und Kampfwirklichkeit in der Ilias, bei Kallinos und Tyrtaios (Zetemata. Monographien zur klassischen Altertumswissenschaft 66), Beck: München 1977, S. 113. 40 Bernd Hüppauf: Was ist Krieg? Zur Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs, Transcript: Bielefeld 2014, S. 485.
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Aussage ist dieselbe: Kriege sind modern oder archaisch, neu oder alt – und das Gleiche gilt für die, die sie führen oder an ihnen teilnehmen.41 Diese Umbrüche werfen die Frage auf, inwieweit sich die Kriegserfahrung und der Spielraum für die Konstruktion der damit in Zusammenhang stehenden Identitäten tatsächlich geändert haben. Der Aussage von Hüppauf, der Krieg sei nicht mehr zuständig für die „Geburt von Helden und Märtyrern“, trifft auf moderne Kriege so nicht zu. Der Krieg ist nach wie vor Entstehungsort solcher Archetypen, allerdings sind diese hochgradig fragmentarisiert. Sie existieren nicht mehr als große Gesamtmodelle, sondern setzen sich aus unterschiedlichsten Zuschreibungen zusammen. Krieger, Mörder, Psychopath, Held, Opfer und vieles mehr kann die Soldatin oder der Soldat in den modernen Kriegen sein. Die Widersprüchlichkeiten sind Teil dieser neuen Realitäten, weshalb Herfried Münkler in diesem Zusammenhang auch von „postheroischen Helden“ spricht.42 Die Bereiche, in denen Identitäten ausgehandelt werden, gehen aber weit über die eigentliche Kriegsrealität hinaus. Betrachtet man das konkrete Beispiel deutscher Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten, zeigt sich ein komplexes Bild unterschiedlicher Kontexte. Während in der offiziellen Darstellung von Bürgern in Uniform die Rede ist, die als wichtiger Teil der deutschen Gesellschaft Dienst tun, sprechen Kriegsrückkehrer wie der ehemalige Soldat Andreas TimmermannLevanas von einem „Abbrechen der Rettungskette“ nach der Rückkehr aus dem Kriegsgebiet.43 Ein positiver Definitionsraum für Soldatinnen und Soldaten existiert nur in sehr eingeschränkter Hinsicht. So wie die Journalistin Ronja von Wurm-Seibel vom Verteidigungsministerium die Aussage bekam, die Ehrung und Anerkennung von Ex-Soldaten sei nicht die Aufgabe des Staates, musste Timmermann-Levanas erkennen, dass es für positive öffentliche Anerkennung von Kriegstaten in Deutschland keine Diskursebene gibt. 44 Der militärische Kontext, auf den solche Identitäten zurückgeführt werden, umfasst auch die Zeit vor 41
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Vgl. z.B. Mary Kaldor: New & Old Wars. Organized Violence in a Global Era, Polity: Cambridge 2007; Rasmus Greiner: Die neuen Kriege im Film. Jugoslawien – Zentralafrika – Irak – Afghanistan (Marburger Schriften zur Medienforschung 39), Schüren Verlag: Marburg 2012; Gil Merom: How Democracies Lose Small Wars: State, Society, and the Failure of France in Algeria, Israel in Lebanon, and the United States in Vietnam, Cambridge University Press: Cambridge 2003. Herfried Münkler: Neue Kriege und postheroische Helden, in: Winfried Heinemann, Eberhard Birk, u.a. (Hg.): Tradition für die Bundeswehr: neue Aspekte einer alten Debatte, Miles: Norderstedt 2012, S. 67-78. Vgl. Andreas Timmermann-Levanas, Andrea Richter: Die reden – wir sterben: Wie unsere Soldaten zu Opfern der deutschen Politik werden, Bundeszentrale für Politische Bildung: Bonn 2010, S. 189. Seine Beispiele sind ausschließlich Männer. Ronja von Wurm-Seibel: „... dann kommen wieder neue“. Verschlissen, verwaltet, vergessen – Deutschland lässt seine Kriegsveteranen allein, in: Die Zeit Nr. 25 (14.06. 2012), S. 6-8.
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und nach dem Krieg. Im Umfeld sich abzeichnender Konflikte gewinnen Konzepte wie ‚Soldatentum‘ neue Bedeutungsinhalte hinzu, alte lösen sich auf.45 Die zentrale Aussage ist, dass die Einstellungen zum Krieg vor Kriegsausbruch oder während des Kriegs nicht zwingend einen breiten Einfluss auf die Nachkriegseinschätzungen haben müssen. Die Vorprägung durch das Erleben militärischer Kontexte ist nicht zwingend dafür verantwortlich, dass Konzepte wie ‚Soldatin‘ oder ‚Soldat‘ auch nach dem Krieg eine wichtige Rolle in den Selbstdarstellungen von Individuen einnehmen. Anders gesagt: Wer nach Ende der institutionalisierten Militärzeit noch weiterhin an diesen Identitätsfaktoren festhält, hat dafür konkrete Gründe, die sich vor allem in seiner jetzigen Lebensrealität finden lassen. Die Entwicklung und Veränderung solcher soldatischen Identitäten lässt sich als eine „kommunikativ-interaktive Konstruktion von Selbstkonzept und Selbstwertgefühl begreifen“.46 Im Nachkrieg sind die Kontextsituationen verändert, alte Sicherheiten sind verschwunden, neue Zwänge und Realitäten sind an ihre Stelle getreten. Ob eine Soldatin oder ein Soldat sich noch in die Nachkriegsentwürfe der Gesellschaft einfügen kann, ist keineswegs sicher. Die für die Nachkriegszeit gerne herangezogene Idee der Verfremdung durch das Erlebte, die zu einer gespaltenen Identität geführt habe (das „schlechte“ Selbst, das im Krieg gehandelt hat und das „echte“, das vor und nach dem Krieg existiert), ist nur eine mögliche Identitätskonstruktion.47 Ob diese in der vorliegenden Quellenbasis ebenfalls häufiger vorkommt, wird sich noch zeigen müssen. Die bisherige Auseinandersetzung mit dem Ausnahmezustand hat viele Fragen aufgeworfen, deren Antworten sich nur in den Quellen finden lassen. Dazu gehört vor allem, in wie weit sie dazu geeeignet sind, um schlüssige Aussagen zu Konzepten wie Trauma oder Kriegsverarbeitung zu entwickeln. Der nächste Schritt vor der Analyse muss es sein, den Fragen eine theoretische Fundierung zu verschaffen, vor allem, wenn es die Auseinandersetzung mit menschlichen Erfahrungen betrifft. Welche Grundlagen des menschlichen Erzählens und Erinnerns sind wichtig? Welche Disziplinen besitzen Vorerfahrungen, die sich auf die Forschungsfragen anwenden lassen? Welche Probleme sind der Kriegserzählung inhärent und welche Schlussfolgerungen ergeben sich deshalb für die Forschungspraxis? 45
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Für eine Studie solcher Prä- und Postkriegskontexte vgl. z.B. Sonja Levsen: Elite, Männlichkeit und Krieg: Tübinger und Cambridger Studenten 1900-1929 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 170), Vandenhoeck & Ruprecht: 2006. Angelika Dörfler-Dierken, Gerhard Kümmel: Soldat-Sein heute: eine Einleitung, in: Angelika Dörfler-Dierken, Gerhard Kümmel (Hg.): Identität, Selbstverständnis, Berufsbild: Implikationen der neuen Einsatzrealität für die Bundeswehr, Springer-Verlag: Wiesbaden 2010, S. 7-18, hier S. 8. Jörg Echternkamp: Soldaten im Nachkrieg: Historische Deutungskonflikte und westdeutsche Demokratisierung 1945-1955, Walter de Gruyter: München 2014, S. 219.
Erfahrungsdarstellung als Quelle „Zeitzeugen sind nicht nur Zeugen für ihr je nach Individuum unterschiedlich angesehenes und erfahrenes Erleben, sondern haben ein jeweils aktuelles Umfeld, gemeinhin ‚Erinnerungskultur‘ genannt. Dieses Umfeld bestimmt ihr Erleben mit, strukturiert ihre Präsentation, vermutlich auch ihre Erinnerung [und] gibt ihnen Anerkennung und Wärme.“1
Der Umgang mit Zeitzeugen und ihren Erfahrungsdarstellungen ist eine komplexe Herausforderung, die auf unterschiedlichen Ebenen adressiert werden muss. Die Unterschiede und Berührungspunkte zwischen Erzählen, Erinnern und Gedächtnis müssen theoretisch ‚abgesteckt‘ und auf das Thema zugeschnitten spezifiziert werden, um den Eigenschaften der Quellen gerecht werden zu können. Die Wissenschaftsfelder, die in diesem Fall herangezogen werden, sind die geschichtswissenschaftliche Oral History sowie die volkskundliche Erzählforschung. Diese haben ihre eigenen Methoden, Sichtweisen und Vorerfahrungen, die für den Umgang mit den Internetquellen unterschiedliche Vorteile bieten. All diese Themenfelder treffen sich dort, wo aus Erzählstrategien und Erinnerungsprozessen unterschiedliche Formen des Gedächtnisses entwickelt werden. Als Ziel solcher Prozesse und individueller Anstrengungen von Kriegsbeteiligten wird in der Literatur immer wieder auf die Kriegsverarbeitung verwiesen. Sowohl der Begriff als auch die Auseinandersetzung mit seinen Spezifika sind jedoch so von Topoi und Vorannahmen überformt, dass eine umfassende Kritik und Redefinition notwendig ist. Diese schließt den Überblick über den Umgang mit der Erfahrungsdarstellung ab und wird am Ende der Quellenanalyse erneut aufgegriffen und geschärft.
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Alexander von Plato: Zeitzeugen und die historische Zunft, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 13 (2000), S. 5-29, hier S. 9.
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Erzählen und Erinnern als interdisziplinäre Konzepte Erzähl- und Erinnerungsforschung sind zwei Felder, die eine starke Affinität zueinander haben, durch unterschiedliche Sichtweisen und wissenschaftsgeschichtliche Entwicklungen aber nicht ohne Weiteres in der Praxis miteinander verknüpft werden können. Die Auswahl und Zusammenstellung des folgenden Kurzüberblicks ist dem Thema und dem Umfang der Untersuchung geschuldet. Erzähl- und Erinnerungsforschung sollen vor allem an zwei Schnittstellen betrachtet werden. Die Erste befindet sich dort, wo sich die Erzähl- und Erinnerungskonzepte der beiden Disziplinen Geschichtswissenschaft und Volkskunde berühren, da ihre Vorerfahrungen eine wichtige Rolle spielen werden. Die zweite Schnittstelle wird dort gebildet, wo Erzählen, Erinnern und Gedächtnis sich annähern und überlappen. Welchem dieser Aspekte die größte Bedeutung beigemessen werden muss, lässt sich nur schwer beantworten. Das Erzählen von Erfahrungsinhalten ist in vielen Fällen primär biografisch. Die individualzentrische Eigenschaft biografischen Schreibens als „Ausdruck eines autonomen Ichs als Souverän des Wissens von sich und seiner Welt“ wird oft als Begleiterscheinung der Moderne verstanden.2 Erfahrungsdarstellung in mündlicher und schriftlicher Erzählung habe es vorher gegeben, der entscheidende Unterschied sei jedoch, dass die Erfahrungsdarstellung immer öfter als Selbstzweck praktiziert werde.3 Heute werden die performativen Aspekte der persönlichen Erfahrungsdarstellung betont. Wenn Paul John Eakin schreibt „I prefer to think of ‚self‘ less as an entity and more as a kind of awareness in process“, dann formuliert er die zentrale Dualität der autobiografischen (Selbst-)Beschreibung. Sie schreibt den Status quo fest und ist doch Teil eines ständig voranschreitenden Prozesses, der durch die Vergangenheit und die Gegenwart des Erinnernden gleichermaßen beeinflusst wird.4 Die These, dass Erfahrungsdarstellung im Quellenkorpus immer die Suche nach einem ‚heilenden‘ Zentralnarrativ der eigenen Existenz beinhaltet, lässt Erzählen und Erinnern ähnlich wichtig erscheinen. 2
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Vgl. z.B. Mari Tarvas: Autobiografisches Schreiben von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Peter Lang: Frankfurt am Main 2009, S. 7. Als erste nachgewiesene Verwendung des Begriffs Autobiografie nennt Petra Feld das Werk des Poeten Robert Southey. Vgl. Petra Feld: Constructions of Identity in Autobiographical Writings of Vietnam Veterans, Universität Braunschweig: Braunschweig 2006, S. 8. Vgl. z.B. Fabian Brändle, Lorenz Heiligensetzer, u.a.: Texte zwischen Erfahrung und Diskurs. Probleme der Selbstzeugnisforschung, in: Kaspar von Greyerz, Hans Medick, u.a. (Hg.): Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen, Böhlau Verlag: Köln 2001, S. 3-31, hier S. 3f. Paul John Eakin: How our Lives Become Stories. Making Selves, Cornell University Press: New York, NY 1999, S. x.
E RFAHRUNGSDARSTELLUNG
ALS
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Rolf Wilhelm Brednich hat mit seinem Beitrag „Erzählkultur: Beiträge zur kulturwissenschaftlichen Erzählforschung“ den Versuch unternommen, einen aktuellen Überblick über unterschiedliche Erzählansätze zu geben. Das „multidisziplinäre Interesse am Erzählen“ hat in den letzten Jahren viele neue Erzähltheorien hervorgebracht. Die meisten davon waren Teiltheorien, die sich mit wichtigen Themenfeldern der Einzeldisziplinen auseinandergesetzt haben. Die Einteilung dieser ‚Theorieflut‘ nimmt er durch unterschiedliche Kategorien vor. Neben Praktiken des Erzählens wie im Falle von Performanztheorien oder Funktionstheorien sind dies vor allem die Einzelpartikel des Erzählflusses wie Topoi oder Erzählfiguren und komplette, übergreifende Ordnungssysteme wie zum Beispiel Gattungstheorien.5 Die hier verwendeten Ansätze der Erzählforschung orientieren sich an den Methoden und wissenschaftshistorischen Entwicklungen zweier unterschiedlicher und doch miteinander verbundener Disziplinen. Sowohl die Volkskunde (oder europäische Ethnologie oder empirische Kulturwissenschaft) als auch die Geschichtswissenschaft haben sich in ihrer Forschungsgeschichte mit den Erzählungen von Personen auseinandergesetzt, die kritische Lebensereignisse erlebten haben. Beide Disziplinen haben umfangreiche Erfahrungen darin, sich mit den Erlebnissen von ehemaligen Kriegsteilnehmern auseinanderzusetzen. Vor allem aber sind die Ansätze der geschichtswissenschaftlichen Oral History und der volkskundlichen Erzählforschung in manchen Punkten stark entgegengesetzt, in anderen aber kompatibel. Das Interesse an der mündlichen Überlieferung im Alltag ist eine Tradition der Volkskunde. Der Umgang mit dieser „mündlich erfragten Geschichte“ entstand jedoch in Verbindung mit der Märchen- und Sagenforschung und war lange Zeit an diese Gattungsbegriffe gebunden. 6 Die geschichtswissenschaftliche Oral History dagegen sah persönliche Erzählquellen wie Interviews und Befragungen von Anfang an als Ergänzungen zur klassischen Quellenarbeit. Ein Ausgangspunkt für das Entstehen der modernen Oral History sind die Arbeiten des Historikers und Journalisten Allan Nevins. Seine populären Biografien, die er anfangs vor allem zur Regierung des amerikanischen Präsidenten Grover Cleveland (1837-1908, Präsident von 1885-1889 und 1893-1897) erstellte, ergänzte er durch Erzählquellen von Beteiligten.7 Er forderte, klassische Textquellen und 5
6 7
Für einen ausführlichen aber schon wieder veralteten Überblick vgl. Brigitta SchmidtLauber: Grenzen der Narratologie. Alltagskultur(forschung) jenseits des Erzählens, in: Thomas Hengartner (Hg.): Leben – Erzählen. Festschrift für Albrecht Lehmann, Reimer: Berlin 2005, S. 145-162, hier S. 145f. Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Acht Beiträge, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1990. Vgl. Rebecca Sharpless: The History of Oral History, in: Thomas Lee Charlton, Lois E. Myers, u.a. (Hg.): Handbook of Oral History, Altamira Press: Lanham, MD 2008, S. 19-42, hier S. 22; Louis M. Starr: Oral History in den USA: Probleme und Perspektiven,
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biografische Erzählungen gleichberechtigt nebeneinanderzustellen, da nur so ein effektiver Zugang zur Vergangenheit gefunden werden könne.8 Der Schwerpunkt seiner Forschung und der seiner Nachfolger blieb aber das „life story interview“ mit Personen, deren Bedeutung aus den zu erforschenden historischen Zusammenhängen entsprang. Die fast ausschließlich männlichen Interviewpartner waren Teil von Eliten oder wichtige Entscheidungsträger, die als Experten befragt wurden. Diese anfängliche Rollenverteilung zu überwinden und die Einflüsse aus der Vororganisation von Gesprächen auf die Quellen möglichst gering zu halten, ist heute eines der wichtigsten Anliegen der Oral History-Forschung.9 Jene sollten zu Wort kommen, deren Meinung nicht aufgrund ihrer besonderen sozialen Stellung herangezogen wurde.10 Oft wurden dafür Großprojekte durchgeführt, die sich mit Regionalgeschichte oder der Geschichte spezifischer ethnischer Gruppen beschäftigten. Ein Beispiel dafür ist das zwischen den Jahren 1966 und 1972 in Zusammenarbeit von sieben Universitäten durchgeführte Projekt in Oklahoma, bei dem die Erinnerungen von amerikanischen Ureinwohnern aller Stämme im jeweiligen Staat aufgezeichnet werden sollten. Die Erkenntnisse solcher Untersuchungen waren jedoch nicht dazu gedacht, eine eigene Form der Geschichtsschreibung zu etablieren, sondern sollten vorhandenes Wissen falsifizieren und ergänzen.11 Die Projekte waren dazu gedacht, neue Erinnerungskulturen zu erschließen, die bisher aus unterschiedlichen Gründen (oft fehlenden Schriftquellen) keinen Beitrag zu spezifischen historischen Zusammenhängen hatten leisten können.12 Oral History als Begriff wird heute häufig für jede Art von aufgezeichneter Erfahrungsrepräsentation verwendet, die von Zeitzeugen eines bestimmten Er-
in: Lutz Niethammer (Hg.): Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der Oral History, Suhrkamp: Frankfurt am Main 1984, S. 27-32, hier S. 29. 8 Allan Nevins: The Gateway to History, Quadrangle Books: Chicago, IL 1963, S. 318. 9 Vgl. zu dieser Entwicklung seit Nevins Valerie Raleigh Yow: Recording Oral History: A Guide For the Humanities and Social Sciences, Rowman Altamira: Lanham, MD 2005, S. 3f. 10 Vgl. zu diesem Entwicklungsabschnitt allgemein Thomas Charlton, Lois Myers, u.a. (Hg.): History of Oral History: Foundations and Methodology, Rowman Altamira: Plymouth 2007. 11 Vgl. Rebecca Sharpless: The History of Oral History, in: Thomas Lee Charlton, Lois E. Myers, u.a. (Hg.): Handbook of Oral History, Altamira Press: Lanham, MD 2008, S. 19-42, hier S. 27. 12 Unter einer Erinnerungskultur versteht man grundsätzlich jede soziale Umgebung, die durch ihre Eigenschaften auf die Erinnerungsprozesse des Individuums einwirkt. Vgl. dazu Katrin Gebert: Carina unvergessen: Erinnerungskultur im Internetzeitalter, Tectum-Verlag: Marburg 2009, S. 29.
E RFAHRUNGSDARSTELLUNG
ALS
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eignisses oder eines Geschichtsabschnitts erstellt wird. Um persönliche Erfahrungsquellen (zu denen sich die Internetseiten zählen lassen) jenseits des biografischen Interviews einbeziehen zu können, werden alternative Bezeichnungen wie „life history“, „self-report“, „personal narrative“ oder „life story“ verwendet. Dies bedeutet keine Abkehr von den Konzepten der Oralität, sondern eine Öffnung hin zu anderen medialen Praktiken, die mündliche Überlieferung meist mit einschließen. Neben der nachträglichen Erinnerung sind es oft die Kommentare zu eigenen Tagebüchern, Tonbandaufzeichnungen, Fotografien und Filmaufnahmen, aus denen sich die persönlichen Narrative der Moderne zusammensetzen. Oral History ist deshalb nicht automatisch kontrollierte Datenerzeugung, sondern ein „umbrella term that incorporates both the practice and the output“.13 Großen Einfluss auf die Entwicklung der populärhistorischen Oral History in Amerika hatten die Bücher von Studs Terkel. Auf Hard Times, eine Oral History der großen Depression, folgte The Good War, im dem Zeitzeugenerinnerungen des Zweiten Weltkriegs festgehalten worden waren.14 Die Struktur seiner Bücher war immer ähnlich: Zeitzeugenberichte von Industriegrößen oder politischen Entscheidungsträgern wechselten sich mit Erzählungen des ‚kleinen Mannes‘ ab. Terkel fügte am Anfang jedes Abschnittes nur wenige einleitende Worte hinzu, aus denen sich oft wenig über die Person und über die Interviewsituation ableiten ließ. Die Auswahl der Interviewpartner und die Kriterien, mit denen die Gespräche gekürzt und editiert wurden, konnten die Leserinnen und Leser ebenfalls nicht nachvollziehen. Diese etablierte Form der Oral History-Sammlung hat den Nachteil, dass die fehlenden Kontexte der Gespräche und Details zu den Zeitzeugen die Quellenkritik erschweren. In Europa war der englische Historiker Paul Thompson ein wichtiger Wegbereiter für die geschichtswissenschaftliche Erzählforschung. Seine Interviews konzentrierten sich oft auf die Erfahrungen der Unter- und Mittelschicht und fanden viele Nachahmer. Die wachsende Zahl der auf diesem Gebiet arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten schließlich zur Gründung der englischen Oral History Society. Thompson setzte ebenfalls darauf, Alltagserzählungen von Einzelpersonen zu Gesamtbildern zusammenzufügen. Mit seinem Buch The Voice of the Past: Oral History versuchte er, Oral Historians ein Praxishandbuch mit allen notwendigen Methoden zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig reflektierte er aber die Grenzen und Probleme dieser Quellenform. Er sah die
13 Lynn Abrams: Oral History Theory, Routledge: London 2010, S. 2. 14 Studs Terkel (Hg.): Hard Times. An Oral History of the Great Depression, Pantheon Books: New York, NY 1970; Studs Terkel (Hg.): „The Good War“: An Oral History of World War II, Pantheon Books: New York, NY 1984.
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Oral History nicht als etwas Neues, sondern als eine Wiederentdeckung der Oralität, von der sich die Historikerinnen und Historiker zu lange abgewandt hatten.15 Die Vertreter des Konzepts einer „oral history renaissance“ sahen die Wiederentdeckung mündlicher Erzählquellen für die Geschichtswissenschaft als eine Gegenbewegung zu ihrer Archiv- und Dokumentenzentriertheit.16 Das Praxishandbuch von Ramon Harris verweist in dieser Hinsicht auf „Leopold von Ranke and his German document hunters“, die die Tradition der geschichtswissenschaftlichen Oral History mit der Zeit entwertet und zerstört hätten.17 Viele solcher Ansätze wurden jedoch zum Opfer der anachronistischen Idee, dass solche Entwicklungen als Wiederentdeckung antiker Traditionen verstanden werden müssten, die nur durch die Veränderungen der Moderne in Vergessenheit geraten seien. In Deutschland waren es anfangs Einzelprojekte, die die Bedeutung der Oral History für die Geschichtswissenschaft schrittweise steigerten. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist das dreibändige LUSIR-Projekt des Historikers Lutz Niethammer, das nicht nur auf die Volkskunde einen großen Einfluss ausgeübt hat.18 Für den deutschen Volkskundler und Erzählforscher Albrecht Lehmann war „Niethammer der Erste, der die Methoden mündlicher Geschichtsschreibung gezielt anwendet, um sie für die sozial- und erfahrungsgeschichtliche Erschließung eines Ergebniskomplexes nutzbar zu machen, der für die Generation der um 1920 Geborenen in den meisten Fällen lebensentscheidende Bedeutung gehabt hat.“19 Für die historische Erforschung des Zweiten Weltkriegs mittels narrativer Interviews stellte Niethammers Forschung einen wichtigen Ausgangspunkt dar, an den ähnliche Projekte anknüpfen konnten. Es darf dabei aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Oral History in diesen und andere Fällen mehr als eine Methode der Datengewinnung sein sollte. Sie wurde häufig als Methode verstanden, besonders umstrittene Themengebiete aus einem Blickwinkel betrachten zu können, dem ‚demokratischere‘ Eigenschaften zugesprochen wurden.20 Niethammer 15 Paul Thompson: The Voice of the Past: Oral History, 2. Auflage, Oxford University Press: Oxford 1989, S. 22f. Die Erstausgabe erschien im Jahr 1978. 16 Als weiteres Beispiel hierfür vgl. David P. Henige: Oral Historiography, Longman: London 1982, S. 9. 17 Ramon Harris (Hg.): The Practice of Oral History: A Handbook, Microfilming Corp. of America: Glen Rock, NJ 1975, S. 2. 18 Lutz Niethammer (Hg.): Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 19301960, Dietz: Berlin 1983. 19 Hans Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre: Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Niemeyer: Tübingen 1992, S. 121. 20 Vgl. für einen Überblick: Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme: Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, 2. Auflage, Beck: München 2010, S. 190f.
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formulierte in seinem Vorwort diese Hoffnung so: „Eine demokratische Zukunft bedarf einer Vergangenheit, in der nicht nur die Oberen hörbar sind.“21 Ob eine solche (wenn auch nur konzeptuelle) Politisierung unterschiedlicher geschichtswissenschaftlicher Methoden für die Disziplin wirklich notwendig und hilfreich sein kann, sollte jedoch deutlich in Zweifel gezogen werden. Dennoch hatte und hat die Erschließung von sozialen Zusammenhängen, spezifischen Milieus und persönlichen Erfahrungsbereichen aus einem neuen Blickwinkel viel Potenzial für die Geschichtswissenschaft. Das Abrücken von den überhöhten Hoffnungen ihrer Anfänge hat die Oral History gestärkt und fest in den Methodenschatz der Geschichtswissenschaft integriert. Die Volkskunde beschäftigte sich von Anfang an mit mündlichen Erzähltraditionen. Die Auseinandersetzung mit der Volksdichtung im 18. Jahrhundert stellte in dieser Hinsicht einen Höhepunkt dar, der die weitere Entwicklung des Faches stark beeinflusste.22 Die Dichtungs- und Märchenforschung und die Umwälzungen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ihr haben den Blickwinkel der Volkskunde auf das Erzählen entscheidend geprägt. Nach der Zeit des Nationalsozialismus, aus der die Volkskunde große ethisch-moralische Belastungen mit ins Nachkriegsdeutschland brachte, war es unerlässlich, sich mit der eigenen Vergangenheit kritisch zu beschäftigen. Neben der Aufarbeitung der eigenen Rolle während der nationalsozialistischen Herrschaft musste die Beziehung des Faches zu erzählerischen Inhalten neu überdacht werden. Die Idee von der Kulturwissenschaft als Ordnungswissenschaft verlieh der frühen Erzählforschung in der Volkskunde einen stark katalogisierend-archivalischen Einschlag.23 Die Frage nach der Herkunft der ‚Volkskultur‘ verband sich mit dem Selbstverständnis, die ‚verschwindenden‘ Produkte aus einer einfacher und ursprünglicher scheinenden Welt retten zu müssen. Als ‚Altlast‘ der Industrialisierung waren die Artefakte, Erzählungen und Kunstprodukte der bedroht scheinenden Gesellschaftsbereiche wie Handwerk oder Landwirtschaft von ganz besonderer Bedeutung. Alltagskultur und volkskundliche Erzählforschung wurden 21
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Lutz Niethammer: Einleitung, in: Lutz Niethammer (Hg.): Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der Oral History, Suhrkamp: Frankfurt am Main 1984, S. 7-26, hier S. 7. Rolf-Wilhelm Brednich: Methoden der Erzählforschung, in: Albrecht Lehmann, Silke Göttsch (Hg.): Methoden der Volkskunde: Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der europäischen Ethnologie, Reimer: Berlin 2001, S. 57-79, hier S. 57. Eine frühe Zusammenfassung der Entwicklung bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg findet sich bei Hermann Bausinger: Strukturen des alltäglichen Erzählens, in: Fabula Nr. 2, 1 (1958), S. 239-254. Vgl. Gottfried Korff: „Über Denkmäler, Weiber und Laternen“. Zur Ordnungsliebe einer Wissenschaft, in: Silke Göttsch, Christel Köhle-Hezinger (Hg.): Komplexe Welt: Kulturelle Ordnungssysteme als Orientierung, Waxmann Verlag: Münster 2002, S. 114, hier S. 1f.
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als Aufgabe interpretiert, das ‚offensichtlich‘ Besondere zu erhalten und es auf der Suche nach der ‚Volksseele‘ als Werkzeug zu gebrauchen. Die kritische Selbstbetrachtung nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu veränderten Vorstellungen von Kultur und Alltag und zu einer neuen, wachen Betrachtung von Kontextfaktoren. Kulturelle Grundannahmen, Erzählkontexte und die Rolle des Zuhörers wurden ebenso betont wie der damit in Verbindung stehende Konstruktcharakter von Nacherzählungen. Die Auseinandersetzung mit dem überhöhten Vertrauen in die inhärente Natürlichkeit der Erzählquellen sowie die Ausblendung der Forscherin und des Forschers als Einflussfaktor schlug sich ganz besonders in der Beziehung des Fachs zu den beiden ‚Protovolkskundlern‘ Jakob und Wilhelm Grimm und dem lange vorherrschenden „Märchendogmatismus“ nieder.24 Nicht nur der Sammeltrieb der beiden Brüder wies Parallelen zur frühen Volkskunde auf. Die Vorstellung, einen intrinsisch wertvollen Aspekt der Volkskultur bewahren zu können, hatte das Fach ebenso geprägt wie die Grimms. An erster Stelle der Kritik musste jedoch die willkürliche Auswahl der Erzählerinnen und Erzähler gelten, die der Märchensammlung der Brüder jeden Anspruch auf Repräsentativität für einen größeren Kontext des ‚Volkserzählens‘ versagen musste. Die neuen Herangehensweisen der Volkskunde forderten eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff der Forscherinnen und Forscher und dessen Einfluss auf die Erzähl- und Analysesituation. Nacherzählte Ereignisse wurden als Konstrukte begriffen, an denen Erzählerinnen und Erzähler zusammen mit den Zuhörerinnen und Zuhörern gemeinsam arbeiteten. Diese Einflüsse ließen sich minimieren und reflektieren, aber nicht völlig ausschließen. Wenn der Ethnologe und Volkskundler Werner Fuchs-Heinritz schreibt: „Lebensgeschichten entstammen dem Heute, sind immer eine Rekonstruktion der Vergangenheit“, dann bedeutet dies, dass die Volkskunde den Quellenwert solcher Aufzeichnungen für die Analyse vergangener Erlebnisse realistisch-kritisch sieht.25 Erzählforschung ist in dieser Interpretation erheblich fruchtbarer für das Verständnis des Was und Wie des Erzählens als für die Ereignisse oder die Erfahrungen, auf die sich die Erzählerin oder der Erzähler bezieht. Im Zentrum der volkskundlichen Erzählforschung steht die Auseinandersetzung mit Alltagserzählungen, die „als Kontrast- und Komplementärbegriff“ zu
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Vgl. Albrecht Lehmann: Reden über Erfahrung: Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Reimer: Berlin 2007, S. 14f. Werner Fuchs-Heinritz: Biographische Forschung. Eine Einführung in Praxis und Methoden, 3. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2005, S. 162.
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den „umfassend klassifizierten und typisierten Texten der traditionellen Erzählforschung“ gelten können.26 Die Kerndefinition des Alltagserzählens ist deshalb relativ pragmatisch, wie von Gabriele Rosenthal darlegt. Sie definiert diese als Handeln „in Bezug auf die Alltagswirklichkeit und nicht auf die Sinnprovinz der Wissenschaft oder der Publizistik.“27 Alltag heißt nicht, dass das Außergewöhnliche keinen Platz hat und die Routine im Zentrum steht. Die Beschäftigung mit der Alltagserzählung beinhaltet immer die Forderung, keine Bereiche oder Methoden des menschlichen Lebens auszuklammern. Hermann Bausinger, der in seinem frühen Artikel zur Alltagserzählung die Idee eines solchen Konzepts noch ausführlich verteidigen musste, definierte dies so: „Vor allem aber scheint es geboten, dass die Erzählforscher dieses Alltägliche nicht gering schätzen, sondern genau wie die traditionellen Erzählungen zu sammeln, zu ordnen und zu verstehen suchen.“28 Der Umgang der Volkskunde mit dem Erzählen ist also geprägt durch die Reaktion des Fachs auf seine Vergangenheit, in der willkürlich unterschiedliche Bereiche der menschlichen Existenz in Wichtiges und Unwichtiges aufgeteilt wurden. Trotzdem wurde und wird immer behauptet, Volkskunde und Geschichtswissenschaft hätten in der Erzählforschung radikal unterschiedliche Schwerpunkte. In der Geschichtswissenschaft gehe es „anders als in der volkskundlichen Erzählforschung, stets auch um den historischen Quellenwert von Zeitzeugenerinnerungen, um deren Wahrheitsgehalt“.29 Diese Zweiteilung, wie sie Albrecht Lehmann hier postuliert, ist aber nicht erst seit den Beiträgen von Clifford Geertz so nicht mehr haltbar.30 Tatsächlich begannen beide Disziplinen früh damit, voneinander zu lernen und sich zu ergänzen. Die volkskundliche Erzählforschung fordert die stetige Reflexion der Erzählkontexte ein, zu denen neben der Inter-
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Hans Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre: Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Niemeyer: Tübingen 1992, S. 132. Schröder basiert diesen Definitionsansatz auf zwei Aufsätze: Albrecht Lehmann: Autobiographische Methoden, in: Ethnologia Europaea Nr. 1, 11 (1979), S. 36-54, hier S. 38; Hermann Bausinger: Alltägliches Erzählen, in: Enzyklopädie des Märchens Band 1, New York, NY 1977, S. 323-330. 27 Gabriele Rosenthal: Geschichte in der Lebensgeschichte, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen Nr. 2 (1988), S. 3-15, hier S. 4. 28 Hermann Bausinger: Strukturen des alltäglichen Erzählens, in: Fabula Nr. 2, 1 (1958), S. 239-254, hier S. 253. 29 Albrecht Lehmann: Reden über Erfahrung: Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Reimer: Berlin 2007, S. 36. 30 Zu Geertz und seiner Bedeutung vgl. Rebecca Sharpless: The History of Oral History, in: Thomas Lee Charlton, Lois E. Myers, u.a. (Hg.): Handbook of Oral History, Altamira Press: Lanham, MD 2008, S. 19-42, hier S. 32.
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viewsituation die Lebens- und Erfahrungskontexte der Erzählenden gehören. Dafür sind die Erfahrungen und Forschungsergebnisse aus der Geschichtswissenschaft eine unerlässliche Komponente. Die Geschichtswissenschaft ist der Suche nach historischen Zusammenhängen verpflichtet, muss aber heute die Bedeutung von Oral History-Erzählungen reflektieren, um diese als Ergänzung zu anderen Quellen einsetzen zu können. Wenn man sie im großen Feld der modernen, narratologischen Ansätze verortet, stehen sich Volkskunde und Geschichtswissenschaft außerordentlich nahe.31 Die Überschneidungen müssen dort relativiert werden, wo radikale Aussagen zur Natur der narrativen Erfahrungsdarstellung gemacht werden. In Volkskunde und Geschichtswissenschaft ist das wichtigste Beispiel die Rolle der Forscherinnen und Forscher: „Und zu einer solchen narrativen Theorie der Kultur hat die volkskundliche Erzählforschung ohne Zweifel Wesentliches beizutragen. Dazu gehört freilich auch die Erkenntnis, dass alle Wissenschaft, wie bereits gesagt, unausweichlich selbst narrativ strukturiert ist, dass also wir als Wissenschaftler auch nur und nichts anderes als Geschichten erzählen.“32
Ingo Schneider formuliert in dieser Passage einen radikal-konstruktivistischen Ansatz, der dem Forscher die Möglichkeit zum Widerstand gegen die in der Forschung inhärenten Performanz-Aspekte völlig abspricht. Die Idee der Performanz oder „Bühnenhaftigkeit“, wie sie unter anderem der Linguist und Anthropologe Dell Hymes und der Soziologe Erving Goffman entwickelt haben, sieht in den Forschenden nur eine Gruppe von Akteuren unter vielen, deren Handlungen die Abläufe und Ergebnisse der Forschungsergebnisse stark prägen.33 Diese Idee steht mit der Forderung der Volkskunde in Verbindung, dass die Erfahrung und Position der Forscherin und des Forschers nicht nur reflektiert, sondern wenn nötig angesprochen werden kann und sollte. Als Konstrukteur der Forschung sollen Volkskundlerinnen und Volkskundler die Möglichkeit nutzen, ihre Positi-
31 Vgl. für eine Einteilung moderner narratologischer Ansätze Vera Nünning, Ansgar Nünning: Von der strukturalistischen Narratologie zur „postklassischen Erzähltheorie“: Ein Überblick über Ansätze und Entwicklungstendenzen, in: Ansgar Nünning, Vera Nünning (Hg.): Neue Ansätze in der Erzähltheorie, WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier: Trier 2002, S. 1-33, hier S. 9f. 32 Ingo Schneider: Über das multidisziplinäre Interesse am Erzählen, in: Rolf Wilhelm Brednich (Hg.): Erzählkultur: Beiträge zur kulturwissenschaftlichen Erzählforschung. Hans-Jörg Uther zum 65. Geburtstag, Walter de Gruyter: Berlin 2009, S. 7-13, hier S. 12. 33 Vgl. für einen Überblick über wichtige Vertreter und Konzepte Brigitta Schmidt-Lauber: Grenzen der Narratologie. Alltagskultur(forschung) jenseits des Erzählens, in: Thomas Hengartner (Hg.): Leben – Erzählen. Festschrift für Albrecht Lehmann, Reimer: Berlin 2005, S. 145-162, hier S. 145.
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onen im Forschungsprozess zu reflektieren und darzustellen. Die Geschichtswissenschaft dagegen spricht sich dafür aus, dieser Tendenz entgegenzutreten. Der Konstruktcharakter lässt sich weder abstreiten noch völlig kompensieren, dennoch müssen Forscherinnen und Forscher den Versuch machen, durch ein Maximum an Neutralität und Objektivität diese Einflüsse zu minimieren. Das Ausblenden des Ichs im Schreibprozess ist kein Ignorieren performativer Prozesse, sondern bietet in diesem Fall die Möglichkeit, dem Konstruktcharakter des Forschungsprozesses die eigene Objektivität entgegenzustellen. Beides sind jedoch Positionen, die sich letztlich an der wissenschaftlichen Praxis messen lassen müssen. Für die Auseinandersetzung mit dem Quellenkorpus hat sich der geschichtswissenschaftliche Ansatz deshalb als Leitkonzept bewährt, da die persönliche Identifikation mit den Quellenautorinnen und Quellenautoren die Gefahr des Objektivitätsverlusts in sich birgt. Die Beiträge dieser Forschungsrichtungen erweisen sich, fasst man sie zusammen, nicht nur als kompatibel, sondern komplementär. Auf der einen Seite ist die Schaffung neuer Quellen zur Ergänzung, Abgleichung und Korrektur bestehender Informationen von großer Wichtigkeit für den Umgang mit der historischen ‚Wirklichkeit‘. Vor allem die Geschichtswissenschaft kann auf diese Weise Bereiche abdecken, in denen Quellen nicht erhalten oder nicht zugänglich sind. Ihre Ansätze zielen darauf ab, in den historischen Prozessen Bereiche zu finden, in denen die Erschließung persönlicher Erzählquellen möglich und fruchtbar für ihre Fragestellungen ist. Auf der Seite der Volkskunde ist das Interesse an der Alltagserzählung und ihren Spezifika eine wichtige Ergänzung zu den Konzepten der Geschichtswissenschaft. Erzählprozesse und Erinnerungskulturen sind sozial konstruierte Phänomene, die sich auf den Entstehungsprozess dieser persönlichen Erzählquellen auswirken. Die Volkskunde lenkt dabei das Augenmerk nicht nur besonders stark auf die performativen Aspekte der Entstehung dieser Quellen, sondern auf das Verhältnis zwischen Interviewendem und Interviewtem. Sind die Erzählquellen nicht im direkten Interview entstanden, müssen dennoch die Entstehungskontexte erschlossen, dargestellt und in ihren Auswirkungen reflektiert werden. ‚Neue‘ Quellen zu erschließen bedeutet immer, sich neuen Herausforderungen in der Kritik und Auswertung dieser Informationsressourcen stellen zu müssen. Wenn beide Disziplinen dazu beitragen können und sollen, stellt sich umgehend die Frage nach den Vorerfahrungen beider Forschungsrichtungen im Umgang mit der Kriegserfahrung.
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Erzählen vom Krieg in Oral History und Volkskunde Die Durchführung und Edition von Oral History-Projekten, die sich mit der menschlichen Kriegserfahrung beschäftigen, hat viele Einzelprojekte hervorgebracht. Wie in jeder Gewinnung von Quellen durch Interviews ist schon in der Produktion solcher Inhalte eine Aus- und Abgrenzung enthalten. Die Auswirkungen von Entscheidungen wie der Auswahl der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner, der Forscherin oder des Forschers und der verwendeten Methoden werden durch den anschließenden Editionsprozess noch einmal verstärkt. Anders als bei Erzählquellen, die während des Kriegs von den Kriegsbeteiligten angefertigt wurden, bindet die ‚Produktion‘ von Oral History-Quellen den Einzelnen in einen Prozess ein, der stark von vorkonstruierten Rahmenbedingungen bestimmt wird. Auf der Makroebene betrachtet sind die meisten Oral HistoryUntersuchungen entweder punktuell angelegt, oder sie versuchen, eine möglichst breite Auswahl an Interviewpartnern zu treffen. Zusätzlich trifft das Sprechen in solchen Befragungen anders als die Äußerungen während des Kriegs auf gefestigte Meinungen über den Konflikt. Ganz im Sinne des Konzepts, möglichst jeder Gruppe eine Stimme geben zu können, orientieren sich Oral History-Untersuchungen an Auswahlkriterien wie Geschlecht oder Ethnie.34 Gerade in den USA sind regionale und bundesstaatliche Quellensammlungen häufig zu finden.35 Am häufigsten ist jedoch immer der Versuch, durch Oral History-Quellen eine Zentralerfahrung der Soldaten definieren oder zumindest anschaulich machen zu können.36 Wie in allen hier genannten Beispielen ist in der angloameri-
34 Vgl. z.B. Keith Walker (Hg.): A Piece of My Heart: The Stories of 26 American Women Who Served in Vietnam, Presidio Press: Novato, CA 1997; Maggie Rivas-Rodriguez und Emilio Zamora (Hg.): Beyond the Latino World War II Hero: The Social and Political Legacy of a Generation, University of Texas Press: Austin, TX 2009; J. Todd Moye: Freedom Flyers. The Tuskegee Airmen of World War II, Oxford University Press: New York, NY 2012; Hilary Kaiser (Hg.): French War Brides in America: An Oral History, Praeger Publishers: Westport, CT 2008; Sherna Berger Gluck: Rosie the Riveter Revisited: Women, the War, and Social Change, Twayne Publishers: Boston, MA 1987; Miki Ward Crawford, Katie Kaori Hayashi, u.a. (Hg.): Japanese War Brides in America. An Oral History, Praeger: Santa Barbara, CA 2010. 35 Vgl. z.B. Brian Lockman und Dan Cupper (Hg.): World War II Reflections. An Oral History of Pennsylvania’s Veterans, Stackpole Books: Mechanicsburg, PA 2009; Stacy Enyeart (Hg.): America’s Home Front Heroes. An Oral History of World War II, Praeger: Santa Barbara, CA 2009. 36 Vgl. z.B. Russell Miller (Hg.): Behind the Lines: The Oral History of Special Operations in World War II, Secker & Warburg: London 2002; Benjamin John Grob-Fitzgibbon (Hg.): The Irish Experience during the Second World War: An Oral History, Irish Academic Press: Dublin 2004; Lewis H. Carlson (Hg.): We Were Each Other’s Prisoners: An Oral History of World War II American and German Prisoners of War, Basic Books:
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kanischen Welt der Zweite Weltkrieg immer noch der Konflikt, zu dem die meisten Oral History-Quellen erstellt und erfasst werden. In vielen Sammlungen zeigt sich jedoch, wie stark sich der Blick auf den ‚guten Krieg‘ bereits verfestigt hat. Ereignisse wie die Schlacht um die Insel Iwo Jima zwischen den amerikanischen und japanischen Streitkräften sind in ihrer Bewertung im amerikanischen Selbstverständnis bereits festgeschrieben. Quellensammlungen von Augenzeugen und Kriegsbeteiligten geraten meist gar nicht in ‚Gefahr‘, bei solchen Ereignissen etwas anderes zu beleuchten als die Aktionen des „American Hero“.37 Viele Begriffe und Zuschreibungen auf den Internetseiten des Quellenkorpus lassen sich in Oral History-Quellen des Zweiten Weltkriegs ebenfalls wiederfinden. Der Kampf auf der Insel hinterließ Amerika eine „Legacy of Valor“, gegen die anzupublizieren selbst dann schwierig wäre, wenn die Aussagen der Befragten dem Mythos der Schlacht widersprechen würden.38 In solchen zentralen Ereignissen scheint der Heros mit den tausend Gesichtern immer wieder als Vergleichsbeispiel anwendbar, sobald die Handlungen der amerikanischen Streitkräfte in Idealen wie dem „American Hero“ verdichtet werden. Die Auswahl der Aussagen und ihre Interpretation müssen sich den zentralen Symbolen wie in diesem Fall dem Aufstellen der amerikanischen Flagge auf der Spitze der Insel unterordnen. Die verlust- und dennoch erfolgreichen Schlachten bilden einen Rahmen, dessen historische Bewertung feststeht und der durch die Erinnerungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen nur noch ausgestaltet werden darf. Alle Erlebnisse der Kriegsbeteiligten sind in ein Sinnkonstrukt eingebunden, das jeden erlebten Schrecken aufwerten kann. Selbst verlorene Gefechte sind wichtig, da die Erzählerinnen und Erzähler hier eigene oder fremde Handlungen durch die Darstellung von Tapferkeit oder Aufopferungsbereitschaft umdeuten können. Die Erzählforschung in der Volkskunde hat sich primär mit den deutschen Kriegsbeteiligten des Zweiten Weltkriegs beschäftigt, da das Fach sich mit den
New York, NY 1997; Chet Cunningham (Hg.): The Frogmen of World War II: An Oral History of the U.S. Navy’s Underwater Demolition Teams, Pocket Star Books: New York, NY 2005; Marilyn Mayer Culpepper (Hg.): Never Will we Forget: Oral Histories of World War II, Praeger Security International: Westport, CO 2008; George J. Billy und Christine M. Billy (Hg.): Merchant Mariners at War: An Oral History of World War II, University Press of Florida: Gainesville, FL 2008; Robert G. Thobaben (Hg.): For Comrade and Country: Oral Histories of World War II Veterans, MacFarland: Jefferson, NC 2003. 37 Vgl. z.B. Karal Ann Marling, John Wetenhall: Iwo Jima. Monuments, Memories, and the American Hero, Harvard University Press: Harvard, MA 1991; Lynn Kessler und Edmond B. Bart (Hg.): Never in Doubt: Remembering Iwo Jima, Naval Institute Press: Annapolis, MD 1999. 38 Bill D. Ross (Hg.): Iwo Jima: Legacy of Valor, Vanguard Press: New York, NY 1985.
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heutigen Lebensrealitäten dieser Menschen auseinandersetzen möchte.39 Sammlungen basierend auf spezifischen Kampfeinheiten, Kriegsschauplätzen oder Einzelereignissen finden sich kaum. Komparative Untersuchungen mit den Kriegsbeteiligten anderer Kriege sind eher selten.40 Häufig – und nah am Thema und den Absichten dieser Untersuchung – werden die Prozesse und Deutungsmuster erfasst und analysiert, mit denen die Interviewten das Erlebte in die Kontexte der eigenen Lebenskonstruktion einzupassen versuchen.41 Die Volkskunde ist deshalb so wichtig für den Umgang mit der rückblickenden Erzählung, da die Erforschung der Persönlichkeit und der heutigen Lebensrealität der Quellenautorinnen und Quellenautoren ebenso wichtig ist wie die Gewinnung neuer historischer Fakten. Das Ziel ist es, einen Blick auf unser autobiografisches Gedächtnis zu werfen, um durch die Betrachtung einer rekonstruierten Kriegserfahrung mehr darüber zu lernen, wie der Kriegsbeteiligte im Jetzt mit sich und seinen Erfahrungen umgeht.42 Vor allem die Übergänge, die „anderen Zeiten“, die zwischen den Einschnitten unterschiedlicher Lebensphasen situiert sind, lassen sich auf diese Weise aufdecken.43 Solche Schnittstellen sind für den Umgang mit persönlichen Erzählquellen sehr wichtig, da an diesen Brüchen und Übergängen oft wichtige Aussagen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen festgemacht werden. Da die Erfahrungen der Volkskunde vor allem im Bereich der Weltkriege angesiedelt sind, stellt sich die Frage, wie sehr sich einzelne Aspekte der Kriegserfahrung miteinander vergleichen lassen. Die Autoren des Buches Parallels haben einen solchen Vergleich des Sprechens von Kriegsbeteiligten aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten über ganz unterschiedliche Kriege angestrebt.44 Die Erzählquellen des Buches stammen aus therapeutischen Sitzungen, an denen 39 Vgl. Albrecht Lehmann: Militär als Forschungsproblem in der Volkskunde, in: Zeitschrift für Volkskunde Nr. 2 (1982), S. 230-245. 40 Vgl. z.B. Fritz Schütze: Kollektive Verlaufskurve oder kollektiver Wandlungsprozeß. Dimensionen des Vergleichs von Kriegserfahrungen amerikanischer und deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen Nr. 1 (1989), S. 31-109. 41 Vgl. z.B. Gabriele Rosenthal: Leben mit der soldatischen Vergangenheit in zwei Weltkriegen. Ein Mann blendet seine Kriegserlebnisse aus, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen Nr. 2 (1988), S. 27-38; Gabriele Rosenthal: Die Hitlerjugend-Generation: Biographische Thematisierung als Vergangenheitsbewältigung, Die Blaue Eule: Essen 1986. 42 Vgl. z.B. Robin Lohmann, Gereon Heuft: Autobiographisches Gedächtnis und aktuelle Lebensperspektive im Alter. Eine empirische Studie biographisch rekonstruierter Kriegserfahrungen, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen Nr. 1, 9 (1996), S. 59-73. 43 Lutz Niethammer, Alexander von Plato: „Wir kriegen jetzt andere Zeiten“, Dietz: Berlin 1985. 44 Vgl. John T. Hansen, Susan A. Owen, u.a.: Parallels. The Soldiers’ Knowledge and the Oral History of Contemporary Warfare, Aldine Transaction: New York, NY 1992.
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amerikanische Veteranen des Vietnamkriegs und russische Veteranen des Sowjetisch-Afghanischen Kriegs teilgenommen haben. Viele Übereinstimmungen, die von den Autorinnen und Autoren des Buches gesammelt wurden, fallen unter die klassischen Aussagen zum Kriegsalltag. Dazu zählen die Klagen über schlechtes Essen und über unfähige Vorgesetzte, die Darstellung der starken kameradschaftlichen Bande in der Kriegslandschaft sowie die Verwirrung der untersuchten Männer über ihre eigene Stellung innerhalb des Gesamtkriegs und in der Nachkriegszeit. Der Sowjetisch-Afghanische Krieg war in der Heimat ebenso umstritten wie der Vietnamkrieg und wurde nach Abzug der Truppen wegen des unbefriedigenden Kriegsendes wie dieser nur selten in der Öffentlichkeit thematisiert. Manche Aussagen aus diesen sogenannten „rap groups“ (professionell betreuten Gesprächsgruppen) ähneln denen der Weltkriegssoldaten, die zur Vorbereitung der Inhaltsanalyse zum Vergleich herangezogen werden.45 Während diese Übereinstimmungen dazu verleiten könnten, eine ‚Meistererzählung‘ des Kriegsberichts in der persönlichen Gesprächssituation für möglich zu halten, wird sich in den späteren Abschnitten zeigen, dass die Internetseiten des Quellenkorpus in einigen Punkten stark davon abweichen. Die Kurzbetrachtung volkskundlicher und geschichtswissenschaftlicher Ansätze für die Auseinandersetzung mit der Kriegserzählung hat Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar werden lassen, die sich unter anderem auf die geschichtliche Entwicklung der Fächer zurückführen lassen. Die Frage nach der Vergleichbarkeit und Verallgemeinerbarkeit der Kriegserfahrung und vor allem ihrer nachträglichen erzählerischen Darstellung hat sich dabei immer wieder gestellt. Beiden Wissenschaftsbereichen wird hier die Kompetenz zugestanden, von der qualitativen Einzelquelle aus zu argumentieren und diese Frage nur dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn die Quellen- und Erkenntnisbasis dies machbar oder notwendig erscheinen lässt. Ein gemeinsames Merkmal scheint die große Bedeutung von Brüchen und Übergängen zu sein. Diese lassen sich jedoch nicht immer dort finden, wo die historischen Kontexte dies nahelegen würden.
Die (Un-)Möglichkeiten der Kriegserzählung Der Krieg überflutet, wie alle Ausnahmesituationen, die Sinne der Kriegsbeteiligten mit unzähligen Eindrücken. Bei der nachträglichen Rekonstruktion solcher Erlebnisse treten immer wieder Erzählschwierigkeiten auf, die im Falle der Kriegserfahrung besonders stark zu sein scheinen. Dies hat oft fatale Auswirkun-
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Vgl. „Inhaltskategorien: eine Einleitung“ im vierten Teil.
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gen auf die Quellensituation. Während im Vorfeld von Kriegen oft viele persönliche Erinnerungsquellen produziert werden, die einen historischen Zugang zu den persönlichen Ansichten der Menschen auf den sich abzeichnenden Ausnahmezustand ermöglichen, ist dies während des Kriegs nicht der Fall.46 Der Volkskundler Konrad Köstlin hat sich persönlich mit Veteranen des Zweiten Weltkriegs getroffen und für ihre Probleme eine Aussage von Walter Benjamin herangezogen: „Hatte man nicht bei Kriegsende bemerkt, dass die Leute verstummt aus dem Felde kamen? Nicht reicher – ärmer an mittelbarer Erfahrung?“47 Köstlin interviewte Veteranen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, während Benjamin seine Erfahrungen während und nach Ende des Ersten Weltkriegs in seinen Werken verarbeitete. Nicht alle Themen beinhalten diese Schwierigkeit im gleichen Maße. Köstlin identifiziert vor allem das Sprechen über die „mittelbare Erfahrung“, also all jene Inhalte, die sich nur schwer oder gar nicht jenseits des Kriegsgebiets kontextualisieren lassen.48 Erzählen vom Krieg ist die ständige Suche nach einem gemeinsamen Kontext, der mit dem des Zuhörers zumindest teilweise übereinstimmt und das Erzählen so vereinfacht oder vielleicht erst ermöglicht: „Es geht also bei diesen Erzählungen auch darum, das eigene Verhalten verständlich zu machen, die eigene Person zu resozialisieren, die fremde Welt des Kriegs und des ‚Männerhauses‘ erzählbar zu machen.“49 Das ‚Männerhaus‘ der Kriegsbeteiligten hat sich in den letzten Jahren bis ins Internet erweitert. Weibliche Kriegsbeteiligte werden entweder ignoriert oder nur in bestimmten Rollen als gleichwertige Erzählerinnen anerkannt. Der Autor und deutsche ExSoldat Andreas Timmermann-Levanas formuliert seine Erfahrung mit der Erzählschwierigkeit so: „Und trotzdem spricht er [der Betroffene]. Manchmal. Für Zuhörer, für Gesprächspartner ist das nicht einfach. Vor allem, wenn man als Ehefrau, Eltern oder Freund den Menschen aus der Zeit vor seiner Seelenverletzung kennt. Irritation, Befremden, Entfremdung, auch
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Vgl. für solche Quellen z.B. Angela Schwarz: Die Reise ins Dritte Reich: britische Augenzeugen im nationalsozialistischen Deutschland (1933-1939) (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 31), Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1993. Zitiert aus: Walter Benjamin: Der Erzähler, in: Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhauser (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften: Aufsätze, Essays, Vorträge, Bd. II-2 von VII, Suhrkamp: Frankfurt am Main 1977, S. 438-465, hier S. 439f. Konrad Köstlin: Erzählen vom Krieg – Krieg als Reise II, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen Nr. 2 (1989), S. 173182, hier S. 174. Ebd., S. 181.
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Totalverweigerung gegenüber seiner tiefgreifenden Wesensveränderung verursachen Verwerfungen in Familien, bei Freunden.“50
Ebenso wie für die Beteiligten anderer Kriege sind bei den Soldatinnen und Soldaten aus dem heutigen Deutschland, mit denen Timmermann-Levanas arbeitet, die Erzählschwierigkeiten und die damit verbundenen Belastungen immer präsent. Sie hindern die Kriegsbeteiligten daran, sich jenseits ihrer eigenen ‚Erfahrungsgruppen‘ auszutauschen. Die Erzählschwierigkeiten haben unterschiedliche Ursachen. In manchen Kriegen ist es die umstrittene moralische Einschätzung entweder einer Kriegspartei oder des ganzen Konflikts, die bei jeder Erzählung im Raum steht. Die Erzählerinnen und Erzähler werden immer mit der Erwartung konfrontiert, dass ihre Darstellungen mit dieser ‚offiziellen‘ Einschätzung übereinstimmen oder sie zumindest anerkennen. Viele Kriege sind durch ihre intensive mediale Darstellung mit bestimmten Eigenschaften versehen worden, die die Einstellung der möglichen Zuhörer zum Erzählten vorgeprägt haben. Für die Kriegsheimkehrerinnen und Kriegsheimkehrer des Vietnamkonflikts schien die moralische Kritik am Krieg häufig mit einer Kritik an ihrer Verwicklung darin verbunden zu sein. Jede Erzählung aus Vietnam könnte die Frage nach sich ziehen, welche Verbrechen der Kriegsbeteiligte selbst begangen oder verursacht hatte. Die Gruppe, in der solche Erzählschwierigkeiten unbedeutend oder völlig überwunden sind, ist meist relativ klein. Köstlins Weltkriegssoldaten äußerten sich außerordentlich frustriert darüber, schon mit der ‚Flakhelfergeneration‘ keine gemeinsame Erzählgrundlage zu besitzen. Die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg begründete zwar eine gewisse Übereinstimmung, war für einen befriedigenden Austausch jedoch nicht genug. Der gesicherte Kontext des Erzählens ist also sehr begrenzt und sorgt dafür, dass neue Werkzeuge, Möglichkeiten und Herangehensweisen, mit denen er erweitert werden kann, eine große Rolle spielen können. Ob das Internet ein solches Werkzeug ist oder sein kann, wird sich als Frage immer wieder stellen. Dies erklärt allein jedoch noch nicht, wieso manche Kriegsbeteiligte wie die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus ein dauerhaft starkes Bedürfnis verspüren, sich immer wieder mit den Erzählschwierigkeiten auseinanderzusetzen. Für die Veteraninnen und Veteranen des Vietnamkriegs lassen sich drei zentrale Gründe finden, die für ihre Erzählschwierigkeiten verantwortlich sind. Der erste Grund ist der fehlende gemeinsame Kontext zwischen den Erzählerinnen und Erzählern und ihrem potenziellen Publikum. Selbst am „Veteranʼs Day“ (dem 50 Andreas Timmermann-Levanas, Andrea Richter: Die reden – wir sterben: Wie unsere Soldaten zu Opfern der deutschen Politik werden, Bundeszentrale für Politische Bildung: Bonn 2010, S. 94f.
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11. November) sind sie nur eine Gruppe unter vielen. Die Mitgliedschaft in Veteranenorganisationen und die Teilnahme an „reunions“ (Veteranentreffen) ermöglichen die Kommunikation mit Gleichgesinnten, sind aber ebenfalls nach ‚innen‘ gewandt und nicht dazu geeignet, ein breiteres Publikum zu erreichen. Das zweite Problem besteht in den zahlreichen, außerordentlich heterogenen medialen Darstellungen, die über den Vietnamkrieg produziert wurden und immer noch werden. Dass die echten Kriegsbeteiligten authentische Erfahrungen besitzen, bedeutet noch nicht, dass ihnen die Mittel zur Verfügung stehen, um sich Gehör zu verschaffen. Das dritte Problem ist mit diesem Punkt verknüpft, da die Bewertung des Vietnamkriegs in medialer Form häufig sehr negativ ausgefallen ist. Der einfachste Weg um mit solchen Problemen umzugehen ist, Außenstehenden einfach nichts zu erzählen. Die Krankenschwester Joan Furey war während des Vietnamkriegs im Kriegsgebiet tätig. Ihrer Erfahrung nach wiederholen viele Veteranen des Zweiten Weltkriegs über jene des Vietnamkriegs den Topos: „they talk too much“.51 So wie die Flakhelfergeneration in Deutschland von den Weltkriegssoldaten nicht als ‚echter‘ Gesprächspartner akzeptiert wurde, scheinen die ‚Erlebenswelten‘ von Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen mit denen von ehemaligen Weltkriegssoldaten kaum kompatibel zu sein. Der Volkskundler Köstlin erreichte seine Interviewpartner dadurch, dass er sich Wissen über ihre Stationierungsorte in Frankreich angeeignet hatte. Die Gespräche konnten die erzählerischen Bedürfnisse der Soldaten aber nicht erfüllen, da sie über ein anderes Frankreich (ein ‚Kriegsfrankreich‘ der Vergangenheit) sprachen, zu dem weder die Flakhelfergeneration noch der forschende Volkskundler einen Zugang besaßen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Erzählschwierigkeiten, die aus der fehlenden Übereinstimmung der Erzählkontexte des Publikums mit denen der Erzählerinnen und Erzähler entstehen, sich in Kriegserzählungen verschärfen können. Spezifische Aspekte eines Einzelkonflikts können diese Erzählschwierigkeiten noch weiter verfestigen. Dazu zählen die gesellschaftliche Ablehnung des Kriegs und seiner Beteiligten, Besonderheiten in der Kriegsführung sowie fehlende soziale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung ins Zivilleben. All diese Erzählhandlungen sind daran beteiligt, Inhalte dauerhaft zu verfestigen.
51 Lynda van Devanter und Joan A. Furey (Hg.): Visions of War, Dreams of Peace. Writings of Women in the Vietnam War, Warner Books: New York, NY 1991, S. 7.
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Erinnern und Gedächtnis als interdisziplinäre Konzepte Das Zusammenspiel von Erzählen als Handlung und Erinnern als Prozess besitzt in jeder möglichen Konfiguration der Beziehung von Mensch und Quelle eigene Spezifika. Die Kriegserfahrung lässt sich von den Gruppenkonstellationen im Kriegsgebiet nicht trennen. Ihre narrative Reproduktion findet dann in den sozialen Kontexten der Friedenslandschaft statt, die mit ihren Eigenschaften die Verfestigung des Erzählten im Gedächtnis oder in unterschiedlichen Teilgedächtnissen bestimmt. Das Verhältnis zwischen Erinnern und Gedächtnis ist in der Forschung in unterschiedlichen Gedächtniskonzepten und Gedächtnistheorien festgeschrieben worden, weshalb ein interdisziplinärer Zugang zu diesem Thema viele Vorteile bietet. Die Fülle der wissenschaftlichen Literatur zu den Themen Erinnerung und Gedächtnis auf ein spezifisches Forschungsfeld einzugrenzen, ist immer eine Herausforderung. Entscheidend für diese Komplexitäten sind die Zusammenhänge „von außerwissenschaftlicher Erinnerungsarbeit und wissenschaftlicher Erinnerungsforschung; das Nebeneinander von transdisziplinärer und interdisziplinärer Erinnerungsforschung, das Verhältnis von raum- und zeitorientierten Erinnerungsmodellen, der Zusammenhang von individuellem und kollektivem Gedächtnis, sowie die Spannung zwischen einer national bzw. lokal verorteten und einer global entorteten Erinnerung“.52 Der Kulturwissenschaftler Günter Oesterle hat so die oft komplexen Anforderungen des Umgangs mit der Erinnerungs- und Gedächtnisforschung umschrieben. Entscheidend hierfür sind die jeweiligen Blickwinkel auf Individuum, Gruppe und Gesellschaft, die von Disziplin zu Disziplin unterschiedlich sein können. Kategorisierungsversuche für Gedächtniskonzepte sind meist eine Kombination aus Fächer- und Einzeltheorieeinteilungen, der Herleitung aus frühen Gedächtniskonzepten in Antike oder Mittelalter sowie der Schwerpunktsetzung zwischen kulturwissenschaftlichen und biologisch-neurologischen Erklärungsmodellen.53 Das Erinnern als lokalisiertes Gedächtnis in Form von Erinnerungsorten, Memorials und Gedenkstätten kann mit dem geistigen Erinnern verknüpft oder als Gegensatz dazu verstanden werden.54 52 Günter Oesterle: Einleitung, in: Günter Oesterle (Hg.): Erinnerung, Gedächtnis, Wissen: Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2005, S. 11-23, hier S. 12. 53 Vgl. z.B. Mary Carruthers: The Book of Memory: A Study of Memory in Medieval Culture, 2. Auflage, Cambridge University Press: Cambridge 2008, S. 19; Alan J. Parkin: Case Studies in the Neuropsychology of Memory, Psychology Press: Hove 1999. 54 Vgl. für einen Überblick über das Thema: Edward S. Casey: Remembering: A Phenomenological Study, Indiana University Press: Bloomington, IN 2000, besonders Kapitel 3 („Pursuing Memory beyond Mind“), S. 143-258.
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Gerade die Externalisierung von Erinnerung und Gedächtnis wird in vielen Disziplinen neu rezipiert, da neben physischen Artefakten eine wachsende Zahl an medialen Repräsentationen eine Rolle spielen kann. Es waren besonders zwei Wissenschaftler und ihre teils unterschiedlichen, teils komplementären Theorien und Untersuchungen, die der Erinnerungsforschung wegweisende Impulse gegeben haben. Der französische Soziologe Maurice Halbwachs hat Erinnern als Gruppenanstrengung untersucht. Seine Studie über religiöse Stätten im Heiligen Land beschäftige sich mit den Erwartungen von Besuchergruppen, deren Erinnerungskonstrukte bereits in der Heimat entwickelt worden waren.55 Viele solcher Gruppen übertrugen diese Erinnerungen auf Stätten und Orte, die keinerlei Verbindung zu den religiösen Inhalten besaßen. Für Halbwachs waren die Gruppen selbst keine Träger des Gedächtnisses, als Kontexte beeinflussten sie die Erinnerungsprozesse jedoch außerordentlich stark. Vor allem die Inhalte des Erinnerns und des Vergessens sowie deren Bewertung sah Halbwachs als kollektive Konstruktion an.56 Das Kollektiv selbst hat in dieser Interpretation zwar kein Gedächtnis, es bestimmt aber das Gedächtnis seiner Mitglieder und dieses Gedächtnis steuert das Handeln und die Rezeption der eigenen Umwelt. Selbst wenn Halbwachsʼ Thesen in vielen Bereichen verändert und verbessert wurden, ist die Behauptung, dass Erinnern immer sozial bedingt ist und in Gruppenkontexten stattfindet, in die meisten modernen Erinnerungstheorien eingeflossen.57 Wolfgang Ortlepp hat im Rückgriff auf Halbwachs darauf verwiesen, dass zwischen individuellem Erzählen und sozialem Erinnern immer ein direkter Zusammenhang besteht.58 Beide Aspekte reagieren aufeinander und das Individuum erzählt immer bezogen auf das soziale Umfeld, in dem es sich befindet. Da diese Form des sozialen Erinnerns so sehr auf den Austausch mit anderen angewiesen ist, nennt Aleida Assmann das Ergebnis dieses Erinnerns das kommunikative Gedächtnis.59 Jeder Ansatz der Erinnerungsforschung muss die Beziehung zwischen Erzählen, Erinnern und Gedächtnis definieren. Ihre Definition
55 Maurice Halbwachs: Stätten der Verkündigung im Heiligen Land (Édition discours), UVK Verlags-Gesellschaft: Konstanz 2003. 56 Aleida Assmann und Dietrich Harth (Hg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, Fischer Taschenbuch-Verlag: Frankfurt am Main 1991, S. 290. 57 Vgl. Wolfgang Ortlepp: Gedächtnis und Generation. Überlegungen zu Halbwachsʼ Gedächtnisbegriff und Mannheims Generationenbegriff, in: Winfried Marotzki, Margret Kraul (Hg.): Biographische Arbeit. Perspektiven erziehungswissenschaftlicher Biographieforschung, Leske & Budrich: Opladen 2002, S. 308-325, hier S. 311. 58 Ebd., S. 314. 59 Für eine erweiterte Darstellung dieses Konzepts vgl. Harald Welzer: Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, Beck: München 2005, S. 13f.
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betont die stetige Interaktion zwischen (ungeformten) Erinnerungen, dem (prozesshaften) Erzählen und dem so stabilisierten Gedächtnis: „Erinnerungen [sind] für sich genommen fragmentarisch, d.h. begrenzt und ungeformt. Was als Erinnerung aufblitzt, sind in der Regel ausgeschnittene, unverbundene Momente ohne vorher oder nachher. Erst durch Erzählungen erhalten sie nachträglich Form und Struktur, die sie zugleich ergänzt und stabilisiert.“ 60 Daraus lässt sich eine Arbeitsdefinition für die Zusammenhänge zwischen Erinnerungen, Erzählen und Erinnern sowie dem Gedächtnis ableiten. Erinnerungen sind die Partikel der vergangenen Erlebnisse, die ungeformt und ungeordnet im Individuum existieren. Erst durch die Handlung des Erzählens werden Erinnerungen neu geordnet und in strukturierte Einzelerzählungen eingepasst. Diese Erzählhandlungen als Ganzheit betrachtet stellen die Basis für die Prozesse des Erinnerns dar, unabhängig davon, ob diese auf individueller oder sozialer Ebene stattfindet. Das Gesamtrepositorium, in das Menschen diese Prozesse und Inhalte einpassen, bezeichnet man als Gedächtnis. Die Motivation für diese Prozesse ist die „partielle Ausleuchtung von Vergangenheit, wie sie ein Individuum oder eine Gruppe zur Konstruktion von Sinn, zur Fundierung ihrer Identität, zur Orientierung ihres Lebens, zur Motivierung ihres Handelns braucht.“61 Die Komplexität der Forschungsanstrengungen resultiert also daraus, dass die Prozesse und Ergebnisse unterschiedliche Bereiche der menschlichen Existenz bestimmen und deren Kontextfaktoren gleichzeitig auf sie zurückwirken. Auf dem Weg von der Erfahrung über die Erzählung zur Erinnerung und schließlich zum Gedächtnis wird fast jeder Aspekt der Realität durchschritten oder berührt. Deshalb ist eine ganzheitliche Sicht auf das Erinnern notwendig, um nicht in der Partikularität wichtige Aspekte zu übersehen. Hier soll der Prozess des Erinnerns nicht nur wie bei Assmann einen Teil dieser Vorgänge bezeichnen, sondern als Überbegriff für den Weg von der Erfahrung zum Gedächtnis gelten. Der Begriff des kollektiven Gedächtnisses lässt sich nur vorsichtig verwenden, da er schon zu Halbwachs’ Lebenszeit äußerst umstritten war. Die Hauptkritik ist bis heute, dass im kollektiven Gedächtnis grundsätzliche Konzepte der individuellen Psychologie auf das Erinnern von Gruppen übertragen wurden.62 Erinnern in Gruppen muss auf der Basis der individuellen Einzelerinnerung betrachtet werden.
60 Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, Beck: München 2006, S. 25. 61 Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, 4. Auflage, Beck: München 2009, S. 408. 62 Zur frühen Kritik an Halbwachs z.B. durch Marc Bloch vgl. Astrid Erll: Cultural Memory Studies: An Introduction, in: Astrid Erll, Ansgar Nünning, u.a. (Hg.): Cultural Memory Studies: An International and Interdisciplinary Handbook, Walter de Gruyter: Berlin 2009, S. 1-18, hier S. 1f.
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Für die Internetseiten der Kriegsbeteiligten ist dies besonders wichtig, da Gruppenbildung hier leicht angenommen werden kann, aber schwierig nachzuweisen ist. Der zweite wichtige Impulsgeber für die moderne Erinnerungsdiskussion ist der französische Historiker Pierre Nora. Auf über 5700 Seiten versammelte er die Beschreibungen und Analysen von Gedächtnisorten durch verschiedene Autorinnen und Autoren, aus deren Gesamtheit sich die Essenz der französischen Nation ableiten lassen solle. Diese „lieux de mémoire“ sind nicht zwingend Orte oder Dinge. Die französische Nationalhymne kann ebenso ein Träger nationaler Bedeutung sein wie ein bestimmter Tag oder eine Person. Nur gemeinsam kristallisiert sich in ihnen die Natur einer Nation heraus.63 Seine Sammlung hat mehrere ähnliche Werke inspiriert, die sich mit vergangenen oder gegenwärtigen Ländern und Nationen beschäftigen.64 Für Nora ist die Verfestigung des Gedächtnisses in diesen Gedächtnisorten ein Merkmal der Moderne, deren Entwicklung er kritisch sieht. Die Erinnerungsorte sind zentral für die Kristallisation unterschiedlicher Gedächtnisse (national, kommunal, individuell etc.), sie sind aber ebenfalls ein Zeichen dafür, dass ein ursprünglicheres Erinnern im Zerfall begriffen ist: "Hausten wir noch in unserem Gedächtnis, brauchten wir ihm keine Orte zu widmen".65 Neben der Modernisierung verweist er als Ursache vor allem auf die professionalisierte Geschichtswissenschaft, der er vorwirft, dass sie mit ihren strukturierten Vorgehensweisen und ihrer archivgebundenen Arbeit ältere Formen des Gedächtnisses zunichtemacht. Für Nora ist die historische Wissenschaft zum Selbstzweck geworden und dient nicht oder nicht genug dem allgemeinen Verständnis von Geschichte.66 Noras Thesen sind für den Quellenkorpus deshalb besonders wichtig, da physische Gedenkstätten und ihre virtualisieren Abbilder für die Autorinnen und Autoren eine große Rolle spielen. Darüber hinaus hat Nora mit seinen Aussagen einen Hinweis darauf gegeben, dass die Bedeutung unterschiedlicher Formen von Gedächtnissen immer im Fluss ist. Selbst wenn es 63 Pierre Nora (Hg.): Erinnerungsorte Frankreichs, Beck: München 2005. Zu Noras Konzept von Erinnerungsorten als Teil nationaler Erinnerungsprozesse vgl. Julia Bleakney: Revisiting Vietnam. Memoirs, Memorials, Museums, Routledge: New York, NY 2006, S. 28. 64 Vgl. z.B. Martin Sabrow (Hg.): Erinnerungsorte der DDR, Beck: München 2009; Hagen Schulze (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bände, Beck: München 2001; Elke SteinHölkeskamp (Hg.): Erinnerungsorte der Antike: die römische Welt, Beck: München 2006; Elke Stein-Hölkeskamp und Karl-Joachim Hölkeskamp (Hg.): Erinnerungsorte der Antike: die griechische Welt, Beck: München 2010. 65 Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis (Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek 16), Fischer Taschenbuch-Verlag: Frankfurt am Main 1990, S. 12. 66 Etienne Francois, Hagen Schulze: Einleitung, in: Etienne Francois, Hagen Schulze (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte: eine Auswahl, Bundeszentrale für Politische Bildung: Bonn 2005, S. 7-12, hier S. 7.
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schwierig ist, seinen Verweis auf den Verlust einer ‚natürlicheren‘ Gedächtnisform nachzuvollziehen, ist der stetige Wandel von Gedächtniskonzepten, auf den er verweist, nicht von der Hand zu weisen. Aufbauend auf diesen (und anderen) Einflüssen hat Aleida Assmann den Vorschlag gemacht, mehrere Arten des Gedächtnisses zu definieren, die mit unterschiedlichen Eigenschaften und Aufgaben parallel existieren. Das soziale Gedächtnis ist auf biologische Träger angewiesen und in seiner primären Wirkkraft auf wenige Generationen beschränkt. Es ist nur teilweise kollektiv im Sinne von Halbwachs, da es sich auf jede Größe und Art einer Gruppe anwenden lässt. Um die im sozialen Gedächtnis gespeicherten Informationen zu entfristen, bedient sich das kulturelle Gedächtnis Trägern materieller Natur. Diese Zeichen und Symbole machen das Erinnern über Generationsgrenzen hinaus möglich und schaffen damit die Grundlage für eine Kontinuität im Erinnern von Menschen. Daneben existiert das biologisch-neuronale Gedächtnis. Assmann definiert es als Grundvoraussetzung und Basis des menschlichen Erinnerns: „Alle drei Stützen sind beteiligt, wo immer Erfahrungen niedergelegt und wieder aufgenommen werden, um weitere Kreise zu ziehen.“67 Die Stellung solcher Gedächtniskonzepte in einer medial bestimmten Gegenwart wurde und wird oft kritisch gesehen. Der Kulturhistoriker Wulf Kansteiner geht davon aus, dass in der heutigen Medienlandschaft jede Interpretation und Variation vergangener Ereignisse medial durchgespielt werden kann. Dies könnte seiner Meinung nach dazu führen, dass die sozialen Erinnerungsstrukturen, die einen lebendigen Nachkriegsdiskurs ermöglicht haben, in dieser veränderten Mensch-Medien-Konstellation nicht mehr entstehen können.68 Solche außerordentlich pessimistischen Einschätzungen machen es unerlässlich, moderne Gedächtniskonzepte mit den Realitäten der Medienlandschaft in Verbindung zu bringen, um ihnen eine möglichst große Spanne an wissenschaftlichen Interpretationen als Ausgleich entgegenstellen zu können. Aleida und Jan Assmann haben das Gegensatzpaar des kulturellen und kommunikativen Gedächtnisses vorgeschlagen.69 Das kommunikative Gedächtnis wirkt nur wenig über das Bestehen von Kommunikationsgruppen hinaus und ist an spezifische individuelle Erzäh-
67 Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, Beck: München 2006, S. 54. 68 Wulf Kansteiner: Alternative Welten und erfundene Gemeinschaften: Geschichtsbewusstsein im Zeitalter interaktiver Medien, in: Erik Meyer (Hg.): Erinnerungskultur 2.0: kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Campus-Verlag: Frankfurt am Main 2009, S. 30-54, hier S. 31f. 69 Harald Welzer: Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, Beck: München 2005, S. 14.
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lerinnen und Erzähler und ihre Rolle in solchen Gruppen gebunden. Das kulturelle Gedächtnis fixiert sich durch unterschiedliche Prozesse, wie zum Beispiel durch die Kodifikation in organisiertem Text, die Entwicklung spezifischer Riten oder die Einschreibung von Inhalten in Artefakte oder Orte. Den Kontextrahmen für diese Prozesse bilden unterschiedliche Erinnerungskulturen. Diese rahmen das kulturelle und kommunikative Gedächtnis und sind der soziale Schauplatz ihrer Entstehung und Entwicklung, denn: „Es lässt sich schlechterdings keine soziale Gruppierung denken, in der sich nicht – in wie abgeschwächter Form auch immer – Formen von Erinnerungskultur nachweisen lassen.70 Zusammengefasst lässt sich sagen, dass aus den unterschiedlichen Ansätzen zum Gedächtnis die Unterscheidung von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis für die Beschäftigung mit medialen Quellen besonders hilfreich sein kann. Die Kontexte der jeweiligen Erinnerungskultur bilden den Hintergrund für die Prozesse des Erinnerns, in denen sich das kommunikative zum länger andauernden kulturellen Gedächtnis verfestigen kann. Erzählen und Darstellen sind dafür besonders wichtig, viele Aspekte des kulturellen Gedächtnisses werden jedoch zusätzlich in Artefakten und Schauplätzen eingeschrieben. Auf diese Praxis lassen sich manche Ansätze von Pierre Nora übertragen, obwohl dieser nicht immer von Orts- und Gegenstandsbezügen ausgeht. Erzählen ist das Werkzeug, das jeden Schritt von der Erfahrung bis zum Gedächtnis begleitet und erst möglich macht. Diese Zusammenhänge bieten, wie Pierre Nora richtig erläutert hat, eine Möglichkeit, um Verbindungen zwischen individuell-sozialer Erinnerung und historischer Festschreibung aufdecken zu können. Die Kontexte dieser Prozesse bezogen auf die vorliegenden Quellen sind vielfältig. Zu ihnen gehört der Krieg selbst, der unzählige Besonderheiten aufweist und immer noch intensiv interpretiert wird. Ebenfalls wichtig ist die Generation jener, die selbst nach Vietnam gingen oder vom Krieg auf irgendeine Weise berührt wurden. Aus ihr rekrutieren sich die Autorinnen und Autoren der Quellen im Netz. Schließlich sind die Erinnerungsquellen wichtig, die bereits über den Vietnamkrieg von anderen verfasst wurden und den textuellen Rahmen für die erneute Darstellung des Konflikts im Internet darstellen. Diese Kontexte werden im nächsten Schritt genauer untersucht.
70 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, 5. Auflage, Beck: München 2005, S. 30.
Zweiter Teil: Vietnam: Ein ‚Ausnahmekrieg‘ wird erinnert
Vietnam. „The war that won’t go away“1 „Mit der Schwellenüberschreitung ins Niemandsland des Kriegs beginnen die Grenzerfahrungen existenzieller Bedrohung; es sind Erfahrungen, die nur schwer kommunizierbar sind. […] Es ist die Schwierigkeit, die Erinnerungen an das diffuse und chaotische Erleben des Schützenfeuers in eine sequenzielle Ordnung zu bringen.“2
Was es für den Einzelnen bedeuten konnte, die Schwelle zum Vietnamkrieg zu überschreiten, lässt sich nur über die Spezifika des Konflikts verstehen. Die chronologischen und strategischen Ebenen sind jedoch nur kleine Teile des Gesamtbildes. US-amerikanische Kulturkonzepte spielen ebenso eine Rolle wie andere Kriege in Europa, Indochina und Asien, die die Weltsicht der jeweiligen Kriegsparteien dauerhaft vorgeprägt haben. Heute ist der Vietnamkrieg vor allem als Gegenstand unterschiedlicher Diskurse präsent, die an diese Erfahrungen anknüpfen und denen sich ein Kriegsbeteiligter kaum entziehen kann. Um den Konflikt und seine Beteiligten verstehen zu können, sind mehrere Ansätze notwendig. Zuerst muss der Krieg in seinen zentralen Eigenschaften und Besonderheiten zumindest kurz dargestellt und zugänglich gemacht werden. Gleiches gilt für die zentralen Diskurse über den Konflikt. Ein weiterer Ansatzpunkt für das Verständnis ist die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Themen, die in fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen über den Krieg immer wieder auftauchen und
1
2
Charles E. Neu: Vietnam: The War That Won’t Go Away, in: Reviews in American History Nr. 3, 32 (2004), S. 431-438. Das Konzept des nicht endenden Vietnamkriegs haben auch andere Beiträge immer wieder aufgegriffen. Vgl. Maynard Parker: Vietnam: The War that Won’t End, in: Foreign Affairs Nr. 2, 53 (1975), S. 352-374; George C. Herring: America and Vietnam: the Unending War, in: Foreign Affairs Nr. 5, 70 (1991), S. 104-119. Gabriele Rosenthal: Leben mit der soldatischen Vergangenheit in zwei Weltkriegen. Ein Mann blendet seine Kriegserlebnisse aus, in: BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen Nr. 2 (1988), S. 27-38, hier S. 31.
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aus denen teilweise eine Meistererzählung der literarischen und autobiografischen Vietnamerinnerung entwickelt werden sollte. Die Eigenschaften des Konflikts, seine Diskurse und die erzählerischen Annäherungen an ihn bieten zusammen die beste Möglichkeit, sich diesen ‚Ausnahmekrieg‘ zu erschließen.
Der Vietnamkrieg: Kurzcharakterisierung eines Konfliktes Der Vietnamkrieg ist sicherlich einer der komplexesten Kriege der Neuzeit, was sich unter anderem durch seine Nachwirkungen auf unterschiedliche Bereiche der US-amerikanischen Geschichte und Kultur erklären lässt. Die Forschungskontroversen sind so eng mit seinen Eigenschaften und denen des amerikanischen Selbstverständnisses verknüpft, dass vor der Darstellung einiger zentraler Forschungsstränge eine kurze Betrachtung des Konflikts vorgenommen werden muss. Die „längste militärische Auseinandersetzung des 20. Jahrhunderts“ dauerte für die regulären amerikanischen Soldatinnen und Soldaten und ihre Verbündeten ‚nur‘ ungefähr acht Jahre und zwar von der Ankunft der ersten Marineinfanteristen in Südvietnam im Jahr 1965 bis zum Abzug aller Truppen im Jahr 1973.3 Aus vietnamesischer Sicht begann die offizielle Präsenz der Amerikaner jedoch bereits mit der Gründung der „Military Assistance Advisory Group Vietnam“ (MAAG-V) im Jahr 1955. Die „Military Assistance Advisory Group Indochina“ (MAAG-I) hatte schon seit dem Jahr 1950 Informationen über die Entwicklungen in Südostasien gesammelt und die neue Beratergruppe konzentrierte sich ganz darauf, den Vormarsch kommunistischer Einflüsse aufzuhalten und die südvietnamesische Armee auszubilden. Von der Anwesenheit weniger Militärberater eskalierte das amerikanische Engagement mit der Zeit auf die Maximalanzahl von über 550.000 amerikanischen Truppenangehörigen.4 Verglichen mit der gesamten Einwohnerzahl der USA blieb das amerikanische Engagement deshalb zumindest personell immer sehr beschränkt. Dafür waren unter anderem das Vertrauen in die eigene technologische Überlegenheit sowie der Verzicht auf eine umfassende Mobilisierung aus politischen Gründen verantwortlich. Als die Truppen Nordvietnams Saigon am 30. Mai 1975 einnahmen, retteten sich die letzten Amerikaner (und wenige verbündete Südvietnamesinnen und 3 4
Marc Frey: Geschichte des Vietnamkriegs: die Tragödie in Asien und das Ende des amerikanischen Traums (Becksche Reihe), Beck: München 2004, S. 126. David L. Anderson: The Columbia Guide to the Vietnam War, Columbia University Press: New York, NY 2002, S. 286.
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Südvietnamesen) von den Dächern in der Nähe der amerikanischen Botschaft mit Hubschraubern übers Meer. Ein Massenpublikum auf der ganzen Welt erlebte dramatische Szenen einer Flucht. Menschentrauben sammelten sich um überfüllte Boote im Hafen Saigons und Hubschrauber wurden von Flugzeugträgern ins Meer geworfen, um Platz für die nächste Welle an Flüchtlingen zu schaffen. Das antikommunistische Konstrukt Südvietnam ging in einem kommunistisch regierten Gesamtvietnam auf und das ‚Paris des Ostens‘ Saigon wurde in Ho Chi Minh Stadt umbenannt. Die amerikanischen Verwicklungen in Südvietnam schienen damit endgültig beendet. Auf die komplexen und schwierigen Hinterlassenschaften eines Kriegs erlauben quantifizierte Daten nur einen sehr beschränkten Zugang. Sie können den Blick auf die Kontexte des Konflikts ermöglichen oder diese durch übermäßige Abstraktion völlig unzugänglich werden lassen. Für den Umgang mit persönlichen Erzählquellen sind diese Zahlen deshalb notwendig, damit die Stellung des Individuums in der ‚großen Maschine‘ Krieg deutlich gemacht werden kann. Im Vietnamkrieg wurden mehr als 58.000 Amerikanerinnen und Amerikaner getötet, auf südvietnamesischer Seite gab es mehr als 250.000 Verluste, während die kommunistische Gegenseite bis zu einer Million Tote zu beklagen hatte. Nicht gezählt sind dabei die toten Zivilistinnen und Zivilisten, über die nur ungenaue Schätzungen vorliegen.5 Über Statistiken allein lässt sich der Konflikt aber noch nicht als ‚Ausnahmekrieg‘ definieren. Der Vietnamkrieg war in unterschiedliche Kontexte und Auseinandersetzungen eingebettet, ohne die er nicht verstanden werden kann. Als Stellvertreterkrieg verstanden repräsentierte er die Auseinandersetzung zwischen den Machtblöcken des Kalten Kriegs. Das US-amerikanische Engagement in Südostasien ließ sich durch ihn nicht nur rechtfertigen, der Einsatz in Vietnam erlaubte es, den US-amerikanischen Verbündeten die eigene Entschlossenheit zu demonstrieren. Bereits die Zusammenarbeit mit den französischen Kolonialkräften legte den Grundstein für die zukünftige Entwicklung, unter anderem deshalb, da Amerika in seiner Vision eines antikommunistischen Europas auf Frankreich nicht verzichten konnte. In der amerikanischen Innenpolitik schwankte die Bewertung des Kriegs je nach Administration. Unter Präsident Kennedy schienen „special forces“ und indirekte Unterstützung für Südvietnam noch ausreichend zu sein. Ob Kennedy eine Ausweitung des amerikanischen Engagements vorgenommen hätte, lässt sich nachträglich nur noch schwer feststellen. Sein Nachfolger Lyndon B. Johnson (1908-1973, Präsident 19631969) eskalierte den Konflikt immer weiter, obwohl er ihn neben vielen in-
5
Für eine Gesamtüberblick vgl. Micheal Clodfelter: Vietnam in Military Statistics. A History of the Indochina Wars 1772-1991, McFarland: Jefferson, NC 1995.
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neramerikanischen Projekten und Problemen (wie z.B. der Bürgerrechtsbewegung) lange Zeit als sekundär begriffen haben wollte. Richard Nixon (19131994, Präsident von 1969-1974) musste sich dagegen während seiner Amtszeit immer mit der Frage beschäftigen, wie die eigenen Truppen möglichst ohne negative Auswirkungen auf den Kriegsverlauf, die amerikanische Position als Großmacht und die eigene politische Stellung abgezogen werden konnten.6 Die parallel dazu immer stärker werdenden Protestbewegungen in Amerika waren ein Zeichen dafür, dass viele US-Bürgerinnen und US-Bürger den Konflikt nicht mit den eigenen Wertesystemen in Übereinstimmung bringen konnten. Noch während des Kriegsverlaufs stellte sich heraus, dass eine propagandistisch-nachrichtentechnische Herstellung eines klaren Konsenses in der Bevölkerung nicht funktionierte. Die vietnamesische Sicht auf den Krieg unterschied sich in Nordvietnam ebenso wie in Südvietnam oft radikal von den Konzepten der Amerikaner. Die Kommunisten und andere Widerstandsbewegungen tauschten einen Gegner des westlichen Kulturkreises (Frankreich) gegen einen anderen (die USA) aus, was ihnen die Umstellung ihrer Strategie und Taktik auf den neuen Gegner deutlich erleichterte. Solche Ähnlichkeiten ließen sich propagandistisch verwerten und die Erfolge gegen die US-amerikanischen Streitkräfte erlaubten es, sich als die wichtigste nationale Befreiungsbewegung zu etablieren. Der Bedeutungszuwachs für die Kommunisten ging mit der Marginalisierung ihrer Konkurrenten einher und wurde noch dadurch verstärkt, dass die Einbettung des Konflikts in den Kalten Krieg die Chancen auf eine Unterstützung durch die kommunistischen Machtblöcke stark erhöhte. Geschicktes diplomatisches Taktieren Nordvietnams sorgte dafür, dass die UdSSR und die Volksrepublik China gleichermaßen an der Unterstützung der Kommunisten in Vietnam interessiert waren. Beide Nationen blieben lange Zeit Konkurrenten darin, den Ort, an dem die amerikanischen Streitkräfte ihre Ziele nicht erfüllen konnten, als wichtigster Partner unterstützt zu haben. Für viele Südvietnamesinnen und Südvietnamesen blieb die Beziehung zum sogenannten Amerikanischen Krieg in Vietnam ambivalent. Das amerikanische Engagement verhinderte zwar die zwangsweise Wiedervereinigung des Landes unter kommunistischer Herrschaft, gleichzeitig waren die von Amerika geförderten Regierungen oft instabil und wenig fähig, in Südvietnam eine gemeinsame Front gegen die Bedrohung aufzubauen. Immer wieder flammten zudem Auseinandersetzungen zwischen der christlichen Elite und der buddhistischen 6
Vgl. Bernd Greiner: Nicht aufhören können. Die Vietnampolitik Richard Nixons als Paradigma des Kalten Kriegs, in: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung Nr. 6, 14 (2005), S. 29-48.
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Bevölkerungsmehrheit auf, in denen sich religiöse und politische Konflikte vermengten. Benachbarte Länder wie Laos oder Kambodscha konnten sich den Einflüssen des Konflikts ebenfalls nicht entziehen. Die kriegsbegleitende Destabilisierung der politischen Verhältnisse sollte nach dem Krieg noch schwerwiegende Folgen haben. Der amerikanische Beitrag zum andauernden Konflikt in Vietnam hatte zwei unterschiedliche Endpunkte. An erster Stelle stand der lange diskutierte und unter dem amerikanischen Präsidenten Richard Nixon endgültig vorangetriebene Truppenabzug aus Südvietnam. Die südvietnamesische Armee erhielt einen großen Teil der amerikanischen Kriegsausrüstung sowie allgemein gehaltene Zusagen, dass Amerika im Fall eines nordvietnamesischen Angriffs zu Hilfe eilen werde. Als Nordvietnam tatsächlich in mehreren Offensiven bis tief nach Südvietnam eindrang, hatten sich die Verhältnisse in Amerika bereits verändert. Unter der neuen Administration von Gerald Ford (1913-2006, Präsident 1974-1977) war der Kongress nicht bereit, größere Geldmittel bereitzustellen oder militärisch einzugreifen. Als die Republik Vietnam im Jahr 1975 mit dem Fall ihrer Hauptstadt Saigon zu existieren aufhörte, hatte sich das Engagement Amerikas in Südostasien bereits grundlegend verändert. Auf der politischen Ebene mussten sich die folgenden Administrationen immer wieder mit dem Krieg und seinen Nachwirkungen beschäftigen. Eine Normalisierung in den Beziehungen zum vereinigten Vietnam, gegen das Amerika jahrzehntelang mit Wirtschaftssanktionen vorging, fand erst unter Präsident Bill Clinton statt (1946-, Präsident 1993-2001) statt. Für die Sonderstellung des Vietnamkriegs in der amerikanischen Geschichte sind nicht nur sein Verlauf und das unbefriedigende Ende verantwortlich, das Selbst- und Fremdbild der Nation hatte sich dauerhaft gewandelt. Die ‚Sieger‘ des Zweiten Weltkriegs waren plötzlich in lokale Kleinkriege verstrickt, deren Feindbilder und Kriegsalltag sich nicht mit den Erfahrungen aus den Weltkriegen deckten. Die USA sahen sich plötzlich Vorwürfen ausgesetzt, mit oft zweifelhaften Mitteln einen Konflikt ausgefochten zu haben, dessen Ziele und Rechtfertigung sich als schwer vermittelbar erwiesen. Viele Fragen, die der Vietnamkrieg im eigenen Land aufwarf, standen mit der Stellung der Nation nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Verbindung. In welche Konflikte sollten oder durften die USA zukünftig eingreifen? Rechtfertigte der Kalte Krieg jedes Engagement, sobald kommunistisch beeinflusste Gruppen beteiligt waren? Welche Opfer war die Nation bereit zu erbringen und auf wie viel Unterstützung konnte die jeweilige Administration dabei zurückgreifen? Waren die Opfer in solchen ‚begrenz-
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ten‘ Kriegen tatsächlich angemessen? Für ein Land, in dem der Ruf nach Neutralität in der Vergangenheit immer einen starken Einfluss auf die Tagespolitik gehabt hatte, mussten diese Fragen ganz neu überdacht werden. Ähnlich wichtig und einflussreich war die Frage, wie in Zukunft mit der Berichterstattung über amerikanische Kriege umzugehen war. Inwieweit musste das amerikanische Volk über den tatsächlichen Kriegsverlauf informiert werden? Sollten Journalistinnen und Journalisten freien Zugang zum Schlachtfeld erhalten oder mussten neue Methoden der Zensur entwickelt werden? Wie sollten die amerikanische Gesellschaft und die Administration auf Großproteste gegen einen umstrittenen Krieg reagieren? Diese Fragen setzten Prozesse in Gang, die die moderne Informationspolitik des amerikanischen Militärs in vielen Punkten geprägt haben. Diesem Nachkriegsdiskurs wurde international große Aufmerksamkeit geschenkt. Der britische Konflikt um die Falklandinseln verfügte bereits über ein intensives Nachrichtenmanagement, das von den Erlebnissen der Amerikaner in Vietnam abgeleitet worden war. Das „press-lost-Vietnam argument“, also die Annahme, dass die relativ offene Berichterstattung aus Vietnam die ‚Heimatfront‘ in Amerika geschwächt hatte, führte im Folgenden immer mehr dazu, dass der Zugang zu Informationen und zum Schlachtfeld für Reporter streng kontrolliert wurde.7 Völliges Neuland betrat Amerika im Umgang mit seinen Veteraninnen und Veteranen. Wie sollte man mit einer Personengruppe umgehen, die es bis dahin in den USA nicht gegeben hatte: Kriegsbeteiligte eines Konflikts, bei dem Sieger und Besiegte oft ebenso schwer zu bestimmen waren wie Täter und Opfer? Ein Prozess wie in der Erinnerung des amerikanischen Bürgerkriegs, über den die Soldaten beider Seiten zu pflichtbewussten und ehrenvollen Amerikanern umgedeutet werden konnten, war nach Ende des Vietnamkriegs völlig undenkbar. Manche der inneramerikanischen Diskurse über den Vietnamkrieg und seinen angeblichen Sonderstatus in der amerikanischen Geschichte finden sich in der wissenschaftlichen Diskussion ebenso wieder wie im populären Umgang mit dem Krieg. Die Internetseiten des Quellenkorpus greifen jedoch nur manche dieser Diskurse auf. Welche Anknüpfungspunkte sie nutzen und welche sie ignorieren, hängt stark von ihren derzeitigen Interessen ab und wird im Inhaltskapitel noch genauer herausgearbeitet. Insgesamt ist die Rezeption des Vietnamkriegs als ‚Sonderfall‘ erheblich wichtiger für die Auseinandersetzung mit den Kriegsbeteiligten als der Nachweis, dass dieser Sonderstatus im Vergleich mit anderen Konflikten tatsächlich 7
Zum Einfluss des Vietnamkriegs auf die Berichterstattung in späteren Kriegen sowie auf die Informationspolitik während des Falklandkriegs vgl. John R. MacArthur: Second Front: Censorship and Propaganda in the 1991 Gulf War, University of California Press: Los Angeles, CA 2004, S. 138.
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gerechtfertigt ist. Dass er das US-amerikanische Selbstverständnis dauerhaft geprägt hat und auf unterschiedlichen Ebenen analysiert und diskutiert wurde und wird, ist dagegen unbestritten. Eine echte Besonderheit ist, dass der Konflikt in Vietnam immer von intensiven Auseinandersetzungen in den USA begleitet wurde, die in dieser Intensität und Breite bei vorherigen Kriegen nicht aufgetreten waren. Für die Kriegsbeteiligten bedeutete dies, dass Gruppen aus allen Bereichen der Gesellschaft sich an den Auseinandersetzungen über ‚ihren‘ Krieg beteiligten, während sie diesen noch im Kriegsgebiet erlebten. Teile dieser Auseinandersetzungen haben das Ende des Kriegs in unterschiedlicher Form ebenso überdauert wie die Deutungsmacht anderer sozialer und medialer Gruppen über die Spezifika des Konflikts. Die Diskurse, die im Anschluss besprochen werden müssen, lassen sich von vielen dieser Auseinandersetzungen nicht trennen und wurden von ihnen stark beeinflusst.
Wichtige Diskurse des Vietnamkriegs Die Erfassung der wissenschaftlichen Beiträge über den Vietnamkrieg überfordert die Aktualisierungszyklen klassischer Bibliografien oft.8 Die zentralen Kontroversen, von denen einige schon angedeutet wurden, haben sich im Lauf der Zeit überraschend wenig verändert, sind dafür aber immer weiter diversifiziert worden.9 In der Geschichtswissenschaft waren die Auseinandersetzungen durch
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Als allgemeine Referenz sei hier auf einige Bibliografien zum Vietnamkrieg verwiesen: Louis A. Peake: The United States in the Vietnam War, 1954-1975. A Selected, Annotated Bibliography of English-Language Sources, Routledge: New York, NY 2008; Kevin Hillstrom (Hg.): Vietnam War Reference Library vol. 4: Almanac, Bd. 4 von 4, U.X.L: Detroit, MI 2001; Kevin Hillstrom (Hg.): Vietnam War Reference Library vol. 1: Primary Sources, Bd. 1 von 4, U.X.L: Detroit, MI 2001; James S. Olson (Hg.): The Vietnam War. Handbook of Literature and Research, Greenwood Press: Westport, CT 1993; John S. Bowman: The Vietnam War. An Almanac, World Almanac Publications: New York, NY 1985; Chris Sugnet, John T. Hickey, u.a. (Hg.): Vietnam War Bibliography: Selected from Cornell University’s Echols Collection, Lexington Books: Lexington, MA 1983; Harry G. Summers (Hg.): Vietnam War Almanac, Presidio: Novato, CA 1999; Milton Leitenberg und Richard Dean Burns (Hg.): The Wars in Vietnam, Cambodia and Laos 1945-1982. A Bibliographical Guide (The War Peace Bibliography Series), Santa Barbara, CA 1984; Caroline D. Harnly: Agent Orange and Vietnam: An Annotated Bibliography, Scarecrow Press: Metuchen, NJ 1988. Vgl. außerdem die Online-Bibliografie von Edwin E. Moïse: Vietnam War Bibliography, unter: Clemson University, URL: http://www.clemson.edu/caah/history/faculty pages/edmoise/bibliography.html, Stand: 22.03.2013. Für einen Versuch, diese Prozesse zu kategorisieren vgl. Gary R. Hess: Vietnam. Explaining Americaʼs Lost War, Blackwell Publishing: Malden, MA 2009.
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mehrere Schübe von Revisionismus und Gegenrevisionismus geprägt.10 Die zentralen Forschungsdiskurse lassen sich am besten als Fragen formulieren, die basierend auf den vorhandenen Quellen immer wieder neu gestellt werden. War der Vietnamkrieg – trotz aller Probleme und negativen Entwicklungen – ein notwendiger Krieg? Diese Frage wird vor allem seit Ende des Kalten Kriegs immer wieder neu durchleuchtet, um die Zusammenhänge zwischen dem Vietnamkrieg und dem Niedergang des Kommunismus herauszuarbeiten.11 Der Weg in den Krieg wird ganz unterschiedlich bewertet.12 Die „quagmire“-Theorie geht davon aus, dass Amerika durch die Unterstützung der französischen Kolonialkräfte im Ersten Indochinakrieg unabsichtlich in einen Konflikt hineingezogen wurde, der sich in dieser Form nicht vorhersehen ließ.13 Neben einer grundsätzlichen Machtlosigkeit Amerikas, dem ‚Sumpf Vietnam‘ zu entkommen, erscheint der Kriegseintritt nach dieser Interpretation nicht als aktive Entscheidung, sondern als reaktives Handeln auf unterschiedliche Geschehnisse in Südostasien. Weitergedacht führt dieser Diskurs dazu, dass Amerika in einer Opferrolle erscheint: eine Nation mit edlen Absichten, die ohne eigenes Verschulden in einen schrecklichen Krieg stolperte.14 Eine kritischere Variante geht davon aus, dass Amerika durch Selbsttäuschung, Selbstüberschätzung und mangelndes Wissen über die lokalen Verhältnisse in einen Krieg eintrat, den es nicht verstand und entsprechend verlor.15 Beide Interpretationen sprechen Amerika davon frei, den Krieg aus eigenen Interessen aktiv herbeigeführt und stetig vorangetrieben zu haben. Mit solchen Erklärungsversuchen über den Weg der USA in den Krieg vermischt sich immer das Bedürfnis, das amerikanische Engagement insgesamt 10 Vgl. David W.P. Elliott: Official History, Revisionist History and Wild History, in: Marilyn Blatt Young, Mark Bradley (Hg.): Making Sense of the Vietnam Wars. Local, National, and Transnational Perspectives, Oxford University Press: New York, NY 2008, S. 277-303. 11 Vgl. Michael Lind: Vietnam, the Necessary War, Free Press: New York, NY 1999. 12 Vgl. James S. Olson: Where the Domino Fell. America and Vietnam, 1945-1995, Blackwell Publishing: Malden, MA 2008; Joe Allen: Vietnam. The (Last) War the U.S. Lost, Haymarket: Chicago, IL 2008; Kathryn C. Statler: Replacing France. The Origins of American Intervention in Vietnam, University Press of Kentucky: Lexington, KY 2007. 13 Vgl. David Halberstam: The Making of a Quagmire. America and Vietnam during the Kennedy Era, Rowman & Littlefield: Lanham, MD 2008; Brian VanDeMark: Into the Quagmire. Lyndon Johnson and the Escalation of the Vietnam War, Oxford University Press: New York, NY 1991. 14 Vgl. George Donelson Moss: Vietnam, an American Ordeal, Prentice Hall: Upper Saddle River, NJ 2002. 15 Vgl Robert Mann: A Grand Delusion. Americaʼs Descent into Vietnam, Basic Books: New York, NY 2001; Jeffrey Kimball: To Reason Why. The Debate About the Causes of U.S. Involvement in the Vietnam War, Temple University Press: Philadelphia, PA 1990.
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zu bewerten. Für einen Krieg ohne Kriegserklärung scheint dieses Bedürfnis ganz besonders dringlich zu sein. Interessanterweise spielt die völkerrechtliche Bewertung des Kriegs in dieser Hinsicht kaum eine Rolle. Viel wichtiger ist die Frage, welche Position der Konflikt innerhalb des Kalten Kriegs und der amerikanischen Außenpolitik in Südostasien eingenommen hat. Den Vietnamkrieg als klassischen Stellvertreterkrieg zu identifizieren, erleichtert es, ihn nachträglich als notwendig zu legitimieren. Er wird damit auf die Makroebene eines Konflikts der Machtblöcke verschoben, was ganz neue Legitimierungsansätze zulässt. Details lassen sich ausblenden und die letztendliche Rechtfertigung ist der ‚Sieg‘ Amerikas im Kalten Krieg. In diesem Zusammenhang werden immer wieder unterschiedliche Anachronismen formuliert, wie z.B. das Leid der vietnamesischen Bevölkerung im wiedervereinigten Vietnam als nachträgliche Rechtfertigung für die amerikanischen Kriegsanstrengungen zu verwenden. Ein weiteres Diskursfeld beschäftigt sich mit der Frage nach dem Warum der Niederlage. Hier spielt die Auseinandersetzung um die Kriegsführung eine entscheidende Rolle. Da sich der Vietnamkonflikt bereits während des Ersten Indochinakriegs abzuzeichnen begann, lassen sich dafür sogar Untersuchungen heranziehen, die vor dem Krieg entstanden sind.16 Im militärhistorischen Bereich vermischt sich die Beurteilung des Vietnamkriegs mit einer intensiven Diskussion über die Bewertung asymmetrischer Kriegsanstrengungen.17 Die Behauptung, dass die konventionellen Streitkräfte der USA in einem Guerillakrieg wenig flexibel und lernfähig waren, ist nur der Ausgangspunkt für komplexe Einzeldiskussionen. Diese konzentrieren sich teilweise auf die Beiträge unterschiedlicher Waffengattungen zum Verlauf des Kriegs, wie z.B. dem Einsatz der amerikanischen Luftüberlegenheit. Zivile Ziele in Nordvietnam wurden lange Zeit von den Angriffen ausgeschlossen, während sich Luftschläge gegen Logistik und Industrie sich als weit weniger wirksam als erhofft erwiesen. Nordvietnam konnte einen Großteil seines Kriegsgeräts importieren und die notwendigen Strukturen entweder verbergen oder schnell wieder aufbauen. Zu den extremsten Behauptungen zählt die Einschätzung, dass eine radikale Ausweitung des Bombenkriegs auf
16 Vgl. Bernard B. Fall: South Viet-Nam at the Crossroads, in: International Journal Nr. 2, 19 (1964), S. 139-154, hier S. 143. 17 Zu den allgemeinen Grundlagen asymmetrischer Kriegsführung vgl. z.B. Herfried Münkler: Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Velbrück Wissenschaft: Weilerswist 2010; Ivan Arreguín-Toft: How the Weak Win Wars, Cambridge University Press: New York, NY 2005; Dirk Freudenberg (Hg.): Theorie des Irregulären: Partisanen, Guerillas und Terroristen im modernen Kleinkrieg, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008.
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Bevölkerungszentren einen Sieg hätte herbeiführen können.18 Solche Konzepte sind ebenfalls darauf angewiesen, den Vietnamkrieg auf der Makroebene in ganz spezifische Kontexte einzuordnen. In diesem Fall ist dafür die Annahme notwendig, dass der Krieg in Südvietnam vor allem eine aus dem Norden vorangetriebene (Teil-)Invasion war. Je wichtiger die Rolle des Nordens für den Kriegsverlauf eingeschätzt wird, desto eher wäre die Verstärkung des Bombenkriegs der entscheidende Faktor für einen amerikanischen Sieg gewesen. Die Gegner dieser These verweisen darauf, dass ein Guerillakrieg im Süden auf diese Weise nicht gewonnen werden konnte. Die amerikanische Strategie im Bombenkrieg hatte mit der Befürchtung zu tun, dass durch heftigere Angriffe ein Kriegseintritt der Sowjetunion oder Chinas wahrscheinlicher geworden wäre. Die Ereignisse während des Koreakonflikts, in dem China unerwartet in den Krieg eingetreten war, waren zu diesem Zeitpunkt noch frisch im Gedächtnis der amerikanischen Nation. Wer diese Zurückhaltung als „foolish constraints“ (unsinnige Einschränkungen) bezeichnet, sucht die Schuld für die amerikanische Niederlage in der Einmischung von Politikerinnen und Politikern in die Kriegsführung.19 Impliziert wird durch dieses Urteil, dass die Leistungen des Militärs ausreichend gewesen sind und nur aufgezwungene Beschränkungen auf der politischen Ebene einen Sieg verzögert oder verhindert haben. Dass der Einsatz der Luftwaffe im Vietnamkrieg überhaupt als ‚begrenzt‘ eingestuft werden kann, nachdem in acht Jahren mehr als acht Millionen Tonnen Bomben und anderen Munition eingesetzt wurden, lässt sich nur schwer nachvollziehen.20 Die radikalsten Positionen gehen davon aus, dass die amerikanische Intervention als Sieg interpretiert werden kann, da ein Großteil der Einzelgefechte zu amerikanischen Gunsten entschieden wurde. Die Niederlage bestand nach dieser Meinung nicht aus den amerikanischen Kriegsanstrengungen, sondern allein aus der politischen Entscheidung zum Rückzug aus Südvietnam.21
18 Vgl. Gerard Roland, Edward Miguel: The Long Run Impact of Bombing Vietnam, National Bureau of Economic Research: Cambridge, MA 2006; Robert A. Pape: Bombing to Win. Air Power and Coercion in War, Cornell University Press: Ithaca, NY 1996. 19 Vgl. z.B. Mark Moyar: Triumph Forsaken. The Vietnam War 1954-1965, Cambridge University Press: Cambridge, MA 2006. 20 James William Gibson: The Perfect War. Technowar in Vietnam, Atlantic Monthly Press: New York, NY 2000, S. 319. 21 Vgl. Gary R. Hess: Vietnam. Explaining Americaʼs Lost War, Blackwell Publishing: Malden, MA 2009; Lewis Sorley: A Better War: The Unexamined Victories and Final Tragedy of America’s Last Years in Vietnam, Harcourt Brace & Co.: New York, NY 2007; Mark W. Woodruff: Unheralded Victory. Who Won the Vietnam War?, HarperCollins: London 2000.
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In militärisch-strategischer Hinsicht steht weiterhin die Frage im Raum, ob eine stärkere Betonung von „counterinsurgency“-Konzepten (z.B. lokal agierende Kleinstgruppen, „special forces“, Bewaffnung lokaler Milizen, Einbindung der Landbevölkerung in Antiguerillaaktionen und Ähnliches) eine Wende im Krieg hätte einleiten können.22 Der frühe Tod Präsident Kennedys, der solche Konzepte während seiner Regierungszeit stark gefördert hatte, ist bis heute Grundlage vieler solcher Spekulationen. Der plötzliche Führungswechsel nach Kennedys Ermordung ist für Vertreter dieser These für die Ausweitung des Kriegs und für den Einsatz konventioneller US-Streitkräfte in Vietnam verantwortlich. Der Wechsel von der Beraterrolle Amerikas zum aktiven Kriegsteilnehmer fiel in die Amtszeit von Präsident von Lyndon B. Johnson. Aufgrund dieser Ereignisse wurden immer wieder Kausalitäten zwischen dem Führungswechsel und der veränderten Strategie postuliert, ohne dass bewiesen werden könnte, dass unter Kennedy ein völlig anderer Verlauf eingetreten wäre. Eine Variante der „counterinsurgency“-Diskussion ist die Auseinandersetzung über das Konzept des winning hearts and minds. Ziel dieser Strategie war es, die Unterstützung der Zivilbevölkerung zu erringen. Die Hauptmethoden dafür waren die finanzielle und strukturelle Unterstützung von Dörfern und Städten, eine umfangreiche Propagandakampagne sowie die Anwesenheit von Beratern und Ansprechpartnern vor Ort. Solche Anstrengungen scheiterten oftmals an den Realitäten des Kriegs. Kollateralschäden konnten monatelange Anstrengungen innerhalb weniger Minuten zunichtemachen. Den ganzen Krieg über war die Koordination zwischen Militäreinsätzen und Pazifizierungsmaßnahmen nur leidlich erfolgreich. Das Zentrum dieser Diskussion ist die Frage, ob eine besser koordinierte und finanzierte Pazifizierungsanstrengung einen entscheidenden Einfluss auf den Kriegsverlauf gehabt hätte. Pazifizierung und „counterinsurgency“ beinhalteten viele Initiativen, deren Gesamtauswirkung nur schwer zu bewerten ist. Entwicklungshilfe und lokale Schutzmaßnahmen lassen sich ebenso unter diesen Bezeichnungen zusammenfassen wie umstrittene, halblegale Aktionen wie das Phönixprogramm, durch das die Infrastruktur der kommunistischen Gegner Amerikas in den Dörfern zerstört werden sollte.23 Ihre Bedeutung für den Kriegsverlauf wird stark unterschiedlich eingeschätzt, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man an das Thema herantritt oder welches einzelne Programm neu untersucht werden soll. 22
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Vgl. Stuart Kinross: Clausewitz and America. Strategic Thought and Practice from Vietnam to Iraq, Routledge: London 2008; Andrej Bartuschka: US-Propaganda und Counterinsurgency in Vietnam. Winning the Hearts and Minds?, VDM Verlag Müller: Saarbrücken 2008. Vgl. Dale Andradé: Ashes to Ashes. The Phoenix Program and the Vietnam War, Lexington Books: Lexington, MA 1990.
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Als Krieg ohne Kriegserklärung besitzt der Vietnamkonflikt viele rechtliche Aspekte, die erst nach und nach in die Diskussion über ihn einbezogen wurden. In diesem Zusammenhang ist der Diskurs über das Ausmaß und die Regelmäßigkeit von Kriegsverbrechen von Bedeutung. Das sogenannte My Lai-Massaker, das im Jahr 1968 in den Dörfern My Lai und My Khe (Untereinheiten des Dorfes Son My) stattfand, zog Ermittlungen und Urteile nach sich, die sich mit heutigen Konzepten von Kriegsrecht nur schwer vereinbaren lassen.24 Trotz guter Beweislage wurden die meisten Täter freigesprochen. My Lai ist ein Ausgangspunkt für unterschiedliche Diskursstränge. Das Massaker wurde national und international intensiv rezipiert und warf noch während des Kriegs die Frage auf, ob solche Grenzüberschreitungen regelmäßig vorkamen und von der Militärführung geduldet oder vorangetrieben wurden. Der Umgang mit Kriegsverbrechen und der Anwendung von Militärgesetzen während des Vietnamkriegs ist ebenfalls ein Beispiel für Einflüsse, die bis in die Gegenwart weiterwirken.25 Damit im Zusammenhang steht die Diskussion, wie ein Krieg ohne Kriegserklärung im Rahmen der Genfer Konvention zu bewerten ist und inwieweit die beiden Kriegsparteien an diese gebunden sind.26 Wie der Historiker Bernd Greiner in seinem Buch Krieg ohne Fronten gezeigt hat, lassen sich vorhandene Dokumente durchaus benutzen, um neue Kriegsverbrechen aufzudecken und den geschichtswissenschaftlichen Blick auf dieses Kapitel der Geschichte zu schärfen.27 Persönliche Erfahrungsberichte von Soldatinnen und Soldaten bringen ebenfalls immer wieder neues Licht in die Gewaltpraxis des Vietnamkriegs.28 Vor allem in der neueren Forschung
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Vgl. Kendrick Oliver, Peter Gray: „Not Much of a Place Anymore“: The Reception and Memory of the Massacre at My Lai, in: Kendrick Oliver, Peter Gray (Hg.): The Memory of Catastrophe, Manchester University Press: Manchester 2004, S. 171-189; Michael Bilton, Kevin Sim: Four Hours in My Lai: A War Crime and Its Aftermath, Penguin: New York, NY 1993. Vgl. Michael R. Belknap: Vietnam War on Trial: The My Lai Massacre and CourtMartial of Lieutenant Calley, University Press of Kansas: Lawrence, KS 2002; Louise Barnett: Atrocity and American Military Justice in Southeast Asia: Trial by Army, Routledge: London 2010; William Thomas Allison: Military Justice in Vietnam: The Rule of Law in an American War, University Press of Kansas: Lawrence, KS 2007; Bernd Greiner: A License to Kill. Annäherungen an die Kriegsverbrechen von My Lai, in: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung Nr. 6, 7 (1998), S. 4-24; Bernd Greiner: You’ll never walk alone. Amerikanische Reaktionen auf Kriegsverbrechen in Vietnam, in: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung Nr. 5, 9 (2000), S. 49-73. Für eine solche Interpretation vgl. Guenter Lewy: America in Vietnam, 2. Auflage, Oxford University Press: New York, NY 1981. Bernd Greiner: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam, Hamburger Edition: Hamburg 2007. Vgl. z.B. Michael Sallah, Mitch Weiss: Tiger Force: A True Story of Men and War, Little, Brown: New York, NY 2006.
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hat sich die Meinung herausgebildet, dass nicht nur die rechtliche Auseinandersetzung mit den Kriegsverbrechen des Vietnamkonflikts völlig unzureichend gewesen ist.29 Die Oral History ist gerade in diesem Punkt gefordert, neue Quellen zu erschließen. Bisher wurden kaum Projekte umgesetzt, bei denen der Umgang mit Kriegsverbrechen eine zentrale Rolle gespielt hätte.30 Dass die Rolle der Medien im Vietnamkrieg jede offizielle Informationspolitik (nicht nur) in Amerika beeinflusst hat, wurde schon im letzten Abschnitt angesprochen. Da die Rolle der Medien in Kriegsereignissen bis heute ein wichtiges Forschungsthema ist, ist die Zahl der Untersuchungen stetig gestiegen.31 Dabei sind es weniger die Unterhaltungs- als die Nachrichtenmedien, auf die sich eine Fülle von Diskursen konzentrieren. Dies liegt an der Sonderstellung, die die Berichterstattung während des Vietnamkriegs in der Mediengeschichte einnimmt. Journalistinnen und Journalisten hatten große Freiheiten und konnten lange Zeit auf die Transportmöglichkeiten des Militärs zurückgreifen, um sich im Kriegsgebiet zu bewegen. Vor allem nach der TET-Offensive im Jahr 1968 wurde die Berichterstattung der amerikanischen Medien über den Krieg immer kritischer. Die für beide Seiten verlustreiche Offensive schwächte die kommunistischen Streitkräfte besonders stark, wurde aber nicht nur in Medienberichten als schwere Niederlage der USA interpretiert. Die völlige Überraschung der amerikanischen Streitkräfte und der amerikanischen Öffentlichkeit, denen immer wieder ein positiver Kriegsverlauf versprochen worden war, trug zu dieser Einschätzung bei. Die Medienwirkungsforschung kann bis heute viele Fragen zu tatsächlichen Handlungskausalitäten nur teilweise beantworten. Wie sehr eine kritische Berichterstattung in Fernsehen, Radio und Magazinen auf die amerikanische Bevölkerung und auf die Truppenmoral wirkte, ist deshalb schwer nachzuweisen. Es ist unbestritten, dass Präsident Lyndon B. Johnson und sein Nachfolger 29
Vgl. z.B. Lawrence P. Rockwood: The Lessons Avoided: The Official Legacy of the My Lai Massacre, in: Th. A. Baarda (Hg.): The Moral Dimension of Asymmetrical Warfare: Counter-Terrorism, Democratic Values and Military Ethics, Martinus Nijhoff: 2010, S. 179-210. 30 Vgl. z.B. Deborah Nelson: The War Behind Me: Vietnam Veterans Confront the Truth about U.S. War Crimes, Basic Books: New York, NY 2008. 31 Vgl. Thomas Rid: War and Media Operations. The US Military and the Press from Vietnam to Iraq, Routledge: London 2007; Jan Wölfl: Kriegsberichterstattung im Vietnamkrieg (Krieg der Medien – Medien im Krieg), LIT-Verlag: Münster 2005; Denise Chong: Das Mädchen hinter dem Foto. Die Geschichte der Kim Phuc, Bastei Lübbe: Bergisch Gladbach 2003; Edward Burton: The Swedish-American Press and the Vietnam War, Göteborg University Press: Göteborg 2003; James Landers: The Weekly War: Newsmagazines and Vietnam, University of Missouri Press: Columbia, MO 2004; William M. Hammond: Reporting Vietnam. Media and Military at War, University Press of Kansas: Lawrence, KS 1998; Clarence R. Wyatt: Paper Soldiers. The American Press and the Vietnam War, University of Chicago Press: Chicago, IL 1995.
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Richard Nixon durch anhaltende Misserfolge in Vietnam mit Popularitätsschwund und innenpolitischem Druck zu kämpfen hatten. Die Diskussion um die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang ist zugleich eine Diskussion darüber, wie die Medien im amerikanischen Gesamtsystem positioniert sein sollen. Sind sie ein wichtiger Teil des politischen Prozesses, oder hat diese Rolle dort Grenzen, wo die Interessen der amerikanischen Nation betroffen sind? Jede aktuelle Diskussion über die Pressefreiheit in Konflikten, an denen amerikanische Truppen teilnehmen, muss sich mit den unterschiedlichen Schlussfolgerungen auseinandersetzen, die seitdem gezogen wurden.32 Die radikalen Extrempositionen sehen den Vietnamkrieg entweder als Anfang vom Ende der Pressefreiheit in Amerika oder als Ausgangspunkt für moderne Formen der Informationsorganisation in Kriegszeiten. Das für viele Parteien unbefriedigende Kriegsende brachte mehrere Diskurse hervor. Für die Amerikaner war der Abzug ein lange andauernder Prozess, auf den trotz Friedensvertrag weitere Kämpfe in der Region und schließlich der Fall Südvietnams folgten. Während für die Kriegsbeteiligten die eigene Heimkehr das wichtigste Kriegsende war, musste es ihnen schwerfallen, in diesen unterschiedlichen Kriegsenden die Sinnhaftigkeit der eigenen Handlungen und der erbrachten Opfer wiederzufinden. Der Abzug der amerikanischen Streitkräfte wird ebenso als Deeskalation eingeschätzt wie als Verrat an einem Verbündeten und an der Zivilgesellschaft eines Landes, die in kürzester Zeit unter die zentralistische Herrschaft eines diktatorischen Regimes geriet. Die erste dieser Aussagen wird meist mit der (ausgesprochenen oder unausgesprochenen) Annahme verbunden, dass ein längeres Bleiben Amerikas, vielleicht mit veränderter Strategie oder größeren Kriegsanstrengungen, einen Sieg hätte herbeiführen können. Ein bezogen auf die damalige Militärführung immer wieder angeführter Zeitpunkt ist der Führungswechsel der amerikanischen Streitkräfte in Vietnam von General William Westmoreland zu General Creighton Abrams. Abrams versprach nach seiner Amtsübernahme, die Grundkonzepte seines Vorgängers neu überarbeiten zu wollen. Dass seine Neuerungen bis zum Kriegsende nur Teilerfolge erzielten, wurde radikal unterschiedlich interpretiert. Es gilt entweder als Beweis für das endgültige Scheitern der Kriegsanstrengungen, oder zeigt, dass mit mehr Zeit und Durchhaltevermögen diese positiven Ansätze eine Wende hätten herbeiführen können. Je nach Interpretation war der Abzug der amerikanischen Truppen
32 Vgl. Thomas Rid: War and Media Operations. The US Military and the Press from Vietnam to Iraq, Routledge: London 2007; Andrew Hoskins: Televising War. From Vietnam to Iraq, Continuum: London 2004; Anita Eichholz: Der Vietnamkrieg im „Spiegel“. Eine inhaltsanalytische Untersuchung, Spiess: Berlin 1979.
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entweder die natürliche Konsequenz daraus, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, oder stellte einen ans Verbrecherische grenzenden Wortbruch gegenüber Südvietnam dar.33 Die Nachwirkungen des Vietnamkriegs auf die Diskurse über die amerikanische Außenpolitik sind bis heute zu spüren. Er wurde und wird als Vergleichsbeispiel für andere Kriege und Kampfeinsätze jeder Art eingesetzt. Als Beweis für die Bedeutung völliger Luftüberlegenheit lässt er sich scheinbar ebenso einsetzen wie zur Rechtfertigung weitreichender Nachrichtensperren, zur Beurteilung des „nation building“ in modernen Konflikten oder zur Bewertung der zukünftigen Struktur moderner Streitkräfte.34 Schlagworte aus dem Krieg wie die „quagmire“-Theorie oder die Methode des „shock and awe“, der psychologischen Einschüchterung des Gegners durch intensives Bombardement, wurden direkt auf die Einsätze der amerikanischen Streitkräfte während der Irakkriege übertragen.35 Eben weil der Vietnamkrieg je nach Blickwinkel als ein Kleinkonflikt, ein Stellvertreterkrieg, ein Aspekt des Kalten Kriegs, ein Guerillakrieg, ein Bürgerkrieg oder eine Mischung aus diesen Formen verstanden werden konnte, ist er bis heute als Orientierungspunkt unersetzlich. Was ihn dafür ganz besonders nützlich macht, ist der Umstand, dass der Konflikt in der nationalen amerikanischen Wahrnehmung noch nicht auf zentrale Einzelwahrheiten verdichtet werden konnte. Anders als die Weltkriege verschließt sich der Vietnamkrieg einem breiten Konsens noch immer, weshalb er aus unterschiedlicher Richtung interpretiert und für die eigenen Diskurse instrumentalisiert werden kann. Diese Sichtweisen auf den Vietnamkrieg lassen sich unter zwei Gesichtspunkten zusammenfassen. Auf der einen Seite ist er ein Prüfstein für die Beurteilung der amerikanischen Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. Je nachdem, ob der Konflikt als isoliert stattfindendes ‚Abenteuer‘ Amerikas oder als unersetzlicher Bestandteil des Kalten Kriegs interpretiert wird, lässt sich die Stellung der USA als Post-Weltkriegs-Großmacht unterschiedlich bewerten. Diese Bewertungen sind nicht nur für das Selbstverständnis einer Nation wichtig, sondern werden von den Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus zumindest in Teilen rezipiert. Auf der anderen Seite sind die Beurteilungen des Vietnamkriegs konkrete 33 Vgl. James H. Willbanks: Abandoning Vietnam. How America Left and South Vietnam Lost its War, University Press of Kansas: Lawrence, KS 2004. 34 Vgl. zu Vietnam und nation building James M. Carter: Inventing Vietnam. The United States and State Building in Southeast Asia, 1954-1968, Cambridge University Press: New York, NY 2008; Kathryn C. Statler: Replacing France. The Origins of American Intervention in Vietnam, University Press of Kentucky: Lexington, KY 2007; William Spanos: American Exceptionalism in the Age of Globalization. The Specter of Vietnam, State University of New York Press: Albany, NY 2008. 35 Vgl. Campbell Kenneth: A Tale of Two Quagmires. Iraq, Vietnam, and the Hard Lessons of War, Paradigm Publishing: Boulder, CO 2007.
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Orientierungspunkte für politische und strategische Entscheidungen seit dessen Ende. Seine Eigenschaften werden zitiert und je nach Bedarf uminterpretiert oder neu definiert, wenn es darum geht, die eigenen Handlungen in globalen oder lokalen Konflikten nach außen hin zu vertreten. Die wichtigsten Diskurse des Vietnamkriegs lassen sich fast immer unter diese Oberbegriffe einordnen. Diesen Inhalten und Instrumentalisierungen stehen die Nacherzählungen der Beteiligten gegenüber. Die Kernthemen des Erzählens über Vietnam lassen sich nicht von den anderen Diskursebenen trennen, da diese immer im sozialen Kontext des Erzählers stattfinden. Der Umgang mit den persönlichen (nicht nur literarischen) Erzählungen aus dem und über den Vietnamkrieg wurde lange Zeit den Sprach- und Literaturwissenschaften überlassen bzw. von diesen ganz intensiv bearbeitet. Die Herausarbeitung von Strukturen und wiederkehrenden Themen und Topoi aus fiktiven und nichtfiktiven Erzählquellen ist deshalb zumindest aus dieser disziplinären Sichtweise weit fortgeschritten. In diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen spiegeln sich aber oft Vergleiche wider, die hinterfragt werden müssen, da sie sich weder von der amerikanischen Geschichte noch von den bereits angesprochenen Diskursen trennen lassen.
Kernthemen der Vietnamerzählung Die Inhalte von Erzählungen aus dem Vietnamkrieg wurden schon früh durch die Sprach- und Literaturwissenschaften geordnet und kategorisiert. Nach dem Ende des Kriegs haben literarische und filmische Erzählungen die medialen Darstellungen dominiert und wurden deshalb relativ früh für wissenschaftliche Fragestellungen erschlossen. Die Erkenntnisse im Umgang mit diesen Quellen haben jede Form der Erzählforschung über den Vietnamkrieg beeinflusst.36 Dabei sollte die Erfassung und Analyse von Medienprodukten auf dieser wissenschaftlichen 36 Als Referenz für die umfangreiche Auseinandersetzung mit diesen medialen Produkten vgl. Mark Taylor: The Vietnam War in History, Literature and Film, University of Alabama Press: Tuscaloosa, AL 2003; Deborah A. Butler: American Women Writers on Vietnam: Unheard Voices; A Selected Annotated Bibliography, Routledge: New York, NY 1989; Linda Reinberg: In the Field. The Language of the Vietnam War, Facts on File: New York, NY 1991; Kevin Hillstrom und Laurie Collier Hillstrom (Hg.): The Vietnam Experience. A Concise Encyclopedia of American Literature, Songs and Films, Greenwood Press: Westport, CO 1998; Philip Kenneth Jason (Hg.): The Vietnam War in Literature. An Annotated Bibliography of Criticism, Salem Press: Pasadena, CA 1992; Sandra M. Wittman: Writing About Vietnam: A Bibliography of the Literature of the Vietnam Conflict, G. K. Hall & Company: Boston, MA 1989; John Newman (Hg.): Vietnam War Literature: An Annotated Bibliography of Imaginative Works About Americans Fighting in Vietnam, 2. Auflage, Scarecrow Press: Lanham, MD 1996.
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Ebene vor allem zentrale Erzählstränge identifizieren, die sich auf die Literatur des Vietnamkriegs verallgemeinern ließen. Der Veteran und Literaturwissenschaftler Tobey Herzog bezeichnete die von ihm herausgearbeiteten Aspekte als „war themes“.37 Strukturen, die auf Gemeinsamkeiten beruhen und sich in unterschiedlichen Medienprodukten mit einem gemeinsamen Thema wiederfinden lassen, werden im Deutschen meist als Leitmotive bezeichnet.38 Im Bereich der Nacherzählung und literarischen Darstellung handelt es sich dabei meist um Inhalte und Personen. Die Suche nach den Leitmotiven des Vietnamkriegs fand und findet vor allem über Vergleiche mit Bestandteilen der amerikanischen Erfahrungsgeschichte statt, die bereits in anderen literarischen und erzählerischen Werken thematisiert wurden.39 Wie jede Nation besitzt Amerika eine Fülle von Mythen, die mit der eigenen Geschichte verknüpft sind. Diese Mythen tauchen immer wieder in Vietnamerzählungen auf. Am wichtigsten ist der Mythos der „frontier“, der amerikanischen Grenze von der Zivilisation zur Wildnis. Die amerikanische Westgrenze und die vietnamesischen Schlachtfelder verschmelzen zu einem Gebiet, in dem indigene Gegner den Soldatinnen und Soldaten auflauern und mit überwältigender Grausamkeit agieren, während die amerikanische (Luft-)Kavallerie tapfer gegen sie vorgehen muss.40 Die Filme des Vietnamkriegs speisen sich häufig aus diesen Mythen, und das auf ästhetischer wie auf inhaltlicher Ebene. Ein während des Kriegs abgeschlossenes Projekt, der Film The Green Berets (1968) mit John Wayne als Hauptdarsteller und Co-Regisseur, zeigt dies deutlich: „Wayneʼs film was showing Americans their preferred self-image: a small band of rugged yet pure-hearted individualists, on a frontier landscape, aiding pastoral natives against
37 Tobey C. Herzog: Vietnam War Stories. Innocence Lost, Routledge: London 1992, S. 3. 38 Patrice Pavis und Christine Shantz (Hg.): Dictionary of the Theatre: Terms, Concepts, and Analysis, University of Toronto Press: Toronto 1998, S. 221f. 39 Vgl. z.B. Philip D. Beidler: American Literature and the Experience of Vietnam, University of Georgia Press: Athens, GA 1982; John Hellmann: American Myth and the Legacy of Vietnam, Columbia University Press: New York, NY 1986; Thomas Myers: Walking Point. American Narratives of Vietnam, Oxford University Press: New York, NY 1988; Loren Baritz: Backfire. A History of How American Culture Led us into Vietnam and Made us Fight the Way we Did, Johns Hopkins University Press: Baltimore, MD 1998. 40 Vgl. John Hellmann: American Myth and the Legacy of Vietnam, Columbia University Press: New York, NY 1986; William W. Cobb: The American Foundation Myth in Vietnam. Reigning Paradigms and Raining Bombs, University Press of America: Lanham, MD 1998.
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both wild savages emerging from the anarchic forest and robot-like soldiers extending the oppression of their machine-like society.“41
Der amerikanische Mythos in der Vietnamerzählung ist ein roter Faden, der fast jede Darstellung dieses Kriegs durchzieht. Der Krieg ist ein amerikanisches Phänomen, mit amerikanischen Akteuren, die entweder als Täter oder Opfer erscheinen. Andere Faktoren haben nur eine randständige Bedeutung, egal ob es sich dabei um die vietnamesischen Gegner oder um die Beteiligten am Friedensprozess handelt. Dadurch kann der Vietnamkrieg als ‚Indianerkrieg‘ besonders gut funktionieren, da klare innen/außen, wir/sie, gut/böse und wild/zivilisiert-Dualitäten existieren. Katherine Kinney spricht in diesem Zusammenhang davon, dass jeder Aspekt des Vietnamkriegs letztlich auf „friendly fire“ zurückgeführt werden kann, also auf selbst verschuldetes Handeln der US-amerikanischen Kriegsteilnehmer.42 Der Protagonist des Films Platoon (1987) kommt in seiner Reflexion am Ende der Handlung zum selben Ergebnis.43 Die amerikanische Nation lag im Kampfgebiet ebenso heftig mit sich selbst im Krieg wie mit den oft unauffindbaren Kämpfern der Gegenseite. Ein weiteres Leitmotiv ist der scheinbar unüberbrückbare Widerspruch zwischen den Erwartungen der amerikanischen Gesellschaft nach den Weltkriegen und dem Koreakrieg und den Realitäten des Kriegs in Vietnam. Amerika ist dieser Einschätzung nach daran gescheitert, dass die Realitäten des Vietnamkriegs sich nicht mit seinen moralischen Ansprüchen und dem moralischen Selbstbild in Beziehung setzen ließen.44 Die Erzähl- und Verarbeitungsschwierigkeiten der Nation und der Einzelpersonen, sowie ihre Art des Sprechens über den Krieg, sind Ergebnisse der nicht enden wollenden Versuche, einen Ausgleich zwischen Moralansprüchen und Realität herbeizuführen. Für Loren Baritz wird dieser Aspekt noch dadurch ergänzt, dass die kulturellen Vorannahmen zur Natur und zum voraussichtlichen Ablauf des Kriegs die Verarbeitung und Repräsentation von Kriegserfahrungen beeinflusst haben. Diese Ansätze sind ebenfalls außerordentlich amerikazentristisch und verorten jeden Aspekt der Kriegserfahrung im Wechselspiel zwischen US-amerikanischer Erwartung und Erfahrung.
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John Wayne, Ray Kellogg: The Green Berets (Film), USA: Warner Bros.-Seven Arts: 1968; John Hellmann: American Myth and the Legacy of Vietnam, Columbia University Press: New York, NY 1986, S. 92. Katherine Kinney: Friendly Fire. American Images of the Vietnam War, Oxford University Press: New York, NY 2000. Oliver Stone: Platoon (Film), USA: Orion Pictures: 1987. Vgl. Loren Baritz: Backfire. A History of How American Culture Led us into Vietnam and Made us Fight the Way we Did, Johns Hopkins University Press: Baltimore, MD 1998.
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Die Filme der 1980er Jahre bedienten sich immer wieder unterschiedlicher Mythen von Rache und Verrat, über die der verlorene Krieg neu aufgerollt werden konnte und aus denen sich ebenfalls Leitmotive entwickeln lassen. Kleingruppen begaben sich zurück nach Vietnam, um dort einzelne Gegner zu töten oder Kriegsgefangene zu befreien. Der Rächer nahm fast übermenschliche Züge an und war alleine in der Lage, eine Situation zu bereinigen, die von offizieller Seite als unveränderbar dargestellt wurde. John Rambo befreite – gegen den Widerstand der eigenen Regierung – Kriegsgefangene, gleiches unternahm der von Chuck Norris gespielte Protagonist in der Missing-in-Action-Filmreihe.45 Als Rächer stand er außerhalb der etablierten Strukturen und musste fast immer gegen die eigene Regierung handeln. Dieses Vietnam-Leitmotiv steht mit unterschiedlichen Verschwörungstheorien in Verbindung, in denen ein großer Teil der Kriegsschuld und des unbefriedigenden Kriegsendes auf amerikanischer Seite verortet wird. Der Rächer wird von diesen Formen des „friendly fire“ ebenso stark bedroht wie von der kommunistischen Gegenseite. Den Vietnamkrieg als ‚Ausnahmekrieg‘ der Moderne zu bezeichnen ist ebenfalls ein Leitmotiv, das im Umgang mit dem Konflikt immer wieder eine Rolle spielt. Markus Brückner geht beim Entwurf seiner Leitmotive zum Beispiel von der Idee aus, dass der Vietnamkrieg als unfassbarer Krieg ohne neue Erzählkonzepte nicht hätte dargestellt werden können.46 Die Aspekte seiner Version einer „generic Vietnam war narrative“ in Film und Literatur beschreibt er so:47 • Der Protagonist macht schlimme Erfahrungen in der Grundausbildung. • Sein Flug nach Vietnam ist unwirklich, die attraktiven Stewardessen bemitleiden ihn insgeheim. • Die Ankunft schockiert den Kriegsbeteiligten durch Leichensäcke, Gerüche und traumatisierte Personen. • Auf der ersten Patrouille geschehen schreckliche Dinge. • Sexuelle Exzesse und Drogengebrauch sind an der Tagesordnung. • Die Truppe gerät beim Absetzen mit dem Helikopter unter Beschuss. • US-Truppen vergewaltigen oder foltern Zivilistinnen und Zivilisten. • Der Fronturlaub wird zum Exzess.
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George P. Cosmatos: Rambo: First Blood Part II (Film), USA: TriStar Pictures: 1985; Joseph Zito: Missing in Action (Film), USA: Cannon Films: 1984. Markus Brückner: Sprache als Schlachtfeld. Narrative Strategien in der Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg (Europäische Hochschulschriften 355), P. Lang: Frankfurt am Main 1999, S. 13. Ebd., S. 53; Courtland Dixon Barnes Bryan: Barely Suppressed Screams: Getting a Bead on Vietnam War Literature, in: Harper’s Magazine Nr. 1609, 268 (1984), S. 67-72.
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• Vorgesetzte sind entweder Identifikationsfiguren oder Hassobjekte. • Die Personen, zu denen die stärkste Beziehung aufgebaut wird, fallen dem Krieg als Erstes zum Opfer. • Die ständige Gewalt führt zur Abstumpfung. • Ein Trennungsbrief von der Lebensgefährtin oder Ehefrau repräsentiert eine noch intensivere Trennung vom zivilen Leben. Zu diesen Leitmotiven zählt er ebenfalls eine Reihe von Charakteren, die in verschiedenen Büchern immer wieder verwendet werden: der Intellektuelle, der Kiffer, der Killer, der bedächtige Afroamerikaner (der meist früh ein Opfer eines Gefechts wird), der stille Scout, der wildniserfahrene Indianer oder der aufopferungsvolle Sanitäter. Hier zeigt sich eine Problematik, die auf der Suche nach Leitmotiven und Meistererzählungen immer wieder auftritt. Während die Sonderstellung des Konflikts festgeschrieben werden soll, sind viele der Leitmotive wie jene von Brückner aber so generisch, dass sie in vielen unterschiedlichen Kriegen verortet werden könnten. Die archetypischen Personen sind auf andere Kriegserzählungen ebenso übertragbar wie auf Bücher, die nichts mit Kampfhandlungen zu tun haben. Sie ähneln außerdem sehr stark manchen Archetypen, denen Campbells Heros auf seiner Reise ins Ungewisse begegnet, was ihnen eine starke Vietnamkriegsspezifik eigentlich abspricht. Mit diesen Schwierigkeiten, Leitmotive der medialen Darstellung des Vietnamkriegs herauszuarbeiten, wurden Forscher immer wieder konfrontiert. Während der Definition seines „Vietnam continuums“ stieß der Autor Andrew Martin vor allem dort auf Probleme, wo er die Besonderheiten der Vietnamkriegsfilme herausarbeiten wollte. Martin sah sich gezwungen, Filme wie Red Dawn (1984) und Iron Eagle (1986) in seine Beschreibungen von Apocalypse Now (1979) und Platoon (1987) aufzunehmen, obwohl deren Handlungen nichts mit dem Vietnamkrieg zu tun hatten.48 Manche ihrer Leitmotive ließen sich zumindest im Rahmen dieser medialen Darstellungsform relativ eindeutig auf Vietnamkriegsfilme zurückführen. Diese Beispiele zeigen, wie schwierig es ist, solche Motive zu entwickeln, von anderen Bereichen abzugrenzen und in ihrer Bedeutung für die medialen Produkte über den Vietnamkrieg darzustellen. Die häufigsten in der Literatur genannten Leitmotive sollen hier dennoch in wenigen Kategorien verdichtet dargestellt werden:
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Francis Ford Coppola: Apocalypse Now (Film), USA: United Artists: 1979; Oliver Stone: Platoon (Film), USA: Orion Pictures: 1987; John Milius: Red Dawn (Film), USA: MGM: 1984; Sidney J. Furie: Iron Eagle (Film), USA: TriStar Pictures: 1986.
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• Der Krieg als US-amerikanischer Mythos umfasst als Kategorie den Indianerkrieg und die Auseinandersetzung mit grausamen und unberechenbaren Gegnern. Der Einzelne geht aus dieser Auseinandersetzung an der „frontier“ gestärkt hervor, die in diesem Fall nicht in Amerika, sondern in Südostasien stattfindet. Als ‚Kavallerie‘ kommen die USA einer bedrängten Nation zu Hilfe, die sich allein nicht gegen die Übergriffe eines hinterhältigen Gegners wehren kann. • Auf der Ebene der philosophisch-ethischen Auseinandersetzung ist der Vietnamkrieg nichts anderes als der Kampf der USA gegen sich selbst. Alle tiefen Wunden lassen sich auf „friendly fire“ zurückführen, während die Kriegsgegner dabei kaum eine Rolle zu spielen scheinen. • Damit eng verwandt ist die Kategorie der Rache, da sich diese ebenso stark gegen die USA wie gegen den ehemaligen Feind richten kann und muss. Wo der Staat als Konstrukt versagt hat, hat das Individuum die Aufgabe, ebenfalls wieder im Sinne des „frontier“-Mythos, die Integrität der amerikanischen Idee zu retten. Das Werkzeug dafür ist die ‚reinigende‘ Gewalt gegen Angehörige fremder Ethnien. • Die duale Kategorie von Schuld und Unschuld vereint einige scheinbar widersprüchliche Konzepte miteinander. Auf der einen Seite hat der Vietnamkrieg die Unschuld der USA als Nation entweder in Frage gestellt oder ganz aufgelöst. Auf der anderen Seite ist die dauerhafte Verwicklung in den Konflikt jedoch eine Tragödie ohne Schuldige, deren Verlauf man nicht vorhersehen konnte. Diese Leitmotive basieren stark auf den medialen Darstellungen des Kriegs, weshalb sie sich nicht direkt auf den kulturwissenschaftlichen Umgang mit persönlichen Erzählquellen übertragen lassen. Die Autorinnen und Autoren dieser Erzählquellen bewegten und bewegen sich jedoch in sozialen und medialen Kontexten, in denen solche Medienprodukte präsent waren und sind. Dies gilt ebenfalls für die Gruppen, an die sie sich mit ihren Erzählungen wenden und für viele andere Besucherinnen und Besucher ihrer Webseiten. Ihre Einflüsse lassen sich nur schwer ermitteln. Dennoch sind sie für die Frage interessant, welche dieser Motive sich auf den Webseiten wiederfinden lassen und welche nicht mehr aufzufinden sind.
Kriegsbeteiligte berichten von Vietnam „What the warriors and their close observers have told us about the war is far more important than the question of whether they wrote ‚fiction‘ or ‚nonfiction‘. All forms of discourse can serve as ways to make serious claims concerning important facts or concepts, claims worthy of scholarly consideration.“1
Fiktional und nichtfiktional als Unterscheidungskriterium für Kriegsberichte zu verwenden, scheitert wie hier angesprochen oft allein deshalb, weil beide Aspekte absichtlich oder unabsichtlich fließend ineinander übergehen. Jeder Krieg verfügt über Topoi, Mythen und Erzählungen, die das Standardrepertoire seiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer bilden. Vor allem die Rückkehr aus dem Krieg ist ein Punkt, an dem solche Mythen ausgeformt und entwickelt werden. Für die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen hat sich die Zeit nach der Heimkehr in dieser Hinsicht sogar als noch weit bedeutender erwiesen, als dies bei Kriegsbeteiligten anderer Konflikte der Fall wäre.
Rückkehr aus dem Krieg: Kontexte und Mythen Die Auseinandersetzung mit zurückkehrenden Soldatinnen und Soldaten hat sich lange Zeit auf die Probleme der Reintegration konzentriert. Das wichtigste Beispiel für solche Integrationsanstrengungen war und ist im amerikanischen Raum
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Vgl. James William Gibson: The Perfect War. Technowar in Vietnam, Atlantic Monthly Press: New York, NY 2000, S. 474f.
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der Zweite Weltkrieg.2 Der ehemalige Kriegsbeteiligte war vor Vietnam im amerikanischen Kontext vor allem eines: Gewinner. Diese fast schon gezwungen positive Einschätzung umfasste alle, unabhängig davon, ob diese im Bürgerkrieg für die Südstaaten kämpften oder in einem der Weltkriege eingesetzt worden waren. Der erste Bruch mit dieser positiven Einschätzung geschah am Ende des Koreakriegs. Obwohl viele seiner Niederlagen als erfolgreiche Rückzugsgefechte gedeutet wurden, erschienen die Veteraninnen und Veteranen in einem anderen Licht.3 Die am häufigsten geäußerten Vorwürfe waren Passivität sowie ein Mangel an Mut und Moral. Überläufer unter den amerikanischen Truppen förderten die Angst vor Gehirnwäsche durch den Feind, was Auswirkungen auf die Versorgung des einzelnen Kriegsbeteiligten nach dem Krieg haben konnte. Die nach Ende des Kriegs häufig erhobenen Vorwürfe, Soldatinnen und Soldaten des Koreakriegs seien potentiell illoyal und unzuverlässig gewesen, behinderten ihre dauerhafte Reintegration jedoch letztlich nur in geringem Maße.4 Im Umfeld des Vietnamkriegs fanden ähnliche Diskussionen statt, nur waren sie dieses Mal heftiger, umfassender und überdauerten das Kriegsende um viele Jahre. Während der Koreakrieg als der „forgotten war“ langsam an Bedeutung verlor, wurde Vietnam zu einem Bruch dessen Auswirkungen sich in fast jeder Form der Auseinandersetzung mit der Rückkehr aus dem Kriegsgebiet finden lassen.5 Durch diese andauernde Auseinandersetzung haben sich zahlreiche Topoi herausgebildet, die die Diskussion auf unterschiedlichen Ebenen beherrschen. Sie existieren bezogen auf Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen ebenso wie unter diesen und bestimmen ihre Selbst- und Fremdeinschätzung in hohem Maße. Der erste Topos bezieht sich auf die Entfremdung des Veteranen von seiner Heimat. Er ist außerordentlich vielschichtig und hat seinen Ursprung unter anderem in der starken medialen Anbindung im Kriegsgebiet. Diese machte es für die Soldatinnen und Soldaten möglich, die Reaktionen in der Heimat live zu verfolgen. Die Aktionen der Antikriegsbewegung konnten leicht als gegen die Kriegsbeteiligten gerichtet verstanden werden. Anders als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Koreakrieg erlebten die Kriegsbeteiligten in Vietnam solche 2
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Vgl. Davis R.B. Ross: Preparing for Ulysses. Politics and Veterans during World War II (Columbia Studies in Contemporary American History), Columbia University Press: Columbia, MO 1969. Vgl. Stanley Sandler (Hg.): The Korean War: An Encyclopedia, Garland: New York 1995, S. 347f. Vgl. William A. Pencak (Hg.): Encyclopedia of the Veteran in America, ABC-CLIO: Santa Barbara, CA 2009, S. 256f. Vgl. z.B. Bruce Cumings und Patrick Dowdey (Hg.): Living through the Forgotten War: Portrait of Korea, Mansfield Freeman Center for East Asian Studies: Middletown, CO 2003.
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Reaktionen teilweise in Echtzeit. Die subjektive Empfindung, die Berichterstattung über die Soldatinnen und Soldaten in den Medien sei zum Ende des Kriegs hin immer negativer geworden, lässt sich auch aus der Entwicklung des Kriegs erklären. Mit Vorbereitung des Truppenabzuges fanden immer weniger Kampfsituationen statt und die Presse konzentrierte sich häufiger auf Berichte über Missstände und Skandale.6 Trotzdem muss festgehalten werden, dass die mediale Berichterstattung über die Rolle der Soldatinnen und Soldaten während des Kriegs die meiste Zeit außerordentlich positiv verlief. Die gefühlte Entfremdung lässt sich deshalb nicht allein durch Erfahrungen während des Kriegs erklären. Viele Erzählerinnen und Erzähler berichten über große Schwierigkeiten bei der Anerkennung der Langzeitfolgen des Kriegs. Auf der psychologischen Seite wurde die Auseinandersetzung um die Behandlung von PTSD noch in den 1980er intensiv ausgetragen.7 Fast 40 Prozent der Kriegsbeteiligten hatten angegeben, an kurzfristigen oder dauerhaften Traumafolgen zu leiden oder darunter gelitten zu haben.8 Bis diese neuen Definitionen aus der medizinischen Praxis bis in die Veteranenorganisationen und die Veteranenverwaltung vorgedrungen waren, erwies sich der Umgang mit diesen Stellen für die Kriegsheimkehrer oft als sehr frustrierend. Dazu kamen Auseinandersetzungen wie der Streit um die Zusammenhänge von Erkrankungen und den in Vietnam eingesetzten Chemikalien wie „Agent Orange“ oder „Agent Blue“. Diese wirkten sich nicht nur auf die finanzielle und rechtliche Stellung der Kriegsbeteiligten aus, sie erleichterten es auch, sich selbst in der Rolle des Außenseiters wiederzufinden. Seinen stärksten Ausdruck erfährt dieser Topos in dem Vorwurf der Veteraninnen und Veteranen, von Kriegsgegnern angespuckt worden zu sein. In diesem „spitting image“ konzentrieren sich eine ganze Reihe von Vorwürfen: Man sei in der Heimat nicht willkommen gewesen, die Kriegsdienstverweigerer der eigenen Generation hätten mit Hass und Ablehnung auf die eigenen Taten reagiert und die Vietnamveteraninnen und -veteranen als Gruppe seien marginalisiert und angefeindet worden.9 Fortgezeichnet wurde dieses Bild vom verlassenen, ausgegrenzten Kriegsbeteiligten dann in der Erinnerungsliteratur. So lässt der Veteran und Autor Gustav Hasford einen Protagonisten seines im Jahr 1985 erschienen Romans sagen: „Those of us who survive to be short-timers will fly the Freedom 6 7
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Vgl. James Landers: The Weekly War: Newsmagazines and Vietnam, University of Missouri Press: Columbia, MO 2004, S. 111. Zur aktuellen Definition vgl. American Psychiatric Association (Hg.): Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders: DSM-IV-TR, American Psychiatric Association: Washington, DC 2000, S. 463-472. Vgl. Julia Bleakney: Revisiting Vietnam. Memoirs, Memorials, Museums, Routledge: New York, NY 2006, S. 19. Vgl. Jerry Lembcke: The Spitting Image. Myth, Memory, and the Legacy of Vietnam, New York University Press: New York, NY 1998.
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Bird [das Flugzeug in die Heimat] back to hometown America. But home wonʼt be there anymore and we wonʼt be there either. Upon each of our brains the war has lodged itself, a black crab feeding“.10 Der Übergang vom „short-timer“ zur Privatperson bringt nach dieser Einschätzung nicht das, wonach sich der Kriegsbeteiligte gesehnt hat. An die Stelle des Bekannten ist ein Amerika getreten, das sich radikal verändert hat, und das dem Kriegsheimkehrer misstrauisch gegenübersteht. Die damit verbundenen Vorstellungen, Erzählungen und Behauptungen wurden bereits wenige Jahre nach Kriegsende zu einem festen Bestandteil des Vietnamdiskurses und häufig nur oberflächlich kritisch hinterfragt.11 In dieser zentralen Diskurslinie der Post-Vietnamkriegs-Zeit vermischen sich konkrete Erfahrungen mit Abwehrhaltungen und medial vermittelten Vorurteilen, die oft schon während des Kriegs entstanden sind und für deren weiterbestehen es gute Gründe geben muss. Wissenschaftliche Untersuchungen zur tatsächlichen Situation der Kriegsbeteiligten nach Ende des Konflikts zeichnen ein ambivalentes Bild. Eine Serie von Interviews mit männlichen Kriegsbeteiligten, die in den 1980er Jahren von Boulanger und Kadushin durchgeführt wurden, kam bezogen auf die Gewaltbereitschaft von Vietnamheimkehrern zu widersprüchlichen Ergebnissen.12 Zwar lag die Zahl der Personen, die im Krieg Kampferlebnisse hatten und in Amerika in Gewalttaten verstrickt wurden, deutlich höher als der Durchschnitt in der US-Bevölkerung. Bezog man auch die Befragten ein, die keine Kampfhandlungen erlebt hatten, relativierte sich der Unterschied wieder. Die sozialen Verhältnisse der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen direkt nach Ende des Kriegs lassen sich nicht als dramatisch beschreiben. Nur 5,5 Prozent der Rückkehrer hatten keine Arbeit und 62 Prozent nahmen die Angebote der sogenannten G.I. Bill in Anspruch. Solche Gesetzespakete, die die Wiedereingliederung und Förderung von Veteraninnen und Veteranen unter anderem durch verbilligte Bildungsangebote unterstützen sollten, hatten sich schon mehrfach bewährt. Tatsächlich nahmen prozentual gesehen mehr Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen dieses Angebot an als Veteranen des Zweiten Weltkriegs oder des Koreakriegs. Der Vorwurf, die staatlich organisierte Veteranenversorgung sei von ihrer Aufgabe lange Zeit überfordert gewesen, wurde dagegen immer wieder erhoben. 10 Gustav Hasford: The Short-Timers, Century: New York, NY 1985, S. 176. 11 Vgl. dazu z.B. „At that Time [1975], 7 million men and women recently released from military service, most with honorable discharges representing honorable service to their country, were viewed by many as suspect, tainted, dangerous, undisciplined, inferior“, in Charles R. Figley, Seymour Leventman: Strangers at Home, Praeger Publishers Inc.: New York, NY 1980, S. 363. 12 Ghislaine Boulanger: Violence and Vietnam Veterans, in: Ghislaine Boulanger, Charles Kadushin (Hg.): The Vietnam Veteran Redefined. Fact and Fiction, Erlbaum: Hillsdale, NJ 1986, S. 79-90, hier S. 82.
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Bereits Ende der 1970er Jahre berichtete die Presse über unzumutbare Zustände in den Hospitälern der „Veteran’s Administration“.13 In ihrer Studie zum internen Aufbau der Veteranenlobby des Kriegs sprechen Camacho und Sutton entsprechend von einer „policy of neglect“ durch die „Veteran’s Administration“ (VA), bei der sich erst in den 1980er Jahren erste Verbesserungen zeigen sollten.14 Das Verhältnis zwischen den Kriegsbeteiligten und der „Veteran’s Administration“ sowie anderen Regierungsorganisationen war und ist deshalb gespannt. Den größten Einfluss auf die Versorgung von Veteraninnen und Veteranen hatte lange Zeit die sogenannte „iron triangle“. Sie bestand aus den einflussreichsten Veteranenorganisationen Amerikas („American Legion“, „American Veterans“ (AMVETS), „Veterans of Foreign Wars“, „Disabled American Veterans“), der „Veteran’s Administration“ und dem „United States House of Representatives Committee on Veterans‘ Affairs“. Viele dieser Organisationen hatten Veteranen des Zweiten Weltkriegs in den eigenen Reihen, was ihre Beziehung zu den Kriegsbeteiligten des Vietnamkriegs entsprechend prägte.15 Dies soll nicht heißen, dass die Kriegsheimkehrer nicht eine große Dissoziation zwischen ihren Erwartungen und der Realität in der Heimat erlebt hätten. Die Fortschreibung dieser Topoi als Quasi-Fakten bis in die Gegenwart ist jedoch immer problematisch. Heute ist der Umgang mit den Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen von breiter Akzeptanz geprägt. Die negative Einschätzung des Vietnamkriegs wird nicht länger automatisch auf seine Veteraninnen und Veteranen übertragen und diese von einer Veranstaltung auszuschließen, die amerikanische Soldatinnen und Soldaten ehrt, wäre heute kaum mehr vorstellbar. Die Beziehung der Veteraninnen und Veteranen zu diesen Topoi wird sich auch in den Internetquellen immer wieder durch eine seltsame Dualität auszeichnen: Auf der einen Seite wird die Idee vom marginalisierten Kriegsbeteiligten weiter kolportiert, so als habe sich nichts verändert. Auf der anderen Seite wird die Zugehörigkeit zu den verehrungswürdigen Veteranen anderer Kriege sowohl als selbstverständlich angesehen als auch aggressiv eingefordert. Die Rückerinnerung an negative Erlebnisse oder zumindest die Stellungnahme zu ihnen ist ebenso wie die Aufrechterhaltung von Vorwürfen an die US-amerikanische Öffentlichkeit ein wichtiger identitätsstiftender Faktor unter Vietnamveteraninnen
13 Autor unbekannt: Assignment to Neglect, in: Life Magazine Nr. 19, 68 (22.05.1970), S. 24-33. 14 David L. Anderson: The Columbia Guide to the Vietnam War, Columbia University Press: New York, NY 2002, S. 292. Zur Bedeutung der GI Bill für die Veteranen des Zweiten Weltkriegs: Paul Camacho, Paul Sutton: A Sociological View of the Vietnam Veterans’ Lobby, in: Armed Forces & Society Nr. 3, 33 (2007), S. 316-336, hier S. 317. 15 Paul Camacho, Paul Sutton: A Sociological View of the Vietnam Veterans’ Lobby, in: Armed Forces & Society Nr. 3, 33 (2007), S. 316-336, hier S. 317f.
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und Vietnamveteranen. Die Frage danach, was die Veteranin oder der Veteran in Vorstellung, Diskurs und Außenkommunikation für die Autorinnen und Autoren sind, wird sich deshalb immer wieder stellen.
„Vietnam Voices“: Nichtvirtuelle Quellen des Vietnamkriegs16 Dass Kriegsbeteiligte immer wieder über die Schwierigkeiten bei der medialen Umsetzung ihrer Erfahrungen geklagt haben ändert nichts daran, dass eine große Zahl nichtvirtueller Medienprodukte produziert wurde und weiterhin produziert wird. Diese persönlichen Erinnerungsmedien müssen ein Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit den Quellen im Netz sein, da viele von Kriegsbeteiligten verfasst wurden und die Möglichkeit besteht, dass die Autorinnen und Autoren der virtuellen Quellen sich auf diese beziehen oder sich von ihnen abgrenzen. Ebenso wichtig ist die Forschungsentwicklung zu diesem Thema, da diese quantitativ immer noch anwachsende Quellenart spezifische Zugänge zur Vietnamerfahrung ermöglichen kann. Jede Erzählanstrengung, selbst wenn sie sich mit Grenzsituationen beschäftigt, basiert auf Handlungsmustern, die im Alltag entwickelt und eingeübt wurden. Das Erzählen von kritischen Lebensereignissen, die im Krieg entstanden sind oder aus Kriegserfahrungen resultieren, unterscheidet sich von anderen Alltagserzählungen in manchen Punkten nur wenig.17 Solche Erfahrungsdarstellungen basieren auf einem anhaltenden Prozess des Überdenkens, der selbst dann nicht abbricht, wenn der Austausch mit anderen schwierig oder unmöglich ist. Selbst wenn eine Veteranin oder ein Veteran bis heute nur wenige Gelegenheiten zur Erfahrungsdarstellung genutzt hat, ruhen die Einzelerinnerungen nicht unverändert im Gedächtnis. Form und Inhalt vergangener Erfahrungen ändern sich durch Erzählen ebenso wie durch die tägliche Lebenspraxis. Jeder neue Kontext, in den sich ein Mensch begibt, wirkt sich zugleich auf seine vergangenen Erfahrungsinhalte aus.18 Es lassen sich keine Pauschalaussagen dazu treffen, welche Inhalte zu besonders starken Erzählbedürfnissen führen. Solche Zusammenhänge sind je nach Persönlichkeit verschieden und gerade in der Kriegserzählung zeigt sich, dass sich ein Zusammenhang zwischen Erzählwillen und kritischem
16 John C. Pratt: Vietnam Voices. Perspectives on the War Years 1941-1982, Viking: New York, NY 1984. 17 Vgl. Albrecht Lehmann: Reden über Erfahrung: Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Reimer: Berlin 2007, S. 41. 18 Vgl. Ebd., S. 42.
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Lebensereignis leichter behaupten als beweisen lässt. Erzählen steht für die Darstellung eigener Erfahrungen in jeder Form und völlig unabhängig vom Medium, wie es von der postklassischen Erzähltheorie formuliert wurde.19 In der persönlichen Erzählforschung gibt es zu unterschiedlichen Person-Thema-Medien-Anordnungen zwar Vorerfahrungen, aber keine themenübergreifenden Pauschalrezepte. Jeder Quellenkorpus ist anders und deshalb sind Erzählforscherinnen und Erzählforscher gehalten, ihre eigenen Konzepte aus der Forschungspraxis zu entwickeln.20 Die unterschiedlichen Erzählschwierigkeiten für die Kriegsbeteiligten haben nicht verhindert, dass eine schwer überschaubare Zahl an Erinnerungsquellen von den Kriegsbeteiligten produziert wurde.21 Dies steht nur scheinbar im Gegensatz zu den Behauptungen der Veteraninnen und Veteranen, dass ihre Erinnerungen in der Nachkriegsgesellschaft nie Beachtung fanden. Viele der folgenden Werke sind lange nach dem Krieg entstanden. Sie basieren zwar auf den Erfahrungen von Kriegsbeteiligten, sind aber in medialen Kontexten oft jenseits ihrer Kontrolle konzipiert worden. Eine vollständige Auflistung der Erzählquellen ist in diesem Rahmen weder möglich noch sinnvoll, deshalb kann hier nur eine Auswahl präsentiert werden, um einen Einblick geben zu können. Die Autobiografie hat sich nicht nur im Vietnamkonflikt als ein Genre erwiesen, in dem mehrere erfolgreiche Bücher erschienen sind, die für die Rezeption des Kriegs von großer Bedeutung waren.22 Philip Caputos A Rumor of War ist die Erfahrungsgeschichte eines idealistischen Offiziers, der mit einer der ersten
19 Vgl. Vera Nünning, Ansgar Nünning: Von der strukturalistischen Narratologie zur „postklassischen Erzähltheorie“: Ein Überblick über Ansätze und Entwicklungstendenzen, in: Ansgar Nünning, Vera Nünning (Hg.): Neue Ansätze in der Erzähltheorie, WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier: Trier 2002, S. 1-33, hier S. 3. Zu den unterschiedlichen Strömungen in der modernen Narratologie vgl. S. 9-12. Zur Vorgeschichte der Narratologie vgl. außerdem Brigitta Schmidt-Lauber: Grenzen der Narratologie. Alltagskultur(forschung) jenseits des Erzählens, in: Thomas Hengartner (Hg.): Leben – Erzählen. Festschrift für Albrecht Lehmann, Reimer: Berlin 2005, S. 145-162, hier S. 145f.; Werner Fuchs-Heinritz: Biographische Forschung. Eine Einführung in Praxis und Methoden, 3. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2005, S. 85f. 20 Vgl. Hans Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre: Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Niemeyer: Tübingen 1992, S. 131. 21 Vgl. Petra Feld: Constructions of Identity in Autobiographical Writings of Vietnam Veterans, Universität Braunschweig: Braunschweig 2006, S. 72-103. 22 Memoiren und Biografien werden im Verlauf der Arbeit als ähnliche Kategorien verwendet, auch wenn Memoiren in Abgrenzung zur Biografie oft stärker auf den sozialen und historischen Kontext eingehen.
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Kampfeinheiten nach Vietnam einrückte.23 Ähnlich bedeutend ist die Autobiografie von Tim OʼBrien, da dieser neben dem Aufenthalt im Kriegsgebiet zudem die Situation des Einzelnen während der Einberufung thematisiert.24 Diese intensiv rezipierten Autobiografien lassen sich als ein Grund dafür sehen, dass ähnliche Bücher marktfähig geblieben sind. Oft sind diese nicht einfach Neuerzählungen, sondern beziehen sich wie William Tregaskis Vietnam Diary direkt auf Tagebücher aus dem Kriegsgebiet.25 Bis heute erscheinen neue oder neu aufgelegte Autobiografien und beleuchten das Thema aus verschiedenen Richtungen.26 Erfahrungsdarstellungen des Gegners oder der südvietnamesischen Verbündeten sind zumindest auf dem westeuropäischen und amerikanischen Markt nahezu nicht aufzufinden.27 Solchen Quellen einen besonderen Grad an Authentizität zuzuweisen, ist nicht unproblematisch. Schon Paul Fussel weist am Beispiel der Kriegserinnerungen von Veteranen des Ersten Weltkriegs darauf hin, dass viele Autobiografien von Romanen nicht zu unterscheiden seien.28 Zu groß sei der Einfluss der Gegenwart auf die Reproduktion der Vergangenheit, zu umfassend das nachträgliche Wissen, das in ein solches Werk einfließe. Die Erzählforscherin Hedwig Röckelein spricht hier von einem biografischen Konstrukt, das aus einzelnen narrativen Konstrukten zusammengesetzt ist.29 Biografie und Autobiografie werden deshalb im Folgenden vor allem als Textgattungen verstanden, deren Authentizität und Grad der nachträglichen Konstruktion am Einzelbeispiel und nicht an der Gattung gemessen werden müssen. Persönliche Erfahrungsberichte aus dem Vietnamkrieg sind immer wieder Gegenstand akademischer Oral History-Projekte gewesen. Neben diversen Büchern finden sich zahlreiche Onlinearchive, die immer noch durch Interviews
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Philip Caputo: A Rumor of War, Pimlico: London 1999. Tim O’Brien: If I Die in a Combat Zone, Box me up and Ship me Home, Dell Publishing: New York, NY 1987. Richard William Tregaskis: Vietnam Diary, Holt, Rinehart & Winston: New York, NY 1963. Vgl. z.B. John A. Nesser: The Ghosts of Thua Thien. An American Soldierʼs Memoir of Vietnam, McFarland: Jefferson, NC 2008; W.D. Ehrhart: Vietnam–Perkasie: A Combat Marine Memoir, 2. Auflage, University of Massachusetts Press: Amherst, MA 1995; James Joyce: Pucker Factor 10: Memoir of a U.S. Army Helicopter Pilot in Vietnam, McFarland & Company: Jefferson, NC 2003; Dana Sachs: The House on Dream Street: Memoir of an American Woman in Vietnam, Seal Press: New York, NY 2003. Vgl. z.B. Duong Van Nguyen: The Tragedy of the Vietnam War. A South Vietnamese Officerʼs Analysis, McFarland: Jefferson, NC 2008. Paul Fussell: The Great War and Modern Memory, Oxford University Press: New York, NY 1979, S. 270. Hedwig Röckelein (Hg.): Biographie als Geschichte, Edition Diskord: Tübingen 1993, S. 149.
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und Transkriptionen erweitert werden.30 Schon während des Kriegs wurden Soldatinnen und Soldaten in narrativen Interviews nach ihren Erfahrungen befragt.31 Die besondere Betonung der persönlichen Beteiligung (so wie in Cliftons Buch Those Who were There) schien diesen Erinnerungen eine Authentizität zu geben, die anderen Berichten über den Krieg verwehrt blieb.32 Viele Projekte sind thematisch organisiert und sammeln ihre Berichte basierend auf Geschlecht oder Herkunft der Kriegsbeteiligten.33 Der starke Einfluss des Herausgebers wird in diesen Büchern meist nicht offen reflektiert oder zu umgehen versucht. So arbeitet John Clark Pratts Buch Vietnam Voices mit der Verknüpfung von Zeitzeugenerinnerung, offiziellen Dokumenten und Romanausschnitten, um auf diesem Weg ein Gesamtbild zu konstruieren.34 Selbst auflagenstarke Werke wie Bloods von Wallace Terry oder NAM von Mark Baker geben den Leserinnen und Lesern keinen Einblick in die Auswahl- und Bearbeitungsprozesse der Texte.35 Wie der Autor und Veteran Al Santoli verweisen sie auf die Fülle an Meinungen, die ihre Sammlung zu bieten hat.36 Die editorische Wirkungsmacht des Herausgebers bleibt aber in all diesen Büchern sichtbar und manche äußern sich (wie das Buch von Santoli) sogar zu den Motiven ihrer Zusammenstellung. Sein Buch schließt mit dem Beitrag des Veteranen Ken Moorefield und den Worten:
30 Vgl. z.B. Library of Congress: Experiencing & Recording War, unter: Veterans History Project, URL: http://www.loc.gov/vets/, Stand: 28.05.2013; VNCA: About the Vietnam Center and Archive, unter: The Vietnam Center and Archive, URL: http:// www.vietnam.ttu.edu/general/, Stand: 28.05.2013. Beide Initiativen verfügen über umfangreiches Audiomaterial an selbst erstellten Oral History-Interviews (teilweise transkribiert oder als Videodatei). 31 Ein bekanntes Beispiel ist hier John Sommer, Don Luce: Viet Nam. The Unheard Voices, Cornell University Press: Ithaca, NY 1969. 32 Merritt Clifton (Hg.): Those Who Were There: Eyewitness Accounts of the War in Southeast Asia, 1956-1975, and Aftermath, Dustbooks: Paradise, CA 1984. 33 Vgl: Ron Steinman (Hg.): Women in Vietnam. The Oral History, TV Books: New York, NY 2000; Christian G. Appy: Working Class War. American Combat Soldiers in Vietnam, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1993; Gerald R. Gioglio (Hg.): Days of Decision. An Oral History of Conscientious Objectors in the Military during the Vietnam War, Broken Rifle Press: Trenton, NJ 1989; Stanley W. Beesley (Hg.): Vietnam: The Heartland Remembers, University of Oklahoma Press: Norman, OK 1987. 34 John C. Pratt: Vietnam Voices. Perspectives on the War Years 1941-1982, Viking: New York, NY 1984. 35 Wallace Terry (Hg.): Bloods. Black Veterans of the Vietnam War: An Oral History (Presidio War Classics), Presidio Press: New York, NY 1985; Mark Baker (Hg.): NAM: The Vietnam War in the Words of the Men and Women Who Fought There, Cooper Square Press: New York, NY 2001. 36 Al Santoli (Hg.): To Bear any Burden. The Vietnam War and its Aftermath in the Words of Americans and Southeast Asians, Indiana University Press: Bloomington, IN 1999.
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„I became aware that the struggle for the values that we fought for in Vietnam still continues in Indochina today, as it does in other parts of the world. And as long as people are living without freedom and basic human liberties, that struggle will never, never be over.“37
Dass bei solchen Sammlungen eine Bewertung und Einordnung des Kriegs als Ziel präsent ist, erfahren die Leserinnen und Leser nur selten. Die Grenze zwischen diesen Formen des Erinnerns und den fiktionalen Texten des Vietnamkriegs ist an mancher Stelle kleiner, als man aufgrund der Textgattung annehmen möchte. Nicht unerwähnt bleiben sollen die kontemporären Erinnerungsquellen der Kriegsbeteiligten, die von Angehörigen ebenso kompiliert und herausgegeben wurden wie von Forscherinnen und Forschern.38 Von ähnlichen Sammlungen, die Kriegsbeteiligte auf vietnamesischer Seite zu Wort kommen lassen, wurden bisher nur wenige publiziert.39 Die literarische Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg hat vielleicht die meisten Bücher hervorgebracht. Bereits bis Ende 1996 waren mehr als 700 Romane erschienen. Diese scheinbar große (und seitdem stetig anwachsende) Zahl hat Behauptungen nach sich gezogen, es habe sich scheinbar „jeder anwesende Augenzeuge von diesem Erlebnis freischreiben müssen.“40 Verglichen mit der tatsächlichen Zahl der Kriegsbeteiligten ist dies jedoch im besten Fall eine Übertreibung. Dennoch ist es schwierig, aus dieser Masse die einflussreichsten Beispiele auszuwählen, vor allem da die Rezeption vieler Bücher stark variiert. David Halberstams One Very Hot Day erschien noch während des Kriegs.41 Der Roman bietet einen guten Einblick in die Situation von amerikanischen Beratern in 37 Ken Moorefield: Full Circle, in: Al Santoli (Hg.): To Bear any Burden. The Vietnam War and its Aftermath in the Words of Americans and Southeast Asians, Indiana University Press: Bloomington, IN 1999, S. 334-335, hier S. 334. 38 Vgl. z.B. Bill Adler (Hg.): Letters from Vietnam, Presidio Press: New York, NY 2003; Bryan Dubois (Hg.): Reflection of Home. Letters from Vietnam: The Letters of Master Sergeant Leo Dubois, Leapin Leo Press: New Market, MD 2007; Karen Ross Epp (Hg.): With Love, Stan: A Soldier’s Letters from Vietnam to the World, AuthorHouse: Bloomington, IN 2006; Daniel H. FitzGibbon (Hg.): To Bear Any Burden: A Hoosier Green Beret’s Letters from Vietnam, Indiana Historical Society Press: Indianapolis, IN 2005; Gary Rowe Prescott (Hg.): Love to All, Jim: A Young Man’s Letters from Vietnam, Strawberry Hill Press: San Francisco, CA 1989; Janis Finley Stone und Kenneth E. Stone (Hg.): My Darling Wife: Letters from Vietnam 1962-1963 & 1966-1967, Sigler Companies: Ames, IA 2007. 39 Vgl. z.B. Dang Thuy Tram: Letzte Nacht träumte ich vom Frieden. Ein Tagebuch aus dem Vietnamkrieg, Krüger: Frankfurt am Main 2008. 40 Markus Brückner: Sprache als Schlachtfeld. Narrative Strategien in der Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg (Europäische Hochschulschriften 355), P. Lang: Frankfurt am Main 1999, S. 131. 41 David Halberstam: One Very Hot Day, Warner Books: New York, NY 1984.
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Vietnam, aber er verkaufte sich nach Aussage des Autors relativ schlecht. Andere Bücher wurden umgehend Erfolge und bald verfilmt. Beispiele dafür sind Gustav Hasfords The Short-Timers, auf dem Stanley Kubricks Film Full Metal Jacket (1987) basierte oder Robert Stones Dog Soldiers, das als Vorlage für den Film Whoʼll Stop the Rain (1978) diente.42 Fast alle Romane konzentrieren sich auf die Schicksale von Einzelpersonen oder Kleingruppen während und nach dem Krieg. Dog Soldiers folgt einer Gruppe US-amerikanischer Soldaten, die gegen gesichtslose Viet Cong-Kämpfer vorgehen und vom Kriegsgeschehen so verroht wurden, dass sie zu jeder Form der Brutalität fähig waren. Paco‘s Story erzählt die erfolglosen Versuche eines Veteranen, sich wieder in die amerikanische Gesellschaft einzugliedern.43 Dispatches versucht, der Leserschaft die Unmöglichkeiten des Vietnamkriegs als surreale, atemlose Reise durch ein chaotisches Kriegsgebiet nahezubringen.44 Wichtige Gedichte und Sammlungen erschienen teilweise bereits während des Kriegs, so z.B. Winning Hearts & Minds, in dem Larry Rottmann die Kriegsgedichte anderer Soldaten gesammelt hat.45 Nur wenige Kriegsbeteiligte konnten ihre eigenen Gedichte nach dem Krieg publizieren. Eine Ausnahme stellt William D. Ehrhart dar, der mehrere Gedichtbände veröffentlichte.46 Verglichen mit anderen Quellen des Kriegs ist die Zahl der publizierten Gedichte aber verschwindend gering. Wie Autobiografien und Oral History-Sammlungen werden auch literarische Quellen zur Darstellung eigener Vietnamerlebnisse weit über das Ende des Kriegs hinaus erstellt und publiziert.
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Stanley Kubrick: Full Metal Jacket (Film), USA: Warner Bros. Pictures: 1987; Karel Reisz: Who’ll Stop the Rain (Film), USA: United Artists: 1978; Gustav Hasford: The Short-Timers, Century: New York, NY 1985; Robert Stone: Dog Soldiers, Houghton Mifflin: Boston, MA 1974; Larry Heinemann: Paco’s Story, Faber and Faber: London 1989; Tim O’Brien: The Things They Carried, Broadway: New York, NY 1998. Als weiterer Überblick über zentrale Romane des Kriegs sei auf einige Bibliografien verwiesen: John Newman (Hg.): Vietnam War Literature: An Annotated Bibliography of Imaginative Works About Americans Fighting in Vietnam, 2. Auflage, Scarecrow Press: Lanham, MD 1996; Sandra M. Wittman: Writing About Vietnam: A Bibliography of the Literature of the Vietnam Conflict, G. K. Hall & Company: Boston, MA 1989; Philip Kenneth Jason (Hg.): The Vietnam War in Literature. An Annotated Bibliography of Criticism, Salem Press: Pasadena, CA 1992; Kevin Hillstrom und Laurie Collier Hillstrom (Hg.): The Vietnam Experience. A Concise Encyclopedia of American Literature, Songs and Films, Greenwood Press: Westport, CO 1998. Larry Heinemann: Paco’s Story, Faber and Faber: London 1989. Michael Herr: Dispatches, Vintage: New York, NY 1991. Larry Rottmann: Winning Hearts & Minds. War Poems by Vietnam Veterans, McGrawHill: New York, NY 1972. Vgl. W.D. Ehrhart: Just for Laughs. Poems, Vietnam Generation, Inc. & Burning Cities Press: Silver Spring, MD 1990; W.D. Ehrhart: Beautiful Wreckage. New & Selected Poems, Adastra Press: Easthampton, MA 1999.
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Die Filme und Serien über den Vietnamkrieg haben dessen Rezeption wegen ihrer Massenwirksamkeit wohl erheblich stärker geprägt als alle anderen nichtvirtuellen Formen.47 Als Erfahrungsäußerung der Kriegsbeteiligten sollen sie hier aber nur am Rande genannt werden, da persönliche Erinnerungen in ihnen erheblich schwerer aufzufinden sind als in anderen Quellen. Ein direkter Einfluss auf die Inhalte dieser Medienprodukte blieb den meisten Vietnamveteranen verwehrt, es sei denn ihre Biografien oder Romane wurden verfilmt. Ein bekanntes Beispiel ist Ron Kovics Born on the Fourth of July.48 Der fehlende Einfluss auf solche populären Medienprodukte kann ein Grund dafür sein, dass die Filmindustrie und ihr Beitrag zur Geschichte des Vietnamkriegs von Veteraninnen und Veteranen oft kritisch gesehen werden. Viele der erfolgreichsten Filme mit Vietnamhintergrund basieren auf Ideen und Büchern von Autorinnen und Autoren ohne Vietnamerfahrung. Bestes Beispiel hierfür ist First Blood (in Deutschland als Rambo bekannt geworden).49 Ähnlich ist es mit Fernsehproduktionen. In den beiden erfolgreichen Serien Tour of Duty (1987-1990) und China Beach (19881991) sind kaum direkte Einflüsse von Kriegsbeteiligten nachzuweisen, obwohl es nicht unüblich war, diese zumindest als Berater hinzuzuziehen.50 Viele Aspekte des Mediums gehen über die persönliche Erfahrungsdarstellung jedoch weit hinaus. Die Wirkungsmacht dieser medialen Darstellungen des Vietnamkriegs) war und ist außerordentlich groß.51 Welche Bedeutung diese für den öffentlichen Diskurs über den Vietnamkrieg hatten, ist eine Frage, die sich bestenfalls an Einzelbeispielen schlüssig beantworten lässt. Neben diesen einflussreichen Medien haben die Kriegsbeteiligten in anderen Bereichen versucht, ihre Erlebnisse einfließen zu lassen. Ein weniger bekanntes Beispiel sind die „war comics“, eine in Amerika kurz nach Ende des Zweiten 47
Vgl. Mark Taylor: The Vietnam War in History, Literature and Film, University of Alabama Press: Tuscaloosa, AL 2003; Mark Heberle (Hg.): Thirty Years After: New Essays on Vietnam War Literature, Film and Art, Cambridge Scholars Publication: Newcastle upon Tyne 2009. 48 Ron Kovic: Born on the Fourth of July, McGraw-Hill: New York, NY 1976; Oliver Stone: Born on the Fourth of July (Film), USA: Universal Pictures: 1989. 49 David Morrell: First Blood, Grand Central Publishing: New York, NY 1972; Ted Kotcheff: First Blood (Film), USA: Orion Pictures: 1982. 50 Bill L. Norton, Jim Johnston, u.a.: Tour of Duty (TV-Sendung), CBS Broadcasting Inc.: USA 1987-1990; Mimi Leder, John Sacred Young, u.a.: China Beach (TV-Sendung), American Broadcasting Company: USA 1988-1991. Als tour of duty bezeichnet man die Dienstzeit von Truppenangehörigen, während China Beach nach einem Erholungsgebiet mit Hospital in Südvietnam benannt wurde. 51 Vgl. Søren Fauth, Kasper Green Kreijberg, Jan Süselbeck: Repräsentationen des Krieges. Emotionalisierungsstrategien in der Literatur und den audiovisuellen Medien vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, Wallstein Verlag: Göttingen 2012; David A. Cook, Charles Harpole: Lost Illusions: American Cinema in the Shadow of Watergate and Vietnam, 1970-1979, 2. Auflage, University of California Press: Berkeley, CA 2005.
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Weltkriegs bereits fest etablierte Form, in der einem jugendlichen Publikum Geschichten aus aktuellen und vergangenen Kriegen dargeboten wurden.52 Der Vietnamkrieg wurde während des Kriegs ebenso wie nach dessen Ende in anderen Comics immer wieder zitiert. Beispiele dafür wären der Auftritt des Mighty Thor in Journey into Mystery 117 (1965) oder der Einsatz von Captain America in Vietnam in Tales of Suspense 61 (1964).53 Beispiele für Comics, bei denen die direkte Einflussnahme von Kriegsbeteiligten nachgewiesen werden kann, sind der ab 1986 erschienene Comic The ʼNAM sowie das ab 1987 publizierte Vietnam Journal.54 Der einflussreiche amerikanische Zeichner und Autor Will Eisner arbeitete lange Zeit für das Preventive Maintenance Monthly, einem von den amerikanischen Streitkräften publizierten Magazin. Die darin enthaltenen Comics sollten den Soldatinnen und Soldaten auf unterhaltsame Weise wichtige Sicherheitsrichtlinien und Vorschriften näherbringen. Seine Erfahrungen als Kriegsveteran und Comicautor führte er dann in Last Days in Vietnam zusammen.55 Neben den persönlichen Erzählquellen existiert eine große Zahl an anderen Dokumenten, an denen sich die geschichtswissenschaftliche Forschung zum Vietnamkrieg orientiert hat. Hier soll nur ein kurzer Überblick gegeben werden. Dokumente der jeweiligen Administrationen (v.a. Kennedy, Johnson & Nixon für die eigentlichen Kriegsjahre) und der unterschiedlichen Teile der Streitkräfte sind besonders aufschlussreich. Einige Sammlungen haben zentrale Dokumente des Kriegs kommentiert zusammengefasst.56 Ausgewählte Anlaufpunkte für die Archivrecherche sind neben der „Library of Congress“, Washington, D.C. das „U.S. Army Center of Military History“ in Washington, D.C. und das „Washington National Records Center“ in Suitland, Maryland. Letzteres verfügt über einen Großteil der Dokumente des MACV („Military Assistance Command, Vietnam“).
52 Vgl. z.B. Robert Kanigher und Jack Kirby (Hg.): Our Fighting Forces, DC Comics: USA 1954; Robert Kanigher (Hg.): Star Spangled War Stories, DC Comics: USA. 53 Stan Lee: Into the Blaze of Battle, in: Journey into Mystery 117, Marvel Comics: USA 1965, S. 1-10; Stan Lee: The Strength of the Sumo, in: Tales of Suspense 61, Marvel Comics: USA 1964, S. 1-16. 54 Vgl. Don Lomax (Hg.): Indian Country (Vietnam Journal 1), USA: Transfuzion Publishing 2009; Doug Murray, Mike Golden, u.a.: ʼNAM #24: Beginning of the End (The ’NAM 24), Marvel Comics: New York, NY 2009. 55 Will Eisner: Last Day in Vietnam, 2. Auflage, Dark Horse: USA 2000. 56 Vgl. z.B. David M. Barrett (Hg.): Lyndon B. Johnson’s Vietnam Papers: A Documentary Collection, Texas A&M University Press: College Station, TX 1997; Marvin E. Gettleman, Marilyn Blatt Young, u.a. (Hg.): Vietnam and America: A Documented History, Grove Press: New York, NY 1985; Gareth Porter (Hg.): Vietnam, the Definitive Documentation of Human Decisions, E. M. Coleman Enterprises: Stanfordville, NY 1979; Gareth Porter (Hg.): Vietnam, a History in Documents, New American Library: New York, NY 1981; William Appleman Williams (Hg.): America in Vietnam: A Documentary History, Anchor Press/Doubleday: Garden City, NY 1985.
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Dazu kommen weitere Archive der einzelnen Teile der Streitkräfte wie zum Beispiel die „History and Museums Division of USMC Headquarters“, Washington, D.C. („Marines“) und das „Albert F. Simpson Historical Research Center“, Alabama („Air Force“). Eine zentrale Quelle, die fast jeden Aspekt des Vietnamkriegs abdeckt, stellen die sogenannten Pentagon Papers dar (eigentlich: United States-Vietnam Relations, 1945-1967). Diese geheime Studie des Verteidigungsministeriums wurde nach ihrem Diebstahl vom Jahr 1971 an in Auszügen in der New York Times veröffentlicht. Es folgte eine Serie von Prozessen gegen die Zeitung und Daniel Ellsberg, der die mehrtausendseitige Studie entwendet hatte.57 Die Studie ist aus mehreren Gründen eine der wichtigsten Quellen über den Krieg. Sie wurde bis ins Jahr 1968 mit den weitreichenden Berechtigungen und umfangreichen Mitteln des Verteidigungsministeriums zusammengestellt. Da die Studie nicht für die Öffentlichkeit gedacht war, sind die Schlussfolgerungen darin außerordentlich umfangreich. Sie kritisieren nicht nur das bisherige Vorgehen Amerikas, sondern weichen an vielen Stellen radikal von der offiziellen Version zum Fortgang des Kriegs ab. Zusätzlich werden in ihnen viele strittige Einzelpunkte aufgegriffen und einer erneuten Analyse unterzogen. Die große Zahl der nichtvirtuellen Erzählquellen lässt oft vergessen, wie schwer es für einen Kriegsbeteiligten sein kann, in unterschiedlichen Mediensystemen seine Erfahrungen zu publizieren. Erfolgreiche Autoren wie Tim OʼBrien, Philip Caputo oder Michael Herr hatten entweder einen hohen Bildungsstand oder sie hatten sich (wie Caputo und Herr) bereits während des Kriegs publizistisch betätigt. Selbst für namhafte Beteiligte mit Erfahrung im publizistischen Bereich konnte es dennoch schwer bis unmöglich sein, ihre Erfahrungen festzuhalten und zu publizieren. So klagte David Halberstam, einer der erfolgreichsten und bekanntesten Journalisten des Kriegs darüber, dass sein Roman trotz positiver Signale von Freunden und Experten im publizistischen Bereich kaum an Verlage zu vermitteln gewesen sei.58 Vorerfahrungen in den jeweiligen Medienindustrien erworben zu haben, erhöhte die Chancen, das eigene Projekt zum Abschluss zu bringen. Entscheidend waren jedoch meist immer der Zeitgeist des Marktes und dessen Einschätzung durch die Verlage. Eine Abrechnung mit dem Krieg wie das Buch des gelähmten Veteranen Kovic war nur in einer Atmosphäre
57 Vgl. Neil Sheehan und Gerald Gold (Hg.): The Pentagon Papers. As Published by the New York Times, Bantam Books: Toronto 1971; Charles Dobbs: Pentagon Papers, in: James S. Olson (Hg.): Dictionary of the Vietnam War, Bedrick: New York, NY 1990, S. 360f. 58 David Halberstam: One Very Hot Day, Warner Books: New York, NY 1984, S. 229.
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denkbar, in der der Krieg selbst und seine Schrecken noch im Bewusstsein der Öffentlichkeit vertreten waren.59 Das Eintreten in unterschiedliche mediale Systeme wie Film oder Fernsehen liefert die persönlichen Erinnerungen des Kriegsbeteiligten automatisch deren Regeln und Mechanismen aus. Filme über den Vietnamkrieg waren für viele Szenen auf Materialunterstützung durch die US-Streitkräfte angewiesen, diese wurde aber nicht jedem Film mit beliebigem Inhalt gewährt. Bücher mussten und müssen sich in die Verlagsprogramme einpassen lassen und werden oft mit Werken verglichen, die bereits erfolgreich zu diesem Thema vermarktet wurden. Jede dieser nichtvirtuellen Formen stellt dem Kriegsbeteiligten mehrere Instanzen zur Seite, die auf seine Inhalte und Äußerungen jederzeit Einfluss nehmen können. Dieser Umstand ist selbst heute im Zeitalter des Print-on-Demand noch gegeben, da das Veröffentlichen von Kriegserinnerungen ohne Zugang zu Distributionssystemen oft den Weg in die Obskurität bedeutet. Je nach Medium und finanziellem Aufwand sind diese Zwänge von außen unterschiedlich stark, was sich zum Beispiel im Vergleich zwischen einer Autobiografie oder einem Roman und der Umsetzung eines Filmskripts manifestiert. Die bisher genannten Beispiele gehen dabei sogar noch davon aus, dass der Kriegsbeteiligte selbst die zentrale Figur bei der Erstellung des Erinnerungsproduktes ist. Wenn er oder sie stattdessen zum Beispiel nur ein Skript zur Entstehung eines Vietnamfilms beiträgt, dann kommen diese Zwänge und Einflussfaktoren noch erheblich stärker zum Tragen. Im Zentrum professionell publizierter Medienprodukte steht dabei als letzte Instanz immer der Markt. Sobald die Kriegsbeteiligten daran gehen, ihre Erfahrungen in einem Buch festzuhalten, wird die Adressatengruppe zu einem entscheidenden Einflussfaktor. Nur wenige hatten wie Philip Caputo das Glück, dass sich die Marktlage noch während ihrer Arbeit an ihren Büchern radikal änderte.60 Die Ursachen solcher Marktveränderungen sind im Nachhinein schwer zu erklären. Ist das Medienprodukt des Kriegsbeteiligten dann publiziert, findet es sich in einem öffentlichen Raum wieder, in dem die wichtigsten Medienprodukte über den Vietnamkrieg fast ausschließlich von Nichtbeteiligten verfasst wurden. Die Erzählungen der Autorinnen und Autoren sehen sich panmedial erfolgreichen Phänomenen gegenüber, die das Bild des Vietnamkriegs bis heute prägen.61 Gerade in den 1980er Jahren referenzierten viele Film- und Fernsehproduktionen den Vietnamkrieg. Schnell bildete sich eine Medienlandschaft aus, in der die
59 Vgl. Ron Kovic: Born on the Fourth of July, McGraw-Hill: New York, NY 1976. 60 Philip Caputo: A Rumor of War, Pimlico: London 1999, S. 351. 61 Vgl. z.B. Ted Kotcheff: First Blood (Film), USA: Orion Pictures: 1982; David Morrell: First Blood, Grand Central Publishing: New York, NY 1972.
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genuin von Kriegsbeteiligten publizierten Erinnerungsprodukte leicht untergehen konnten. In Fernsehserien wurde den Protagonisten zur Ausgestaltung ihres Hintergrundes eine Vorgeschichte als Vietnamveteran ins Skript geschrieben. Zwei Beispiele sind die Fernsehserien Magnum, P.I. (1980-1988) sowie Simon & Simon (1981-1989), in denen einige der Hauptprotagonisten Vietnamveteranen sind.62 Der Hintergrund war meist nur ein Vorwand, um spezifische Kampffähigkeiten oder das Vorhandensein militärischer Ausrüstung zu erklären. Obwohl diese Welle der popkulturell gefärbten Medienprodukte über den Vietnamkrieg stark abgenommen hat, wird ihr Einfluss auf jede mediale Äußerung zu diesem Thema noch lange bestehen bleiben. Die meisten dieser Medienformen schränken die möglichen Erzählinhalte stark ein. Wenn die Kriegsbeteiligten in einem Buch einen einzelnen Kameraden ehren möchten, dann kann das nur gelingen, wenn dieser als wichtige Persönlichkeit aus dem Vietnamkrieg gelten kann.63 Diese sehr persönliche Form der Ehrung lässt sich, wie sich zeigen wird, im Internet viel einfacher und effektiver realisieren. Der Unterhaltungswert der Fernsehserie China Beach, deren Produzent William Broyles ein Vietnamveteran war, lässt sich jedoch nur schwer mit einer Autobiografie wie der des schwer versehrten Veteranen Lewis Puller vergleichen.64 Im Endeffekt werden beide an ihrem Potenzial gemessen, zur Rezeption zu motivieren und so Gewinn zu ermöglichen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten verringern die Spontanität und Veränderlichkeit des Erzählguts ungemein, zumindest wenn man sie mit den Möglichkeiten des Internets vergleicht. Dieser Kurzüberblick über die verschiedenen medialen Möglichkeiten, mit denen sich Erzählungen über die eigene Vietnamerfahrung umsetzen lassen, hat die Chancen dieser Prozesse ebenso darstellen können wie die Probleme. Während eine große Zahl solcher Quellen hergestellt wurde, stellte und stellt der Medienbetrieb an die Äußerungsversuche eines Kriegsbeteiligten sehr hohe Anforderungen. Aus unterschiedlichen Richtungen wirken Zwänge auf ihn und sein Produkt, denen er sich nie ganz entziehen kann. Die Autorinnen und Autoren, die sich solcher Darstellungen bedienen konnten, hatten dies meist ihrem Glück,
62 Vgl. Vincent McEveety, Sigmund Neufeld: Simon & Simon (TV-Sendung), CBS Broadcasting Inc.: USA 1981-1989; Ray Austin, Michael Vejar, u.a.: Magnum, P.I. (TV-Sendung), CBS Broadcasting Inc.: USA 1980-1988. 63 Vgl. z.B. John C. Bahnsen: American Warrior. A Combat Memoir of Vietnam, Citadel Press: New York, NY 2008. 64 Lewis Puller: Fortunate Son, Grove Weidenfeld: New York, NY 1991; Mimi Leder, John Sacred Young, u.a.: China Beach (TV-Sendung), American Broadcasting Company: USA 1988-1991.
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Talent oder individuellen Zugängen zu den Publikationsstrukturen zu verdanken. Eine für alle Kriegsbeteiligten offene Möglichkeit für solche Selbstäußerungen hatte es bisher jedoch noch nicht gegeben, was den Vergleich mit den Analyseergebnissen der virtuellen Quellen ganz besonders interessant werden lässt. Eine äußerst wichtige Form des Umgangs mit Kriegserfahrungen in Vietnam wurde bisher jedoch ausgeklammert, da sie sich von den hier dargestellten medialen Möglichkeiten stark unterscheidet: das physische Memorial. Die Memorials des Vietnamkriegs sind nicht nur bedeutend, weil sie für die Kriegsbeteiligten eine wichtige Rolle in ihren Gedenkpraktiken spielen. Sie tauchen in unterschiedlicher Form und Struktur immer wieder auf den Seiten der Kriegsbeteiligten auf und nehmen in ihrer gegenwärtigen Erinnerungskultur eine wichtige, oft zentrale Stellung ein.
Physische Memorials des Vietnamkriegs Der kollektive Umgang mit Kriegen und Kriegserfahrungen findet seit langer Zeit über physische Objekte statt, die gegenstands- oder ortsbezogen sein können. Solche Artefakte spielen im Umgang mit der Vietnamkriegserfahrung eine besondere Rolle, weshalb es wichtig ist, Zugänge zu ihren konzeptuellen Grundlagen zu finden. Das artefaktgebundene Erinnern soll hier in drei Aspekte aufgeteilt werden: Gedenkstätten, Denkmäler und Mahnmale. Gedenkstätten besitzen einen direkten Bezug zu Ereignissen der Vergangenheit, der sich meist durch ihren Konstruktionsort ergibt. Das Denkmal ist dagegen ein künstlich hergestellter Schnittpunkt des Erinnerns, der durch Artefakte ein „Gedächtnis der Dinge“ ermöglicht, oder wie es Detlef Hoffmann beschreibt, eine „vergegenständlichte Erinnerung“.65 Memorials – wie Denkmäler hier in Anlehnung an die amerikanische Gedächtnisforschung genannt werden sollen – addieren zu den Ereignissen der Vergangenheit fast immer Bewertungen und Inhalte, die bei Besucherinnen und Besuchern spezifische Effekte hervorrufen sollen. Mahnmale sind dementsprechend Artefakte, die an negative Ereignisse oder Handlungen erinnern sollen. Selten lassen sich die Begriffe aber so trennscharf abgrenzen. So enthalten Gedenkstätten oft Mahnmale, die sich als Denkmäler bezeichnen lassen.66 Moderne Denkmäler sind häufig in Erinnerungslandschaften eingepasst, die mit un-
65 Detlef Hoffmann: Gedächtnis der Dinge, in: Detlef Hoffmann (Hg.): Das Gedächtnis der Dinge, Campus Verlag: Frankfurt am Main 1998, S. 6-35, hier S. 7. 66 Vgl. Günter Morsch: Von Denkmälern und Denkmalen. Von Gedenkstätten und zeithistorischen Museen, in: Jürgen Danyel (Hg.): Die geteilte Vergangenheit, Akademie Verlag: Berlin 1995, S. 181-186, hier S. 183.
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terschiedlichen Inhalten verknüpft sein können. Der Begriff des Memorials erlaubt es, Inhalte des Gedenkens und des Ermahnens gleichermaßen zu berücksichtigen. Diese Flexibilität ist für den Umgang mit den Erinnerungspraktiken des Vietnamkriegs unerlässlich. Der amerikanische Umgang mit Gedenkstätten und Memorials hat sich immer wieder radikal gewandelt. Die puritanische Bildfremdheit und der Glauben an die Macht und Dauerhaftigkeit von Worten waren dafür verantwortlich, dass der „Memorial-Boom“ im Amerika des 19. Jahrhunderts starker Kritik ausgesetzt war.67 Dies galt ebenso für das Entstehen einer großen Gedächtnislandschaft im Herzen der amerikanischen Hauptstadt. Die Bereiche zwischen den Memorials von Ulysses S. Grant (1822-1885, Präsident 1869-1877) und Abraham Lincoln (1809-1865, Präsident 1861-1865) wurden unter Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945, Präsident 1933-1945) zu einer zusammenhängenden Erinnerungslandschaft umgestaltet, die die Grundlage für die heutige „National Mall“ bildet. Aus den vereinzelten Erinnerungsartefakten wurde etwas anderes geschaffen: „National memorials are now expected to be spaces of experience, journeys of emotional discovery, rather than exemplary objects to be imitated.“68 Memorials sind ebenso wie Erinnerungslandschaften Ziele politischer Aussagen und Aktivitäten. Der Erinnerungsraum der „National Mall“ verlockte wie jeder öffentliche Ort dazu, gefüllt zu werden. Zwei ikonische Ereignisse waren der Auftritt der afroamerikanischen Sängerin Maria Anderson im Jahr 1939 an der „Mall“, die so auf die Situation der Afroamerikaner in den USA aufmerksam machen wollte und die Ausrufung einer amerikanischen Gegenverfassung durch die „Black Panther“-Bewegung im Jahr 1970. Das wichtigste Memorial des Vietnamkriegs ist das sogenannte „Vietnam Veterans Memorial“ in Washington, D.C.69 Die Veteraninnen und Veteranen nennen das Memorial mit den schwarzen Granitplatten, auf denen die Namen der in Vietnam gefallenen Soldatinnen und Solda ten eingraviert sind, nur die „Wall“. Ihre Eröffnung in der „National Mall“ in Washington, D.C. im Jahr 1982 ermöglichte auf mehreren Ebenen einen bedeutenden Richtungsumschwung. Das erste Mal gab es in Amerika einen zentralen Anlaufpunkt, an dem sich die Einstellung 67 Vgl. Kirk Savage: Monument Wars: Washington, DC, the National Mall, and the Transformation of the Memorial Landscape, University of California Press: Berkeley, CA 2009, S. 5. 68 Ebd., S. 21. 69 Die Organisatoren und Unterstützer der Wall finden sich unter The Vietnam Veterans Memorial Fund: The Vietnam Veterans Memorial & Education Center, unter: The Vietnam Veterans Memorial Fund – Founders of The Wall, URL: http://www.vvmf.org/, Stand: 18.02.2013. Verwaltet wird die Wall wie alle Denkmäler vom National Park Service: Vietnam Veterans Memorial, unter: Vietnam Veterans National Memorial, URL: http://www.nps.gov/vive/index.htm, Stand: 18.02.2013.
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der Öffentlichkeit und die der Kriegsbeteiligten manifestieren und vermischen konnten. Die Orden, die während mehrerer Protestaktionen im Jahr 1971 frustriert auf das Weiße Haus geschleudert worden waren, ließen sich nun an einem gemeinsamen Memorial niederlegen.70 Die Wall wurde zu einem Symbol des Kriegs, das sich in den visuellen Medien abbilden ließ. Im schwarzen Marmor spiegelten sich das erste Mal Bürgerinnen und Bürger und Kriegsbeteiligte im offenen Gespräch. Dies ermöglichte nicht nur einen neuen Dialog zwischen unterschiedlichen Gruppen, sondern machte diesen Umstand national bekannt. Abbildung 3: Das „Vietnam Veterans Memorial“ am Vortag des „Veteran’s Day“ 2012. Im rechten Teil des Bildes sind die Sitzmöglichkeiten für die Zuhörerschaft zu sehen. Direkt gegenüber von diesen und in der Nähe des Apex des Memorials verlesen Freiwillige, Freunde und Angehörige der Toten die Namen auf der Wall.
Quelle: Autor.
Eine weitere Innovation stellt die Entstehungsgeschichte des Memorials dar. Die Initiative kam aus den Reihen der Veteraninnen und Veteranen, die bis zur Eröffnung einen weiten Weg hinter sich bringen mussten.71 Der auf Initiative des Veteranen Jan Scruggs gegründete „Vietnam Veterans Memorial“ Fund sammelte bereits seit dem Jahr 1979 Spenden und war schließlich erfolgreich darin, die Regierung davon zu überzeugen, dass ein Memorial in der „National Mall“ 70 Kristin Ann Hass: Carried to the Wall. American Memory and the Vietnam Veterans Memorial, University of California Press: Berkeley 1998, S. 7. 71 Ingrid Gessner: Kollektive Erinnerung als Katharsis? Das „Vietnam Veterans Memorial“ in der öffentlichen Kontroverse, Peter Lang: Frankfurt am Main 2000, S. 1.
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für den Vietnamkrieg notwendig und angemessen sei.72 Gegen den Entwurf, der jede Form der positiven oder negativen Bewertung den Besucherinnen und Besuchern überlassen sollte, regte sich schnell Widerstand. Dieser „black gash of shame“ (schwarzer Schlitz der Schande) schien manchen nur ein weiterer Schritt darin, die Veteraninnen und Veteranen anzuklagen und ihnen jede Anerkennung für ihren Dienst am Vaterland zu verweigern.73 Manche Spender wie der konservative Politiker Ross Perot akzeptierten den Entwurf nicht und zogen ihre Unterstützung zurück. Das Schicksal der Veteraninnen und Veteranen schien für sie in einem „degrading ditch“ in der Erde versteckt zu werden, während die anderen Memorials in der „Mall“ aus der Ferne leicht erkennbar waren.74 Der Entwurf für das Memorial wurde in einem blinden Verfahren von einem Gremium ausgewählt. Die Wahl fiel auf ein Design der damals einundzwanzig Jahre alten Studentin Maya Lin. Um die immer noch heftig geführten Auseinandersetzungen in den USA nicht zu intensivieren und das Memorial ganz auf die Bedürfnisse der Kriegsbeteiligten und Besucherinnen und Besucher anzupassen, wurde in der Ausschreibung jede politische Aussage zum Krieg ausgeschlossen. Das Memorial sollte allein der Versöhnung der amerikanischen Nation dienen. Der Entwurf beschränkte sich deshalb auf schwarze Granitplatten, in denen die Namen der Gefallenen eingraviert waren und in denen sich die Besucherinnen und Besucher widerspiegeln konnten. Jede Person war so in der Lage, eigene Interpretationen mitzubringen und sich am Memorial ganz der eigenen Erinnerung und Trauer zu widmen. Die Idee, ein apolitisches Memorial ohne Kernaussage zu schaffen, das allein die Heilung der persönlichen und nationalen Wunden förderte, scheiterte jedoch. Der angesprochene politische Druck sorgte dafür, dass das Memorial mehrmals um aussagekräftige Symbole erweitert wurde. Hinzugefügt wurden eine Plakette mit Widmung, ein Fahnenmast mit einer amerikanischen Flagge sowie zwei Figurengruppen. Das Grundkonzept einer Masse an Namen, die vom Apex der beiden Flügel des Memorials an chronologisch nach Todesdatum aufgelistet sind, lässt es nicht zu, eine dauerhafte Gesamtbedeutung des Vietnamkriegs festzuschreiben. Die Erweiterungen dagegen verbinden die Wall mit der nationalen
72 The Vietnam Veterans Memorial Fund: VVMF Homepage, unter: The Vietnam Veterans Memorial Fund – Founders of The Wall, URL: http://www.vvmf.org/aboutus, Stand: 18.02.2013. 73 Vgl. Anthony O. Edmonds (Hg.): The War in Vietnam (Greenwood guides to historic events of the twentieth century), Greenwood Press: Westport, CT 1998, S. 90. 74 Vgl. John D. Bee: The Vietnam Veterans Memorial as Controlling Symbol, in: Thomas F. Schneider (Hg.): „Postmoderne“ Kriege? Krieg auf der Bühne; Krieg auf der Leinwand, (Kriegserlebnis und Legendenbildung 3), Wenner: Osnabrück 1999, S. 785-794, hier S. 786.
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Idee der USA. Stolz und Ehre sind in der Flagge und in der Widmung repräsentiert. Die Figurengruppen geben dem Krieg ein spezifisches Gesicht. Die Frauen des Kriegs werden zu pflegend-helfenden Wesen, während die Männer nach getanem Dienst erschöpft, an Leib und Seele aber scheinbar heil, aus dem Dschungel treten. Der Tod im und nach dem Krieg erscheint so als ein Opfer, das für die Nation erbracht wurde, das geehrt und an das erinnert werden muss. Interpretationen des Kriegs aus anderen Blickwinkeln (strategisch, ethisch, politisch etc.) haben keinen Platz an der Wall. Aus diesem Grund wurde immer wieder vorgeschlagen, von zwei unterschiedlichen Memorials zu sprechen, die unterschiedlichen Zwecken dienen.75 Die Erweiterungen sind jedoch mehr als politische Kommentare. Sie repräsentieren eine Veränderung im Umgang mit dem Schicksal von Kriegsteilnehmerinnen und Kriegsteilnehmern, die ohne die Wall nicht möglich gewesen wäre. Die Soldaten der Figurengruppe sehen zur Wall, nehmen dabei aber keine heroische Pose ein. Aus ihrem Blick spricht Verwirrung und Erschöpfung und die Sehnsucht nach einem Ende, das ihnen von der Wall versprochen zu werden scheint. Die hinter der Figurengruppe im Boden eingelassene Inschriftentafel sagt nur aus, dass die Soldaten in Vietnam gedient haben. Die Nachwelt hat die Pflicht, sie zu ehren und zu erinnern, einer Bewertung ihres Dienstes entzieht sich diese offizielle Stellungnahme aber völlig. Abbildung 4: Nahaufnahme der Statue der drei Vietnamsoldaten. Die Soldaten blicken aus einer Baumgruppe in Richtung der Wall.
Quelle: Autor. 75 Vgl. z.B. Adrienne Gans: The War and Peace of the Vietnam Memorials, in: American Imago Nr. 4, 44 (1987), S. 315-330, hier S. 315.
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Abbildung 5: Das „Women’s Memorial“ besteht aus vier Figuren: drei Frauen und einem verwundeten Soldaten. Während eine der Frauen erschrocken zum Himmel blickt, starrt eine andere (nicht sichtbar) verzweifelt zu Boden. Die dritte drückt dem Soldaten eine Kompresse auf die Brust.
Quelle: Autor.
Den drei Frauen, die die Figurengruppe des „Women’s Memorial“ bilden, wird mehr zugestanden. Die mütterliche Figur, die einem tödlich verletzten Soldaten eine Kompresse auf die Brust drückt, wird umringt von zwei Kameradinnen, die verzweifelt zum Himmel und zu Boden blicken. Als Erweiterungen zwingen sie der Wall nicht nur zusätzliche Bedeutungen auf. Während das Memorial auf der Makroebene allen Gefallenen gleichermaßen gedenken soll, spitzen die Figurengruppen ausgewählte Kriegsbeteiligte zu spezifischen Archetypen zu. Die Männer erscheinen als erschöpfte Einzelpersonen, die keine Hinweise auf den Militärapparat geben, dessen Teil sie waren. Die drei Soldaten betonen die Rolle der Infanterie und marginalisieren gleichzeitig viele Aspekte der hochgradig technologischen Kriegsführung und all jener, die über diese am Krieg teilgenommen haben. Allerdings wird den Frauen neben der passiven Helferrolle keine weitere Aufgabe zugestanden. Zwei der Figuren sind ihren Emotionen ausgeliefert, während sich eine weitere um einen Verwundeten oder Toten kümmern ‚darf‘. Die
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Rolle der Veteraninnen wird durch das Memorial auf wenige Aspekte zugespitzt, die alle auf die männlichen Soldaten und ihren Kampf bezogen sind. Die emotionale Überforderung der Veteraninnen wird zum Hauptaspekt erklärt. Vor allem jedoch bleibt ihnen – anders an den drei Soldaten – ein hoffnungsvoller Blick in Richtung der Wall verwehrt. Abbildung 6: Die 19 Mann des „Korean War Veterans Memorial“ marschieren durch Büsche, die das unwegsame Gelände des Koreakriegs symbolisieren.
Quelle: Autor.
Der Einfluss der Wall zeigt sich deutlich im Konzept eines Memorials, das von ihr nur durch den Teich getrennt wird, der in gerader Linie vom „Washington Memorial“ zum „Lincoln Memorial“ verläuft: das „Korean War Veterans Memorial“. Die schwarzen Granitplatten zeigen keine Namen, sondern die eingravierten Gesichter unterschiedlicher Kriegsbeteiligter. Bei der Einweihung im Jahr 1995 waren einige der Dargestellten anwesend. Das Gedenken gilt deshalb den Lebenden und den Toten gleichermaßen. Das Besondere im Vergleich zur Wall ist aber die Figurengruppe direkt vor dieser schwarzen Wand. Neunzehn Stahlstatuen stellen eine Gruppe Soldaten auf dem Rückzug dar. Wie die Figurengruppe an der Wall sind sie mit großem Realismus dargestellt worden. Diese
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Soldaten dürfen die Strapazen des Kriegs deutlich in ihren Gesichtern zeigen. Neben Erschöpfung und Niedergeschlagenheit lassen sich ihre Gesichtsausdrücke ebenfalls als Angst und Verzweiflung interpretieren. Die Figuren marschieren nicht auf ein Memorial zu, das sie willkommen heißt, sondern an ihm vorbei in eine ungewisse Zukunft. Der letzte Soldat, der die Nachhut bildet, blickt sich erschrocken oder überrascht um, so als könnte er die Verfolger schon erkennen.76 Abbildung 7: Der letzte Soldat der Kolonne am „Korean War Veterans Memorial“ blickt erschreckt oder überrascht zurück ins ‚Kriegsgebiet‘.
Quelle: Autor.
Zwischen dem Ende des Koreakriegs und dem Abzug der Amerikaner aus Vietnam lagen genau 30 Jahre. Der ältere dieser Konflikte, die für Amerika beide unbefriedigend endeten, erhielt sein Memorial in Washington, D.C. erst dreizehn Jahre nach Vietnam. Das „Vietnam Veterans Memorial“ war das erste Memorial in der „National Mall“, das einem spezifischen Konflikt auf der Ebene der USamerikanischen Nation gedachte. Davor waren die meisten solcher Stätten für einzelne Einheiten, Gruppen oder Regionen Amerikas konzipiert und ausgeführt worden. Der Vergleich zwischen den beiden Memorials zeigt, dass die Entwicklung zu einer realistischeren Darstellung von Soldatinnen und Soldaten in der „Mall“ nicht nur als Zeichen einer einseitigen Betrachtung gesehen werden darf. Vielmehr eröffnen sich über die Statuen neue Wege, um mit dem Schicksal von Kriegsbeteiligten umzugehen und dieses innerhalb eines Konflikts zu verorten.
76 Vgl. Abbildung 7.
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Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Memorials ist aber, dass die Besucherinnen und Besuchern an der Wall den Namen die meiste Aufmerksamkeit schenken, während am Memorial des Koreakriegs die Figuren im Zentrum stehen. Die Bilder und Inschriften gedenken nicht nur der amerikanische Verluste, sondern ebenso denen der UN-Truppen, die am Koreakrieg beteiligt waren und deren Verluste die der amerikanischen Streitkräfte weit überstiegen. Die Wall jedoch ist und bleibt ein ganz und gar US-amerikanisches Memorial. In Amerika ist sie ein zentrales, aber bei Weitem nicht das einzige des Vietnamkriegs. Viele regionale Memorials wurden jedoch von ihr inspiriert und entstanden ebenfalls erst auf Initiative von Kriegsbeteiligten.77 Der Historiker Patrick Hagopian hatte während seiner Recherche 461 von ihnen in den USA gefunden, eine Zahl, die zum derzeitigen Zeitpunkt schon wieder veraltet sein wird.78 Es ist jedoch nicht möglich zu behaupten, dass die beiden genannten Memorials zum Modell der gegenwärtigen und zukünftigen gegenständlichen Erinnerung in Amerika werden müssen. Das im Jahr 2004 eröffnete „National World War II Memorial“ in der „Mall“ unterscheidet sich von ihnen radikal. Die Erinnerung an den „guten Krieg“ kommt ohne realistische Statuen aus und ist direkt auf die Linie zwischen Kapitol, „Washington Memorial“ und „Lincoln Memorial“ platziert worden. Das von Säulen und Fontänen geprägte Memorial ist damit lokativ in die zentrale amerikanische Geschichte integriert worden, während die beiden anderen Memorials zwischen Bäumen versteckt oder im Boden eingelassen an den ‚Rändern‘ des amerikanischen Selbstverständnisses situiert sind. Welche Form die Memorials aktuellerer Kriege in der „Mall“ annehmen werden, lässt sich noch nicht sagen. Daraus werden sich viele Rückschlüsse darauf ziehen lassen, wie stark die Wall den Umgang mit der Memorialisierung des Kriegs und der Kriegsbeteiligten beeinflusst hat. Für den französischen Historiker Pierre Nora ist jede Hochkonjunktur im Entstehen physischer Gedächtnisorte ein Zeichen dafür, dass sich eine Minderheit gegen offizielle, professionalisierte Geschichte zu wehren versucht: „Wo das verordnete und kollektive Gedächtnis suspekt geworden ist, regt sich auf unerwar-
77 Vgl. z.B. Permin Basin Vietnam Veterans Memorial Committee, Inc.: Honoring the Men and Women of West Texas Who Gave Thier Lives in Service, unter: Permian Basin Vietnam Veterans Memorial, URL: http://www.texasonline.net/pbvvm/, Stand: 18.02.2013; Philadelphia Vietnam Veterans Memorial Fund: It is our Duty to Remember, unter: Philadelphia Vietnam Veterans Memorial, URL: http://www.pvvm.org/, Stand: 18.02.2013. 78 Patrick Hagopian: The Vietnam War in American Memory: Veterans, Memorials, and the Politics of Healing, University of Massachusetts Press: Amherst, MA 2009, S. 5.
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tete Weise das individuelle und spontane Gedächtnis, wobei beide Arten des Erinnerns aber nicht mehr dieselben sind.“79 Für ihn ist das Überhandnehmen offizieller Geschichtsinterpretationen immer verbunden mit dem Niedergang eines ursprünglichen Erinnerns, das nicht auf Artefakte angewiesen war. Solche Artefakte und andere Aspekte erinnerter Inhalte sind seiner These nach die Punkte, an der sich die Identität einer Nation widerspiegelt. Aus den beiden ‚Registern‘ des Gedächtnisses (Nationalgedächtnis und Gruppengedächtnis) entsteht die kollektive Identität einer Nation.80 Seine Beispiele zur nationalen Formierung Frankreichs gehen dabei weit über Artefakte hinaus und beziehen Lieder, Personen und Ideen mit in die Definition ein. Die Grundidee bei der Errichtung der Wall war, dass dieses Memorial nur die Erinnerungsbedürfnisse der Veteraninnen und Veteranen, ihrer Angehörigen und der Besucherinnen und Besucher befriedigen sollte. Gerade durch die Situierung in der „National Mall“ aber erwies es sich als unmöglich, den Vietnamkrieg nicht ebenso in irgendeiner Form in die nationale Identität einzubinden. Der zentrale Aspekt dieser Einbindung ist die Idee, dass alle Soldatinnen und Soldaten für ihren Dienst geehrt und erinnert werden müssen. Die Reduktion auf die Namen hat dafür gesorgt, dass die Wall das erste ‚therapeutische‘ Memorial Amerikas geworden ist und damit ein Ort, an dem das Individuum mit sich und seiner Rolle als Kriegsbeteiligter ins Reine kommen soll.81 Diesem Ziel fällt jede wertende Auseinandersetzung mit dem Krieg selbst zum Opfer. Anders als das „World War II Memorial“ enthält die Wall keine Elemente, die sie sichtbar in die amerikanische Gesamtgeschichte einbetten. Der Preis für diese apolitische Konzeption, in der jeder Meinung ein Platz eingeräumt wird, ist hoch. Während das Memorial des Zweiten Weltkriegs dem Krieg als Ganzem gewidmet ist, konzentriert sich das Gedenken an der Wall ganz auf die Gefallenen. Das Opfer dieser Erinnerungsanstrengungen ist somit der Krieg selbst, der durch die Wall nur auf sehr eingeschränkte Weise repräsentiert wird.
79 Pierre Nora: Das Zeitalter des Gedenkens, in: Pierre Nora (Hg.): Erinnerungsorte Frankreichs, Beck: München 2005, S. 543-678, hier S. 563. 80 Ebd., S. 570. 81 Kirk Savage: Monument Wars: Washington, DC, the National Mall, and the Transformation of the Memorial Landscape, University of California Press: Berkeley, CA 2009, S. 261.
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Abbildung 8: Blick auf die dem Krieg im Atlantik gewidmete Hälfte des „World War II Memorial“ in Washington, D.C. am „Veteran’s Day“ 2012.
Quelle: Autor.
Die Bedeutung der Memorials für den Vietnamkrieg und für dessen Kriegsbeteiligte lässt sich dementsprechend in zwei Kernpunkten zusammenfassen. Auf der einen Seite ist für die Veteraninnen und Veteranen die Wall gleichbedeutend mit dem Erinnern an ihre lebenden und toten Kameraden. Da die Auseinandersetzung mit diesen im Netz ebenso wie jenseits davon zu den wichtigsten Zielen der Kriegsbeteiligten gehört, setzen sie sich mit diesen und anderen Memorials so intensiv auseinander. Auf der anderen Seite existiert mit der Wall das erste Mal ein physischer und ebenso symbolischer Ort, an dem die Kriegsbeteiligten das Gefühl haben können, nicht länger aus der Öffentlichkeit verbannt zu sein. Als offizielles Monument in der nationalen Gedächtnislandschaft in Washington, DC repräsentiert die Wall ein neues Selbstverständnis der Veteraninnen und Veteranen innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft. Die Erweiterung um zusätzliche Symbole und Figuren ehrt nicht nur die Gefallenen, sondern definiert die Identität der archetypischen Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts. Auf den Internetseiten, dies lässt sich jetzt schon sagen, stimmen die meisten Darstellungen mit diesen Archetypen überein. Die Wall wird hier deshalb so intensiv beschrieben, da sie auf den Internetseiten (wie sich noch zeigen wird) fast überall in Bild und Schrift vertreten ist. Mit großer Kreativität setzen die Autorinnen und Autoren sich und ihre Internetseiten mit dem Memorial in Beziehung, bilden es ab, virtualisieren es und nehmen es so in Besitz. Als virtualisiertes Artefakt ist die Wall plötzlich unglaublich flexibel einsetzbar und kann zerbrochen, verändert und völlig anders wieder zusammengesetzt werden. Ihre Verwendung lässt Rückschlüsse auf die Motive
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der Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer zu und lässt sich deshalb für die Beantwortung von Forschungsfragen heranziehen. Das Erzählen mittels virtueller Methoden muss davor aber in seinen wichtigsten Grundzügen durchdrungen worden sein.
Dritter Teil: Vietnamkrieg virtuell
Erzählen über Vietnam im Netz „Those who think the Vietnam War ended in April 1975 when North Vietnamese troops stormed the Presidential Palace in Saigon should take a trip on the World Wide Web.“1
Um Internetseiten als Quellen zu erschließen, muss auf der einen Seite ihre Medienspezifik beachtet werden, während gleichzeitig eine intensive Quellenkritik auf sie angewendet werden muss. Die dafür notwendige Ein- und Abgrenzung des Quellenkorpus muss aus der Fragestellung und aus den Eigenschaften der Quellen gleichermaßen abgeleitet sein. Ebenso wichtig ist dafür die Frage nach den internen Strukturen der Seiten sowie danach, wie diese untereinander verbunden sind. Um die Zusammengehörigkeit dieser Internetseiten begreifbar zu machen, sind solche Strukturprinzipien jedoch nicht genug. Die gemeinsame Erfahrung in Vietnam sowie das ständige Ringen darum, diese in einer virtuellen Umgebung zumindest teilweise darzustellen, sind zentrale Aspekte, durch die sich dieser Quellenkorpus konstituiert. All diese Aspekte werden in einer Reihe von quellenkritischen Schlussfolgerungen zusammengefasst, die sich zumindest teilweise auf den Umgang mit Erzähl- und Erinnerungsquellen im Internet verallgemeinern lassen sollen.
Die Quellengrundlage: Annäherung, Eingrenzung, Abgrenzung Als der Wissenschaftsberater der amerikanischen Regierung Vannevar Bush am Ende des Zweiten Weltkriegs seinen Blick in die Zukunft richtete, mussten die
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Thomas Myers: Walking Point. American Narratives of Vietnam, Oxford University Press: New York, NY 1988, S. 6.
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gewaltigen Wissenschaftsressourcen, die für die Kriegsanstrengungen unabdingbar gewesen waren, für zivile Zwecke erschlossen werden. Bush erkannte, dass das zentrale Problem der Wissenschaft nicht länger in der Beschaffung neuer Daten liegen würde: „The summation of human experience is being expanded at a prodigious rate, and the means we use for threading through the consequent maze to the momentarily important item is the same as was used in the days of square-rigged ships.“2 Die Verknüpfung und Referenzierung von Informationen erforderte so viel Aufwand, dass sich an dieser Stelle der ‚Flaschenhals‘ der modernen Forschung gebildet hatte. Bushs Vision war die Entwicklung einer mikrofilmbasierten ‚Wissensmaschine‘, die durch Verweise die Organisationsarbeit der stetig wachsenden Informationsmengen erleichtern würde. Die zentrale Idee dieses „MEMEX“ genannten Maschinenkonzepts war das, was heute als Link bezeichnet wird: eine gerichtete Verbindung unterschiedlicher Informationspartikel, die Zusammenhänge visualisieren oder erst herstellen konnte. Hypertext sollte nichtsequenzielle Informationsstrukturen zulassen und den Nutzerinnen und Nutzern mehrere Pfade bieten, zwischen denen diese wählen konnten. Der Link stellte den Knoten dar, der verschiedene Pfade und interaktive Möglichkeiten zur Verfügung stellte.3 Das Internet in seiner modernen Ausprägung ist nur noch theoretisch eine Ansammlung individueller Internetadressen. Die Zahl der Seiten, Unterseiten und Verweise macht es nahezu unmöglich, ohne die Hilfe einer Suchmaschine Seiten zu bestimmten Themen aufzufinden. Diese Form der Suche ist stark von den (meist geheimen) Algorithmen der Suchmaschinen abhängig, allen voran denen des Marktführers Google. Das von Lawrence Page entwickelte Page-RankVerfahren legt die relative Bedeutung einer Webseite im Internet fest, indem unter anderem die Links gezählt werden, die auf diese Seite verweisen.4 Die Annäherung an Internetseiten, die von Kriegsbeteiligten erstellt wurden und betreut werden, findet unter solchen Bedingungen statt. Eine Reflexion über Wege in das und durch das Netz, die von Forscherinnen und Forschern ebenso beschritten werden wie von anderen Nutzerinnen und Nutzern, ist deshalb unabdingbar.
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Vannevar Bush: As we may think, in: Athlantic Monthly Nr. 1, 176 (1945), S. 101108, hier S. 101. Vgl. für einen Überblick über diese frühen Konzepte Jakob Nielsen: Multimedia, Hypertext und Internet. Grundlagen und Praxis des elektronischen Publizierens, Vieweg: Braunschweig 1996. Google Inc.: Google Deutschland, unter: Google.com, URL: https://www.google.de/, Stand: 18.02.2013.
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Die Praktik des Browsing, also das entspannte und teils ziellose Durchstreifen des Internets, ist zu einer sprichwörtlichen Eigenschaft dieses Meta-Mediums geworden. Das chaotisch erscheinende Blättern in Büchern und virtuellen Inhalten ist als Lesestrategie (wieder-)entdeckt worden und beeinflusst zum Beispiel die Entwicklung neuer Lerninhalte.5 Anders als es die frühen Visionen über Hyperlinks gefordert haben, ist es heute nicht möglich, solche Bewegungsprozesse ohne weiteres nachzuvollziehen und zu visualisieren. Dieser Weg auf die Seiten von Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts steht den Nutzerinnen und Nutzern des Internets jederzeit offen. Forscherinnen und Forscher, die sich thematisch bereits vor der Suche festgelegt haben, müssen sich zwangsläufig an die Techniken der Suchmaschinen halten und dabei die Konsequenzen bedenken. Ein hoher Page-Rank kann für Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer entweder wünschenswert oder ökonomisch überlebenswichtig sein, je nach Zielsetzung ihrer Internetpräsenz. Die Manipulation der Ergebnisse ist deshalb ein alltäglicher Vorgang, mit dem sich alle Suchmaschinenbetreiber beschäftigen müssen. Die Grenzen zwischen Optimierungsversuchen im Rahmen des „search engine marketing“ und betrügerischer Täuschung der Suchmaschine verschwimmen dabei immer mehr.6 Je intensiver eine Seite vernetzt ist, desto größer ist die Chance, sie in einer Suchmaschine aufzufinden. Wer sich eine private Internetseite erstellt, hat zu solchen Methoden oft nur eingeschränkten Zugang. Er ist darauf angewiesen, dass seine Seite durch Verweise eine gewisse Bekanntheit erlangt und dass sich anschließend zwischen anderen Seiten und der seinen ein Netzwerk bildet, über das die meisten Besucherinnen und Besucher seine Angebote finden. Die Suche nach den Internetseiten für die vorliegende Untersuchung wurde deshalb so ausgeführt, wie andere Interessierte Zugang zu ihnen gefunden hätten. In die Suchmaschine Google wurden verschiedene Kombinationen aus den Begriffen „Vietnam“, „Vietnam war“, „veteran“, „participant“ und „Vietnam experience“ eingegeben. Alle vorherigen Stichproben hatten ausschließlich Seiten von US-Amerikanern oder Australiern ausfindig machen können, weshalb die eigentliche Suche auf die englische Sprache begrenzt wurde. Versuche, mithilfe digitaler Übersetzungsfunktionen vietnamesische Seiten mit ähnlichen Themen zu finden, blieben erfolglos. Alle gefundenen Seiten wurden katalogisiert und bildeten die Grundlage für den zweiten Teil der Suche. Dabei wurden nur noch die auf den Seiten zur Verfügung gestellten Links benutzt, um thematisch ähnliche Seiten ausfindig zu machen.
5 6
Vgl. Rolf Schulmeister: Grundlagen hypermedialer Lernsysteme, 4. Auflage, Oldenbourg: München 2007, S. 273. Für einen Überblick über search enginge marketing vgl. Brian Clifton: Advanced Web Metrics with Google Analytics, John Wiley & Sons: Indianapolis, IN 2012, S. 432.
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Manche Seiten waren von ihren Besitzerinnen oder Besitzern außerdem in Webringen oder auf Linkseiten eingetragen worden. Beides sind grundsätzlich nichts anderes als Listen, auf denen eine Webseite aufgeführt werden kann, wenn der Verwalter dieser Linkseite es erlaubt. Da die Einträge freiwillig erfolgen, wurden diese Seiten ebenfalls durchsucht und ausgewertet. Diese Form der Suche ließ sich relativ unabhängig von etablierten Suchmaschinen fortführen. Gleichzeitig waren die vorgefundenen Links auf den Seiten bereits Auswahlprozessen unterworfen worden, die sich im Nachhinein nur schwer nachvollziehen lassen. Der nächste Schritt der Suche und der Ordnung des entstehenden Quellenkorpus speiste sich aus der Fragestellung, die sich mit den Beiträgen von Individuen über ihre Kriegs- und Lebenserfahrung beschäftigt. Grundsätzlich sollten keine Seiten in den Korpus aufgenommen werden, auf denen die Kriegsbeteiligten nur als Teil einer Organisation in Erscheinung treten. Dazu gehören unter anderem die zahlreichen Veteranenorganisationen oder Seiten von Kampfeinheiten, deren Inhalte über die Teilnahme am Vietnamkrieg hinausgehen. Die Recherche zeigte, dass auf diesen Seiten die Agenda der Organisation alle anderen Erinnerungsanstrengungen überlagert. Auf den Seiten der Kriegsbeteiligten spielen solche Organisationen eine überraschend geringe Rolle.7 Aus denselben Gründen wurden Organisationen ausgeblendet, die sich nicht ausschließlich mit dem Vietnamkrieg beschäftigen und auf denen er nur ein Konflikt unter vielen ist.8 Dasselbe gilt für akademische Oral History-Projekte, die die Aussagen von Kriegsbeteiligten sammeln und edieren. Zum Zeitpunkt der ersten Suche (Stand: 10.04.2010) ließen sich 930 gefundene Seiten in folgende Grobkategorien einteilen: 29 Seiten waren auf den Vietnamkrieg spezialisierte Webringe und auf 21 Seiten erinnern sich die Autorinnen und Autoren, indem sie Kriegsgerät aus ihrer Dienstzeit darstellten. 119 Seiten beschäftigten sich auf unterschiedliche Weise mit den Memorials des Kriegs und 314 Seiten vor allem mit der sogenannten POW/MIA-Frage.9 240 Seiten konzentrierten sich auf Kampfeinheiten, 22 Seiten dienten als Verkaufsplattform, 7
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Die wichtigste Organisation mit zahlreichen Außenstellen in Amerika sind die Vietnam Veterans of America: Welcome Page, unter: Vietnam Veterans of America, URL: http://www.vva.org/, Stand: 18.02.2013. Zum genannten Zeitpunkt waren über 650 lokale Außenstellen registriert. Ein Beispiel dafür wären die Beiträge im International War Veterans Poetry Archive: IWVPA Home Page, unter: International War Veterans Poetry Archives, URL: http://iwvpa.net/index.php, Stand: 18.02.2013. Die Annahme, dass Kriegsgefangene (POW = „prisoner of war“) und Vermisste (MIA = „missing in action“) immer noch in Vietnam versteckt sind oder bis heute verschwiegen werden, ist unter den Autorinnen und Autoren weit verbreitet. Jeder Soldat, der als „missing in action“ (MIA) gemeldet ist, ist ein potenzieller „prisoner of war“ (POW). Meist wird auf Verschwörungen verwiesen, um diesen Umstand zu er-
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171 Seiten ließen sich nicht in eine der Kategorien einteilen und 14 Seiten wurden unverändert nach dem Tod eines Kriegsbeteiligten von dessen Angehörigen weiterverwaltet. Eine andere Möglichkeit der Abgrenzung lässt sich aufgrund der Fragestellung durchführen. Wenn der Umgang mit der Veteranenidentität im Mittelpunkt der Betrachtung steht, muss jede Seite aus der Perspektive eines Kriegsbeteiligten verfasst worden sein. Die Autorin oder der Autor muss zumindest in Teilen greifbar und erfassbar werden. Es muss klar erkennbar sein, dass die Seite primär durch seine (oder ihre) Anstrengungen erstellt, organisiert und verwaltet wird. Im Internet lassen sich Kollaborationen relativ leicht umsetzen, für die Untersuchung der persönliche Erfahrungsverarbeitung ist es aber notwendig, dass ein einzelner Kriegsbeteiligter der Ausgangspunkt für solche Aktivitäten ist. Die Seiten von Angehörigen werden deshalb nur dann erfasst, wenn diese an den Seiten keine weiteren Änderungen durchführen. Den Begriff der Internetseite zur Quantifizierung eines Quellenkorpus zu verwenden birgt viele Probleme in sich. Durch die beliebige Erweiterbarkeit einer Internetseite ist der Umfang der tatsächlichen Inhalte kaum zu erfassen. Bei Stichproben wurden Seiten gefunden, auf denen nur mit wenigen Sätzen und Bildern versucht wurde, den eigenen Hintergrund als Kriegsbeteiligter zu thematisieren. Am anderen Ende des Spektrums finden sich Seiten wie die des australischen Veteranen Ern Marshall.10 Diese umfasst ca. 1712 DIN A4 Seiten reinen Text, dazu kommen mehr als 10.000 Bilder sowie eine umfangreiche Sammlung an Dokumenten, Zeitungsausschnitten und digitalisiertem Tonmaterial. Solche Sammelleidenschaft lässt sich im Netz besonders gut organisieren, da man selbst relativ unkompliziert Informationen aus unterschiedlichen Quellen einfügen kann. Die Quantifizierung der Internetseiten ist deshalb eher dazu geeignet, zu erfassen, wie viele Einzelpersonen diese spezielle Form der Vietnamseiten betreuen. Mehrere hundert Seiten konnten deshalb nicht in den Quellenkorpus aufgenommen werden, weil nicht genug Informationen für die Beurteilung zur Verfügung standen, ob es sich tatsächlich um einen Kriegsbeteiligten handelte. Die spezifischen ästhetischen und strukturellen Eigenschaften des Erzählens und der Inhalte waren in vielen Fällen nicht Beweis genug. Selbst detaillierte Berichte aus dem Kriegsgebiet wurden oft ohne genauere Identifikation der Autorin oder des Autors ins Netz gestellt. Dieser Quellenbestand blieb dabei nie statisch, sondern erweiterte oder verringerte sich während der Recherche ständig. Immer klären – abwechselnd (oder gleichzeitig) bezogen auf die amerikanische oder vietnamesische Regierung. Vgl. H. Bruce Franklin: M.I.A. or Mythmaking in America, L. Hill Books: Brooklyn, NY 1992. 10 Ern Marshall: The Master Index, unter: The Australian Involvement in Vietnam, URL: http://www.hotkey.net.au/~marshalle/, Stand: 18.02.2013.
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wieder mussten Seiten aus dem Quellenkorpus entfernt werden, weil sich herausgestellt hatte, dass sie nicht alle Voraussetzungen erfüllen konnten. Nur in zwei Fälle ließ es sich nachweisen, dass eine Seitenbesitzerin und ein Seitenbesitzer keine Kriegsbeteiligten waren, sondern ihre Erfahrungen nach dem Krieg in Vietnam und Amerika gemacht hatten. Eine erneute Suchmaschinenrecherche wurde nicht mehr durchgeführt, die Erweiterung fand allein über die internen Links der Seiten statt. Für den Quellenbestand wurden die Einheitenseiten ausgeschlossen und die Webringe und Verkaufsseiten nur dann rezipiert, wenn sie neben ihren anderen Funktionen die individuellen Erinnerungen einer Einzelperson enthielten. So ergab sich für diese Untersuchung ein Quellenbestand von 661 Internetseiten. Jede Internetseite bietet heute die Möglichkeit, unterschiedliche Medienund Kommunikationsformen einzubinden. Die Foren und Chaträume auf den untersuchten Seiten waren fast immer für Besucherinnen und Besucher gesperrt und richteten sich alleine an eingeladene Kriegsbeteiligte und einen kleinen Kreis von Bekannten. Der Umgang mit den vergangenen Erfahrungen auf den relativ statischen Teilen der Seite (soweit eine Internetseite als statisch bezeichnet werden kann), schien sich dagegen oft an ein breiteres Publikum zu richten. Es hat sich jedoch bald herausgestellt, dass eine direkte Kommunikation mit Laien von den Seitenautorinnen und Seitenautoren nur unter spezifischen Bedingungen gewünscht wird. Das Konzept der Webseite zur Rahmung und Definition von Einzelquellen zu verwenden, ist notwendig, aber problematisch. Das Netz hat keine Grenzen und sichtbare Eigenschaften wie Internetadressen sind nur selten aussagekräftig. Ob die Autorinnen und Autoren sich und andere als einen gemeinsamen oder zumindest durch ähnliche Methoden, Hintergründe und Ziele verbundenen Teil des Internets sehen, ließ sich nicht nachweisen. Die Überlappungen auf den Seiten basierend auf Form, Inhalt und Erzählmethoden sind für sich genommen noch kein Hinweis darauf, dass sich so etwas wie ein gemeinsames Verständnis unter den Autorinnen und Autoren gebildet hat. Eine Raummetapher zu verwenden war von Anfang an ein Ziel der Untersuchung, ließ sich aber letztlich nicht rechtfertigen. Viele Grenzziehungen dieser Art entstehen aus der Forschungsfrage und aus der Rezeption der Seiten als Feld im Sinne der Feldforschung durch die Forscherinnen und Forscher. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, das die Veteraninnen und Veteranen miteinander verbindet, ist nicht im Internet entstanden. Einen „Vietnam Experience Story Space“ oder „Raum der kollaborativen Vietnamerfahrungsverarbeitung“ zu postulieren oder zu konstruieren hätte die Möglichkeit bieten können, über die Metapher der räumlichen Struktur Grenzziehungen durchzuführen. Dies hätte jedoch weder der Struktur des Internets
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noch der individualistischen Natur der Seiten Rechnung getragen. Dem Quellenkorpus soll deshalb als Überbegriff kein spezifischer Name zugewiesen werden, der solche Vernetzungen impliziert. Der Quellenkorpus konstituiert sich also auf mehreren Ebenen. Seine Zusammenstellung beruht auf den internen und externen Strukturierungsmethoden, die von den Autorinnen und Autoren selbst angewendet werden. Der Link ist dabei nur eines der Merkmale des Internets, das diesen Prozessen zugrunde liegt. Die Formierung und Verknüpfung der Seiten ist deshalb trotz großer Freiheiten von der Medienspezifik des Internets abhängig. Eines der wichtigsten Abgrenzungsmerkmale ist jedoch inhaltlich. Gemeinsame Erfahrungen und Meinungen scheinen nicht nur die Autorinnen und Autoren bei ihren Verknüpfungsanstrengungen zu beeinflussen, sondern sind ebenfalls für die wissenschaftliche Konstruktion des Quellenkorpus von großer Bedeutung. Auf dieser Ebene ist die nicht nur für die Volkskunde wichtige Idee des „follow the actors“ eine der wichtigsten Handlungsanleitungen gewesen. Die Autorinnen und Autoren bedienen sich dieser Eigenschaften und werden im Gegenzug in ihren Handlungen und Aussagen von ihnen beeinflusst. Für die Besucherinnen und Besucher dagegen sind diese Linkstrukturen der Weg auf und durch die Seiten des Quellenkorpus. Egal wie groß die Datenmenge tatsächlich ist, die Links beschränken den Zugang und sorgen dafür, dass manche Informationen nur unter Schwierigkeiten aufzufinden sind. Die tatsächlichen ‚Wege‘, die die Besucherinnen und Besucher entlang dieser Links wählen, unterscheiden sich oft stark voneinander und lassen sich nur schwer nachvollziehen. Ihre Auswahlmöglichkeiten wurden jedoch durch die Festlegung dieser Verknüpfungen bereits vorgegeben.
‚Wege‘ in und durch die Internetseiten: Strukturen Unabhängig davon, welchen der beschriebenen ‚Wege‘ sich die Besucherinnen und Besuchern wählen, für den ersten Schritt wird ihnen bereits eine größere Auswahl an möglichen Seiten zur Verfügung stehen. Manche Seiten wie Vietvet.org tragen unterschiedliche Texte, Gedichte, Bilder, Erinnerungen und Information zusammen, während andere wie A Green Lieutenant ausschließlich Ausschnitte aus den Erlebnissen eines einzelnen Offiziers darstellen. 11 Egal ob man 11 Bill McBride: VietVet, unter: Vietnam Veterans Home Page, URL: http://www. vietvet.org/, Stand: 19.02.2013; Autor unbekannt: Me, unter: A Green Lieutenant, URL: http://www.geocities.com/effbee.geo/Tempg2.htm, Stand: 11.06.2009, Offline seit: 21.09.2010.
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als Eintrittspunkt den Vietnam Survivors Forum Webring oder eine Liste an Suchergebnissen wählt, den Besucherinnen und Besuchern ist es grundsätzlich selbst überlassen, Kategorien für die Seiten zu bilden und sich thematische Ordnungssysteme zu erstellen.12 Mehrere Strukturformen existieren deshalb nebeneinander. Die erste Ebene ist die ‚künstliche‘ Strukturierung der Internetseiten in den Ergebnissen einer Suchmaschine. Diese spontane, fluktuierende Strukturierung verknüpft die Seiten aufgrund von Schlüsselwörtern und Links und existiert nur in der Momentaufnahme der Einzelsuche. Auf den Linklisten und in den Webringen manifestiert sich der strukturierende Wille der Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer in unterschiedlichem Ausmaß. Die thematische Ausrichtung eines Webrings wie des genannten Vietnam Survivors Forum Webring ist in der Praxis viel breiter, als man annehmen könnte. In den meisten Fällen bieten Betreiber wie Ringsurf die Möglichkeit zum Aufbau eines eigenen Webrings kostenlos an, der dann beliebig gestaltet werden kann.13 Diese Form der Strukturierung stellt den potenziellen Besucherinnen und Besuchern mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um die einzelnen Seiten aufzusuchen. Sie können auf der Hauptseite eines Webrings die Gesamtliste der eingetragenen Anbieter einsehen. Die Bezeichnung Webring stammt jedoch von der wichtigsten Form der Navigation. Jede Seite kann mehrere Schaltflächen integrieren, die sich einer räumlichen Ringmetapher bedienen. Die Besucherinnen und Besucher können nach ‚links‘ oder ‚rechts‘ weiterreisen, um so die anderen Seiten des Webrings in einer Reihenfolge zu besuchen, die ebenfalls von der Besitzerin oder dem Besitzer des Webrings festgelegt werden kann. Ein Webring ist deshalb nicht nur ein Repositorium für die Seiten, sondern er lässt sich direkt in diese integrieren und so die Verknüpfungen unabhängig von der Hauptseite nutzbar machen. Eine Zusatzfunktion ist die Möglichkeit, auf der Hauptseite des Webrings die Seiten der Kriegsbeteiligten zu bewerten. Wer diese Möglichkeit nutzt, lässt sich nicht nachvollziehen, was eine ganz eigene Form der Suchoptimierung ermöglichen kann.
12 Dale Catron: VSN Mainsite, unter: Vietnam Survivors Forum Webring, URL: http:// www.qsl.net/kb9pqm/vsn.html, Stand: 19.02.2013. 13 Vgl. z.B. Operation Just Cause: Operation Just Cause... for as long as it takes, unter: Operation Just Cause Ring, URL: http://www.ojc.org/ring/, Stand: 19.02.2013; Autor unbekannt: POW/MIA Freedom Fighters – Add your site!, unter: POW/MIA Freedom Fighters Community, URL: http://www.ringsurf.com/ring/powmiaff/, Stand: 19.02. 2013. Die Veteraninnen und Veteranen verwenden aber auch andere Betreiber wie z.B. Webring, Inc.: WebRing: Collborate with like minded people, unter: Webring.org, URL: http://dir.webring.com/rw, Stand: 19.02.2013.
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Abbildung 9: Der Operation Just Cause Webring ist nur einer unter vielen Webringen, die sich mit dem Thema der POW/MIAs beschäftigen. Durch das Einfügen solcher Banner in eine Seite können die Besucherinnen oder Besucher andere Seiten des Webrings erreichen, ohne dessen Hauptseite besuchen zu müssen.
Quelle: Operation Just Cause: Operation Just Cause... for as long as it takes, unter: Operation Just Cause Ring, URL: http://www.ojc.org/ ring/, Stand: 19.02.2013.
Die inhaltliche Ausrichtung der Seiten wird von vielen Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzern relativ flexibel behandelt. Selbst der oben genannte Viet Nam Survivors Webring enthält Seiten wie die der International Brotherhood of Walking Wounded, die eine Anlaufstelle für körperlich und seelisch versehrte Menschen aus unterschiedlichen Kriegen sein möchte.14 Die wichtigste Gemeinsamkeit der meisten Webringe ist der Krieg und die Kriegserfahrung US-amerikanischer Bürgerinnen und Bürger. Webringe, die sich auf Seiten über die Vermissten des Vietnamkriegs spezialisiert haben, nehmen durchaus Seiten auf, die sich mit
14 Autor unbekannt: IBOWW Homepage, unter: International Brotherhood of Walking Wounded, URL: http://iboww.org/, Stand: 02.08.2010, Offline seit: 19.02.2013.
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POW/MIA-Fällen aus anderen Kriegen Amerikas beschäftigen.15 Die Top 100 Seiten funktionieren ähnlich wie die Webringe, nur dass sie sich keiner Raummetapher bedienen. Im Zentrum steht wie z.B. auf der Seite Eagles Top 100 Military Sites eine Rangliste, deren Abfolge durch unterschiedliche Methoden ermittelt werden kann.16 Bei dem genannten Beispiel sind es die durchschnittlichen Besucherzahlen der Webseiten, die die Reihenfolge in der Rangliste festlegen. Es sind aber ebenfalls direktere Ermittlungsmethoden möglich, bei der z.B. die Besucherin oder der Besucher eine Stimme für eine Seite abgeben muss. Hier sind es wieder kostenlose Dienste, die sich über Werbung finanzieren und die von den Kriegsbeteiligten genutzt werden.17 Zusammengefasst zeigt sich bei dieser Form der selbstorganisierten Strukturierung, dass militärische Erfahrung und militärischer Hintergrund eines der zentralen konstituierenden Elemente der Seitenverknüpfung darstellen. Kriegsbeteiligte wie der Fotograf Neil Ulevich äußern sich oft sehr professionell über ihre Vietnamerfahrung, ihre Seiten müssen aber fast immer über Suchmaschinen ausfindig gemacht werden. Ulevich stellt sich nicht als Vietnamveteran dar, sondern als Fotograf.18 In den Webringen lassen sich Seiten wie die seine deshalb nicht wiederfinden. Die Gründe für diese Prozesse von Inklusion und Exklusion sind vielfältig und lassen sich erst im Verlauf der Quellenanalyse nachweisen. Die neuen Möglichkeiten des Internets lassen jedoch sehr differenzierte und flexible Formen der Seitenverknüpfung zu, die zeigen, welchen Teil der Vietnamerfahrung diese Autorinnen und Autoren als konstitutiv für ihre Gruppenkonstruktionen ansehen und welchen sie ausblenden. Auf den Seiten selbst findet sich neben den üblichen Hyperlinks eine besondere Methode der Vernetzung. Die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer erstellen kleine Bilder, die sie als „awards“ bezeichnen und untereinander austauschen. Diese Kleinstgrafiken sind meist GIF-Dateien („graphics interchange format“), die als Auszeichnungen an andere Seiten verliehen werden. Die Seite Deta114 bekam im Oktober 2004 den „Vietnam site award“ von der Seite Old Sarge verliehen. Auf dem „button“ ist die Figurengruppe des „Vietnam Veterans Memorial“ in Washington, D.C. zu sehen, hinter der ein Himmel im Morgen-
15 Vgl. z.B. Autor unbekannt: Operation Black Flag – Add your Site!, unter: Operation Black Flag Webring, URL: http://www.ringsurf.com/ring/opblkflg/, Stand: 19.02.2013. 16 Tom Clampitt: The List, unter: Eagles Top 100 Military Sites, URL: http://www. ultimatetopsites.com/entertainment/warrior11/, Stand: 19.02.2013. 17 Vgl. z.B. Autor unbekannt: Ultimate Topsites Main Directory, unter: Ultimate Topsites, URL: http://www.ultimatetopsites.com/, Stand: 19.02.2013. 18 Neal Ulevich: Vietnam Photos, unter: Vietnam Memories, URL: http://www. watermargin.com/vietmain/vietnam.html, Stand: 19.02.2013.
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oder Abendrot zusammen mit der amerikanischen Flagge abgebildet ist. Das Besondere an diesen „awards“ ist, dass sie die Seiten nicht nur auf der persönlichen Ebene (durch die Verleihung) verbinden. Die meisten dieser Grafiken enthalten einen Link zu der Seite, die ihn verliehen hat. Das bedeutet, dass die gegenseitige Anerkennung unter den Seiten zu stärkeren Verweisstrukturen führt, die ihre Stellung in den Suchergebnissen verbessert. Je mehr Seiten die eigene Auszeichnung annehmen und einfügen, desto mehr Verweise stehen für die Verbesserung des eigenen Page-Ranks zur Verfügung. Solche „awards“ stammen nicht ausschließlich von anderen Veteraninnen und Veteranen. Die Angehörige eines vermissten Vietnamsoldaten Janet O’Reilly bedient sich ebenfalls solcher „awards“, um ihren Dank dafür auszudrücken, dass die Kriegsbeteiligten das Thema ‚ihres‘ Kriegs weiter im Internet behandeln.19 Abbildung 10: Der „Old Sargeʼs Vietnam Site Award“ wurde vom Seitenbesitzer an die Seite Deta114 verliehen und wird dort stolz präsentiert. Wie bei vielen solchen Auszeichnungen ist die Herstellungsqualität kein Maßstab für die Wertschätzung, die der Kleinstgrafik von ihrem Empfänger entgegengebracht wird.
Quelle: Autor unbekannt: Awards Page, unter: Detachment A114, 1st Special Forces Group, URL: http://www.deta114.org/documents/awards.htm, Stand: 19.02.2013.
Die „awards“ sind ein wichtiges Werkzeug für die strukturelle Vernetzung der Seiten. Sie verlinken die Seiten nicht nur, sondern drücken wichtige Inhalte aus, die beide Seiten miteinander teilen. Viele beinhalten vietnamkriegsrelevante Bilder oder beziehen sich auf militärische Aspekte. Der „award“ namens „Amgrunt’s Award of Excellence“ zeigt einen Krokodil-Panzer-Hybriden vor gelbem Hintergrund, der mit gefletschten Zähnen den Schwanz hin- und herwirft.20 Solche martialischen „awards“ sind schnell hergestellt und lassen sich einfach per E-Mail weiterversenden.
19 Janet O’Reilly Herron: O’Reilly-Fire – Welcome Home, unter: O’Reilly-Fire – Heroes Carved in Stone, URL: http://www.oreilly-fire.com/, Stand: 19.02.2013. 20 Brad Jimerson: Awards Page, unter: Gunner Jim’s Page, URL: http://www.angelfire. com/ny5/jimerson/Gunaward.htm, Stand: 19.02.2013.
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Abbildung 11: Der Link dieser stolz präsentierten Auszeichnung führte seit Anfang 2014 ins Leere.
Quelle: Brad Jimerson: Awards Page, unter: Gunner Jimʼs Page, URL: http://www.angelfire.com/ny5/jim erson/Gunaward.htm, Stand: 19.02.2013.
Die Einfügung des Links ist dann Sache des Empfängers. Seiten wie die des Veteranen Gunner Jim, auf der sich der „award“ finden lässt, widmen den Auszeichnungen lange Bereiche, in der sie diese stolz präsentierten. Anders als Webringe, Linkseiten oder ähnliche Organisationsmethoden unterliegen diese Bilder vollständig der Kontrolle der Seitenautorinnen und Seitenautoren. Ihr Austausch wird von den Veteraninnen und Veteranen aktiv gefördert.21 Interessanterweise gibt es keine Negation dieser Vorgehensweise, also z.B. Listen mit Seiten, von deren Besuch abgeraten wird. Die Kleinstgrafiken ermöglichen es, auf inhaltlicher Ebene Gemeinschaft zu konstituieren. Viele Symbole kann nur die oder der Eingeweihte wirklich verstehen und deuten, vor allem jene, die militärische Insignien oder Fachbegriffe enthalten. Die „awards“ sind deshalb über ihren Zweck als technische Verknüpfung weit hinaus bedeutend. Eine Gruppe von Menschen, deren Selbstdarstellung ihrer Meinung nach immer durch Staat und Gesellschaft marginalisiert wurde, kann sich auf diese Weise selbst aufwerten. Die visuellen Ähnlichkeiten zu Einheitenabzeichen, Uniformaufnähern und Orden verstärken noch einmal den militärischen Hintergrund und die implizite Bedeutung der „awards“. Solche Grafiken sind keine Erfindung der Seitenautorinnen und Seitenautoren, aber sie bedienen sich ihrer in auffällig großer Zahl. Damit wird nicht nur die Abhängigkeit 21
Vgl. als Beispiel die Aufforderung „I Want Your Banner!“ (die ebenfalls als Grafik gestaltet ist) auf der Seite von Larry Stanberry: Welcome to the Soldiers of the Cross Ministry, unter: Soldiers of the Cross Ministry, URL: http://sotcm.www5. 50megs.com/, Stand: 19.02.2013.
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von der Anerkennung durch die amerikanische Öffentlichkeit teilweise überwunden, sondern gleichzeitig die Oberhoheit über die Bewertung ‚korrekter‘ Äußerungen über den Vietnamkrieg eingefordert. Wie gezeigt werden konnte, existieren eine Fülle von Möglichkeiten, mit denen sich die Webseiten erreichen und rezipieren lassen. Die Autorinnen und Autoren schätzen jedoch vor allem jene Methoden, die sie frei gestalten können und die auf inhaltlichen Gemeinsamkeiten basieren. Während die „awards“ nur ein Teil dieser Verknüpfungsanstrengungen sind, repräsentieren sie diese Absichten besonders intensiv. Die Verwendung von Webringen lässt sich ähnlich selbstbestimmt organisieren. Der jeweilige Webring kann von einem Kriegsbeteiligten selbst gestaltet werden und die Navigationsoberflächen sind direkt in die persönlichen Seiten integrierbar. Selbstbestimmung und Eigeninitiative ist in fast allen Strukturierungsmethoden also ein entscheidender Faktor. Neben solchen Methoden der Verlinkung und inhaltlichen Annäherung existieren jedoch noch andere Möglichkeiten, über die sich eine virtuelle Erzählgemeinschaft konstituieren lässt.
Konstituierende Elemente einer virtuellen Erzählgemeinschaft Eine Besucherin oder ein Besucher, die oder der sich noch nie mit dem Vietnamkrieg auseinandergesetzt hat, wird auf den Seiten der Kriegsbeteiligten schnell darauf stoßen, dass immer wieder Expertenwissen vorausgesetzt wird. Vieles davon stammt aus dem militärischen Umfeld oder bezieht sich auf spezifische Ereignisse und Schauplätze des Kriegs. Die geteilte Erfahrung als Erzählgrundlage schlägt sich auf den Seiten in unterschiedlichen Formen nieder, die ästhetisch und inhaltlich bestimmt sein können. Die Autorinnen und Autoren stellen manchmal ein Glossar zur Verfügung, das die wichtigsten Begriffe aufschlüsselt. Der Gesamteindruck auf den Seiten des Quellenkorpus bleibt jedoch, dass dieses Sprechen sich an jene richtet, die mit den Grundlagen der Kriegserfahrung und der spezifischen Vietnamerfahrung vertraut sind. Die Autorinnen und Autoren selbst betonen häufig, dass sie Laien und Unbeteiligten den Zugang zu ihren Seiten erleichtern wollen. In der Praxis bleibt dies jedoch nur ein Anspruch. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie auf den Seiten Gemeinsamkeit geschaffen wird und welche Gruppen dabei besonders angesprochen werden. Im therapeutischen Bereich hat sich die Meinung durchgesetzt, dass der Austausch mit Personen mit einer ähnlichen Erfahrungsbasis positive Auswirkungen
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haben kann. Wie im Zusammenhang mit der Traumaforschung bereits kurz angesprochen waren schon in den 1980er Jahren verschiedene Studien zu diesem Ergebnis gekommen. Die vom „National Institute for Mental Health“ sowie der „Veteran’s Administration“ geförderte Studie von Boulanger und Kadushin untersuchte die Vorteile von professionell betreuten Gesprächsgruppen („rap groups“). Hier war der Zugang zu den Kriegsbeteiligten für die Forscherinnen und Forscher relativ einfach und der Austausch fand unter therapeutischer Aufsicht statt.22 Für viele waren diese Gruppen die erste Gelegenheit, Gesprächspartner mit gemeinsamer Erfahrungsbasis zu finden. Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen darauf hin, dass ein Sprechen mit Laien über die eigenen Erfahrungen viel weniger effektiv für den Heilungsprozess ist. Neben den Verständigungsschwierigkeiten liegt dies vor allem daran, dass sich die Gesprächspartner mit den Kriegsgeschichten überfordert fühlen: „On the other hand, nonveterans may have a great deal of difficulty in listening to accounts of combat trauma; their reaction is to send combat veterans away to talk to professional listeners.“23 Für Albrecht Lehmann führt die Unmöglichkeit, im sozialen Umfeld über etwas sprechen zu können, unweigerlich zu der Unmöglichkeit, privat über das Thema nachzudenken.24 Im Bereich der geteilten Erfahrung wurde immer versucht, eine Kriegserfahrung zu konstruieren, die sich über alle menschlichen Konflikte erstreckt. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen lesen sich ähnlich wie die Meistererzählungen, die aus der Literatur des Vietnamkriegs herausgearbeitet wurden. Die Autorinnen und Autoren des Buches Parallels haben während ihrer therapeutischen Arbeit mit (rein männlichen) russischen und amerikanischen Veteranen versucht, eine Kategorisierung von Gemeinsamkeiten dieser therapeutischen ‚Männergemeinschaft‘ vorzunehmen:25 • Als Neuankömmlinge mussten die Soldaten ihre im Frieden erworbenen Wertvorstellungen mit der Kriegserfahrung abgleichen und die Diskrepanzen psychisch verarbeiten. • Im Kriegsgebiet verloren sie ihre Unschuld und ihre naiven Vorstellungen über den Krieg.
22 23 24 25
Ghislaine Boulanger und Charles Kadushin (Hg.): The Vietnam Veteran Redefined. Fact and Fiction, Erlbaum: Hillsdale, NJ 1986. Paul Camacho, Paul Sutton: A Sociological View of the Vietnam Veterans’ Lobby, in: Armed Forces & Society Nr. 3, 33 (2007), S. 316-336, hier S. 330. Albrecht Lehmann: Reden über Erfahrung: Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Reimer: Berlin 2007, S. 10. John T. Hansen, Susan A. Owen, u.a.: Parallels. The Soldiers’ Knowledge and the Oral History of Contemporary Warfare, Aldine Transaction: New York, NY 1992, S. 231.
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• Dort erlebten sie Traumata wie Kampf, Verwundung oder den Tod von Kameraden. • Gleichzeitig bildeten sich starke Bande zu Kriegskameraden, die zur Voraussetzung für das Überleben im Kriegsgebiet wurden und nach dem Krieg kaum etwas von ihrer Intensität verloren haben. • Nach der Rückkehr mussten die Soldaten in Amerika ebenso wie in der Sowjetunion mit Ablehnung und Gleichgültigkeit umgehen, auf die sie kaum vorbereitet waren. • Die Nachwirkungen der Kriegserfahrung begannen sich negativ auf das Leben der Kriegsbeteiligten auszuwirken. • Sie mussten lernen, mit der „dunklen Seite“ der eigenen Persönlichkeit zu leben. Diese Idee, eine Meistererzählung der Kriegserfahrung oder von Kerninhalten des Kriegserlebnisses zu definieren, ist nicht neu. Der Psychiater Johnathan Shay identifizierte an den von ihm behandelten Vietnamveteranen viele Eigenschaften, die bei den Kriegern der Ilias beschrieben wurden.26 Für ihn gibt es grundlegende Eigenschaften der Kriegserfahrung, die alle Kriegsbeteiligten miteinander teilen und die über alle Epochen hinweg gleich geblieben sind. Solche Konzepte sind auf mehreren Ebenen problematisch. Gerade psychiatrische Untersuchungen wie die hier genannten reflektieren nicht genug, dass es sich um Kriegserzählungen und nicht um Kriegserfahrungen handelt. Die Darstellungen im Umfeld einer pathologisierenden Psychiatrie lassen sich nicht allgemeingültig weiterentwickeln. Dass sich die Auseinandersetzung mit Kriegserfahrung durch die Zusammensetzung der Patienten fast ganz natürlich als männliches Thema und männliches Problem manifestiert, sei hier nur am Rande erwähnt. Am bedeutendsten ist jedoch der Umstand, dass die Verbindung zwischen diesen Soldaten unterschiedlicher Kriege in einer ähnlichen Kriegserfahrung verortet wird. Erzählen und Erinnern sind jedoch häufig auf gegenwärtige Prozesse ausgerichtete Anstrengungen. Die Soldaten des russischen Afghanistankriegs mussten sich ebenso wie die des Vietnamkriegs mit der Existenz in einem Land abfinden, das nach ihrer Rückkehr nur wenig Verständnis für ihren Einsatz aufbrachte. Dieses Erlebnis ist, wie sich gerade im Quellenkorpus noch zeigen wird, am wichtigsten für die dauerhafte Beschäftigung mit der Vergangenheit als Soldatin oder Soldat. Dies gilt gleichermaßen für die Vietnamerfahrung. Durch Filme und Populärliteratur wurde der Vietnamkrieg zu einem Klischee, in dem Kleingruppen im 26
Jonathan Shay: Achill in Vietnam. Kampftrauma und Persönlichkeitsverlust, Hamburger Edition: Hamburg 1998; Jonathan Shay: Odysseus in America: Combat Trauma and the Trials of Homecoming, Scribner: New York, NY 2002.
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Dschungel Jagd auf schwer zu fassende Guerillatruppen machten. Die Erfahrungen, die ein Kriegsbeteiligter in Vietnam machen konnte, waren aber sehr unterschiedlich. An der demilitarisierten Zone (DMZ) zwischen Nord- und Südvietnam fanden klassische Stellungsgefechte statt und während der Osteroffensive im Jahr 1972 kam es zu mehreren Panzergefechten. Die „mobile riverine force“ patrouillierte mit ihren Schnellbooten die Flüsse Vietnams und die gesamten Kriegsanstrengungen auf US-amerikanischer Seite konnten auf ständige Unterstützung durch die Flotte und die Luftwaffe zurückgreifen. Dass die am Anfang angesprochenen Gemeinsamkeiten und Spezifika der Internetseiten die Kriegsbeteiligten als Experten ansprechen, ist deshalb vor allem ein Anzeichen für Kommunikationsstrategien, die auf Aspekten der Vergangenheit aufbauen, um diese anschließend zu neuen Konstrukten zusammenzufügen. Es ist abwegig zu glauben, dass jeder Kriegsbeteiligte ein nahezu vollständiges Vokabular und Symbolverständnis relativ unbeschadet aus einem Konflikt mit in die Gegenwart bringen konnte, der für die meisten mehr als dreißig Jahre zurückliegt. Die Erhaltung solcher sprachlichen Äußerungen, Slangbegriffe und militärischen Bezeichnungen ist ein Ergebnis kollaborativer Prozesse, die sich heute mehr und mehr ins Internet verlagern. Dass dieser reichhaltige Fundus an Informationen es möglich machen kann, einen Aufenthalt in Vietnam vorzutäuschen, ist den Autorinnen und Autoren bekannt. Diese sogenannten „phonies“ (Schwindler) sehen die Autorinnen und Autoren als großes Problem an, da durch sie nicht nur ihre Kompetenz infrage gestellt wird. Der Gedanke, dass jemand anderes aus dem Mitleid und dem Verständnis Anderer einen (selbst nur emotionalen) Nutzen zieht, ohne Zeit in Vietnam ‚geopfert‘ zu haben, erweist sich für die Autorinnen und Autoren als unerträglicher Gedanke. Die Veteranenseite von Keith Bodine hat sogar eine eigene Sektion, auf der ein speziell dafür vorgesehener „button“ den Vortäuscher falscher Tatsachen warnt: „Bullshit and you will get caught – Vietnam Veteran Wannabe Hunter.“ Das Design ist an ein Einheitenabzeichen angelehnt, in dessen Mitte ein comichaft verzerrter, ‚schlitzäugiger‘ Totenschädel mit Bambushut abgebildet ist.27 Im besten Fall werden sie nur zum Verlassen der Seite aufgefordert, oft mit den Worten „Di Di Mau“ (vietnamesischer Slang für „verschwinde“). Die zuvor angesprochenen Hindernisse für eine erfolgreiche Kriegserzählung finden sich in den Berichten vieler Kriegsbeteiligter wieder. Ein Veteran fasste
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Keith Bodine: Coward!, unter: Hack 1966, URL: http://www.hack1966.com/coward. html, Stand: 07.04.2011. Vgl. dazu die Aussage „WE ARE A PART OF THE SUPREME COURT’S ANSWER TO FAKE WARRIORS!“ auf P.O.W. Network: The Epidemic of Military Imposters, unter: The Fake Warriors Project, URL: http://www.fakewarriors. org/, Stand: 19.02.2013.
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seine Frustrationen nach der Rückkehr in die Heimat für den Psychiater Jonathan Shay folgendermaßen zusammen: „It still makes me mad the way nobody understands what we did over there. When I first came back it was like I was living under a toilet and every five minutes somebody had diarrhea on me. There’s nothing I can do. I feel like a complete freak, maybe like the Elephant Man – that’s me. Nobody can understand, ’cept maybe another ʼNam vet and all.“28
Auf den Internetseiten soll solchen Darstellungsproblemen mit einer nach außen gerichteten, sehr individuell angelegten Erzählanstrengung begegnet werden. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass Organisationen wie Vereine oder Militäreinheiten auf den Seiten kaum eine Rolle spielen, da der Einzelne auf eigene Faust Erzählungen umsetzen, ordnen und in Erinnerungen festschreiben will. Das Konzept des kollektiven Gedächtnisses beschreibt keinen sozialen Speicher von Inhalten, sondern die Einflüsse von Gruppenkontexten auf Erinnerungsprozesse. Das konstituierende Element des Quellenkorpus ist deshalb die Möglichkeit für die Autorinnen und Autoren, je nach Belieben solche Kontexte in Anspruch zu nehmen, selbst zu schaffen oder von diesen isoliert zu existieren. Welchen dieser Wege die Autoren einschlagen, ist eine der zentralen Fragen, die geklärt werden müssen. Dafür ist eine intensive Quellenkritik unerlässlich. Der folgende Abschnitt ist aber nicht nur für den Zugang zu diesem Quellenkorpus gedacht, sondern lässt sich in einzelnen Aspekten auf andere, ähnlich konstituierte Erzähl- und Erinnerungsseiten übertragen.
Quellenkritische Schlussfolgerungen Wie jede menschliche Erfahrungsäußerung, die mehr oder weniger dauerhaft festgehalten wird, sind die Webseiten und ihre Inhalte letztlich Quellen im Sinne der Geschichtswissenschaft. Quellenkritik ist ein grundlegendes Werkzeug in der Auseinandersetzung mit Quellen, das immer den Eigenschaften der Informationen angepasst werden muss. Die grundlegenden Anforderungen einer Quellenkritik, also unter anderem Reflexionen über Entstehungskontexte, Autorschaft und kulturelle Hintergründe, dürfen bei den Internetquellen nicht ignoriert werden. Darüber hinaus begründen die Besonderheiten dieses Meta-Mediums aber noch weitere Eigenheiten, die beachtet werden müssen. 28
Jonathan Shay: Achilles in Vietnam: Combat Trauma and the Undoing of Character, Scribner: New York, NY 2003, S. xix.
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Dazu gehört, dass die Informationen auf den Webseiten oft ohne Vorwarnung nicht mehr auffindbar sind. Immer wieder kann es sein, dass der Link auf eine Seite plötzlich ins Nichts führt. So verschwanden im Jahreswechsel von 2008 auf 2009 innerhalb von 5 Monaten 211 der erfassten Seiten spurlos. Neu erstellte Seiten werden erst nach und nach in die Vernetzungsstrukturen des Internets eingebunden und lassen sich deshalb nicht sofort auffinden. Nur manchmal lassen sich die Gründe für solches Verschwinden nachvollziehen, wie z.B. wenn kostenlose Angebote für die Betreibung einer Homepage plötzlich kostenpflichtig werden. Zumindest ein Teil der gerade genannten Seiten sind verschwunden, da der AOL Hometown-Service vom Betreiber eingestellt wurde.29 Ob die Inhalte gespeichert wurden oder verloren sind, lässt sich kaum ermitteln. Eine Frage, die dadurch aufgeworfen wird, ist die der Archivierung. Es ist technisch möglich, ganze Seiten mit entsprechenden Programmen aus dem Internet zu laden und zu archivieren. Rechtlich und ethisch ist dies aber äußerst bedenklich. Ob die Zustimmung des Seitenbetreibers dafür erhalten werden kann, lässt sich bezweifeln. Viele Bestandteile einer Internetseite, die als Einzelartefakte gespeichert werden, genießen einen großen rechtlichen Schutz. Dies gilt für jedes Bild ebenso wie für alle grafischen Einzelelemente. Die ethische Komponente ist letztlich mit diesem Problem verbunden, da es in allen Medien einen großen Unterschied darstellt, ob Auszüge kopiert und zitiert werden oder ob das komplette Medium für die spätere Verwendung gespeichert wird. Die Internetseiten des Quellenkorpus wurden deshalb immer bezogen auf die Thesen durchsucht, um dabei Bildausschnitte und Textauszüge auszuwählen und zu speichern. Jeder Auszug ist dabei immer nur eine Momentaufnahme, da Änderungen durch die Besitzerin oder den Besitzer der Webseite jederzeit leicht umgesetzt werden können. Wieviel Aufmerksamkeit die Autorinnen und Autoren ihren Seiten widmen, ist sehr unterschiedlich. Manche Internetseiten wurden von ihren Besitzerinnen oder Besitzern erstellt und dann scheinbar nicht mehr nennenswert geändert, andere verändern die Inhalte dagegen ständig. Auf diese Aktualität wird gerne hingewiesen, und Besucherinnen und Besucher werden ermahnt, regelmäßig nach Neuigkeiten Ausschau zu halten.30 Daraus ergibt sich jedoch das Problem,
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„Dear AOL Hometown and Journalʼs users, Weʼre sorry to inform you that as of Oct. 31, 2008, AOL® Hometown has been shut down permanently. We sincerely apologize for any inconvenience this may cause Thank you, The AOL Team.“ AOL Inc.: We are Closing our Doors, unter: AOL People Connection Blog, URL: http://www.people connectionblog.com/2008/09/30/were-closing-our-doors/, Stand: 15.07.2010, Offline seit: 19.02.2013. ʼ 30 Vgl. dazu den Aufruf von Steve Quigley auf seiner Seite: „THIS SITE CHANGES ALMOST DAILY. REFRESH OFTEN“. Steve Quigley: Welcome Veterans!, unter: Quigley’s
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dass die wenigsten Seiten die Abstände ihrer Aktualisierung kenntlich machen. Wenn Linkseiten aktualisiert werden, „awards“ hinzukommen oder Informationen durch die Nachrichten anderer Kriegsbeteiligter ergänzt oder erweitert werden, dann ist dies für die Besucherinnen und Besucher nachträglich kaum nachzuvollziehen. Der Begriff der Webseite darf in diesem Zusammenhang nicht als Bezeichnung für eine statische Informationsansammlung gesehen werden, sondern beschreibt einen Interaktionsbereich, der von der Besitzerin oder dem Besitzer zu jeder Zeit und in fast jeder Weise verändert werden kann. Der Begriff der Webseite ist aber nicht nur aus diesem Grund problematisch. Viele Kriegsbeteiligte nutzen keine eigenen Webseiten, sondern fügen ihre Erinnerungen, Bilder, Gegenstände und Fotos (in virtualisierter Form) auf anderen Seiten ein. Eine der umfangreichsten Seiten dieser Art ist Vietvet.org, die als Tribut für die bekannte Autobiografie des Veteranen Lewis B. Puller erstellt wurde.31 Der schwer versehrte Veteran machte mit der Geschichte seiner Rekonvaleszenz vielen anderen Kriegsbeteiligten Mut und der derzeitige Verwalter der Webseite Bill McBride ist der Meinung, dass viele der Beiträge auf der Seite aus diesem Grund hochgeladen werden. Vietvet.org gehört nicht diesem Quellenkorpus an, da Bill McBride die Seite zwar verwaltet, jeder Bereich aber eigene Betreuer („squad leader“) besitzt, die relativ unabhängig agieren können. Sammlungen von Inhalten, die von anderen Kriegsbeteiligten beigetragen wurden, lassen sich jedoch auf anderen Seiten ebenso umsetzen. Webseite als Begriff zu verwenden impliziert Zugehörigkeiten und Verantwortungen, die nicht als selbstverständlich angenommen werden dürfen. Die kollaborativen Möglichkeiten des Internets beinhalten neben dem Austausch von Nachrichten die Ergänzung und möglicherweise das unerlaubte Kopieren von Inhalten. Die Bezeichnungen als Autorin oder Autor haben deshalb im Netz Konnotationen, die in nichtvirtuellen Quellen nicht automatisch vorausgesetzt werden können. Sie sind selbst für die Erstellung ihrer Texte und Medien zuständig und übernehmen viele weitere Aufgaben im Umgang mit ihren Inhalten. Dieser große Vorteil für eine Gruppe, die immer wieder über eingeschränkte Möglichkeiten der Erfahrungsäußerung geklagt hat, macht es nötig, die Quellen nicht als Äquivalente von nichtvirtuellen Erfahrungsäußerungen zu sehen. Eine Webseite ist keine Einheit, sondern eine zusammengefügte Konstruktion aus Einzelinformationen, die sich jederzeit umorganisieren und umschreiben lassen.
Down Under, URL: http://www.docmelson.com/quigʼs/, Stand: 15.07.2010, Offline seit: 19.02.2013. 31 Lewis Puller: Fortunate Son, Grove Weidenfeld: New York, NY 1991; Bill McBride: VietVet, unter: Vietnam Veterans Home Page, URL: http://www.vietvet.org/, Stand: 19.02.2013.
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Was den Begriff der Webseite noch weiter problematisiert ist der Umstand, dass die spezifische Internetadresse ebenfalls nur begrenzt als klare Identifikationshilfe eingesetzt werden kann. Sie besteht aus dem Kommunikationsprotokoll (fast immer HTTP), dem Hostnamen der Seite (z.B. Vietvet) und der Domainendung, für die sich eine Besitzerin oder ein Besitzer entschieden hat (de, com, org etc.). Unterbereiche einer Seite werden durch Schrägstriche getrennt (z.B. Vietvet.org/tapsgal.htm) und erlauben eine Verschachtelung der Seite, die nur durch die Regeln des Webspacebetreibers beschränkt ist, bei dem die Seitenbesitzerin oder der Seitenbesitzer die Seite gemietet hat. Die Autorin oder der Autor ist aber keineswegs daran gebunden, sich auf diese Bereiche und Unterbereiche zu beschränken. Er oder sie kann jederzeit auf andere Hostnamen verweisen, wobei es für die Besucherinnen oder Besucher unmöglich sein kann festzustellen, von wem dieser Teil tatsächlich betrieben wird. Die Zusammengehörigkeit muss in solchen Situationen am Einzelfall geprüfte werden. Ebenso kann eine Autorin oder ein Autor mehrere Seiten besitzen und betreuen. Der Veteran Joe Moore hat eigene Vietnamerfahrungen auf seiner Homepage abgelegt.32 Seine Erinnerung an (und mit) Kameraden dagegen organisiert er über die Seite Can Tho RVN, die nach dem gleichnamigen Flugfeld in Vietnam benannt ist.33 Die Seiten haben unterschiedliche Adressen und sind dennoch Teil des Erinnerns eines einzelnen Kriegsbeteiligten, der auf Can Tho RVN die meisten Informationen beiträgt und organisatorisch die Verantwortung trägt. Das Internet erlaubt es nur in Idealfällen, eine klare Inhalt-Medium-Person-Zuordnung festzulegen. Im gewählten Quellenkorpus ist dies vereinfacht, da das Erzählen von sichtbaren Individuen untersucht wird. Diesen stehen aber alle genannten Optionen ebenfalls offen und jede Webseite hat deshalb ihre spezifischen Eigenschaften, die quellenkritisch zu rezipieren sind. Das letzte Forschungsproblem, das hier angesprochen werden soll, ist jeder Erzählforschung inhärent. Welcher Grad an Authentizität kann von den Quellen erwartet werden? Zweifel am Gewesen Sein des Erlebten könnte aus unterschiedlichen Richtungen angebracht werden. Albrecht Lehmann klagt z.B. über die Überlagerung von Erfahrungsdarstellungen durch Medienprodukte aller Art: „Gegenwärtig wird das Verhältnis von Erfahrung und Erzählung, jedenfalls in Zentraleuropa und weltweit in städtischen Milieus, zunehmend von medialen Erinnerungsvorgaben, von Neben- und Scheinerinnerungen überlagert. Es ist nahezu unmöglich, bei der Text-
32 Joe Moore: Joe’s Page on the Vietnam War, unter: Joe’s Page, URL: http://www. moorej.org/Vietnam/, Stand: 19.02.2013. 33 Joe Moore: Start Page for Can Tho Army Airfield Photo Album, unter: Can Tho Vietnam, URL: http://www.cantho-rvn.org/, Stand: 19.02.2013.
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und Kontextanalyse einer Erzählung Erfahrungen erster Hand vom Einfluss von Buch-, Zeitungs- und Internettexten, der Rezeption von Fotoalben, Reiseprospekten, farbigen Illustriertenberichten, Filmen und Fernsehsendungen zu trennen.“34
Erzählt wird über die Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart und auf diesen Prozess wirkt eine Vielzahl von Faktoren ein. Lehmann verweist auf Ergebnisse aus der Hirnforschung, die belegen, dass die Rekonstruktion der Vergangenheit letztlich nur rudimentär auf tatsächlich Erlebtem aufbaut. 35 Erzählen aus der Vergangenheit ist nicht das Herüberretten von Fakten, sondern schuldet der Gegenwart einen großen Teil seiner Inhalte und Schlussfolgerungen. Manche Autorinnen und Autoren wie der Veteran Paul Drew bevorzugen sogar, dass ihnen nur noch Bruchstücke aus dem eigenen Kriegserlebnis vorliegen: „I wasn’t smart enough or motivated enough during the war to keep a diary or save letters. Truth be told, I’m glad I didnʼt. For what I have and what I want to share in this book are the remembrances, impressions, and insights – not recycled notations – of your neighbor or classmate whose normal life was interrupted for two years and thereby changed forever.“36
Erzählen setzt dort an, wo Interpretationen und Eindrücke bereits verarbeitet und eingeordnet wurden. Selbst erzeugte Quellen aus der Vergangenheit sind wichtig, im Zentrum des Erinnerns steht aber die Auseinandersetzung mit allen Themen, die aus der persönlichen Erfahrung in Vietnam erwachsen sind. Die „impressions“ und „insights“, auf die Drew sich konzentrieren möchte, tragen bereits den Blick zurück und das Urteil der Gegenwart in sich. Die aktuelle Situation der Veteraninnen und Veteranen in Amerika ist deshalb ebenso wichtig für das Verstehen ihres Erinnerns wie das Verständnis des Vietnamkonflikts. Die Frage nach der Authentizität haben sich manche Autorinnen und Autoren des Vietnamkriegs immer wieder gestellt. Einer der wichtigsten literarischen Erzähler des Kriegs, der Veteran und Autor Tim OʼBrien, hat in einem seiner Bücher versucht, diese Frage für sich und anderen Kriegsbeteiligte zu beantworten. Sein Urteil über die Authentizität der Vietnamerinnerungen stützt Drews Aussage. Was während seiner Dienstzeit in den Jahren 1968 bis 1970 geschehen ist, kann nicht der Maßstab oder der Ausgangspunkt seiner Kriegserinnerung sein: „Absolute occurrence is irrelevant. A thing may happen and be a total lie; 34 Albrecht Lehmann: Reden über Erfahrung: Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Reimer: Berlin 2007, S. 36. 35 Ebd., S. 42. 36 Paul Drew: After the Storm. A Vietnam Veteran’s Reflection, Hellgate Press: Central Point, OR 1999, S. 3.
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another thing may not happen and be truer than the truth“.37 Die tieferen Wahrheiten des Kriegs darzustellen (emotional, ethisch, moralisch, persönlich etc.) steht im Zentrum. Was während des Kriegs geschah, hat den Kriegsbeteiligten verändert. Diese Abläufe auszudrücken, ist das Kernziel der Kriegserzählung und die vergangenen Erlebnisse sind Werkzeuge, um es zu erreichen. Dieser Prozess ist eng verwandt mit dem Konzept der Positionierung in der Erzählforschung. Figuren der Nacherzählung werden nicht authentisch aus der Erinnerung übernommen, sondern innerhalb der eigenen Geschichte so platziert, wie es für die Identitätsbildung des Erzählenden erforderlich ist.38 Die Vietnamerzählung wird durch dieses Konzept von Authentizität vor allem deshalb berührt, da für die Autorinnen und Autoren der Krieg und seine Nachwirkungen nicht abgeschlossen sind. Die aufgezeigten Probleme entwerten die Aussagen der Quellen aber keineswegs. Sie müssen vielmehr innerhalb ihrer Kontexte begriffen werden. Der wichtigste wird durch die technologischen Rahmenbedingungen des Internets vorgegeben. Die Webseiten können verschwinden und sind nur durch aktiv gesetzte Links aufzufinden, besitzen aber eine große Zahl medialer Möglichkeiten für die Darstellung der Inhalte. Während das Netz für die Autorinnen und Autoren den Vorteil bietet, Informationen über sich und ihre Erfahrungen genau zu kontrollieren, wirft dieser Aspekt des Kontextes für Forscherinnen und Forscher große Probleme im Umgang mit den Quellen auf. Ein weiterer Kontext, der sich im Netz nur indirekt zeigt, sind die sozialen Räume, in denen die Autoren ihre Erzählpraktiken erlernt haben. Etablierte Genres und Gattungen bilden die Grundlage für die Erzählanstrengungen der Autorinnen und Autoren. Wo sich beide Kontexte überlappen, kann durch die Verknüpfung etablierter Erzählformen und medialer Potenziale etwas genuin Neues entstehen. Im Sinne der Quellenkritik müssen alle genannten Faktoren, die das Erzählen beeinflussen können, immer mitreflektiert werden. Ungenauigkeiten und Transformationen sind keine Aberrationen, sondern ein grundlegender Teil der menschlichen Erfahrungsdarstellung, die das Erzählen über den Vietnamkrieg immer begleitet haben und weiterhin begleiten werden. Die Besonderheiten dieses Quellenkorpus entstehen daraus, dass hier zwei Extreme aufeinanderprallen. Die Soldatinnen und Soldaten des umstrittensten Kriegs, den Amerika je geführt hat, treffen auf das formbarste Meta-Medium der Gegenwart, das eine Fülle an Strategien und Werkzeugen für sie bereithält. 37 Tim O’Brien: The Things They Carried, Broadway: New York, NY 1998, S. 83. 38 Gabriele Lucius-Hoene, Arnulf Deppermann: Narrative Identität und Positionierung, in: Gabriele Lucius-Hoene, Arnulf Deppermann (Hg.): Rekonstruktion narrativer Identität. Ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews, 2. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2004, S. 166-183, hier S. 174.
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Diese Autorinnen und Autoren bleiben auf ihren Seiten oft im Hintergrund, selbst wenn sie aktiv über sich und ihre Erlebnisse sprechen. Die Möglichkeiten zur selektiven Darstellung ihrer Inhalte nutzen sie geschickt aus, um nur jene Teile von sich zu präsentieren, die ihren Zwecken dienlich sind. Die Annäherung an die potenziellen Autorinnen und Autoren der Seiten verläuft im Folgenden vom Allgemeinen zum Speziellen, in diesem Fall von der Vietnamgeneration über die Veteraninnen und Veteranen des Kriegs bis zu jenen Personen, die den Kontakt mit Außenstehenden nicht gescheut haben.
Die potenziellen Erzählerinnen und Erzähler „As we filed through the gate into the terminal, a group of marines and soldiers standing woodenly at the edge of the tarmac caught my eye. They were rail-thin combat veterans on their way home, some just a few days away from battle. Most wore several rows of ribbons on their chests. There appeared to be no interaction among the group of about two dozen, and the majority had expressionless faces with fixed, unfocused eyes set in hollow sockets. A chill danced its way up my sweat-soaked spine, and I felt fear for the first time since entering Vietnam.“1
Bedeutende Autobiografien wie die des hier zitierten Veteranen Lewis B. Puller sind unter anderem dafür verantwortlich, dass die Deutungshoheit über den Vietnamkrieg vor allem männlichen Ex-Soldaten zugeschrieben wird. Aus der Vietnamgeneration, die im Folgenden definiert werden muss, hatten jedoch noch andere Gruppen Kontakt zum Kriegsgeschehen. Egal aus welchem Grund sie in Vietnam waren, ihr Weg aus der Kriegs- in die Friedenslandschaft prägt diese Erzählerinnen und Erzähler oft bis heute. Die Vietnamgeneration muss deshalb als quantitatives Konzept ebenso definiert werden wie als theoretisches Konstrukt. Um die aus den Internetquellen stammenden Informationen über die Autorinnen und Autoren zu ergänzen, bot sich eine Kontaktaufnahme per E-Mail an, die sich jedoch als äußerst schwierig erwies.2 Deshalb müssen Informationen aus all diesen Quellen zusammengenommen verwendet werden, um sich ihnen zumindest ein Stück weit annähern zu können.
1 2
Lewis Puller: Fortunate Son, Grove Weidenfeld: New York, NY 1991, S. 66. Der Fragebogen sowie die Vorgehensweise finden sich im Anhang.
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Die Vietnamgeneration als Ausgangspunkt Das Konzept der Vietnamgeneration ist wie viele andere Oberbegriffe nur dann sinnvoll einsetzbar, wenn seine Grenzen und impliziten Bedeutungen offensichtlich gemacht werden. Dass die Autorinnen und Autoren dieser Gruppe zugeordnet werden können und sollen, macht es nötig, diese Grenzen abzustecken und zu diskutieren. Bevor die Vietnamgeneration als Konzept verwendet werden kann, ist demnach ein kurzer theoretischer Exkurs notwendig. Der Generationenbegriff steht im Allgemeinen dafür, bestimmte Alterskohorten durch die rückblickende Wertung von sozialen und kulturellen Veränderungen oder prägenden Ereignissen zusammengefasst zu betrachten. Klar definiert wird der Generationenbegriff vor allem dort, wo es um bevölkerungspolitische und demografische Veränderungen der Gegenwart geht. Eine im modernen Generationsdiskurs populäre Einteilung des Begriffs unterscheidet vier Generationskonzepte.3 Die temporale Generation trennt unterschiedliche Einzelgruppen auf rein zeitlicher Ebene. Kleinteiligere Eingrenzungen verwenden meist den Begriff der Kohorte. Die intertemporale Generation dagegen existiert nur in der Gegenwart und ist noch nicht durch die Prozesse der Rückerinnerung gefestigt worden. Die familiären Generationen sind dagegen nur die unterschiedlichen, durch Verwandtschaft getrennten Glieder einer Abstammungslinie. Die Vietnamgeneration wird im Allgemeinen unter dem vierten Generationenbegriff subsumiert. Sie ist eine soziale Generation, also eine Gruppe von Menschen, die neben zeitlichen Grenzen (s.u.) vor allem ähnliche Erfahrungen und kulturelle Prägungen gemeinsam haben. Solche Zuweisungen entstehen immer in der Rückschau und sind entsprechend komplex. Manche Generationsbegriffe überdauern, geraten in Vergessenheit oder werden wiederentdeckt. Für die deutsche Nachkriegszeit wurde eine Vielzahl von Generationskonzepten vorgeschlagen. Die „skeptische Generation“, die „Flakhelfer-Generation“, die „68er-Generation“, die „jugendbewegte Generation“, die „Generation der Unbefangenen“, die „verunsicherte Generation“ oder die „authentische Generation“.4 Die Zuweisungen solcher sozialen Generationen entste-
3
4
Vgl. Jörg Tremmel: Generationengerechtigkeit – eine Ethik der Zukunft, unter: Onlineakademie der Friedrich-Ebert-Stiftung, URL: http://library.fes.de/pdf-files/aka demie/online/03581.pdf, Stand: 14.08.2013. Vgl. zum Begriff der Generation als „Container-Wort“, das in „jeder nur erdenklichen Weise genutzt wird“ außerdem Burkhard Schäffer: Generationen – Medien – Bildung. Medienpraxiskulturen im Vergleich, Leske + Budrich: Opladen 2003, S. 39. Burkhard Schäffer: Generationen – Medien – Bildung. Medienpraxiskulturen im Vergleich, Leske + Budrich: Opladen 2003, S. 45.
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hen durch Einschätzungen, die meist im öffentlichen Diskurs oder in Expertendiskursen entwickelt und verbreitet werden. Die Vietnamgeneration in Amerika definiert sich zuerst aufgrund der Geburtsjahrgänge ihrer Mitglieder. Während Amerika im Krieg aktiv war, also zwischen den Jahren 1964 und 1975, konnten ca. 56 Millionen Amerikaner aktiv oder passiv am Krieg teilnehmen. Diese Definition beinhaltet Männer, Frauen und Kinder, auf deren Lebensrealität der Krieg einen dauerhaften Einfluss ausgeübt haben konnte. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Vietnamkrieg mehr als ein Konflikt war und auf unterschiedliche Bereiche der amerikanischen Lebenswelt Einfluss genommen hat. Der Veteran Milton J. Bates teilt seine Studie über das Verhältnis zwischen kulturellen Konflikten in Amerika und der Vietnamerzählung in die Teile „frontier war“, „race war“, „class war“, „sex war“ und „generation war“ ein.5 Sein „generation war“ ist konzeptionell auf das Verhältnis zwischen temporalen Generationen beschränkt. Seine Gesamtbetrachtung lässt jedoch den Schluss zu, dass die Vietnamgeneration einem sozialen Generationskonzept näher steht. Kulturelle Konflikte in den USA wurden durch den Vietnamkrieg beeinflusst und wirkten auf ihn zurück. Die Vietnamgeneration ist deshalb eine Großgruppe, die alle umfasst, deren Leben durch Interaktionen zwischen dem Vietnamkrieg und der amerikanischen Gesellschaft beeinflusst werden konnte. Das Konzept der sozialen Generation eröffnet zu ihr nur einen Zugang, ist zu eindimensional, um sie vollständig erfassen zu können. Die Vietnamgeneration als rein amerikanisches Phänomen darzustellen ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die andauernde Auseinandersetzung mit dem Krieg sich fast ausschließlich auf die amerikanische Sphäre beschränkt und dass die Quellenautorinnen und Quellenautoren fast ausschließlich selbst Amerikaner sind. Die meisten Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus sind jedoch durch ihren Militärdienst mit dem Krieg in Berührung gekommen. Einen Überblick über die Demografie dieser Gruppe bietet Micheal [sic] Clodfelter in seinem Buch Vietnam in Military Statistics, das auf Zahlen der amerikanischen Regierung basiert und auf das im Folgenden häufiger zurückgegriffen wird.6 Die Zahlen wurden mit mehreren anderen Werken abgeglichen, die sich ebenfalls mit dem
5 6
Milton J. Bates: The Wars We Took to Vietnam: Cultural Conflict and Storytelling, University of California Press: Berkeley, CA 1996, S. 9. Micheal Clodfelter: Vietnam in Military Statistics. A History of the Indochina Wars 1772-1991, McFarland: Jefferson, NC 1995. Seine Primärquellen sind offizielle Regierungsdokumente und Statistiken, außerdem die Berichte (after action reports, operational reports, command reports) der unterschiedlichen Hierarchieebenen der amerikanischen Streitkräfte (siehe S. 301 f.).
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Thema der Vietnamgeneration in den USA und ihrer Zusammensetzung beschäftigt haben.7 Diese lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Tabelle 1: Die Vietnamgeneration in Zahlen.
Gesamtgruppe der wehrfähigen Männer
26.800.000
Davon zum Militärdienst eingezogen
8.700.000
Davon nach Vietnam gesandt
2.700.000
Davon in Kampf- oder Bedrohungssituationen8
400.000-1.000.000
Infanteriesoldaten in Vietnam
300.000-500.000
Frauen in den Streitkräften
250.000
Freigestellt wegen wichtiger Gründe
8.769.000
Freigestellt wegen Dienst in Nationalgarde oder Reserve
1.040.000
Nicht eingezogen aus gesundheitlichen Gründen
5.276.000
Nicht eingezogen aufgrund „geistiger Mängel“
1.360.000
Nicht eingezogen aufgrund „psychischer Probleme“
255.000
Nicht eingezogen aufgrund „moralischer Verfehlungen“
86.000
Versuchten sich in dem Dienst zu entziehen
570.000
Davon gingen ins Exil, um sich dem Dienst zu entziehen
50.000
Die Statistik zeigt, dass aus der Vietnamgeneration insgesamt und aus der Gesamtgruppe der Wehrfähigen nur ein relativ kleiner Anteil Dienst in Vietnam leistete. Das von US-amerikanischen Bundesbehörden geleitete „Selective Service System“ legte fest, wer den aktiven Kriegsdienst antreten musste.9 Während prinzipiell alle männlichen Amerikaner zwischen 18 und 26 Jahren eingezogen 7
8
9
Robert D. Schulzinger: A Time for Peace. The Legacy of the Vietnam War, Oxford University Press: New York, NY 2006, S. 74; Kyle Longley: Grunts: The American Combat Soldier in Vietnam, M. E. Sharpe: London 2008, S. 4f.; David L. Anderson: The Columbia Guide to the Vietnam War, Columbia University Press: New York, NY 2002, S. 292. Micheal Clodfelter hält es theoretisch für möglich, dass sogar bis zu 1,6 Millionen Soldatinnen und Soldaten Bedrohungssituationen erlebt haben. Vgl. Micheal Clodfelter: Vietnam in Military Statistics. A History of the Indochina Wars 1772-1991, McFarland: Jefferson, NC 1995, S. 245. Gestützt wird Clodfelters Hypothese von David L. Anderson: The Columbia Guide to the Vietnam War, Columbia University Press: New York, NY 2002, S. 292. Vgl. Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 364f.
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wurden, existierten verschiedene Kriterien, die den Einzug hinauszögern oder ganz verhindern konnten. Diese wurden nach dem Koreakrieg eingeführt, da die Zahl der notwendigen Rekruten in Friedenszeiten stark zurückgegangen war.10 Dazu gehörten zum Beispiel die Arbeit in kriegswichtigen Industrien, ein noch nicht abgeschlossenes Hochschulstudium oder die Mitgliedschaft in der Nationalgarde. Erst ab 1969 wurde mit der „draft lottery“ ein System eingeführt, das zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen sollte. Da Maßnahmen wie die Abschaffung der „undergraduate deferments“ jedoch schon im Jahr 1969 beschlossen aber bis 1971 ausgesetzt wurden, waren die Auswirkungen dieser Reform auf den Vietnamkrieg nur begrenzt.11 Kontrovers diskutiert wird bis heute die Behauptung, dass Bildung und Einkommen der Wehrdienstfähigen und ihrer Eltern einen starken Einfluss auf diesen Prozess haben konnten. Gute Beziehungen konnten demnach die Inanspruchnahme von „deferments“ ebenso erleichtern wie ein hoher Bildungsstand. Der Historiker Christian Appy geht davon aus, dass fast 80 Prozent der Soldatinnen und Soldaten in Vietnam aus der amerikanischen Arbeiterklasse stammten.12 Wichtige Studien, die nachweisen konnten, dass ein großer Teil keine Collegeausbildung hatte, wurden meist erst gegen Ende des Kriegs angefertigt.13 Er schätzt, dass die Chancen, vom „Selective Service System“ eingezogen zu werden, durch hohes Einkommen und durch einen Collegeabschluss verringert werden konnten.14 Randy Martin widerspricht Appy: Geringe Bildung und Einkommen habe zwar die Chance erhöht, überhaupt eingezogen zu werden, nicht aber,
10 Vgl. James E. Westheider: The Vietnam War, Greenwood Publishing Group: Westport, CO 2007, S. 32. 11 Vgl. Kyle Longley: Grunts: The American Combat Soldier in Vietnam, M. E. Sharpe: London 2008, S. 5; Christian G. Appy: Working Class War. American Combat Soldiers in Vietnam, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1993, S. 29; James E. Westheider: The Vietnam War, Greenwood Publishing Group: Westport, CO 2007, S. 42. 12 Christian G. Appy: Working Class War. American Combat Soldiers in Vietnam, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1993, S. 7. Diese Zahlenverhältnisse entwickelt Appy im ersten Kapitel seines Buches sowohl aus Sekundärliteratur als auch aus offiziellen Quellen. Da von offizieller Seite bis heute jedoch keine vollständigen Daten über die amerikanische Präsenz in Vietnam verfügbar sind, muss immer wieder auf Schätzungen zurückgegriffen werden. 13 Christian G. Appy: Working Class War. American Combat Soldiers in Vietnam, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1993, S. 26. Die hier von Appy zitierte Studie aus dem Jahr 1972 wurde von der Veterans’ Administration angefertigt. 14 Appy zitiert hier die Studie von James W. Davis, Kenneth M. Dolbeare: Little Groups of Neighbors. The Selective Service System, Markham Publishing: Chicago, IL 1981. Leider verzichtet er darauf, die Zahlen dieser relativ alten Studie aus anderen Quellen zu stützen.
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nach Vietnam geschickt zu werden.15 Clodfelters Statistiken stützen letztlich Appys Endergebnis: Geringes Einkommen und geringes Bildungsniveau erhöhten die Chance, eingezogen zu werden, Dienst in Vietnam zu tun und in Kampfsituationen zu geraten.16 Erschwert wird ein Urteil über diesen Punkt dadurch, dass es nur kleinere Einzelstudien während des Kriegs zum sozialen Hintergrund der Kriegsbeteiligten gab. Eine im Jahr 1964 vom „National Opinion Research Center“ durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein großer Teil aus einfachen Verhältnissen stammte. So hatten je nach Teil der Streitkräfte 12-14 Prozent einen landwirtschaftlichen Hintergrund, während ihr Anteil an der amerikanischen Bevölkerung zu dieser Zeit nur ca. 5 Prozent ausmachte.17 Betrachtet man, dass das Durchschnittsalter männlicher Soldaten im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg von 27 auf 19 Jahren gesunken war, wird deutlich, wie selektiv die Auswahl der wehrfähigen Männer innerhalb der Vietnamgeneration tatsächlich durchgeführt wurde. Von den 12 Millionen US-amerikanischen Wehrfähigen des Zweiten Weltkriegs nahm ein großer Teil am Krieg teil, im Vietnamkrieg lag die Zahl dagegen nur bei ca. 10 Prozent. Davon zählte ein noch viel geringerer Teil tatsächlich zu den Kampftruppen. Dieser Umstand wirkte sich auf die Isolation der Vietnamveteranen in vielerlei Hinsicht aus. Die Diskussion in Amerika wurde von den Daheimgebliebenen dominiert, aus denen sich unterschiedliche Protestbewegungen rekrutierten. Die Kriegsbeteiligten begegneten den Protesten oft mit Unverständnis und fühlten sich im schlimmsten Fall persönlich angegriffen. Durch die Auswahlprozesse des „Selective Service“ wurden Personen aus unterschiedlichen Bereichen nach Vietnam geschickt. Diese mussten sich nach ihrer Rückkehr abrupt wieder in ihre alten Lebenszusammenhänge eingliedern. Welche Rolle die Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder einer sozialen Gruppe für den Auswahlprozess spielte, wurde und wird intensiv diskutiert. Während des gesamten Kriegs war es für Angehörige von Minderheiten sehr schwer, „deferments“ zu erlangen. So lag der Anteil an Afroamerikanern an der Nationalgarde im Jahr 1964 nur bei 1,45 Prozent und sank bis 1968 sogar auf 1,26 Prozent. Die Streitkräfte bemühten sich während des Vietnamkriegs zwar darum, in bestimmten Bereichen Ungerechtigkeiten abzubauen.18 Für viele Amerikanerinnen 15 Randy Martin: Who Went to War, in: Ghislaine Boulanger, Charles Kadushin (Hg.): The Vietnam Veteran Redefined. Fact and Fiction, Erlbaum: Hillsdale, NJ 1986, S. 1324, hier S. 18. 16 Micheal Clodfelter: Vietnam in Military Statistics. A History of the Indochina Wars 1772-1991, McFarland: Jefferson, NC 1995, S. 244. 17 Christian G. Appy: Working Class War. American Combat Soldiers in Vietnam, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1993, S. 23. 18 Vgl. zu den Reformprozessen James Westheider: Fighting on Two Fronts: African Americans and the Vietnam War, NYU Press: New York, NY 2012, S. 131.
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und Amerikaner begann das Gefühl der Isolation innerhalb der amerikanischen Gesellschaft aber bereits während der Auswahlprozesse. Die nach dem Krieg unter Beteiligten durchgeführten Umfragen von Andrew Martin hatten zum Ergebnis, dass Angehörige von Minderheiten in den USA nach eigener Erfahrung nicht im disproportionalen Umfang nach Vietnam geschickt wurden. Afroamerikaner waren seinen Ergebnissen nach jedoch häufiger an Kampfsituationen beteiligt, als Angehörige anderer Ethnien. Lange Zeit waren die Verluste dieser Gruppe ebenfalls höher, sowohl bezogen auf ihren Anteil an den Streitkräften als auch bezogen auf ihren Anteil an der amerikanischen Bevölkerung.19 Neben amerikanischen Soldatinnen und Soldaten nahmen Kämpfer mehrerer anderer Nationen am Kampfgeschehen teil. Das sogenannte „many flags program“ umfasste fünf Nationen, die Amerika und Südvietnam während des Kriegs unterstützen.20 Die australischen Truppen standen im Ruf, erfahrene Dschungelkämpfer zu sein, es waren aber nie mehr als 8.600 von ihnen gleichzeitig vor Ort. Insgesamt dienten über 46.000 Australier in Vietnam. Ihr Engagement begann im Jahr 1962 mit der Stellung von Militärberatern und endete im Jahr 1971 endgültig, nachdem bereits im Jahr 1969 mit Teilabzügen begonnen worden war.21 Die Südkoreaner galten als effektiv und kampferfahren, konnten aber den Ruf, unmäßig große Brutalität anzuwenden, während des ganzen Kriegs nicht abschütteln. Sie stellten unter den Verbündeten die meisten Truppen und sandten mehr als 370.000 Truppenangehörige ins Kriegsgebiet. Thailand, die Philippinen und Neuseeland stellten verglichen damit nur wenige Streitkräfte, die eher symbolischen Charakter hatten. Die thailändischen Truppen hatten 1970 mit über 11.000 ihren zahlenmäßigen Höhepunkt erreicht, dagegen waren aus Neuseeland nie mehr als 600 und aus den Philippinen nie mehr als 2.100 vor Ort. Schließlich müssen noch die ca. 3.000 Kanadier erwähnt werden, die während des Kriegs in Amerika lebten und aus diesem Grund entweder eingezogen wurden oder sich freiwillig meldeten. Abgesehen von einigen australischen Kriegsbeteiligten ließen sich englischsprachige Webseiten von Veteraninnen und
19 Randy Martin: Who Went to War, in: Ghislaine Boulanger, Charles Kadushin (Hg.): The Vietnam Veteran Redefined. Fact and Fiction, Erlbaum: Hillsdale, NJ 1986, S. 1324, hier S. 19; Christian G. Appy: Working Class War. American Combat Soldiers in Vietnam, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1993, S. 19. 20 Micheal Clodfelter: Vietnam in Military Statistics. A History of the Indochina Wars 1772-1991, McFarland: Jefferson, NC 1995, S. 295f. Alle folgenden Zahlen zu den Verbündeten sind ebenfalls diesem Teil entnommen. Vgl. dazu außerdem Robert M. Blackburn: Mercenaries and Lyndon Johnsonʼs „More Flags“: the Hiring of Korean, Filipino and Thai Soldiers in the Vietnam War, McFarland: Jefferson, NC 1994. 21 Ambrose Crowe: The Battle after the War: the Story of Australia’s Vietnam Veterans, Allen & Unwin: St. Leonhards 1999, S. 1f.
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Veteranen dieser Streitkräfte kaum finden. Die Existenz solche Seiten in anderen Sprachen kann aber nicht ausgeschlossen werden. Kaum gesicherte Angaben gibt es zu den Söldnern des Kriegs. Die oben genannten Hilfstruppen waren offiziell in Vietnam, deshalb waren Söldner vor allem dort interessant, wo offiziell keine Truppen eingesetzt werden durften. Dazu zählten Vorstöße nach Nordvietnam sowie in die von den USA lange Zeit als neutral betrachteten Länder Kambodscha und Laos. Zum Thema der Söldner existieren kaum Quellen und wohl deshalb nur wenige wissenschaftliche Arbeiten. Etwas Licht auf das Vorgehen solcher Söldnergruppen wirft die narrativ gehaltene Erzählung von Peter Scott, der zwischen den Jahren 1967 und 1970 als Berater solcher Gruppen in Vietnam tätig war. Die von ihm betreuten Truppen agierten im Rahmen des sogenannten Phönixprogamms. Durch Geheimaktionen sollten politische Kader vor allem in Dörfern ausfindig gemacht und mit Mitteln ausgeschaltet werden, die sonst nicht angewendet werden durften.22 Von Söldnern ließen sich bis dato keine Internetseiten entdecken. Amerikanische Zivilistinnen und Zivilisten, die in irgendeiner Form am Krieg teilnahmen, lassen sich zahlenmäßig nur schwer erfassen. Am besten ist noch die Zahl der Journalistinnen und Journalisten belegt. Ca. 2.000 von ihnen waren nachweislich in Vietnam, die Zahl wird aber wohl noch deutlich höher liegen, da viele von ihnen nicht an eine Agentur gebunden, sondern freiberuflich tätig waren. Davon starben 44, 18 sind noch immer vermisst.23 Diese Gruppen haben so gut wie keine Präsenz im Internet, und nur wenige männliche Fotojournalisten nutzen die Möglichkeit, ihre Bildersammlungen auszustellen. Von den Journalistinnen des Kriegs äußert sich keine auf diese Weise. Die zahlenmäßig größte Gruppe der Kriegsbeteiligten stellten die Vietnamesinnen und Vietnamesen auf beiden Seiten. Hier sind verlässliche Zahlen rar. Offizielle amerikanische Schätzungen zu den Verlusten Südvietnams während des Kriegs gehen von 196.000 Getöteten und 502.000 Verwundeten aus, Clodfelter zweifelt diese Zahlen jedoch an und hält 250.000 Tote und 780.000 Verwundete für realistischer. Nach nordvietnamesischen Angaben starben über eine Million Soldatinnen und Soldaten der „North Vietnamese Army“ (NVA) und der „Peopleʼs Liberation Armed Forces“ (PLAF) auf ihrer Seite. Der Anteil weiblicher Kämpfer daran ist unbekannt, die Schätzungen zu zivilen Opfern schwanken stark. Da der Krieg aber im oft dicht besiedelten Südvietnam stattfand, sind Zah-
22
23
Peter Scott: Lost Crusade: America’s Secret Cambodian Mercenaries, Naval Institute Press: Annapolis, MD 1998. Zum Phönixprogramm vgl. Dale Andradé: Ashes to Ashes. The Phoenix Program and the Vietnam War, Lexington Books: Lexington, MA 1990. Micheal Clodfelter: Vietnam in Military Statistics. A History of the Indochina Wars 1772-1991, McFarland: Jefferson, NC 1995, S. 257.
D IE POTENZIELLEN E RZÄHLERINNEN UND E RZÄHLER | 153
len zwischen 500.000 und 600.000 (auf beiden Seiten) eher als konservativ anzusehen. Akzeptiert man diese Zahlen, starben zwischen 1961 und 1975 ungefähr 1,5 bis 2 Millionen Vietnamesinnen und Vietnamesen an den direkten und indirekten Folgen des Kriegs.24 Englischsprachige Internetseiten dieser Kriegsbeteiligten sind sehr selten. Die wenigen Seiten, die sich finden ließen, wurden von ehemaligen ARVN-Angehörigen erstellt, die nach Amerika fliehen konnten und nun aus dem Exil auf ihre Militärzeit zurückblicken.25 Gerade dieser Umstand überrascht. Die Zahl der ARVN-Truppen überstieg die der amerikanischen bei Weitem, da in Südvietnam fast während des ganzen Kriegs Generalmobilmachung herrschte und alle wehrfähigen Männer Dienst zu leisten hatten.26 Nach der Niederlage Südvietnams floh eine große Zahl von Militärangehörigen mit ihren Familien über verschiedene Wege ins Ausland, um vor Übergriffen der Siegermacht sicher zu sein. Weder diese Personen noch ihre Angehörigen scheinen den Drang zu verspüren, sich im Internet über diesen Lebensabschnitt zu äußern. Die südvietnamesische Armee erlitt während des Kriegs regelmäßig große Verluste, was ebenfalls darauf hindeutet, dass Kampftrauma allein noch keine hinreichende Erklärung für Äußerungsbedürfnisse unter Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten sein kann. Englischsprachige Seiten von Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte (seien es reguläre oder irreguläre Truppen) ließen sich keine finden, was jedoch zumindest teilweise auf die starke Internetzensur in Vietnam zurückgeführt werden kann. Die Anzahl der Internetseiten und ihrer Autorinnen und Autoren erscheint verglichen mit diesen Zahlen relativ gering. Wenn über eine Million Amerikaner in Bedrohungssituationen kamen und über 30 Prozent davon zumindest kurzzeitig über das Auftreten von PTSD-Symptomen klagten, lässt sich selbst aus dieser Perspektive das Kampftrauma nicht automatisch als zentrales Motiv für die Autorinnen und Autoren im Netz annehmen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die jüngsten Angehörigen dieser Gruppe heute über sechzig Jahre alt sind. Die Grenze zum Massenmedium hatte das Internet frühestens im Jahr 1993 mit der Einführung des ersten Browsers überschritten. Deshalb sind viele Autorinnen und Autoren auf Anregungen und Hilfe aus ihrer Umgebung angewiesen und stolz darauf, sich ihre Kenntnisse für die Erstellung ihrer Seiten selbst angeeignet 24 25
26
Christian G. Appy: Working Class War. American Combat Soldiers in Vietnam, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1993, S. 17. Ein Beispiel ist die Seite TPBVN: Gia Dinh thuong Phe Binh, unter: Republic of Vietnam Disable Veterans, URL: http://tpbvnch.tripod.com/stdhome.html, Stand: 20.02.2013. Sie versammelt relativ unzusammenhängend Versehrtenbilder, Hinweise auf unterschiedliche Memorials in Amerika sowie Informationen über verschiedene Aspekte der südvietnamesischen Armee. Vgl. zur ARVN Robert Kendall Brigham: ARVN: Life and Death in the South Vietnamese Army, University Press of Kansas: Lawrence, KS 2006.
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zu haben. Die Zahlen zeigen ebenfalls, dass die Kriegsbeteiligten innerhalb ihrer Generation immer nur eine Minderheit dargestellt haben. Das Auswahlverfahren, über das sie in den Krieg geschickt wurden, war oft undurchsichtig und in manchen Punkten mehr an politischen Interessen orientiert als an Fragen der Chancengleichheit. Die Auswahlgremien, die für Anträge und Beschwerden zuständig waren, wurden lokal besetzt und hatten in manchen Fragen große Entscheidungsfreiheiten. Damit wurde der Grundstein für die Stellung der Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten innerhalb der amerikanischen Gesellschaft gelegt, auf dem das Selbstverständnis vieler Kriegsbeteiligter im Netz bis heute zu fundieren scheint. Die Vietnamgeneration lässt sich deshalb als soziale Generationsform beschreiben, aus der sich durch die Besonderheiten des Vietnamkriegs und der amerikanischen Gesellschaft eine heterogene, ungleich ausgewählte Gruppe als Teil der Streitkräfte nach Vietnam begab. Da die amerikanischen Streitkräfte trotz großer Detailtreue in anderen Bereichen bis heute keine vollständigen Zahlen über die Amerikanerinnen und Amerikaner in Vietnam zur Verfügung stellen konnten oder wollten, muss jede zahlenmäßige Aussage als Näherung verstanden werden. Wichtig für das Verständnis der US-Amerikaner, die mit dem Vietnamkrieg in Kontakt kamen, ist ihre Sonderstellung in der amerikanischen Gesellschaft. Durch die ungleiche Verteilung und geringe Mobilisierung der Eingezogenen konnten viele von ihnen bereits vor ihrer Abreise das Gefühl entwickeln, in Amerika relativ isoliert zu sein.
Ergebnisse einer Kontaktaufnahme Die statistischen Daten über die Vietnamgeneration lassen sich nur dann sinnvoll verwenden, wenn sie durch andere Informationen ergänzt werden können. Hier stößt die Forscherin oder der Forscher schnell an Grenzen, da die Seiten oft nur wenig über die Kriegsbeteiligten selbst aussagen. Die Ergebnisse der qualitativ durchgeführten Recherche sollten deshalb durch die persönliche Kontaktaufnahme über eine E-Mail-Umfrage ergänzt werden, was sich als schwierig erwies. Die Auseinandersetzung mit dem Quellenkorpus hat ergeben, dass ein großer Teil der Kriegsbeteiligten im Quellenkorpus weiße, männliche US-amerikanische Staatsbürger sind, die als Infanteriesoldaten in Vietnam gedient haben. Frauen sind ebenso eine Seltenheit wie Angehörige anderer Nationalitäten, die auf der Seite der USA am Krieg teilnahmen.
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Tabelle 2: E-Mai-Umfrage Teil 1: Persönliches
Questions
Answers
Options
Results
What is your sex?
12
Male Female Other
12 0 0
What is your age?
12
Ø
64
How big is your hometown?
12
Ø
150.000
Are you married?
10
Yes No
8 2
Do you have children?
10
Yes No
9 1
What do you consider to be your race/ethnicity?27
9
White Other
8 1
Are you part of a religious denomination?
10
Yes No
5 5
Tabelle 3: E-Mail-Umfrage Teil 2: In Vietnam
Questions
Answers
Options
Results
11
Drafted Volunteered Other
2 8 1
During which years were you in Vietnam?
12
1965 1966 1967 1968 1969 1970
1 1 5 10 6 1
If you were in Vietnam as a part of the armed forces, name the branch
11
Army Marines Navy
8 1 2
Did you experience combat situations?
12
Yes No
12 0
Why did you go to Vietnam?
27
Auswahlmöglichkeiten: Alaska Native / American Indian / Asian / Black or African American / Hispanic / Latino / Native Hawaiian / Pacific Islander / White / Other.
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Were you wounded?
What were your missions in Vietnam? (Please define yourself using one or several short phrases like „grunt“, „clerk“ etc.)
12
Yes No
6 6
13
Grunt Rifleman Infantry Scout Guard Aviation crew chief Aviation observer Artillery Artillery survey Medic Chaplain Photo team commander Heavy equipment operator Electrician Clerk
6 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Tabelle 4: E-Mail-Umfrage Teil 3: Heimat
Questions
Answers
Options
Results
Did your war experience result in any kind of lasting disability?
8
Yes No
6 2
Did you receive any decorations?
11
Yes No
11 0
Did you ever return to Vietnam?
12
Yes No
3 9
When did you start your webpage?
12
2009 2001 2000 1999 1997 1995 1993 1992 1991 1985
2 1 1 1 1 2 1 1 1 1
Speaking of today: would you call yourself a Soldier?
13
Yes No
4 9
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Speaking of today: would you call yourself a veteran? Did you ever visit the wall, a physical substitute (like the travelling wall or the moving wall) or a virtual substitute (like touchthewall.org)?
13
Yes No
13 0
13
Only the wall Nothing Physical substitute Virtual substitute Wall & physical Physical & virtual Visited all three
3 4 1 1 1 0 3
Genauere Erfassungen scheitern meist schon an der ‚Informationspolitik‘ der Seiten. Kriegsbeteiligte sprechen häufig über Erlebnisse in Vietnam oder die Aspekte der Nachkriegszeit, ohne den Besucherinnen und Besuchern Informationen über sich mitzuteilen. Viele Seiten ähneln in Inhalt, Ästhetik und Aufbau anderen Seiten des Quellenkorpus, ohne einen Hinweis darauf zu enthalten, ob die Autorin oder der Autor selbst in Vietnam war oder nicht. Oft findet sich nur eine kurze ‚Militärvignette‘ mit Namen, Dienstgrad, Einheit und Dienstzeit bzw. einer beliebigen Kombination aus diesen und ähnlichen Informationen. Entsprechend einfach wäre es, unvollständige oder ganz falsche Informationen über die eigene Vietnamerfahrung zu geben. Die Vorspiegelung falscher Dienstzeiten im Militär und nicht vorhandener Auszeichnungen wurde im Jahre 2005 durch den „Stolen Valor Act“ unter besondere Strafe gestellt, dieser wurde jedoch Mitte 2012 vom amerikanischen „Supreme Court“ wegen Unvereinbarkeit mit der allgemeinen Meinungsfreiheit wiederaufgehoben. Aus dieser Diskussion entstand das Buch Stolen Valor, das sich bezogen auf den Vietnamkrieg mit dem Thema beschäftigt.28 Die Autoren des Werkes, ein Vietnamveteran und eine Journalistin, gehen davon aus, dass die Vortäuschung solcher Tatsachen bezogen auf den Vietnamkrieg häufig vorkommt und klagen Einzelpersonen im Buch offen an. Wie auf vielen Webseiten vermischt sich in dem Buch dieser Aspekt mit anderen Themen, wenn sich die Autorin und der Autor des Buches zum Beispiel mit der Aufklärung angeblicher Mythen über den Krieg beschäftigen. Die Angst vor Nachahmern steht so eng mit anderen Ängsten und angeblichen Problemen in Verbindung, dass das eine ohne das andere nicht angesprochen werden kann. Für die Webseiten bedeutet dies zweierlei. Auf der einen Seite identifizieren die Autorinnen und Autoren solche Vorfälle als eine Bedrohung für ihre Identität als Kriegsbeteiligte. Auf der anderen Seite machen es die sehr unterschiedlichen Informationsmengen auf den Webseiten oft schwierig, eine endgültige Aussage 28
Bernard Gary Burkett, Glenna Whitley: Stolen Valor. How the Vietnam Generation was Robbed of its Heroes and its History, Verity Press: Dallas, TX 1998.
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über die Authentizität vieler Behauptungen zu treffen. Wenn solche „wannabes“ und „phonies“ (Schwindler) von speziell darauf spezialisierten Seiten identifiziert werden, dann vor allem durch ihre öffentlichen Auftritte.29 Das Internet wird gerne benutzt, um solche Personen dauerhaft anzuprangern und die Behauptungen mit neuen Informationen zu aktualisieren. Die Betreiberinnen und Betreiber solcher Seiten bleiben jedoch ebenfalls oft anonym, was es wiederum schwierig macht zu entscheiden, ob sie zum Quellenkorpus gezählt werden dürfen oder nicht. Die direkte Kontaktaufnahme mit den Autorinnen und Autoren erwies sich in der Praxis als schwierig. Die meisten Seiten nennen als Kontaktmöglichkeit fast ausschließlich E-Mail-Adressen. Für eine Großumfrage wurden per Zufallsgenerator Seiten ausgewählt, die nach E-Mail-Adressen durchsucht wurden. Waren die Seiten noch auffindbar, wurden die Autorinnen und Autoren (wenn möglich mit Namen) adressiert und ihnen ein Fragebogen vorgelegt, der primär aus Multiple-Choice-Antworten bestand. Format und Inhalt der Fragen wurden speziell für diese Umfrage entwickelt, orientierten sich aber an einschlägigen „questionnaires“ des „U.S. Census Bureau“.30 Dies galt vor allem für die Formulierung von Fragen, die von den Angeschriebenen als problematisch empfunden werden konnten. Besonders wichtig war dieses Vorgehen bei der Frage nach der zur Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie, da die entsprechenden Kategorien kulturell intensiv vorgeprägt sind. Diese wurden deshalb direkt aus offiziellen Umfragebögen der US-amerikanischen Regierung übernommen. Die Reaktion auf die Umfrage war verhalten. Von den 160 ausgewählten Seiten waren 31 bis zum Ende der Umfrage verschwunden, davon hatten insgesamt 15 Seiten keine sichtbaren E-Mail-Adressen. Nachdem 145 Seiten angeschrieben worden waren, stellten sich 23 der vorgefundenen Adressen als nicht mehr funktionsfähig heraus. Die 16 Rückantworten waren teilweise sehr unvollständig und mit den Autorinnen und Autoren ließ sich keine dauerhafte Kommunikationsbeziehung aufbauen. Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. In vielen Punkten decken sich die Antworten mit den Erkenntnissen, die aus der qualitativen Auswertung der Internetseiten gewonnen werden konnten. Die Antwortenden waren ausnahmslos weiße Männer, von denen viele zumindest
29
Vgl. z.B. Autor unbekannt: Phony Veterans!, unter: Phonyveterans.com, URL: http://ww2.phonyveterans.com/?folio=7POJ4E717, Stand: 20.03.2009, Offline seit: 20.10.2010; Autor unbekannt: Jeff’s Lerner’s Fraud, unter: Beware Jeff Howard Lerner, URL: http://beware-jeffrey-howard-lerner.info/Jeff_Lerner_Fraud.html, Stand: 20.02.2013. 30 US Census Bureau, The Website Services & Coordination Staff: Census Bureau Home Page, unter: CENSUS, URL: http://www.census.gov/#, Stand: 20.02.2013.
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als Teil ihrer Karriere als Fußsoldat in Vietnam eingesetzt worden waren. Entsprechend stammten die meisten von ihnen aus den Reihen der „Army“ oder der „Marines“. Bei keinem der Befragten umfasste die Zeit in Vietnam mehr als drei Jahre und die größte Zahl von ihnen befand sich dann vor Ort, als die harten Kämpfe der TET-Offensive stattfanden und die Zahl der amerikanischen Truppen ihren Höhepunkt erreicht hatte. Entsprechend überrascht es nicht, dass alle der Antwortenden in Kampfsituationen verstrickt wurden und eine Auszeichnung erhielten. Dass einige der Befragten Dienst in der Etappe getan haben, widerspricht dem nicht, da es in diesen vermeintlichen Sicherheitszonen ebenfalls oft zu Kampfhandlungen oder zumindest zu Granatenbeschuss kam. Sie alle sehen sich als Veteranen und einige würden sich bis heute als Soldaten bezeichnen. Selbst wenn es nicht möglich ist, von den Antworten auf die Autorinnen und Autoren der Seiten insgesamt zu schließen, ist klar ersichtlich, dass die Gruppe der Antwortenden ein starkes militärisches Selbstbild besitzt, das sich in jeder Antwort manifestiert. Zwei Fragen hatten keine vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Die erste fragte nach dem Grund, wieso die Autorinnen und Autoren ihre Webseiten erstellt hatten. Viele der Antworten zählten mehrere Gründe auf. Sie waren entweder persönlich oder bezogen sich auf die Bedürfnisse anderer Veteraninnen und Veteranen. Nur einer der Befragten äußerte als Ziel, über Vorurteile und falsche Darstellungen des Kriegs aufklären zu wollen. Die Wenigsten beschränkten sich auf ein einzelnes Ziel, sondern verbanden diverse Absichten in ihrer Antwort. Deshalb lesen sich die meisten Antworten nicht nur wenig kohärent, sondern äußern einen außerordentlich vielschichtigen Wirkungsanspruch, der über die Webseite eines Individuums nur schwer umsetzbar zu sein scheint. Die zweite der offen formulierten Fragen sollte herausfinden, an welche Zielgruppen sich die Autorinnen und Autoren mit ihren Inhalten wenden wollten. Ebenso wie bei der ersten offenen Frage waren die Antworten nicht nur sehr allgemein, sondern gleichzeitig außerordentlich umfassend. Neben großen Gruppen wie ‚der‘ Öffentlichkeit und anderen Veteraninnen und Veteranen sind es die eigenen Kameradinnen und Kameraden oder die eigene Familie, die angesprochen werden sollen. Die Autorin oder der Autor selbst ist ebenfalls als wichtige ‚Zielgruppe‘ präsent.
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Tabelle 5: E-Mail-Umfrage Teil 4: Antwort auf „Why did you start your webpage?“
Die eigene Geschichte erzählen
4
Anderen Veteraninnen und Veteranen helfen
3
Kontakt mit anderen Veteraninnen und Veteranen aufnehmen
2
Anderen Veteraninnen und Veteranen Anerkennung zollen
2
Ein Archiv für eigene und fremde Informationen aufbauen
2
Anderen Veteraninnen und Veteranen eine Austauschplattform zur Verfügung stellen
2
Die eigene professionelle Erfahrung als Webseiten-Designer präsentieren
1
Kontakt mit alten Kriegskameraden aufnehmen
1
Inhalte publizieren, die in klassischen Medien abgelehnt wurden
1
Eigene Erfahrungen therapeutisch verarbeiten
1
Falsche Darstellungen über den Vietnamkrieg berichtigen
1
Wenn die Frage der Zielgruppe beantwortet wurde, dann außerordentlich vage und gleichzeitig umfassend. Hier stehen Veteraninnen und Veteranen und die allgemeine Öffentlichkeit im Vordergrund, manchmal ergänzt um spezifische Beispiele, die fast immer mit der Darstellung des Vietnamkriegs für andere zu tun haben. Der Widerspruch, dass die Webseite nicht für die Allgemeinheit erstellt wurde, diese aber dennoch als häufige Zielgruppe angegeben wird, löst sich auf, wenn die Erkenntnisse aus der qualitativen Untersuchung der Webseiten und der teilnehmenden Beobachtung der Veteraninnen und Veteranen als Vergleich herangezogen werden. Diese Form der Außenkommunikation wird als motivierender Faktor immer wieder deutlich, ist aber in der Praxis etwas, das die Autorinnen und Autoren relativ schnell als erfüllt ansehen. Die eigene Webseite zu publizieren, genügt hier meist. Was außen vor bleibt, ist die aktive Kontaktaufnahme und der Austausch mit dieser vage definierten Öffentlichkeit. Die Webseiten beziehen sich auf sich selbst – auf die Autorin oder den Autor und auf jene, denen er oder sie sich verbunden fühlt. Die Öffentlichkeit kann teilnehmen und auf unterschiedliche Weise präsent sein, was im Diskurs über die Anerkennung der Veteraninnen und Veteranen innerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit eigentlich als sehr wichtig eingeschätzt werden sollte. In der Praxis ist es jedoch nicht erwünscht, dass ihre Präsenz über einen lockeren Beobachterstatus hinausgeht. Die Besucherinnen und Besucher am „Vietnam Veteranʼs Memorial“ werden dies ebenso erfahren wie jeder, der auf den Internetseiten den tatsächlichen Austausch mit den Autorinnen und Autoren sucht.
D IE POTENZIELLEN E RZÄHLERINNEN UND E RZÄHLER | 161
Tabelle 6: E-Mail-Umfrage Teil 5: Antworten auf die Frage „Who did you create your webpage for?“
Who did you create your webpage for? Für andere Veteraninnen und Veteranen (nicht notwendigerweise des Vietnamkriegs)
9
Die Öffentlichkeit
6
Für die eigenen Kriegskameraden
3
Für sich selbst
2
Für interessierte Forscherinnen und Forscher
2
Für Schulen
2
Für die eigene Familie
1
Für die amerikanischen Streitkräfte
1
Es ist schwierig, aus diesen Erkenntnissen abzuleiten, wieso sich dieser Teil der Vietnamgeneration mittels Computer sowie eigener oder fremder Kenntnisse im Netz ‚verewigt‘. Als Tim Berners-Lee im Jahr 1989 mit seinem Hypertextprojekt begann, aus dem sich das Internet entwickeln sollte, war der Vietnamkrieg bereits seit 14 Jahren beendet.31 Selbst wer mit dem Netz aufgewachsen ist, hat nicht automatisch die Fähigkeit, eine Webseite zu entwerfen und die eigenen Inhalte für andere zugänglich zu machen. Solche Hürden lassen sich auf verschiedene Arten überwinden, wovon Selbststudium, professionelle Hilfe oder der Beistand von Familie und Freunden am häufigsten von den Autorinnen und Autoren erwähnt werden. Der Do-it-yourself-Gedanke ist auf den Seiten weit verbreitet. Viele Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer zeigen das Logo der HTML writers guild, einer Internetgemeinschaft, deren Mitglieder zusammen die Erstellung von Internetseiten erlernen und sich über dieses Thema austauschen.32 Die Darstellungspraktiken und ästhetischen Aspekte der Seiten sind deshalb oft minimalistisch oder wirken verglichen mit modernen Internetseiten veraltet. Diese ästhetische Komponente lässt sich zumindest als ein weiterer Hinweis dafür deuten, dass viele der Autorinnen und Autoren während der 1990er Jahre den Weg ins Netz gefunden haben. Bis sich eine breiter aufgestellte Analyse dieser ästhe-
31 Berners-Lee ist bis heute Mitglied des WWW-Konsortiums, das wichtige Standards für die Internetkommunikation definiert. Vgl. Tim Berners-Lee: Berners Lee Project Page, unter: W3.org, URL: http://www.w3.org/People/Berners-Lee/, Stand: 20.02.2013. 32 HTML WG: Website Design – HWG.org, unter: The HTML Writers Guild, URL: http:// www.hwg.org/, Stand: 20.02.2013.
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tischen Aspekte verwirklichen lässt und gleichzeitig entsprechende Vergleichsstudien über die Internetentwicklung aus ästhetischer Sicht vorliegen, lässt sich dieser Hinweis jedoch nur unter starken Vorbehalten rezipieren.
Öffentlich im Netz? Schlussfolgerungen Fasst man diese unterschiedlichen Ergebnisse zusammen, ergibt sich ein komplexes, aber sehr unvollständiges Bild. Dieser im Internet aktive Teil der Vietnamgeneration präsentiert sich als eine von der Kriegserfahrung geprägte Gruppe, deren Interesse auf dem Krieg aufbaut, sich aber darin nicht erschöpft. An erster Stelle steht für sie die eigene Präsenz in einem gedachten ‚Raum‘, der prinzipiell für alle zugänglich ist. Die Autorinnen und Autoren der Webseiten sind Wortführer, die ganz natürlich ihre Meinungen als repräsentativ für die Vietnamgeneration oder andere Kriegsbeteiligte darstellen. In der Praxis sind die potenziellen Erzählerinnen und Erzähler eine (verglichen mit der Vietnamgeneration oder allen Kriegsbeteiligten) außerordentlich kleine Gruppe, die einen Weg gefunden hat, im Hier und Jetzt ihre Vorstellungen über den Krieg und die Identitäten von Veteraninnen und Veteranen erfahrbar zu machen. Klare statistische Aussagen lassen sich über diese Gruppe trotz unterschiedlicher Ansätze kaum formulieren. Sie geben oft wenig über sich selbst preis und scheinen kaum daran interessiert zu sein, mit Außenstehenden direkt in Kontakt zu treten. Viel interessanter ist die Frage danach, wer die Autorinnen und Autoren nicht sind. Nur sehr selten finden sich unter ihnen Offiziere oder Angehörige höherer Ränge. Wenn man die Ergebnisse der Umfrage mit den Eindrücken der Quellenrecherche verbindet, sind sie darüber hinaus vor allem eines: durchschnittlich. Von männlichen, weißen Amerikanern der Mittelklasse zu sprechen drängt sich auf, ohne dass die vorhandenen Daten dies wirklich objektiv belegbar machen. Diese Schwierigkeiten ergeben sich aber nicht nur aus einem Mangel an Daten, sie sind ein direktes Resultat ihrer Handlungen. Auf den Seiten wird ein vereinigender Durchschnitts-Veteran (keine Veteranin) konstruiert, dessen einzige bedeutende Eigenschaften sein Aufenthalt in Vietnam und seine andauernde Auseinandersetzung mit diesem sein sollen. Gemeinschaft bedeutet in diesem Fall, alle anderen individuellen Eigenschaften diesem Ziel unterzuordnen. Die Kriegsbeteiligten bleiben also nicht nur deshalb schwer erkennbar, weil sie wenig über sich preisgeben. Ein expliziter Teil ihrer Strategie besteht darin, alle nicht auf ihren Veteranenstatus bezogenen Eigenschaften zu marginalisieren.
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Was die Autorinnen und Autoren ebenfalls nicht sind, ist offen. Wer nicht zu ihrer (oft sehr vage definierten) Gruppe gehört, hat es schwer, Kontakt aufzunehmen. Ihr Konzept von Öffentlichkeit ist ein gerichtetes, bei dem Informationen von ihnen zu anderen fließen und jede Form der Kollaboration stark kontrolliert vonstattengeht. Dies drückt sich auch und vor allem darin aus, dass sie andere Austauschformen, wie das Internet sie bietet, von ihren Webseiten strikt getrennt halten. Die heute leicht umzusetzende Integration von Foren, Chats und ähnlichen Kommunikationstechniken in eine Webseite nutzen sie kaum. Wie groß dieser Unterschied ist, wird sich im letzten Teil zeigen, wenn die Seiten mit den Herangehensweisen jüngerer Veteranen verglichen werden. Diese fehlende Offenheit ließe sich aus mehreren Richtungen interpretieren. Am wahrscheinlichsten ist, dass die reflexhafte Vorsicht zu einem Teil ihres spezifischen Veteranen-Habitus geworden ist. Aus dem immer wieder beschworenen Konzept der Marginalisierung in der Gesellschaft leitet sich eine negative Grundhaltung gegenüber anderen ab, die bei jeder nach außen gerichteter Handlung im Raum zu stehen scheint. Manche dieser Schlussfolgerungen greifen schon dem wichtigsten Teil der Auseinandersetzung mit den Seiten voraus: der Darstellung und Analyse der Inhalte, mit denen sich die Autorinnen und Autoren beschäftigen. Bevor aber im vierten Teil umfangreich darauf eingegangen wird, müssen erst die Handlungspraktiken jenseits des Internets betrachtet werden. Was sie von den sich ständig vergrößernden Potenzialen des Internets tatsächlich nutzen und was sie ignorieren, wird dabei als Frage im Zentrum stehen.
Vierter Teil: Praktiken und Inhaltskategorien
Vietnamkrieg im Netz: Praktiken „Die Geschichte ist die stets problematische und unvollständige Rekonstruktion dessen, was nicht mehr ist. Das Gedächtnis ist ein stets aktuelles Phänomen, eine in ewiger Gegenwart erlebte Bindung, die Geschichte hingegen eine Repräsentation der Vergangenheit.“1
Die Konzepte von Geschichte und Gedächtnis, die Pierre Nora hier anspricht, werden über Alltagspraktiken des Erzählens und Erinnerns geprägt und ausgestaltet. Für das Verständnis solcher Praktiken auf den Seiten des Quellenkorpus ist ein kurzer Blick auf ausgewählte historische Kontexte und Entwicklungslinien notwendig, bevor diese dargestellt und ausgewertet werden können. Im Quellenkorpus sind zwei Felder besonders wichtig, die entsprechend gesondert behandelt werden müssen. Da ist auf der einen Seite der Umgang mit physischen Memorials, die als Artefakte rezipiert, auf vielerlei Art und Weise virtualisiert und in dieser Form in die Internetseiten eingebaut werden. Auf der anderen Seite existieren im Quellenkorpus eigene Annäherungen an die Aspekte und Symbole der traditionellen Bestattungs- und Trauerkultur, die in abgewandelter Form in die Seiten integriert werden. Da Praktiken und Inhalte voneinander abhängig sind und sich gegenseitig bedingen, ist die getrennte Erfassung der Praktiken in diesem und der Inhalte im folgenden Abschnitt für den Erkenntnisprozess unerlässlich.
1
Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis (Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek 16), Fischer Taschenbuch-Verlag: Frankfurt am Main 1990, S. 12f.
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Der Weg vom Tagebuch zur Webseite: (k)eine Einführung Es ist kaum möglich, die Übergänge zwischen unterschiedlichen Formen der Kriegsdarstellung innerhalb der gesamten Menschheitsgeschichte zu erfassen. Persönliche Kriegserfahrung gehörte und gehört für viele Menschen zum Alltag ihrer Existenz und lässt sich deshalb von anderen Formen der Alltagserzählung nicht automatisch trennen. Die Quellenlage vor dem 18. Jahrhundert ist relativ dürftig und viele Funde früher Erzählquellen von Kriegsbeteiligten sind seltene Glücksfälle der historischen Forschung.2 Erst als individuelle Kriegserfahrungen im kontemporären Kontext publizierbar wurden, wurde die Erhaltung solcher Quellen stark begünstigt. Als literarische Gattung etablierte sich z.B. der Kriegsbrief aber erst während des Ersten Weltkriegs.3 Inhalt und Medium bedingten sich dabei gegenseitig. Der Kriegsbericht der Oberschicht war an spezifische Genrevorstellungen gebunden. Englische Offiziere benutzten häufig das Vergleichsbeispiel der sportlichen Betätigung, um das Geschehen an der Front darzustellen.4 Kriegsbriefe und Postkarten dagegen waren viel weniger an spezifische Inhaltsvorstellungen gebunden. Der Verfasser wurde zum Individuum, das um Essenspakete bat und über Ausrüstung, Vorgesetzte oder das Wetter klagte.5 Die Darstellung der eigenen Erlebnisse war für die Kriegsbeteiligten jedoch oft mehr als reine Erinnerungsstütze. Sie erlaubte es, mit den eigenen Erfahrungen im Kriegsalltag umzugehen und die emotionalen Belastungen der Fronterfahrung besser zu überstehen und in Zukunft vielleicht sogar zu bewältigen.6 Diese Entwicklung repräsentierte einen Wandel im Umgang mit dem Kriegserlebnis. Bezogen auf die Internetseiten und ihre Autorinnen und Autoren ist vor allem die Erkenntnis wichtig, dass ihre Aktivitäten zwar mit einer langen Tradition des 2
3
4 5 6
Vgl. dazu z.B. die Tagebücher des Söldners Peter Hagendorf, die von dem Historiker Jan Peters bearbeitet wurden: Jan Peters: Peter Hagendorf. Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 14), V&R Unipress: Göttingen 2012. Vgl. Manfred Hettling, Michael Jeismann: Der Weltkrieg als Epos. Philip Witkorps Kriegsbriefe gefallener Studenten, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, u.a. (Hg.): „Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch...“. Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Klartext: Essen 1993, S. 175-198, hier S. 176. Paul Fussell: The Great War and Modern Memory, Oxford University Press: New York, NY 1979, S. 27. Vgl. Veit Didczuneit, Jens Ebert, u.a. (Hg.): Schreiben im Krieg – Schreiben vom Krieg. Feldpost im Zeitalter der Weltkriege, Klartext: Essen 2011. Vgl. Angela Schwarz: „... whenever I feel depressed I dash off a page or two of scribble.“ Briefe in die Heimat als Überlebensstrategie britischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg, in: Veit Didczuneit, Jens Ebert, u.a. (Hg.): Schreiben im Krieg – Schreiben vom Krieg. Feldpost im Zeitalter der Weltkriege, Klartext: Essen 2011, S. 209-218.
V IETNAMKRIEG
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individuellen Kriegserzählens verbunden sind, sich davon aber in spezifischen Punkten unterscheiden. Anders als Briefe, Tagebücher oder autobiografische Erzählungen besitzen die virtuellen Formen nur sehr eingeschränkte Strukturvorgaben. Entsprechend fragmentarisiert präsentieren sich viele Inhalte im Netz. Am wichtigsten ist für die Autorinnen und Autoren aber, dass sie für die Publikation nicht auf die Interessen einer auf Gewinn oder Propaganda ausgerichteten Organisation Rücksicht nehmen müssen. Aus eigenem Antrieb und in selbstbestimmter Form Kriegserzählungen formulieren zu können, ist für die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer eine Freiheit, auf die sie nicht mehr verzichten möchten. Um den Zugang zu den Seiten des Quellenkorpus zu ermöglichen, werden zwei Vergleichsbeispiele herangezogen. Die erste Gruppe sind die nichtvirtuellen Erzählquellen des Vietnamkriegs, von denen manche bereits während des Konflikts publiziert wurden und die bis heute kaum an Bedeutung verloren haben. Das zweite Vergleichsfeld stellen andere Webseiten dar, die sich mit Erfahrungen aus dem Kriegsgebiet beschäftigen. Wie sich in der E-Mail-Umfrage angedeutet hat und durch die qualitative Untersuchung bestätigt wurde, stammen viele Seiten wahrscheinlich aus den 1990er Jahren. Sie stellen damit ein frühes und vielleicht das früheste Beispiel für Internetpräsenzen dar, die von Kriegsbeteiligten erstellt wurden, um ihre Erfahrungen darzustellen. Die unterschiedlichen medialen Möglichkeiten der Gegenwart lassen den Kriegsbeteiligten von heute große Auswahlmöglichkeiten, verhindern aber scheinbar, dass sich gemeinsame Merkmale herausbilden können. Moderne Medien bedeuten zudem schnelle Veränderungen im Nutzerverhalten und in der Auswahl der Ausdrucksmittel. Als während des Kriegs in Jugoslawien im Jahr 1999 Belgrad unter Beschuss von Luftstreitkräften geriet, tauschten sich manche der Betroffenen über ein Onlinesystem aus. Für heutige Verhältnisse scheinen dessen Möglichkeiten sehr beschränkt zu sein: Es existierte nur ein Chatraum ohne Themenunterteilung, dessen Nutzerzahl auf 100 beschränkt war.7 Die Nutzerinnen und Nutzer konnten sich hier in Echtzeit über Geschehnisse austauschen, die sie über Gerüchte gehört oder am eigenen Leib erlebt hatten. Mehr als zehn Jahre nach dieser Untersuchung wären die Möglichkeiten völlig anders gewesen. Neben mehreren Chaträumen hätte der damals verwendete Anbieter SezamPro Foren, Blogs und Instant Messaging möglich machen können. Durch die größere Zahl von Anbietern und Webseiten wäre die Kommunikation unter den Betroffenen jedoch in zahlreiche Untergruppen zersplittert. Für die Nutzerinnen und Nutzer 7
Vgl. zu diesem Fall die Studie von Smiljana Antonijevic: Sleepless in Belgrade. A Virtual Community during War, unter: First Monday Online Journal, URL: http:// www.firstmonday.org/ISSUES/issue7_1/anton/index.html, Stand: 07.01.2002.
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des damaligen Onlinesystems hatten die beschränkten Möglichkeiten deshalb nicht nur Nachteile. Die Auswirkungen der technischen und organisatorischen Voraussetzungen, derer sich die Kriegsbeteiligten heute bedienen, müssen deshalb am Einzelfall darauf geprüft werden, welche Auswirkungen sie tatsächlich auf die Austauschprozesse haben. Ein weiteres Beispiel für eine solche Veränderung waren die Aktivitäten USamerikanischer Soldatinnen und Soldaten während der Irakkriege. Die Medienwissenschaftlerin Johanna Roering hat in mehreren Artikeln und schließlich in ihrer Dissertation die Bloggingkultur US-amerikanischer Truppen verfolgt und nachgezeichnet.8 Diese Echtzeitmethode, um eigene Darstellungen im Internet bekannt zu machen, wurde bezogen auf den Krieg in dieser Form das erste Mal umfangreich genutzt. Die Kriegsbeteiligten drückten sich hier für ihre Kameradinnen und Kameraden und für eine breitere Öffentlichkeit nach ihren eigenen Vorstellungen und in ihren eigenen Worten aus und das in einer Zeit, in der journalistische Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet nur noch unter Einschränkungen erfolgen konnte. Nicht nur in diesem Fall stellt sich die Frage nach dem Warum, also danach, wieso gerade diese Form der medialen Repräsentation ausgewählt wurde. Für Roering kommen im Bedürfnis der Soldatinnen und Soldaten zu bloggen mehrere Faktoren zusammen: „Der Anspruch der Unvermitteltheit und die Ausformung von Authentizität als mikroperspektivische Nahaufnahmen rühren nicht nur aus dem Versuch, Gültigkeit in einer Medienlandschaft zu erlangen, sondern spiegeln auch eine Befindlichkeit wider, die bestimmt ist von Verwirrung und Unübersichtlichkeit.“9
Während des Irakkriegs wurden Blogs verstärkt in den traditionellen Nachrichtenmedien eingesetzt, was ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit erhöhte. Das Blog schien für die einzelnen Nutzerinnen und Nutzer eine Methode zu sein, mit der sich Informationen jenseits traditioneller medialer Konstrukte darstellen ließen. Für sie vermengte sich die chaotische Realität des Kriegs mit dem Wunsch, 8
9
Vgl. Johanna Roering: Saddam Fired Scuds at Me: US-amerikanische Milblogs aus dem Irakkrieg, in: Kommunikation@Gesellschaft (Online-Ausgabe) 8 (2007), S. 1-20; Johanna Roering: „Getting the Word out“. Warblogs als Kriegsberichterstattung, in: Barbara Korte (Hg.): Kriegskorrespondenten. Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft, VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2007, S. 181-196; Johanna Roering: Krieg bloggen: Soldatische Kriegsberichterstattung in digitalen Medien, Transcript: Bielefeld 2012. Blogs von Soldatinnen erwähnt sie nicht, Frauen spielen vor allem im Rahmen der Blogs von Angehörigen eine Rolle. Johanna Roering: Saddam Fired Scuds at Me: US-amerikanische Milblogs aus dem Irakkrieg, in: Kommunikation@Gesellschaft (Online-Ausgabe) 8 (2007), S. 1-20, hier S. 18.
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in einer fremdbestimmten Medienlandschaft eigene Inhalte vermitteln zu können. Gleichzeitig nahmen sie für sich die alleinige Kompetenz in Anspruch, authentische Berichte aus dem Kriegsgebiet zu verfassen. Ein solches Misstrauen gegen klassische Nachrichtenmedien lässt sich unter den Kriegsbeteiligten des Vietnamkriegs ebenfalls beobachten. Ein weiterer Grund, der nicht genannt wird, ist viel pragmatischer: Das Medium war nicht nur bekannt, sondern leicht verfügbar. Es war möglich, kostengünstig oder sogar kostenlos ein Blog zu eröffnen. Da die Soldatinnen und Soldaten außerdem in dieser Zeit mit der Praktik des „embedding“ konfrontiert wurden, des kontrollierten Einbindens von Journalistinnen und Journalisten in spezifische Einheiten, konnte der Gedanke nahe liegen, dass nur selbstverwaltete Äußerungen der Öffentlichkeit einen Zugang zu den Realitäten des Kriegs (wie sie diese empfanden) ermöglichen konnten.10 Solange sie vom Kriegsgebiet aus Zugang zu Internetdiensten hatten, fielen sie selbst nicht unter Beschränkungen. Der Existenz der Truppenangehörigen als ‚Laienjournalisten‘ wurde jedoch bald enge Grenzen gesetzt. Schon im Jahr 2005 trat eine Regelung in Kraft, dass im Kampfeinsatz die Eröffnung oder die Nutzung eines Blogs von der kommandierenden Offizierin oder dem kommandierenden Offizier genehmigt werden musste. Diese Regelung wurde im Jahr 2007 noch weiter verschärft, da ab diesem Zeitpunkt jeder einzelne Blogeintrag mit den Vorgesetzten abgesprochen werden musste. Der Zugang zu YouTube und vielen anderen ähnlichen Seiten sowie zu sozialen Netzwerken über das Militärnetzwerk wurde ganz untersagt.11 Die digitale Auseinandersetzung von Soldatinnen und Soldaten mit ihren Kriegserfahrungen in der Gegenwart und wohl ebenso in der Zukunft ist schwer berechenbar. Viele Faktoren wie Zugänglichkeit, Kosten, Einfachheit der Anwendung und das soziale Ansehen einer Medienpraktik wirken sich darauf aus. Wenn eine Pauschalaussage getroffen werden kann, dann ist es die der Zersplitterung. Für die Autorinnen und Autoren der berücksichtigten Seiten gab es vor dem Jahr 2000 nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten. Heute kann der interessierte Veteran Videos hochladen, Bildergalerien erstellen, Gruppen auf sozialen Netzwerken schaffen, Bloggen, digitale Kartenprogramme zur Lokalisierung eigener Erfahrungen nutzen und vieles mehr. Fälle wie die der Bloggingkultur während des Irakkriegs und der Internetseiten des Quellenkorpus gaukeln Homogenität nur vor, da sich die Autorinnen und Autoren zeitgleich vieler anderer medialer Methoden bedienen können.
10 Susan L. Carruthers: The Media at War, 2. Auflage, Palgrave Macmillan: New York, NY 2011, S. 227. 11 Ebd., S. 246.
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Blickt man auf diese kurze geschichtlich-inhaltliche Zusammenfassung zurück, fällt vor allem die rasante Entwicklung auf. Von den Journalen und Kriegsbriefen haben sich die medialen Möglichkeiten des Individuums, um die eigene Kriegserfahrung wiederzugeben, ständig erweitert. Ausdifferenzierung und technische Entwicklung dürfen jedoch nicht, wie es im historischen Rückblick allzu häufig geschieht, als Zeichen für linearen Fortschritt interpretiert werden. Die technischen Möglichkeiten lassen sich nicht automatisch ausreizen und gehen fast immer mit Potenzialen für Zensur und Beeinflussung einher. Ein Ausblick in die Zukunft ist nur sehr eingeschränkt möglich, da die gegenwärtige Fülle medialer Möglichkeiten vor Kurzem noch kaum vorstellbar schien. Wenn sich deshalb eine Schlussfolgerung formulieren lässt, dann diese, dass die Entwicklung des Umgangs mit der Kriegserfahrung individualistischer, selbstzentrierter und zumindest theoretisch öffentlichkeitswirksamer geworden ist. Diese kurzen Anmerkungen zum Weg, den die Kriegsdarstellung bis in die digitale Realität der Gegenwart zurückgelegt hat, sind chronologisch und konzeptuell der Rahmen für das Erzählen auf den Seiten des Quellenkorpus. Wie sich im Anschluss zeigen wird, verwenden die Kriegsbeteiligten immer wieder Technologien, die in dieser Form auf moderneren Webseiten nur noch sehr selten zu finden sind. Viele ihrer Seiten sind für moderne Internetbrowser schlecht eingerichtet und nur noch teilweise funktionsfähig. Die Herausarbeitung dessen, was diese ‚Relikte des Kalten Kriegs‘ aus der ständig wachsenden Masse von Medien, medialen Formen und Praktiken auswählen und anwenden, kann als erster Schritt für ein tieferes Verständnis ihrer Motive gesehen werden.
Darstellungspraktiken Auf die Frage nach den Möglichkeiten eines Meta-Mediums muss unweigerlich die Frage folgen, was tatsächlich von den Autorinnen und Autoren praktiziert wird. Der Begriff der sozialen Praktik wird hier im Sinne der Zusammenfassung des Kulturwissenschaftlers Andreas Reckwitz verwendet.12 Er entwickelte seine Praxeologie aus den unterschiedlichen Praxiskonzepten zwischen sozial vermitteltem Wiederholen (Bourdieu, Foucault) und ständiger kultureller Innovation (Butler, Garfinkel). Für ihn ist eine Praxistheorie der Versuch, „einen quasi-ethnologischen Blick auf die Mikrologik des Sozialen“ zu ermöglichen.13 Die Prak-
12 Vgl. Andreas Reckwitz: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie Nr. 4, 32 (2003), S. 282-301. 13 Ebd., S. 298.
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tiken des Quellenkorpus werden hier als wiederholbare und wiederholt auftretende Handlungen verstanden, die sich nur im Spiegel ihrer sozialen Kontexte verstehen lassen. Die Besonderheiten dieser sozialen Kontexte werden immer wieder Teil der Analyse sein und mit den Besonderheiten des Internets verknüpft und abgeglichen. Als Oberbegriffe lassen sich wie bereits beschrieben Erinnern und Erzählen verwenden, die Bestandteile der „Mikrologik“ dieser großen Konzepte sind aber außerordentlich divers. Sie lassen sich deshalb nur dann erschließen, wenn die gewonnenen Erkenntnisse über Praktiken mit den Inhaltskategorien zusammen betrachtet werden. Für den Volkskundler und Erzählforscher Albrecht Lehmann ist jeder Versuch, eine Gesamttheorie der menschlichen Erfahrungsdarstellung zu entwickeln, zum Scheitern verurteilt: „Wer in der ganzen Fülle der Äußerungen subjektiven Bewusstseins nach einer Ordnung sucht, quasi nach einer diesem Erzählen inhärenten Theorie, bleibt chancenlos.“14 Im Internet leuchtet diese Schlussfolgerung vielleicht noch schneller ein als in nichtvirtuellen Medien, da hier eine schier unüberschaubare Menge an medialen Möglichkeiten auf einen scheinbar unbegrenzten und gleichzeitig oft prekären Datenspeicher stößt. Daten zu speichern bedeutet fast immer, sie ordnend zusammenzuführen und zu ergänzen. Wie das menschliche Gedächtnis sind die aus dem Krieg überlieferten Informationen fast immer lückenhaft. Tagebücher, Tonbänder und Fotografien bieten vor allem Momentaufnahmen, die sich nach Jahrzehnten oft nur schwer miteinander in Beziehung setzen lassen. Ein großer Vorteil des Internets ist es jedoch, dass all diese Medien in unterschiedlicher Art und Weise in eine Webseite eingebunden werden können. Fotos lassen sich als Ansammlung von Einzelbildern hochladen oder als animierte Slideshows zusammenstellen, die thematisch, chronologisch oder auf andere Weise geordnet sind und im Wechsel ihre Inhalte zeigen.15 Tonaufnahmen wie zum Beispiel Audiotagebücher gibt es selten, solche Dateien lassen sich im Einzelfall aber entweder in einem integrierten Abspielprogramm anhören oder einfach herunterladen. Viele Seiten verweisen auf Musikstücke, die sie mit ihrer Zeit in Vietnam verbinden. Aus rechtlichen Gründen lassen sich diese eigentlich nicht im Original in eine Seite einbinden, was von manchen Autorinnen und Autoren ignoriert, von anderen kreativ umgangen wird. Beliebt ist in dieser Hinsicht, die Liedmelodien selbst am Computer nachzustellen und ohne Gesang anzubieten.
14 Albrecht Lehmann: Reden über Erfahrung: Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Reimer: Berlin 2007, S. 226. 15 Für diverse Beispiele vgl. Autor unbekannt: Good Morning Vietnam, unter: Our Bunker, URL: http://ourbunkers.0catch.com/, Stand: 20.02.2013.
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Wie archetypische Bilder sind manche dieser Lieder bereits zum festen Bestandteil der Vietnamerinnerung geworden. Fehlende Lieder aufzufinden ist wiederum oft eine kollaborative Anstrengung: „HELP NEEDED! The songs listed in red on the Play List are selections that we have not been able to find as of yet. If you have MIDI files of any of these pieces and would be willing to provide copies, please drop us a line by clicking on the automatic ‚E-mail contact‘ form at the bottom of this Page.“16
Videos aus der Zeit des Kriegs finden sich äußerst selten. Fotokameras waren während des Vietnamkriegs erheblich billiger und entsprechend stärker verbreitet als Schmalfilmkameras. Die vorhandenen Videos zu digitalisieren, stellt ein zusätzliches Hindernis dar, das sich nicht wie bei Bildern mit einem einfachen Scanner lösen lässt. Die Darstellung der Videos im Netz ist dagegen relativ einfach. Sie lassen sich bei externen Dienstanbietern wie YouTube hochladen und gleichzeitig in die eigene Seite einbinden. 17 Hier lassen sich die Videos dann für andere Kriegsbeteiligte zur Verfügung stellen (oder werden entsprechend ohne sichtbare Erlaubnis oder Danksagung einfach verwendet). Die Autorinnen oder Autoren von Videos sind noch schwieriger zu identifizieren, da auf Seiten wie YouTube fast alle Mitglieder nur Pseudonyme verwenden. Ein Beispiel dafür findet sich auf der Seite von Gregory Zelmar Payne, dessen Seite auf mehrere Videos verweist, die unter einem Pseudonym auf YouTube eingestellt wurden.18 Die Aussagen dieser Unbekannten lassen sich so interpretieren, dass sie ebenfalls am Krieg teilgenommen haben. Zur eigentlichen Herkunft solcher Videos mit Inhalten aus dem Vietnamkrieg wird jedoch selten Stellung genommen.
16 Bill McBride: The Playlist, unter: Vietnam Veterans Home Page, URL: http://www. vietvet.org/audio/playlist.htm, Stand: 19.02.2013. 17 YouTube LLC: YouTube Hauptseite, unter: YouTube, URL: http://www.youtube. com/, Stand: 20.02.2013. Wenn ein Video in eine Seite über YouTube eingebunden wird, kann es direkt auf der Webseite gestartet werden, ist aber auf den Servern gespeichert und dort direkt verfügbar. Der Seitenbetreiber spart so Speicherplatz und Bandbreite. 18 Greg Payne: Military Heroes, International Hall of Honor, unter: Vietnam 199th Light Infantry Brigade, URL: http://www.freewebs.com/teetee199thlibvietnam69/, Stand: 20.02.2013.
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Abbildung 12: Auszug aus der Liste von Liedern aus der Zeit des Vietnamkriegs auf der Seite Vietvet.org.
Quelle: Bill McBride: The Playlist, unter: Vietnam Veterans Home Page, URL: http://www.vietvet.org/audio/playlist.htm, Stand: 19.02.2013.
Damit taucht, wie in einem kollaborativ geprägten Informationssystem üblich, wieder die Frage auf, in welchen Umfang eine Autorin oder ein Autor eigene Inhalte mit fremden vermischt. Texte, Bilder oder Videos existieren nicht nur parallel zueinander, sondern werden miteinander verbunden und ineinander verschachtelt. Quantitativ dominieren Text-Bild-Kombinationen, wohl vor allem deshalb, weil diese einfach anzuordnen sind und weil die Autorinnen und Autoren über mehr Bilder als andere Medien aus eigener Quelle verfügen können. Wenn in diesem Zusammenhang auf die unscharfen Übergänge zwischen medialen Formen hingewiesen wird, dann gilt dies ebenfalls für die Übergänge zwischen virtueller und nichtvirtueller Realität. Es darf nie aus dem Blick geraten, dass der Umgang mit Darstellungspraktiken sich oft auf nichtvirtuelle Dinge bezieht, diese ergänzt oder virtualisiert. Ein Beispiel für ein solches Konglomerat ist der von dem Veteranen Max Loffgren gebaute POW/MIA Chevy Dragster Baujahr 1955.19 Das Auto trägt alle Namen der Soldatinnen und Soldaten auf sich, die angeblich noch in Vietnam
19 Max Loffgren: POW/MIA Chevy, unter: Never Forgotten Inc., URL: http://www. neverforgotteninc.org/, Stand: 20.02.2013.
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vermisst sind. Der Autor verwendet seine Internetseite, um das Projekt darzustellen, die eigene Motivation darlegen zu können und andere Veteraninnen und Veteranen auf sich und seine Idee aufmerksam zu machen. Die Seite ist die zentrale Stelle, an dem die hinter dem Fahrzeug stehende Philosophie und die Absichten des Autors dargelegt werden. Sein nächstes Projekt ist es, das Auto in die virtuelle Welt zu integrieren, indem er es in dem Onlinespiel Second Life nachbaut.20 Die Internetseiten sind das Sprungbrett für solche virtuellen Projekte und ein Werkzeug, um Virtuelles und Nichtvirtuelles effektiv miteinander in Beziehung zu setzen. Abbildung 13: Nahaufnahme der Namensliste auf der Kühlerhaube des POW/MIA Chevy.
Quelle: Max Loffgren: POW MIA Car, unter: Shutterfly.com, URL: http://powmiacar.shutterfly.com/1926, Stand: 10.06.2013.
Mehrere der Befragten hatten geäußert, dass ihre Webseiten für sich und andere als Informationsrepositorien dienen sollen. Eine Internetseite bietet sich deshalb dafür an, da sich prinzipiell alle nicht-digitalen Medienformen digitalisieren und hochladen lassen. Aus diesem Grund sind viele Seiten des Quellenkorpus eine außerordentlich visuelle Erfahrung. Ihre Bildergalerien enthalten nicht selten mehrere Tausend Fotos, die entweder akribisch geordnet und kommentiert oder wie in einem ‚virtuellen Schuhkarton‘ einfach hochgeladen und dargestellt werden. Das Netz eröffnet den Autorinnen und Autoren darüber hinaus eine Möglichkeit, die gerne genutzt wird. Viele Seiten rufen andere Kriegsbeteiligte dazu auf, Inhalte beisteuern und/oder bestehende Inhalte mit eigenen Informationen oder Erinnerungen zu ergänzen: „If you have a Photo or more that you would like posted I would be happy to post them. We all have forgotten names but
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Linden Lab: Second Life Official Site – Virtual Worlds, Avatars, Free 3D Chat, unter: Second Life, URL: http://secondlife.com/, Stand: 20.02.2013.
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the… PICTURES are there ‚FOREVER‘“.21 Durch den Aufruf kann der australische Veteran Quigley die eigene Seite um die Bilder anderer erweitern und diese gleichzeitig mit eigenen Kommentaren versehen und sie auf diese Weise vereinnahmen. Durch dieses Zusammentragen können seltene Sammlerstücke wie Karten oder die häufig selbst gedruckten Lagerzeitungen gerettet, digitalisiert und zur Kommentierung freigegeben werden.22 An dieser Stelle schränken sich die Aussagen über große Freiheiten im Netz sofort wieder ein, da die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer die völlige editorische Kontrolle über die beigetragenen Inhalte haben. Hier existiert deshalb weniger eine Gruppenerinnerung im Sinne Halbwachs’ sondern von Einzelpersonen kontrollierte Bereiche, zu denen Andere unter spezifischen Umständen Quellen und Diskurse beisteuern dürfen. Diese scheinbar kollektive Praktik des Archivierens zeigt deutlich, wie die narrative Machtverteilung auf den Seiten aufgebaut ist. Jede Rückerinnerung ist begleitet von umfangreicher Reorganisation und Restrukturierung. Welche Ausgangspunkte die Autorinnen und Autoren dafür verwenden, ist für den Außenstehenden oft nicht nachvollziehbar. Es kann sich um einen Ort in Vietnam handeln, um ein Kriegsgerät (z.B. ein Schiff) oder eine ganze Klasse von Kriegsmaschinen (Flugzeuge, Helikopter etc.). Andere Seiten wiederum setzen sich keinen solchen Fokus, sondern beginnen jede Rekonstruktion an einem einzelnen Partikel aus der Vergangenheit: ein Foto, ein Dokument oder eine Erfahrung. Solche Kollaborationen können sich über Jahre hinziehen. Aus den Gesichtern unbekannter oder nicht erinnerter Personen lassen sich mit der Zeit ganze Informationskataloge entwickeln, deren Inhalte dann weit über alles hinausgehen, was während der eigenen Zeit in Vietnam jemals über eine Kameradin oder einen Kameraden hätte herausgefunden werden können.23 Die ‚Wege‘, auf denen solche Informationen zu den Seitenautorinnen und -autoren durchdringen, sind fast immer unsichtbar. Kollaboration spielt sich wie fast jede Kommunikation zwischen den Seiten in abgeschlossenen Bereichen oder per E-Mail ab. Nur kleine Dankesbotschaften weisen manchmal darauf hin, dass Besucherinnen und Besucher Informationen oder Quellen beigetragen haben. Informationsquellen jenseits der Internetseiten finden kaum Erwähnung. Eine Ausnahme bilden die Informationsressourcen des Militärs, vor allem wenn
21 22
23
Steve Quigley: NAM PHOTO STOP, unter: Quigley’s Down Under, URL: http://www. docmelson.com/quig%27s/photos.htm, Stand: 25.10.2010, Offline seit: 19.02.2013. Für eine außerordentlich umfangreiche Sammlung an Lagerzeitungen vgl. Autor unbekannt: Our Documents, unter: Firebase 173, URL: http://www.nexus.net/~911gfx/ vietnam.html, Stand: 22.02.2008, Offline seit: 25.10.2010. Vgl. z.B. die ständig erweiterte Namensliste zu unterschiedlichen Fotos auf Autor unbekannt: Names List, unter: WA MO HI, URL: http://whsclass65.esmartdesign.com/, Stand: 25.10.2010, Offline seit: 20.02.2013.
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es darum geht, öffentlich zugängliche Daten über Stationierungsorte oder Personal abzurufen. Akademische Literatur wird ebenfalls kaum erwähnt oder rezipiert. Die Seiten erwecken den Eindruck einer potenziellen „echo chamber“, in der einzelne Informationspartikel immer wieder referenziert und von Seite zu Seite weitergegeben werden. Eine trennscharf-quantitative Aussage zu den unterschiedlichen Mengen an Medienpartikeln lässt sich für den Quellenkorpus nicht treffen, ohne dafür umfangreiche technische Mittel einzusetzen, die über die Möglichkeiten dieser Untersuchung weit hinausgehen. Entscheidend für die Autorinnen und Autoren ist, was ihnen vorliegt, was sie ohne größere Probleme digitalisieren können und was sich leicht auf den Seiten arrangieren und miteinander verbinden lässt. Deshalb sind Text-Bild-Kombinationen so dominant, Gleiches gilt für die kleinen Grafikdateien wie „buttons“, „awards“ oder Abzeichen. Sie werden gezielt erstellt und verbreiten sich dann im Internet. Wie in jedem Bereich des Quellenkorpus ist der Übergang zu anderen Bereichen des Netzes hier fließend. Neben vietnamrelevanten Grafiken finden sich dann zum Beispiel der „award“ einer christlichen Gruppe oder ein „button“, der zu der Homepage einer bestimmten Region Amerikas führt.24 Gerade diese Form der medialen Repräsentation erinnert an das Konzept der Meme, das von Richard Dawkins entwickelt wurde. Informationen und Ideen, so Dawkins, verbreiten sich innerhalb menschlicher Gruppen wie Viren, die einerseits von den Trägern relativ unabhängig weiterwandern, deren Verbreitung andererseits aber von einem evolutionären Prozess begleitet wird, der auf der Kompatibilität zwischen ihnen und ihren ‚Wirten‘ basiert.25 Ihre Ausbreitung ist nur teilweise kontrollierbar, da im ‚Biotop‘ der Veteranenseiten ihre Stellung darauf basiert, ob genügend Überlappungen zwischen den Inhalten und den Interessen der Autorinnen und Autoren existieren. Dawkins’ Idee bietet keine Basis für eine Analyse dieses Phänomens, da seine Aussagen relativ allgemein gehalten sind. Das Mem-Konzept ermöglicht es jedoch zu zeigen, dass aus der Verbreitung ähnlicher Inhalte nicht automatisch auf intensive Kontakte geschlossen werden kann. Überschneidungen zwischen den Seiten dürfen nur dort angenommen werden, wo diese von den Autorinnen und Autoren klar bestätigt worden sind. Andere übereinstimmende Aspekte sind im Internet so leicht zu erhalten und in die eigene Seite zu integrieren, dass daraus nur inhaltliche Neigungen, nicht aber tatsächliche Kontakte abgeleitet werden können. Die symbolisch gemeinte
24
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Beide Beispiele finden sich auf der Awards-Seite von John Heithaus: Awards, unter: Johns Home Page, URL: http://johnpdq.homestead.com/johnshomepage.html, Stand: 25.10.2010, Offline seit: 26.11.2012. Richard Dawkins: Das egoistische Gen, Spektrum: Heidelberg 1994, S. 309.
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‚Schuhschachtel‘ der Veteraninnen und Veteranen, in der diese ihre alten Erinnerungen bewahrt haben, existiert auf ihren Seiten öffentlich und jede Warnung vor der Fremdnutzung eigener Inhalte kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser keine nennenswerten Grenzen gesetzt werden können. Informationen aus unterschiedlichen Quellen an einem einzigen Ort anzuhäufen ist deshalb eine ganz eigene Darstellungspraktik. Solche Seiten ähneln jenen, in denen eine Autorin oder ein Autor Eigenes zusammenträgt und durch andere Beiträge ergänzt. Im Gegensatz dazu kennen solche Seiten aber keine Einschränkungen bezogen auf das, was sie zu archivieren versuchen. Umfangreiche Statistiken, Kartensammlungen zu einer Region oder zu ganz Vietnam, Archive digitalisierter Dokumente aus der Ära finden sich ebenso wie Bildersammlungen, Tonarchive und seltene Filmaufnahmen.26 Personen werden oft ebenso ‚gesammelt‘ wie andere Informationen oder Artefakte und dies besonders dann, wenn sie während des Kriegs vermisst wurden.27 Die verwendeten Strukturen und Genres basieren auf klassischen Formen und werden erst durch ihre medialen Kombinationen und Erweiterungen innovativ. Die Grundformen narrativen Erzählens werden im Alltag erlernt und eingeübt und die meisten Autorinnen und Autoren sind erst in ihrer Lebensmitte in den virtuellen Raum eingedrungen. Der amerikanische Armeeingenieur Lewis Samuel Messer hat die Belagerung der vorgeschobenen Basis Khe Sanh durch nordvietnamesische Truppen miterlebt. Er vermischt seine Bilder von damals und die Rückerinnerung von heute zu einem Konglomerat aus einer Vietnambiografie und einem nachträglich erstellten Tagebuch, das von seinen erklärenden Kommentaren lebt und teilweise durch digitalisierte Dokumente (Briefe, Karten etc.) erweitert wird.28 Messer strukturiert seine „tour of duty“ in Khe Sanh wie eine Biografie in der Biografie. Alles beginnt mit seiner ‚Geburt‘, der Ankunft des Soldaten in Vietnam. Während der Dienstzeit wird aus dem „fucking new guy“ (FNG) ein erfahrener „short-timer“, der am Ende seines ‚Lebens‘ in Vietnam mit dem „freedom bird“, dem Flugzeug in die Heimat, in den Sonnenuntergang fliegt. Ganz anders die Biografie von Peter Griffin. Dieser beschäftigt sich vor allem mit den Auswirkungen von PTSD auf sich und andere. Seine „tour of duty“ in Vietnam wird nur kurz beschrieben und konzentriert sich nicht auf persönliche 26
27 28
Ein Beispiel ist die Kartensammlung auf K.G. Sears: Maps, unter: Landing Zone Sally, URL: http://www.lzsally.com/sally2/page19.php, Stand: 16.08.2010, Offline seit: 26.11.2012. Vgl. z.B. „Viper“: Vipers POW MIA Page, unter: Vipers Vietnam Veteran Pages, URL: http://vietnam-veterans.us/powmia/, Stand: 20.02.2013. Sam Messer: Homepage, unter: Sam and Brendas Homepage, URL: http://members. aol.com/messerball/index.html, Stand: 28.11.2007, Offline seit: 25.10.2010.
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Erlebnisse, sondern auf Informationen (Einheit, Stationierungsort etc.), die für andere Militärveteranen interessant sein können.29 Zur Länge solcher Darstellungen lässt sich keine Pauschalaussage treffen. Die Informationen von Peter Griffin über seinen Aufenthalt in Vietnam würden auf eine DIN-A4-Seite passen und Sam Messer beschränkt sich fast ausschließlich auf Informationen über seinen Einsatzort. Beide Darstellungen – und dies ist ein weitverbreitetes Phänomen auf den Seiten – stellen ihre Erfahrungen vor allem als Meilenstein ihrer persönlichen Entwicklung dar. Messer ist lange im Ruhestand, durch seine Erfahrungen in Vietnam fühlt er sich aber immer noch als Angehöriger der „Seabees“, der Techniker und Ingenieure der amerikanischen Marine. Für Griffin ist seine Seite sein „lair“, der Horst, aus dem der Ex-Soldat für seine Ziele kämpft. In seinem Fall ist es der Kampf um eine Medaille, die an jene verliehen wird, die nach einem Krieg an Traumafolgen leiden. Die Gleichstellung körperlicher und seelischer Wunden erkämpft er basierend auf der Idee, dass er jetzt noch mit den Verwundeten der Vergangenheit und heutigen Soldat innen und Soldaten auf einer Stufe steht. Abbildung 14: Peter Griffin fasst die Mission, für die er seine Seite erstellt hat, in einem Satz zusammen.
Quelle: Peter S. Griffin: A Post Combat Stress Disorder Website Honoring our Military and Veterans while Helping those who Suffer from Combat PTSD – Brother helping Brother, unter: Griffins Lair, URL: http://www.angelfire.com/nc2/viet namvet/index.html, Stand: 25.10.2010.
29
Peter S. Griffin: A Post Combat Stress Disorder Website Honoring our Military and Veterans while Helping those who Suffer from Combat PTSD, unter: Griffins Lair, URL: http://www.angelfire.com/nc2/vietnamvet/index.html, Stand: 25.10.2010.
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Dieser Kurzüberblick über die Darstellungspraktiken auf den Seiten des Quellenkorpus zeigt, welche Informationen über Absichten und Ziele sich aus den expliziten Aussagen und impliziten Handlung ableiten lassen könnten. Es sind jedoch nur jene Schlussfolgerungen akzeptabel, die sowohl aus den Handlungen der Autorinnen und Autoren, aus den Inhalten ihrer Seiten und aus den Besonderheiten des Internets zusammengesetzt werden können. Unzweifelhaft ist der Aspekt der Kontrolle über eigene Inhalte und Ausdrucksmöglichkeiten ein Grund für die Auswahl unterschiedlicher Darstellungspraktiken. Viele Bildergalerien sind für Besucherinnen und Besucher nicht nur schwer nutzbar, sondern ohne Kontexte kaum zu entschlüsseln. Luftbilder unterschiedlicher Basen, Detailansichten von Helikoptern und Bilder von Truppenmitgliedern, die im Lager entspannen, sind unkommentiert nichts weiter als isolierte Schnappschüsse. Viele kommentierte Bildergalerien setzen so viele Hintergrundinformationen beim Betrachter voraus, dass Laien als Zielgruppe oft auszuschließen sind. Die Gründe für die Auswahl lassen sich bei solchen Beispielen auf einer Linie zwischen selbstbestimmter Meinungsäußerung und digitaler Datenrettung situieren. TextBild-Mischungen addieren, wenn sie sich mit dem Hintergrund des Kriegs und der Autorin oder des Autors beschäftigen, zu diesen Gründen noch das Bedürfnis nach Authentizität. Die eigenen Aussagen werden durch Bilder gerahmt, bekräftigt und bewiesen. In vielen Abschnitten erinnern die Abfolgen von Bildern mit Texten an eine kommentierte Diashow, bei der die gegenseitige Authentifizierung von Text- und Bildinhalten beim Betrachter die Frage offenlässt, ob die Suche nach Beweisbarkeit nun dem Betrachter, den Kameradinnen und Kameraden oder den Kriegsbeteiligten selbst gilt. Gerade solche Fragen müssen relativ unbefriedigend entweder offen gelassen werden oder sind nur so zu beantworten, dass die Absichten als wahrscheinlich angenommen, aber doch nicht völlig bestätigt werden können. Der größte Teil der hier angesprochenen Darstellungspraktiken ist eine Mischung aus bekannten Vorbildern wie Textgenres oder Bildanordnungen, die mithilfe der Medienspezifik des Internets umgesetzt werden. Die Praktiken auf den Seiten haben gemessen an den nichtvirtuellen Quellen sicherlich komplexere Darstellungsformen und oft größere inhaltliche Tiefe. Verglichen mit den tatsächlichen Potenzialen des Internets sind sie jedoch relativ konservativ gehalten. Aus dieser begrenzten Nutzung lassen sich Rückschlüsse auf die Absichten und Ziele der Autorinnen und Autoren ziehen. Die wichtigste Schlussfolgerung ist dabei, dass viele vorhandene Inhalte nach außen sichtbar gemacht werden sollen, ohne die Kontrolle über sie zu verlieren. Gleichzeitig sollen diese Inhalte jedoch mit relativ einfachen Mitteln verändert und erweitert werden können.
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Dieser letzte Punkt lässt sich an einer weiteren Praktik relativ plastisch darstellen, der im Folgenden ein eigener Abschnitt gewidmet werden soll. Die virtualisierten Memorials auf den Webseiten referenzieren nicht nur die Vergangenheit, sondern stellen physische Repräsentationen des Kriegs und seiner Gefallenen dar, mit denen sich die Kriegsbeteiligten im Hier und Jetzt in Beziehung setzen möchten. Besonders als visuelle Artefakte erscheinen die Abbilder der physischen Memorials auf fast allen Seiten. Die Denkmäler des Vietnamkriegs sind deshalb in virtualisierter Form ein erweiternder Teil und gleichzeitig ein eigenständiger Aspekt der hier dargestellten Praktiken und für die Quellenautorinnen und Quellenautoren ein unersetzlicher Teil ihrer Identität als Kriegsbeteiligte.
Die Memorials des Vietnamkriegs als Bausteine der Internetseiten Es ist schwer für einen Außenstehenden die Bedeutung der Wall für die Kriegsbeteiligten ganz zu erfassen. Angst, Hoffnung, Katharsis und vieles mehr konzentriert sich in den schwarzen Granitplatten in Washington, D.C. Der Veteran Paul Drew beschreibt seine Beziehung zur Wall in seinem Buch After the Storm ausführlich, um diesen Aspekt zu erklären. Vor seinem ersten Besuch war er davon ausgegangen, dass er seine Kriegserfahrung bereits angemessen verarbeitet hatte. Den Besuch beschreibt er als eine spirituelle Erfahrung, die sich nur durch Beispiele und fiktive Bilder beschreiben lässt, in diesem Fall durch einen Dschungel, der nach unendlichem Monsunregen nun sonnengebadet, trocken und still daliegt.30 Auf den Seiten des Quellenkorpus ist die Wall Gegenstand des Erzählens, Ziel von Gedichten und Liedern und vor allem unersetzlicher Aspekt des visuellen Designs. An ihr verdichtet sich die Erinnerung an die gefallenen Kameradinnen und Kameraden so sehr, dass sich Vergangenheit und Gegenwart außerordentlich nahe kommen. Nur die Rückreise ins Land des Kriegs hat eine ähnliche Bedeutung für die Kriegsbeteiligten. Anders als das Land Vietnam ist die Wall aber ein Referenzort, an dem nach Ende des Kriegs gestorbene Kameradinnen und Kameraden betrauert werden können. Ein wichtiger ästhetischer Aspekt ist der des Spiegels. Die Seite der Mongboys, einer Freundesgruppe, die sich aus einer Kampfeinheit in Vietnam gebildet hat, verwendet die Wall für die
30 Paul Drew: After the Storm. A Vietnam Veteran’s Reflection, Hellgate Press: Central Point, OR 1999, S. 113f.
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Nachrufe ihrer verstorbenen Mitglieder. Die Toten ‚stehen‘ innerhalb Granitplatten und damit hinter den Namen, während sich auf der Oberfläche der Platten die Besucherinnen und Besucher des Memorials widerspiegeln.31 Abbildung 15: Ein Beispiel für die Wall als perspektivisches Bild. Das Foto wurde am Apex aufgenommen, wo sich die beiden Hälften treffen. Die Beschriftung lautet „In The Silence of The Night… We will Always Hear The Screams.“
Quelle: Autor unbekannt: In The Silence of The Night, unter: The 173rd Airborne Brigade, URL: http://home. att.net/~lzlima/, Stand: 22.02.2008, Offline seit: 25. 03.2010.
Ähnlich häufig findet sich die klassische Methode des Fluchtpunktes, der das Auge des Betrachters in die Ferne lenkt. Auf der Seite einiger ehemaliger Mitglieder der 173rd Airborne scheint die Granitwand unendlich weit in die Ferne zu schweifen. Darunter rotiert das grüne Hologramm eines Totenschädels. Über dem Bild steht in grüner Schrift „In The Silence of The Night“, darunter „We will Always Hear the Screams“.32 Mehrere Aussagen treffen hier zusammen. Durch die Perspektive scheint die Anzahl der Toten endlos und der ‚Preis‘ des Kriegs viel zu hoch. Die Schreie der Sterbenden sind (nur) für den Kriegsbeteiligten an
31 Autor unbekannt: Home of the Mongboys, unter: Mongboys Homepage, URL: http://www.mongboys.org/, Stand: 27.05.2009, Offline seit: 04.11.2010. 32 Vgl. Abbildung 15.
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diesem Ort zu vernehmen und zwar „Always“, ein Zustand, der für immer anhalten wird. Dieses Erlebnis, das oft die Pflicht zur Auseinandersetzung damit zu implizieren scheint, lässt sich scheinbar nur an der Wall oder über eine entsprechende Repräsentation erfahren. Am Ende des Fluchtpunkts erleuchtet ein Scheinwerfer den Punkt, an dem sich die Granitwand im Nichts verliert. Der ‚Ort‘ an dem die Freunde warten und damit die Unausweichlichkeit des eigenen Todes werden in das Memorial eingeschrieben. Gleichzeitig verstärken diese Bilder das Ausmaß der Tragödie der amerikanischen Kriegsbeteiligten. Die unendlich in die Ferne strebende Wall scheint vergessen zu lassen, dass auf ihr ‚nur‘ mehr als 58.000 Namen eingraviert sind. Abbildung 16: Eine der vielen Manipulationen der Wall. Hier die schwarze Namensliste von einem Kranz umgeben und enthält eine Lichtquelle mit einer künstlichen Linsenlichtreflexion.
Quelle: Autor unbekannt: In Memory of Captain Robert D. Kent, unter: We Honor, We Remember, URL: http://captainrobertdkent.gunnysite.com/, Stand: 27.07.2013.
Wie bei allen hier beschriebenen bildlichen Darstellungen gibt es unzählige Varianten, die die virtuelle Version der Wall um diverse Elemente (und damit Aussagen) erweitern. Vor allem das Aufeinandertreffen von Vergangenheit und Gegenwart ist ein Motiv, das gerne hinzugefügt wird. Auf der Seite der Wolfhounds wurde eine Gruppe von Soldaten durch Bildbearbeitung hinzugefügt, die innerhalb der Wall durch Reisfelder schreiten. Neben ihnen schweben riesenhafte Hände auf der Wall, die sich in ihr spiegeln. Über allem wacht ein gebeugter Jesus, der zum Licht am Ende der Granitplatten nach unten greift und diese dort berührt.33 Die Bedeutung der Perspektive ergibt sich nicht nur aus den Absichten der Autorinnen und Autoren, sondern aus dem Design des Memorials, dessen
33 Autor unbekannt: Welcome, unter: Hail to the Wolfhounds, URL: http://www. geocities.com/wolfhoundtc/, Stand: 26.02.2008, Offline seit: 18.11.2010.
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Granitwände jeweils auf das „Lincoln Memorial“ und das „Washington Memorial“ zustreben. Der perspektivische Eindruck stärkt so die Verbindung des Vietnamkriegs mit der amerikanischen Geschichte. Die Perspektive lässt sich aber, wie bei den Beispielen schon angedeutet, wegen ihrer unbestimmten Bedeutung leicht für andere Zwecke verwenden. Die Mauern können auf das Licht zustreben, das mit einer Jesusinkarnation verbunden ist, oder einen Punkt ausbilden, an dem sich Vergangenheit und Gegenwart treffen. Abbildung 17: Die ‚Spiegelung‘ auf der Seite der 84th Engineers ist keine überzeugende Arbeit, andere Seiten fügen die Figurengruppe aber so täuschend echt ein, als sei diese von der Wall aus tatsächlich in dieser Form sichtbar.
Quelle: Richard McCorrison: Brothers Forever, unter: 84th Engineer Battalion (Construction) Vietnam, URL: http://www.84thengineers.com/, Stand: 18.11.2010.
Solche zeitlichen Anspielungen bedienen sich oft der Idee, dass die Wall als Vermittler zwischen Lebenden und Toten fungieren kann. Hier ist wieder das Motiv der Spiegelung wichtig. Viele Nahaufnahmen des Memorials zeigen die Besucherinnen und Besucher in der polierten Oberfläche des Steins. Sie scheinen hinter den Namen zu stehen, hinter einer Grenze, die eigentlich den Toten vorbehalten ist. Wie auf der Seite des Veteranen Finn sind diese Ansichten fast immer perspektivisch aufgenommen, was der Wall eine beeindruckende Länge zu geben
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scheint.34 Die Spiegelung verbindet die Besucherinnen und Besucher und die Gefallenen: Hinter den Namen sind die Lebenden und die Toten endlich vereint. Für den Außenstehenden, der die Wall nie besucht hat, ist es schwer festzustellen, ob eine Spiegelung tatsächlich möglich ist oder nachträglich mit Bildbearbeitungsprogrammen hinzugefügt wurde. Für die Veteraninnen und Veteranen ist dies eine wichtige Möglichkeit, um ‚Kontakt‘ mit ihren verstorbenen Freunden aufzunehmen und gleichzeitig alle Kriegsbeteiligten als Großgruppe für sich zu vereinnahmen. Diese Vereinnahmung wird immer von medialen Transformationsanstrengungen begleitet. Wie auf der Seite des 84th Engineer Bataillons wird die Figurengruppe oft mit Bildbearbeitungsprogrammen so hinzugefügt, als stünde sie nah genug an der Wall, um sich ebenfalls darin spiegeln zu können.35 Neben den Lebenden und den Toten ‚treffen‘ sich dort die archetypischen Soldaten des Kriegs, die eigentlich abseits von der Wall unter einer Baumgruppe stehen. Die Trennung der militärischen Symbolik der Figuren und der Namensliste auf den Granitplatten lässt sich so aufheben. Die Botschaft des Memorials wird auf diese Weise so transformiert, dass Trauer und Verarbeitung nicht ohne soldatische Ideen existieren können. Da sich in der Spiegelung der Wall Vergangenheit und Gegenwart treffen, ist ein weiterer visueller Aspekt der Wall das Motiv der Berührung. „Touching the Wall“ hat hier eine Doppelbedeutung: Man berührt die Wall und wird gleichzeitig von ihr berührt. Gerade für die Veteraninnen und Veteranen des Kriegs ist diese Geste ein zentraler Teil ihres Selbstverständnisses. Larrys Web Page zeigt den Besucherinnen und Besuchern eine verbreitete Form dieser Darstellung.36 Ein Besucher steht mit gebeugtem Haupt an der Wall und lehnt seinen Kopf gegen diese. Eine Hand liegt auf den Namen, die sich in die Unendlichkeit fortzusetzen scheinen. Auf den Kopf des in Tarnkleidung gehüllten Veteranen scheint ein Lichtstrahl aus der rechten oberen Ecke des Bildes. Man kann dies nicht nur als religiösen Inhalt deuten, sondern als Zeichen für die besonderen emotionalen Kräfte, die ein solches Berühren auslösen kann und soll. Die Bildüberschrift ist einfach „American Veteran“, Ausdruck der Forderung und der Hoffnung, dass der eigene Veteranenstatus an die Wertschätzung für US-amerikanische Veteraninnen und Veteranen aller Zeitperioden angeglichen werden kann.
34 Finn68: FinnsSite – Vietnam Veteran Locator, unter: Finns Site, URL: http://finnssite. org/vvl/, Stand: 20.02.2013; NPHHH: Roll of Honor, unter: The National Purple Heart Hall of Honor, URL: http://www.thepurpleheart.com/, Stand: 20.02.2013. 35 Richard McCorrison: Brothers Forever, unter: 84th Engineer Battalion (Construction) Vietnam, URL: http://www.84thengineers.com/, Stand: 18.11.2010. 36 Larry Blackmon: USMC Veteran Site, unter: Larry’s Web Pages, URL: http://larryb 405.tripod.com/, Stand: 08.11.2010.
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Abbildung 18: Ein Beispiel für die große Bedeutung, die die Autorinnen und Autoren der Berührung der Wall und der Namen darauf häufig beimessen.
Quelle: Larry Blackmon: USMC Veteran Site, unter: Larry’s Web Pages, URL: http://larryb405.tri pod.com/, Stand: 08.11.2010.
Der ehemalige Panzerfahrer Randy Kethcart ist direkter und fordert die Besucherinnen und Besucher seiner Seite sofort auf: „Touch (Click) the Names on the wall to see tribute.“37 Seine Virtualisierung zeigt die komplexen Bedeutungsebenen solcher Seiten: Jeder Name der Verstorbenen wird durch eine virtuelle Abpausung eines Namens repräsentiert, die als Hyperlink zu einer ausführlichen Beschreibung der Person führt und deren Hintergrund die endlos scheinende Masse von Namen auf schwarzem Granit bildet. In den komplexeren multimedialen Virtualisierungen der Wall wird dieser Aspekt ebenfalls noch eine Rolle spielen.
37 Randy Kethcart: Keeping their Memory alive, unter: A Year on the Jumpin’ Jack, URL: http://bobcat.ws/jjflash/dedications.htm, Stand: 18.11.2010.
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Abbildung 19: Die digitalisierte Kopie einer echten Abzeichnung, die als Hyperlink zu weiteren Informationen über den Verstorbenen dient.
Quelle: Autor unbekannt: Memorial Page 1st Batallion, unter: Home of the Bobcats, URL: http://www.bobcat.ws/memorial.shtml, Stand: 18.11.2010.
Eine weitere Methode, um der Wall im virtuellen Raum näherzukommen, haben die Veteraninnen und Veteranen ebenfalls aus den Praktiken am physischen Memorial übernommen. „Offerings“, Hinterlassenschaften von Besucherinnen und Besuchern, wurden schon kurz nach Eröffnung des Memorials immer wieder dort zurückgelassen. Heute sammelt und katalogisiert sie die „Vietnam Veterans Memorial Collection“ (VVMC) und eine Auswahl davon soll in einem im Bau befindlichen Informationszentrum zukünftig ausgestellt werden.38 Ähnlich wie in der physischen Welt des Memorials scheint eine der Hauptabsichten im Internet zu sein, durch das hinterlassene Artefakt darauf hinzuweisen, dass jemand die Wall besucht hat. Die Hinterlassenschaften reichen von Orden und Kampfstiefeln bis zu funktionsfähigen Harley-Davidson-Motorrädern. Diese Praktiken erweitern die Handlungsmöglichkeiten der Autorinnen und Autoren außerordentlich. Sie müssen keine physischen Entfernungen überbrücken, ihre Erinnerungsstücke nicht abgeben und sich gleichzeitig nicht den Reaktionen anderer Gruppen aussetzen. Die meisten der auf den Seiten abgebildeten Hinterlassenschaften besitzen einen militärischen Hintergrund. Sehr verbreitet ist hier die Darstellung eines Paares alter Kampfstiefel, die mit Blumen und
38 National Park Service: The Vietnam Veterans Memorial Collection, unter: MRCE Museum Resource Center, URL: http://www.nps.gov/mrc/indexvvm.htm, Stand: 20.02.2013. Vgl. zur Geschichte der „offerings“ Thomas B. Allen: Offerings at the Wall. Artifacts from the Vietnam Veterans Memorial Collection, Turner Publishing Atlanta, GA 1995; Laura Palmer: Shrapnel in the Heart. Letters and Remembrances from the Vietnam Veterans Memorial, Random House: New York, NY 1987; Sal Lopes: The Wall. Images and Offerings from the Vietnam Veterans Memorial, Collins Books: New York, NY 1987.
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amerikanischen Flaggen versehen am Fuß der Wall zurückgelassen wurden.39 Die Schuhe scheinen authentische Erinnerungsstücke des Kriegs zu sein, in denen sich unterschiedliche Aussagen vereinen. Sie sind abgewetzt und bis zur Unbrauchbarkeit getragen, repräsentieren also die großen Anstrengungen, die die Infanteristen beim „humpin’ the boonies“ den langen Märschen durch die Wildnis, auf sich nehmen mussten. An der physischen Wall stammen „offerings“ oft von Nichtveteranen. Auf den Webseiten dagegen kontrollieren die Kriegsbeteiligten, welche „offerings“ sich in ‚ihrer‘ Wall spiegeln dürfen. Die Anerkennung durch die amerikanische Öffentlichkeit, die auf den Seiten immer wieder angesprochen wird, spielt in dieser Praktik eine geringe Rolle. Die Öffentlichkeit, die die Wall zum meistbesuchten Memorial der „National Mall“ gemacht hat, hat auf den Seiten keinen Platz. Abbildung 20: Ein Paket mit Bierdosen ist nur ein Gegenstand unter vielen, die an der Wall zurückgelassen werden.
Quelle: Autor
Das Abschiednehmen von Personen oder von der Vergangenheit durch die endgültige Trennung von Erinnerungsstücken löst sich im virtuellen Raum auf. Der Preis, den die Kriegsbeteiligten dafür zahlen, dass sie jederzeit neue „offerings“ 39 Vgl. z.B. Patrick C. Palmer: Touching the Wall, unter: Palmers Website, URL: http:// www.srmason-sj.org/council/journal/may01/palmer.html, Stand: 10.11.2010, Offline seit: 20.02.2013; Autor unbekannt: The Wall Page, unter: Gotta Get out of this Place, URL: http://www.labs.net/dawghouse/wall.htm, Stand: 08.11.2010, Offline seit: 20.02.2013.
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kreieren und an ihren Wall-Kopien platzieren können, ist das Fehlen eines endgültigen Abschiednehmens von diesem Teil der eigenen Vergangenheit. Wenn der Veteran Patrick C. Palmer auf seiner Seite eine Abbildung der Wall mit „Never Forget Those Who Gave It All“ als Bildunterschrift versieht, dann ist dieser Aufruf auf zwei Arten zu interpretieren. Auf der einen Seite wird die amerikanische Öffentlichkeit dazu aufgerufen, die Opfer der Gefallenen anzuerkennen und nicht zu vergessen. Gleichzeitig verankern diese und ähnliche Aufrufe die Forderung nach einem dauerhaften Erinnerungsprozess, der den Krieg und die eigenen Opfer am Leben erhält. Der Umgang mit der virtuellen Wall muss nicht auf einzelne Besuche, Veteranentreffen oder Feiertage beschränkt bleiben. Sie ist omnipräsent und fordert jeden Tag von neuem dazu auf, Veteran zu sein und zu bleiben. Wer sich dieser Forderung stellt, kann ‚seine‘ Wall frei gestalten. Diese große Bedeutung und überraschende Wirkungsmacht des virtualisierten Memorials lässt sich auf mehrere mögliche Gründe zurückführen. Erstens war die Wall schon vor und während ihrer Bauzeit umstritten und schien unter die Kontrolle unterschiedlicher Machtgruppen zu geraten. Das Memorial in virtualisierter Form unter eigener Kontrolle zu halten, ist eine Abwehrreaktion auf solche und ähnliche Einflüsse. Zweitens repräsentieren die Namen und die Figuren genau jene Aspekte, die den Autorinnen und Autoren im Quellenkorpus so wichtig sind. Ein Memorial, das die nationale Erinnerung mehr und das einzelne Schicksal weniger stark betonen würde, hätte für sie eine weit geringere Bedeutung. Gleichzeitig lässt sie sich als schwarze Wand und Ansammlung von Namen in virtueller Form relativ einfach umsetzen und transformieren. Sie konzentriert sich auf den beinahe einzigen Aspekt, der für die Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts noch eine Rolle spielt: sie selbst und ihre Kameradinnen und Kameraden. Wie schon beschrieben, spielen die beiden Figurengruppen dabei eine große Rolle. Sie bringen die Gefallenen der Vergangenheit in die Gegenwart und geben ihnen (anders als die Namensliste auf den Granitplatten es tut) ein spezifisches Gesicht. Am Memorial stehen die Figuren in einem Wäldchen und blicken sehnsüchtig in seine Richtung. Auf den Seiten des Quellenkorpus sind die Figuren dagegen versetzt, stehen an der und in der Wall, egal ob gespiegelt oder nicht. Aus der kompletten Konfiguration von Memorial, Fahnenmast, Plakette sowie Männer- und Frauengruppe wählen sich die Seitenautorinnen und Seitenautoren die Wall selbst und die Figuren als primäre Darstellungsobjekte. Die Gefallenen und die lebensechten Soldatinnen und Soldaten zusammen sind der Kern der Identität der Kriegsbeteiligten, die auf den Seiten konstituiert wird.40 40
Vgl. Autor unbekannt: Our Index, unter: Military Salutes Project, URL: http:// home.att.net/~sealpoint/index.html, Stand: 07.08.2010, Offline seit: 08.11.2010.
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Die Figuren stehen, wie es scheint, erschöpft nach getaner Pflicht unter den Bäumen beim Memorial. Es gibt keine Feinde, kein Kriegsgebiet, keine Kriegshandlung, keinen Kontext. Der weiße Amerikaner führt die Gruppe an, der Afroamerikaner und der unbestimmte Vertreter sonstiger Minderheiten folgen ihm mit etwas Abstand. Die drei Frauen des „Womenʼs Memorial“ sind weit abseits positioniert, blicken nicht zur Wall, die nichts mit ihnen zu tun zu haben scheint. Anders als die drei Soldaten sind sie ihr eigenes Memorial und nicht wirklich Teil der Gesamtkonstruktion. Nach anderen Personen, die am Krieg beteiligt waren, sucht man vergebens. Dieses Ungleichgewicht treiben die Internetseiten noch weiter auf die Spitze und intensivieren es so sehr, dass jeder andere Aspekt des Kriegs verschwindet. Durch die Verwendung dieser Bildkomponenten wird der komplexe Konflikt in Vietnam auf eine rein amerikanisch-männlich-militärische Angelegenheit reduziert, in der Soldaten die scheinbar einzig erinnerungswürdige Rolle gespielt haben. Abbildung 21: Teil der Figurengruppe am Vietnam Women’s Memorial.
Quelle: Autor.
Alle medialen Darstellungen der Wall lassen sich im Netz fast beliebig kombinieren. Der Link zur offiziellen Seite der Wall bei Scott Bushnell führt zu einem Ausschnitt der Granitplatten, vor dem die Figurengruppe zusammen mit einer amerikanischen Flagge eingefügt wurde.41 Indem die Flagge der POW/MIA-Bewegung zusammen mit Adlermotiven, amerikanischen Flaggen und militärischen Abzeichen eingefügt wird, verbindet sich das Erinnern an die angeblichen
41
Scott Bushnell: VietNam, unter: Scott Bushnell’s Home Page, URL: http://www.scott bushnell.com/, Stand: 05.11.2010.
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Kriegsgefangenen mit US-amerikanischem Patriotismus.42 Auf diese Weise ist das Memorial oft keine Erinnerungsstätte für die Toten, sondern ein Werkzeug für die Überlebenden, um ihre Interpretation des Kriegs und seiner Stellung in Amerika darstellen zu können. Im Netz müssen solche Erweiterungen nicht umständlich in der politischen Sphäre durchgesetzt werden. Während die Wall geplant wurde, existierte die Forderung, einen Fahnenmast sowie eine Statue direkt am Apex der beiden Flügel aufzustellen.43 Solche und ähnliche Forderungen, die sich nicht durchsetzen konnten, sind in virtueller Form jederzeit umsetzbar. Eine weitere Strategie, um die über 58.000 Namen auf der Wall endlos erscheinen zu lassen, besteht darin, sie als Seitenhintergrund zu verwenden. Durch geschickte Bildbearbeitung wiederholen sich die Namen immer weiter, was sich für die Besucherinnen und Besucher nur bei genauerem Hinsehen erschließt. Diese schwarzen ‚Namensmeere‘ werden für jeden denkbaren Inhalt als Hintergrund eingesetzt. Dabei kann es sich um ein Liebesgedicht an Amerika handeln („America, Why I Love Her“) oder um die auf Veteranenseiten sehr beliebten Worte von Charles M. Province, die den Soldaten als Fundament der modernen Demokratie feiern:44 „It is the Soldier, not the reporter, who has given us freedom of the press. It is the Soldier, not the campus organizer, who gave us the freedom to demonstrate. It is the Soldier, not the lawyer, who has given us the right to a fair trial. It is the Soldier, who salutes the flag, who serves under the flag and whose coffin is draped by the flag, who allows the protester to burn the flag.“45
Am häufigsten ist die Wall Hintergrund für virtuelle Memorials, die von den Autorinnen und Autoren nach eigenem Gutdünken aus unterschiedlichen Aspekten klassischer Erinnerungs- und Trauerkultur zusammengestellt werden. James C. Wheeler erinnert auf seiner Seite an all jene Piloten, die bei Aufklärungsflügen über dem Kriegsgebiet abgeschossen wurden. Er nennt diesen Teil seiner Seite 42
43
44 45
Vgl. z.B. Steve Quigley: Wall Stop Page, unter: Quigley’s Down Under, URL: http://www.docmelson.com/quig%27s/tourw.htm, Stand: 17.11.2010, Offline seit: 19.02.2013. Für einen Überblick über die Auseinandersetzungen um die Erweiterungen der Walls vgl. Patrick Hagopian: The Vietnam War in American Memory: Veterans, Memorials, and the Politics of Healing, University of Massachusetts Press: Amherst, MA 2009, S. 167. Auf S. 169 werden auf einer Zeichnung alle diskutierten Aufstellungsvariationen dargestellt. John Mitchum: America, Why I Love Her, unter: Veterans Page, URL: http://www. angelfire.com/vt2/veterans/one.htm, Stand: 20.02.2013. Charles M. Province: It Is The Soldier, unter: International War Veterans Poetry Archives, URL: http://www.iwvpa.net/provincecm/, Stand: 23.08.2015.
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die „Mini-Wall“. Die Namen der Toten werden aufgezählt und sind als Links mit zusätzlichen Informationen versehen. Den Hintergrund bilden wieder die unzähligen Namen der Wall (in diesem Fall so prägnant, dass sie die Namen auf der Seite nahezu unleserlich machen).46 Auf der Seite der Bobcats steht vor dem schwarzen Hintergrund der Wall die Aussage „We remember them still!“ Die eigenen Toten werden aufgelistet und viele zusätzliche Informationen zu den Namen hinzugefügt. Dass die Informationen noch unvollständig sind, zeigt ein Aufruf: „We still need over 250 pictures to put a face to every name, PLEASE HELP“. Die bereits erhaltenen Bilder der Gefallenen werden dann in einer endlosen Schleife wechselnd präsentiert.47 Durch die Anhäufung zusätzlicher Informationen wird die Bedeutung der Toten erhöht und nach außen kommuniziert. Die Wall als Hintergrund zu verwenden, hat viele Gründe. Die Autorinnen und Autoren können das eigene Leid und den eigenen Verlust innerhalb des Memorials verorten. Sie erweitern dessen Inhalte, zeigen aber gleichzeitig, dass ‚ihr‘ Memorial jeden Aspekt ihres Erinnerns und Gedenkens in konzentrierter Form repräsentieren kann. Der Stolz auf die eigene Identität als Veteranin oder Veteran, der im Grundkonzept des Memorials nicht verankert ist, lässt sich so in die allgemeine Gedenkkultur einbauen. Vor allem ist die Wall für die Seiten ein Baustein für die Erstellung eigener Erinnerungskonstrukte. Sie eignet sich dafür aus unterschiedlichen Gründen besonders gut. Ihre simple und klare Form lässt sich durch Bildbearbeitung relativ einfach mit neuen Inhalten versehen. Sie kann als ‚Schreibfläche‘ ebenso dienen wie als Hintergrund für die eigenen Darstellungen. Anders als viele Denkmäler aus früheren Kriegen enthält sie alle Namen der Gefallenen (zumindest auf US-amerikanischer Seite) und kann auf diese Weise auf den Seiten als Symbol für das Gesamtschicksal der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen eingesetzt werden. Letztlich lässt sie sich als Beweis dafür heranziehen, dass die öffentliche Darstellung des Namens eines Gefallenen bereits genügt, um ihn und seine Kameradinnen und Kameraden aufzuwerten. Als Symbol ist die Wall wichtig, im Netz können die Autorinnen und Autoren jedoch viel weiter gehen. Jeder Name lässt sich mit Daten, Informationen, Karten, Beschreibungen und Bildern versehen. Das fertiggestellte virtuelle Memorial sagt viel über die Absichten seiner ‚Erbauer‘ und Initiatoren aus. Sie konstruieren sich basierend darauf eine selbst kontrollierte Erinnerungssphäre, die je nach Bedarf um Informationen erweitert werden kann. Die Gefallenen sollen plastisch aus der Vergangenheit hervortreten und nicht gesichtslose Namen bleiben.
46 47
James C. Wheeler: A Memorial to the EC-47 Crewmembers Lost, 1966-1974, unter: EC47, URL: http://www.ec47.com/thewall.htm#top, Stand: 20.02.2013. Autor unbekannt: Memorial Page 1st Batallion, unter: Home of the Bobcats, URL: http://www.bobcat.ws/memorial.shtml, Stand: 18.11.2010.
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Abbildung 22: Die freiwilligen Helfer an der Wall halten für die Besucherinnen und Besucher nicht nur Papier und Stifte bereit, sie pausen auch Namen ab, die man ohne Leiter nicht erreichen kann.
Quelle: Autor.
Es geht also um das Ausgleichen von Defiziten, für die die Wall nach Meinung der Autorinnen und Autoren eine Chance bietet. Die Anreicherung mit Informationen ist hier nur ein Aspekt. Ebenso wichtig ist der Versuch, Ersatzhandlungen für das haptische Erleben vor Ort zu bieten. Eine Praktik, die an der Wall sehr verbreitet ist, ist das Abpausen der eingravierten Namen. Durch die verwischten Bleistiftstriche sieht es aus, als würden die Namen der Gefallenen aus den Nebeln der Vergangenheit erneut auftauchen. Ein Kontakt mit Freunden, Kameradinnen und Kameraden kann so hergestellt werden, gleichzeitig ist es den Besucherinnen und Besuchern möglich, von der physischen Wall ein Erinnerungsstück mit nach Hause zu nehmen. Solche „tracings“ werden in die Webseiten immer wieder als Bild eingebaut. Auf einer Seite dreht sich über den Abpausungen ein goldenes Kreuz für jeden Kameraden. Ein Klick darauf bietet den Besucherinnen und Besuchern wieder viele Zusatzinformationen über die Gefallenen an.48 Dies erleichtert der Besitzerin oder dem Besitzer der Seite sichtlich, alle Gefallenen gleichzubehandeln, egal wie viele Informationen sich über diese in Erfahrung bringen ließen. Wenn wie hier nur der Name zur Verfügung steht, werden wie üblich die Besucher dazu aufgefordert, dieses Defizit überwinden zu helfen. 48
Vgl. z.B. Autor unbekannt: Welcome Home, unter: My Drop Zone, URL: http:// members.tripod.com/airborne65_68/The%20Beginning.htm, Stand: 04.11.2010.
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Der Veteran Stanley Houlberg hatte sich immer gefragt, was aus einem bestimmten Kameraden nach einer großen Explosion geworden war. Jeden Abend schloss er diesen in seine Gebete ein und als seine Tochter auf einen Ausflug nach Washington, D.C. fuhr, ließ er sie nach dem Namen suchen und davon ein „tracing“ anfertigen. Auf seiner Seite beendet ein Foto dieser Abpausung seine Geschichte.49 Im virtuellen Raum ist es längst möglich, die Reise zur Wall unnötig zu machen. Spezialisierte Suchmaschinen finden den Gefallenen in Sekundenschnelle und fertigen bei Bedarf virtuelle Abpausungen an. Die Seiten kompensieren die physische Ferne der Wall und machen gleichzeitig die Namen scheinbar ‚be-greifbar‘. Aus den Namenslisten werden so Sammlungen ‚echter‘ Artefakte. Jede solche Praktik scheint die Autorinnen und Autoren der Wall und den Namen darauf näher zu bringen und gleichzeitig ihre Möglichkeiten zu erweitern, sich mit diesen auseinanderzusetzen. In weit geringerem Umfang nutzen die Autorinnen und Autoren multimediale Repräsentationsformen der Wall. Animierte Bilder und Videoclips sind am verbreitetsten, komplexere Methoden werden meist nur von spezialisierten Seiten eingesetzt, die aufgrund des technischen Aufwands nicht von einzelnen Autorinnen und Autoren betreut werden können. Meist soll die Wall plastischer und die Situation lebendiger erscheinen. So zeigt ein Bild, das aus Bodennähe aufgenommen wurde, unter der großen Überschrift „remembrance“ animierte Kerzen vor der Wall.50 Als Videoclips finden sich vor allem die Handlungen, die von Veteraninnen und Veteranen an der Wall ausgeführt werden. Auf der Seite von Jerry Simmons findet sich der (auf YouTube gespeicherte aber auf der Seite abspielbare) „wall song“, der den auditiven Hintergrund für eine wechselnde Bildcollage von Veteranen darstellt, die die Wall besuchen und berühren.51 Videos stellen aber immer noch ein Randphänomen dar. Sie verbrauchen mehr Speicherplatz und Bandbreite, sind erheblich schwieriger zu editieren als Bilder und bieten damit weniger Umdeutungspotenziale als diese. Komplexere Anwendungen bezogen auf die Wall finden sich noch seltener. Am beliebtesten sind Namenssuchmaschinen, die aber meist mit den auf solche Dienste konzentrierten
49
Stanley Houlberg Jr.: Memorial Page – Zempel Ronald Lee – Paxton Donald Elmer, unter: Wardogs, URL: http://www.wardogs.com/adopt.html, Stand: 04.11.2010. Die Geschichte von Houlberg wurde am 28.07.2013 nicht mehr unter dieser Adresse vorgefunden. Die neue Adresse ist Stanley Houlberg Jr.: Military Memories Memorial Page, unter: Wardogs, URL: http://www.wardogs.com/br108.html, Stand: 04.11.2010. 50 Greg Payne: Your Vets Memorial, unter: Vietnam Combat Veterans, URL: http:// teetee199thlibvietnamcombatveterans69.webs.com/, Stand: 10.11.2010. 51 Jerry Simmons: Other Links, unter: My Cat Lai Vacation, URL: http://www. mycatlaivacation.com/, Stand: 05.11.2010.
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Seiten oder dem Angebot des „Vietnam Veterans Memorial Fund“ (VVMF) nicht konkurrieren können. Alles, was über den Umgang mit der Wall gesagt wurde, lässt sich über regionale und örtliche Memorials ebenfalls sagen, allerdings in erheblich geringerem Umfang. Keines kann sich mit der Bedeutung des „Vietnam Veterans Memorial“ messen. Wie auf Kens Veterans Site vermischen viele Seiten alle Memorials zu einer Collage, in der die Wall aber unangefochten dominiert.52 Der Übergang zu anderen amerikanischen Memorials ist oft fließend. Besonders beliebt sind die Einbeziehung des Grabes des unbekannten Soldaten und anderer auf dem amerikanischen Nationalfriedhof in Arlington, der sich bezogen auf die „National Mall“ auf der Westseite des Potomac in Washington, D.C. befindet. Anders als die Wall sind viele regionale Memorials an klassische Konzepte von Erinnerungsartefakten angelehnt. Ein Beispiel wäre das Memorial der Vietnamveteranen von Minnesota, das als klassischer Grabstein mit Beschriftung konzipiert wurde. Abgebildet sind zwei trauernde Soldaten, die sich in den Armen liegen und stützen, während im Hintergrund ein klassisches Symbol für den toten Soldaten steht: das am Bajonett in den Boden gesteckte Gewehr mit dem Helm auf dem Kolben.53 Zwar käme die stolze, auf den militärischen Kontext konzentrierte Aussage den Absichten der meisten Autorinnen und Autoren entgegen. Die Umdeutungspotenziale solcher Memorials sind aber, verglichen mit der Wall, sehr gering. Das Grabmal des unbekannten Soldaten steht für alle Gefallenen der modernen Kriege Amerikas (das Grabmal des unbekannten Soldaten des Revolutionskriegs steht in Philadelphia). Die Wall scheint den Veteraninnen und Veteranen viel besser geeignet zu sein, ihre Kameradinnen und Kameraden der Anonymität zu entreißen. Sie war in der „National Mall“ das erste Memorial, das sich allein mit einem Krieg der amerikanischen Nation auf nationaler Ebene beschäftigte und für alle beteiligten Amerikaner gelten sollte. Erst nach Entstehen der Wall wurden nach und nach ähnliche Erinnerungsstätten für den Koreakrieg und den Zweiten Weltkrieg geschaffen. Regionale Memorials konzentrieren sich zu sehr auf einzelne Untergruppen, um als Gesamtsymbol des Vietnamkriegs und seiner Veteraninnen und Veteranen angenommen und sofort virtuell angepasst zu werden. Manche Herangehensweisen an das Erinnern mit und über die Wall benötigen jedoch größeren technischen Aufwand und lassen sich nicht in private Seiten einbauen. Diese Seiten gehören nicht zum Quellenkorpus, stehen mit diesem aber in Beziehung, da sie viele Absichten technischen umsetzen können, die den 52 Ken Medsker: Veterans Memorials, unter: Kens Veterans Site, URL: http:// kenmedsker.tripod.com/id13.html, Stand: 05.11.2010. 53 Autor unbekannt: Regional Memorial Page, unter: Wardogs, URL: http://www. wardogs.com/mon08.html, Stand: 04.11.2010.
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Einzelseiten nicht oder nur beschränkt möglich sind. Vor allem die virtuelle Rekonstruktion der Wall und die Erweiterung ihrer Möglichkeiten werden versucht. Die Gefallenenliste lässt sich auf solchen Seiten bis ins Detail vergrößern. Wie die Seite View The Wall es ausdrückt: „Within these pages you will find a complete photographic recreation of the „Vietnam Veterans Memorial“. You can explore high-quality images of the Wall or search a database for names and personal information“.54 Zu der mit Spezialkameras aufgenommenen, visuellen Repräsentation kommen Suchfunktionen nach Namen, Geburtsdatum, Heimatstadt oder Staat sowie Truppenteil. Zu jedem Namen lassen sich Zusatzinformationen einblenden, die in zwei Gruppen eingeteilt sind: „military service“ und „personal“.55 Diese umfassen persönliche Daten, Informationen zur Stellung in den Streitkräften, den militärischen Rang, Daten zur „tour of duty“ (Zeitspanne, Aufenthaltsort) sowie das Todesdatum. Bei den persönlichen Angaben finden sich zusätzlich noch Einträge für Religion und ‚race‘. Im Falle von View the Wall sind die Autoren Söhne von Veteraninnen und Veteranen, die durch kostenlose Unterstützung einiger (nicht genannter) Firmen aus dem grafisch-technischen Bereich sowie eines Kongressabgeordneten ihre Vision verwirklichen konnten.56 Andere Seiten bauen auf diesem Konzept auf und erweitern es. Das Interactive Vietnam Veterans Memorial wird durch die Firma Footnote betrieben, die sich auf die Digitalisierung historischer Dokumente spezialisiert hat.57 Neben der visuellen Repräsentation bietet die Seite aber noch eine Fülle anderer Optionen an.58 Die registrierten Nutzerinnen und Nutzer sind in der Lage, Bilder der Gefallenen hochzuladen, Kommentare zu hinterlassen, Geschichten einzufügen und die einzelnen Namen untereinander zu verknüpfen, zum Beispiel nach Stationierungsort oder der Mitgliedschaft in unterschiedlichen Gruppen. Ähnlich wie auf den Seiten des Quellenkorpus ist also die Mitarbeit der Besucherinnen und Besucher beim Ergänzen oder Korrigieren von Information explizit erwünscht. Grundsätzlich lässt sich für beide Formen solcher Internetseiten sagen, dass das Erweitern von Erinnerungsobjekten eine wichtige Rolle spielt. Anders als die 54 Zoomify: In Memoriam, unter: View the Wall, URL: http://www.viewthewall.com/, Stand: 20.02.2013. 55 Zoomify: Henry Dale Adkins, unter: View the Wall, URL: http://www.viewthewall. com/viewInfo.asp?recordNumber=296, Stand: 20.02.2013. 56 Zoomify: About us, unter: View the Wall, URL: http://www.viewthewall.com/ about.asp, Stand: 20.02.2013. 57 Fold 3: Search the Wall, unter: Interactive Vietnam Veterans Memorial, URL: http:// go.fold3.com/thewall/, Stand: 20.02.2013. 58 Die Basisdaten sind hier um einige Kategorien erweitert: Verheiratet, Geschlecht, Alter, Umstände des Todes, Körper geborgen oder vermisst, Art der Einberufung sowie erweiterte Informationen zu den Aufgaben und unterschiedlichen Einheiten des Toten in Vietnam.
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professionell erstellten Seiten gehen die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus oft noch radikaler vor. Der „suicide wall“ ist ein solches Beispiel. Personen, die nach dem Krieg an ihren Leiden starben, werden nicht auf der physischen Wall aufgeführt. Die Seite entwickelte deshalb eine zusätzliche virtuelle Wall, auf der alle aufgeführt werden sollen, die nach dem Krieg Selbstmord begangen haben.59 Dass manche ihrer Kameradinnen und Kameraden, deren Tod die Kriegsbeteiligten auf ihre Zeit in Vietnam zurückführen, immer noch nicht auf der Wall aufgeführt werden dürfen, ist für sie fast unerträglich. Anders als auf den professionellen Seiten ist deshalb auf den Seiten des Quellenkorpus die Umdeutung und Erweiterung der Wall viel wichtiger als die optimierte visuelle Darstellung. Die Ergänzung von Informationen geht Hand in Hand mit der Vereinnahmung des Memorials für die eigene Gruppe. Diese Virtualisierung des Physischen besteht aus zwei Komponenten. Auf der einen Seite werden Inhalte und Erfahrungen als ‚Placebo‘ für den persönlichen Besuch verfügbar gemacht, die sonst nur über Erfahrungen am physischen Memorial zu erlangen sind. Dazu gehören die emotionale Katharsis, die Kontaktaufnahme mit Lebenden und Toten, die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart und vieles mehr. Auf der anderen Seite ist es die Rekombination unterschiedlicher Bausteine, von denen die Wall der wichtigste ist. Beide Bestandteile existieren parallel zueinander, sind miteinander verknüpft und widersprechen sich doch scheinbar. Während auf der einen Seite die Wall als Ganzes dargestellt und erweitert werden soll, wird sie auf der anderen Seite zerstückelt, transformiert und verändert. Die Internetseiten ermöglichen dafür unterschiedliche Herangehensweisen, die letztlich jedoch alle darauf hinauslaufen, dass das Memorial in einen Teil der eigenen Lebenswelt verwandelt wird. Die Zerstückelung der Wall kommt ihrer Neigung zur Collage entgegen und erhöht gleichzeitig ihre Deutungsmacht über das bekannteste Memorial des Vietnamkriegs. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Wall in der physischen Welt mehr ist als ein Anlaufpunkt für die Veteraninnen und Veteranen. Durch ihre Position im Herzen der US-amerikanischen Hauptstadt repräsentiert sie deren Anspruch, innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft anerkannt zu werden. In den virtuellen Praktiken auf den Internetseiten wird diese herausragende Stellung noch weiter ausgebaut. Die Handlungspraktiken lassen sich in drei Kategorien einteilen, die aus den wahrscheinlichen Motiven der Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer abgeleitet werden können. Die erste Kategorie ist die Kompensation von
59 Alexander Paul: Honoring Veterans of Vietnam, Iraq and Afghanistan, unter: The Suicide Wall, URL: http://www.suicidewall.com/, Stand: 20.02.2013. Vgl. zum Suicide Wall: David Lester: Suicide in Vietnam Veterans: The Suicide Wall, in: Archives of Suicide Research Nr. 4, 9 (2010), S. 385-387.
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Ort, Zeit und Handlung. Durch die Virtualisierung ist die Wall jederzeit erreichbar. Die Namen lassen sich schnell durchsuchen und die üblichen Praktiken vor Ort wie das Zurücklassen von Objekten oder das Abpausen von Namen sind ebenfalls in virtualisierter Form praktizierbar. Die zweite Kategorie beschäftigt sich mit dem Erweitern der Wall. Während am physischen Ort immer neue Bestandteile hinzugefügt wurden, ist dies den Autorinnen und Autoren entweder nicht genug, oder stimmt nicht mit ihrer Vision des Memorials überein. Interessanterweise spielt der Fahnenmast mit der amerikanischen Flagge, der sich am Memorial befindet, ebenso wenig eine Rolle wie die Plakette mit der offiziellen Widmung. Die Aspekte, die behalten und erweitert werden, sind die Namen und Granitwände selbst sowie die Figuren der drei Soldaten, die die militärische Identität, die auf den meisten Seiten vertreten werden soll, perfekt repräsentieren. Daneben wird eine Fülle eigener Ideen und Symbole hinzugefügt, die direkt mit der dritten Kategorie in Verbindung stehen. All diese Praktiken streben auf das Ziel zu, die Wall als Konzept, Gegenstand und Symbol für sich in Anspruch zu nehmen. Die inhaltliche Offenheit und die visuelle Wirkkraft machen die Wall zum geeignetsten Werkzeug, um persönliches Erinnern zu organisieren und dem Memorial gleichzeitig eine Bedeutungssteigerung zukommen zu lassen. Isoliertes Gedenken wird so in einen größeren Kontext eingebunden, ohne dass dies einen Kontrollverlust für die Autorinnen und Autoren bedeuten würde. Vor allem aber ist die Wall in der Gegenwart verwurzelt. Immer wieder begegnet den Besucherinnen und Besuchern auf den Seiten das Phänomen, dass trotz der ständigen Bezüge zur Vergangenheit die Gegenwart der eigentliche Zeitabschnitt ist, auf den sich die Aktivitäten richten. Wer die Autorinnen und Autoren heute sind und sein wollen, spiegelt sich, wie so vieles, in den schwarzen Granitplatten von heute wider. Die ästhetische Verwirklichung der Trauer auf den Seiten, von denen die Darstellung der Wall nur eine ist, lässt sich nur als heterogene Masse an unterschiedlichen Bestandteilen beschreiben. Da die Traditionen der Trauerkulturen, die die Seiten referenzieren, eine komplexe Geschichte haben und gleichzeitig nicht zentral für die hier formulierten Fragen sind, sollen diese nur in einem kurzen Exkurs dargestellt werden.
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Exkurs: Grundriss einer virtuellen Sepulkralkultur des Quellenkorpus Wie jeder Aspekt moderner Kultur ist das Totengedenken ständigen Umwälzungen ausgesetzt. Die Sepulkralkultur wird immer personalisierter, individualisierter und flexibler.60 Bestattungswälder, Straßenkreuze oder eben das Gedenken im Internet lösen die Trauer aus alten Kontexten und zerbrechen die Trauerkultur in Einzelteile, die danach flexibel wieder zusammengesetzt werden können. Gleichzeitig erobert Trauer den öffentlichen Raum weit jenseits von ausgewiesenen Bestattungszonen und Trauerorten wie Friedhöfen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Tod weiterhin ein marginalisiertes und sozial tabuisiertes Thema ist.61 Die Individualisierung der Trauer bedeutet vor allem, sie kontrollieren und an eigene Bedürfnisse anpassen zu können. Diese Veränderungen werden in der Trauerkulturforschung wahrgenommen, in ihrer Entwicklungsrichtung und ihren Auswirkungen aber radikal unterschiedlich bewertet. Die wichtigsten Tendenzen in der Forschung zu Internet und Totengedenken in den Sozial- und Kulturwissenschaften hat Katrin Gebert zusammengefasst.62 Ihre Studie stimmt in den meisten Punkten mit den Erkenntnissen aus dem Quellenkorpus überein. Auf Internetseiten prallen zwei scheinbar disparate Phänomene des Totengedenkens aufeinander. Auf der einen Seite werden bestehende Rituale, Bestandteile und Symbole bezogen auf Tod, Trauer und Bestattung zum Allgemeingut, das jeder im Internet Handelnde nach Belieben (re-)kombinieren kann. Die medialen Möglichkeiten von Netz und Hypertext stellen einen virtuellen ‚Baukasten‘ der virtuellen Sepulkralkultur bereit, aus dem sich die Autorin oder der Autor beliebig bedienen kann. Auf der anderen Seite lassen sich nicht alle Aspekte des Totengedenkens in der physischen Welt durch virtuelle Möglichkeiten substituieren. Die Bedeutung dieser Aspekte ist im Netz dennoch in keinerlei Hinsicht abgeschwächt. Für Gebert ist das zentrale Beispiel hierfür das Grab auf einem physischen Friedhof, das sich als Anlaufpunkt und Zeichen nicht ersetzen lässt.63 Auf den von ihr untersuchten Internetfriedhöfen mangelt es ebenso wie auf den Seiten des Quellenkorpus nicht an Versuchen dazu. Da die visuelle und symbolische Sepulkralkultur des Quellenkorpus die Fragestellung 60 Vgl. Norbert Fischer, Markwart Herzog: Diskurse über Tod, Trauer und Erinnerung, in: Norbert Fischer, Markwart Herzog (Hg.): Nekropolis. Der Friedhof als Ort der Toten und der Lebenden, Kohlhammer: Stuttgart 2005, S. 13-19, hier S. 18. 61 Vgl. zum Tod als Tabuthema Julia Schäfer: Tod und Trauerrituale in der modernen Gesellschaft: Perspektiven einer alternativen Trauerkultur, Ibidem-Verlag: Stuttgart 2002, S. 11. 62 Katrin Gebert: Carina unvergessen: Erinnerungskultur im Internetzeitalter, TectumVerlag: Marburg 2009, S. 10-29. 63 Ebd., S. 45.
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nur am Rande berührt, reicht ein Kurzabriss der Phänomene an dieser Stelle aus. Eine entsprechende Einordnung nach ästhetischen, historischen, methodologischen und konzeptuellen Aspekten in die Gesamtsphäre der menschlichen Trauerkultur wäre für die Zukunft aber sinnvoll. Zwei Adjektive beschreiben die virtuelle Sepulkralkultur der Seiten am besten: individuell und konservativ. Der Anspruch nach Individualität zeigt sich darin, dass Trauer und Gedenken auf einer eigenen Internetseite ausgedrückt werden müssen. Virtuelle Friedhöfe scheinen die Autorinnen und Autoren nicht zu nutzen, zumindest lassen sich auf ihren Erinnerungsseiten keine entsprechenden Verweise finden.64 Das Konservative an der virtuellen Sepulkralkultur findet sich in ihren Einzelbestandteilen, die jede Seite unterschiedlich arrangiert. Die amerikanische Flagge ist allgegenwärtig. Sie bildet den Hintergrund für Gefallenenlisten oder weht als Grafik animiert auf Halbmast neben gezeichneten Särgen.65 Seitenabschnitte, die sich spezifisch mit der Trauer um Kameradinnen und Kameraden beschäftigen, werden fast immer als „taps“ bezeichnet (und sind damit nach dem Zapfenstreich benannt). Wo getrauert wird, ist das Lied allgegenwärtig.66 Die Einzelbestandteile dieser virtuellen Trauerkultur können fotografiert, gezeichnet, kopiert oder selbst erstellt sein. Im Netz ist es einfach, sie zu rekombinieren. Eine Grafik, ein Foto und ein kurzer Text erschaffen eine personalisierte Begräbnisszene. Auf der Seite der Silverstars ist der Sarg mit gefalteter Flagge und Helm ein Foto, während die flankierenden Flaggen auf Halbmast dagegen animierte Grafiken sind. Die Inschriftentafel der Trauerszene ist mit einem Zeichenprogramm entworfen worden.67 Die Autorinnen und Autoren der Einzelbestandteile lassen sich nicht erkennen, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Internet in größerem Umfang als Repositorium genutzt wird. Die Authentizität der Einzelbestandteile ist meist schwer festzustellen. Ob 64 Vgl. z.B. Thomas Lienau-Becker: „Virtuelle Friedhöfe“: Totengedenken im Internet, in: Nordelbische Stimmen: Forum für kirchliche Zeitfragen in Hamburg und Schleswig-Holstein Nr. 11 (1999), S. 20-22; Ira Spieker: Www.ewige-ruhe.com: virtuelle Friedhöfe, in: Bestattungskultur Nr. 3, 56 (2004), S. 14-15; Johannes Reiter: Virtuelle und andere Friedhöfe. Zur neuen Trauer- und Bestattungskultur, in: Stimmen der Zeit 129 (2004), S. 747-759. 65 Vgl. z.B. Donald R. Bach: Brothers who have gone before us, unter: Gunfighters, URL: http://366th-tfw.net/brothers_who_have_gone_before_us_1.htm, Stand: 20.02.2013; Greg Dunlap: Wall of Heroes, unter: K9 366th, URL: http://366thspsk-9.com/ Family/Wall%20of%20Heroes.htm, Stand: 20.02.2013. 66 Vgl. z.B. Autor unbekannt: Taps, unter: Vietnam Veteran’s 9th Infantry Division, 631st, URL: http://www.vietnam6bn31inf.com/taps.htm, Stand: 20.02.2013; Keith Bodine: Taps… Memorial for my Friends, unter: Hack 1966, URL: http://www. hack1966.com/taps.html, Stand: 07.04.2011. 67 Autor unbekannt: The Silverstar Veterans Page, unter: Silverstar Page, URL: http:// www.silverstarpage.com/, Stand: 27.05.2010, Offline seit: 05.11.2010.
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die Männer auf der Seite der Khe Sanh Combat Veterans tatsächlich am Ort ihrer Stationierung knien und damals vor Ort einem ihrer Kameraden gedacht haben, lässt sich aus dem Bild nicht ermitteln.68 Dass sich eine übergreifende Ästhetik der virtuellen Sepulkralkultur in diesem Rahmen nicht (und jenseits davon wohl nur mit großem Aufwand) herausarbeiten lässt, liegt daran, dass die Flexibilität des Internets als Werkzeug und Ausdrucksform den Betrachter immer wieder überrascht. Die Einzelteile sind fast immer bekannt. Die amerikanische Flagge, das Barett, die Erinnerungsmarken und das schützende „flak jacket“ (die Splitterschutzweste), über die Virgil Carter auf seiner Seite die eigene Trauer ausdrückt, sind Symbole militärischen Gedenkens.69 Die historischen Wurzeln der Trauerkultur treffen auf die militärische Tradition und die Spezifika des Vietnamkriegs. Die Nachteile solcher Traditionen lassen sich schnell aufheben. Wenn, wie auf der Seite von William Cox, ausführlicher gedacht werden soll, dann passen sich die virtuellen Grabplatten automatisch dem hinzugefügten Text an, ohne dass auf Begrenzungen geachtet werden müsste.70 Da sich alle Komponenten verzerren und beliebig arrangieren lassen, geht den Besucherinnen und Besuchern jede Erwartbarkeit verloren. Das Gedenken für drei verstorbene Freundinnen erfolgt auf der Seite Donut Dolly in Form eines dunklen Sternenhintergrundes, vor dem drei Tauben animiert auf der Stelle fliegen. Eine nicht länger funktionierende Multimediakomponente auf der Seite deutet darauf hin, dass zu diesem Arrangement musikalische Untermalung gehörte.71 Dass die drei Tauben im Einklang miteinander die Flügel schlagen, ist der Seitenbesitzerin so wichtig, dass sie einen entsprechenden Hinweis für die Besucherinnen und Besucher hinzugefügt hat, er oder sie möge doch im Notfall die Seite einfach neu laden.
68 Sam Messer: KIAs at Khe Sanh by Unit, unter: Khe Sanh Combat Veterans, URL: http://www.geocities.com/Pentagon/4867/units.html, Stand: 10.11.2010. 69 Virgil Carter: Welcome to the Gia Vuc Website, unter: Gia Vuc Camp, URL: http:// www.gia-vuc.com/WELCOME-TO-GIA-VUC.htm, Stand: 21.02.2011. 70 William Arthur Cox: What Happened, unter: William Cox Homepage, URL: http:// www.williamcox.org/page18.html, Stand: 20.02.2013. 71 Autor unbekannt: In Loving Memory, unter: Donut Dolly, URL: http://www. donutdolly.com/id23.htm, Stand: 20.02.2013.
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Abbildung 23: Die animierten Tauben auf der Seite Donut Dollies bewegen sich erst nach mehreren Versuchen endlich im selben Takt.
Quelle: Autor unbekannt: American Red Cross Donut Dollies, unter: Donut Dolly, URL: http://www.donutdolly.com/id23.htm, Stand: 10.02.2011.
Solche Rekombinationen müssen nicht komplex oder aufwendig sein. Auf der Seite Just a Walk in the Woods ist der Trauerakt eine Kombination aus Namenslisten, Trauerplaketten, Adlern mit amerikanischen Flaggen und kontemporären Fotos von Trauerfeiern aus der Zeit des Kriegs.72 Vergangenheit und Gegenwart werden in solchen Trauerkonzepten immer miteinander verbunden und oft werden tote Kameradinnen und Kameraden durch Bilder- oder Erzählserien erinnert, die unterschiedliche Lebensphasen repräsentieren.73 Ehrungen, die der Tote nicht mehr erfahren konnte, werden ihm nachträglich durch Bildbearbeitung hinzugefügt. Auf diese Weise können jene die höchste amerikanische Auszeichnung tragen und sie Stolz zur Schau stellen, denen diese erst nach ihrem Tod verliehen wurde.74 Vom Prestigegewinn dieser virtuellen Ehrung profitieren die Autorinnen und Autoren ebenfalls.
72 Autor unbekannt: Memorial Page, unter: Just a Little Walk in the Woods, URL: http:// www.blackied2501.com/memorial.htm, Stand: 20.02.2013. 73 Vgl. z.B. Bill Tomsick: Bill Papa Terry Kilbane Greg Fischer Died in Vietnam, unter: Bill Tomsicks Page, URL: http://www.angelfire.com/art2/art622/pap.html, Stand: 08.04.2010. 74 Vgl. z.B. Paul Kopsick: Memorial for Sgt. Stout, unter: Vietnam Memoirs, URL: http:// www.ndqsa.com/sgtstout.html, Stand: 08.11.2010.
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Abbildung 24: Mitchell Stout ‚trägt‘ die Medaille, die ihm nach seinem Tod verliehen wurde. Im Hintergrund wurde vom Autor ein Militärfriedhof eingefügt.
Quelle: Paul Kopsick: Memorial for Sgt. Stout, unter: Vietnam Memoirs, URL: http://www.ndqsa.com/sgtstout.html, Stand: 08.11.2010.
Dass die virtuelle Sepulkralkultur hier nicht im Detail nachgezeichnet werden soll, bedeutet nicht, dass deren grobe Eigenschaften sich nicht schon nach diesen überblicksartigen Bemerkungen erkennen ließen. Die völlig neu geschaffenen Symbole halten sich in Grenzen, da offizielle Formen der Anerkennung für Lebende und Tote am meisten gewünscht sind. Genau wie bei den Praktiken an der virtuellen Wall ist es hier die Rekombination scheinbar gegensätzlicher Inhalte sowie die Veränderung von Aussagen, die dominiert. Wenn Kameradinnen und Kameraden nach Meinung der Autorinnen und Autoren keine angemessene Ehrbezeugung erhalten haben, dann verleihen sie ihnen einen Platz auf dem Nationalfriedhof mit Ehrengarde, gefalteter Flagge und animierten Salutschüssen. Die Flexibilität der Internetseiten bedeutet ebenfalls, dass offiziell-militärische Ehrungen gerne um andere Symbole erweitert werden, die in den Trauerkontext passen. Diese Kombination aus grundsätzlich konservativen und dennoch persönlichen und individuellen Trauerkulturkonzepten macht den besonderen Aspekt dieser virtuellen Sepulkralkultur aus. Wo überlappen und ergänzen sich die scheinbar disparaten Darstellungspraktiken, die sich auf Veteranenseiten über den Vietnamkrieg finden lassen? Ihre
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Sepulkralkultur ist eine chaotische Mischung aus militärischen und zivilen Symboliken und Handlungen, deren ästhetische Darstellung meist stark voneinander abweicht. Da für die Autorinnen und Autoren jede dieser Handlungen ein Prozess ist, der in der Gegenwart verankert und auf diese Gegenwart ausgerichtet ist, bewegen sie sich zwischen diesen drei Polen relativ frei hin und her. Ausdruckspraktiken, die in anderen Bereichen vor allem der Trauer oder dem Erinnern dienen, machen sie ohne Zögern für andere Kontexte nutzbar. Dennoch bleiben ihre Handlungen (unter anderem wegen der einfacheren technischen Umsetzbarkeit) eine Mischung aus textuell-visueller Rekombination und Modifikation. Was dabei im Vordergrund steht ist die Deutungshoheit, um die die Autorinnen und Autoren ständig ringen. Jeder Gefallene oder Vermisste kann als Plakette, Teil einer Collage, Fokus einer Erzählung oder Zentrum eines virtuellen Trauerakts auf den Seiten ‚implementiert‘ werden, egal ob dessen Angehörige damit einverstanden sind oder nicht. Gerade dieser Aspekt der Vereinnahmung fremder Menschen und Identitäten wird auf den Seiten in keiner Weise reflektiert sondern scheinbar als Grundrecht der Autorinnen und Autorinnen behandelt. Dieser Umstand ist es, der noch einmal unterstreicht, dass alle Handlungen im Hier und Jetzt für das Hier und Jetzt stattfinden. Trotz der unterschiedlichen Aspekte aller in diesen Abschnitten vorgestellten Handlungspraktiken gibt es überraschend viele gemeinsame Anknüpfungspunkte. Von den Kriegsbriefen und Postkarten bis zu den virtuellen Friedhöfen hat der Umgang mit der persönlichen Kriegserfahrung, wie sich zeigen ließ, einen langen Weg zurückgelegt. Während Angehörige der Streitkräfte eines Landes sich heute ‚neuer‘ Medien zur Darstellung ihrer Kriegserfahrung bedienen können, werden diese Möglichkeiten in der Praxis schnell eingeschränkt und kontrolliert. Die Seiten des Quellenkorpus, die sich solchen Eingriffen kaum stellen müssen, nehmen aber nicht nur deshalb eine Sonderstellung unter dieser Art der Quellen ein. Ihre Darstellungspraktiken orientieren sich zwar oft an klassischen Formen, vermischen und erweitern diese jedoch immer wieder mit den medialen Möglichkeiten des Internets. Bilder und Texte gehören in dieser Hinsicht zu den am häufigsten verwendeten Medienformen. Die Verknüpfung, Reorganisation und Umdeutung der Inhalte unterliegt fast immer der Kontrolle einzelner Veteraninnen oder Veteranen, die sich diese Dominanz unter keinen Umständen streitig lassen machen wollen. Dies gilt ganz besonders für den Umgang mit den Memorials des Vietnamkriegs und der virtuellen Sepulkralkultur, die sich auf den Seiten entwickelt hat. Die Besitzerin oder der Besitzer der Internetseite ist der Fokus, dem die Toten und Lebenden auf der Seite zugeordnet werden. Die Identität als Vietnamveteran ist untrennbar mit einer langen Liste von
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Namen verbunden, die auf der eigenen Webseite versammelt sind und so zu einem Teil der eigenen Lebenswelt werden. Sepulkralkultur, Memorial und Darstellungspraktik beinhalten und formen alle Themen, die sich im Quellenkorpus finden lassen. All diese Praktiken stehen mit den Inhalten in Verbindung, die durch sie umgesetzt, repräsentiert und vermittelt werden. Eine Erfassung der dargestellten Inhalte ist unabdingbar, reicht aber gerade bei dieser Quellenform nicht aus, da heterogene Praktiken die inhaltliche Zersplitterung von Darstellungen unterstützen. Die im nächsten Abschnitt behandelten Inhalte müssen deshalb über Ordnungsprinzipien erschlossen werden, die an ihre spezifischen Eigenschaften angepasst worden sind.
Vietnamkrieg im Netz: Inhaltskategorien „All you thought about when you were in Vietnam was coming back to the world, real life. But as soon as you came back and went to work, you realized you were no longer in the real world. Vietnam was your real world.“1
Diese „real world“ der Vergangenheit wird in den Darstellungen der Autorinnen und Autoren meist nur in unterschiedlichen Fragmenten sichtbar, was eine Ordnungsmethode unabdingbar macht. Für die Entwicklung von Inhaltskategorien lassen sich mehrere Vorbilder finden. In diesem Fall wurden dafür Kategorien der Kriegserzählung von Soldaten des Zweiten Weltkriegs herangezogen. Diese werden als Ausgangspunkt für die selbst entwickelten Kategorien verwendet, wobei immer beachtet werden muss, dass sich Vergleichbarkeit aufgrund der großen Unterschiede zwischen den Konflikten und ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern nur in Ansätzen verwirklichen lässt. Die Entwicklung eigener Kategorien soll es ermöglichen, das genuin Besondere (so es existiert) in den Inhalten des Quellenkorpus sichtbar zu machen. Dass sich ein großer Teil der Inhalte auf die Nachkriegszeit und nähere Gegenwart der Erzähler bezieht, ist eine dieser Besonderheiten, die sich bereits aus der Gliederung dieses Abschnittes herauslesen lässt.
Inhaltskategorien: eine Einleitung Um die in den Quellen dargestellten Inhalte zugänglich zu machen, bieten sich mehrere Methoden an. Die Entwicklung ordnender Kategorien, wie sie im Folgenden praktiziert wird, hat zwei unterschiedliche Aspekte. Auf der einen Seite 1
Lynda van Devanter und Joan A. Furey (Hg.): Visions of War, Dreams of Peace. Writings of Women in the Vietnam War, Warner Books: New York, NY 1991, S. 9. Kursivschrift im Original vorhanden.
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ist sie sich der Traditionen in der Kriegserzählung bewusst und versucht über Beispiele und Vorgängermodelle, Kontinuitäten und Brüche gleichermaßen aufzuzeigen. Auf der anderen Seite sollen die Inhaltskategorien jedoch so nah am Gegenstand wie möglich entwickelt werden, da ein innovatives Medium nicht automatisch zu innovativen Handlungen oder inhaltlichen Darstellungen führen muss. Die Kriegserzählung ist eine Kombination aus persönlichen Eindrücken, überlieferten Topoi und einem Revisionsprozess, der bereits während des Kriegs begonnen hat und sich im Lebenslauf weiter fortsetzt. Der Kriegsalltag besitzt trotz der zunehmenden Technisierung viele Aspekte, die sich im Laufe der Zeit nur wenig verändert haben. Die Kriegsbeteiligten berichten über eine chaotische Mischung aus Lagerleben, Kurzurlaub und Kampfsituation, während der man sich mit bis dato fremden Personen mit einer Intensität verbindet, die fast jede Trennung überdauert. Eingerahmt werden die Kriegserinnerungen von Berichten über Kriegsanfang und -ende sowie durch die rückblickende Bewertung der Zeit durch die Veteraninnen und Veteranen. Der Umgang mit den Inhalten von Kriegserzählungen ist deshalb schwierig, weil sich die scheinbar generischen Aspekte der Kriegserfahrung (Todesangst, Verwundung, die Auseinandersetzung mit leblosen Körpern etc.) mit den Eigenschaften des Einzelkonflikts vermischen. Durch die Entwicklung von Inhaltskategorien aus Beispielerzählungen lassen sich Spezifika herausarbeiten, die für den Konflikt und für die Erzählkultur der Veteraninnen und Veteranen typisch sind. Ein möglicher Zugang besteht darin, aus Beispielerzählungen Inhaltskategorien zu konstruieren, in denen sich konfliktspezifische Eigenschaften einfacher identifizieren lassen. Solche Kategorien basieren auf den Inhalten, sind jedoch gleichzeitig Konstrukte des Forschungsprozesses, die aufgrund der Notwendigkeiten der Fragestellung entwickelt werden. Die im Methodenabschnitt geäußerte Aufforderung, nach der der Forscher immer die Auswirkungen reflektieren muss, die die Edierung und Reorganisation von Quellen nach sich ziehen, muss hier besonders beachtet werden. Für den Umgang mit dem Quellenkorpus ist eine solche Bildung von Kategorien aus der ‚Felderfahrung‘ heraus besonders wichtig, da die heterogene mediale Darstellung die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten schwieriger macht, als dies in einem einzelnen Medium der Fall wäre. Für die Entwicklung solcher Kategorien aus den persönlichen Erzählungen von Soldaten gibt es mehrere Vorläufer, von denen im deutschen Sprachraum die Untersuchung des Kulturwissenschaftlers Hans Joachim Schröder immer noch als die ambitionierteste angesehen werden kann. Sein Projekt sollte durch
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die Verwendung narrativer Interviews die persönlichen Erinnerungen von deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs möglichst unverfälscht festhalten.2 Seine 86 Zeitzeugen konnte Schröder vor allem über Vereine, Gewerkschaften und andere Organisationen ausfindig machen.3 Bei den narrativen Interviews wurde darauf geachtet, dass aus wenigen Erzählimpulsen durch den Interviewer eine möglichst ‚natürliche‘ Gesprächssituation entstand. Die Weltkriegssoldaten, die Schröder befragte, waren Mannschaftssoldaten, die aus einem verlorenen Krieg heimkehrten, der in der Nachkriegsgesellschaft mit verschiedenen Tabus besetzt war. Aufgrund der Kontexte und heterogenen Strukturen des Erzählens lassen sich ihre Berichte als Alltagserzählung definieren. Die Auseinandersetzung mit diesem Konzept hat nicht nur in der europäischen Ethnologie eine lange Tradition.4 Alltagserzählung ist für Schröder all das, was sich von den klar klassifizierten Texten der Erzählforschung abhebt.5 Dieser Ansatz ist mit dem Konzept des Kriegsalltags verwandt, stimmt mit diesem jedoch nicht überein. Krieg als Alltag ist für Schröder die Abgrenzung des Gewohnten und Erwartbaren von Ausnahmesituationen. Diese Trennung ist eines der Grundprinzipien, aus denen er seine Kategorien entwickelt. Kriegsalltag ist für ihn die Beziehung zu unterschiedlichen Personen (Kameraden, Vorgesetzten, Zivilisten und Frauen), der Umgang mit den eigenen Befindlichkeiten (Strapazen, Kälte, Krankheiten und Ernährung ebenso wie Urlaub und Unterhaltung), sowie der Krieg als Ansammlung alltäglicher Verrichtungen.6 Davon grenzt er 2
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Hans Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre: Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Niemeyer: Tübingen 1992. Die Kategorien behandelt Schröder in den Kapiteln 3 bis 10. Ebd., S. 256. Vgl. z.B. Albrecht Lehmann: Rechtfertigungsgeschichten. Über eine Funktion des Erzählens eigener Erlebnisse im Alltag, in: Fabula Nr. 21/22 (1980), S. 56-59; Brigitta Schmidt-Lauber: Grenzen der Narratologie. Alltagskultur(forschung) jenseits des Erzählens, in: Thomas Hengartner (Hg.): Leben – Erzählen. Festschrift für Albrecht Lehmann, Reimer: Berlin 2005, S. 145-162; Gerrit Herlyn: Computer im Alltag – Computer als Alltag. Erzählstrategien und biographische Deutung im Veralltäglichungsprozess von Technik, Universität Hamburg: Hamburg 2008; Heike Diekwisch (Hg.): Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie und Praxis von Alltagsgeschichte, Westfälisches Dampfboot: Münster 1994; Bernd Jürgen Warneken: Autobiographien, in: Populare Autobiographik. Empirische Studien zu einer Quellengattung der Alltagsgeschichtsforschung, Gulde-Dr.: Tübingen 1985, S. 20-49. Hans Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre: Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Niemeyer: Tübingen 1992, S. 132. Ebd., S. 319. Er bezieht sich hier auf Konzepte, die bereits von Hermann Bausinger mehrfach angedeutet worden sind. Vgl. Hermann Bausinger: Alltägliches Erzählen, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 1 von 13, New York, NY 1977, S. 323-330, hier Sp. 323.
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verschiedene Aspekte der Kampferfahrung ab und zwar auf der persönlichen Ebene (Heldentum, Bedrohung, Angst, Verwundung, Grausamkeiten) und auf der Metaebene des Kriegsverlaufes (Rückzüge, Kriegsende, Luftangriffe). Abgeschlossen wird Schröders Einteilung durch den Blick zurück auf den Krieg und dessen nachträgliche Bewertung, die sich bei seinen Interviewpartnern zu einer Reihe von Topoi verdichtet hat. Die im Titel des Buches angedeuteten „gestohlenen Jahre“ werden in diesem Zusammenhang ebenso als sprachlicher Ausdruck verwendet wie die einfache Formel „Glück gehabt“.7 Der Umgang mit dem Geschlecht der beschriebenen Personen ist wohl vor allem aufgrund der Realitäten des Zweiten Weltkriegs relativ eindimensional. Während Männer durch ihre hierarchische Stellung (Vorgesetzte), emotionale Bindung (Kameraden und Freunde) oder als Bestandteil der Kriegslandschaft (Soldaten und Zivilisten) beschrieben werden können, sind Frauen fast immer genau nur das: Angehörige des weiblichen Geschlechts. Dennoch ist eine reflektierte Herangehensweise an dieses Thema sinnvoll, da solche ‚gereinigten‘ Darstellungen als Konstrukte der Erzähler zumindest hinterfragt werden müssen. Schröders Kategorien lassen sich in mehreren Punkten kritisieren. Der Alltagsbegriff lässt sich, wie er selbst zugibt, nicht automatisch durch die Abgrenzung zwischen Gewohntem und Überraschendem definieren.8 Wer als Soldat vom Krieg erzählt, wird häufig selbst dann die tödliche Bedrohung als Teil der eigenen Kriegserfahrung ansehen, wenn diese nicht am eigenen Leib erfahren wurde. Viele Inhalte der persönlichen Erzählquellen sind über die Jahre so transformiert worden, dass sie in ihrem Ursprung vielleicht eine Ausnahmesituation dargestellt haben, in der Nacherzählung aber längst zum festen Repertoire der eigenen Verortung im Krieg gehören. Die „gestohlenen Jahre“ sind deshalb vor allem als Beispiel für den Versuch erwähnenswert, in Kriegserzählungen das Allgemeine vom Besonderen zu trennen. Die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen nehmen eine solche Unterscheidung zumindest im Rückblick auf ihre Zeit in Vietnam nur in erheblich geringerem Maße vor. Während Schröder Kriegsalltag und Kämpfe als ein Gegensatzpaar behandelt hat, lassen sich aus den Internetseiten zwei getrennte und doch eng verwandte Bereiche der Kriegserfahrung herausarbeiten. Diese Inhalte sind heterogene, miteinander verbundene Erfahrungen, deren Bedeutung nicht durch ihre Nähe oder Ferne zum Schlachtgeschehen bestimmt werden kann.
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Hans Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre: Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Niemeyer: Tübingen 1992, S. 882-906. Er verweist darauf, dass je nach Kriegsverlauf eine Verwundung ebenso zum Alltag von Soldatinnen und Soldaten gehören kann. Ebd., S. 323.
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Abbildung 25: Der Seelsorger Jack Day hat auf seiner Seite die zwei Welten, die sein Leben bestimmt haben, plastisch dargestellt.
Quelle: Jack Day: Vietnam Chaplain, unter: Jack Day’s Two Worlds, URL: http://www.vietnamveteranministers.org/chaplain/veterans. htm, Stand: 21.02.2013.
Wenn es darum geht, das Sprechen über das Damals vom Sprechen über das Jetzt zu trennen, bedienen sich die Autorinnen und Autoren im Netz eines Gegensatzpaares. Die umgangssprachlichen Begriffe „World“ und ʼNAM wurden bereits während des Kriegs geprägt. ʼNAM steht für das Land Vietnam ebenso wie für Vietnamkonflikt. Die „World“ dagegen umfasst alle Orte jenseits dieses Gebiets, bezieht sich jedoch bis heute bei den meisten Autorinnen und Autoren vor allem auf die eigene Heimat in Amerika. Beide Begriffe besitzen aber noch weitere Bedeutungsebenen. Sie definieren die Kriegslandschaft in Vietnam als einen der Realität entrückten Bereich, in dem eigene Verhaltensregeln existieren. Diese basieren auf Erwartungshaltungen, die die Autorinnen und Autoren aus ihrer Erfahrung im Kriegsgebiet entwickelt haben. Beispiele dafür sind das Misstrauen gegen die Verbündeten, die ständige Gefahr von Anschlägen sowie die chaotischen Verhältnisse in der Kriegslandschaft. Bildlich dargestellt findet sich dieser Gegensatz auf der Seite des Veteranen Jack Day. Day war als Seelsorger Teil der amerikanischen Truppen und repräsentiert die Begriffe durch zwei Weltkugeln, die er als „Jack Dayʼs Two Worlds“ bezeichnet. Sie scheinen gleich zu sein, seine Erinnerungen zeigen aber, dass die beiden Welten unterschiedlicher nicht sein könnten.9 Während eine Welt für seine Ausbildung und sein Zivilleben in Amerika steht, repräsentiert die zweite Weltkugel eine nicht nur im Rückblick surreal erscheinende Reise durch eine Kriegslandschaft. Die „World“ dagegen umfasst 9
Jack Day: Vietnam Chaplain, unter: Jack Day’s Two Worlds, URL: http://www. vietnamveteranministers.org/chaplain/veterans.htm, Stand: 21.02.2013.
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alle Bereiche, in denen die altbekannten Regeln des Friedens gelten und die Ziel einer starken Sehnsucht sind. Die Herausbildung solcher Begriffe ist eng mit dem Konzept des Mythos verwandt, der „aus der Entfremdung des Subjekts von Wahrheiten [entsteht], die dieses als gegeben angenommen hatte.“10 ʼNAM und „World“ sind in dieser Interpretation mythische Orte, die aus der doppelten Entfremdung des Kriegsbeteiligten entstanden sind. Auf der einen Seite war Vietnam ein Ort überwältigender Eindrücke, die das Selbstverständnis der Soldatinnen und Soldaten oft zu überwältigen drohten. Auf der anderen Seite schien die Normalität der Vereinigten Staaten von Vietnam so entrückt zu sein, dass eine Verbindung beider Orte kaum mehr möglich schien. In den Nacherzählungen verwenden die Autorinnen und Autoren diese Gegensätze weiterhin als ‚Wahrheitsbrücke‘, mit der die Beteiligten des Vietnamkriegs die Unterschiede zwischen ihren Erwartungen vor dem Krieg und den Erlebnissen während des Kriegs zu vereinbaren suchten“.11 Auf den Seiten des Quellenkorpus haben sich die Begriffe viele dieser Eigenschaften bewahrt, nur das Verhältnis zwischen Nähe und Ferne hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die „World“ bestimmt nun den Blickwinkel der Autorinnen und Autoren, während ʼNAM vom surrealen Schauplatz des alltäglichen Kriegshandwerks zum fernen Erinnerungsort geworden ist. Die im Anschluss präsentierten neun Kategorien verteilen sich gleichmäßig über die Zeit vor und nach dem Krieg, während eine Kategorie der Übergangsphase von Vietnam zurück in die Heimat gewidmet ist. Ihre Aufteilung ist aus den vorgefundenen Inhalten abgeleitet worden. Ob dieser harmonisch erscheinende Ausgleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart auch den Meinungen der Erzählerinnen und Erzähler Rechnung tragen würde, ist etwas, das erst noch überprüft werden muss.
ʼNAM: Kriegserfahrung I Die Kriegserfahrungen, die die Autorinnen und Autoren am meisten thematisieren, haben eine sehr persönliche und individualistische Natur. Wichtige Beispiele dafür sind die fast schon intim zu nennenden Beziehungen zu Kriegsgeräten, das intensive Erleben neuer Eindrücke in Vietnam und die radikalen Unter-
10 Roland Leikauf: ’Nam vs. World: Mythische Ortszuschreibungen des Zweiten Indochinakriegs, in: Pablo Abend, Tobias Haupts, u.a.: Medialität der Nähe: Situationen – Praktiken – Diskurse, Transcript: Bielefeld 2012, S. 85-102, hier S. 88. 11 Ebd., S. 97.
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schiede zwischen den Strapazen des Kriegsalltags und den kurzen Fronturlauben.12 Diese Themen sind geprägt durch Übergänge und Grenzen. Das Erleben neuer Schauplätze und Situationen und die damit verbundenen Sinneseindrücke prägten die Sichtweise auf den Krieg dauerhaft. Die radikalen Übergänge vom strapazenreichen Kriegsalltag zum Kurzurlaub und zurück verleihen manchen Erfahrungsberichten eine surreale Qualität, da sie viel entspannter in die Erzählungen eingearbeitet werden, als die Besucherinnen und Besucher dies erwarten würden. Der Umgang mit dem Kriegsgerät schafft schließlich eigene zeitliche und inhaltliche Übergänge, die sich mehr am Schicksal des Artefakts als an dem der Soldatinnen und Soldaten orientieren. Der Veteran Edward Lee McIntosh bedankt sich bei seinem wichtigsten Kriegswerkzeug sogar auf eine Weise, wie man sich bei einer Person bedanken würde: „The Fighting Fort she was called and she was a Great Ship, now lays at the bottom of the ocean may she rest in peace, do not forget her, she will live on in our minds and hearts, AMEN“.13 Die USS Marion, das Schiff, auf dem er während des Kriegs stationiert war, ist Namensgeber und Fokus seiner Seite. Dieser ‚schwimmende Stationierungsort‘ ist nicht nur Ziel eines Gebets, sondern wird zum Kameraden, dessen Ende man beweinen muss. Persönliche Waffen mit einem Namen zu versehen ist ein Topos, der schon in frühen Menschheitsmythen zum Ausdruck kommt. Die Tendenz, großes Kriegsgerät zu benennen und zu vermenschlichen setzte mit dessen fortschreitender Verbreitung ein. Kriegswaffen wie die Blide (auch: Tribok), eine auf dem Hebelprinzip basierende Belagerungswaffe namens „War Wolf“ des englischen Königs Edward I. (1239-1307, König von 1272-1307) erhielten ihre Namen und menschlichen oder tierischen Eigenschaften meist nach bedeutenden Schlachten oder militärischen Kampagnen.14 Vor allem Schiffe erhalten bis heute sichtbare Markierungen, wenn sie an längeren Kampfeinsätzen teilgenommen haben. Das Besondere bei Veteranen wie McIntosh ist jedoch, dass die Geräte nicht nur als Personen beschrieben werden, sondern den eigenen Kameraden gleichgestellt sind. Akribisch sammelt McIntosh Bilder, Daten, Ereignisse und Erzählungen über das Schiff. Er versucht, über seine eigene Dienstzeit hinaus ein Gesamtporträt des Schiffs zu entwerfen. Diese Praktiken stimmen in vielen Punkten mit den Trauerhandlungen überein, 12 Der Begriff der Front lässt sich auf viele Aspekte des Vietnamkriegs nur als allgemeine Bezeichnung für die unterschiedlichen Kriegsschauplätze verwenden, da ein klassischer Stellungskrieg nur bei Belagerungen oder an der demilitarisierten Zone stattgefunden hat. Hier wird er vor allem als Gegensatz zu den Rückzugsgebieten benutzt, in denen sich die Truppen sicher wähnen konnten. 13 Edward Lee McIntosh: Thank You, unter: USS Fort Marion, URL: http://www.ussfort marionlsd22.com/thankyou.html, Stand: 01.02.2011. 14 Jeff Kinard: Artillery: An Illustrated History of its Impact, ABC Clio: Santa Barbara, CA 2007, S. 26.
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die die Kriegsbeteiligten ihren Kameraden widmen. Das Betrauern des Schiffes ist der ultimative Ausdruck seiner Anthropomorphisierung und lässt erkennen, wie bedeutend dieses Artefakt als Brücke in die Vergangenheit für McIntosh ist. McIntosh nennt seine Seite „The U.S.S. LSD-22 Fort Marion Website“, stellt jedoch mit einem kurzen Satz klar, welches Ziel er außerdem verfolgt: „TO REMEMBER HER BY.“ Die Maschine ist gleichermaßen Subjekt und Objekt des Erinnerns. Der Veteran häuft große Mengen an Fakten zu seinem Schiff an. Dokumente werden durch Bilder aus verschiedenen Zeitperioden ergänzt, Zeitungsausschnitte helfen ihm zusätzlich, unterschiedliche Schlüsselereignisse im ‚Leben‘ des Schiffs darzustellen. An Mensch und Maschine zu erinnern heißt fast immer Expertenwissen zu besitzen, sich Weiteres anzueignen und an einem Ort zu versammeln. Alle Personen, die mit dem Artefakt in Verbindung stehen, werten sich über dieses Expertenwissen auf. Gleichzeitig vergewissern sie sich durch die Stärkung ihres Bezuges zum Objekt der Vergangenheit ihrer Identität als Vietnamveteranin (von denen in diesem Fall keine ausfindig gemacht werden konnte) und Vietnamveteranen. Zwei Dienstzeiten (die des Schiffes und die des Autors) verlaufen parallel, überlappen sich und werden akribisch aufgearbeitet. Auf die ‚Geburt‘ in der Werft folgen Einsätze an verschiedenen Orten, bevor der Autor selbst auf dem Schiff stationiert wird. Auf das Ende der „tour of duty“ beider ‚Kameraden‘ folgt für das Schiff der Verkauf nach China und seine Versenkung, die wie eine Beerdigung beschrieben wird. Schiff und Mensch haben beide eine „service history“, Auszeichnungen und eine Liste mit Kampfeinsätzen und besonderen Ereignissen vorzuweisen. Diese Handlungen sind teilweise in der Tradition des amerikanischen Militärs verankert, da Schiffe tatsächlich Abzeichen erhalten, wenn sie eine Tour in einem Kriegsgebiet absolviert haben. Veteranen wie McIntosh gehen aber einen Schritt weiter und erweitern den Topos des Geräts als Kameraden so weit, dass es ein ‚Anker‘ der Erinnerung ist und gleichzeitig einen Anlaufpunkt für andere darstellt, die ebenfalls darauf Dienst getan haben. Larry Matthews geht mit seiner Seitenüberschrift „Oriskany – Rest in Peace – May 17, 2006“ so weit, den Tod als Schicksal ‚seines‘ Schiffes direkt anzusprechen.15 Das Schiff seiner Dienstzeit ist ebenso wie das von McIntosh ‚verstorben‘ und ruht auf dem Grund des Meeres. Der Autor konzentriert sich auf seiner Seite vor allem darauf, mithilfe anderer alles über das Schiff zusammenzutragen. Stolz verweist er auf 30.000 Besucherinnen und Besucher und viele E-Mails, die er von Veteraninnen und Veteranen und Laien erhalten habe. Kollaboratives Erin-
15 Larry Matthews: The USS Oriskany – Memories of Vietnam, unter: Larry Matthews Home Page, URL: http://ffhiker.tripod.com/index-2.html, Stand: 02.02.2011.
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nern lässt sich leichter organisieren, wenn ein entsprechendes Artefakt als Ausgangspunkt und Fokus verwendet werden kann. Das Schiff gibt der Verbindung mit der Vergangenheit eine starke Materialität, die es erlaubt, den eigenen militärischen Hintergrund an einem ‚Stück Vergangenheit‘ festzumachen. Dies bedeutet letztlich, dass die Autorinnen und Autoren durch diese Praktiken eine dauerhafte und stabile Beziehung zu ihrer militärischen Vergangenheit aufbauen möchten. Der Umgang mit dem Schiff ist für viele der Besucher keine vorübergehende Nostalgie, sondern stabilisiert diese Repräsentation des Vietnamkriegs in den nach außen gerichteten Selbstvorstellungen der Kriegsbeteiligten. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist der Fall Peter Chan, der Matthews immer in Erinnerung geblieben ist. Der Seemann war während seiner Dienstzeit bei einem Unfall über Bord gegangen. Die Umstände des Unglücks konnte er damals nur unvollständig rekonstruieren. Er kannte Chan nur flüchtig und trotzdem war das Schicksal des Seemanns für ihn untrennbar mit der Oriskany verbunden. Da das Schiff für andere als Erinnerungsanker dienen kann, wurden die Umstände von ehemaligen Besatzungsmitgliedern sehr schnell ergänzt. So konnten diese dem Seitenbesitzer helfen, mit diesem Aspekt seiner Vergangenheit abzuschließen und gleichzeitig andere an diesem Kapitel der Rückerinnerung teilhaben zu lassen. Besucher wie der Veteran Mike Cross konnten nach der Aufklärung ebenfalls davon profitieren: „After reading your account I now have some closure. Thank you Larry for taking the effort to make some kind of sense to the tragedy we all suffered through.“ Damit ist das Schiff in diesem Fall mehr als eine Verbindung mit der Vergangenheit: Es ermöglicht Jahre nach dem Krieg eine Bewältigung belastender Erinnerungen. Bei beiden Autoren beginnt das Erinnern an die/mit der/über die Maschine mit dem Schritt, das Artefakt ebenso dem Vergessen zu entreißen, wie sie und andere dies bei ihren Kameradinnen und Kameraden versuchen. Die archivalischen Potenziale des Internets helfen, Fakten anzuhäufen, Bilder zu archivieren und Dokumente digitalisiert für andere bereitzustellen. Danach gehen sie daran, die eigene Dienstzeit in Vietnam akribisch orientiert am Artefakt aufzuarbeiten. Die Maschine ist mehr Freund als Werkzeug, ein ehemaliger Kamerad und eine ‚Boje‘ zur Einordnung der Vergangenheit in die Gegenwart. Sie markiert jene Bereiche, an denen sich die Bedürfnisse und Meinungen einer Gruppe von Veteraninnen und Veteranen treffen, die sich bisher nur umständlich austauschen konnten. Abgeschlossene Gemeinschaften wie die Seeleute eines bestimmten Schiffes fühlen sich ebenso angesprochen wie jene, die anderweitig mit ähnlichen Geräten zu tun hatten. Damit sind solche Internetseiten vor allem Orientierungspunkte im ‚Dschungel‘ der Vietnamerinnerung, die die emotionalen Beziehungen
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zu den Maschinen aufrechterhalten helfen und sogar noch verstärken. Das Chaos der oft unübersichtlichen Kriegssituation hat zu diesem ‚Dschungel‘ der Kriegserfahrung geführt und ist der Grund für die Notwendigkeit solcher ‚Bojen‘ und Orientierungsanker. Solche Großgeräte sind ebenso wie Menschen „GIʼs“, also „government issued“: Sie wurden von der Regierung ‚ausgegeben‘ und ins Kriegsgebiet entsandt und bleiben dennoch dauerhaft in ihrem Besitz. Es ist nicht verwunderlich, dass Einzelwebseiten sich vor allem mit Großgerät beschäftigen. Wenn sich Don Blankenship mit den schnellen Patrouillenbooten beschäftigt oder Jack Faessler das Hospitalschiff beschreibt, auf dem er stationiert war, dann gibt es eine Vielzahl von Informationen zu sammeln oder Personen anzusprechen, die sich ebenfalls mit diesen Artefakten verbunden fühlen.16 Persönliche Waffen, zu denen die Soldatinnen und Soldaten eventuell eine intensive Beziehung aufgebaut haben könnten, finden sich weder auf spezialisierten Seiten, noch spielen sie eine große Rolle in den Einzelerzählungen der Veteraninnen und Veteranen. Nur das Großgerät kann als materialisierter Erinnerungsanker, Fokus von Kontakten und ‚Kamerad‘ gleichzeitig fungieren. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass die kollaborativen Elemente dieser Praktiken immer in die Organisationsmacht einer Einzelperson fallen, die andere an den eigenen Interpretationen der Vergangenheit teilhaben lässt. Das Kriegsgerät wird nicht nur personalisiert, sondern gleichzeitig als ‚Eigentum‘ vereinnahmt. Wie bei den Memorials sind in diesem Fall virtualisierte Artefakte das Werkzeug, um bestehende Gemeinschaften zu stärken und neue Gemeinschaften zu konstruieren. Dieser Umgang mit dem Kriegswerkzeug deckt sich in vielen Punkten mit Praktiken, die von den Soldatinnen und Soldaten anderer Kriege ebenfalls durchgeführt wurden. Die mediale Flexibilität der Internetseiten ist etwas genuin Neues, unterscheidet diese Formen der Darstellungen jedoch nicht radikal von klassischen Methoden. Bemerkenswert ist dagegen, welchen Kriegswerkzeugen sich die Kriegsbeteiligten nicht widmen. Persönliche Waffen und andere Gegenstände, die mit der individuellen Kriegserfahrung verbunden waren, werden nicht auf diese Art und Weise erinnert. Die intensive Darstellung von Artefakten wird nur dann umgesetzt, wenn die eigene Beziehung zum Krieg mit der Kontaktaufnahme mit anderen Kriegsbeteiligten verbunden werden kann. Die Schnellboote, Krankenhausschiffe oder Hubschrauber sind keine rein persönlichen Objekte, sondern wurden mit anderen geteilt. Diese gemeinsame Erfahrung soll im Hier und Jetzt die Basis für Erinnerungsprozesse bilden, an denen andere 16 Don Blankenship: RiverVet, unter: Don Blankenship’s site about River Boats in Vietnam, URL: http://www.rivervet.com/, Stand: 11.08.2010; Jack Faessler: USS Heaven Number Six, unter: USS SANCTUARY (AH-17) – US Navy Hospital Ship, URL: http://seastory.us/sanctuary/index.html, Stand: 11.08.2010.
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Kriegsbeteiligte teilhaben dürfen. Diese Verbindung von fast liebevoll zu nennender Beschreibung von Kriegsgerät mit Sammeltätigkeit und intensiven Kommunikationsprozessen ist das Besondere dieser Praktik. Für manche Soldatinnen und Soldaten sind die Schiffe nicht nur Kriegsgerät und ‚Kameraden‘, sondern gleichzeitig der wichtigste Aufenthaltsort ihrer Dienstzeit. In den Erzählungen wird die Rückerinnerung an den ersten Stationierungsort nicht nur mit der Ankunft in Vietnam verknüpft, sondern mit einer Fülle an oft widersprüchlichen Eindrücken, die bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Zu diesem Zeitpunkt wurden grundlegende Eigenschaften von Front und Etappe ins Gedächtnis der Kriegsbeteiligten eingeschrieben, die in den Erinnerungen ganz unterschiedlich gewichtet werden. Der Veteran John Kethcart, der Teil einer Panzerbesatzung war, verbindet mit seinen ersten Tagen in Vietnam die Arbeit in einer Wäscherei, die Hitze in den Wellblechhütten, verschiedene Details der Wachtürme sowie das monotone Befüllen von Sandsäcken.17 Die Ankunft in der Etappe wird wohl deshalb bei vielen Veteraninnen und Veteranen ähnlich dargestellt, da viele der befestigten Lager immer nach demselben Schema aufgebaut waren. Dies galt ebenfalls für die „fire support bases“, von denen aus Artillerieunterstützung geleistet wurde und die gleichzeitig Ausgangspunkte für Patrouillen waren. An die Lager erinnern sich die Amerikaner mit großer Detailtreue als Mikrokosmos, dessen Campmaskottchen in der Nacherzählung oft mehr Profil gewinnt als mancher Angriff. Sobald die Erzählung von den Lagern in die Kampfsituation übergeht, ändert sich die Perspektive völlig. Dieser Teil der Vietnamerfahrung wird meist im stark depersonalisierten und deemotionalisierten Duktus militärischer Ereignisprotokolle beschrieben. Der Veteran Bob Buick berichtet auf seiner Seite von einem Einsatz, an dem er selbst teilgenommen hat: „11 Platoon advancing East and was fired on by 2 machine guns and rifle fire from the North, from the southern slopes of Nui Dat 2. An estimated VC company quickly attacked from the north. 1000 metres to the East was 5th VC Div HQʼs and another 2 or 3 battalions. About 1000 metres to the South, in an abandoned village of Long Tan, was another battalion, D445 the Provincial Battalion. Most of the 4 battalions were involved in the battle.“18
17 Randy Kethcart: At the Laundromat, unter: A Year on the Jumpin’ Jack, URL: http:// bobcat.ws/jjflash/laundry2.htm, Stand: 03.02.2011. 18 Bob Buick: My Stories, unter: Bob Buick’s Vietnam Page, URL: http://www.bobbuick. com/viet_nam/index.htm, Stand: 03.02.2011.
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Buick verwendet eine lange, nicht abgeteilte Einzelseite seiner Homepage, deren Aufbau den Umgang mit solchen Gefechtsbeschreibungen deutlich zeigt.19 Nach einer kurzen Beschreibung seiner selbst und seiner Ankunft in Vietnam widmet er sich ausführlich und mit Karten und Skizzen verdeutlicht dem Ablauf des Kampfgeschehens. Danach ehrt er „those Aussie and Kiwi gunners that did support D Company at Long Tan“ und die 18 getöteten und 24 verwundeten Australier. Seine Beschreibungen werden nur dann wirklich persönlich, wenn sie sich mit dem Schicksal von Einzelpersonen beschäftigen. Diese werden in großer Detailtreue und mithilfe ähnlicher Bild-Text-Kombinationen wiedergegeben wie die Schlachtbeschreibungen: „Jim Richmond of 11 Platoon was seriously wounded from the initial enemy fire at about 1540 hours on the 18th. This images shows him receiving treatment for his chest wounds on the morning after the battle. Attending Jim, are ‚Jordie‘ Richardson a Bandsman stretcher bearer facing the camera and Bob Buick, Jimʼs Platoon Sergeant. The other wounded and left on the battle field was Barry ‚Custard‘ Meller. Shot through the mouth talking to his sergeant, was hit again in the leg during the withdrawal and was only missed when the was a ‚head count‘ back at the company position. The battlefield was a charnel house with hundreds of dead strewn everywhere. The rubber trees had been shattered from the artillery and streaming ribbons of latex from trunks where bullets and shrapnel had slashed the bark.“20
Nach diesem Ausschnitt, den er sich über eine Fotografie ins Gedächtnis rufen konnte, verfällt Buick wieder in die neutrale Sprache der militärischen Beschreibung. Nachdem er sich kurz zu einem Artilleriegeschütz und zu erbeuteten Waffen geäußert hat, geht sein Bericht wieder in den Lageralltag über. Das Durchstochern von Wassergräben und die großen Fortschritte beim Lagerbau werden wieder in großer Detailtreue wiedergegeben. Die sprachlichen Unterschiede lassen sich nicht immer so deutlich in den Zitaten ablesen wie hier. Der militärische Duktus bestimmt mit seinen Spezialbegriffen und Redewendungen viele Bereiche der Rückerinnerung. Der Wechsel von der persönlichen zur neutralen Ebene des offiziellen Berichts lässt sich vor allem dadurch identifizieren, dass viele Aspekte der Kriegserfahrungen stark abstrahiert werden. Einzelpersonen ‚verschwinden‘ in militärischen Gruppen, das Terrain erschließt sich nur über Koordinatensysteme, Freunde und Feinde schrumpfen zu Akronymen zusammen und Handlungsmotive lassen sich meist kaum oder gar nicht nachvollziehen.
19 Ebd. 20 Ebd.
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Abbildung 26: Bill Buick verwendet die hier dargestellte Verwundung seines Kameraden Jim Richmond, um den Ablauf eines Gefechts zu rekonstruieren und sich an die eigenen Kameraden zu erinnern.
Quelle: Bob Buick: My Stories, unter: Bob Buick’s Vietnam Page, URL: http://www. bobbuick.com/viet_nam/index.htm, Stand: 03.02.2011.
Buick und Kethcart scheinen in ihren Herangehensweisen auf den ersten Blick recht unterschiedlich zu sein. Der Panzerfahrer Kethcart formt seine Erfahrungen in Vietnam zu einer linearen Kriegsbiografie, die von seiner Ankunft und Abreise eingerahmt wird. Buick dagegen geht vor allem auf ein einzelnes Gefecht ein, das für seine Einheit eine wichtige Rolle spielte, da es heftig ausgetragen wurde und von ihm als klarer Sieg gedeutet wird. Bei beiden ist das Leben im Lager jedoch der Teil ihrer Vietnamerfahrung, der intensiv erinnert und ausführlich dargestellt werden muss. Für sich genommen ist dies keine Besonderheit, da Erinnern ein Prozess ist, der nicht auf eine Gesamtdarstellung vergangener Ereignisse abzielen muss. Ein Wunsch, den fast alle Autorinnen und Autoren gemeinsam haben, ist aber die Etablierung eines Anspruchs auf Stolz und patriotisch-nationale Anerkennung ihrer Dienstzeit. Die eigentlichen Kriegshandlungen und Heldentaten aufzubereiten und möglichst plastisch darzustellen, scheint dafür aber nicht notwendig zu sein. Der Aufenthalt im Kampfgebiet oder der Feindkontakt ist keine Voraussetzung dafür, den eigenen Veteranenstatus positiv aufwerten zu können. Die Alltagsbeschreibungen haben für die Autorinnen und Autoren einen intrinsischen Wert, der über den anderer Aspekte des Kriegs weit hinausgeht. Sie ermöglichen es, die Kameradinnen und Kameraden zu erwähnen und als integralen Bestandteil der eigenen Identität als Kriegsbeteiligter zu instrumentalisieren. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Autorinnen und Autoren wird auf diese Weise im Damals ebenso gestärkt wie im Jetzt. Zwischen Kampfsituation und Lagerleben existiert die tägliche Auseinandersetzung mit den Strapazen des Kriegsdienstes. Viele nichtvirtuelle Rückerinnerungen beschreiben diese Strapazen ausführlich und in großer Detailtreue. Eintöniges Essen, Wasserknappheit, endlose Regenzeiten und Fußfäule setzten den
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Soldatinnen und Soldaten zu und waren tägliche Begleiter auf ihrem Weg durch Vietnam.21 Dazu kam das scheinbar endlose Marschieren in großer Hitze und mit schwerem Gepäck, das der Veteran Tim OʼBrien im Titel seines Romans The Things They Carried verewigt hat.22 Der Vietnamkrieg kannte sehr unterschiedliche Schlachtfelder und Terrains, auf denen Kämpfe ausgetragen wurden und von denen der Dschungel nur eines war. Die Internetseiten thematisieren von allen Strapazen aber fast ausschließlich das „humpin’ the boonies“, das monotone Laufen mit schwerem Gepäck in unzugänglicher Wildnis. Der Veteran Gary Jacobson verbindet auf seiner Seite Vietnam War Picture Tour and Poetry geschickt Erzähltexte, Bilder und Gedichte, um so eine fast archetypische Version dieser Anstrengung zu schaffen:23 „Humping The Boonies, by Gary Jacobson Vietnam Huey’s to war go spewing Carrying boys for the boonies to go humping Moving over rock and rill Set to kill Or be killed On this ‚search and destroy‘ mission To pound North Vietnam into submission Vietcong into remission Who knows the reason why In this fetid war gone horribly awry In this field of wrong I do not belong You say Every day While taking a Sunday stroll in ‚the park‘. Stopping only when the jungle gets dark. Pausing only for a hot firefight To make you pray for that blessed night. But nobody listens As the sweat down your neck glistens... 21
22 23
Vgl. z.B. Mark Baker (Hg.): NAM: The Vietnam War in the Words of the Men and Women Who Fought There, Cooper Square Press: New York, NY 2001, S. 84; Philip Caputo: A Rumor of War, Pimlico: London 1999, S. 65; Donald Duncan: The New Legions, Gollancz: London 1967, S. 19. Tim O’Brien: The Things They Carried, Broadway: New York, NY 1998. Gary Jacobson: Humpin’, unter: Vietnam War Picture Tour and Poetry, URL: http://pzzzz.tripod.com/humping.html, Stand: 21.02.2013.
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Permeated fears in your soul reek... For thereʼs a time to act meek... Thereʼs a time to be mild... But this isnʼt it, not in the jungle wild.“24
Im Lauf des Gedichts erscheinen alle Bestandteile, die ein archetypisches „humpin’ the boonies“ benötigt: Laufen über Steine und andere Hindernisse, Schwitzen, die Sehnsucht nach dem nächsten Lagerplatz, Angst vor Angriffen des Viet Cong, Gegner im hohen Elefantengras, Wildtiere wie Tiger und dazu fast unsichtbare Gefahren wie Skorpione, Spinnen und Schlangen. Selbst wenn der Soldat überlebt, kann er sich nur darauf freuen, dass der Marsch endlos weitergeht: „Because life does go on, and on and on and on, and on“. Der Alltag ist „a Sunday stroll in the ‚park‘“, ein Spaziergang im Park, wie die hochgefährlichen Einsätze im Kampfgebiet sarkastisch genannt wurden. Was den Kriegsbeteiligten am Ende des Marsches erwartet, ist der „thousand yard stare“, der vom Trauma starr gewordene Blick, dem er selbst nach dem Krieg nicht entkommen kann: „Singing the song of napalm Playing endlessly in your mind your whole life long... Forever at the meat of your soul eating, Forevermore in Vietnam humping. Forevermore constantly searching. Still horrors reliving.“
Was der Autor mit diesem Gedicht und seinen anderen Darstellungen erreichen will, sagt er ganz offen: „Through pictures and poetry, take a walk in ‚the park‘ with the 1st Air Cavalry on combat patrol. Experience the chilling reality that will give you the taste of ‚the Nam‘ on your tongue, leave the pungent smell of ‚the Nam‘ in your nostrils, and imbed textures of ‚the Nam‘ in your brain as though you were walking beside me in combat.“25
Die Zuspitzung auf die Strapazen des Kriegs soll den Besucherinnen und Besuchern die Härte zeigen, mit denen sich die Kriegsbeteiligten vor Ort auseinandersetzen mussten. In den (nach eigenen Angaben) 256 Seiten mit Gedichten möchte Jacobson die Leserinnen und Leser so nah wie möglich an diese Erfahrung des Vietnamkriegs heranführen. Wer sich seine Seite genauer betrachtet, 24 25
Ebd. Ebd.
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dem wird schnell auffallen, dass viele Bilder nur illustrativen Charakter haben oder zu den beschriebenen Inhalten nur oberflächlich passen. Die Anstrengungen des Marsches werden durch das Bild einer Gruppe von Soldaten illustriert, die um einen Helikopter herum posieren. Da im Gedicht ein Tiger erwähnt wurde, muss von diesem ebenfalls ein Bild gezeigt werden. In diesem Fall beugt sich ein vietnamesischer Soldat über das erlegte Tier. Dennoch behauptet oder hofft Jacobson zumindest, dass diese Form der Darstellung seiner Kriegserlebnisse über das hinausgeht, was andere Berichte aus Extremsituationen leisten können. Der Betrachter soll Vietnam hören, fühlen und schmecken und so die Barriere überwinden, die den Kriegsbeteiligten von jenen trennt, die nicht dieselben Erfahrungen machen mussten. Selbst wenn das Internet diese Hoffnung nicht erfüllen kann, ist ihre Formulierung doch ein deutlicher Hinweis darauf, welchen Zielen sich die Autorinnen und Autoren hier annähern wollen. Jacobsons Gesamtkunstwerk aus Gedicht und Bildern ist als archetypische Darstellung der Vietnamerfahrung konzipiert. Die Strapazen, die alle Veteraninnen und Veteranen in Vietnam erlebt haben können, werden dadurch so intensiv wie möglich zum Ausdruck gebracht. So entsteht ein Erzählkonglomerat aus Strapazen in Vietnam, das zu einem ‚Leidenspaket‘ geschnürt wird, dem man deutlich anmerkt, wie verführerisch die Verwendung fremder Details für die Autorinnen und Autoren im Netz oft ist. Interessanterweise sind solche Belastungen von den Strapazen im Kampfgeschehen nicht nur strikt getrennt, im Erzählen von Gefechten tauchen körperliche Anstrengungen kaum auf. Die Belastungen des eigenen Einsatzes müssen für die Aufwertung der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Erlebnisse scheinbar nicht länger herangezogen werden. Betrachtet man allein die Inhalte dieses Umgangs mit den Strapazen des Kriegsgeschehens, unterscheiden sich viele davon nur gering von Erzählungen aus anderen Kriegen oder von den Berichten, die Schröder festgehalten hat. Das Besondere liegt wieder darin verortet, wie flexibel diese Narrative entworfen und von ungewünschten Inhalten ‚gereinigt‘ werden und wie geschickt dabei Bild und Text zu einer Einheit zusammengefügt werden. Der schnelle Übergang zwischen Erzählstilen sorgt dafür, dass die Autorin oder der Autor auf der Seite nicht nur als persönlich betroffener Kriegsbeteiligter auftreten kann, sondern je nach Notwendigkeit in die Rolle des scheinbar objektiv argumentierenden Experten schlüpft. Dieser schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Sprecherrollen ist eine Besonderheit, die sich gerade bezogen auf diesen Aspekt des Kriegsalltags auf den Seiten häufiger finden lässt. Solche Beschreibungen basieren auf den alltäglichen Verrichtungen, die eine Veteranin oder ein Veteran als Teil ihres Kriegsalltags im Gedächtnis behalten
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haben. Dazu gehören Kampfhandlungen ebenso wie die Banalitäten des Vorbereitens, Wartens und Übens. Diesem Alltag für kurze Zeit entfliehen zu können, stellte für die Kriegsbeteiligten einen starken Bruch dar, der in den Erinnerungen eigentlich deutliche Spuren hinterlassen haben müsste. Dieser „rest and recuperation“ (R&R) genannte Kurzurlaub von der Front war eine herbeigesehnte Erholungspause. Viele nichtvirtuelle Quellen bedienen sich dieser Übergänge, um zu zeigen, wie schnell sich die Kontexte im Vietnamkrieg verändern konnten und wie nahe sich „World“ und ʼNam manchmal standen. Philip Caputo erinnert sich: „I had two nights of solid sleep, a bath, an excellent dinner, and felt normal – I mean, I did not feel afraid. I had been released from that cramped land of death, the front, that land of suffering peasants, worn soldiers, mud, rain and fear.“26 Der Vietnamkrieg war der erste Konflikt, in dem Hubschrauber die Truppen schnell von der Front ins Hinterland bringen konnten. Die neue Flexibilität im Transport der Truppen hatte viele Vorteile, rief für die Kriegsbeteiligten jedoch ebenfalls Nachteile hervor. Die Zeit zwischen Einsätzen schrumpfte spürbar zusammen, was dazu führte, dass immer weniger Ruhepausen vor dem nächsten Ausrücken zur Verfügung standen. Diese Dauerbelastung sollte durch den Einsatz der neuen Transportmöglichkeiten sowie gut organisierter Kurzurlaube wieder ausgeglichen werden. Saigon, Hongkong und verschiedene Städte in Australien wurden von offizieller Seite als Ziele angeboten. Durch die Kürze und das Bedürfnis, möglichst viel in der kurzen Zeit zu erleben, ähnelten sie eher dem Landurlaub von Seeleuten als einem echten Urlaub vom Kriegsgeschehen. Die meisten Beschreibungen auf den Internetseiten ähneln jedoch der des Soldaten Ray Smith: „This was a most relaxing and refreshing seven days. We returned to Nam and went directly back into the field to rejoin the platoon, which was still on Highway 19 in the Highlands. The weather in Nam was still good. While we were in Honolulu, Charles had been busy ambushing convoys and conducting harassing attacks on strongpoints. No one in our platoon was injured in any of these engagements and we picked up right where we had left off.“27
Die Kurzurlaube werden zu neutralen Anekdoten des Soldatendaseins verkürzt, denen man deutlich anmerkt, dass sie für die eigentlichen Erzählziele der Autorinnen und Autoren keine Rolle spielen. Anders als in vielen nichtvirtuellen Bio-
26 27
Philip Caputo: A Rumor of War, Pimlico: London 1999, S. 247. Ray Smith: My Tour of Duty, unter: Ray’s Web Server, URL: http://www.rjsmith. com/, Stand: 21.02.2013.
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grafien haben sie als ‚natürliche‘ Einteilung der eigenen Erzählung keine Bedeutung mehr. Der offensichtlichste Grund dafür ist die Fragmentarisierung der Vietnamerinnerung auf vielen Seiten, die sich oft kaum darum bemühen, ihre Gesamterinnerungen zu ordnen. Viel wichtiger ist jedoch, wie stark sich hier die Zweckgebundenheit der Erzählungen manifestiert. Da viele Konventionen von Genres wie Biografie oder Roman hier außer Kraft gesetzt sind, ist es nicht mehr notwendig, solche Inhalte zwangsweise in Narrative einzupassen. R&R-Urlaube können als Anekdoten erwähnt werden, tragen jedoch kaum etwas zu jenen Identitätskonstruktionen bei, die sich auf vielen Seiten abzeichnen. Die ersten vier der hier genannten Erzählinhalte der Kriegserzählung auf den Internetseiten beschäftigen sich mit intensiven sinnlich-emotionalen Erfahrungen, die von den Autorinnen und Autoren wiedergegeben werden. Das Kriegsgerät als Kamerad, die intensive Erfahrung der Ankunft in Vietnam, die ständigen Strapazen und die viel zu kurzen Erholungsurlaube sind alles Beispiele für Bereiche der Kriegserfahrung, die im Blick zurück eine bedeutende Rolle spielen sollten. Aus den unterschiedlichen Behandlungen, die ihnen tatsächlich zuteil werden, lassen sich verschiedene Schlussfolgerungen ziehen. Das Großgerät ist vor allem deshalb weiterhin ein wichtiges Thema, da es als individueller Erinnerungsanker ebenso dienen kann wie als Sammelpunkt einer größeren Gemeinschaft unter der Kontrolle eines einzelnen Seitenbesitzers. Der Umgang mit den intensiven Eindrücken in Vietnam hat sich dagegen dahin gehend entwickelt, dass eine Reihe von Topoi neben einer stark selektierten Auswahl von Ereignissen existiert, die je nach Bedarf in radikal unterschiedlichen Erzählpraktiken umgesetzt werden. Während das Lagerleben zum Zentrum der soldatischen Existenz zu werden scheint, sind Kämpfe nur dann von Bedeutung, wenn sie durch das Schicksal von Freunden oder Bekannten ein individuelles Gesicht erlangen. Das Gegensatzpaar von Strapazen und Kurzurlauben ist ebenfalls auf dem besten Wege, dieses Schicksal zu teilen. Die Strapazen und die sich aus den Beschreibungen nach und nach entwickelnden Topoi ‚der‘ Vietnamerfahrung betonen die Wertigkeit der eigenen Opfer in Vietnam, während die Kurzurlaube im besten Falle touristische Erinnerungen oder unterhaltsame Anekdoten sind. Diese vier Beispiele deuten bereits einige Phänomene an, die den Umgang mit der Kriegserfahrung im Netz zu prägen scheinen.
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ʼNAM: Kriegserfahrung II Dass der Kampf mit dem Gegner das zentrale Merkmal jeder kriegerischen Auseinandersetzung ist, lässt sich aus den Seiten des Quellenkorpus nicht ohne weiteres ableiten. Die Art und Weise, wie mit unterschiedlichen Aspekten der direkten oder indirekten Kampferfahrung umgegangen wird, kann in mehrere unterschiedliche Bereiche eingeteilt werden. Dazu zählen neben der Kampfsituation und ihrer Beschreibung der Umgang mit der Verwundung, die von der Erzählerin oder dem Erzähler ebenso erlitten werden konnte wie von Freund oder Feind. Damit in Verbindung stehen die negativen emotionalen Aspekte des Kriegserlebnisses und der Umgang mit Ängsten, wie er im Rückblick auf den Seiten beschrieben wird. Die Reaktionen, die das Kampfgeschehen bei den Kriegsbeteiligten hervorgerufen hat, sind jedoch nicht automatisch negativ. Neben Ängsten berichten die Autorinnen und Autoren von einer starken Faszination, die der technisierte Krieg auf sie ausgeübt hat. Destruktiven Handlungen konnte, vor allem wenn man selbst nicht direkt von ihnen betroffen war, eine intensive Schönheit innewohnen. Der Umgang mit Gräueltaten, die eigene oder fremde Truppen (oder der Kriegsbeteiligte selbst) ausgeführt oder erlitten haben, ist vor allem deshalb interessant, da die Erwähnung solcher Erlebnisse nicht selbstverständlich ist. Wie bereits im Verhältnis zwischen Front und Etappe angedeutet wurde, verliert das Sprechen über den Vietnamkrieg sofort stark an Intensität und Detailgenauigkeit, wenn es sich der eigentlichen Kampfsituation nähert. Der Veteran Timothy Duffie beschreibt den Vietnamkrieg in seinen Erinnerungen als Dualität zweier verwandter Konflikte: „The War in Vietnam was actually two wars. One was taking place against the battalions of the Peoples Army of Vietnam. The other was in the villages. It was being fought against hardcore and local guerrillas. The lines were clearly drawn, but only the people of the villages could define those lines. They were the key to our efforts in Vietnam.“28
Der Ex-Soldat war ein Mitglied des CAP-Projekts, in dessen Rahmen sogenannte „combined action platoons“ gebildet und in Dörfern stationiert wurden.29 Sie sollten eng mit südvietnamesischen Truppen zusammenarbeiten und gleichzeitig
28 29
Timothy A. Duffie: I Keep it In My Heart and Wait for You, unter: CAPMarine, URL: http://www.capmarine.com/capvet/heart.pdf, Stand: 09.02.2011. Vgl. Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 74.
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einen guten Kontakt zur Zivilbevölkerung pflegen. Das Konzept wurde in Vietnam aber nur in kleinem Maßstab durchgeführt, da die Verluste hoch und das Vertrauen in die technische Überlegenheit der regulären Truppen groß waren. Duffies Zweiteilung separiert den Kleinkrieg gegen Guerillas von den in größerem Maßstab ausgeführten Aktionen gegen die nordvietnamesische Armee. Viele Seiten gründen ihre Darstellung des Kampfgeschehens auf unterschiedliche Blickwinkel, die sich an dieser Zweiteilung orientieren. Auf der einen Seite sind Kampfsituationen als relativ technische Beschreibungen von Manövern und Großeinsätzen präsent, die sich in Details verlieren, ohne für die Besucherinnen und Besucher individuelle Einzelerfahrungen sichtbar zu machen. Das direkte Gegenteil ist die extrem kleinteilige und persönliche Darstellung von Einzelerlebnissen, bei der das Kriegsgeschehen in Fragmente zersplittert, die sich kaum in übergeordneten Kontexten verorten lassen. Ein typisches Beispiel für diese beiden Formen ist die Seite des Veteranen Dennis Mansker, der sich an einer Stelle an einen Kampf um sein Lager in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1969 erinnert. Kleine Anekdoten und Randständigkeiten haben oft einen großen Stellenwert in solchen Erzählungen: „Well, there I was, happily tripping down to the pool in my white pants, tennis shoes, and bright orange shirt, and this lifer comes up out of nowhere and says, ‚Hey, where do you think youʼre going dressed like that?‘ I said to the pool, and he drew himself up to his most self-righteous height of 5ʼ5” and said ‚Now you know better than that! This is Tet, man! No one is supposed to be wearing civilian clothes!!!‘“30
Was ihm von einer der schlimmsten Offensiven gegen seine Stellung in Erinnerung geblieben ist, ist die Zurechtweisung aufgrund unangemessener Kleidung im Kriegsgebiet. Der Umgang mit dem „lifer“, einem Berufsoffizier, stellt eine der seltenen Erwähnungen eines Vorgesetzten dar. Für Mansker ist dieses Kriegsereignis nur deshalb erinnerungswürdig, da er sich über Vorschriften hinweggesetzt hat und den Vorwürfen angeblich keine große Bedeutung zumaß. Die zweite Anekdote betrifft einen Kameraden, der während des Angriffs betrunken im Bett lag und sich durch ihn nicht wecken ließ. Die Kampfhandlung schließt sich direkt daran an: „Just as I was coming back across the sidewalk that separated the two rows of hooches [Slang für Unterkünfte und einfache Hütten] there came a terribly loud growling noise accompanied by the buzz of shooting out of the sky right above my head and I knew in a 30 Dennis Mansker: The Post-Tet Offensive Feb 1969, unter: Chairborneranger, URL: http://www.chairborneranger.com/storyattack.htm, Stand: 09.02.2011.
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split second that my time had come and I was being shot. Time seemed to expand suddenly, the way it does at times like that, and I was conscious of several things within the space of no more than two seconds: one was that a cobra gunship was right over my head firing, two was that hot things were hitting me on the head and back and all around my feet, metal things that I first thought were bullets, which was why I thought we were being fired upon, and three was that someone (possibly Bien Hoa Arty?) had given a cobra gunship the wrong map coordinates and he was strafing our company.“
Die Beschreibung des Lagerlebens geht bei Mansker direkt in die des Kampfgeschehens über und das beschossen werden hat einen ähnlichen Stellenwert wie der Umstand, dass der Autor anschließend seine Kamera aus dem Zelt holte, um die Kämpfe zu fotografieren und die Konfusion im eigenen Lager festzuhalten. Das direkte Erleben von Kampfsituationen hat sich auf den Internetseiten in eine collagenartige Struktur eingefügt, die für die Besucherin oder den Besucher und vielleicht für den Autor selbst, etwas Surreales hat. Selbst als der Gegner an einigen Stellen ins Lager durchbricht, scheint der Ex-Soldat nur Teil einer ‚Kampfchoreografie‘ zu sein, die sich zu einer Ansammlung unterschiedlicher Topoi verdichtet hat. In beiden Beispielen weist sich Mansker zwei Rollen zu. Auf der einen Seite tritt er als ruhiger, abgeklärter Soldat auf, der das Kampfgeschehen souverän durchlebt. Auf der anderen Seite erscheint er als passiver Beobachter, der mit den Ereignissen scheinbar ähnlich reflektiert umgehen kann, wie es die Besucherin oder der Besucher seiner Seite tut. Obwohl er in persönlicher Gefahr war, ähnelt seine Beschreibung einem virtuell-erzählerisch konstruierten Tableau, in dem scheinbare Nichtigkeiten ebenso Erwähnung finden wie manche Aspekte der eigentlichen Kampfhandlung. Diese bleibt dadurch relativ abstrakt und unzugänglich. Die zweite Möglichkeit, sich mit Kampfsituationen zu beschäftigen, ist der ‚Rückzug‘ auf die strategische Makroebene. Der Soldat John D. Denison berichtet auf seiner Seite von einem Feuergefecht, das am 02. Juni 1969 stattfand.31 Wie bei Mansker klammern persönliche Anekdoten die Kampferzählung an Anfang und Ende ein. Die eigentliche Beschreibung des Gefechts erinnert an unpersönliche Berichte, wie sie nach jedem Einsatz für die Akten angefertigt werden mussten: „In the late morning of June 1, 1969 Alpha Company discovered an abandoned enemy position, which consisted of 2 hoochʼs, 1 lean to, 2 bunkers (4’ in length 8’ wide and 4’
31 John D. Denison: Experiences of a Vietnam Combat Medic with the 1st Cavalry Division (Airmobile), unter: 1st Cav Medic (Airmobile), URL: http://www.1stcavmedic. com/, Stand: 21.02.2013.
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deep with a 2’ overhead), and a 15’ sampan on a rack. The rack appeared to have been used for repairing sampans. Alpha Company continued their search after destroying the enemy fortification and materials.“32
Denison wechselt nur dann in eine persönlichere Sichtweise, als er beschreiben muss, wie ein Freund im Kampf fällt. Dennoch ist er selbst immer ein abstrahiertes Element, ein Teil der Kompanie. Die Kompanien sind die eigentlichen Protagonisten, deren Handeln beschrieben werden muss: „After securing the bunkers, Bravo Company discovered that the river had risen during the night. The crossing was still going to be attempted with all packs being left behind, except for those packs belonging to the medics and RTOs. Air mattresses were to be used as PFDʼs (Personal Flotation Devices) and a guide rope was to be secured on the opposite island.“33
Diese Beschreibungen erwecken den Eindruck, nur eine ‚Bühne‘ für die wenigen Aspekte des Kriegsgeschehens zu bilden, die für Denison auf der persönlichen Ebene wirklich von Bedeutung sind. Ganz im Gegenteil sind solche Beschreibungen ein zentraler Bestandteil der militärischen Identität der Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten. Auf diese Weise lassen sich die eigenen Kompetenzen im Umgang mit Spezialausdrücken und einem bestimmten Duktus nach außen kommunizieren. Sie zeigen jedoch sehr gut, wie schnell die Kriegsbeteiligten auf den Seiten zwischen unterschiedlichen Darstellungsebenen wechseln können. Der Autor beendet seine Erzählung mit einer langen, intensiv recherchierten Gefallenenliste und fügt Hyperlinks zu ergänzenden Informationen bei. Solche abstrahierten, strategischen Nacherzählungen lassen die Person fast ganz in der Kampfeinheit verschwinden, die (teilweise anthropomorphisiert) auf der Makroebene ‚handelt‘. Die Leserschaft bleibt in beiden Fällen mit dem Gefühl zurück, dass die Kampferfahrung nur in Ausnahmefällen zu persönlicher Betroffenheit oder emotionalen Reaktionen führte oder dass der Autor nicht mehr willens oder in der Lage ist, diese auszudrücken. Trotz vieler Daten, Ablaufbeschreibungen, Karten und Bilder sowie nachträglich zusammengesuchter Berichte sind solche Beschreibungen im Gesamtkontext des Kriegsgeschehens in Vietnam nur schwer einzuordnen. Dort kämpfte die Infanterie an ständig wechselnden Orten und meist ohne klare Front. Truppenangehörige wurden durch Hubschrauber ins Kampfgebiet gebracht und ebenso
32 John D. Denison: Firefight along the Dong Nai River, unter: 1st Cav Medic (Airmobile), URL: http://www.1stcavmedic.com/june_2.html, Stand: 21.02.2013. 33 Ebd.
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schnell aus diesem entfernt. Der Sanitäter Denison sah in seiner Geschichte ständig Nachschub herankommen und Verletzte verschwinden. Seine Kampferfahrung aus der Perspektive des Infanteristen ist chaotisch und verwirrend und das akribische Nachzeichnen der Bewegungen und Aktivitäten seiner Einheit ändern daran nichts. Kritische Lebensereignisse sind in den Erzählungen kaum an die Kampfsituation gebunden, sondern manifestieren sich höchstens in Personen. Für Denison war das einschneidendste Ereignis des Gefechts, in dem er oft ständig unter Feuer lag, der Moment, in dem er vom Tod eines Kameraden erfuhr. Die emotionale Tragweite solcher Erfahrungen wird von den Autorinnen und Autoren aber nicht in der Nacherzählung ausgedrückt. Viel häufiger thematisieren sie diese durch die Beschreibung eines Besuchs am „Vietnam Veterans Memorial“. Nacherzählungen von Manövern und Feuergefechten erzeugen meist den Eindruck, nur Teile einer größeren Wahrheit erfahren zu haben, die für die Erzähler nur noch eine untergeordnete Bedeutung hat. Kaum ein Thema wird auf den Seiten in so komplexer Weise zugleich erzählt und totgeschwiegen wie die Verwundung an Geist und Körper. Das Sprechen über eigene oder fremde Wunden ist knapp und kaum in den unterschiedlichen Orts- und Situationssystemen des Kriegs verankert. Der Veteran Mike, der seinen Nachnamen wie viele andere Autorinnen und Autoren verschweigt, hat seine „tour of duty“ in Vietnam als Folge von grob chronologisch geordneten und kurz kommentierten Bildern organisiert. Mikes Seite zeigt zwei Nahaufnahmen eines Helikopters, in den verwundete Soldaten getragen werden. Ein solcher „dustoff“, also der Abtransport mittels Helikopter, ist ein Teil des Kriegsalltags, der nicht kommentiert werden muss. Der Zustand von Soldatinnen und Soldaten ist im Quellenkorpus zu einer digitalen Angelegenheit geworden. Eine Person ist entweder gesund, verwundet oder tot. Daneben existiert mit POW/MIA noch ein vierter Status, der vor allem durch Unbestimmtheit gekennzeichnet ist. Die Verwundung wird zum Transferereignis, die den Kriegsbeteiligten vom Schlachtfeld in den Helikopter und von dort ins Hospital bringt. Der Umgang mit Details körperlicher Verwundung, wie er sich in manchen Oral History-Sammlungen findet, spielt keine Rolle.34 Die körperliche Wunde ist meist nur in der Erwähnung einer Purple Heart-Medaille anzutreffen, die für Verwundung oder Tod im Kriegsgebiet verliehen wird. Der Umgang mit der Verwundung ist ebenso digital wie der Umgang mit der Medaille und frei von weiteren Informationen. Auf Mikes Vietnamseite lässt sich dies an den verwendeten Bildunterschriften erkennen. Eine Serie von Fotos ist folgendermaßen benannt: „The jungle.
34 Mark Baker (Hg.): NAM: The Vietnam War in the Words of the Men and Women Who Fought There, Cooper Square Press: New York, NY 2001, S. 39.
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Mine damage. An enemy position. Taking out the wounded. Blackhorse basecamp motor pool. ‚Blackhorse‘ basecamp perimeter. In tower – ‚Blackhorse‘ perimeter“.35 Die Bilder beschreiben den Kriegsalltag, an den sich der Veteran zurückerinnert. Verwundung ist darin kein Prozess oder Ereignis, sondern ein Zustand, der in den sofortigen Abtransport vom Schlachtfeld mündet. Nur wer selbst schwer verwundet wurde und dauerhaft geschädigt ist, geht in manchen Fällen auf die Umstände der eigenen Versehrtheit ein. Mit den psychischen und seelischen Wunden des Kriegs wie „post traumatic stress disorder“ (PTSD) oder „post traumatic stress syndrome“ (PTSS) beschäftigen sich die Autorinnen und Autoren intensiver. Wie fast alle Folgeerkrankungen werden diese von den männlichen Ex-Soldaten für sich in Anspruch genommen, es gibt jedoch einige wenige Frauen, die ebenfalls über ihren Umgang mit solchen Erkrankungen sprechen: „You donʼt expect old stuff to reassert itself again when youʼre my age, 53. It hits you out of the clear blue. But then, why not? ‚PTSD is a normal reaction to an abnormal situation‘, Colvin says. ‚I have come to realize that PTSD is not a weakness, but a wounded spirit. Each time I tell about what we went through, it helps to heal a little bit more. If someone listens with a listening heart.‘“36
Die Verwundung des Geistes oder der Seele ist für die Autorinnen und Autoren ein zentrales Thema. Das Konzept der „walking wounded“ beschreibt den Unterschied zur körperlichen Verwundung besonders deutlich. Der Verletzte kann sich vom Kampfgeschehen entfernen, die Endstation dieser Existenz ist aber nicht das Krankenhaus. Die über alle Kriege hinaus als Gemeinschaft konzipierte „Brotherhood of the Walking Wounded“ ist wie fast alle Organisationen jenseits des Internets für die Autorinnen und Autoren nur eine Inspiration für die eigenen Handlungen. In diesem Fall ist sie der Namensgeber für die Idee, dass die nicht körperlich sichtbaren Nachwirkungen des Kriegs in ihren Auswirkungen den physischen Wunden gleichgesetzt werden müssen.37 Anders als die körperliche Verwundung ist die psychische Pein analog. Sie heilt wie von der Krankenschwester Martha Moony Colvin oben beschrieben in kleinen Schritten, ohne dass der Betroffene sich davon dauerhaft befreien könnte. PTSD ist ein dauerhaftes Problem der konkreten Gegenwart, das für die Autorinnen und Autoren 35 „Mike“: Nam 2, unter: Mike’s Vietnam Tour, URL: http://www.h-66.netfirms.com/ id3.htm, Stand: 06.08.2010, Offline seit: 21.02.2013. 36 Martha Mooney Colvin: All About Women in Vietnam, unter: Illyria, URL: http:// www.illyria.com/vnwomen.html, Stand: 11.02.2011. 37 Autor unbekannt: IBOWW Homepage, unter: International Brotherhood of Walking Wounded, URL: http://iboww.org/, Stand: 02.08.2010, Offline seit: 19.02.2013.
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bis heute eine große Aktualität besitzt. Dies liegt unter anderem daran, dass die klinische Anerkennung des Problems erst 1980 begann und die Definition und Therapie solcher Erkrankungen eine lange Kette von Revisionen durchlaufen hat. Diese psychischen Belastungen zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen, ist kaum möglich. Die große Bedeutung seelischer Verwundung auf den Seiten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ursachen dafür nicht näher definiert werden müssen. Für die Betroffenen ist es der Krieg selbst oder dessen Kriegslandschaft, aus denen solche Probleme entspringen. Einzelereignisse wie Gefechte, Schlachten oder Anschläge hinterlassen körperlichen Wunden, die geistigen und seelischen jedoch speisen sich scheinbar aus der Kriegserfahrung insgesamt. Für die Besucherinnen und Besucher bedeutet dies, dass die Kausalitäten für aktuelle Leiden sich kaum schlüssig in der Vergangenheit verorten lassen. Beide Formen der Verwundung bleiben in spezifischen Aspekten im Quellenkorpus äußerst vage und zeigen deutlich, welche Inhalte von den Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzern ausgespart werden. Der hoch technisierte, auf US-amerikanischer Seite mit großem materiellen Einsatz ausgefochtene Krieg schuf für die Soldatinnen und Soldaten immer wieder Situationen, in denen das Kriegsgeschehen viel stärker faszinierte als abschreckte. Wenn die Kriegsbeteiligten selbst nicht in direkter Todesgefahr waren, dann konnte der Technowar in Vietnam unvergessliche Bilder hervorbringen, die sich in den Nacherzählungen wiederfinden lassen.38 „Puff the Magic Dragon“, oft als „Spooky“ bezeichnet, hat viele solcher Szenen entstehen lassen. Das umgebaute AC-47 Transportflugzeug wurde, mit Granatwerfern und Schnellfeuergeschützen ausgerüstet, für die direkte Feuerunterstützung bei Infanteriegefechten eingesetzt. Puff flog in geringer Höhe relativ langsam über das Kampfgebiet und war deshalb leicht für die amerikanischen Truppen zu beobachten. Vor allem in der Nacht boten die unzähligen Leuchtspurgeschosse ein Schauspiel, an das sich viele zurückerinnern: „Does anyone remember the extensive helicopter assault activity just off our perimeter and the F4 activity, all at the rear of the compound behind Long Lines? It went on for days and I think it was in February. We also used to sit out at night and watch Puff circle the area out past Phu Lam. One night a burst of fire came from the ground up toward Puff and Puff returned fire. That was a dumb move by the Cong. I also remember several helicopter
38 James William Gibson: The Perfect War. Technowar in Vietnam, Atlantic Monthly Press: New York, NY 2000.
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assaults across the road from Phu Lam toward the edge of Phu Lam. The helicopters just kept coming in firing from their pods.“39
Solche Situationen, die den Kriegsbeteiligten im Gedächtnis geblieben sind und in ihren ästhetischen Einzelheiten heute von ihnen wiedergegeben werden, waren immer direkt mit ihrem Schicksal im Kriegsgeschehen verbunden. Ein Foto auf der Seite des Veteranen Floyd Richards zeigt Spooky im Einsatz und der Untertitel „fire support“ deutet an, dass dieses Bild deshalb so beliebt war, da diese Unterstützung im Gefechtsfall viele Leben retten konnte.40 Die Faszination der oft surreal wirkenden Schönheit des Kriegsgeschehens wurde von den Autorinnen und Autoren aber entweder nur in geringem Ausmaß wahrgenommen, oder sie spielt in ihrer Rückerinnerung kaum mehr eine Rolle. Sie suchen vor allem abseits des Kampfgeschehens nach Dingen, die sie überrascht, fasziniert und auf Dauer geprägt haben, um sie dann auf ihren Seiten darzustellen. Die Auswahl, die sie dabei treffen, erschließt sich der Beobachterin oder dem Beobachter meist nur schwer. Gleiches gilt für die Schrecken des Kriegs, wie sie die Autorinnen und Autoren selbst erlebt haben. Persönliche Bedrohung, Verwundung und Todesgefahr sind Randfiguren in einem Kriegsalltag, der sich auf die täglichen Verrichtungen des Soldatenlebens zu konzentrieren scheint. Der Krieg hat für die Autorinnen und Autoren seinen Schrecken verloren. Wenn sich diese manifestieren, dann in ihren Nachwirkungen. Wie im Abschnitt über körperliche und seelische Verwundung bereits beschrieben sind negative Kriegsfolgen von klar erkennbaren Ursachen abgekoppelt und die Schrecken des Kriegs sind für die Besucherinnen und Besucher kaum nachvollziehbar. Die Auseinandersetzung der Autorinnen und Autoren mit Gräueltaten während des Kriegs, die ihnen, ihren Verbündeten oder dem Feind vorgeworfen werden, ist für diese ein wunder Punkt. Bis heute vermuten die meisten in jedem Diskurs darüber einen versteckten Vorwurf gegen die Vietnamveteranen als Ganzes und machen für diesen Umstand vor allem die Medien verantwortlich:
39 Paul R. Smith: Stories from 1967 Phu Lamers, unter: Phu Lam Signal Facility, URL: http://phulam.com/1967.htm#TOP, Stand: 10.02.2011. 40 Floyd Richards: Fire Support, unter: Floyd’s Homepage, URL: http://home.att.net/~ piodet46th/pages.htm#top, Stand: 18.11.2010, Offline seit: 07.02.2011.
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„The new generation of war movies attest the atrocity, the degradation of Vietnam; they stress the ignoble acts of unwilling and confused psychotics in real proportion to the sacrifices and uncommon bravery of men who fought well and with honor on battlefields stained with the blood of dishonor and purposelessness.“41
Diese Vorwürfe stehen für die Kriegsbeteiligten fest und müssen nicht dargestellt, nachgewiesen oder verteidigt werden. Die „new generation of war movies“, auf die sie sich beziehen, sind scheinbar immer noch jene, die in den Jahren nach ihrer Rückkehr erschienen sind. Entsprechend gehen die Autorinnen und Autoren mit diesen Themen um. Gräueltaten auf dem Schlachtfeld treten vor allem als Tat der Verbündeten oder des Gegners in Erscheinung, die in vielen Einzelgeschichten vor allem Anekdotencharakter haben: „I also remember seeing the V.C. the rvns [‚Republic of Vietnam‘, Südvietnam] soldiers had captured being held in the pens and also seeing them torture them for information using the field phones and the rvns walking the VC around blind folded for thirty min or so then walking them into the corner of a steel bunker and several other things they did to torture them. I also remember a arvn [‚Army of the Republic of Vietnam‘, die südvietnamesische Armee] Soldier teaching several of us to write Chinese. Does anyone remember the night a guy in one of the short guard towers down by the fuel tanks that thought he saw something out in one of the patties and decided to shoot a flare up with the flare gun and shot a grenade off instead. Put the whole base on red alert in the middle of the night.“42
Diese Geschichte von Frank Allen stammt aus seiner „tour of duty“ in den Jahren 1967 und 1968. Seine Erinnerung an die Truppen der südvietnamesischen Armee ARVN („Army of the Republic of Vietnam“) bestehen aus den Chinesischkursen, die er dort besucht hat. Die Foltermethoden der Verbündeten erwähnt er nur beiläufig. Solche Gräueltaten zu reflektieren oder zu sich in Beziehung zu setzen, wird nicht praktiziert. Sie scheinen vom amerikanischen Teil des Kriegs abgekoppelt zu sein, zumindest solange sie nicht amerikanische Soldatinnen und Soldaten betreffen. Zum Symbol der Folter ist in dieser Hinsicht der Bambuskäfig geworden, der an die darin gefangenen (männlichen) Amerikaner erinnert:
41
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William Arthur Cox: About Honor, unter: William Cox Homepage, URL: http://www. williamcox.org/page12.html, Stand: 19.04.2010, Offline seit: 28.03.2011. Anmerkung: Dieser Teil der Seite war am 21.02.2013 wieder erreichbar, allerdings noch mit dem Kommentar „new content for this page coming soon“ versehen. Frank Allen: Stories from 1967 Phu Lamers, unter: Phu Lam Signal Facility, URL: http://phulam.com/1967.htm#TOP, Stand: 10.02.2011.
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„In Vietnam I was again lost. I was kept in a cage in the dark wet jungle. I also was killed and buried in that same jungle. I was marched to Hanoi where I was used as a propaganda tool. I was taken to the killing fields of Cambodia. I was again taken to China as slave labor. In the Middle East I was found. In Bosnia I was found. But in Korea, as in Vietnam I still remain. My name is MIA I want to come home!!“43
Die Grausamkeiten sind wie auf den Seiten üblich eine rein männliche Angelegenheit. Der schlechte Ruf des Vietnamkriegs ist den Kriegsbeteiligten nicht nur bewusst, sondern wird bei ihren Erzählungen scheinbar immer vorausgesetzt. Gräueltaten der eigenen Seite tauchen deshalb fast nicht auf und wenn Foltermethoden eingesetzt werden, dann entweder von den Feinden oder den verbündeten Truppen. Das Gedicht von Bailey stellt das Leid der amerikanischen Kriegsgefangenen nicht nur in den Vordergrund, sondern setzt es mit dem Schicksal amerikanischer Soldatinnen und Soldaten anderer Konflikte gleich. Ob diese an solch einer Gleichstellung interessiert sind, wird nicht reflektiert. Dies mutet vor allem deshalb seltsam an, da der negative Ruf der Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts untrennbar mit ihrer Identität verbunden ist. Eine Verteidigung gegen den im Raum stehenden Vorwurf, die amerikanischen Truppen selbst hätten viele Grausamkeiten begangen, findet nur in Ausnahmefällen statt. Massaker wie das in den Dörfern My Lai 4 und My Khe 4 im Jahr 1968 sind nur als ‚Beweis‘ dafür auf den Seiten präsent, die amerikanische Öffentlichkeit und/oder die amerikanischen Medien wollten die Vietnamveteranen immer in einem negativen Licht dargestellt sehen. Der Umgang mit solchen Ereignissen erinnert stark an die Konstruktion einer ‚Dolchstoßlegende‘, in der jeder Vorwurf von Gräueltaten als überzogener Angriff auf die Veteraninnen und 43
S.O. Bailey: POW-MIA – Let us Remember and be Grateful, unter: The Scherer Family, URL: http://www.100megsfree2.com/jjscherr/scherr/POW-MIAs.htm, Stand: 28.03. 2011
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Veteranen gedeutet werden kann. Wie beschrieben ist der Umgang mit diesen angeblichen Vorwürfen aber relativ passiv. Für die Identitätsbildung der Autorinnen und Autoren ist ihre Rolle als Teil einer marginalisierten Gruppe sehr wichtig, ohne dass sie daran interessiert wären, solche Aspekte ‚ihres‘ Kriegs endgültig richtigzustellen und dieses Kapitel damit abzuschließen. Insgesamt ist die Auseinandersetzung der Seitenautorinnen und Seitenautoren mit Themen wie der Kampfsituation, der Verwundung, der Dualität von Angst und Faszination im Kriegsgebiet sowie den Gräueltaten und anderen Übergriffen durch mehrere gemeinsame Aspekte miteinander verbunden. Aus all diesen Themen haben sich die Autorinnen und Autoren und da es hier meist um die direkte Kriegserfahrung geht vor allem die männlichen Ex-Soldaten, verschiedene Einzelereignisse ausgewählt, die sich mit ihren identitätsstiftenden Konstruktionen der Nachkriegszeit in Verbindung bringen lassen. Die Kampfsituation und die dabei erlittenen Verwundungen etablieren die soldatische Beziehung zum Vietnamkonflikt im Allgemeinen und müssen deshalb nicht im Detail behandelt werden. Gerade die Beschreibung von Kriegswunden ist völlig auf die persönlich-soldatische Sphäre der Kriegsbeteiligten ausgerichtet und wird meist dann referenziert, wenn Kameraden in Gefahr geraten sind. Angst und Faszination sind auf den meisten Seiten eng zusammengerückt. Negativen Erlebnissen wird entweder kein Platz eingeräumt oder sie werden so lapidar beschrieben, dass für die Leserin oder den Leser kaum die Möglichkeit besteht, ein echtes Verständnis für solche Ereignisse zu entwickeln. Die surreal-faszinierenden Aspekte des Kriegsgeschehens sind immerhin noch als Kommentar über die unberechenbare Natur des Kriegsverlaufs vorhanden. Dieser Umgang mit solchen Erlebnissen verdichtet sich in den Gräueltaten des Kriegs noch weiter. Obwohl die Autorinnen und Autoren die negative Berichterstattung über Vietnam immer wieder angreifen, beziehen sie sich kaum auf Details, die dabei genannt wurden. Solche Erwähnungen müssen nicht widerlegt werden, da regelmäßige Gräueltaten selbstverständlich nur von den asiatischen Verbündeten begangen worden seien. Was diesen Abschnitten vor allem fehlt, ist die Reflexion solcher Inhalte auf Ebenen, die nicht mit den eigenen Zielen einhergehen. Dies überrascht vor allem auf den Internetseiten, da der Umgang mit medialen Vorwürfen über multimediale Mittel besonders effektiv zu bewerkstelligen wäre.
ʼNAM: Personen Personen sind für das Sprechen über die Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen unverzichtbar und eine Einteilung in unterschiedliche Gruppen fällt
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nicht schwer, da die Seiten hier klare Wertigkeiten erkennen lassen. Die männlichen Soldaten sind ohne Zweifel die zentrale Gruppe, die sich äußert und auf deren Existenz sich gleichzeitig die meisten Äußerungen beziehen. Die Stellung anderer Personengruppen lässt sich ohne weiteres mit dem Begriff der Marginalisierung beschreiben. Verbündete aus westlichen Ländern oder aus Südostasien sind von dieser Ungleichbehandlung ebenso betroffen wie die ehemaligen Feinde oder die Zivilistinnen und Zivilisten, mit denen sie während ihres Kriegsalltags umgegangen sind. Wenn solche Gruppen nicht völlig ausgeblendet werden, sind sie in den Rückerinnerungen auf spezifische Rollen beschränkt. Das prägnanteste Beispiel hierfür sind Frauen, die am Vietnamkrieg teilgenommen haben und auf den Internetseiten nur dann nicht außerordentlich eindimensional behandelt werden, wenn die Seiten selbst von einer ehemaligen Kriegsbeteiligten erstellt wurden. Dies führt dazu, dass sich zwei große Gruppen herausbilden, die ausschließlich dadurch definiert werden, dass eine Person zu den Amerikanern gehört hat bzw. nicht gehört hat. Was die Veteraninnen und Veteranen des Vietnamkriegs im Rückblick besonders auszeichnet, ist ihre Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die von ihren Mitgliedern nicht weiter definiert werden muss. Dass es sich dabei fast ausschließlich um Infanteriesoldaten handelt, merken die Besucherinnen und Besucher der Seiten nur dort, wo einzelne Personen um Anerkennung in der Gruppe kämpfen. Nur wenige „rear echelon motherfuckers“ (REMFs), die in der Etappe Dienst getan haben, versuchen aktiv, ihre Stellung innerhalb der Gemeinschaft zu verbessern. Der Autor Bob Wheatley, der seine Seite stolz VIET-REMF nennt, ist sich sehr wohl bewusst, dass er eine seltene Ausnahme ist:44 „When you Mention ‚Vietnam War‘ to most anyone, what are their first mental images? – probably things like fire fights in deep jungle and rice paddies, artillery fire, rocket attacks, body count, tunnel rats, napalm strikes, villages burned, atrocities committed. [...] It may come as a surprise to some, but only a relatively small percentage of my brothers in arms who served in that war were actually ‚in country‘ ground combat troops.“45
Der Begriff wurde bereits während des Vietnamkriegs als abwertende Bezeichnung für ‚Schreibtischsoldaten‘ benutzt: „The term ‚REMF‘ was often used by those who were out there in the ‚bush‘ in referring to those who remained in rearward positions in places of relative safety. It was not a term of respect or
44 45
Bob Wheatley: Honoring all who Served... in the Rear with the Gear, unter: VietRemf, URL: http://www.viet-remf.net/, Stand: 28.01.2011. Bob Wheatley: Hello, and Welcome!... Who AM I?, unter: VietRemf, URL: http:// www.viet-remf.net/, Stand: 28.01.2011.
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endearment“.46 Wheatley betont, dass der Großteil der Soldatinnen und Soldaten in Vietnam wie er in der Etappe Dienst getan haben. Er möchte für diese im Netz nicht greifbare Mehrheit eine eigene Neudefinition herbeiführen. Sein großes Ziel ist es, das Wort REMF zu „rear echelon military forces“ umzudeuten. Grunt und REMF sollen sich dort vereinen, wo alle Veteraninnen und Veteranen des Kriegs zueinanderfinden: am „Vietnam Veterans Memorial“.47 Seine Forderung unterscheidet sich in keiner Weise von der anderer Soldatinnen und Soldaten: „It was the only thing we ever really wanted in return for our service – the honor and appreciation of a grateful nation.“48 Diese Redefinition ist aber in den seltensten Fällen tatsächlich notwendig. Solange es um die gemeinsame Identität als Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen geht, sollen alle ehemaligen Mitglieder der amerikanischen Streitkräfte gleichbehandelt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es in Einzelfällen durchaus zu einer weiteren Hierarchisierung kommt. Der Veteran Peter Griffin stört sich vor allem daran, dass die REMFs dieselben Ansprüche auf staatliche Unterstützung haben: „Think about it... why would any reasonable and prudent GI volunteer for hazardous duty in an elite force and constantly put their life on the line if any ‚remf, ghost or slacker‘ could obtain the same recognition, medical treatment and ‚earned‘ benefits easily obtained by any ‚chairborne commando‘ who claims he bore the brunt of the battle.“49
Für Griffin ist die Abneigung gegen REMFs eine Frage von Status und Moral: Wären die Vorteile in der gesundheitlichen Nachversorgung für Kampftruppen und REMFs gleich, gäbe es keinen Grund mehr, sich überhaupt an die Front zu melden. Mit seiner Meinung steht er fast allein. Die Autorinnen und Autoren konzentrieren sich auf das Ziel, dass alle Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen endlich ihren Anspruch auf Respekt einfordern können. Diese erstaunliche Einmütigkeit entsteht aus dem Bedürfnis, nach außen eine möglichst kohärente Front präsentieren zu können. Soldatinnen und Soldaten sind ein eigener Typus Mensch und durch ihre Erfahrungen und ihre Pflichterfüllung Teil einer besonderen Gemeinschaft geworden. Dieser Aspekt der Neudefinition wendet sich radikal gegen das Schicksal des Heros mit den tausend Gesichtern, der als
46 47 48 49
Ebd. Bob Wheatley: Epilog – No Hero’s Welcome, unter: VietRemf, URL: http://www.vietremf.net/Epilog.htm, Stand: 19.02.2013. Ebd. Peter S. Griffin: The Vietnam Vet, unter: Griffins Lair, URL: http://www.angelfire. com/nc2/vietnamvet/, Stand: 28.01.2011.
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Einzelner in der Gemeinschaft keinen Platz mehr findet. Die wahre Bedeutung des Soldatenkonzepts ist nur jenen bekannt, die selbst zu solchen geworden sind: „~ A BAND OF BROTHERS ~ THE TRUE MEANING! SOLDIERS – warriors belong to ‚A BAND OF BROTHERS‘. Their dedication, protection and support of each other are paramount and vital! Individuals interacting on a daily basis together... in small units such as a squad, develop the ‚tightest bond‘. All depends on this undesignated, but considered near sacred, informal unit. This ‚banding‘ doctrine extends from the smallest to the largest formal units as their very survival depends on each other in major combat situations.“50
Die Soldatinnen und Soldaten des Vietnamkriegs seien eine Bruderschaft, die sich beschützt habe und weiterhin beschützen müsse. Ihre Verbindung zueinander sei stärker als alle anderen sozialen Beziehungen und selbst wenn sie sich in ihrer Stellung in der Militärhierarchie unterscheide, bilde sie nach außen doch eine Einheit. Diese Verbundenheit spiegelt zwar eine ideologische Grundposition, darf aber nicht als Anhaltspunkt für eine Kultur des intensiven Austausches zwischen den Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzern interpretiert werden. Dennoch weisen diese immer wieder darauf hin, wie entscheidend diese „banding doctrine“ für ihr Leben noch sei. Wenn es unter Militärangehörigen eine marginalisierte Gruppe gibt, sind dies die Offizierinnen und Offiziere. Sie treten unter den Autorinnen und Autoren so gut wie gar nicht in Erscheinung. Während dies bei den wenigen Offizierinnen nicht verwunderlich ist, da ihre Tätigkeitsfelder in den Streitkräften stark begrenzt waren, muss dies bei den Offizieren überraschen. Erzählungen über grausame oder heldenhafte Vorgesetzte sind in vielen Kriegserzählungen allgegenwärtige Topoi, auf die die Interviewpartner Schröders immer wieder zu sprechen kommen. Dass sie im Quellenkorpus keine Rolle spielen, beweist noch einmal, wie stark die Autorinnen und Autoren auf ihr eigenes Schicksal und ihre eigene Identität fixiert sind und dass sie die Offiziere nicht als Angehörige jener Gruppe zählen, die sie auf den Seiten konstruieren. Besucherinnen und Besucher ohne Erfahrung in militärischen Rängen und Befehlsketten haben es deshalb besonders schwer, die Kausalitäten im Kriegsalltag der Veteraninnen und Veteranen nachzuvollziehen. Die dritte Gruppe, die eigentlich ein wichtiger Teil des Vietnamkonflikts gewesen ist, erleidet ein ähnliches Schicksal der konsequenten Marginalisierung. Das Akronym ARVN („Army of the Republic of Vietnam“) hat im Erinnern an 50 Ebd.
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den Vietnamkrieg immer eine ambivalente Bedeutung. Die Armee Südvietnams war von den kommunistischen Kräften so bedrängt worden, dass Amerika nach finanzieller und durch Militärberater geleisteter Hilfe mit eigenen Truppen eingreifen musste. Viele nichtvirtuelle Erzählungen von Veteraninnen und Veteranen stellen die Verbündeten oft als unberechenbaren Faktor im Krieg dar, bei dem immer mit Korruption oder Unterwanderung durch feindliche Agenten gerechnet werden musste. Der Veteran Donald Duncan, der in einem Buch von seiner Zeit in einer Spezialeinheit in Vietnam berichtet, wurde mit solchen Vorurteilen bereits kurz nach seiner Ankunft im Kriegsgebiet konfrontiert: „In the office, the hotel, the bars and the camps i heard constant variations on the contempt theme in very colorful language: the government was rotten, the officials corrupt, ARVN cowardly, the LLDB [Luc Luong Dac Biet Quan Luc Viet Nam Cong Hoa, eine Spezialeinheiten der südvietnamesischen Armee] all three, the man-in-the-street an ignorant thief, and all the women whores.“51
In den virtuellen Kriegserinnerungen finden sich solche detaillierten Erzählungen kaum. Oft werden die Einheiten der ARVN ohne weitere Kommentare bei Beschreibungen von Manövern und Truppenbewegungen erwähnt. Wenn Bewertung stattfindet, dann oft nur als Vergleichsmaßstab für die amerikanischen Truppen in Vietnam. Peter S. Griffin fasst dies in einem Gedicht zusammen: „At dusk, an eight man patrol, made itʼs way, At Tuy Hoa, the 101st Airborne, would save the day.... To protect the rice harvest, orders were cut, Feeding South Vietnamʼs population, a must.... Every year, the Viet Cong, stole the crop, ARVN and ROK [Republic of Korea] marines, the pillage, couldnʼt stop.... So the 2/502nd Infantry, given the task, They would accomplish, all that was asked.... The patrol assigned, to start the mission, Swarm of mosquitoes, worsened conditions.... Through rivers, jungles, and paddies, Enemy territory, much like Hades.... Sgt. Gene Hawthorne, the partol leader, To engage the enemy, was most eager.... An American Indian, adept at tracking, His skills and experience, was not lacking.... 51 Donald Duncan: The New Legions, Gollancz: London 1967, S. 224.
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In jungle so thick, visibility, minimal, Heard the VC, stealthy, as animals.... Screaming and shooting, the enemy attacked, The patrol exploding, cut no slack....“52
Seine Patrouille sollte die Reisernte in der Umgebung der Hafenstadt Tuy Hoa beschützen. Die Viet Cong versorgten sich hier mit Reis für ihre Unternehmungen, was die Einheiten der südvietnamesischen Armee und die „Marines“ aus Korea nicht stoppen konnten. Vor allem die ARVN wird im Gedicht für viele Probleme im Kriegsverlauf verantwortlich gemacht. Der Autor der Seite Khe Sanh Combat Base beschreibt ihre Rolle so: „In war you see alot lot of things that just doesnʼt set well with you, but there isnʼt anything that you can do to change the facts or events, itʼs beyond your control. Just like the time Recon captured a couple of V.C. and turned them over to the ARVNʼs for interagation. The ARVNʼs couldnʼt get any information out of them. The V.C. were loaded aboard a helicopter and were taken up to about 50 feet above the tree tops and were thrown out with a rope tied around their ankles, then they were dragged through the top of the jungle hanging from the chopper several times before the chopper climbed to about 1000 feet and the rope was cut letting then fall to their death.“53
Wie bereits erwähnt werden Gräueltaten fast immer den Verbündeten der Amerikaner zugeschrieben. Wenn auf den Seiten der Kriegsverlauf diskutiert wird, scheinen die Handlungen der Südvietnamesinnen und Südvietnamesen darauf keinen nennenswerten Einfluss zu haben. Nur die amerikanischen Streitkräfte hätten die Chance gehabt, eine Wende herbeizuführen. Die Einschätzung der Rolle der amerikanischen Soldatinnen und Soldaten, die der Autor der Seite Khe Sanh Combat Base an den Tag legt, ist ebenfalls typisch: „The American servicemen and women never lost the war in Vietnam, our own government sold us out, Vietnam was never intended to be a military victory. The liberal politians and liberal news media made sure of that.“54 Viel häufiger, als Vorwürfe gegen sie zu formulieren, ignorieren die Autorinnen und Autoren die ARVN jedoch. Besucherinnen und Besucher ohne größere Vorkenntnisse haben es auf den Seiten schwer zu erkennen, dass die Amerikaner im Vergleich zur südvietnamesischen Armee nur eine zahlenmäßig geringe 52 Peter S. Griffin: A Poem, unter: Griffins Lair, URL: http://www.angelfire.com/nc2/ vietnamvet/attack.html, Stand: 14.02.2011. 53 Autor unbekannt: My Views on the Vietnam War, unter: Khe Sanh Combat Base, URL: http://myadoptedpowmia.homestead.com/khesanh1.html, Stand: 06.08.2010. 54 Ebd.
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Kampftruppe aufgestellt hatten. Dass der Krieg von offizieller Seite aus als begrenzte Intervention zur Unterstützung einer verbündeten Nation definiert wurde, ließe sich aus den Seiten nur schwerlich ableiten. Da diese Interpretation unter anderem aus politischen Gründen vor allem in der Anfangsphase des Konflikts immer wieder formuliert wurde, ist es unwahrscheinlich, dass die Kriegsbeteiligten während ihrer Zeit in Vietnam den Konflikt als eine Auseinandersetzung zwischen Nordvietnam und Amerika betrachtet haben. Dass weder die Südvietnamesinnen und Südvietnamesen noch die anderen beteiligten Verbündeten auf den Seiten an Profil gewinnen, oder als Teil des Kriegs wirklich greifbar werden, ist deshalb den Erinnerungsprozessen seit Ende des Kriegs geschuldet. Kaum eine Seite widmet ihnen einen eigenen Abschnitt, außer um sie irgendwelcher Verfehlungen zu beschuldigen. Eine der wenigen Seiten, die die ARVN verteidigt, ist die des Offiziers Joe Schlatter. Sein Hintergrund hebt ihn von anderen Kriegsbeteiligten des Quellenkorpus ab, obwohl er mit dessen Seiten stark vernetzt ist. Neben seiner Stellung als Offizier, der nicht aus den unteren Rängen aufgestiegen ist, sind es vor allem seine Tätigkeiten nach dem Vietnamkrieg, die ihn von den anderen Veteraninnen und Veteranen unterscheiden. Schlatter hat mehrere Jahre in unterschiedlichen Ausschüssen gearbeitet, die sich von offizieller Seite aus der POW/MIAFrage gewidmet haben. Der dafür notwendige kritische Umgang mit den ‚Wahrheiten‘, die unter Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen oft in Umlauf sind, scheint sich ebenfalls auf seine Einschätzung der Rolle der ARVN ausgewirkt zu haben. Ganz anders als viele Seitenautorinnen und Seitenautoren ist er der Meinung, dass die negativen Urteile über die südvietnamesische Armee ein Mythos seien, die nicht von harten Fakten gestützt würden: „In Honor of the Other Vietnam Veterans It is easy for we Americans, Canadian, and Aussies who fought in Vietnam to forget that there is a whole population of Vietnam veterans who saw it through to the end. I speak of the armed forces of South Vietnam. Unlike us, they did not return home after 364 [days] and a wake up. They got no R&R. They just fought on and on. The South Vietnamese armed forces are criticized for being mediocre troops with untrustworthy leaders. That may have been so in some cases but I believe that most of the South Vietnamese soldiers, sailors, airmen and Marines were good troops, led by competent officers who put up a damn fine fight – until the only friends they had walked out on them.
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Here are some links to sites that tell the story from the point of view of the South Vietnamese armed forces. If you know of other sites, please e-mail the URL to me. Thanks Gentlemen, I salute you.“55
Für Schlatter haben es die ehemaligen Truppenangehörigen aus Südvietnam nicht verdient, ignoriert zu werden. Die Geschichten über ihre Unzuverlässigkeit hält er für übertrieben, sein militärischer Salut für diese Gruppe ist aber ein isoliertes Phänomen. Als einziger Autor im Quellenkorpus benutzt er für die Verbündeten eine Bezeichnung, die so wichtig für alle Autorinnen und Autoren ist: Veteranen. Noch überraschender ist der Umstand, dass individuelle ARVN-Angehörige ebenfalls kaum thematisiert werden. Selbst wenn in Lagern und an Stationierungsorten oft eine strikte Trennung zwischen den Truppen herrschte, war es unausweichlich, dass man Südvietnamesinnen oder Südvietnamesen persönlich kennenlernte. Zumindest die sogenannten „Kit Carson scouts“, die nach dem amerikanischen Trapper und Kundschafter Christopher Houston Carson benannt waren, hätten den Autorinnen und Autoren im Gedächtnis bleiben müssen. Sie waren oft Überläufer oder Angehörige von Minderheiten wie den „Montagnard“ (die sich selbst Dega nennen) und waren aufgrund ihrer Ortskenntnisse als Kundschafter unersetzlich. Vor allem Beteiligte der Kampftruppen kamen mit diesen Verbündeten immer wieder in ihrem Kriegsalltag in Kontakt. Wenn sie erwähnt werden, dann wie bei dem amerikanischen Fotooffizier R.B. Hawkins als kulturell faszinierende ‚Eingeborene‘ und nicht als Individuen, die mit dem eigenen Kriegseinsatz in Verbindung standen: „The French who preceeded the Americans in Vietnam called these tribal people „Montagnard“ or mountaineers. They call themselves Dega. Loyalty to Special Forces leadership was based on respect, a smile, and a handshake.“56 Die Verbündeten der Amerikaner fallen auf diesen Seiten nicht nur der Amerikanisierung des Kriegs zum Opfer, sondern dem Umstand, dass für die Bedürfnisse der Autorinnen und Autoren nur die eigenen Kameradinnen und Kameraden entscheidend sind. Damit stellt sich ganz selbstverständlich die Frage danach, ob zumindest die Feinde der Amerikaner während des Vietnamkriegs eine größere Rolle der virtuellen Rückerinnerung spielen.
55 Joe Schlatter: ARVN Facts, unter: MIA Facts, URL: http://www.miafacts.org/ARVN. htm, Stand: 15.02.2011. 56 R.B. Hawkins: Scene 3 of 13, unter: What Tomorrow Brings, URL: http://www. azcreative.com/vietport/brimless.html, Stand: 15.02.2011.
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Abbildung 27: Das Foto des Offiziers R.B. Hawkins zeigt einen „Montagnard“ (eigentlich: Dega), der als Führer für eine Kampfeinheit fungierte.
Quelle: R.B. Hawkins: Scene 3, unter: What Tomorrow Brings, URL: http://www.azcreative.com/vietport/brimless.html, Stand: 15.02.2011.
Die Frage danach, welche Feindbilder sich im Erzählen über die Vergangenheit erhalten haben, lässt sich überraschenderweise nur schwer beantworten. Schon während des Kriegs gab es Versuche, neue Feindbilder zu generieren, die nichts mit den kommunistischen Kräften in Vietnam zu tun hatten. Am 3. November 1969 trat der amerikanische Präsident Richard Nixon vor die Fernsehkameras, um eine der wichtigsten Reden seiner Präsidentschaft zu halten. In den Monaten davor waren er und seine Kriegspolitik immer wieder scharf angegriffen worden. Die Protestbewegung hatte einen sofortigen Rückzug aus Vietnam gefordert und hatte begonnen, eine immer größere Anhängerschaft in Amerika zu finden. Die von Nixon mit der Rede gewählte Vorwärtsverteidigung gilt heute als erfolgreicher Schachzug. Darin stellte er die Friedensbewegung als Ansammlung von Studenten und Linksradikalen dar, rief die „silent majority“ in Amerika dazu auf, seine Politik zu unterstützen und stellte klar, wer die größte Gefahr für den Sieg in Vietnam sowie für das amerikanische Selbstverständnis sei: „North Vietnam cannot defeat or humiliate the United States. Only Americans can do that.“57 Nixons Rede stellte zwei zentrale Punkte zu den Feinden Amerikas fest. Erstens sah die amerikanische Administration immer Nordvietnam als Aggressor und
57 Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 368; Linda Alkana: Silent Majority Speech, in: James S. Olson (Hg.): Dictionary of the Vietnam War, Bedrick: New York, NY 1990, S. 416.
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eigentlichen Feind. Der Viet Cong und die politischen Kader in Südvietnam wurden als bloße Handlanger Nordvietnams angesehen. Im selben Atemzug marginalisierte er die Bedeutung der Vietnamesinnen und Vietnamesen in diesem Konflikt und legte den Grundstein für viele Diskurse über den Krieg, die sich nur noch mit dem Beitrag, den Handlungen und den Verfehlungen der USA beschäftigen sollten. Viele militärische und globalpolitische Aspekte des Kriegsverlaufs wurden und werden allein auf die Handlungen der US-Amerikaner reduziert. Die Streitkräfte der kommunistischen Seite des Kriegs hatten komplexe Organisationen und Strukturen, in denen sich politische und militärische Aufgaben oft überlappten, die jedoch oft in zwei Teilbereiche gegliedert werden. Die regulären Soldatinnen und Soldaten der nordvietnamesischen Armee NVA („North Vietnamese Army“) oder PAVN („Peopleʼs Army of Vietnam“) waren Teil einer konventionell aufgebauten Streitmacht, die teilweise über schwere Waffen und (wenige) Flugzeuge verfügte. In Nordvietnam waren ihr lokale Dorfmilizen zugeordnet. Die Kommunisten in Südvietnam bestanden neben den Guerillatruppen der „People’s Liberation Armed Forces“ (PLAF) aus den Agenten der „National Liberation Front“ (NLF) sowie den Kadern der kommunistischen Partei („People’s Revolutionary Party“ (PRP) bzw. „Lao Dong“). Zusätzlich rekrutierten diese Gruppen diverse lokale Hilfs- und Unterstützungstruppen in Dörfern und Städten, die vor allem logistische Hilfe und Informationen lieferten. Guerillakämpfer und politische Kader vor Ort wurden allgemein als Viet Cong bezeichnet. Nicht immer konnte diese Unterscheidung aufrechterhalten werden, da Soldatinnen und Soldaten der NVA ebenfalls als Guerilla agierten und manchmal Verluste der PLAF kompensieren mussten. Unterstützungstruppen in Dörfern sowie Verdächtige wurden von der amerikanischen und südvietnamesischen Seite als „Viet Cong infrastructure“ (VCI) bezeichnet, fielen aber in der Praxis ebenso unter den Begriff Viet Cong. Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs (vietnamesischer Kommunist) erlaubte eine breite Zuweisung der Feindschaft an unterschiedliche Gruppen und schuf so ein simples und flexibles Feindbild.58 Bereits in den Analysen der Pentagon-Papiere wird darauf verwiesen, dass die südvietnamesische Presse und Regierung praktisch jede regierungsfeindliche Gruppe unter diesem Begriff zusammenfasste.59In der Praxis bezeichneten die
58 Der vollständige Begriff ist Viet Cong san Viet Nam. Vgl. David L. Anderson: The Columbia Guide to the Vietnam War, Columbia University Press: New York, NY 2002, S. 144; Charles Dobbs: Vietcong, in: James S. Olson (Hg.): Dictionary of the Vietnam War, Bedrick: New York, NY 1990, S. 470f. 59 Neil Sheehan und Gerald Gold (Hg.): The Pentagon Papers. As Published by the New York Times, Bantam Books: Toronto 1971, S. 314-346. Vgl. dazu auch die OnlineAusgabe von Professor Vincent Ferraro: Chapter 5, Origins of the Insurgency in South Vietnam, 1954-1960, unter: The Pentagon Papers, URL: https://www.mtholyoke.
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Soldatinnen und Soldaten all jene als Viet Cong, auf die sie während ihres Kriegsalltags am häufigsten stießen. Dies waren damit die politischen Kader der „National Liberation Front“ (NLF) sowie deren militärischer Arm, die „Peopleʼs Liberation Armed Forces“ (PLAF). Dazu kamen die örtlichen Hilfstruppen, die von den Guerillas oft unter Zwang rekrutiert worden waren. Auf den Internetseiten spielt als Feind fast ausschließlich der nicht näher bestimmte und ausdifferenzierte Viet Cong eine Rolle, dessen Eigenschaften sich von Seite zu Seite oft radikal voneinander unterscheiden. Die erste Form ist die einer nebulösen, schwer zu durchschauenden und dennoch (oder deshalb?) bedrohlich wirkenden Kraft. Der VC, wie die Veteraninnen und Veteranen ihren Feind immer noch abkürzen, wird nicht über Individuen definiert. Seine Fähigkeiten und Eigenschaften waren schon während der Dienstzeit nicht erfassbar und so wird er auf den Internetseiten als gesichtslose Gruppe unbekannter Größe erinnert, mit deren Auftreten die Soldateninnen und Soldaten jederzeit rechnen mussten: „A SUNDAY AFTERNON PICKUP GAME A Sunday afternoon pickup game Just ten guys taking a break from the war Nobody seemed to mind the crooked, homemade hoop, the thick dust or the volleyball Overtime! A tied game and in the excitement of trying for another bucket killing was forgotten But before we could finish the game a lone mortar round wiped out half the players The final score for the day:
edu/acad/intrel/pentagon/pent11.htm, Stand: 14.02.2013. William J. Duiker verweist zur Herkunft des Begriffs ebenfalls auf südvietnamesische Zeitungen, belegt dies jedoch nicht. Vgl. William J. Duiker: The Communist Road To Power in Vietnam, 2. Auflage, Westview Press: Boulder, CO 1996, S. 197.
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The VC – 5 The U.S. – 0“60
Das Gedicht des Veteranen Larry Rottman drückt nicht nur das Gefühl der ständigen Bedrohung aus, es zeigt den VC in einer stereotypen Rolle. Diese nachträgliche Konstruktion der Guerillas ist die einer überlegenen Kampftruppe, die scheinbar ohne Aufwand den US-Amerikanern großen Schaden zufügen konnte. „A lone mortar“, eine einzelne Granate reicht in Rottmans Gedicht dazu aus, um fünf Amerikaner mit einem gezielten Treffer zu töten. Diese Form der Beschreibung definiert und konstruiert den VC als geschickten Fallensteller, der immer im Hinterhalt liegt und seine Verluste ebenso verbirgt wie seine Vorgehensweisen. Die Abstraktion, die der Feind durch die Abkürzung erfährt, wurde von den Soldatinnen und Soldaten bereits während des Kriegs durch viele Wortkombinationen und Spitznamen wieder aufgehoben. Aus dem Viet Cong wurde Charly, Charles, Chuck, Chucky und manchmal sogar Sir Charles. Eine Gruppe unbekannter Größe wurde so vermenschlicht und mit unterschiedlichen Eigenschaften versehen. Auf den Seiten können diese Zuweisungen je nach Situation und Erzählziel schnell wechseln. Ray Smith erzählt von seinem Besuch der „cherry school“, einer Ausbildung für Anfänger: „While at Camp Enari I attended Cherry School. This was an in-country introduction and training course and it probably saved my life. The most important thing I learned was ‚If you didnʼt drop it, donʼt pick it up‘. This was excellent advice for avoiding being killed or maimed by a VC booby-trap and I took it to heart. [...]A fascinating, and lifesaving block of instruction was centered on the detection of enemy mines and booby-traps, complete with examples of each and every type Charles had used up to that point in the war. I learned that Charles was killing us with our own trash. He would use discarded C-ration cans, batteries of all types, and commo wire to rig booby-traps. For example, an M-26A1 fragmentation hand grenade was placed into a C-ration main course (e.g., ham & lima beans) can. The pin was removed from the grenade, and the lever was prevented from flying off by the sides of the can. Chuck would then tie commo wire to the grenade and string it across a trail, concealed by vegetation.“61
Ray Smith benutzt VC, Charles und Chuck in anderen Erzählungen völlig austauschbar. Wenn es darum geht, dass der Feind handelt, werden aber vor allem 60 Larry Rottman: A Sunday Afternoon Pickup Game, unter: Aussievet – Through the Eyes of a Soldier, URL: http://hellfire97.tripod.com/vov.htm, Stand: 15.02.2011. 61 Ray Smith: On My Way to Cherry School, unter: Ray’s Web Server, URL: http://www. rjsmith.com/mytour01.html, Stand: 21.02.2013.
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die personalisierten Bezeichnungen verwendet. Interessant ist dabei vor allem die Singularisierung, die es z.B. im Sprechen über die Soldatinnen und Soldaten Nordvietnams oder Südvietnams nicht gibt. Nicht zufällig entsteht der Eindruck, dass die Veteraninnen und Veteranen mit ihren ehemaligen Feinden in Südvietnam ein viel engeres emotionales Band verbindet als mit den nordvietnamesischen Kommunisten (die von der amerikanischen Regierung als Hauptaggressor dargestellt wurden) oder sogar mit den südvietnamesischen Verbündeten. Die Schwierigkeiten des Kriegs, die Herausforderungen des Kampfes und die psychischen Folgen sind es, die die Veteraninnen und Veteranen geformt haben. Vieles davon lässt sich auf diesen persönlichen Feind zurückführen. Der Viet Cong steht den Soldatinnen und Soldaten nicht nur so nah, weil er vor allem aus Infanteristen bestand, sondern weil er durch seine Beteiligung am Konflikt zum ‚Geburtshelfer‘ der Vietnamveteranen wurde: „When the Lord was creating Vietnam veterans, He was into His 6th day of overtime when an angel appeared. ‚Youʼre certainly doing a lot of fiddling around on this one‘. And God said, ‚Have you seen the specs on this order? A Nam vet has to be able to run 5 miles through the bush with a full pack on, endure with barely any sleep for days, enter tunnels his higher ups wouldnʼt consider doing, and keep his weapons clean and operable. He has to be able to sit in his hole all night during an attack, hold his buddies as they die, walk point in unfamiliar territory known to be VC infested, and somehow keep his senses alert for danger. He has to be in top physical condition existing on c-rats and very little rest. And he has to have 6 pairs of hands.‘ The angel shook his head slowly and said, ‚6 pair of hands ... no way.‘ The Lord sayʼs ‚Itʼs not the hands that are causing me problems ... Itʼs the 3 pair of eyes a Nam vet has to have.‘ ‚Thatʼs on the standard model‘? asked the angel. The Lord nodded. ‚One pair that sees through elephant grass, another pair here in the side of his head for his buddies, another pair here in front that can look reassuringly at his bleeding, fellow Soldier and say, ‚Youʼll make it‘ ... ‚when he knows he wonʼt‘. ‚Lord, rest, and work on this tomorrow‘.“62
Die unglaublichen Anstrengungen, die der Soldat auf sich nehmen muss, werden in diesem ironisch-humorvollen Diskurs zwischen Gott und einem seiner Engel 62 John Mikolaycik: God Creates the Vietnam Veteran, unter: Profile of a Vietnam Veteran, URL: http://www.vietnam6bn31inf.com/profile.htm, Stand: 15.02.2011, Offline seit: 14.08.2013. Die angegebene Seite ist verschwunden, eine damit übereinstimmende Version findet sich auf Bob Scheyer: Nam Vets, unter: Lest We Forget, URL: http://www.glanmore.org/NamVetsScheyer.html, Stand: 14.08.2013.
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auf einen Faktor zurückgeführt. Der VC hat das Territorium infiziert („infested“), also wie eine Krankheit durchdrungen und allein damit zur tödlichen Gefahr gemacht. Für den Autor John Mikolaycik ist der Viet Cong ein wichtiger Teil der Genese des Vietnamsoldatinnen und -soldaten. Nicht nur in dieser Erzählung wird der Feind Ziel von Hass oder Rachewünschen. Man nimmt ihn hin und adelt ihn teilweise sogar mit der Bezeichnung Sir Charles.63 Der Viet Cong ist ein integraler Bestandteil des Kriegs, mit dem man sich abgefunden hat und der sich oft als Bedrohungsquelle nicht von den anderen Eigenschaften des Kriegsgebiets unterscheiden lässt. In den seltenen Fällen, in denen Bilder des Feindes existieren, wird dieser für die Besucherinnen und Besucher zumindest in einem gewissen Maße begreifbar. Steve Quigley ist einer der wenigen Kriegsbeteiligten, der solche Bilder in seine Sammlung aufgenommen hat.64 Die leicht bewaffneten und für westliche Verhältnisse ärmlich gekleideten Gefangenen lassen sich mit dem Viet Cong aus den Erzählungen auf den Seiten nur schwer in Verbindung bringen. Die von einem Veteranen betreute Seite des „American Forces Vietnam Networks“ (AFVN), einer wichtigen Radio- und Fernsehstation des Kriegs, hat mehrere Fotoalben von ehemaligen Kriegsbeteiligten hochgeladen. Die Bilder entstammen unterschiedlichen Situationen: Nachtangriffe auf Basen, Kontakt mit der Zivilbevölkerung, Auftritte von Alleinunterhaltern auf verschiedenen Basen und in den Studios und vieles mehr. Die Fotos enthalten nur ein Bild des Feindes, in diesem Fall die Abbildung von Kriegsgefangenen, die in einem Lager Sandsäcke befüllen. Der Guerillakrieg in Südvietnam verlief oft indirekt, wurde vom in Truppenstärke und Feuerkraft unterlegenen Viet Cong mithilfe von Sprengfallen und Hinterhalten geführt. Der „body count“, die Anzahl der getöteten Feinde, war lange Zeit eine der wichtigsten Messlatten für die Erfolge der amerikanischen Truppen. Gefangene zu machen war ein wichtiges Ereignis. Dass der Viet Cong in Geschichten und auf Bildern trotzdem so schwer zu finden ist, kann sich deshalb nicht allein aus dem Kriegsgeschehen erklären lassen. Die letzte Form, in der der Viet Cong den Besucherinnen und Besuchern begegnet, ist als Leiche. Berichte und Bilder finden sich selten und nur wenige Veteraninnen und Veteranen berichten ausführlich über den Kontakt mit dem ersten toten Feind. Richard Shand erinnert sich als einer der wenigen intensiv zurück:
63 Vgl. Ray Russo: Ray Russo / Debbie Russo Page, unter: America Post 678, URL: http://www.vva678.net/Ray-Russo-Home-Page.html, Stand: 21.02.2013. 64 Steve Quigley: Photo Page 1, unter: Quigley’s Down Under, URL: http://www. docmelson.com/quig%27s/graphics/vnr738.gif, Stand: 16.02.2011, Offline seit: 19.02.2013.
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„First Dead by Richard Shand, Firebase Gray, Ben Son, June 1969 The village next to the firebase was ostensibly Viet Cong, although we regularly visited it by day on our time off. On one occasion, however, I saw the Thais level their 105 howitzers and direct fire into the village to ward off a ground attack. I had watched the Thais drag the dead bodies of the Viet Cong behind a 3/4 ton truck into the firebase. The bodies were pulled by cords were tied to the feet and the heads lolled in the dust. [...] There were three, all bedraggled, half naked and covered with dust. Their faces were curiously blackened. I took a closer look. They were very young, their straight black hair disheveled, and one of them had a gaping hole where his left eye should have been. For all intents they could just be three youths lying peacefully on the ground together, until closer examination revealed small holes clotted with blood and lumps of flesh riddling the bodies. Small holes, neat and carefully drilled here and there on the chest, one or two on the arms and legs, and the faces, except for the one, virtually untouched, the eyes cloudy and half closed.“65
Wie die Gefangenen sind die toten Viet Cong kaum mit den Beschreibungen des einschüchternden Gegners in Einklang zu bringen. Sobald sie zu Personen werden, scheint das, was die Veteraninnen und Veteranen als Victor Charles bezeichnen, zu verschwimmen: „The village next to the firebase was ostensibly Viet Cong.“ Ein Dorf scheint von einer vage definierten Kraft völlig vereinnahmt. Es gibt keine Berichte oder Erzählungen über Einzelpersonen, Streitkräfte oder Kampfgruppen: Das Dorf ist Viet Cong. Ist der Feind nah, verliert sich dieser Eindruck im Nichts. Im Tod verwandelt sich der Viet Cong in etwas ganz anderes, hat nichts mehr mit der Unwägbarkeit der ständigen Bedrohung zu tun. In der Gegenwart haben die Feinde von damals jede negative Konnotation verloren. Wenn Henry Bechthold als Veteran in Vietnam mit mehreren ehemaligen Viet Cong-Kämpfern in einem Straßencafé sitzt, dann ist dies wie in vielen anderen solcher Reiseberichte eine Angelegenheit, die Stolz und Freude hervorruft. „I was in the US Army and Thai was Viet Cong. It was a beautiful time. This Group was so happy and fun-loving.“66 Sein Gegenüber ist wie er ein Veteran und hat den Krieg hinter sich gelassen. In der Beziehung zwischen den einst feindlichen Soldatinnen und Soldaten scheint der Krieg wirklich beendet zu sein. Dies unterstreicht noch einmal, dass die Erzählziele der Veteraninnen und Veteranen sich auf gegenwärtige Themen konzentrieren. Echte Feinde, so wird sich noch zeigen, suchen die Veteraninnen und Veteranen nicht mehr auf den
65 Richard Shand: First Dead, unter: Vietnam Memoirs, URL: http://www.ndqsa.com/ benson.html, Stand: 15.02.2011. 66 Henry M. Bechtold: Back in Vietnam, unter: Henry M. Bechtold Remembers, URL: http://henrybechtold.freewebspace.com/, Stand: 16.02.2011.
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Schlachtfeldern der Vergangenheit. Diese nehmen erst in der Gegenwart ihre wahre Gestalt an, erzeugen dann aber ganz besonders viel Abneigung. „Spend shells, not men“ wurde während des Vietnamkriegs zu einem geflügelten Wort.67 Ohne Kriegserklärung und ohne Mobilisierung der Reserven in einem Krieg zu operieren, dessen Ausmaße vor allem während seiner Anfangsphase noch schwer einzuschätzen waren, beschränkte nicht nur die Anzahl der zur Verfügung stehenden Soldatinnen und Soldaten. Die Verluste mussten in Grenzen gehalten werden und dies galt noch mehr, als der Krieg immer stärker innerhalb der amerikanischen Gesellschaft in die Kritik geriet. Der primär als Guerillakrieg geführte Vietnamkonflikt entwickelte sich auf US-amerikanischer Seite zur Materialschlacht. Der Anteil der Zivilistinnen und Zivilisten an den Opferzahlen lag zwischen 46 und 66 Prozent und damit deutlich höher als die geschätzten 42 Prozent des Zweiten Weltkriegs.68 Angesichts dieser Zahlen ist es besonders interessant zu betrachten, welchen Stellenwert die Kriegsbeteiligten den Zivilistinnen und Zivilisten in ihren Erzählungen einräumen. John Akers versammelt auf seiner Seite nicht nur eigene Erinnerungen an seine Einheit, die 73rd SAC Aviation Company, sondern ermöglicht es Kameradinnen und Kameraden, zu seiner Erinnerungssammlung beizutragen.69 Die Kriegsbeteiligten arbeiteten als Piloten oder waren als Bodenpersonal tätig. Ihre befestigten Einsatzbasen boten ihnen im Alltag Gelegenheit, um mit Einheimischen in Kontakt zu treten. Der Verwaltungsangestellte George Krejci erinnert sich an die Aussagen eines Offiziers, der ihm in seiner Zeit als Neuankömmling Verhaltensmaßregeln und Grundlagen seinen Aufenthalt näherbrachte: „Eventually, he said something like, ‚I do not associate myself much with the natives here. I just go downtown once a week to get a massage and a beer. Otherwise, I stay away from them‘. I didnʼt know if I should believe my ears“.70 Am Anfang seiner „tour of duty“ erschien ihm das Verhältnis zwischen Amerikanern und vietnamesischen Zivilistinnen und Zivilisten unerwartet distanziert zu sein. Die offizielle Begründung für den Krieg in Vietnam war es, ein befreundetes Land gegen eine kommunistisch dominierte Infiltration und Aggression zu verteidigen. Vor allem für Neuankömmlinge wie Krejci war es schwer zu begreifen, dass sich die Kontaktaufnahme mit den Verbündeten auf 67 Bernd Greiner: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam, Hamburger Edition: Hamburg 2007, S. 53. 68 Ebd., S. 43. 69 John Akers: Welcome ot the 73rd SAC Home Page – „UPTIGHT“, unter: 73rd Surveillance Airplane Company (SAC), URL: http://www.ov-1.com/73rd_SAC/first.html, Stand: 14.02.2011. 70 George Krejci: SP5 Krejci, Company Clerk, 1966-1968, unter: 73rd Surveillance Airplane Company (SAC), URL: http://www.ov-1.com/73rd_SAC/album-george/krejci. html, Stand: 14.02.2011.
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Unterhaltung, Prostitution und einfache Dienstleistungen beschränken sollte. Die Erinnerung an solche Kontakte gesteht dem Gegenüber keine echte Persönlichkeit zu: „That week I gave my laundry to a papa-son and I never saw them again. When I complained to the 1st SGT, he listened and then he said, ‚How did I get into the laundry business‘? – and that was all the help I got. I realized I had to take care of myself. This place was like the ‚Wild West‘. Anything went as long you got away with it.“71
Soldatinnen und Soldaten wie George Krejci hatten sich daran gewöhnt, ihr Gegenüber nur über Geschlecht und Alter zu identifizieren und dementsprechend als „papa-san“, „mama-san“, „girl“ oder „boy“ zu bezeichnen. Diese Abstraktionen halten sich bis heute. Krejcis Beispiel ist deshalb besonders interessant, da er in Vietnam eine Beziehung zu einer Vietnamesin einging, die er am Ende seiner Dienstzeit zusammen mit der gemeinsamen Tochter mit in die Staaten nahm. Eine Heirat während der aktiven Dienstzeit war extrem schwierig. Die Genehmigung einzuholen, dauerte lange und die bürokratischen Hürden auf dem Weg nach Amerika waren ebenfalls hoch. In seiner Rückerinnerung gewinnt die vietnamesische Zivilbevölkerung aber nicht mehr Profil als bei anderen Autorinnen und Autoren. Eine persönlichere Sichtweise auf die vietnamesische Zivilbevölkerung würde man auf Tim Duffies Webseite Capmarine.com erwarten, da er dauerhaft in einem vietnamesischen Dorf stationiert war. Die Angehörigen von „combined action platoons“ wurden direkt in vietnamesischen Dörfern angesiedelt und lebten dort mit den Einwohnerinnen und Einwohnern zusammen. Duffie ist stolz auf seinen Sonderstatus und betont, wie wichtig ihm das Verhältnis zu Vietnamesinnen und Vietnamesen war: „CAP Veterans learned the meaning of ‚When in Rome, do as the Romans do‘. When we sat in their homes, we didnʼt cross our legs; we bowed appropriately and shook hands with both hands, and, most importantly, when we ate in their homes we never emptied our plates. We learned to always leave a little bit of food on the plate to signal that weʼd had enough. An empty plate was immediately re-supplied since the family assumed we were still hungry. The Marines and Corpsmen of the CAC/CAP units attempted to isolate the people of select villages from the ravages of the war. CAP villages were no longer targets of the indiscriminate Search and Destroy mentality so prevalent during the Vietnam War. We shared the
71 Ebd.
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risk of living in the villages 24 hours a day, thereby earning the love and respect of thousands of our villagers who simply wanted to survive a war they didnʼt want.We take great pride in the fact that we helped thousands of them do just that.“72
Die CAPMarines sind eine der wenigen Gruppen, die die Gelegenheit hatten, intensivere Beziehungen zur Zivilbevölkerung aufzubauen. In den Erinnerungen schlägt sich dies aber nicht nieder. Der Stolz auf den Respekt vor der Zivilbevölkerung heißt nicht, dass diese in den Erzählungen an Profil gewinnt. Einfache Soldatinnen und Soldaten hatten ebenfalls viele Gelegenheiten, mit Zivilistinnen und Zivilisten in Kontakt zu kommen. Vietnam war während des Kriegs relativ dicht besiedelt und die Amerikaner agierten fast immer aus befestigten Basen heraus. Auf Patrouillen war es eine der wichtigsten Aufgaben, Dörfer nach Viet Cong-Kämpfern zu durchsuchen. Immer wieder wurden Dörfer zerstört und die Bewohnerinnen und Bewohner umgesiedelt, um dem Feind die Lebensgrundlage zu entziehen. Das „strategic hamlet program“ war ein solches Umsiedlungsprojekt. Die Bewohnerinnen und Bewohner ganzer Dörfer wurden an zentralen Orten zusammengezogen und dort in stark befestigten Ortschaften angesiedelt. Nach dem Ende des Projekts im Jahr 1963 inspirierte es viele ähnliche Anstrengungen der Amerikaner.73 Die massiven Umsiedlungen und Neugründungen wurden häufig von amerikanischen Soldatinnen und Soldaten durchgeführt oder begleitet. An solche Kontakte erinnern sich die Autorinnen und Autoren aber kaum. Selbst wenn diese Unternehmen heute sehr umstritten sind, gab es Gelegenheiten, den Betroffenen zu helfen. Positive oder negative Erfahrungen aus diesen Großprojekten spielen im Quellenkorpus aber keine Rolle. Es wäre außerordentlich interessant, einen Vergleich zwischen den Erzählungen von Veteraninnen und Veteranen und den Angehörigen des „Civilian Operations and Revolutionary Development Support“ (CORDS) anzustellen.74 Diese Behörde brachte unterschiedliche Projekte, durch die das Verhältnis zur Zivilbevölkerung verbessert werden sollte, unter die Kontrolle der militärischen Kommandostruktur. Angehörige ziviler Hilfsorganisationen wurden ebenso koordiniert wie Experten aus Militär- und Geheimdienstkreisen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Programme arbeiteten eng mit Zivilistinnen und Zivilisten zusammen und ihre Erzählungen wären deshalb sehr aufschlussreich. Zivile Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeiter sucht man im Internet 72 Timothy A. Duffie: US Marines Combined Action Platoons Web Site, unter: CAPMarine, URL: http://www.capmarine.com/, Stand: 09.02.2011. 73 Vgl. Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 380. 74 Ebd., S. 67.
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vergebens. Ebenso interessant ist der Umstand, dass sich von den Soldatinnen und Soldaten des Quellenkorpus fast niemand auf die Zusammenarbeit oder den Kontakt mit solchen Personen erinnert. Vietnamesische Zivilistinnen und Zivilisten werden nur dann thematisiert, wenn sie direkt mit der militärischen Selbstkonzeption der Kriegsbeteiligten zu tun haben. Für getötete Zivilistinnen und Zivilisten gilt das Gleiche, selbst wenn sie vom Kriegsgegner getötet wurden, da die Autorinnen und Autoren kein Interesse daran haben, die kommunistische Gegenseite in ein schlechtes Licht zu rücken. Im Problembewusstsein der Veteraninnen und Veteranen sind zivile Opfer nur dann präsent, wenn sie sich mit Vorwürfen gegen die amerikanische Kriegsführung im Allgemeinen und die Handlungen der Kriegsbeteiligten im Besonderer beschäftigen. Der Veteran „Viper“ widmet den ‚Mythen‘ des Kriegs einen ganzen Abschnitt seiner Seite und bemüht sich vor allem, das berühmte Bild des von Napalm versehrten Mädchens Phan Thi Kim Phuc zu relativieren.75 Ihm geht es vor allem darum, die amerikanische Beteiligung an diesem Vorfall zu marginalisieren und die Haupttäterschaft den südvietnamesischen Streitkräften anzulasten. Für ihn ist dies aber nur ein archetypisches Beispiel, um gegen jede Behauptung vorzugehen, dass Amerikaner der vietnamesischen Zivilbevölkerung großes Leid zugefügt haben. Dass er die Veteraninnen und Veteranen gegen solche Vorwürfe verteidigen muss, ist für „Viper“ eine Selbstverständlichkeit. Er streitet solche Vorfälle nicht ab, sondern möchte betonen, dass diese in der Heimat völlig übertrieben dargestellt wurden. Der Veteran Ray Smith geht so weit zu behaupten, es hätte in Vietnam überhaupt nur zwei Vorfälle gegeben, bei denen Zivilistinnen und Zivilisten durch Amerikaner absichtlich zu Schaden gekommen seien.76 Für das Verständnis dieses Diskurses ist es wichtig zu betonen, dass die ‚Vorwürfe‘, auf die angeblich reagiert wird, nie genauer spezifiziert werden. Die Beiträge von „Viper“ und anderen Autorinnen und Autoren richten sich gegen Anschuldigungen, die für die Veteraninnen und Veteranen zu einem selbstverständlichen Teil ihrer Existenz geworden sind. Die Ehre der Veteraninnen und Veteranen ist für Autoren wie „Viper“ jedoch immer bedroht, ohne dass konkrete Vorwürfe dafür spezifiziert werden müssten. Verglichen mit den Erinnerungsseiten von Autoren sind Beiträge von Frauen nur äußerst selten zu finden. Das Gefühl der Marginalisierung richtet sich bei
75 „Viper“: Facts about the Vietnam War, unter: Vipers Vietnam Veteran Pages, URL: http://vietnam-veterans.us/popup/facts.html, Stand: 14.02.2011. Vgl. Denise Chong: Das Mädchen hinter dem Foto. Die Geschichte der Kim Phuc, Bastei Lübbe: Bergisch Gladbach 2003. 76 Ray Smith: War Myths, unter: Ray’s Web Server, URL: http://www.rjsmith.com/ war_myth.html#atrocity, Stand: 22.02.2008.
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diesen auf die amerikanische Gesellschaft und die Vietnamgeneration gleichermaßen. Oft sind es Seiten wie die von Marilyn Knapp Litt, die selbst nicht in Vietnam war, die versuchen, die weiblichen Kriegsbeteiligten zu ehren und ihnen eine Stimme zu geben.77 Neben der relativ geringen Zahl von Frauen, die in Vietnam mit dem Krieg direkt oder indirekt in Kontakt kamen, liegt dies vor allem daran, dass sich kaum gemeinsame mobilisierende Zielsetzungen in der Gegenwart entwickelt haben. Der größte Teil an Erzählungen, die sich auf Frauen in Vietnam beziehen, stammt also von den männlichen Autoren der Webseiten. Für diese sind Frauen nur in sehr spezifischen Rollen erwähnenswert. Meist sind es Krankenschwestern und die sogenannten „donut dollies“, die auf diese Weise in Erscheinung treten. Letztere waren von Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz nach Vietnam geschickte Frauen, die in Krankenhäusern oder im Feld die Truppen versorgen, ablenken und unterhalten sollten. Eine Seite, auf der sich ehemalige „donut dollies“ austauschen, definiert diese so: „Bound by its charter to provide welfare services to the able-bodied troops on duty, the American Red Cross engaged in efforts to sustain the morale of the troops in Vietnam, just as it had during the Korean War and previous conflicts. In response to a request by the military, the Red Cross sent teams of young female college graduates to Southeast Asia to conduct audience-participation recreation programs for men stationed in isolated sections of the region. For example, the recreation worker pictured above checks a GIʼs blindfold during a game at Fire Base Jamie, one of several front-line areas visited regularly by the American Red Cross.“78
Die auf Bildern festgehaltenen Erinnerungen der „donut dollies“ zeigen mit Stolz, wie sie die Kriegsbeteiligten im Feld oder im Lazarett besucht und mit einfachen Spielen oder nur durch ihre Gegenwart moralisch unterstützt haben. Dass die Männer sie auf eine ganz spezifische Art und Weise wahrgenommen haben, ist ihnen bewusst, wie ein Gedicht von Emily Strange zeigt: „Another firebase playing silly games; anything to help them remember that the ‚Real World‘ still existed and that their families were still waiting to welcome them home 77 Marilyn Knapp-Litt: All About Women in Vietnam, unter: Illyria, URL: http://www. illyria.com, Stand: 10.02.2011. Zusätzliche Informationen stammen aus einer E-Mail an den Autor vom 09.06.2011. 78 Autor unbekannt: American Red Cross Donut Dollies, unter: Donut Dolly, URL: http:// www.donutdolly.com/id23.htm, Stand: 10.02.2011.
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some greeted us at the chopper, carried our game bag, obviously thrilled to see a round eye in a skirt (these eagerly participated in our silly games).“79
In ihrer Rückerinnerung zeigt sie, dass die Männer sie vor allem als Verbindung zur Welt jenseits von Vietnam gesehen haben. Gleichzeit fühlte sie sich jedoch als interessante Besonderheit behandelt, als „a round eye in a skirt“ und damit vor allem deshalb interessant, weil sie keine Vietnamesin war. Die wenigen Sammelseiten der Frauen verweisen oft darauf, dass Veteraninnen und Veteranen ihnen heute noch Dankesbriefe für ihre Tätigkeit in Vietnam zusenden. Auf den Internetseiten des Quellenkorpus dagegen spielen diese amerikanischen Frauen keine Rolle. Stattdessen erinnern sie sich an die „pin-up-girls“, die in unterschiedlichen Formen präsent waren. Eine vietnamspezifische Variante war der sogenannte „short-timer calendar“, mit dem vor allem Soldatinnen und Soldaten die Zeit festhielten, die sie noch in Vietnam verbringen mussten. Auf der Seite des Veteranen Ern Marshall ist ein solcher aus dem Jahr 1966 abgebildet. Solche Kalender stellten meist nackte Frauen dar, deren Körper in einzelne nummerierte Kästchen eingeteilt waren. Jedes Kästchen stand für einen Tag, den der Soldat noch in Vietnam verbringen musste. Gleichzeitig stand der Kalender für das Bedürfnis, nach der Heimkehr wieder Geschlechtsverkehr mit „round eyes“, also amerikanischen Frauen haben zu können. Alle auf den Seiten bisher entdeckten shorttimer calendars bilden westliche Frauen ab. Diese Kalender waren nur ein Ritual unter vielen, mit denen der Status als „short-timer“ ausgedrückt wurde. Ein anderes Beispiel sind die sogenannten „short-timer sticks“, kurze Holzstöcke mit Kerben, auf denen jede Kerbe einen Tag repräsentierte, den der Soldat noch in Vietnam zubringen musste. Jeden Tag wurde ein Stück Holz abgeschnitten, um die verstreichende Zeit zu visualisieren.
79 Emily Strange: Men Digging In, unter: Donut Dolly, URL: http://www.emilydd.com/ Writings/writings/Digging_In.htm, Stand: 10.02.2011.
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Abbildung 28: Der „short-timer calendar“ auf der Seite von Ern Marshall hat die Form einer westlichen Frau, die vor den Ländern Nord- und Südvietnam posiert. Der letzte Tag der Dienstzeit in Vietnam ist mit „going home“ gekennzeichnet und befindet sich in der Nähe ihres Geschlechtsteils.
Quelle. Ern Marshall: Shorttimer’s Calendar – 1966, unter: The Australian Involvement in Vietnam, URL: http://www.hotkey.net.au/~marshalle/memories/STC.jpg, Stand: 03.02. 2011.
Wenn westliche Frauen auf den Seiten Erwähnung finden, werden diese respektiert, aber gleichzeitig idealisiert und stilisiert. Die Seite Remembervietnam hat den Krankenschwestern des Kriegs einen Unterabschnitt gewidmet, der als archetypisch gelten kann. Diese trugen ihren eigenen Kampf aus: „Among the American heroes serving in Vietnam were soldiers whose mission it was not to fight, but instead to comfort and heal“.80 Die Frauen sind dienende Heldinnen, werden über diese Bewunderung aber auf einige wenige Tätigkeiten reduziert, die tatsächlich Anerkennung verdienen. Entsprechend findet sich am Ende des sehr langen Abschnitts auf der Seite eine Grafik namens „angels of war“. Sie zeigt eine vielleicht aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Zeichnung einer Krankenschwester, die die amerikanische Flagge wie im Schwur an die Brust 80 Autor unbekannt: To Comfort and Heal, unter: Vietnam Nurses, URL: http:// remembervietnam.homestead.com/vietnamnnurse.html, Stand: 10.02.2011.
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gepresst hat und in eine Collage eingefügt wurde. Im Hintergrund ist die Flagge noch einmal zu sehen, ein rotes Kreuz ist sichtbar darübergelegt worden. In der linken Ecke sind zwei unscharf eingefügte Soldaten zu sehen, von denen einer verwundet zu Boden sinkt, während der andere sein Gewehr in die Höhe reckt. Abbildung 29: Eine typische Collage aus Bildbestandteilen unterschiedlicher Herkunft, die auf den Seiten zur Kommunikation unterschiedlicher Inhalte verwendet werden.
Quelle: Autor unbekannt: Wildgun, unter: Wildgun Air Cavalry, URL: http://www.wild gun1.com/, Stand: 10.02.2011, Offline seit: 21.02.2013.
Die männlichen Veteranen sind sich durchaus bewusst darüber, dass außer „donut dollies“ und Krankenschwestern noch andere Frauen im Land waren. Ihre Rückerinnerung ist jedoch so stark an ihrer militärisch-männlichen Perspektive orientiert, dass die westlichen Frauen nur dann wahrgenommen werden, wenn ihnen spezifische Aspekte zugewiesen werden können. Eine Warnung auf der Seite einer Luftkavallerie-Einheit zeigt dies deutlich: „Caution: If you were a Combat Vet, or a Nurse in Vietnam this will bring back memories“.81 Das Erzählen über die Frauen ist ganz am Selbstverständnis der männlichen Autoren als Soldaten und Veteranen ausgerichtet. Unterhalterinnen und Krankenschwestern sind folglich die Einzigen, an die erinnert wird. Die Idealisierung einzelner Berufsgruppen wird von manchen weiblichen Kriegsbeteiligten durchaus aktiv mitgetragen. Sie ist in der Realität eines Kriegs verwurzelt, in dem Kontakt mit amerikanischen Frauen aus anderen Berufsgruppen so gut wie unmöglich war. Schon zur Zeit der ersten größeren Eskalation im beginnenden Konflikt zwischen Amerika und den kommunistischen Kräften im Jahr 1965 war ein Teil der amerikanischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger abgezogen worden, um nicht zum Ziel für Anschläge zu werden.82 Die Art und 81 Autor unbekannt: Wildgun, unter: Wildgun Air Cavalry, URL: http://www.wildgun1. com/, Stand: 10.02.2011, Offline seit: 21.02.2013. 82 Vgl. Time Magazine: Foreign Relations: A Look Down That Long Road, unter: Time Magazine Online Archive, URL: http://www.time.com/time/printout/0,8816,940 916,00.html, Stand: 19.02.1965.
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Weise, wie über Frauen gesprochen wird, hat aber noch einen anderen Grund. In die „round eye women“ wurden von den männlichen Kriegsteilnehmern ganz spezifische Wunschvorstellungen hineinprojiziert, die vor allem durch Fürsorge, bedenkenlose Zuneigung und körperlich-geistig-seelische Reinheit geprägt waren. Damit konnten diese sie von einer anderen Frauengruppe abgrenzen, mit der sie eine radikal andere Beziehung verband: den Vietnamesinnen. Solche Beschreibungen scheinen den Personen oft den Status von Objekten zuzuweisen, zumindest wenn man sie mit anderen Gruppen in den Erzählungen vergleicht. Der Veteran Timothy A. Duffy berichtet auf seiner Seite über seine Beziehung zu einem kleinen Mädchen. Duffy hatte es während seiner Dienstzeit in einem Dorf kennengelernt und dann nach Jahrzehnten wieder Kontakt mit ihm aufgenommen. Das Wiedersehen in Vietnam wurde für beide zu einem Erlebnis, das Duffy auf seiner Webseite festgehalten hat.83 Solche Erinnerungen, wie Duffy sie produziert, sind eine seltene Ausnahme. Die meisten Erwähnungen ähneln der auf Gary Jacobsons Seite: „The next day a horde of entrepreneurs came out of the bushes, Vietnamese babysons [Kinder]. They hastily set up lean-to coke and beer stands for thirsty and weary GIʼs. This temporary respite from the war delivered some civility and normalcy back to the war... donʼt I look at ease in my straw hat? That is, if you donʼt notice the weapon over my shoulder“.84 Das dargestellte Bild enthält mehrere Mädchen und Frauen. Sie sind Teil des Straßenbildes und als exotische Wesen nur dann einer Erwähnung wert, wenn aus irgendeinem Grund mit ihnen interagiert werden muss. Ein anderes Bild auf seiner Seite deutet die sexuelle Beziehung zu den Vietnamesinnen an. Die Bildunterschrift lautet: „Deep in the area known as ‚The Killing Zone,‘ GIʼs try to forget about war and hate, laughing and making light conversation with new friends“.85 Die neuen Freunde sind zwei junge Vietnamesinnen, die mit drei Soldaten das Zelt teilen. Solche Situationen, in denen offen oder versteckt von käuflicher Zuneigung gesprochen wird, behandeln die Frauen wie notwendige Bestandteile einer militärischen Anekdote. In der Bildersammlung von Howard Kramer sind die Hinweise deutlicher, die Person wird dabei als Teil der gesichtslosen Masse der Vietnamesinnen und Vietnamesen marginalisiert: „More of the locals. I think she cleaned the barracks ... that and probably a few other things“.86
83 Timothy A. Duffie: I Keep it In My Heart and Wait for You, unter: CAPMarine, URL: http://www.capmarine.com/capvet/heart.pdf, Stand: 09.02.2011. 84 Gary Jacobson: Namtour Part 3, unter: Vietnam War Picture Tour and Poetry, URL: http://pzzzz.tripod.com/namtour3.html, Stand: 07.02.2011. 85 Ebd. 86 Howard Kramer: My Picture Pages, unter: Vietnam Sniper, URL: http://www. vietnamsniper.com/people.asp, Stand: 10.02.2011.
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Prostitution wird meist nur angedeutet, dann aber als humorvolle Gewöhnlichkeit, die keiner weiteren Erklärung bedarf. Die Prostituierten werden durch unterschiedliche Phrasen entpersonalisiert. Am verbreitetsten ist der Begriff des „boom boom girls“: „We did however avail ourselves of the services of several boom boom girls, then returned safely to Camp Radcliff. November 4th found our platoon at LZ Scheuller, about 11 miles west of Camp Radcliff on Highway QL19E. We had been placed OPCON (OPerational CONtrol) to the 1st Bn (Mechanized) 50th Infantry, who were themselves OPCON to the 173rd Airborne. The 1st/50th was originally part of the 3rd BDE of the 4th Infantry, as were we.“87
Geschlechtsverkehr war durch das große Gefälle der finanziellen Möglichkeiten zwischen Einheimischen und Amerikanern leicht käuflich zu erwerben. Neben den „boom boom girls“, die in Bordellen oder im Feld angetroffen wurden, gab es die „hooch maids“ genannten Zimmermädchen, die sich durch amerikanische Währung leicht anwerben ließen. Bezahlter Sex mit den „hooch maids“ ist ein seltener Bestandteil von Kriegsanekdoten und zieht keine moralischen Reflexionen nach sich. Dieser Umgang mit dem Thema untermauert die Identität als ExSoldaten, da solche Erfahrungen keiner Erklärung bedürfen und als selbstverständlich angenommen werden. Gewalt durch und gegen Frauen wird auf den Seiten völlig ausgeblendet. Die nichtvirtuellen Erinnerungen des Kriegs überliefern eine Fülle an urbanen Sagen über weibliche Guerillas, die Sexualität als Waffe gegen die Amerikaner einsetzten. Der Mord während oder nach dem Beischlaf gehört hierzu ebenso wie die Behauptung, als Prostituierte getarnte Viet Cong würden sich absichtlich mit Geschlechtskrankheiten anstecken oder Glassplitter in ihre Vagina einführen.88 Da die Kriegsgegner ihre negativen Aspekte fast völlig verloren haben, ist diese Variante der Kriegsgeschichte aus der Erinnerung der Kriegsbeteiligten verschwunden oder wird nicht auf die Webseiten übertragen. Gleiches gilt für Entmannungsängste und die Angst vor Frauen als Überträgern ansteckender Geschlechtskrankheiten oder für das Thema der Vergewaltigung. Weder dem Feind, den Verbündeten oder den eigenen Kameradinnen und Kameraden werden solche Taten zugeschrieben. Frauen sind scheinbar unberührbar, solange sie nicht als Prostituierte identifiziert werden. Die Männergemeinschaft auf den Seiten hat scheinbar kein Bedürfnis danach, sich mit den Frauen der Vergangenheit 87 Ray Smith: Road Security, unter: Ray’s Web Server, URL: http://www.rjsmith.com/ mytour06.html, Stand: 22.02.2008. 88 Vgl. Mark Baker (Hg.): NAM: The Vietnam War in the Words of the Men and Women Who Fought There, Cooper Square Press: New York, NY 2001, S. 147.
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auseinanderzusetzen. Interessanterweise sind die wenigen Frauen, die sich im Quellenkorpus äußern, durchaus daran interessiert, selbst als Vietnamveteraninnen wahrgenommen zu werden. Sie haben den Begriff erweitert, um sich einschließen zu können, da ihre Probleme und Themen der Gegenwart sich mit denen der Männer zu überlappen scheinen. Im Gegenzug ist die Personengruppe, der sie wohl während des Kriegs viele Wunschvorstellungen widmeten, heute nur noch von marginalem Interesse. Betrachtet man den Umgang der Seitenautorinnen und Seitenautoren mit allen Personen, die sie mit dem Vietnamkrieg in Verbindung bringen, fallen mehrere Punkte ins Auge. Im Rückblick haben die Erzählerinnen und Erzähler klare Hierarchien erstellt, die festlegen, welche Personengruppen wirklich bedeutend für sie sind. Dieser Diskurs wird noch stärker als die anderen hier erwähnten von den männlichen Soldaten des Kriegs bestimmt und für diese stehen die eigenen Kameraden in jeder Hinsicht an erster Stelle. Die weiblichen Kriegsbeteiligten werden von ihnen respektiert, solange sie in bestimmten Rollen erinnert werden können. Während die Krankenschwestern deshalb immer wieder gelobt werden, findet sich über Journalistinnen nicht einmal eine Erwähnung. Die deutlichste Trennung ist jedoch durch den jeweiligen Kulturkreis bestimmt. Während die US-Amerikaner australische Veteranen als gleichberechtigte Kameraden ansehen, sind alle Kriegsbeteiligten aus Südostasien viel weniger bedeutend. Ihre Rolle im Verlauf des Kriegs wird ebenso gering geschätzt wie ihr Anrecht auf Wertschätzung und Respekt. Dabei bedienen sich die Autorinnen und wie erwähnt vor allem die Autoren aber meist keiner ablehnenden Haltung, sondern ignorieren diese Gruppen in ihren Erzählungen entweder, oder behandeln sie als ‚Statisten‘, die für die Haupthandlung notwendig, aber nicht zentral sind. Militärische Bande reichen in diesem Fall nicht über die Grenzen der westlichen Welt hinaus und selbst wenn den ehemaligen Viet Cong Respekt entgegengebracht wird, ist ihre Stellung in der Gesamterzählung nur sehr selten eine zentrale. Dieser Gesamtüberblick über die nacherzählten Beziehungen zu unterschiedlichen Personengruppen lässt sich mit den Eigenschaften des Kriegseinsatzes in Vietnam nicht in Einklang bringen. Oft scheinen sich die Kriegsbeteiligten während des Konflikts in einem Raum bewegt zu haben, in dem sie sich leicht von anderen separieren konnten.
ʼNAM: Räume Für Soldatinnen und Soldaten, die sich selbst als „boots“ oder „grunts“ bezeichnen, ist es selbstverständlich, dass ihre direkte physische Umgebung und die
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Räume, durch die sie sich bewegt haben, eine besondere Rolle spielte. Das Verhältnis zwischen Front und Etappe wurde bereits angesprochen, die Beziehung des Kriegsbeteiligten zu den Räumen der Vergangenheit geht aber weit darüber hinaus. Gelände kann Terrain sein, also Ziel einer im militärischen System eintrainierten Sichtweise, die die Handlungen darin von vornherein bestimmt. Das Gelände als Kriegslandschaft dagegen wird nicht beherrscht und instrumentalisiert, sondern beeinflusst die eigenen Handlungen und die Sichtweise auf den Krieg. Die Stationierungsorte schließlich sind bis heute ‚Gedächtnisanker‘, an denen sich die Erzählerinnen und Erzähler orientieren, über die sie sich mit anderen vernetzen, die aber wie alle Erinnerungen einem starken Selektionsprozess unterworfen sind. Der Umgang mit solchen Räumen ist umso wichtiger für die Autorinnen und Autoren, da das ‚raumlose‘ Internet keine klaren Grenzlinien für ihre Narrative bietet. Der Rückgriff auf Artefakte, die für sie bereits während des Kriegs als Orientierungspunkte dienten, lässt sich daraus erklären. Wenn die Umgebung im Sinne strategischer Planungen und taktischer Überlegungen betrachtet und analysiert wird, spricht man im Allgemeinen nicht von einer Landschaft, sondern von Terrain.89 Das Sprechen über Terrain und die direkte physische Umgebung lässt sich unter mehreren Oberbegriffen zusammenfassen: Hindernis, Wegmarke, Gebiet und Sicherheitszone. Das bekannteste Hindernis beim Sprechen über Vietnam ist der Dschungel, der unter anderem deshalb als gefährlich eingeschätzt wurde, da meist nur wenige verlässliche Wegmarken darin existierten. Im komplexen Konflikt Vietnam war dieser aber nur ein Hindernis unter vielen. Eine umfangreiche Bilderserie mit Kommentaren auf der Seite des Veteranen Floyd Richards kann hier als Beispiel dienen.90 Richards erwähnt mehrfach den Dschungel, z.B. bei der Evakuierung eines verwundeten Kameraden. Die Bilderserie zeigt ihn und seine Kameraden aber in unterschiedlichem Terrain. Sie versammeln sich um Panzer in gebirgigem Gelände, rasten unter Palmen, durchkämmen einen leicht bewaldeten Hügel oder fahren mit Transportern über Sandstrände. Hindernisse, die nur unter Strapazen durchquert werden konnten, sind mit großer Wahrscheinlichkeit stärker im Gedächtnis geblieben und entsprechend ist das Terrain auf Floyds Seite vor allem ein Hindernis, das überwunden werden muss. Als solches haben sich die Terraintypen mit der Zeit aber längst einander angenähert. In ihrer Schwierigkeit und ihren Anforderungen scheinen sie zu einer einzelnen „Gattung Hindernis“ zusammenzuschmelzen. 89 Das Terrain im Sinne militärischen Kriegsalltags hatte während des Vietnamkriegs einen eigenen militärischen Aufgabenzweig: den „terrain analyst“ mit der „military occupational specialty“ (MOS) 51Q. 90 Floyd Richards: Fire Support, unter: Floyd’s Homepage, URL: http://home.att.net/~ piodet46th/pages.htm#top, Stand: 18.11.2010, Offline seit: 07.02.2011.
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Der Dschungel hat sich in vielen Erzählungen zu einer wichtigen Repräsentationsfigur dieser Gattung entwickelt. Den Krieg mit wenigen solcher symbolischen Figuren repräsentieren zu können, ist für die Seiten unter anderem auf ästhetischer Ebene wichtig. Die Werbe- und Verkaufsseite des Sängers „Sarge“ Lintecum heißt entsprechend „Sarge’s Jungle“. Hier macht er für seine „Jungle Radio Show“ Werbung und verkauft seine Audio-CDs und Kassetten mit Vietnamliedern.91 Der Dschungel ist bei ihm nicht nur als digitalisierte Bambusrohre im Hintergrund der Seite präsent, sondern ein wichtiger Bestandteil seiner Lieder. Andere Seiten im Quellenkorpus gehen ähnlich vor und verzieren ihre Bilder entweder mit stilisierten Bambusrohren oder dichten Büschen. In ihren Erzählungen ist der Dschungel meist mit dem schon beschriebenen Strapazendiskurs verknüpft. Er steht für die Belastungen des Kriegsalltags, für die Unsicherheiten des Einsatzes an der Front und für eine den US-Amerikanern fremde Landschaft, an die sie sich erst nach und nach gewöhnen konnten. Betrachtet man die vielfältigen Aufgaben, die eine Veteranin oder ein Veteran in Vietnam übernommen haben konnte, lassen sich solche Darstellungen relativ schnell als nachträgliche Vereinfachungen erkennen. Diese bedeutet für die Autorinnen und Autoren jedoch wieder, dass die Erfahrung der Frontsoldaten zu ‚der‘ Vietnamerfahrung verallgemeinert werden kann. Für andere Hindernisse wie die Sümpfe des Mekongdeltas gelten diese Aussagen ebenso, selbst wenn diese weit weniger Bedeutung haben. Während solche Hindernisse meist durch ihre Unübersichtlichkeit definiert sind, spielen unterschiedliche Wegmarken auf den Webseiten eine wichtige Rolle, da mit ihrer Hilfe damals wie heute eine bessere Orientierung möglich war und ist. Sie konnten sich aus der Alltagspraxis der Kriegsbeteiligten ebenso entwickeln wie aus den offiziellen strategischen Karten des Militärs. Viele von ihnen, die bis heute auf den Seiten eine Rolle spielen, haben über den militärischen Kontext hinaus Bedeutung erlangt. Ein Beispiel für eine solche Wegmarke ist die „Rockpile“, eine steinige Erhebung in der Nähe der der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südvietnam, an der einige der heftigsten Kämpfe des Kriegs stattfanden. Allgemeine Bekanntheit erlangte sie während des Kriegs durch einen Artikel im Time Magazine aus dem Jahr 1966.92 So wurde sie durch die dort ausgetragenen Kämpfe zur Legende. Mit ähnlichen Orten wurde auf vergleichbare Weise verfahren. Alles was für die nachträgliche Mythologisierung einer solchen Wegmarke notwendig sein kann, ist ihre Nützlichkeit für den nar-
91 Sarge Lintecum: Welcome to Sarge’s Jungle, unter: Vietnam Blues Combat Tested for Peace, URL: http://vietnamblues.com/, Stand: 06.08.2010. 92 Time Magazine: South Viet Nam: The Rockpile, unter: Time Magazine Archive, URL: http://www.time.com/time/printout/0,8816,842866,00.html, Stand: 07.10.1966.
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rativen Umgang mit verschiedenen Aspekten des Vietnamkonflikts. Die „Rockpile“ oder „Hamburger Hill“ (Hügel 937), der im Jahr 1969 trotz geringen strategischen Werts immer wieder unter großen Verlusten berannt wurde, stehen beide für spezifische Aspekte des Kriegsgeschehens. Durch ihre Erwähnung können die Erzählerinnen und Erzähler nicht nur mit einem kurzen Hinweis den ungefähren Ort ihrer Stationierung bekannt geben. Diese Wegmarken dienen außerdem dazu, Inhalte in anderen narrativen Räumen zu verorten. Heute sind sie vor allem dann erwähnenswert, wenn die Inhalte der eigenen Erzählungen mit den Aspekten übereinstimmen, mit denen die Wegmarke in Verbindung steht. Auf der Seite des Veteranen Dale Summer findet sich ein Beispiel für die Verwendung einer Wegmarke zur Lokalisierung von Erzählungen.93 Der Veteran Ron Martz berichtet über einen Soldaten, der seit Jahrzehnten verschwunden ist: „On that day Jackson was a 21-year-old rifleman serving with Lima Co., 3rd Battalion, 4th Marines. Lima Co. was on a remote hilltop known as Fire Support Base Russell in northern I Corps northwest of the Rockpile near the DMZ. Scene of some fierce, deadly fighting over the previous year, Russell was being abandoned. This was to be its last day in friendly hands. Demolition charges were being wired to blow the bunkers and trench lines and excess powder bags for the 105mm artillery pieces were being dumped in a pit to be burned.“94
Die Heranziehung der „Rockpile“ zur Lokalisierung scheint auf den ersten Blick relativ banal zu sein. Tatsächlich zeigt sich hier aber eines der größten Bedürfnisse in den Praktiken der Nacherzählung. Viele der Lager, in denen die Soldatinnen und Soldaten Dienst taten, waren kaum mehr als vorübergehende Notlösungen, deshalb werden im Nachhinein unverwechselbare Landmarken zur Erfüllung des Bedürfnisses nach Verortung der eigenen Erfahrung herangezogen. Durch solche Zuweisungen wird den Erzählerinnen und Erzählern ein geografisches Vokabular zur Verfügung gestellt, mit dem sie Gemeinsamkeiten aufdecken und als Experten miteinander kommunizieren können. Erzählungen wie die von Martz verwenden die „Rockpile“ jedoch ebenfalls wegen ihrer Wertigkeit als Ort harter Kämpfe. Der Verlust des Kameraden wird durch die „Rockpile“
93 Dale Summers: A Tribute to Our Vietnam Vets and Our POW/MIA’s, unter: 44 Summers Web – My Tribute, URL: http://www.summerswebnet.com/mytribute/mytrib. htm, Stand: 09.02.2011. 94 Ron Martz: The Strange Disappearance of Lance Cpl. James W. Jackson Jr., unter: 44 Summers Web – My Tribute, URL: http://www.summerswebnet.com/mytribute/ jjacksondisap.htm, Stand: 09.02.2011.
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ebenso eingeordnet wie durch die demilitarisierte Zone. Beide Erwähnungen betonen die Gefahr, denen der Soldat in diesem Gebiet ausgesetzt war und sind deshalb ebenso räumlich wie emotional zu verstehen. Durch diese Doppelbedeutung sind viele solcher Wegmarken wichtige Stationen auf den Reisen von Kriegsbeteiligten nach Vietnam. Größere örtliche Einheiten und Landschaften dienen vor allem dazu, die eigene Kriegserfahrung innerhalb des Gesamtkonstrukts ʼNAM zu verorten, fallen in ihrer Bedeutung aber hinter die Wegmarken zurück. Ob der Soldat im Mekongdelta Südvietnams oder auf der Ebene der Tonkrüge in Laos einen Einsatz erlebt hat, ist als Beschreibung nur ein erster Schritt der Verortung, auf den weitere folgen müssen. Sicherheitszonen waren im Krieg ohne Fronten selten und deshalb besonders wertvoll.95 Als Teil der Dualität von Front und Etappe werden sie in diesem Abschnitt noch genauer behandelt. Die beschriebenen Ortsaspekte scheinen auf den ersten Blick relativ banal zu sein. Es gibt sie in jedem Krieg und sie sind deshalb keine Ausnahmeerscheinung des Vietnamkonflikts oder der virtuellen Erinnerung. Auf den Seiten des Quellenkorpus nehmen sie jedoch eine wichtige Rolle ein, da sie das Fundament für viele Kriegserzählungen sind und da sie die Orientierung in den rein virtuellen Erzählungen erleichtern. Gleichzeitig bleiben sie in der Nacherzählung sehr vage und sind zu kaum greifbaren Konzepten geworden, die sich die Leserschaft aus den Berichten oft nur schwer erschließen kann. Vielleicht gehen gerade deshalb viele Veteraninnen und Veteranen den Weg der Informationssammlung, da sie sich ebenfalls plastischere Informationen über das Terrain ‚ihres‘ Kriegs zurückwünschen. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Eigenschaften des Internets und des Erzählens darin die Verwendung solcher ‚Erinnerungsanker‘ nahe legen. Bild und Text, die von den Autorinnen und Autoren am meisten verwendet werden, konstruieren oft eine relativ chaotische Nacherzählung, für deren Verortung solche Orientierungspunkte äußerst hilfreich sein können. Dies setzt wiederum ein gewisses Maß an Vorwissen bei den Besuchern voraus. Das Konzept der Kriegslandschaft als modernes, spatiales Theoriekonzept wurde von dem Psychologen und Soldaten Kurt Lewin entwickelt. Während eines Lazarettaufenthalts schrieb er einen Artikel über die Realitäten auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs und wie diese mit der Wahrnehmung und Landschaftsvorstellung der Kriegsbeteiligten interagierte.96 Lewin unterscheidet klar zwischen Kriegs- und Friedenslandschaft. Beide Konzepte beeinflussen die Vorstellung und Handlungen derer, die sich darin bewegen und werden durch 95 Greiner, Bernd: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam, Hamburger Edition: Hamburg 2007. 96 Vgl. Kurt Lewin: Kriegslandschaft, in: Zeitschrift für angewandte Psychologie Nr. 5-6, 12 (1917), S. 440-447.
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deren Handlungen und Vorstellungen gleichzeitig konstituiert. Das Kriegsgeschehen gibt der Landschaft eine Richtung (zur Front oder zur Etappe), Sicherheitszonen wie Dörfer können schnell zu Gefahrenzonen werden, Hügel bieten Deckung und Häuser behindern Angriffe als ‚Artillerieverdeckung‘. Manche Handlungen, die in einer Friedenslandschaft nur schwer vorstellbar wären, sind in der Kriegslandschaft Teil des Kriegsalltags. Typische Beispiele dafür sind die Tötung von Tieren, die nicht dem Feind in die Hände fallen sollen oder die zwangsweise Requirierung unterschiedlicher Güter. Diese Konzepte wurden nicht nur für die wissenschaftliche Betrachtung von Kriegsphänomenen verwendet, sondern haben unter anderem die allgemeine Landschaftstheorie und die Erforschung des Sprechens über Landschaften beeinflusst.97 Die Landschaft Vietnams war als Kriegslandschaft unberechenbar und voller überwältigender Schocks. Der sogenannte „thousand yard stare“, das geschockte, teilnahmslose Starren in die Ferne, galt als deutlichen Zeichen dafür, dass sich der Soldat in der Kriegslandschaft ʼNAM zu verlieren begann. „From early adults, one tour of combat in the ‚Nam‘ could age the mind and the soul in a short period of time. The expressionless look on this soldiers face is what we as Combat Vets called the ‚Thousand Yard Stare!‘“98 ʼNAM ist nicht das Äquivalent von Vietnam, sondern eine aus diesem Ort und der Kriegshandlung entstandene Kriegslandschaft, in der sich die Soldatinnen und Soldaten bewegten und die direkt auf ihre Einstellungen und Handlungen zurückwirkte. Der Veteran Ray Russo macht die besonderen Eigenschaften der Kampfzone dafür verantwortlich, dass er und seine Kameraden in Vietnam sogenannte „death cards“ einsetzten: „The 1st Air Cav wanted to be Sure Sir Charles was aware of what unit sent Charles on to the Great Beyond. The Death Cards definitely delivered the message Loud and Clear to Sir Charles. There where some feeble attempts by Ring-Knockers in S-5 to discourage the use of Death Cards in country but they never got anywhere. Some of the Tango boats used the cards, the boats used cards down in IV Corps (The Delta) and in the Iron Triangle. The Kit Carsons said the death cards made Sir Charles dinky dau. If you were in the Cav you knew when they started to pass out the Comics and the Monday Pills, a Eagle flight was sure to follow, and it didnʼt matter if it was a insert or zippo raid you knew the **** was going to hit the fan. In Country (ʼNAM) was like the Twilight Zone gone Berserk!
97 Vgl. z.B. Albrecht Lehmann: Reden über Erfahrung: Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Reimer: Berlin 2007, S. 156. 98 „Bammo“: Viet Nam Grunt, unter: Bammo’s Bunker, URL: http://d21c.com/Bammo/, Stand: 24.03.2008, Offline seit: 01.08.2010.
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For all those who ‚Walked The Walk and Talked The Talk‘ there was only one goal and that was to get back to the World.“99
Russo beschreibt die Anwesenheit „in country“ als Existenz in einer unwirklichen Dimension, die Wahnsinn generierte und erst möglich machte. Die Todeskarten wurden neben getötete Feinde gelegt oder den Leichen in den Mund gesteckt. Die ortskundigen Helfer, die oft Überläufer waren, versicherten im die Effektivität dieser Praktik. Sein letzter Satz weist darauf hin, dass nur die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Konflikt diesen Aspekt der Kriegslandschaft wirklich nachvollziehen können. Ihre bedeutendste Auswirkung war es, bei den Kriegsbeteiligten das Bedürfnis hervorzurufen, die Kriegslandschaft möglichst schnell hinter sich lassen zu können. Die Kriegslandschaft wird jedoch ebenfalls durch ihre Grenzen konstituiert und all das, was hinter diesen liegt. In den Nacherzählungen gewinnen alle Gebiete jenseits dieser Grenzen einen ganz neuen Stellenwert. Jenseits des Surrealen lag die „World“, die ‚echte‘ Realität, die den überhöhten Hoffnungen und Sehnsüchten nach dem Krieg oft nicht gerecht werden konnte. Wie stark die Autorinnen und Autoren diesen Übergang empfanden, zeigt folgende Geschichte von Ray Russo, der von einer Feier mit seinen Kameraden berichtet: „J--- and I started on another tour when L--- suddenly appeared fully dressed with the claim that he ‚couldnʼt sleep with a strange girl in the room. Iʼm too short for that sort of thing‘. We found ourselves standing in the middle of the original party area in from of the company; it looked like the morning after Gettysburg, littered with garbage, food, beer cans and bodies. The party was atrocious, the super gross-out of the whole year. Finally about three in the morning everything calmed down, everyone else had passed out, and the three of us were sitting in front of the OR with SSG [staff sergeant] W---, a tall black NCO [non-commissioned officer] who was the last vestige of authority left in the company, watching the lights of Saigon glow in the sky over the rolling hills in front of us. The Christmas truce was on and there werenʼt any choppers flying around like there usually were, and even the sky was dark without the orange glow of flares. None of the usual night sounds of the war could be heard – no distant artillery, no planes flying over, no convoys going by on the highway. The stars were bright and close and it was like a warm summer night back in the world. At the end, about four, we all talked ourselves to death and dragged ourselves off to bed.“100
99
Ray Russo: Ray Russo / Debbie Russo Page, unter: America Post 678, URL: http:// www.vva678.net/Ray-Russo-Home-Page.html, Stand: 21.02.2013. 100 Dennis Mansker: War Stories: Christmas at TC Hill, unter: Chairborneranger, URL: http://www.chairborneranger.com/storyxmas68.htm, Stand: 09.02.2011.
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Sein Freund kehrte angekleidet von einem Besuch bei einer Prostituierten zurück. Er könne, so sagt er, mit diesem seltsamen Mädchen nicht schlafen. Als „short-timer“, der nur wenige Tage in Vietnam verbringen musste, spürte er bereits den Übergang in die Friedenslandschaft, in der solche Handlungen nur sehr schwer vorstellbar zu sein schienen. Ohne den Kampflärm war es – wie hier während des Waffenstillstands in den Weihnachtsfeiertagen – durchaus möglich, Ähnlichkeiten zwischen „World“ und ʼNAM festzustellen. Auf die Vorstellungen von den eigenen Handlungsmöglichkeiten wirkte sich dies jedoch kaum aus. Das Gegenteil der Kriegslandschaft wurde und wird als Ort des Überflusses dargestellt, als „land of the big PX“, sinngemäß übersetzt als Land des großen Einkaufsmarktes, in dem alles im Überfluss vorhanden war.101 Die „post exchange“ war der zentrale Ort, an dem die Soldatinnen und Soldaten Konsumgüter einkaufen konnten. Er erinnerte an den Überfluss der Heimat und schien gleichzeitig eine Repräsentation des Amerikas zu sein, in das sie sich zurückwünschten. Was hier auffällt ist, dass die Erzählerinnen und Erzähler flexibel zwischen den verschiedenen Begriffen hin- und herwechseln. Der namenlose Veteran der Seite It’s just a Nam Thing hat eine Kurzbiografie seines Aufenthalts in Vietnam verfasst. Das Ende seiner Tour kommt überraschend: „After being wounded a few cliks [eigentlich: klick, der militärische Ausdruck für Kilometer] from Hue City in 68, I was medivaced to Phu Bai, then DaNang, and the to Yokosuka, Japan...Spent 6 weeks there then shipped to Okinawa and back to the world...my last duty station was back at Parris Island...Again my MOS was changed to 0141...they stuck me in Regimental Headquarters filing papers.“102
Nach seiner Genesung ändert sich seine „military occupational specialty“ (MOS) die Aufgabenzuteilung innerhalb der Streitkräfte) und er wird in die Verwaltung versetzt. Den Weg dorthin zeichnet er mit Ortsangaben nach: Phu Bai und Da Nang in Vietnam, Yokusuka und Okinawa in Japan und schließlich Parris Island in den USA. Die Grenze zwischen Fremde, Kriegslandschaft und der ‚wirklichen‘ Welt ist erst überschritten, als er das amerikanische Festland betritt. Die Erfahrungen und Möglichkeiten der Kriegslandschaft erzeugen in den Erzählungen Grenzen, die in ihrer Schärfe nur von den Kriegsbeteiligten selbst erfasst werden können. Diese Zuordnungen verschwimmen erst dann, wenn die Veteraninnen und Veteranen ins Land ihrer Dienstzeit zurückkehren. Der Katharsis, die großen 101 Vgl. Gustav Hasford: The Short-Timers, Century: New York, NY 1985, S. 95; Ray Smith: Departure, unter: Ray’s Web Server, URL: http://www.rjsmith.com/mytour 09.html, Stand: 22.02.2008. 102 Autor unbekannt: Just My Story, unter: It’s Just a Nam Thing, URL: http://itsjusta namthing.com/, Stand: 19.04.2010, Offline seit: 23.02.2011.
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Veränderungen zwischen damals und jetzt zu beobachten, werden von manchen der Autorinnen und Autoren starke therapeutische Kräfte zugeschrieben. ʼNAM als Kriegslandschaft lässt sich dort nicht wiederfinden. Die Stationierungsorte der Soldatinnen und Soldaten sind deshalb in den Erinnerungen der Kriegslandschaft scheinbar entrückte Realitäten, deren scharfe Abgrenzung vom Kriegsgebiet in den Darstellungspraktiken deutlich zutage tritt. Auf der Seite des Gia Vuc A-camp kurbelt ein stilisierter Soldat an einem Feldtelefon und fordert die Besucherinnen und Besucher auf: „get in touch.“ Neben ihm öffnet sich ein animierter Briefumschlag, ein Brief wird eingeführt und der Umschlag verschwindet nach rechts. Die zentrale Aufgabe der Seite wird ebenfalls klar definiert: „The Gia Vuc webite is in it’s 13th year and many team members still need to be contacted so please spread the word and send us your photos and stories“.103 Der Ort der Stationierung ist für manche Veteraninnen und Veteranen ihr zentraler Erinnerungsanker. Die von einem oder einer Unbekannten erstellte Seite dient als Informationszentrum für alle, die sich bis heute diesem Lager zugehörig fühlen. Meist werden alle Informationen, über die die Veteraninnen und Veteranen verfügen, an einem Ort zusammengetragen. Das Gia Vuc A-camp hat entsprechend einen „map room“, Abschnitte mit Fotografien des Camps aus verschiedensten Blickwinkeln und gibt den Besucherinnen und Besuchern die genauen Koordinaten des Camps in geografischer und militärischer Schreibweise bekannt: „Quang Ngai Province, Ba To district 15° 43ʼ N – 108° 05ʼ E AT879396 or 81483834.“104 Ein wichtiges Projekt war der Nachbau eines Raums, dessen Details die Kriegsbeteiligten mithilfe ihrer Seite zusammengetragen haben: „Now if you have study the photos above you will have notice many original details as per Bill and Gary e-mails: Shot gun, code books small safe box with, phosphorous grenade next to it, clock, Diana pad, pin ups, tape recorder, field telephone, various signs etc, also check out the roof on the photos.“105
103 Virgil Carter: Welcome to the Gia Vuc Website, unter: Gia Vuc Camp, URL: http://www.gia-vuc.com/WELCOME-TO-GIA-VUC.htm, Stand: 21.02.2011. Am 04. 01.2013 hatte der Autor den Eintrag mit dem Hinweis entfernt, er hätte zu viele unerwünschte E-Mails erhalten. 104 Virgil Carter: Map Room, unter: Gia Vuc Camp, URL: http://www.gia-vuc.com/ joint_operations_map.htm, Stand: 21.02.2011; Virgil Carter: The Camp, unter: Gia Vuc Camp, URL: http://www.gia-vuc.com/GIA-VUC-CAMP.htm, Stand: 21.02.2011. 105 Virgil Carter: Commobunker Display, unter: Gia Vuc Camp, URL: http://www. gia-vuc.com/commobunker/display07.html, Stand: 21.02.2011.
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Der Aufbau des Funkraums, in dem viele der Soldatinnen und Soldaten immer wieder Wache halten mussten, wird ebenso detailliert erklärt wie die vielen Artefakte, die rekonstruiert wurden. Die Schrotflinte wurde für Angriffe bereitgehalten, um Gegner am Eindringen zu hindern und die Phosphorgranate sollte im Notfall benutzt werden, um die Codebücher zu zerstören. Ergänzt wird die Darstellung des Nachbaus durch Tonbandaufnahmen aus der Vietnamzeit. Wenn Details fehlen, ist dies für die Autorinnen und Autoren ein großes Problem, da sie Spekulationen und ungenaue Rekonstruktionen möglichst vermeiden wollen. Anderen Bestandteilen des Camps wird ähnlich viel Platz eingeräumt und die virtuelle Tour der Seite führt die Besucherinnen und Besucher durch die einzelnen Gebiete des Lagers: „fortifications, surrounding area, acces road, outer perimeter, administration area, inner perimeter.“106 Der Umgang mit der Kriegslandschaft und diesen Stationierungsorten scheint in solchen Erzählungen und Darstellungen im Netz nicht wirklich anders gehandhabt zu werden, als dies in anderen Kontexten der Fall wäre. Was dabei auffällt ist, dass die Übertragung ins Netz die Bedeutung von räumlichen Metaphern und Beschreibungen stark erhöht. Der virtuell konstruierte Raum wird der Besucherin oder dem Besucher so vorgeführt, als könne er ihn wie eine museale Umgebung durchschreiten. Dabei ist er oder sie nicht frei, sondern wird durch die Kommentare der Autorinnen und Autoren durch den ‚Raum‘ geführt. Solche virtuellen Rekonstruktionen und Referenzen müssen mit der Auflösung des Raums im Netz umgehen und tun dies, indem sie die Chancen dieser virtuellen Raumdarstellungen für ihre eigenen Zwecke einsetzen. Manche Bereiche lassen schnell erkennen, dass Sammeln zum Selbstzweck werden kann. Viele Karten sind unleserlich, viele der Videos so verwaschen, dass sie kein Detail mehr erkennen lassen. Dass die Autorinnen und Autoren solchen Erinnerungsstücken trotzdem einen großen Wert beimessen, ist nicht auf die Seiten über die Stationierungsorte beschränkt. Vor allem viele Marschkarten sind durch die intensive Benutzung sowie durch den Lauf der Zeit verblasst und ohne Kontextwissen nicht zu lesen. Dennoch gibt es kein Überbleibsel der Vergangenheit, dem nicht ein großer Wert zugemessen wird: „If for any reason you ever wanted to part away with bring backs or anything relating to Gia Vuc and its Ateams, please get in touch, Top price will be paid! [email protected] [Adresse unkenntlich gemacht].“107 Die Stationierungsorte waren für die Soldatinnen und Soldaten Rückzugsgebiete, in denen ein großer Teil ihres sozialen Lebens stattfand und an die ihre 106 Virgil Carter: Virtual Tour, unter: Gia Vuc Camp, URL: http://www.gia-vuc.com/ virtual%20camp/gv%20virtual%20tour.html, Stand: 21.02.2011. 107 Virgil Carter: Buying, unter: Gia Vuc Camp, URL: http://www.gia-vuc.com/buying. htm, Stand: 21.02.2011.
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Erinnerungen an viele Kameradinnen und Kameraden gebunden sind. Das Lager (und damit wie beschrieben die Etappe) ist ein zentraler Ort der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Manche Aspekte können aber nur gemeinsam rekonstruiert werden. Seiten wie die des Veteranen Joe Moore sind ein Kompromiss zwischen einer Kollaboration unter Gleichberechtigten und der Erstellung einer Seite, die sich nur auf die Perspektive einer Einzelperson konzentriert.108 Die Ortsseiten ermöglichen es, kollaborativ zu erinnern, ohne dass der Schöpfer und Verwalter der Seite Kompetenzen delegieren muss. Entscheidend ist für diese Prozesse jedoch, dass sie immer vor Publikum ablaufen. Die ‚Zeugenschaft‘ der Internetnutzerinnen und -nutzer ist immer präsent, wenn es darum geht, solche gemeinsamen Konstruktionen nicht nur zu erstellen, sondern kollektiv zu bewerten. Durch Utilitarismus allein lässt sich aber nicht erklären, wieso manche Orte in der Erinnerung der Veteraninnen und Veteranen so eine große Rolle spielen. Oft ist es die Kombination aus großer Nähe zu anderen Soldatinnen und Soldaten und prägenden Ereignissen, die die Verbindung zu den Stationierungsorten so intensiv werden lässt. Ein Beispiel dafür sind Seiten über das Schicksal der Basis in Khe Sanh. Während der TET-Offensive im Jahr 1968 wurde diese von nordvietnamesischen Truppen belagert und geriet unter heftigen Artilleriebeschuss. Eine Erzählung und ein Gedicht auf der Seite Khe Sanh Combat Veterans beschäftigen sich mit diesen Erinnerungen: „BROʼS Names appear out of the past, For hours my heart beats fast. First comes the joy Iʼve found, some one who was once lost! Then memories flood my mind, again I see the flash and feel the blast. Depression and pain I feel, an emptiness in my chest. What happened to the rest? Where is Frenchy, Coffey, Crow and Cann. Marines from Recon and 1-26 move through my mind double time. Rockets, mortars, artillery blast, sand bags seep red, blood mixed with read clay. 108 Joe Moore: Start Page for Can Tho Army Airfield Photo Album, unter: Can Tho Vietnam, URL: http://www.cantho-rvn.org/, Stand: 19.02.2013.
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Holes in the runway, must replace, sections ripped to shreds. Iʼm caught in the past, nowhere to run, canʼt hide. See the flash? Feel the blast? Whoʼs in that bag, zipped foot to head? Is it me or one of my Bro? My dream is over, my eyes were never shut. Itʼs over, itʼs done, Iʼm home at last!“109
Sam Messer findet auf seiner Seite die Freunde der Vergangenheit wieder, aber mit der Freude kommt die Erinnerung an den Verlust zurück. Er war ein Angehöriger der „Seabees“, einer Gruppe von Militäringenieuren und Technikern der amerikanischen Marine, die in Kampfgebieten für den Aufbau und die Wartung von großen Strukturen verantwortlich waren. Der unter Beschuss liegende Flugplatz Khe Sanhs wurde unter großen Opfern immer wieder repariert. Den Erinnerungen an die Verluste unter den eigenen Kameraden bei diesen Einsätzen fühlt sich der Veteran schutzlos ausgeliefert, bis er dem Tagtraum entkommt und wieder in der Heimat zurückkehrt. In der letzten Sequenz des Gedichts verschwimmt für ihn der eigene Tod mit dem Tod der Kameraden. Diese beiden Aspekte (Ort des Traumas und Ort der Kameradschaft) verbinden sich bei den Stationierungsorten zu einer ganz besonderen Mischung. Der Veteran und Universitätsangestellte Peter Brush, selbst ein Teil der Khe Sanh Combat Veterans, hat auf seiner Homepage eine Geschichte über seine Zeit in Khe Sanh verfasst.110 „Home is Where You Dig It“: Die Heimat des Kriegsbeteiligten ist dort, wo er sich Schutz suchend eingegraben hat. In Provinzen, die während des Vietnamkriegs als gefährliches ‚Indianerland‘ galten, waren solche Rückzugsgebiete besonders wichtig. 111 Für die Veteraninnen und Veteranen beinhaltet das Erinnern an diese Lager immer viele persönliche Aspekte, da sie sich hier mit ihren Kameraden verbanden und ihre Zeit zumindest teilweise individuell
109 Sam Messer: Bros, unter: Khe Sanh Combat Veterans, URL: http://www.geocities. com/Pentagon/4867/messerpoems.html, Stand: 10.11.2010. 110 Peter Brush: Home is Where you Dig it (Observations on Life at the Khe Sanh Combat Base), unter: Peter Brush’s Webpage, URL: http://www.library.vanderbilt.edu/ central/Brush/brush.htm, Stand: 21.02.2011. 111 Vgl. Bernd Greiner: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam, Hamburger Edition: Hamburg 2007, S. 203.
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ausgestalten konnten. Dadurch lässt sich erklären, wieso die Lager ihn der Rückerinnerung von militärischen Strukturen, negativen Erlebnissen, Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten oder tätlichen Übergriffen fast völlig ‚gereinigt‘ werden. Ihre Bedeutung beschränkt sich darauf, die entscheidenden Aspekte der Veteranenidentität rekonstruieren zu helfen. Räume beinhalten immer mehr als nur ihre offensichtlichen spatialen Eigenschaften. Die ‚Raumlosigkeit‘ des Internets scheint allerdings dafür zu sorgen, dass manche Raumkonzepte ganz besonders intensiv verhandelt werden. Dies gilt für jedes der hier genannten Beispiele. Die Hindernisse in Vietnam sind in den Rückerinnerungen nicht nur Ausgangspunkte für Strapazen, sondern repräsentieren alle Anstrengungen, Verwirrungen und Unsicherheiten, mit denen sich die Kriegsbeteiligten auseinandersetzen mussten. Die Wegmarken sind unter den Veteraninnen und Veteranen allgemein bekannte Orientierungsmöglichkeiten, die das Sprechen über die Vergangenheit erleichtern. Gleichzeitig besitzen sie jedoch starke Wertigkeiten, die in jeder Nacherzählung von Bedeutung sind. Wenn ein Kriegsbeteiligter erwähnt, er sei in der Basis Khe Sahn stationiert gewesen, ist dies nicht nur ein einfacher Ortsbezug. Solche Wegmarken helfen dabei, das Schicksal des Erzählers während seines Aufenthaltes in Vietnam ebenso einzuschätzen zu können, wie die Belastungen, die er dabei erlebt hat. Khe Sanh ist nicht nur ein Ort in Vietnam, sondern repräsentiert den verzweifelten Kampf verschiedener Kampf- und Unterstützungseinheiten gegen einen unermüdlich scheinenden Feind. Diese Ortsbezüge bilden zusammen mit vielen anderen die Kriegslandschaft, durch die sich die Veteraninnen und Veteranen bewegt haben. In den Erzählungen ist sie ein Konglomerat von Unsicherheiten, Gefahren und vielen anderen kollektiven Erlebnissen. Vor allem jedoch ist sie eine Ansammlung von Grenzen, die vor allem von den Soldatinnen und Soldaten unter den Kriegsbeteiligten immer wieder überschritten werden mussten. Während die Kriegslandschaft als wissenschaftliche Idee dem Ersten Weltkrieg entstammt, ist sie in den virtuellen Nacherzählungen der Kriegsbeteiligten deutlich zu erkennen. Vor allem zeigt sich, dass ihre Grenzziehungen im virtuellen Raum besonders wichtig sind, da sich durch diese nicht nur Orte, sondern Bewertungen und emotionale Beziehungen ‚lokalisieren‘ lassen.
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„Goodbye Vietnam“: Transitionen112 Der Übergang vom Krieg zum Frieden ist für die Kriegsbeteiligten ein wichtiges Ereignis, das von unterschiedlichen Grenzüberschreitungen gekennzeichnet ist. Neben dem offiziellen Ende der kriegerischen Auseinandersetzung und dem Truppenabzug werden die Entlassung aus dem Militärdienst und die eigene Heimreise aus dem Kriegsgebiet besonders häufig thematisiert. Für die Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts waren ‚ihre‘ Kriegsenden sogar noch etwas komplexer und verwirrender, vor allem bezogen darauf, wie sie den Krieg als persönliches, politisches und historisches Ereignis bewerten konnten. Der Abschiedsgruß aus Vietnam ist für die Autorinnen und Autoren kein Abschluss, sondern der Beginn der ‚Reise‘ ins Dasein als Vietnamveteran mit all seinen positiven und negativen Aspekten. Viele stellen den abrupten Übergang in die Friedenszone der „World“ als schockierendes Erlebnis dar. Der „freedom bird“, das Flugzeug, das die Soldatinnen und Soldaten in die Heimat bringt, wurde daher zum zentralen Symbol dieses radikalen Übergangs: „I grabbed my gear and hitched a ride down to the Mag-fields at Chu-Lai and caught a Caribou to Da Nang. After an hour long wait I boarded a civilian Jet filled with strangers and left Vietnam on the ‚Freedom Bird‘. I donʼt remember what they called the flights inbound to Da Nang. We were a plane full of survivors. A gathering. No one knew anyone else. The flight to CONUS [continental United States] was not a reunion of victory. It was no different than catching a commercial flight today. You wait until your flight is called and you board the aircraft, take your seat and fly off with a plane load of people with no names. I looked at the man on my left. He was ‚Row 9-seat 2-C‘. He was heading home. Soon he would be with his wife or girlfriend. I had never met her but I knew her name... Ms. ‚Row9 seat 2-C‘.“113
Ron Ferell zeigt in seiner Rückerinnerung alle Aspekte des Übergangs, die in den Erinnerungen immer wieder vorkommen. Nachdem er mit einem Kleinflugzeug am Flughafen von Da Nang angekommen war, konnte er sofort ein Zivilflugzeug nach Amerika besteigen. Die enge Kameradschaft, die fast alle Autorinnen und Autoren im Rückblick als zentralen Aspekt ihrer Vietnamerinnerung behandeln,
112 Das Zitat in der Überschrift stammt von der Seite des Veteranen Chris Lambert: Goodbye Viet Nam, unter: Pathways for Veterans Sacramento, URL: http://pathwaysfor veterans.org/blog/veterans/ro-2, Stand: 07.01.2012. 113 Ron Ferell: The Soldier Without a Reunion, unter: Fleet Marine Force Corpsman, URL: http://www.marzone.com/corpsman/RF-6.htm, Stand: 09.02.2011.
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war im Flugzeug nach Hause plötzlich aufgehoben. Für die Soldatinnen und Soldaten, die sich bis heute über Kameradschaft und Gemeinschaftssinn definieren, war die Anonymität und fehlende Anerkennung während des Übergangs ein Schock. Werkzeuge wie die „short-timer sticks“ und „short-timer calendars“, die die Sehnsucht nach Hause zu physischen Symbolen verdichtet hatten, waren plötzlich wertlos geworden. Anders als im Zweiten Weltkrieg, in dem viele Truppenangehörige als ganze Einheiten aus dem Dienst entlassen wurden, rotierten die ‚Jahressoldatinnen und Jahressoldaten‘ des Vietnamkonflikts ohne Zeremonie und mit Fremden aus dem Land. Der Übergang vom Militär- ins Zivilleben am Zielflughafen dauerte meist nur wenige Stunden. Danach waren die zukünftigen Veteraninnen und Veteranen auf sich allein gestellt. Das herbeigesehnte, persönliche Ende des Kriegsdienstes gewinnt auf den Seiten kein Profil. Selbst in ausführlichen Fotobiografien wie der des Veteranen „Windy“ wird ihm nur ein einzelnes Bild gewidmet, danach zeigt sich der Ex-Soldat sofort als US-amerikanischer Bürger, der sich erfolgreich in die nichtmilitärische Welt integriert hat.114 Dieser Fakt ist extrem stark verknüpft mit dem Konzept „World“, ʼNAM und Vietnam, wie es bei den Orten des Erinnerns beschrieben wurde. Beide ‚Welten‘ sind so unterschiedlich und nur schwer miteinander in Beziehung zu setzen, dass die Darstellung eines Übergangs schier unmöglich erscheint. Der Seelsorger Jack Day kommentiert seinen Übergang nur mit einem Bild von einer Schutzweste und einem Helm, mit der Bildunterschrift. „The final evening, helmet and flak jacket were posed for a last picture“.115 Er war sich der Abruptheit des Übergangs bewusst und erinnert sich bis heute daran: „The Army did not want people who had finished their tour to hang around southeast Asia, and most soldiers were equally happy not to stay around. However, I had parents working in Indonesia, and the Army makes special allowances for family reasons, so I was able to obtain a special two week leave after my 365 days, and before flying home across the Pacific. It was a bit surrealistic. I hopped military transport from Pleiku to Saigon, changed to civilian clothes, went to the civilian terminal at Tan Son Nhut, and used my Diners Club card to buy a ticket to Singapore, arriving on a Friday. Spent the weekend in Singapore waiting for a visa to Indonesia, received it on Monday, flew to Medan on Tuesday.“116 114 Windy Dawn: The Photos I sent Home, unter: Windy’s RVN Home, URL: http:// www.windydawn.com/index4.html, Stand: 06.03.2008, Offline seit: 15.04.2010. 115 Jack Day: Central Highlands Diary June 1969 and DEROS, unter: Jack Day’s Two Worlds, URL: http://www.vietnamveteranministers.org/chaplain/vietnam12.htm, Stand: 07.01.2012. 116 Ebd.
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Seine Erzählung endet mit einem Foto, das nicht bei der Abreise aufgenommen wurde, für ihn aber dennoch den Übergang repräsentiert: ein aus einem Hubschrauber aufgenommenes Bild des Sonnenuntergangs. Auf dem nächsten Bild posiert er bereits stolz neben dem Auto, das er sich in Amerika von seinem Sold kaufen konnte. Nach solchen Überleitungen ins neue Leben in Amerika brechen die Erzählungen meist abrupt ab. Die Zeit nach dem Krieg hielt für die Veteraninnen und Veteranen neue Herausforderungen bereit, die nicht nur viele unvorbereitet trafen, sondern die oft ebenso prägend für die Autorinnen und Autoren waren wie die Zeit in Vietnam. Abbildung 30: Der Seelsorger Jack Day fotografierte seine Ausrüstung, als seine Zeit in Vietnam zu Ende ging.
Quelle: Jack Day: Central Highlands Diary June 1969 and DEROS, unter: Jack Day’s Two Worlds, URL: http://www.vietnamveteran ministers.org/chaplain/vietnam12.htm, Stand: 07.01.2012.
Verglichen mit den Erzählungen zum Zweiten Weltkrieg, die bei Schröder dargestellt werden, sprechen die Kriegsbeteiligten im Netz nur sehr selten über das Kriegsende als individuelle Erfahrung. Immer wieder betonen sie in ihren Erzählungen über ihre Zeit in Vietnam, wie groß die Sehnsucht nach der Heimat und dem Ende der eigenen Dienstzeit gewesen sei. Dennoch ist auf den meisten Internetseiten das ersehnte Ende des Kriegsdienstes kein wirklicher Meilenstein in den Narrativen. Dieser Umstand lässt sich jedoch dann verstehen, wenn man
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sich vor Augen hält, dass die Bewertung des Kriegsendes sich im Rückblick stark verändert haben muss. Während die Heimkehr damals vielleicht ein herausragendes Ereignis für die Kriegsbeteiligten war, hat sich ihre Bewertung durch die jahrelange Auseinandersetzung mit den eigenen Veteranenkonzepten stark verändert. Der Unterschied zu den Interviewpartnern Schröders ist, dass jene sich weit weniger mit ihrer Veteranenidentität auseinandersetzt haben. In den Interviews ist das Kriegsende weiterhin ein herausragendes Ereignis, weil es im weiteren Lebensweg der Person ein tiefer Einschnitt war. Mit dem Krieg endete auch die eigene Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als Kriegsbeteiligter. Auf den Internetseiten ist das Ende der Zeit in Vietnam dagegen eine Transition im Wortsinne: ein Übergang von einer Phase der Auseinandersetzung mit dem Konflikt in eine andere. Der Veteran Day erinnert sich an diesen Übergang, fügt danach aber sofort die nächste Phase seines Umgangs mit dem Dienst in Vietnam ein. Ein echtes Abschiednehmen von Vietnam fand also, so ließe sich zusammenfassen, aus dem heutigen Blickwinkel der Autorinnen und Autoren bei ihrer Rückkehr in die Heimat nie statt.
„World“: Die Nachkriegszeit in der Heimat als Quelle kritischer Lebensereignisse? Die Jahre nach dem Krieg, die von den Autorinnen und Autoren auf den Seiten dargestellt werden, werden fast ausschließlich als Quelle von Frustration und Problemen beschrieben. Das „Goodbye Vietnam“ des Veteranen Christopher Lambert steht für dessen Weg in einen Teufelskreis aus Drogensucht, Alkoholproblemen und sozialen Eingliederungsschwierigkeiten, die für den Ex-Soldaten bis heute sein Leben bestimmen.117 Der Quellenkorpus ist für die Auseinandersetzung mit diesen Darstellungen besonders ergiebig und enthält eine große Zahl von Berichten über Ablehnung, Eingliederungsproblemen, Zurückweisung und die schwierige Auseinandersetzung mit dem Nachkriegsalltag. Wie im Quellenkorpus üblich sind die Erzählungen jedoch bereits die Ergebnisse einer jahrelangen Auseinandersetzung und Zuspitzung dieser Probleme. Die meisten Inhalte wurden bereits jenseits des Internets entwickelt und werden nun den neuen Möglichkeiten des Meta-Mediums angepasst. Vorwürfe und Klagen sind längst zur Routine geworden, zum Teil eines umfangreichen Repertoires, aus dem die Erzählerinnen und Erzähler schöpfen
117 Chris Lambert: Goodbye Viet Nam, unter: Pathways for Veterans Sacramento, URL: http://pathwaysforveterans.org/blog/veterans/ro-2, Stand: 07.01.2012.
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Die Zusammenstellung von kritischen Lebensereignissen aus der Nachkriegszeit ist oft sehr komplex. Der Veteran Rich Young hat versucht, möglichst viele Punkte in einem einzigen Gedicht zusammenzufassen. Seine Argumentationskette ist ein beinahe archetypisch zu nennendes Beispiel für die Probleme, von denen die Kriegsbeteiligten im Netz am häufigsten erzählen. „A Soldierʼs Pain The pain of a thousand Veterans in my ears, Paltalk brings me To tears---------[...] Gone to serve Gone to say an oath. To serve God and Country.“118
Der Schmerz der Soldatinnen und Soldaten beginnt mit dem Dienst in Vietnam. Dafür müssten keine Gründe diskutiert werden. Der Krieg ist hier bereits auf Pflichterfüllung gegenüber Gott und Vaterland reduziert worden. Diese starke Vereinfachung des Konflikts findet sich häufig in Verbindung mit der Behauptung erwähnt, der Kriegsbeteiligte habe nur seine Pflicht getan. Auf diese Weise wird die Notwendigkeit, zum Krieg und seinen Kontexten noch einmal kritisch Stellung beziehen zu müssen, kategorisch abgelehnt. „Bitter feelings of Coming home. Of why me not him? Then the country Turning Treason on Vets Who served proudly. Wondering Wondering Confusion!“
Die Ablehnung, die die meisten Veteraninnen und Veteranen mit ihrer Heimkehr nach Amerika verbinden, sei eine Quelle großer Frustration und Verwirrung. Neben den Schuldgefühlen des Überlebenden („why me not him?“) wird hier 118 Rich Young: A Soldier’s Pain, unter: Wardogs, URL: http://www.wardogs.com/doc1. html, Stand: 04.11.2010. Die folgenden Auszüge sind Teil desselben Gedichts.
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außerdem das Gefühl zitiert, verraten worden zu sein, das zum zentralen kritischen Lebensereignis erklärt wird. Dieser Aspekt ist so sehr zu einem Topos geworden, dass die wenigsten Erzählungen tatsächlich konkrete Ereignisse darstellen, die damit in Verbindung stehen. „Anger with our Country and our people Who forced us To go to war. Who drafted us Into service, then rejected us For serving! Confusion! What did we do wrong? Serve proudly? Yes we did!! Fight bravely? Yes we did!! We are the proud. We are the ones.“
Die Wut der Soldatinnen und Soldaten über ihre Behandlung nach dem Krieg wird hier als spontan und intensiv charakterisiert. Für die Zwangsverpflichteten sei es schwer verständlich, wieso ihnen Stolz und Anerkennung bis heute verwehrt bleiben. Die „confusion“ habe sich mit „anger“ vermischt und so unausweichlich zu einer trotzigen Antwort an Amerika geführt. Hier deutet sich bereits die Lösung an, mit der sich die Webseiten diesen Frustrationen annähern. Sie konstruieren ihren Stolz aus eigener Kraft und separieren sich auf diese Weise von den ‚Verrätern‘ im eigenen Land, unabhängig davon, ob diese im amerikanischen Volk, der Regierung oder unter anderen Soldatinnen und Soldaten identifiziert werden. Young formuliert hier eine archetypische Schlussfolgerungskette, aus der sich das Selbstverständnis der Veteraninnen und Veteranen speist: „Our country has broken us Even when the enemy Could not. We were defeated, not by Vietnam But by the USA.
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We were defeated By our own family, Friends, loved ones And all those who Did not support us Like Hanoi Jane Fonda!“
Die Ursachen für die tiefen Wunden, mit denen sich die Autorinnen und Autoren bis heute auseinandersetzen, werden hier vielen Bereichen der USA zugeordnet. Familien, Freunde und sogar die eigenen Ehepartner hätten sich, so die Aussage, dauerhaft von den Kriegsbeteiligten abgewandt. Personen des öffentlichen Lebens wie Jane Fonda wurden und werden besonders für diese Entwicklungen verantwortlich gemacht. Hier drückt sich ein Bedürfnis nach gesamtgesellschaftlicher Solidarität aus, wie sie dem US-amerikanischen Engagement während des Zweiten Weltkriegs in der nachträglichen Konstruktion der amerikanischen Geschichte zugeschrieben wurde. Dass diese Anerkennung für die Veteraninnen und Veteranen des Vietnamkriegs heute größtenteils längst erreicht ist, wird immer dann ausgeblendet, wenn es darum geht, konkrete Anschuldigungen mit Forderungen zu verbinden. „You broke our hearts And our minds. Our bodies And our spirits--More than the bullets Killed us on the battlefield. Your words and actions Killed us When we returned to you. You spat on us!! You rejected us!! Then accepted with honor Those who ran to Canada To avoid duty. You took our honor And gave it to traitors!! And Gave us shame!!“
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Geist, Körper und Seele seien nicht auf dem Schlachtfeld geschädigt worden, sondern durch den amerikanischen Verrat. Die Generalamnestie unter Präsident Carter (Präsident von 1977-1981) für Amerikaner, die sich dem Militärdienst durch die Flucht ins Ausland entzogen hatten, habe für die Veteraninnen und Veteranen das Gefühl der Ungleichbehandlung noch weiter untermauert.119 Die Belange der Kriegsdienstverweigerer seien der Regierung wichtiger gewesen als die der Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten. Unter Vorwürfen wie Verrat, Mord, Zurückweisung und Schande wird das Motiv des Diebstahls besonders hervorgehoben. Die Regierung habe den Veteraninnen und Veteranen ihre Ehre gestohlen und diese auf andere übertragen. Ultimativer Ausdruck der Ablehnung durch die amerikanische Bevölkerung ist das Motiv, auf offener Straße von Kriegsgegnern angespuckt zu werden, das die gefühlte Entfremdung auf die Spitze treibt. Hier manifestiert sich der Vorwurf, dass die Antikriegsbewegung während des Vietnamkriegs immer eine gegen die Kriegsbeteiligten gerichtete Agenda vertrat. „Through our depression A strange thing happened. We awoke--This sleepy thing Called Veterans And we united. All Branches of service Blended Together as one. As an armed forces combined. To give comfort And caring and sharing. We will overcome! We will be proud! We will hold our heads high! Through our shame we have arisen! And As a force of one army We shall change People! We shall change Thoughts! 119 Vgl. zur Amnestie Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 56f.
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We shall defeat all those Who tried to shame us.“
Das ‚Erwachen‘, das Young beschreibt, entwickelt auf den Internetseiten eine ganz eigene Dynamik, da die Autorinnen und Autoren ihren Umgang damit individualisieren und gleichzeitig auf andere Zielgruppen zuschneiden können. Das Gefühl der Schande, das die meisten Autorinnen und Autoren als das wichtigste kritische Lebensereignis der Nachkriegszeit beschreiben, geht auf den Webseiten direkt in einen Aufruf über, gegen solche angeblichen Ungerechtigkeiten anzukämpfen. Angerufen wird dabei neben der Gesellschaft vor allem die Gemeinschaft der Veteraninnen und Veteranen selbst. Dabei scheint das Internet den Kriegsbeteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, all diese Ansprüche gemeinsam nach außen zu tragen und sich so Gehör zu verschaffen. Die virtuelle Aufbereitung dieser bis heute relevanten Befindlichkeiten ermöglicht eine völlig neue Form der Autor-Publikums-Konstellation. Diese Vorwürfe sind gleichzeitig immer Wunschvorstellungen und Hoffnungen darauf, über das Internet die richtigen Ansprechpartner zu finden oder sich doch zumindest mit anderen Kriegsbeteiligten derselben Kommunikationskanäle und -praktiken bedienen zu können. „We stand proud And say this to our Country---You have stained the flag With the blood of our fallen Brothers and Sisters! You have made Veterans take their own lives After they returned home! Their blood is on your hands now. Because when you shame us---You also shame yourselves Because, my friendsWe are you!! We are your Sons and Daughters Your Grandsons and Granddaughters We are your Aunts and your Uncles We are your Cousins We are your Brothers and Sisters We are your Loved Ones. We are in essence YOU.“
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Das Gedicht endet damit, dass die Veteraninnen und Veteranen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft endgültig positioniert werden. Amerika hat die Flagge beschmutzt, indem es die Veteraninnen und Veteranen ignoriert und damit etwas außerordentlich Unamerikanisches getan hat. Dieser Umstand wird nicht nur als unumstößliches Faktum beschrieben, er ist zu einer zeitlosen Tatsache geworden, die von der tatsächlichen Situation in Amerika losgelöst zu existieren scheint. „Now who has the shame? Now who has the pain? Not us! We finally hold our heads high And say proudly to you--Yes we are Vietnam Veterans!!! We are the ones Who fought the fight! We never ran We never crawled away---Even though, by God, sometimes we wanted to We tasted fear--As all soldiers do We overcame our enemies over there And now We will overcome You. Perhaps if only one thing happens From this event And then we will be proud of America May America never again be ashamed Of her Vets who proudly Served and Died. But more importantly---May the Vets who proudly Served and Died For their Country NEVER AGAIN BE ASHAMED OF THEIR OWN COUNTRY AMERICA!!!! Rich Young – Aka Guncarver on Paltalk [email protected] [Adresse unkenntlich gemacht] [email protected] [Adresse unkenntlich gemacht]
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Vietnam Veteran ----- Proudly Served USN 1967-68 TET Clarkston, Wa. 20001 but most of all WELCOME HOME !!!!!!!!“120
Der Willkommensgruß, den Young ans Ende seines Gedichts setzt, steht auf vielen Veteranenseiten ganz am Anfang. Diese Begrüßung unterstreicht noch einmal, dass die Autorinnen und Autoren vor allem eine Gemeinschaft aus Gleichgesinnten konstruieren möchten. Das Gedicht ist Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses von Individuen, die im Netz ihre Ziele verfolgen. Dabei stellen es die Autorinnen und Autoren so dar, als wäre dieses große Ziel bisher unerreichbar geblieben. Alle Errungenschaften von Veteranenverbänden und jede Anerkennung in der Gesellschaft, die sich in den Jahrzehnten nach dem Krieg entwickelt hat, wird hier noch einmal negiert und für nichtig erklärt. Nur so ist es möglich, das „coming home“, das Trauma der Rückkehr in ein scheinbar unbekanntes Leben voller Ablehnung und seelischer Pein, zum gruppenbildenden Element der Veteranengemeinschaft im Netz zu überhöhen.121 Man kann in dieser Hinsicht durchaus von Revisionismus sprechen. Zuerst wird der Krieg als Sieg umgedeutet („we overcame our enemies over there“), um danach den Angriff auf die Feinde innerhalb Amerikas noch einmal zu betonen („And now We will overcome You“). Die wichtigsten ‚Waffen‘ in diesem Kampf sind die am Schluss genannten E-Mail-Adressen. Mithilfe des Internets lassen sich nicht nur geografische Entfernungen überbrücken. Die Veteraninnen und Veteranen können sich auf diese Weise aus allen sozialen Kontexten herauslösen, die sie an einer starken Gemeinschaftsbildung hindern könnten. Im Netz stehen sie sich auf Augenhöhe gegenüber und können sich ganz auf die Auseinandersetzung mit ihren Nachkriegsproblemen konzentrieren – und auf die Angriffe gegen jene, die sie dafür verantwortlich machen. Da das Netz für sie ein neuer, unberührter ‚Ort‘ ist, lassen sich auch Probleme noch einmal heraufbeschwören, die schon ganz oder teilweise überwunden sind. Kritische Lebensereignisse „werden als systemimmanente Widersprüche in der Person-Umwelt-Beziehung dargestellt, die einer Lösung bedürfen bzw. die
120 E-Mail-Adressen unkenntlich gemacht. 121 Dass ausgerechnet ein Film mit Jane Fonda in der Hauptrolle den mit Bedeutung überladenen Begriff der Heimkehr als Titel gewählt hat, ist für manche Veteraninnen und Veteranen kaum erträglich. Der Film beschreibt die Dreierbeziehung zwischen einer Soldatenehefrau, ihrem Ehemann und einem versehrten Veteranen. Hal Ashby: Coming Home (Film), USA: United Artists: 1978.
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Herstellung eines neuen Gleichgewichts fordern“.122 Alle hier genannten Nachkriegsprobleme, die von den Kriegsbeteiligten dargestellt werden, lassen sich unter diesem Oberbegriff zusammenfassen. Der immer wieder beschriebene Schock der Ablehnung nach der Rückkehr aus dem Krieg unterschied sich radikal von dem Empfang, den sich die Kriegsbeteiligten erhofft hatten. Die zitierten Gedichte dramatisieren diese Probleme noch einmal und ermöglichen es, sie zu einem gestaltgebenden Merkmal der Identität als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran festzuschreiben.
„World“: Making Sense of Vietnam Die Zeit nach dem Krieg war und ist für die Autorinnen und Autoren immer noch mit ungeklärten Fragen verbunden. Ihre Sinnsuchen sind Prozesse einer rückblickenden Bewertung, die nur teilweise mit den bereits dargestellten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskursen überlappen. Der Diskurs der nachträglichen Bewertung konzentriert sich auf den Internetseiten auf drei Aspekte. Die ersten beiden, die Auseinandersetzung mit dem unbefriedigenden Kriegsende und dessen Nachwirkungen im amerikanischen Selbstverständnis, scheinen ihre Bedeutung für die Autorinnen und Autoren mehr und mehr zu verlieren. Viel wichtiger ist der dritte Aspekt, der sich vor allem in der Frage äußert, wie die Stellung der Kriegsbeteiligten innerhalb der Gesellschaft bewertet werden sollte. Trotz dieser Schwerpunktverschiebung beginnt die Sinnsuche für viele Autorinnen und Autoren mit der Darstellung des Status quo nach ihrer Rückkehr aus Vietnam. Die Endresultate des Kriegs mussten für alle Beteiligten unbefriedigend bleiben. Der Truppenabzug der Amerikaner im Jahr 1973 war eine langsame Übergabe der Kampflast an Südvietnam, von dessen Selbstverteidigungsfähigkeit die amerikanische Administration zumindest nach außen hin überzeugt war. Die Soldatinnen und Soldaten konnten sich aus diesem Abzug nicht ohne weiteres herleiten, ob sie durch ihre Pflichterfüllung eine notwendige Aufgabe erfüllt hatten oder nicht. Hierin kann einer der Gründe dafür gesehen werden, dass die Seitenautorinnen und -autoren in ihrer Argumentation die Ehrung von Vietnamveteranen von den Details des Kriegsverlaufs unabhängig machen wollen. Ein Krieg mit ambivalentem Ausgang und umstrittener Rechtfertigung lässt sich dafür nicht optimal verwenden, weshalb allein der Dienst am Vaterland als ausreichend ehrungswürdig dargestellt wird.
122 Sigrun-Heide Filipp: Kritische Lebensereignisse, 3. Auflage, Beltz: Weinheim 1995, S. 9.
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Die zwischen den Kriegsparteien für Vietnam vereinbarten freien Wahlen fanden nie statt. Die demoralisierte südvietnamesische Armee leistete trotz jahrelanger Ausbildung und bester Ausrüstung kaum erfolgreich Widerstand, als Nordvietnam schließlich den Süden eroberte. Der letzte Teil des Kriegsverlaufs, bei dem die Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten nur noch Zuschauer waren, musste diese noch zusätzlich frustrieren. Das Ziel, Südvietnam von kommunistischer Herrschaft zu bewahren, wurde nicht erreicht. Die Entscheidungen dafür waren auf politischer Ebene getroffen worden, was eine tiefe Abneigung gegen die beteiligten Administrationen erzeugte, die auf manchen Seiten bis heute deutlich zu spüren ist. Dass die bereits angesprochene Frage der Vermissten in dieser Zeit zum Thema wurde, verstärkte bei vielen Soldatinnen und Soldaten den Eindruck noch weiter, dass sie zu einer von der amerikanischen Regierung missachteten Gruppe gehörten. Vor allem aber zerstörte dieses ‚duale‘ Kriegsende (das keinen Friedensvertrag haben konnte, da nie eine Kriegserklärung erfolgt war) jede Hoffnung darauf, einen zentralen Endpunkt für alle Kriegsbeteiligten zu schaffen, an dem der Konflikt endgültig der Vergangenheit angehören würde. In der Oral History des Zweiten Weltkriegs nimmt das Kriegsende immer einen großen Raum ein und fast alle Kriegsbeteiligte erinnern sich bis heute an die Situation, in der sie vom Kriegsende erfuhren. Für die Veteraninnen und Veteranen des Vietnamkriegs stellt sich die Situation radikal anders dar. Ihre Nation hatte nie einer gegnerischen Konfliktpartei den Krieg erklärt. Selbst im Falle eines Siegs hätte es also eine Siegesfeier ganz anderer Art geben müssen. Wie ihre Rückkehr nach Amerika war dieses Kriegsende für die Beteiligten also eine individuelle Erfahrung. Die meisten Heimkehrer waren in ihr ziviles Leben zurückgekehrt und der Fall von Südvietnam musste die Frage aufwerfen, ob die eigenen Anstrengungen im Rückblick sinnlos gewesen waren. Bis heute gibt es kein Datum, das als Kriegsende einen angemessenen Schlusspunkt für die Vietnamerfahrung aller Kriegsbeteiligten darstellen könnte. Den Rahmen für diese unbefriedigenden Erlebnisse des Kriegsendes (bzw. der Kriegsenden) bildete eine Vielzahl von inneramerikanischen Krisen, die von Rassenunruhen über die Watergate-Krise bis zur Friedensbewegung reichten. Im wiedervereinigten Vietnam erzeugten Unterschiede zwischen Nord und Süd sowie die Restrukturierung des Landes nach sozialistischem Vorbild lange anhaltende Probleme. In der Zukunft zeichneten sich zusätzlich Konflikte mit Laos und China ab, die Jahre später zu bewaffneten Auseinandersetzungen führen sollten. Die Autorinnen und Autoren der Internetseiten haben an der Aufarbeitung der Vergangenheit nur dann ein Interesse, wenn es sich auf ihren Status als Ex-
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Soldatinnen und Ex-Soldaten bezieht. Bezogen auf den Truppenabzug lassen manche noch eine Mischung aus Ohnmacht und stiller Wut über den beschämenden Rückzug anklingen. Die Fall of Saigon Marines Association bietet eine Plattform für alle, die den Abzug aus Südvietnam selbst miterlebt haben. Dort gedenken sie der Gefallenen des Abzugs und stellen die ausführlichen Fluchtgeschichten ihrer Mitglieder ins Netz stellt.123 Die Soldatinnen und Soldaten haben die Gefahren des Abzugs am eigenen Leib erfahren und in den letzten Stunden des Kriegs noch Kameraden verloren. Dennoch finden sich auf ihrer Seite kaum Bewertungen zu diesem unbefriedigenden Kriegsende. Ihre Erzählungen brechen fast immer mit der Abreise aus dem Land ab und konzentrieren sich dann auf den Hauptzweck der Seite: Den (auf der Seite ausschließlich männlichen) Veteranen des Falls von Saigon eine Plattform zu bieten, um die eigenen Geschichten zu präsentieren und sich miteinander auszutauschen. Wenn sie Stellung nehmen, dann meist, um die eigenen Leistungen zu verteidigen: „Looking back it is now clear that the American military role in ‚Vietnam‘ was, in essence, one of defending international borders. Contrary to popular belief, they turned in an outstanding performance and accomplished their mission. The US Military was not ‚Driven‘ from Vietnam. The US Congress voted them out. This same Congress then turned around and abandoned Americaʼs former ally, South Vietnam. Should America feel shame? Yes! Why? For kowtowing to the wishes of those craven hoards of dodgers and for bugging out and abandoning their former ally.“124
Immer scheint in solchen Abschnitten die Angst präsent zu sein, dass der Misserfolg in Südvietnam auf die Soldatinnen und Soldaten in Form nicht erbrachter Leistungen abgewälzt werden könnte. Eine der wichtigsten Interpretationen beider Kriegsenden ist es deshalb, der militärischen Seite des amerikanischen Engagements sehr geringe oder gar keine Schuld am Kriegsergebnis zuzuweisen. Die Verantwortlichen sind die neuen Feindbilder der Veteraninnen und Veteranen, darunter vor allem Politikerinnen und Politiker, die Friedensbewegung, die Medien und einige Einzelpersonen. Solche Verteidigungen scheinen meist präventiv gegen jede Form des Vorwurfs vorgebracht zu werden. Hinweise darauf, dass die Autorinnen und Autoren auf diese Weise kritisiert worden sind, finden sich nicht. Larry Matthews‘ Argumentation ist ein typisches Beispiel für die unterschiedlichen Schritte dieser Erklärungsansätze:
123 FOSMA: The Fall of Saigon, unter: Fall of Saigon Marines Association, URL: http:// www.fallofsaigon.org/, Stand: 25.02.2011. 124 K.G. Sears: Nam Facts, unter: Landing Zone Sally, URL: http://www.lzsally.com/ sally2/archives/namfacts.html, Stand: 16.08.2010.
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„We had gotten into the Vietnam War to aid an ally and to prevent a blood bath and the toppling of other governments in that region of the planet. We can look back now and see where our fears were at least partially correct. Vietnam, Cambodia and Laos are all under the control of totalitarian/Communist governments, and hundreds of thousands of people have died as a result.“125
Am Anfang steht die Erklärung, Amerika sei einem bedrängten Verbündeten zu Hilfe gekommen. Diese relativ einfache Auslegung der komplexen Vorgeschichte ist deshalb wichtig, weil der Kontext des Kriegs sich damit auf die Verteidigung eines Verbündeten reduzieren lässt. Dass Amerika diesen Verbündeten erst zu formen half und dessen Überlebensfähigkeit ohne Amerika nie schlüssig erwiesen war, nimmt keiner der Autorinnen und Autoren wahr. Eine wirklich kritische Perspektive nehmen sie so gut wie nie ein. Dies führt dazu, dass eine wirkliche Neubewertung der Vergangenheit nicht stattfindet. „Whether the American involvment in Vietnam was correct or not is probably irrelevant at this time. It is sufficient to say that, if anything was learned from the conflict that will save American lives in the future, then we must admit that we did achieve some sort of positive result from those eight years of blood conflict. The low casualty rate we suffered in ‚Operation Desert Storm‘ is quite possibly a direct result of lessons learned in Southeast Asia.“126
Die Aufforderung, über manche Aspekte der Vergangenheit schlicht nicht mehr nachzudenken, findet sich dagegen häufiger. Die Autorinnen und Autoren möchten damit die Aufmerksamkeit auf die Probleme lenken, die ihnen besonders viel bedeuten und arbeiten gleichzeitig daran, eine solche selektive Wahrnehmung dauerhaft zu verfestigen. Matthews nennt die geringen Verluste moderner amerikanischer Kriege als einen möglichen ‚Lerneffekt‘ des Vietnamkriegs. Ebenso oft werden der Niedergang des Kommunismus, der Fall der Mauer und der Aufstieg Amerikas zur alleinigen Weltmacht damit in Verbindung gebracht. Autoren wie Matthews versuchen mit allen Mitteln, den Krieg und sein Ende so positiv wie möglich umzudeuten. „Were there any winners in Vietnam? The North Vietnamese feel that they won by being able to reunite the two Vietnams. However, I question what they really achieved. Since
125 Larry Matthews: The End of the Vietnam War, unter: Larry Matthews Home Page, URL: http://ffhiker.tripod.com/index-2.html, Stand: 02.02.2011. 126 Ebd.
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1975, the Vietnamese have been in combat with the Chinese and Khmer Rouge, resulting in additional casualties, and their lifestyle has remained primative. They suffer from high unemployment, poverty and many shortages. So, what have they won – the right to live in the Stone Age? In America, this was that claimed so many thousands of lives, and that divided the United States like no other occurance since the Civil War, also caused many to degrade the Veterans who served there. This, to me, was one of the most heartbreaking results of the war.“127
Das vereinigte Vietnam ist für die Autorinnen und Autoren kein Sieger über Amerika. Dem Viet Cong werden Durchhaltevermögen, Ausdauer und andere militärische Tugenden bescheinigt, Vietnam jedoch wird wieder marginalisiert, sodass Amerika scheinbar der alleinige Faktor beim Ende des Kriegs war. Matthews macht in seiner Beschreibung sehr gut deutlich, dass all diese Entwicklungen und Folgen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die große Tragik des Kriegs liegt allein in der Behandlung der amerikanischen Veteraninnen und Veteranen durch die Gesellschaft. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das auf den Seiten thematisierte Kriegsende immer von zwei Aspekten begleitet wird. Auf der einen Seite verweisen die Autorinnen und Autoren darauf, selbst ihre Pflicht getan zu haben und deshalb keinerlei Schuld am unbefriedigenden Kriegsende mittragen zu müssen. Auf der anderen Seite ist es das Schicksal der Veteraninnen und Veteranen nach dem Krieg, an dem sich das Kriegsende wirklich messen lassen muss. Die negative Bewertung des Truppenabzugs aus Vietnam und der folgende Fall von Saigon (und damit Südvietnam) werden nicht deshalb negativ bewertet, weil es zu viel Leid im vereinigten Vietnam geführt hat. Die Autorinnen und Autoren denken vielmehr, dass das unbefriedigende Kriegsende den Empfang und die Behandlung der Veteraninnen und Veteranen in Amerika negativ beeinflusst hat. Im Kampf um Stolz und Anerkennung liefert das Kriegsende den Autorinnen und Autoren zu wenig verwendbares Material. Die einfachste und intensivste Aussage, um das Kriegsende und die Stellung der Soldatinnen und Soldaten darin umzudeuten, wird meist mit großer Vehemenz vorgetragen: „However the North won for one reason only. The political element of North Vietnam and the National Liberation Frontdid not withdraw from South Viet Nam, Cambodia or Laos where they trained to again invade South Viet Nam in 1975. During this time the Republic of South Viet Nam had downsizing its military, two years had passed since the signing of
127 Ebd.
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the cease fire in 1973 and all the Free World Forces supporting the Republic of South Viet Nam had withdrawn. The war had been won in 1973!“128
Die Meinung, dass Amerika im Jahr 1973 den Krieg bereits gewonnen hätte und nur aus politischen Gründen keine letzte Offensive startete, adelt das Engagement des Militärs nachträglich. Die Veteraninnen und Veteranen können also auf einen erfolgreichen Abschluss des Kriegs zurückblicken, der anschließend von anderen (dem amerikanischen Kongress, der ARVN etc.) wieder verloren wurde. Das Kriegsende ist in dieser Interpretation ein von den Handlungen der Soldatinnen und Soldaten und des Militärs unabhängiges Ereignis, das diese aufgrund der Fehler anderer erleiden mussten. Als Beweise dieser These dienen meist Statistiken von Opferzahlen verschiedener Kampfsituationen, die fast immer positiv für die amerikanische Seite interpretiert werden können. Das einfache Argument dabei ist, dass Amerika den Krieg nicht verloren haben könne, da alle Schlachten gewonnen worden seien. Die Frage danach, welche Erfolge die Kriegsbeteiligten mit diesen Umdeutungsstrategien erzielen können, lässt sich nur schwer beantworten. Die Außenwirkung der Internetseiten ist ein Punkt, auf den die Autorinnen und Autoren auf ihren Seiten überraschend selten eingehen. Dafür kann es mehrere Gründe geben, unter anderem mangelnde Reflexion. Wenn die ‚echten‘ Wahrheiten verbreitet werden, so scheint die vorherrschende Meinung auf den Seiten zu sein, ist diesen die ihnen angemessene Aufmerksamkeit sicher. Wahrscheinlicher ist aber, dass trotz aller Rhetorik von einer für die Allgemeinheit bestimmten Botschaft vor allem eine „in-group“ aus Experten angesprochen werden soll, die viele Inhalte längst verinnerlicht hat. Eine Überprüfung, ob die eigenen Botschaften ihr Ziel erreichen, ist somit unnötig. Bei all ihren Äußerungen müssen sich die Autorinnen und Autoren die Frage stellen, wem sie diese aus welchen Gründen zugänglich machen wollen. Mit Aufrufen wie „NEVER FORGET THE WAR IN VIETNAM“ fordern sie von sich und anderen, den Krieg nicht nur als historisches Ereignis, sondern als Ansammlung von Kausalitäten zu erinnern, die den Lebensweg vieler Menschen beeinflusst haben.129 Der Zielgruppe der Erinnerungsquellen auf die Spur zu kommen, ist ein schwieriges Unterfangen. Das Sammeln und Bereitstellen von Informationen könnte so gedeutet werden, dass die Autorinnen und Autoren ihr Wissen bewahren und in seiner Bedeutung stärken möchten. Manche der Kriegsbeteiligten 128 Bob Buick: The War had been Won!, unter: Bob Buick’s Vietnam Page, URL: http:// www.bobbuick.com/viet_nam/index.htm, Stand: 03.02.2011. 129 Vgl. z.B. Dalton Phillips: Never Forget the War in Vietnam, unter: The Way it was on the USS Hancock, URL: http://namvetsonline.com/, Stand: 09.01.2012.
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scheinen ihr ganzes Leben auf dieses Ziel ausgerichtet zu haben. Während andere gesellschaftliche Gruppen dies ebenso für sich in Anspruch nehmen könnten, sind die Kriegsbeteiligten aufgrund ihrer Erfahrungen davon überzeugt, dass sie selbst diese Aufgabe übernehmen müssen. Der Begriff „duty“, Pflichterfüllung, fällt dabei sehr häufig. Die großen Oral History-Sammlungen werden hierbei ebenso ignoriert wie alle akademischen Beiträge zur Erfassung des Vietnamkriegs und seiner Geschehnisse. Die Angst vor der Isolation verbindet sich mit dem Anspruch nach absoluter Kontrolle über das Erinnern und Erzählen, das sich auf ‚ihren‘ Krieg fokussiert. Nutznießer davon sind die Veteraninnen und Veteranen zuerst einmal selbst, denn sich zu erinnern, ist eine Pflicht: „All 3 million died in pain, often so intense that death was a relief. They all left someone behind. They all became markers visited by those who needed to remember and not forget. The loss was enormous, and ‚conflict‘ is no way to account for it. It was a ‚WAR‘“.130 Die eigenen Erfahrungen (selektiv) festzuhalten, ist auf der einen Seite ein Produkt des ‚Ausnahmekriegs‘ Vietnam und der Ausnahmeerfahrungen, die der Kriegsbeteiligte dort erlebt hat: „I know for anyone who went to war, it is never over and you never return completely.“131 Der Aufruf nicht zu vergessen, hat darüber hinaus noch andere Aspekte. Die Kriegsbeteiligten nennen in dieser Hinsicht häufig die Pflicht, andere an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen. Durch die Aufklärung eines Laienpublikums kann nicht nur die Stellung in den USA verbessert werden, sondern es ist möglich, den Äußerungen anderer Gruppen zuvorzukommen oder entgegenzuwirken. Der Umgang mit diesen selbst auferlegten Verpflichtungen ist für Autorinnen und Autoren, die das Internet gerade wegen seiner vielen Freiheiten gewählt haben, aber schwierig. Viele bezweifeln offen, dass ihre Darstellungen tatsächlich etwas an jene weitergeben können, die den Krieg nicht selbst erfahren haben. Hier offenbart sich wieder die Frustration über das Unsagbare, der die Autorinnen und Autoren immer zu begleiten scheint: „Vietnam, as seen through my camera lens some forty plus years ago. My memories are fading but these pictures will never forget. The pictures will give you a pretty good idea of what Vietnam looked like and some idea of what life was like for the troopers of the 11th Armored Cavalry Regiment, but they wonʼt let you feel the intense heat, the wet, the stinging insects, the hunger, or let you smell the jungle. But most of all the pictures will
130 Autor unbekannt: Welcome to Vietnam – Your Tour of Duty begins now!, unter: Vietnam Remembered, URL: http://remembervietnam.homestead.com/dutywelcome. html, Stand: 10.11.2010. 131 P.H. Hauser: In Tribute of our Fallen Friends, unter: Op Kingfisher 67, URL: http:// opkingfisher67.blogspot.de/, Stand: 31.03.2011.
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not allow you to appreciate the intense, never ending fear that we carried with us all the time we were out in the field. Unless you were there !!!“132
Die Seite des Veteranen Mike zeigt das Schwanken der Autorinnen und Autoren zwischen Sendungsbewusstsein, Gleichgültigkeit, Frustration und Verwirrung über die eigenen Ziele sehr deutlich. Der Veteran hat viel Zeit investiert, um eine zusammenhängende, ausführliche Bilderbiografie seiner Zeit in Vietnam zu erstellen. Er möchte die Vergangenheit zwar festhalten aber betont immer wieder, dass jede Bemühung darum, Laien die eigenen Erfahrungen nahezubringen, zum Scheitern verurteilt sei. Dafür macht er wie viele andere die Ausnahmestellung der Vietnamerfahrung verantwortlich, die sich nur den direkt Betroffenen wirklich erschließen könne. Dieses Hindernis muss nicht erklärt oder erforscht werden, sondern ist ein Axiom des Umgangs mit der Kriegserfahrung auf den Webseiten. Die Aufgabe nicht zu vergessen überträgt er von seinem fehlerhaften Gedächtnis auf die unveränderlich scheinenden Fotos seiner Dienstzeit. Aus dem Arrangement dieser Bilder und seinen Kommentaren lässt sich herauslesen, dass er wie viele andere Autorinnen und Autoren im Quellenkorpus seine Nachrichten an unterschiedliche Zielgruppen senden möchte. Hier manifestiert sich wieder das Misstrauen gegenüber den klassischen Medien in den USA. Die Ablehnung der Kriegsbeteiligten durch viele Amerikanerinnen und Amerikaner wird nicht ausschließlich diesen selbst zugeschrieben, sondern einer falschen und teilweise feindlichen Berichterstattung. Jetzt, da die Autorinnen und Autoren über eigene Methoden der medialen ‚Massen‘-Kommunikation verfügen, hoffen sie scheinbar darauf, zumindest bei einem kleinen Teil der US-Bürgerinnen und USBürger ein Umdenken hervorrufen zu können. Betrachtet man die Aussagen genauer, sind die meisten Beispiele für diese Ablehnung entweder bereits sehr alt oder außerordentlich vage formuliert. Wie genau diese Meinungsänderung beschaffen sein sollte, wird jenseits der allgemeinen Forderung nach mehr Anerkennung nur sehr unscharf definiert. Andere Zielgruppen dagegen sind nicht mehr direkt ansprechbar und bestehen aus den Vermissten und Toten des Kriegs, denen die Informationen fast immer ebenfalls gewidmet sind. Die Realität der meisten Seiten ist jedoch, dass sie sich vor allem auf die Bedürfnisse der Autorinnen und Autoren selbst und jener Besucherinnen und Besucher konzentrieren, die bereits umfangreiches Wissen mitbringen. Eine größere Öffentlichkeit erreichen zu wollen, bleibt fast immer
132 „Mike“: Never Forget, unter: Mike’s Vietnam Tour, URL: http://www.h-66.netfirms. com/id3.htm, Stand: 31.03.2011, Offline seit: 21.02.2013.
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ein Lippenbekenntnis, das sich in der Darstellung der Inhalte kaum widerspiegelt. Wenn wie auf der Seite OP Kingfisher 67 tatsächlich Laien Kontakt aufnehmen, werden deren E-Mails stolz präsentiert: „You will never forget the valor of those with whom you served. They were never forgotten and never will be. Along with what you lost, I hope you gained. You have friendships, a ‚connection‘ with each other than the rest of us will never know. You have an appreciation for waking up each morning that is different. Iʼve heard you talk about not knowing if morning will come; looking out and knowing for a lot of those aound you, morning didnʼt come. Thank you for serving, for fighting for this country.... for giving so much of yourself for people like me. I wish every day that it is a good day for you, that you find a little more pleasure, a little more peace. I know you will never forget, I just wanted you to know that I will never forget either; I will think of you each day, hoping it is a good day for you, being grateful for the gift you gave our nation. You are a hero to me.“133
Der Aufruf, sich zu erinnern, hat hier sein Ziel erreicht. Der große (eigentlich längst erreichte) Traum, in der amerikanischen Öffentlichkeit als Gruppe von Veteraninnen und Veteranen präsent und akzeptiert zu sein, lässt sich nach Meinung der Autorinnen und Autoren über konventionelle Methoden nicht erreichen. Sie sprechen deshalb andere Veteraninnen und Veteranen ebenso an wie sich selbst und jeden, der sich für ihre Botschaft empfänglich zeigt. Die Öffentlichkeit bleibt als Zielgruppe immer ein Problem, da bei den meisten Erklärungen immer die Einschränkung mitschwingt, dass eine Vermittlung von Inhalten von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Die am Anfang erwähnten Erzählschwierigkeiten sind immer ein Teil der Probleme, denen sich jene gegenübersehen, die über kritische Lebensereignisse berichten. Die Besonderheit auf den Webseiten ist, dass diese Schwierigkeit intensiv rezipiert und teilweise als ablehnender Vorwurf verstanden wird. Sie stellen sich die Frage, wieso jene, die bisher nur den Falschdarstellungen der Medien geglaubt haben, nun plötzlich den Erzählungen der Veteraninnen und Veteranen ihre Aufmerksamkeit schenken sollten. „You cannot understand“ ist deshalb fast immer mit dem Vorwurf versehen, dass die Angesprochenen nicht verstehen wollen. Man kann diesen Widerspruch als ein Zeichen dafür sehen, dass die Kriegsbeteiligten die Idee der Vernetzung nach außen als wichtig empfinden, da sie durch diese das Gefühl der Isolation überwinden können. Sie verkünden dadurch, dass sie 133 P.H. Hauser: Memorial Day 2009, unter: Op Kingfisher 67, URL: http://opkingfisher 67.blogspot.de/, Stand: 31.03.2011.
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sich und ihre Probleme nicht als abgeschlossenen Teil der amerikanischen Geschichte betrachten. Es ist nicht nur die eigene Existenz, auf die sie so hinweisen können, sondern die Idee, dass viele ihren Aussagen gegenüber positiv eingestellt sein könnten. Den letzten Schritt, der nötig wäre, gehen sie jedoch nicht. Sie erkennen die Öffentlichkeit, an die sie sich wenden, nicht als gleichwertigen Gesprächspartner an. Der Anspruch der Außenkommunikation bleibt deshalb die meiste Zeit eine Idee, die zum eigenen Selbstverständnis gehört, aber zu viele Unwägbarkeiten in sich birgt, als dass sie wirklich umgesetzt werden würde. Gleichzeitig ziehen die Autorinnen und Autoren mit diesem Ausspruch eine Demarkationslinie der Erzählkompetenz. Wenn jemand die Möglichkeit und das Recht hat, ‚ihren‘ Konflikt durch Berichte und Beschreibungen zu deuten, sind sie es selbst. Sie müssen keine Gegengeschichte betreiben und dabei spezifische Darstellungen, Produkte oder Autorinnen und Autoren widerlegen, da sie allen Nichtveteranen das Recht und die Kompetenz auf Deutungen von vornherein absprechen. Dass viele Besucherinnen und Besucher nicht verstehen können (selbst wenn sie es wollten), ist ein weiterer Grund dafür, wieso die Seiten in ihren Darstellungen oft rekursiv wirken. Der Drang in eine neue, größere Öffentlichkeit entpuppt sich vor allem deshalb als Illusion, weil es jenseits der Veteraninnen und Veteranen keine Gruppe gibt, der die Kompetenz und das Recht zugesprochen wird, sich an der Auseinandersetzung um die Inhalte und Wertschätzungen des Kriegs zu beteiligen. Paradoxerweise folgt auf den Schritt in die Öffentlichkeit des Internets hier also eine implizite Selbstisolation, die eine der wichtigsten Eigenschaften des Quellenkorpus darstellt. Dies lässt sich am schlüssigsten durch die Annahme erklären, dass die Autorinnen und Autoren dem von ihnen gewählten Medium manchmal nicht nur skeptisch, sondern ängstlich gegenüberstehen. Sie schätzen zwar die Freiheiten, die große Offenheit des Internets ist für sie aber nicht nur ein Vorteil, da sie die Freiheiten im Umgang mit ihren Darstellungen nutzen möchten, ohne sich an die kollaborativen Aspekte der Internetkultur anpassen zu müssen. Je mehr sie sich und ihre im Netz versammelte Gruppe definieren und mit dieser zusammenrücken, desto mehr isolieren sie sich von anderen Internetnutzerinnen und Nutzern, die einfache Zugänglichkeit, verständliche Beschreibungen, moderne Navigationsmethoden und Möglichkeiten für die Kommunikation mit der Seitenbesitzerin oder dem Seitenbesitzer erwarten. Da sie solche Erwartungen nicht erfüllen können oder wollen, ist die Öffnung nach außen im Quellenkorpus immer damit verbunden, neue Grenzen zu ziehen, die diese Öffnung oft teilweise oder ganz wieder aufheben.
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„World“: Hilfe & Dienstleistung Die kollaborativen Anstrengungen der Autorinnen und Autoren einzuschätzen, ist oft überraschend schwierig. Die Aufrufe an Andere, Informationen beizutragen, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Oberhoheit über die Ergebnisse immer bei einer Einzelperson liegt. ‚Vets helping vets‘ bedeutet deshalb meist, als Einzelperson Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder die Aktivitäten Anderer auf der eigenen Seite zu bündeln.134 Neben alltäglichen Problemen und den Auseinandersetzungen mit der Bürokratie sind es vor allem die körperlichen und seelischen Leiden, bei denen Hilfestellung gegeben werden soll. Die Spätfolgen des Entlaubungsmittels „Agent Orange“ haben dabei immer noch eine besondere Bedeutung, da die Auseinandersetzung um ihre Anerkennung für viele Autorinnen und Autoren ein klassisches Beispiel für die Behandlung der Vietnamveteranen in Amerika darstellt. Ganz anders interpretieren jene Seiten das Konzept der ‚Hilfe‘, die mit ihren Dienstleistungen für die Veteraninnen und Veteranen Geld verdienen. Viele Seitenautorinnen und Seitenautoren finanzieren ihre Webseiten durch Werbung, Spenden oder den Verkauf eigener Publikationen. Manche Veteraninnen und Veteranen haben ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe zum Beruf – oder gar zu einer Lebensaufgabe – gemacht. Die Probleme der Veteraninnen und Veteranen im Amerika von heute sind immer noch vielfältig. Die „Veteran’s Administration“ ist eine Behörde, mit der sich nicht nur behinderte Veteraninnen und Veteranen auseinandersetzen müssen. Viele Seiten stellen deshalb für den Umgang mit ihr umfangreiche Erfahrungsdatenbanken und Dokumentsammlungen zur Verfügung. Der Austausch über vertrauenswürdige und verständnisvolle Ärzte oder Anwälte ist ebenso wichtig wie die Verbreitung neuster Nachrichten und Gesetzesänderungen. Ein Autor drückt es auf seiner Seite so aus: „www.vets-helping-vets.com searches for Information that can be helpful to all war Veterans and their families. This website has ONE agenda and that is HELP Veterans“.135 Die Seite des Veteranen, der sich selbst „Cyber Sarge“ nennt, konzentriert sich auf Informationen über den Umgang mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund des Einsatzes in Vietnam. Vor allem die Kommunikation mit Behörden wie der Veteran‘s Administration möchte er für Andere vereinfachen. Diverse Formulare lassen sich von seiner Seite direkt herunterladen und sind mit hilfreichen Kommentaren und Hinweisen versehen. Diese Hilfe zur Selbsthilfe 134 Autor unbekannt: Vets Helping Vets – Air Force, Army, Coast Guard, Marines and Navy, unter: Vets Helping Vets, URL: http://veterans.ning.com/, Stand: 19.03.2013. 135 Hugh C. Rowland: Website Introduction, unter: Vets Helping Vets, URL: http://www. vets-helping-vets.com/, Stand: 11.02.2011.
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ist jedoch nicht von den Schicksalen und dem Selbstverständnis der Autorinnen und Autoren zu trennen. Der „Sarge“ selbst leidet unter Bluthochdruck, PTSD, Diabetes, Neuropathie und Chlorakne, die er alle auf Auswirkungen des Kriegseinsatzes zurückführt.136 Sein „Self-Help Guide on VA CLAIMS and APPEALS“ ist nicht nur eine Hilfestellung, sondern eine Anklage gegen die „Veteran’s Administration“ und ihre Vernachlässigung jener, die berechtigte Ansprüche anmelden könnten. Die Hilfeseiten zeigen deutlich, wie isoliert, allein gelassen und schlecht behandelt sich die Veteraninnen und Veteranen bis heute noch fühlen. Hilfsangebote sind immer Geschichten darüber, wie die Helfenden alle Probleme am eigenen Leib erfahren haben und so ihrer Identität als Veteraninnen und Veteranen neu adressieren mussten. Viele Inhalte wie Karten von „Agent Orange“-Sprühzonen oder kurze Beschreibungen von Krankheiten wie Tinnitus lassen sich auf Fragen anderer Veteraninnen und Veteranen zurückführen. Der „Sarge“ ist ein Führer durch den ‚Dschungel‘ der Vorschriften und Behörden, der seine Expertise anderen zur Verfügung stellt. Wie andere nutzt er seine Hilfeseite, um zu versuchen die Veteraninnen und Veteranen aus ihrer Lethargie zu reißen und ihnen die eigene Situation bewusst zu machen. Er möchte als Veteran Vorbild sein für andere, damit diese endlich das einfordern, was ihnen wirklich zusteht. Neben finanziellen Hilfen ist dies vor allem das Recht, sich stolz auf die eigenen Ansprüche berufen zu können. Um die eigene, positive Identität als „Sarge“ entwickeln und aufrechterhalten zu können, ist die Aufmerksamkeit von Gleichgesinnten im Netz eine große Hilfe. Solcher Aktivismus beschränkt sich nicht immer auf den Vietnamkrieg. Aufrufe wie „support our troops“ oder „boycott France“ stehen wie selbstverständlich neben den Hilfeinhalten. Für den „Sarge“ war der Krieg in Vietnam ein voller Erfolg und die Veteraninnen und Veteranen dürfen in jeder Hinsicht stolz auf ihren Beitrag sein, da sie entscheidend zum Frieden in Südostasien beigetragen haben. Selbstkritik oder einen ausgeglichenen Blickwinkel machen sich die Autorinnen und Autoren solcher Seiten selten zu Eigen. Bei „Sarge“ darf ein Angriff auf Jane Fonda wegen ihrer Propagandaaktionen für Nordvietnam während des Kriegs ebenfalls nicht fehlen. Gleiches gilt für einige Bilder seiner eigenen Tour, einen Zeitstrahl des Kriegs, diverse Karten, Detailinformationen über ein Lager und Hintergrundgeschichten verschiedener Kampfeinheiten.137 Diese Aspekte zeigen, dass die Hilfe für andere nur ein Aspekt dessen ist, was die Autorinnen und Autoren als Identität des Vietnamveteranen verstanden sehen wollen: „This site is dedicated to HONORING VETERANS! I am a PROUD Disabled Vietnam 136 B.W. Milne: Welcome to the Home of Cybersarges, unter: Cyber Sarge’s, URL: http:// cybersarges.tripod.com/, Stand: 11.04.2011. 137 B.W. Milne: Sitemap, unter: Cyber Sarge’s, URL: http://cybersarges.tripod.com/site map.html, Stand: 11.04.2011.
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Veteran who has constructed this site with the intension to provide information pertaining to veterans, veteran's families and those interested in the Vietnam War (Police Action).“138 Der Quellenkorpus als ein „support network“ bezieht die Auseinandersetzung mit der Wertschätzung des Veteranenstatus immer ein: „If you need assistance, or just want to have someone who will listen and understand what you are going through as a Vietnam Veteran; then, e-mail these volunteer veterans below. All of them are combat veterans of the Vietnam War; each has gone through their own readjustment period. Now, they wish to help their brother veterans ‚come home‘ again. They offer no doctrines, only heart felt advice and an understanding that can only come from those who have been there.“139
Die Aussage ist klar: Nur Betroffene könnten anderen Betroffenen wirklich helfen. Diese Aussage wird besonders stark für den Umgang mit den psychischen Problemen des Kriegs geltend gemacht. Der Veteran Peter S. Griffin hat seine Seite so konzipiert, dass sie Opfern von PTSD möglichst viele Hinweise geben kann. Griffins Lair bezeichnet er als „Combat PTSD Website – Brother helping Brother“.140 Die Seite ist sehr umfangreich und fordert die Besucherinnen und Besucher auf, sich mit ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen: „Warrior helping Warrior! Support PCSD Purple Heart. Dignity instead of Death! No more Suicides!“141 Seine Links zu Hilfeseiten und die Informationssammlungen sind wichtig, vor allem aber sollen andere Veteraninnen und Veteranen dazu ermutigt werden, ihren Kampf gegen die psychische Schädigung als Kampf um die Anerkennung der Veteraninnen und Veteranen zu verstehen. Die Besucherinnen und Besucher sollen sich ihrer Erkrankung stellen, sie gemeinsam bekämpfen, um politische Anerkennung kämpfen und gemeinsam gegen das Phänomen der PostVietnam-Selbstmorde vorgehen. Griffin fordert seine Kameraden dazu auf, gemeinsam für ein PCSD („post combat stress disorder“) Purple Heart zu kämpfen, also eine Verwundetenmedaille für jene, die nicht körperlich, sondern psychisch und seelisch geschädigt wurden.
138 B.W. Milne: Disable Veterans Resources, unter: Cyber Sarge’s, URL: http:// cybersarges.tripod.com/davlinks.html, Stand: 04.08.2010. 139 Bill McDonald: Support Network, unter: The Vietnam Experience, URL: http://www. vietnamexp.com/supportnetwork/supportnetwork.htm, Stand: 15.01.2010. 140 Peter S. Griffin: A Post Combat Stress Disorder Website Honoring our Military and Veterans while Helping those who Suffer from Combat PTSD – Brother helping Brother, unter: Griffins Lair, URL: http://www.angelfire.com/nc2/vietnamvet/ index.html, Stand: 25.10.2010. 141 Ebd.
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Die Hilfe für die Folgen traumatisierender Ereignisse erstreckt sich nicht darauf, dass Helfer oder Opfer sich mit den Ursachen ihrer Probleme auseinandersetzen. Vielleicht kommen die Situationen und Kontexte, in denen solche kritischen Lebensereignisse erfahren wurden, vor allem in nicht zugänglichen Foren oder Chaträumen zur Sprache. Auf den öffentlichen Teilen der Seiten zählen nur die Leiden, mit denen sich die Autorinnen und Autoren noch heute auseinandersetzen müssen. Manche wie der Veteran Bammo drücken ihre Probleme im wörtlichen Sinne plastisch aus. Unter dem Eintrag „death of a soul“ zeigt er eine selbst erstellte Skulptur namens „dressed to kill“. Der Kupferkopf hat Haare aus Patronenhülsen, die mit den Spitzen voran in den Schädel gesteckt wurden. Das Gesicht zeigt einen Ausdruck stillen Leidens, die Bildunterschrift ist: „Did you know that I died in Vietnam?“142 Solche Seiten sind die Ausnahme. Die emotionale Auseinandersetzung mit eigenem und fremdem Leiden ist immer mit der Idee verbunden, dass die Veteraninnen und Veteranen das Recht, die Pflicht und die Möglichkeit haben, einander zu helfen und sich so als Veteraninnen und Veteranen noch besser zu definieren. Dies fördert gleichzeitig den Zusammenhalt dieser eigentlich relativ heterogenen Gruppe. Der Umgang mit den körperlichen und seelischen Folgen des Entlaubungsmittels „Agent Orange“ hat sich über die Jahre von einer rechtlichen und medizinischen Auseinandersetzung zu einem Grundsatzstreit darüber entwickelt, wie ein Staat seine Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten behandeln sollte. Die neben „Agent Blue“ und „Agent White“ am häufigsten eingesetzte Chemikalie wurde zwischen den Jahren 1962 und 1970 als Teil der Operation Ranch Hand über Südvietnam versprüht.143 Für die Veteraninnen und Veteranen steht das dioxinhaltige Mittel aber nicht nur für die eigenen Gesundheitsprobleme und für die pränatale Schädigung ihrer Kinder. Es ist ein Symbol dafür, dass die Veteraninnen und Veteranen kein Entgegenkommen durch Andere erwarten können. Das Verteidigungsministerium und das „Department of Veterans Affairs“ haben sich als die zentralen Antagonisten herauskristallisiert, mit denen seit den frühen 1980er Jahren um die Anerkennung von Gesundheitsproblemen gekämpft wurde. Auf den Hilfeseiten wird der Umgang mit dem Thema „Agent Orange“ immer noch von einem Gefühl der wütenden Ohnmacht begleitet. „Agent Orange“ ist damit kein Begriff, der ein Entlaubungsmittel beschreibt. Es ist ein Konzept, mit dem die Veteraninnen und Veteranen jede Form der potenziellen Gesundheitsschädigung umschreiben, die aus dem Vietnamkrieg stammen kann. Gleichzeitig impliziert die Erwähnung von „Agent Orange“ immer, dass sich die 142 „Bammo“: Death of a Soul, unter: Bammo’s Bunker, URL: http://d21c.com/Bammo/ DeathOfSoul.html, Stand: 24.03.2008, Offline seit: 01.08.2010. 143 Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 7f. .
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Veteraninnen und Veteranen zusammenschließen müssen, um gemeinsam für ihre Interessen einstehen zu können. Der Webmaster der Seite Hall of Honor Greg Payne zeigt, wie stark das Gefühl von Isolation und Ausgeliefertsein bis heute ist: „Well if I didnʼt get Agent Orange in the Service in Vietnam, then just where did it come from? I must have got it off a toilet seat in a Shell Station! I know it came off a shopping cart at a Fred Meyer Store in the Produce Section! Or maybe it was on sale at Lipman & Wolf! Who knows what goes through their feeble little minds.“144
Zusammen mit anderen Veteraninnen und Veteranen hat Payne einen Weg gefunden, die nachträgliche Ehrung aller Veteraninnen und Veteranen und ihrer Wunden möglich zu machen. Die sogenannte „Silver Rose Medal“ wird nicht von der Regierung, sondern von einer privaten Organisation verliehen, die von Veteraninnen und Veteranen ins Leben gerufen wurde. Payne verweist stolz auf die Unterstützung durch Kongressabgeordnete, die der Medaille scheinbar eine größere Authentizität verleiht. Letztlich ist das Entscheidende aber, durch die Medaille zur „Order of the Silver Rose“ zu gehören, einer Gemeinschaft von Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen, die sich ihre Orden nun selbst verleihen kann.145 Erst durch das Internet kann sich die Organisation viele Unterstützer und freiwillige Helfer sichern, ohne die eine solche Aktion nur schwer umzusetzen wäre. So kann vermieden werden, dass die Unterstützung von Kongressabgeordneten und anderen Gruppen nicht nur hilfreich ist, sondern zur Notwendigkeit wird. Das Besondere an dieser Medaille soll jedoch weiterhin bleiben, dass sie von Veteranen für Veteranen entworfen und realisieret wurde. Payne zeigt seinen Stolz über den Empfang der veteranengemachten Auszeichnung auf 48 Bildschirmseiten (bei einer Auflösung von 1280X1024). Als Helfer und Aktivist hat er einen Weg gefunden, die Anstrengungen anderer Veteraninnen und Veteranen zu ehren und gleichzeitig selbst für seine Taten respektiert zu werden. Sein Engagement ist wie das vieler anderer Veteraninnen und Veteranen im Netz eine Quelle von Erfolgserlebnissen, denen von ihnen ein großer Stellenwert beigemessen wird. Das Zusammenspiel zwischen solchen Organisationen und den individuellen Veteranenseiten zeigt, dass die Autorinnen 144 Greg Payne: Agent Orange Silver Rose Medals Ceremony, unter: Vietnam Combat Veterans, URL: http://teetee199thlibpowmia69.webs.com/iamanagentorangesilver r.htm, Stand: 10.11.2010. 145 Order of the Silver Rose: Order of the Silver Rose Main Page, unter: Order of the Silver Rose, URL: http://silverrose.info/, Stand: 11.02.2011. Am 22.02.2013 wurde die Webseite mit einer Nachricht ersetzt, die auf organisatorische Schwierigkeiten der Organisation hinwies, ohne ein Datum für die Rückkehr der Inhalte anzudeuten.
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und Autoren im Netz unter Hilfe zur Selbsthilfe ebenfalls die selbst organisierte Produktion gegenseitiger Anerkennung verstehen. Solche Hilfsanstrengungen manifestieren sich in Projekten wie dem „Agent Orange Quilt of Tears“, der die Aufklärung über „Agent Orange“ mit der Ehrung lebender und toter Veteraninnen und Veteranen verbindet, die durch die Chemikalie geschädigt wurden.146 Anderen zu helfen ist weiterhin eine Aufgabe, die ernst genommen wird. Die Bemühungen darum, in Amerika bürokratische Hilfen ebenso wie offizielle Anerkennung zu erringen, scheinen durch die Möglichkeiten des Netzes an Bedeutung verloren zu haben. Der Stolz darauf, in vielerlei Hinsicht selbst organisiert handeln zu können, lässt sich aus den Hilfeseiten fast immer herauslesen. Manche Veteraninnen und Veteranen scheuen sich nicht, ihre Expertise bezogen auf den Krieg als lukrative Einkommensquelle zu nutzen. Auf Seiten wie The Vietnam Experience mischen sich die kommerziellen Angebote mit anderen Inhalten. Wie in den Lagern des Vietnamkriegs heißt der kleine Laden der Seite „post exchange“. Hier bietet der Seitenbesitzer den Besucherinnen und Besuchern Bücher, Musik-CDs, T-Shirts und andere Produkte mit mehr oder weniger vietnamrelevantem Inhalt an. Dass es ihm nicht um finanziellen Gewinn geht, ist dem Webmaster der Seite besonders wichtig: „All products featured in this PX are put here without any financial considerations or gains from those selling their products by the webmaster or The Vietnam Experience Veteran Support Board. This is a service to both those who have a product and those visiting these web pages. Deal directly with those who are selling their products. Contact this webmaster should you have any problems with your dealings with anyone featuring a product in this PX. If you have something you would like posted in The PX – we will consider your request but we reserve the right to refuse or accept those products we think visitors to our website will appreciate seeing. Our desire is provide items of interest and help veterans sell their products without becoming a marketplace for commercial products.“147
Nur wenige Seiten sind so zurückhaltend. Eben weil die Veteraninnen und Veteranen ein starkes Netzwerk bilden und neben gemeinsamen Interessen eine gemeinsame Erfahrungsbasis haben, ist es für den Kundigen einfach, Produkte auf sie zuzuschneiden. Manche Seiten wie Vietnam War Memorabilia haben sich auf angeblich authentische Artefakte aus der Zeit des Vietnamkriegs spezialisiert. Hier finden sich Flugblätter der südvietnamesischen Regierung wie die des 146 Agent Orange Quilt of Tears: Home of the Agent Orange Quilt of Tears, unter: Agent Orange Quilt of Tears, URL: http://www.agentorangequiltoftears.com/, Stand: 11. 02.2011. 147 Bill McDonald: The PX, unter: The Vietnam Experience, URL: http://www. vietnamexp.com/PX/disclaimer.htm, Stand: 15.01.2010.
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„Chieu Hoi“-Programms (etwa: offene Arme), die gegnerische Soldatinnen und Soldaten zum Überlaufen animieren sollten.148 Der Kunde kann das Originaldokument schon für 39 Dollar erwerben („mint condition, limited supply, free shipping“).149 Der Veteran, der die Seite betreibt, lässt seine Produkte aber nicht unkommentiert. Für ihn sind sie Verbindungen in die Vergangenheit, die er direkt aus Vietnam bezieht und an andere Veteraninnen und Veteranen weiterverkauft. Schon auf der ersten Seite zeigt er, wie sehr sich sein wirtschaftliches Interesse mit seiner Identität als Veteran vermischt: „I both honor and respect all the people of Vietnam as well as all the American soldiers who were fooled into or simply compelled to go there in the war years. Today, 40 years since my return from the war, I have lived and worked with Vietnamese who were at extreme odds with America during the ‚American‘ war. Formerly enemies, they are now members of my family, my closest personal friends, and important business associates.“150
Wie für viele andere sind die ehemaligen Feinde zu Freunden geworden, die er ebenso respektiert, wie alle, die freiwillig oder getäuscht von der amerikanischen Regierung am Krieg teilgenommen haben. Zwischen seiner Identität als Händler und Vietnamveteran scheint eine gewisse Schizophrenie zu herrschen. Der Handel mit den Dokumenten soll mehr erreichen, als nur ein regelmäßiges Einkommen einzubringen: „It is my hope in making these documents available for the fist time that both the people and governments of these two great nations will view these important documents for what they can teach us all... about the need to avoid war, about the need to not just speak justly but achieve justice, to avoid conflict by seeking and arriving at consensus, and above all , the overriding need to take every measures to insure that the lessons of the past – from our respective individual mistakes – will not ever be repeated.“151
Seiner Aussage nach heißt verkaufen für ihn ebenfalls, der eigenen Stimme im Netz Gehör zu verschaffen und die Ziele der Veteraninnen und Veteranen zu verwirklichen. Es ist ohne weiteres möglich, in dieser Aussage mehr zu sehen als
148 Vgl. Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 64. 149 Autor unbekannt: Chieu Hoi Leaflet, unter: Vietnam War Memorabilia, URL: http:// www.vvg-vietnam.com/war_1.htm, Stand: 06.08.2010. 150 Autor unbekannt: VVG Sourcing Agents in Southeast Asia, unter: Vietnam War Memorabilia, URL: http://www.vvg-vietnam.com/, Stand: 06.08.2010. 151 Ebd.
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eine Positionierung zu den Zielen und Handlungen der Veteraninnen und Veteranen des Vietnamkriegs. Wenn der Onlinehändler die Aussage formuliert, dass seine Seite für ihn mehr sei als ein kommerzielles Werkzeug, stimmt er sich damit auf seine Kunden und ihre Ansichten ein. Geld zu verdienen und gleichzeitig die eigene Stellung als Veteranin oder Veteran festzuschreiben und nach außen tragen zu können, ist nicht inkompatibel zueinander. Auf den meisten Seiten dieser Art treten die pragmatischen Motive jedoch deutlich in den Vordergrund. Für Veteraninnen und Veteranen, die ihre Erfahrungen in Buchform niedergelegt haben, sind die Internetseiten als Werkzeug unersetzlich. Autorinnen und Autoren wie Dennis Mansker gehen fast immer dazu über, ihre Bücher mit Informationen und Details zu ergänzen und das Produkt online in der eigenen Lebensgeschichte zu verorten.152 Manskers Geschichten, seine Bilder von Artefakten wie vietnamesischen Banknoten und Magazinen und der zur Vietnamerzählung passende Soundtrack machen aus dem Roman eine Gesamterfahrung des Vietnamkriegs. Das Buch und seine Seite widmet Mansker all jenen, die wie er in Vietnam Dienst taten oder dort ihre Leben ließen. Was die Veteraninnen und Veteranen vor allem verkaufen, ist ihre eigene Beziehung zum archetypischen Kriegsbeteiligten. Der Profimusiker und Veteran „Sarge“ Lintecum umgibt sich selbst, seine Seite und seine Musik mit jedem erdenklichen Topos des Vietnamkriegs. Die Splitterschutzweste, die er bei seinen Auftritten trägt, gehört hierzu ebenso wie die Bambusstangen, die den Hintergrund seiner Seite bilden. Wenn er den „Post Traumatic Stress Disorder Blues“ anstimmt, verdichtet er die Vietnamerfahrung in der Gegenwart zu einer Mischung aus Unterhaltung, Nostalgie, Gruppenzusammengehörigkeit und Kommerz. 153 Manche der Alben zeichnen mit ihren Titeln die Reise der Kriegsbeteiligten nach: „Into the Fire from the Fryin‘ Pan“ führt zu „Combat Fatigue“, „Five Down“, „Welcome Home“ und schließlich zur „Reunion at the Wall“.154 Dass die Veteraninnen und Veteranen mittlerweile eine zahlungskräftige Gruppe darstellen, zeigen Angebote wie Veteranenreisen zurück zu den Orten der eigenen „tour of duty“.155 Professionelle Führer, meist selbst Veteraninnen und Veteranen, bringen die ehemaligen Kriegsbeteiligten und ihre Angehörigen
152 Dennis Mansker: Dennis Mansker’s Transportation Corps Vietnam, unter: Chairborneranger, URL: http://www.chairborneranger.com/, Stand: 09.02.2011. 153 Sarge Lintecum: Welcome to Sarge’s Jungle, unter: Vietnam Blues Combat Tested for Peace, URL: http://vietnamblues.com/, Stand: 06.08.2010. 154 Sarge Lintecum: Vietnam Blues Combat Tested Blues... for Peace, unter: CD Baby, URL: http://www.cdbaby.com/cd/sarge2, Stand: 09.01.2012. 155 Vgl. z.B. Green Trail Tours Asia: Vietnam Tours, unter: Green Trail Tours, URL: http://www.greentrail-indochina.com/vietnam/index7.html, Stand: 06.08.2010.
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zu Orten ihrer Dienstzeit oder besuchen mit ihnen wichtige Schauplätze des Konflikts. Solche Seiten werden selten von einzelnen Veteraninnen und Veteranen organisiert, sind jedoch ein Symptom für ein im Quellenkorpus weitverbreitetes Phänomen. Die Identität als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran hat viele zusätzliche Aspekte angenommen, die ihre Positionierung im Alltag der Autorinnen und Autoren stark erleichtert. Sie beschränkt sich eben nicht auf Kriegserinnerung oder Leiden, sondern ermöglicht den flexiblen Wechseln zwischen Aspekten wie Stolz, Trotz, Unterhaltung und Hilfestellung. Diese Flexibilität lässt sich nicht nur im Netz beobachten, hier wird sie durch die zusätzlichen Möglichkeiten jedoch auf die Spitze getrieben, indem der Veteran je nach Situation die Ausrichtung seiner Teilidentitäten hervorhebt oder in den Hintergrund treten lässt. Dies gilt für die Hilfestellungen für andere Veteraninnen und Veteranen ebenso wie für die kommerziellen Angebote auf den Internetseiten. Wie am Anfang erwähnt, ist das Internet mehr als nur eine Infrastruktur, über die Daten ausgetauscht und Kommunikation durchgeführt werden. Es ist der Austragungsort für eine Fülle von Befindlichkeiten und Praktiken, die von den virtuellen Strukturen profitieren, während sie gleichzeitig durch diese transformiert werden. Anderen zu helfen und mit anderen zu handeln, sind direktere Formen der Kontaktaufnahme, wie sie viele der Autorinnen und Autoren sonst auf ihren Seiten praktizieren. Mithilfe des Internets können sie sich jedoch diesen Tätigkeiten widmen und gleichzeitig alle Aspekte ihrer Meinungsäußerung und Identitätskonstruktion weiter ausführen.
„World“: Freunde und Feinde Über sich selbst zu sprechen heißt immer, über andere zu sprechen. Selbstidentifikation geschieht durch Abgrenzung von Negativbeispielen und jenen, deren Handlungen und Einstellungen der eigenen radikal zuwiderlaufen. Die Autorinnen und Autoren sind in ihrer Darstellung der Personen, über die sie heute sprechen, oft außerordentlich radikal. Im Folgenden werden die Beziehungen und Einschätzungen zu mehreren Personengruppen eine Rolle spielen. Neben Freunden und Feinden der Gegenwart sind dies die Vertreterinnen und Vertreter der Medien, die Einwohnerinnen und Einwohner des wiedervereinigten Vietnams und die Vermissten und Toten des Kriegs, die für die Autorinnen und Autoren eine außerordentlich wichtige Rolle spielen. Für den Seitenbesitzer Bruce Obermeyer ist es selbstverständlich, einem wichtigen Feind aller Vietnamveteranen einen eigenen Abschnitt seiner Seite zu
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widmen.156 Wie für viele andere ist es für ihn unerträglich, dass der Vietnamveteran und Politiker John Kerry in Amerika immer noch eine Person des öffentlichen Lebens ist. Kerry war während der sogenannten „wintersoldier investigation“ der Sprecher der „Vietnam Veterans against the War“, die Kriegsverbrechen der Amerikaner offenlegen wollten und sich teilweise selbst solcher beschuldigten.157 Für Veteranen wie Obermeyer ist Kerry durch seine Verbindungen zu den „Vietnam Veterans against the War“ und durch die Kritik, die er während des Kriegs an den Handlungen der Soldatinnen und Soldaten in Vietnam übte, als Politiker und vor allem als Vietnamveteran untragbar geworden. Seiten wie Wintersoldier.com haben es sich zu ihrer Aufgabe gemacht, Kerry und seine Verbündeten zu diskreditieren.158 Als Kerry im Jahr 2004 als Präsidentschaftskandidat antrat, schlossen sich mehrere Veteranengruppen zusammen, um gegen ihn vorzugehen. Hauptaktivisten in dieser Hinsicht waren die „Swift Boat Veterans“, Kriegsbeteiligte, die wie Kerry auf den schnellen Flussbooten der amerikanischen Navy in Vietnam eingesetzt worden waren.159 Für die Besucherinnen und Besucher sind die Vorwürfe gegen Kerry oft nicht einfach nachzuvollziehen. Der mehrfach dekorierte Politiker ist laut Obermeyer „a thief of stolen valor“, der während seiner ganzen Karriere versucht hat, Amerika und die amerikanischen Truppen zu schädigen. Jeder Veteran, der ihn unterstützt, wird untragbar. Ein Bild zeigt die sogenannten „Vietnam Veterans for Kerry“ als asiatische Stereotypen, die die Flagge Nordvietnams schwenken. „John Kerry equated Guardsmen with draft dodgers. The majority of members of the Guard and Reserves are former Active Duty military. Chances are good that the next time you fly on a commercial airliner, the pilots will be former military and perhaps members of the 156 Bruce Obermeyer: The Promise Kept..., unter: This Website is The Promise Kept, URL: http://www.opaobie.com/promisekept.html, Stand: 01.04.2011. 157 Vgl. Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 444. 158 Autor unbekannt: The Winter Soldier Investigation, unter: WinterSoldier.com, URL: http://wintersoldier.com/, Stand: 21.02.2013. Zur Geschichte dieser Gruppe vgl. Richard M. Ketchum: The Winter Soldiers, Anchor Books: New York, NY 1991; Richard R. Moser: The New Winter Soldiers. GI and Veteran Dissent During the Vietnam Era, Rutgers University Press: New Brunswick, NJ 1996; Richard Stacewicz: Winter Soldiers. An Oral History of the Vietnam Veterans Against the War, Twayne: New York, NY 1997. 159 Swiftvets: The Real Story on John Kerry’s Military Service, unter: Swift Boat Veterans for Truth, URL: http://www.swiftvets.com/, Stand: 21.02.2013. Die heute inaktive Gruppe schaltete Anzeigen im Fernsehen und publizierte ein Buch, in denen Kerrys Aussagen zu Kriegsverbrechen in Vietnam bezweifelt und ihm Falschangaben bezüglich seiner Karriere vorgeworfen wurden. Vgl. John E. O’Neill, Jerome R. Corsi: Unfit for Command: Swift Boat Veterans Speak Out Against John Kerry, Regnery: Washington, DC 2004.
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National Guard or Reserves. I often wondered how many names on the Vietnam Memorial Wall are of National Guardsmen and Reservists. One hundred and forty Medal of Honor recipients were in the National Guard. Six thousand seventy-seven members of the National Guard or Reserves died in Vietnam.“160
In die Nationalgarde oder die Reserve zu kommen, galt während des Kriegs tatsächlich als ein Weg, die Einberufung nach Vietnam hinauszuzögern. Obermeyer greift also Kerry nicht primär als Person an, sondern will Vorwürfen entgegenarbeiten, die seiner Meinung nach manchen Vietnamveteranen das Recht auf Anerkennung und Respekt aberkennen sollen. Nicht alle Veteraninnen und Veteranen greifen Kerry an. Immer wieder wird der Politiker verteidigt: „There has been a great deal of misinformation spread about the veteran community concerning John Kerryʼs statement before the Senate Foreign Relations Committee, on April 22, 1971. Many vets have been led to believe Kerry cast all veterans as evil criminals, and baby killers. He did not! This is far from the truth...not what he said...and not what he felt! John Kerry deserves the light of truth and justice given his truly spoken words, not the half-truths that say he said what he didnʼt, innuendoes, unfair falsifications, misrepresentations and character assassinations, downright mean-spirited lies and dirty tricks perpetuated by those who do not wish to see him in office.“161
Nur wenige Veteraninnen und Veteranen bemühen sich aber so wie Gary Jacobson, die Vorwürfe gegen Kerry wirklich zu reflektieren. Die Motive Kerrys sind weniger bedeutend als der Umstand, dass dieser Vorwürfe gegen die Vietnamsoldatinnen und Vietnamsoldaten zur Sprache brachte und trotzdem weiterhin im politischen System Amerikas Karriere machen konnte. Kerrys Erfolg trotz seiner Aussagen bedeutet für seine Kritiker, dass solche Angriffe toleriert oder im schlimmsten Falle sogar belohnt werden.
160 Bruce Obermeyer: The Promise Kept..., unter: This Website is The Promise Kept, URL: http://www.opaobie.com/promisekept.html, Stand: 01.04.2011. 161 Gary Jacobson: The Light of Truth about John Kerry!, unter: Vietnam Picture Tour and Poetry, URL: http://pzzzz.tripod.com/KerryTruth.html, Stand: 07.02.2011.
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Abbildung 31: Die Unterstützer von John Kerry werden in dieser Karikatur als vietnamesische Kommunisten dargestellt.
Quelle: Bruce Obermeyer: The Promise Kept..., unter: This Website is The Promise Kept, URL: http://www.opaobie.com/pro misekept.html, Stand: 01.04.2011.
Manche Kriegsbeteiligte im Netz sind der Meinung, dass jeder Vorwurf gegen die amerikanischen Truppen während des Kriegs deren Stellung in Amerika sabotiert und ihr Leben aufs Spiel gesetzt hat. Letzteres folgt für die Autorinnen und Autoren daraus, dass die Schwächung des Kriegswillens in Amerika die Moral der Truppen untergraben und Verluste herausgefordert hat. Die Kombination aus Kritik während des Kriegs und andauerndem gesellschaftlichem Erfolg manifestiert sich in den Darstellungen der Schauspielerin Jane Fonda, die vielleicht das wichtigste Feindbild für die Autorinnen und Autoren darstellt. „Hanoi Jane“ wird vor allem wegen ihrer positiven Haltung gegenüber Nordvietnam während des Kriegs immer noch angegriffen. „Jane: Call Home – 1-800-HANOI“, ist auf der Seite von Ron Ferrell zu lesen. Etwas weiter oben auf der Seite findet sich das Gesicht der Schauspielerin auf einer Zielscheibe. Diese ist mit den Worten „Hanoi Jane urinal target“ beschriftet. Darüber lächelt eine gezeichnete Comicfigur den Betrachter an, während es mit heruntergelassener Hose in Richtung Zielscheibe uriniert.162 Ferell sieht es weiterhin als seine Aufgabe an, über die Taten der Schauspielerin aufzuklären: 162 Ron Ferell: Once a Doc, always a Doc, unter: Fleet Marine Force Corpsman, URL: http://www.marzone.com/corpsman/Ferrell.htm, Stand: 09.02.2011, Offline seit: 25.02.2011.
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„Several requests from students and other visitors have asked if the photos depicting Jane Fonda sitting on an NVA anti-aircraft gun were really her or not. The answer to this question is YES. Jane Fonda has expressed her regrets for having her picture taken while sitting on the anti-aircraft gun and for the pain that her action has caused many American Veterans.“163
Dass Fonda sich nach eigener Aussage von Nordvietnam instrumentalisieren ließ und sich für diese Handlung entschuldigt hat, befriedigt die Veteraninnen und Veteranen nicht. Auf der Seite von John Denison findet sich eine ganze Serie jener Fotos, die bis heute diese Feindschaft begründen. Fonda sitzt lächelnd auf einem nordvietnamesischen Flugabwehrgeschütz. Die Vorwürfe in den Bildunterschriften sind deutlich: „Jane Fonda looking admiringly at an NVA gun crew“, „Jane Fonda applauding an NVA anti-aircraft gun crew“, „Jane Fonda smiling with NVA gun crew“ und „Jane Fonda laughing with an NVA gun crew“.164 Abbildung 32: Eine der Aufnahmen von Jane Fonda bei ihrem Besuch in Nordvietnam, die auf den Webseiten häufig zu finden ist.
Quelle: John D. Denison: Jane Fonda a.k.a. Hanoi Jane, unter: 1st Cav Medic (Airmobile), URL: http://www.1stcavmedic.com/jane_fonda.htm, Stand: 01.04.2011.
163 Ebd. 164 John D. Denison: Jane Fonda a.k.a. Hanoi Jane, unter: 1st Cav Medic (Airmobile), URL: http://www.1stcavmedic.com/jane_fonda.htm, Stand: 01.04.2011.
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Der Kern dieser Feindschaft ist überraschend vielschichtig: „While American Soldiers were fighting and dying in the Vietnam War, Jane Fonda, the daughter of Henry Fonda, was using her money and influence at colleges and universities to gather support to advocate communism and encourage rebellion and anarchy against the United States Government.“165 Die Schauspielerin verkörpert mehrere Gruppen gleichzeitig, von denen sich die Veteraninnen und Veteranen verraten fühlen. Sie repräsentiert als Schauspielerin die als zu liberal eingeschätzten Medien, die Protestbewegung an Universitäten und alle Kritiker, denen die Veteraninnen und Veteranen Sympathien für den Kommunismus vorwerfen. Die „anti-aircraft artillery“ (AAA) auf der Fonda sitzt, steht aber noch für etwas anderes. Genau mit diesen Waffen wurden die Piloten abgeschossen, die lange Jahre in Kriegsgefangenschaft verbringen mussten und deren Schicksal die Veteraninnen und Veteranen bis heute stark bewegt. Fonda ging mit ihrem Protest deshalb viel weiter als andere Personen, da sie durch ihre Anwesenheit auf der von Kommunisten umringten Flugabwehrstellung scheinbar die Gefangennahme und Folter von US-amerikanischen Piloten zu billigen schien. Dass hinter dieser intensiven Ablehnung geschlechtsspezifische Gründe ebenfalls eine Rolle spielen, ist anzunehmen. Die große Bedeutung der „round eye women“ wurde durch den ‚Verrat‘ Fondas stark beeinträchtigt. Auf vielen Bildern im Quellenkorpus wird sie als naive Frau dargestellt, die sich vom Feind willig instrumentalisieren lässt. Fondas Position als Feindbild ist deshalb von Dauer, da sie noch immer als Repräsentantin für alle negativen Aspekte der Veteranenerfahrung herangezogen werden kann: „Self-serving now she SELLS her tale, this traitor who should be in jail. Is it within our souls to grant her grace? Our Souls shout, ‚No... spit in her face!‘ So self assured, she played high stakes; telling American prisoners, ‚Thatʼs the breaks.‘ She accused brave men of heinous crimes, which were disproved in future times. And now our Country knows the truth, jane fonda betrayed us in our youth. [...] But forever now sheʼll bear the scar, a scarlet letter sheʼll now wear... A stench forever in her hair. So dear jane, you must realize, youʼre the devil in a helmet in our eyes. When VietNam Vets raise up their toasts, itʼs to damn your soul, to salute our ghosts. We swear, we living, to our long dead brave...Weʼll live to piss upon your grave. So jane, good fortune, unforseen...your TRAITORʼS grave will be forever green.“166
165 Ebd. 166 Russ Vaughan: Exoneration, unter: Tractor Rats, URL: http://ww38.tractorrat.net/ reflections.html, Stand: 01.04.2011, Offline seit: 21.02.2013.
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Fonda ist weiterhin erfolgreich und geschätzt, obwohl sie als Verräterin gebrandmarkt werden müsse. Dass die Öffentlichkeit in den USA dies nicht tue, sei ein weiterer Verrat an den Autorinnen und Autoren. Die gefallenen Freunde zu ehren, sich als Veteranengemeinschaft zu feiern und die Schauspielerin zu verfluchen, sind drei Aspekte ein und derselben Handlung. Für die Einschätzung des Kriegsverlaufs sind diese ‚Verräter‘ ebenfalls zentral: „We never lost a battle in Vietnam but we lost the war at home under color of the coward and liar. Thanks to John Kerry the ‚Opportunist‘ and Jane Fonda the ‚Communist‘ Thirty years ago we watched a spectacle of John Kerry and the Winter Soldier bunch – composed of largely fraudulent ‚veterans‘ and overt traitors financed by Jane Fonda and Tom Hayden – indelibly stain the honor of every legitimate Vietnam vet. Kerryʼs Senate testimony paved the way for a parasitic political career constructed on the heroism, sacrifice, and dedication of men and women whose reputations are tarnished to this day by his reprehensible behavior. It was Kerry and Fonda and their fellow protestors who were directly responsible for creating the false image of Vietnam veterans as a ‚barbarian horde‘ which raped and murdered innocent civilians daily as a matter of policy. Itʼs that mythology, first popularized in the testimony of Lt. Kerry and repeated for more than three decades by the media and the popular culture, that continues to haunt our young men and women serving in the military today, propaganda that threatens current U.S. foreign policy and our national security.“167
Solche ‚Dolchstoßlegenden‘ werden dazu verwendet, um die militärischen Aspekte des Kriegs von dessen negativem Verlauf völlig abzukoppeln. Innere Feinde sind für die Niederlage verantwortlich gewesen, so die Aussage. Die Anhänger solcher Theorien als ‚Ewiggestrige‘ zu bezeichnen, scheint sich anzubieten. Der Grundstein für diese Aussagen wurde bereits während des Kriegs gelegt, als die inneramerikanischen Diskurse über die Protestbewegung und ihre Beziehung zum Feind und zur Lage der Truppen in Vietnam immer heftiger wurden. Allerdings sind manche dieser Vorwürfe nicht auf einen kleinen Kreis von Personen beschränkt, sondern zu einem festen Teil des politischen Diskurses geworden. Präsident George H. W. Bush (Präsident 1989-1993) bezog sich in seiner wichtigen Rede am Anfang des Golfkriegs im Jahr 1991 direkt auf das Beispiel Vietnam: „I've told the American people before that this will not be another Vietnam, and I repeat this here tonight. Our troops will have the best possible support in the entire world, and they will not be asked to fight with one hand 167 „Viper“: All Gave Some, Some Gave All, unter: Vipers Vietnam Veteran Pages, URL: http://vietnam-veterans.us/, Stand: 01.04.2011.
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tied behind their back“. Damit wurde von offizieller Seite die Behauptung bestätigt, dass die US-Truppen während des Vietnamkriegs aus der Heimat keine angemessene Unterstützung erhalten hätten.168 Es muss betont werden, dass nur wenige Seiten in ihren Schuldzuweisungen wirklich so weit gehen. Für die meisten Autorinnen und Autoren ist Kritik am Kriegsverlauf aber automatisch zum Widerstand gegen sie selbst geworden. Proteste für den Frieden sind in dieser Interpretation immer automatisch Proteste gegen die Soldatinnen und Soldaten. In dieser Hinsicht ist kein Mittelweg möglich: Protest heißt Angriff. Dass Fondas Karriere zeitweise durch ihre Aktivitäten zum Erliegen kam, ist für die Veteraninnen und Veteranen kein Trost, da die Schauspielerin bis heute ein geachtetes Mitglied der amerikanischen Gesellschaft ist. In ihrer Deutung haben es ‚Lügner‘ wie John Kerry geschafft, auf ihren Angriffen eine erfolgreiche Karriere aufzubauen, während die meisten Veteraninnen und Veteranen immer wieder betonen, dass sie sich auch weiterhin isoliert und verlassen fühlen. Viele ihrer Aussagen, die sich gegen sichtbare und unsichtbare Feinde richten, sind längst zum Topos geworden. Zwar sind viele dieser Inhalte bereits jenseits des Quellenkorpus etabliert worden, hier werden sie aber mit noch mehr Intensität ausformuliert und verbreitet. Ein weiteres wichtiges Feindbild der Veteraninnen und Veteranen bilden die Medien. Die Angriffe auf den Webseiten unterscheiden nicht zwischen einzelnen Produzentinnen und Produzenten oder Organisationen, beziehen sich aber meist auf die Nachrichten- und Unterhaltungsmedien. Dabei gehen die Autorinnen und Autoren von einer kontinuierlichen, teilweise absichtlichen Falschdarstellung aus: „Like you, my conduct and the conduct of my peers was and continues to this day to be slandered by politicians and the media. Sadly, they have again been joined by both the ignorant and the unpatriotic and encouraged by enemies and traitors to undermine our efforts and those of our peers, including todayʼs marvelous young men and women to whom we have passed the torch of freedom.“169
Die Veteraninnen und Veteranen fühlen sich, wie im Zitat deutlich wird, großen Machtsphären ausgeliefert, die schon während des Kriegs aktiv waren und bis heute gegen sie konspirieren. Edmund Burk nennt als Vorwurf „slander“, also die üble Nachrede gegen die Veteraninnen und Veteranen. Diese angeblichen 168 Gerhard Peters, John Woolley: George Bush: Address to the Nation Announcing Allied Military Action in the Persian Gulf, unter: The American Presidency Project, URL: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19222, Stand: 01.08.2013. 169 Edmund Burke: My Open Statements to all Veterans, unter: This Website is The Promise Kept, URL: http://www.opaobie.com/promisekept.html, Stand: 01.04.2011.
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Verfehlungen sind sehr allgemein gehalten. Hier zeigt sich, wie wichtig den Autorinnen und Autoren die Anerkennung der Veteraninnen und Veteranen als ehrbare Amerikaner ist. Der vermutete ‚Generalangriff‘ gegen die Gruppe als Ganzes bedroht das Selbstverständnis, um das sie bis heute ringen. Die Diskurse des Vietnamkriegs, die im zweiten Teil beschrieben wurden, enthalten einen Vorwurf, den die Veteraninnen und Veteranen als äußerst schwerwiegend verstehen. Die falsche und voreingenommene Berichterstattung wird von vielen als der zentrale Grund dafür gesehen, dass Amerika sich aus dem Krieg zurückgezogen hat: „The American servicemen and women never lost the war in Vietnam, our own government sold us out, Vietnam was never intended to be a military victory. The liberal politians and liberal news media made sure of that. Tet offensive 1968 was the turning point of the war. The North Vietnamese were on their last leg, they were defeated by our American fighting men. Then Washington tied the hands of the military even more because the liberals.“170
Die TET-Offensive im Jahr 1968 hatte die amerikanische Öffentlichkeit schockiert und große Auswirkungen auf die politische Sphäre. Sie änderte die Sichtweise auf den Krieg radikal. Jonathan Shell spricht in dieser Hinsicht von einem „escalation stalemate“, das den Amerikanern erst durch die Offensive bewusst wurde: „The precise target that was destroyed by the foe at Tet was not any military installation but a certain picture of the war that had been planted in the minds of the American people by their government. In that picture, the foeʼs resources were finite, itʼs will weak and breakable. The Saigon regime was a plausible and promising political alternative. The warʼs cost would place no undue strain on the economy. The limits on limited war would not be breached.“171
Durch die Offensive und die Berichterstattung darüber wurden in Amerika tatsächlich viele Aspekte des Kriegs neu betrachtet oder infrage gestellt. Der Konflikt schien plötzlich viel komplexer zu sein als vorher und die Unwägbarkeiten des Kriegsverlaufs schienen zahlreicher als gedacht. Durch die Überraschungsoffensive erhöhte sich das Ausmaß der Kriegsberichterstattung in den Medien um ein Vielfaches. Bilder und Berichte wie jene von der langen Schlacht um die 170 Autor unbekannt: Politicians and the Media, unter: Khe Sanh Combat Base, URL: http://myadoptedpowmia.homestead.com/khesanh1.html, Stand: 06.08.2010. 171 Jonathan Schell: Real War: The Classic Reporting on the Vietnam War, Da Capo Press: New York, NY 2000, S. 38.
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alte Kaiserstadt Hue und dem Selbstmordangriff auf die amerikanische Botschaft in Saigon zeigten der amerikanischen Öffentlichkeit eine ganz neue Seite des Vietnamkriegs. Militärisch gesehen war die Offensive für die Gegenseite eine verlustreiche Aktion. Der erwartete Volksaufstand in Südvietnam blieb aus und die PLAF-Soldatinnen und Soldaten erlitten große Verluste. In vielen Gebieten waren die Guerillatruppen dadurch stark geschwächt und die amerikanische Militärführung erhoffte sich durch schnelle Gegenangriffe, den Gegner noch weiter zurückdrängen zu können. Die Veteraninnen und Veteranen betrachten die Folgen der Offensive immer noch aus einem militärisch geprägten Blickwinkel, der die Auswirkungen der Offensive auf Amerika nur auf eine Weise erklärt: Verrat. Die liberalen Medien hätten, so der Vorwurf, durch eine übertrieben negative Berichterstattung zu TET und zum Verlauf des Kriegs stark zur Rückzugsentscheidung beigetragen. Die medialen und politischen Sphären werden fast immer in einem Atemzug genannt, ohne dass klar wird, ob die Veteraninnen und Veteranen nun eine Zusammenarbeit implizieren wollen oder nur zwei unterschiedliche Schuldige darstellen. „Liberal“ und „leftist“ sind Schimpfwörter, die eine ideologisch verbundene Gruppe von Feinden implizieren. Die „lurking liberal leftards“, also die dummen, verborgenen liberalen Linken sind überall und vor ihnen muss sich die Gemeinschaft ganz besonders in Acht nehmen.172 In vielen solcher ‚Rundumschläge‘ manifestiert sich die immer noch vorhandenen Angst, Feinde in allen Bereichen zu besitzen. Viele dieser Feindbilder besitzen eine große Kontinuität bis in die Gegenwart. Als die von Veteraninnen und Veteranen organisierte Versammlung „A Gathering of Eagles“ am 17. März 2007 in Washington, D.C. die Loyalität aller Veteraninnen und Veteranen zu den amerikanischen Streitkräften kommunizieren sollte, waren die Veranstalter schockiert darüber, dass das Medienecho außerordentlich gering blieb: „The Mainstream Media, including Fox, which claims to be ‚Fair and Balanced‘, have not covered this event from the Eagles side. They have, however, covered the anti-American side. You would think we would be used to it by now“.173 Das Misstrauen wurde und wird auf alle Medien erweitert, die nicht von den Autorinnen und Autoren selbst organisiert werden. Die Frustration umfasst oft das gesamte Mediensystem, dem die Veteraninnen und Veteranen ihre eigenen Anstrengungen auf ihren Seiten gegenüberstellen wollen. Die 172 Autor unbekannt: Introduction to my Guestbook, unter: America’s Unsung Heroes, URL: http://home.comcast.net/~bfmuldrake/powsfrompa.html, Stand: 19.01.2011, Offline seit: 05.04.2011. 173 Autor unbekannt: A Gathering of Eagles Report, unter: America’s Unsung Heroes, URL: http://home.comcast.net/~bfmuldrake/powsfrompa.html, Stand: 19.01.2011, Offline seit: 05.04.2011.
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Hauptkritik bleibt, dass alle amerikanischen Kriegsbeteiligten falsch dargestellt und so entmündigt werden. Erst im Internet könnten sich die Autorinnen und Autoren eine Stimme verschaffen. Was die Veteraninnen und Veteranen kaum kritisieren, sind die Darstellungen in populären Medienprodukten. Platoon, Apocalypse Now, Rambo und ähnliche Filme sind Teil eines öffentlichen Vietnamverständnisses geworden, gegen das sie nur unter Schwierigkeiten ankämpfen können.174 Bob Wheatley versteht die Falschdarstellungen als ein Gesamtphänomen, das sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen lässt. Der berühmte ‚Filmveteran‘ John Rambo erscheint nur als umgangssprachlicher Begriff für brutale, ausufernde Gewalt: „Ironically enough, at the other end of the spectrum, we were often vilified as calculating, marauding, cold-hearted murderers of women and children! If and when we returned home, beware! Forced to become psychotic killers by our rigid military training, we might at any time, flash back, go berserk and, ‚Rambo-style‘, take out anyone who got in our way! The truth is, Vietnam veterans were no more likely to be violent and commit criminal acts than anyone else. Yet these were the stereotypes unfairly foisted upon us by the political left, reinforced by a willing media, and perpetuated by a gullible, ignorant public. The following quote from an unknown Vietnam helicopter crew member sums it all up rather succinctly: Do not fear the enemy, for your enemy can only take your life. It is far better that you fear the media, for they will steal your HONOR.“175
Die größte Sorge der Veteraninnen und Veteranen ist es, dass ihnen die Ehre gestohlen wird. Die Zusammenhänge in der Vergangenheit manifestieren sich als eine Kette von Anschuldigungen: Die Medien und die politische Linke hätten, unterstützt von einseitiger Berichterstattung und reißerischen Medienprodukten, die einfältige amerikanische Öffentlichkeit dauerhaft getäuscht. „Rambostyle“ als Bezeichnung für die klischeebehaftete Sicht auf Vietnamveteranen ist damit keine Auswirkung der gleichnamigen Filme, sondern ein Symptom für einen Verrat der Medien an den amerikanischen Truppen und den amerikanischen Idealen. Hinter der Wut der Veteraninnen und Veteranen versteckt sich ein Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber den Auswirkungen dieser Medienflut: „Today for the 1st time I watched a movie about the war in Vietnam, (Platoon). What a crock of shit that movie is. The biggest thing wrong with this movie is that non
174 Oliver Stone: Platoon (Film), USA: Orion Pictures: 1987; Francis Ford Coppola: Apocalypse Now (Film), USA: United Artists: 1979; David J. Anderson, David F. Thorpe, u.a.: Rambo (Commodore 64), Ocean Software: USA 1985. 175 Bob Wheatley: Epilog – No Hero’s Welcome, unter: VietRemf, URL: http://www. viet-remf.net/Epilog.htm, Stand: 19.02.2013.
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combatants will watch this and believe this was the way it was.“176 Wie die Passagen zeigen, sind die Vorwürfe gegen die Medien und die Vorwürfe gegen die amerikanische Politik ähnlich aufgebaut und miteinander verflochten. Es ist nicht der einzelne Politiker, sondern die politische Sphäre insgesamt, von der sich die Veteraninnen und Veteranen im Stich gelassen und im schlimmsten Fall bedroht fühlen. Spezifische Vorwürfe sind vage und schwer zu deuten, vor allem wenn unterschiedliche Bereiche wie Politik, Gesellschaft, Medien und Einzelpersonen als Gesamtheit angeklagt werden: „Politicians are what lost the war, along with the likes of dan rather, walter cronkite, morley safer, ed bradley, hanoi ‚traitor slut‘ jane, tom hayden, et all. Tet ʼ68 was the death knell for the VC and NVA, admitted by their own leadership...walter cronkite got on TV saying the war was ‚unwinable‘.“177
Politikerinnen und Politiker besäßen ebenso wie die Medien eine Gesamtschuld an der Niederlage. Für den Abzug der USA seien die Streitkräfte in keiner Weise verantwortlich zu machen. Auf den Seiten existiert immer noch ein generelles Misstrauen gegen politische Prozesse. Die Veteraninnen und Veteranen fühlen sich als Gruppe, die sich nur auf sich selbst verlassen kann. Ein mögliches Feindbild, das den Veteraninnen und Veteranen in der Gegenwart immer noch zur Verfügung stünde, ist die sozialistische Republik Vietnam. Das wiedervereinigte Land steht nicht nur für die Niederlage, sondern für die Tatsache, dass alle Anstrengungen für den Schutz des südvietnamesischen Verbündeten umsonst waren. Als die amerikanischen Truppen im Jahr 1973 Südvietnam verließen, war für die USA der Krieg zu Ende. Der von Präsident Richard Nixon angestrebte ‚ehrenhafte Friede‘ war in Wirklichkeit nur ein kurzer Aufschub, der es der amerikanischen Administration ermöglichte, alle Schuld am Niedergang Südvietnams von sich zu weisen.178 Den raschen Fall Südvietnams nach den ersten Offensiven durch das kommunistische Nordvietnam hatten weder die Kommunisten noch die Amerikaner vorhergesehen. Nach der Wiedervereinigung unter kommunistischer Herrschaft im Jahr 1975 begann ein neuer Krieg zwischen Amerika und Vietnam. Er war ideologischer und ökonomischer.
176 Lee Helle: About Platoon, unter: Charly Company, URL: http://mywar.homestead. com/plt.html, Stand: 12.04.2011. 177 Russ Vaughan: Exoneration, unter: Tractor Rats, URL: http://ww38.tractorrat.net/ reflections.html, Stand: 01.04.2011, Offline seit: 21.02.2013. 178 Vgl. Marc Leepson und Helen Hannaford (Hg.): Webster’s New World Dictionary of the Vietnam War, Macmillan: New York, NY 1999, S. 310; David L. Anderson: The Columbia Guide to the Vietnam War, Columbia University Press: New York, NY 2002, S. 75f.
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Das wirtschaftlich und diplomatisch bereits stark isolierte Vietnam verlor durch die medienwirksam dargestellte Flüchtlingswelle (die sogenannten „boat people“) und durch Berichte von politischen Säuberungen und Umerziehungslagern international noch mehr an Bedeutung. Die Autorinnen und Autoren der Internetseiten stehen der kommunistischen Nation aber relativ unbefangen gegenüber. Für sie spielt die politische Situation in Vietnam kaum eine Rolle. Die geflohenen Südvietnamesinnen und Südvietnamesen, die sich teilweise in Amerika angesiedelt haben, nehmen im Netz nur außerordentlich selten mit den Veteraninnen und Veteranen Kontakt auf. Auf der Seite Vets helping Vets dankt der eingebürgerte Vietnamese Quang Nguyen den Veteraninnen und Veteranen für ihren Dienst an seiner gefallenen Nation Südvietnam. Die TET-Offensive hatte den damals sechsjährigen Jungen schwer traumatisiert. Seine Rede auf einer Versammlung von Veteraninnen und Veteranen ist eines der wenigen Beispiele, in dem das neue Vietnam als kommunistisches Konstrukt direkt angegriffen wird: „35 years ago, I left South Vietnam for political asylum. The war had ended. At the age of 13, I left with the understanding that I may or may not ever get to see my siblings or parents again. I was one of the first lucky 100,000 Vietnamese allowed to come to the US. Somehow, my family and I were reunited 5 months later, amazingly, in California. It was a miracle from God. If you havenʼt heard lately that this is the greatest country on earth, I am telling you that right now. It was the freedom and the opportunities presented to me that put me here with all of you tonight. I also remember the barriers that I had to overcome every step of the way... This person standing tonight in front of you could not exist under a socialist/communist environment. By the way, if you think socialism is the way to go, I am sure many people here will chip in to get you a one way ticket out of here. And if you didnʼt know, the only difference between socialism and communism is an AK-47 aimed at your head. That was my experience.“179
Die Rede des Exilvietnamesen greift einige Punkte auf, die für ihn extrem wichtig, für die Veteraninnen und Veteranen dagegen zu vernachlässigen sind. Die politische Übernahme von Vietnam betraf ihn direkt, während viele Soldatinnen und Soldaten nach ihrer Rückkehr wenige Gründe hatten, sich noch weiter mit dem Land zu beschäftigen. Die Probleme der Kriegsbeteiligten waren und sind 179 Quang Nguyen: An Immigrant’s Opinion, unter: Paralyzed Veterans of America – Central Florida Chapter, URL: http://www.centralfloridapva.org/WIM-03-11/immi grant.htm, Stand: 10.01.2013.
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nicht nur amerikazentriert, der Kommunismus ist nach dem Aufbrechen des Ostblocks keine wirkliche Bedrohung mehr für sie. Vietnam als politisches Feindbild kann nur dort existieren, wo die Belange der Ex-Soldatinnen und E-Soldaten direkt berührt werden. Im Rahmen der POW/MIA-Frage werden der vietnamesischen Regierung bis heute Lügen und Verschwörungsabsichten unterstellt. Diese Anklage steht aber nie allein, da das amerikanische politische System im selben Atemzug attackiert wird und politische Verschwörungen in beiden Staaten vermutet werden. Die kommunistische Ausrichtung Vietnams wird als Problem angesprochen, viel wichtiger ist jedoch die Kritik an der Realpolitik beider Länder, unter der die ehemaligen Kriegsbeteiligten leiden müssen. Das Verhältnis zu Vietnam zeigt sich dann am besten, wenn die Kriegsbeteiligten eine Reise nach Vietnam unternehmen und mit dem Land ihrer Stationierung direkt interagieren können. Der Politiker und Veteran John Mayo erzählt in seinem ausführlichen Reisebericht von seinem Stolz auf die eigene Rolle in Vietnam: „I am pasting here an email I sent to my list. Our visit to the Consulate Grounds was almost a spiritual one. I am not one for ‚God and Country‘ rhetoric. I just do not believe the United States is ‚the chosen one‘. But, having said that, I came away from this experience humbled by the greatness of our country, awed by the people who want to get here, and thankful that through an accident of birth, I am grateful and proud to be a citizen of the United States of America.“180
Er nimmt die Probleme der Nation Vietnam durchaus wahr, erwähnt die Schlangen von Ausreisewilligen vor der amerikanischen Botschaft und die Bettler in den Straßen. Dennoch ist sein Reisebericht fast in jeder Hinsicht ein positives Erlebnis. Er besucht die Orte seiner Dienstzeit, besichtigt die unterschiedlichen Touristenziele und interagiert mit den Einheimischen. Er zeigt seinen Stolz auf die gefallenen Kameraden, die während der TET-Offensive bei der Verteidigung der amerikanischen Botschaft ums Leben kamen und denen am Ort des Gefechts eine Gedenktafel gewidmet wurde. Die Gedenktafel für die gefallenen Viet Cong, die die Amerikaner getötet haben, besucht er ebenfalls. Diese Toten ebenfalls zu ehren, ist für den amerikanischen Politiker kein Widerspruch. Sie sind eine Gruppe von Veteraninnen und Veteranen, die als einfache Truppenangehörige ihren Dienst unter großen Opfern ausführen mussten. Damit stehen sie den Autorinnen und Autoren der Seiten viel näher als viele andere Gruppen in ihrer 180 John Mayo: The Consulate and „The Roof“, unter: Representative John Mayo Home Page Mississippi House District 25, URL: http://www.johnmayo.com/the_consulate_ and_the_roof.htm, Stand: 24.02.2011.
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Heimat. Als er am Schluss der Reise seine Gedanken noch einmal ordnet, ist sein Urteil zum Vietnam seiner Vergangenheit und Gegenwart eindeutig. Amerika hat den Krieg verloren, die amerikanischen Truppen dagegen haben ihn gewonnen: „Governments in their efforts to win wars may fail. Diplomats in their efforts to negotiate a settlement to save face, may or may not have success. But, the American Soldier, the instrument for government policy, will get it right. When left to his or her own desire to be human in war, the American Soldier will prevail and find a way to make peace one person at a time.“181
Für den amerikanischen Ex-Soldaten ist die politische Ebene nicht (mehr) von Bedeutung. Er darf sie ausblenden, sich ganz auf die eigenen Errungenschaften konzentrieren. An der Brücke, die Mayo während des Kriegs drei Tage lang gegen feindliche Angriffe verteidigen musste, kann er seinen Stolz auf die eigenen Taten während des Kriegs noch einmal bekräftigen, während er gleichzeitig seine virtuellen Erinnerungen im physischen Raum verortet und damit die Vergangenheit greifbar macht. Die Regierungen Amerikas und Vietnams hätten Fehler gemacht, die Streitkräfte dagegen wären erfolgreich gewesen. Stolz entspringt nach seiner Interpretation dem individuellen Handeln und muss nicht mehr in größere politische Kontexte eingefügt werden. Mit diesem geschickten Diskurskonzept ist es möglich, auf den eigenen Dienst stolz zu sein, ohne dabei über Details nachdenken oder politische Analysen anstellen zu müssen. Dass dies zu dem Fehlen von Kritikfähigkeit und Selbstreflexion beiträgt, die sich auf den Seiten immer wieder beobachten lassen, hat sich bereits mehrfach gezeigt. Fast alle, die zurück ins Land ihrer Stationierung reisen, berichten davon, wie sehr sich dieses von den Realitäten ihrer Kriegserfahrung unterscheidet. Diese Veränderung wird durchwegs positiv bewertet. Die Bilder, die sie bis heute in ihren Köpfen mit sich getragen haben, scheinen surreal und lassen sich nicht mehr mit realen Orten in Beziehung setzen: „I looked around this deserted hill for one last time. I could imagine a line of Marines making their way across the paddies, bound for the hill. The images were from a dream I still have, fifteen years later. My old platoon is returning to Hill 10 from the mountains. In the shadow of the base we are ambushed. No one comes to help us. We are cut to
181 John Mayo: Final Thoughts, unter: Representative John Mayo Home Page Mississippi House District 25, URL: http://www.johnmayo.com/final__thoughts.htm, Stand: 24. 02.2011.
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pieces.... But this time there was no ambush. The men just kept coming, headed for home, together.“182
Diese Orte sind nicht austauschbar und besitzen eine besondere Bedeutung. Diese liegt jedoch, wie von Halbwachs gezeigt wurde, in den Erinnerungsprozessen, die fern davon ausgeführt wurden. Für die Besucherin oder den Besucher manifestiert sich diese Bedeutung im Akt des Besuches und nicht erst im Kontakt mit einem Ort, den es in dieser Form nicht mehr geben kann. So wie die Kriegslandschaft sich nicht mehr nachvollziehen lässt, sind auch die Gegner ihrer negativen Eigenschaften fast vollständig beraubt worden. Die ehemaligen Viet Cong verbindet mit den Besucherinnen und Besuchern aus Amerika oft mehr, als beide Seiten zugeben möchten. Die Veteraninnen und Veteranen beider Seiten treffen sich in einem grundlegend veränderten Land praktisch auf Augenhöhe wieder und beide Gruppen sind mehr an der Gegenwart interessiert als daran, alte Wunden wieder aufzureißen. Gegenstände, Kriegsgeräte, Fotografien oder andere Artefakte stehen als Verbindung in die Vergangenheit und Diskursfokus der Gegenwart immer im Schatten der Kriegskameradinnen und Kriegskameraden. Wenn andere Personengruppen zur Sprache kommen, dann ist sofort offensichtlich, wie gering deren Bedeutung im Vergleich zu den anderen Kriegsbeteiligten ist. Alle Erinnerungsanker wie Stationierungsorte oder Kriegsgeräte sind untrennbar mit Gesichtern und Geschichten verknüpft, die mit Inhalt gefüllt werden sollen. Die Heimreise ist deshalb so surreal, weil sie eine Isolationserfahrung dargestellte, die den Kriegsbeteiligten überrumpelte und ihn aus bestehenden Strukturen herausriss. Die Sehnsucht nach diesen Strukturen der Vergangenheit ist eine zentrale Triebkraft des Erzählens und Erinnerns. „Post your photos“, ruft Don „Doc“ Dade die Besucherinnen und Besucher seiner Seite auf.183 Termine, Bilder, Beschreibungen und Berichte, Namenslisten, Geschichten und vieles mehr müssten festgehalten und veröffentlicht werden. Solche Darstellungen ersetzen keine physischen Veteranentreffen, ermöglichen es aber, diese nachträglich in einer Art von Großcollage festzuhalten. Seiten wie Cecil’s World 1969 werden von den Autorinnen und Autoren zur Organisation und Kommunikation verwendet und rekontextualisieren die Bilder und Information sofort. Auf diese Weise können Personen, mit denen
182 William Broyles: A veteran’s return to Vietnam-LONG, unter: Militaryphotos.net, URL: http://www.militaryphotos.net/forums/showthread.php?45003-A-veteran-sreturn-to-Vietnam-LONG, Stand: 25.02.2011. Broyles hatte diese Geschichte nach eigener Aussage auf seiner eigenen Seite veröffentlicht, diese ist aber nicht auffindbar. 183 Donn Dade: Vietnam Veterans Reunion, unter: K’Dade Web Radio, URL: http:// engineersvietnam.com/engineers/reunions/pastreunions.htm, Stand: 07.04.2011.
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on- oder offline Kontakt aufgenommen wurde, nachträglich spezifischen Baracken auf den Luftbildern des Lagers zugewiesen werden.184 Die Autorinnen und Autoren setzen die Möglichkeiten der Seiten als Kommunikationswerkzeuge aber nur in beschränktem Umfang um und sind sich der Probleme, die dabei entstehen, oft nicht bewusst. Bis heute lassen sich auf manchen Seiten große Listen an E-Mail-Adressen von Besucherinnen und Besuchern einer Veteranenfeier finden, die im Internet für unterschiedliche Zwecke missbraucht werden können. Gleiches gilt teilweise für die öffentliche Auflistung von Telefonnummern oder Adressen. Versierter sind die Autorinnen und Autoren darin, die Informationen über ihre Kameradinnen und Kameraden zu sammeln, zusammenzuführen und zu einem kohärenten Gesamtbild zu vereinigen. Man könnte diese Anstrengungen, die im Umgang mit den Toten und Verschollenen ebenfalls auftreten, als Annäherung an eine vollständige ‚Fremdbiografie‘ ansehen. Die so aus unterschiedlichen Informationsquellen zusammengetragenen Daten über die eigenen Kameradinnen und Kameraden entreißen sie der Vergangenheit und bringen sie mit der eigenen Veteranenidentität in Verbindung. Die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen definieren sich eben nicht nur über ihre Erlebnisse, sondern über die Pflichten, die sie sich selbst in der Gegenwart auferlegen. Die Gefallenen ‚um sich‘ zu versammeln, ist eine dieser Pflichten. Gerade für diese Aufgabe bietet ihnen das Netz eine Fülle an Möglichkeiten, um nicht nur eine beliebig große Zahl von diesen zu ehren und darzustellen, sondern jedem so viel Platz einzuräumen, wie es ihrer Meinung nach notwendig ist. Was die Seiten des Quellenkorpus radikal von Einheitenseiten unterscheidet ist, dass sie die Beziehung zu ihren Kameradinnen und Kameraden nicht auf militärischen Strukturen aufbauen. Dies fällt aufgrund der starken Repräsentation militärischer Inhalte nicht sofort ins Auge. Viele Seiten bedienen sich der Stationierungsorte oder gemeinsamer Einheiten, wenn es darum geht, sich an die Vergangenheit zu erinnern. Anders als auf den Einheitenseiten gibt es aber keine strikte Abgrenzung zwischen denen, die in der eigenen Einheit waren und jenen, die nur als Mitveteranen geschätzt werden. Zugehörigkeiten existieren nur als Wegpunkt, um die Inhalte der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen. Jede Person, die im militärischen Kontext in den Geschichten oder auf den Bildern erscheint, wird mit den eigenen Kameradinnen und Kameraden auf eine Stufe gestellt. Dementsprechend ist die Rekonstruktion völlig Fremder auf den Seiten durch die Möglichkeiten des Internets nicht nur umsetzbar, sondern wird immer wieder in die Tat umgesetzt. Solche Anstrengungen gehören zur eigenen Identität als Veteran, da kein Kriegsbeteiligter in den ‚Nebeln des Kriegs‘ vergessen 184 Cecil Higdon: Our Reunions, unter: Cecil’s World 1969 Vietnam, URL: http:// www.angelfire.com/ok3/cecilH/, Stand: 07.04.2011.
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werden soll. Auf der anderen Seite entsteht durch diese Selektionspraxis die Tendenz, alle Menschen in Zugehörige und nicht Zugehörige einzuteilen. Wer zur letzteren Gruppe gehört, darf sich zu den Belangen der Kriegsbeteiligten nur sehr eingeschränkt oder gar nicht äußern. Ob die Kameradinnen und Kameraden leben oder schon gestorben sind, macht für die Autorinnen und Autoren dabei keinen Unterschied. Manche Teile ihrer Seiten lassen sich durchaus mit den Beispielen vergleichen, die Ira Spieker und Gudrun Schwibbe in ihrem Beitrag zur kulturellen Bedeutung virtueller Friedhöfe beschrieben haben. Die Gefahr einer „Verwirrung des Wirklichkeitsstatus“ im Umgang mit den Verstorbenen, die sie als Gefahr für die Nutzerinnen und Nutzer solcher Seiten beschrieben haben, besteht für die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus aber nicht.185 Der Todeszeitpunkt ist für die Darstellung der Kameradinnen und Kameraden ein wichtiger Ausgangspunkt, um den die Informationen und Erinnerungen geordnet werden. Genaue zeitliche Angaben (möglichst aus offiziellen Quellen) sind eine wichtige Ressource, über die die Autorinnen und Autoren die Kameradinnen und Kameraden in ihrer Dienstund Lebenszeit situieren. In gewisser Weise verursacht ihr Tod eine Wunde, die teilweise verheilen kann, wenn die Kriegsbeteiligten sie angemessen für die Nachwelt darstellen. Wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen, geschieht das, was Spieker und Schwibbe in ihrem Titel als schlimmsten Fall dargestellt haben: „Nur Vergessene sind wirklich tot.“ Der Aufruf „They must NEVER be forgotten!“, der sich auf den Seiten immer wieder zitiert findet, hat viele verschiedene Bedeutungsebenen.186 Die Autorinnen und Autoren beziehen ihn auf sich, auf die Soldatinnen und Soldaten heutiger Kriege, auf die Gefallenen und Vermissten und damit letztlich auf alle Militärangehörigen in Amerika. Keiner der Autorinnen und Autoren scheint die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass diese oft überdeutliche Darstellung von den Personen oder deren Angehörigen nicht gewollt sein könnte. Je mehr die Autorinnen und Autoren darauf verweisen, dass es ihnen nur darum geht, solche Personen nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen, desto deutlicher treten ihre zusätzlichen Motive zutage. Die Respektsbekundungen für alle Kriegsbeteiligten sollen als Standard etabliert werden, dem sich keine US-Bürgerinnen oder USBürger entziehen können. Die große Veteranengemeinschaft aus Lebenden, To-
185 Ira Spieker, Gudrun Schwibbe: Nur Vergessene sind wirklich tot. Zur kulturellen Bedeutung virtueller Friedhöfe, in: Norbert Fischer, Markwart Herzog (Hg.): Nekropolis. Der Friedhof als Ort der Toten und der Lebenden, Kohlhammer: Stuttgart 2005, S. 229-241, hier S. 240. 186 Vgl. z.B. Larry Reighard: POW/MIA Page, unter: Bluegrass Guy, URL: http:// bluegrassdj.tripod.com/kclcbgpm.htm, Stand: 22.02.2013.
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ten, Bekannten und Unbekannten, die die Autorinnen und Autoren hier konstruieren, soll ihre Isolation dauerhaft beenden. Diese Konstruktion einer Erinnerungsgemeinschaft ermöglicht ihnen eine Form der ‚Heimkehr‘, nach der sie sich immer noch sehnen. Die Toten und Vermissten besitzen in dieser (vor allem postulierten) Gemeinschaft eine Sonderstellung, die aus ihrem immer wieder referenzierten „ultimate sacrifice“ entspringt. Die beiden Abkürzungen und Konzepte POW („prisoner of war“, Kriegsgefangener) und MIA („missing in action“, im Kriegsgebiet vermisst) sind eigentlich offizielle Bezeichnungen, über die der Status eines Militärangehörigen ausgedrückt wird. Anders als die KIAs, („killed in action“, im Kriegsgebiet gefallen) wurden die Kriegsgefangenen und Vermissten schon während des Kriegs zu einem Gesamtbegriff kombiniert. Das sprachliche Konstrukt, das sich bis heute erhalten hat, ist durch die Zusammenziehung höchst problematisch geworden. Es impliziert, dass jeder Vermisste ein potenzieller Kriegsgefangener ist und jeder Kriegsgefangene wie der Vermisste im Stich gelassen wurde. Die politische Instrumentalisierung des Konzepts erreichte unter der ReaganAdministration ihren Höhepunkt. Diese warf Nordvietnam vor, Gefangene als Verhandlungsgrundlage vor den Amerikanern zu verbergen. Diese politischen Auseinandersetzungen in der Nachkriegszeit, die Robert Schulzinger ausführlich beschreibt, sind aber nicht der Ursprung dieser Idee.187 Wie Michael Allen richtig zeigt, wurde die Vermisstenproblematik schon während des Kriegs intensiv diskutiert und auf beiden Seiten für politische Zwecke instrumentalisiert.188 Aus der Sorge um Gefangene und Vermisste entwickelten sich dann unterschiedliche Diskursstränge. Angehörige und Aktivisten konzentrieren sich vor allem darauf, die offiziellen Stellen unter Druck zu setzen, mehr für das Wiederfinden der Soldatinnen und Soldaten zu tun. In der politischen Sphäre ließ sich dadurch der Vorwurf an unterschiedliche politische Lager richten, diese würden die Kriegsgefangenen im Stich lassen und so Schwäche zeigen. In der amerikanischen Außenpolitik entwickelte sich die Frage nach den Kriegsgefangenen zu einem zentralen Faktor in der Beziehung zum wiedervereinigten, kommunistischen Vietnam. In der Diskussion um die Reparationszahlungen an Vietnam wurde die fehlende Kooperation der vietnamesischen Regierung als ein Grund angeführt, nicht wie im Friedensvertrag vereinbart mit den Zahlungen zu beginnen.
187 Robert D. Schulzinger: A Time for Peace. The Legacy of the Vietnam War, Oxford University Press: New York, NY 2006, S. 23. 188 Michael J. Allen: „Help us Tell the Truth about Vietnam“: POW/MIA Politics and the End of the American War, in: Marilyn Blatt Young, Mark Bradley (Hg.): Making Sense of the Vietnam Wars. Local, National, and Transnational Perspectives, Oxford University Press: New York, NY 2008, S. 251-276, hier S. 253.
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Jenseits der politischen Sphäre entwickelte die POW/MIA-Frage bald eine eigene Dynamik. Zwischen den Jahren 1969 und 1973 entwickelte sich in Amerika eine einträgliche „cottage industry“, die ungefähr 4 Millionen Stoßstangenaufkleber und Armbänder mit der POW/MIA-Flagge oder mit dem Namen von Vermissten verkaufte.189 Diese Form der Vermarktung der Erinnerung an vermisste Amerikaner hat sich ausdifferenziert und existiert heute zu jedem Konflikt der amerikanischen Gegenwart. Die Stellung dieses Diskurses in der US-amerikanischen Gesellschaft verstehen zu wollen ist bis heute eine große Herausforderung. Bruce Franklin stellt in M.I.A. or Mythmaking in America die Frage, ob die Behandlung der POW/MIA nicht nur ein Mythos sei, sondern sich zu einer nationalen Religion in den USA entwickelt habe.190 Im Umgang mit den Vermissten vermischen sich viele unterschiedliche Aspekte miteinander. Der Veteran John Dixon, Autor eines Kinderbuchs namens Mommy, What is a POW/MIA?, verweist als Inspiration für sein Buch auf Familienmitglieder, die im Vietnamkrieg gekämpft hatten. Er stellt jedoch ebenfalls klar: „This story was given to me by the inspiration of God.“191 Was in all diesen Anschuldigungen und Überlegungen immer wieder zum Vorschein kommt, ist „survivor guilt“, das irrationale Schuldgefühl der Überlebenden, die es den Verschollenen schulden, diese Ungerechtigkeit wieder gut zu machen. Da alle Bemühungen, die Verschollenen zu finden, gescheitert sind, bleiben den Überlebenden nur die Erinnerung und die Wut auf alle Beteiligten an den immer wieder neu entwickelten Verschwörungen. Der Dichter und Veteran W. D. Ehrhart hat all diese Aspekte und die Sehnsucht nach einer befreienden Katharsis in einem seiner Gedichte festgehalten: „God forgive me, but I’ve seen that triple-canopied green nightmare of a jungle where a man in a plane could go down unseen, and never be found by anyone. Not ever. There are facts, and there are facts: 189 Anthony O. Edmonds (Hg.): The War in Vietnam (Greenwood guides to historic events of the twentieth century), Greenwood Press: Westport, CT 1998, S. 88. 190 H. Bruce Franklin: M.I.A. or Mythmaking in America, L. Hill Books: Brooklyn, NY 1992, S. 3. 191 John T. Dixon: Mommy, What Is a POW/MIA?, PublishAmerica: Baltimore, MD 2008, S. 4.
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when the first missing man walks alive out of that green tangle of rumors and lies, I shall lie Down silent as a jungle shadow, and dream the sound of insects gnawing bones.“192
Für die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus gibt es einen zentralen Punkt, der sie mit den POW/MIAs verbindet. Beide Gruppen wurden, so die Wahrnehmung, von der amerikanischen Regierung und vom amerikanischen Volk verlassen. Der Grundtenor auf den Seiten ist deshalb „bring them home or send us back“. Alle Paraphernalien der POW/MIA-Bewegung wie Armbänder mit Namen und Daten der Vermissten oder die Flagge der Bewegung finden sich in digitalisierter Form.193 Man adoptiert die Vermissten, sammelt Daten über sie und versucht, andere auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Gedenken bedeutet hier nicht nur zu trauern, sondern die Erinnerung wachzuhalten: „we remember“.194 Manche Autorinnen und Autoren betätigen sich als Aktivisten, die versuchen, die Veteraninnen und Veteranen als Ganzes für die POW/MIA-Frage zu mobilisieren. Viele Aktionen finden ausschließlich im Netz statt. Der jährliche „internet blackout day“ soll auf das Schicksal der Vermissten aufmerksam machen, indem alle teilnehmenden Seiten für einen Tag vom Netz getrennt werden. Banner, die für diese Aktion werben, finden sich auf vielen Seiten im Quellenkorpus.195 Verschwörungsvorwürfe gegen die amerikanische oder vietnamesische Regierung sind auf den Seiten vorhanden, haben aber längst an Bedeutung verloren. Die Aufgabe, die sich die Autorinnen und Autoren selbst gewählt haben, ist es, das offizielle Emblem der POW/MIA-Bewegung (ein gebeugter Kopf im Schatten, dahinter Stacheldraht und Wachturm) zu verbreiten und den ultimativen Aufruf darauf ernst zu nehmen: „you are not forgotten“.196
192 Zitiert nach H. Bruce Franklin: M.I.A. or Mythmaking in America, L. Hill Books: Brooklyn, NY 1992, S. 201. 193 Autor unbekannt: My Welcome & Thank YOU Site – Please Remember: Freedom isn’t Free!, unter: Veterans Tribute, URL: http://vetstribute.com/, Stand: 08.11.2010. 194 Stephen McDonald: SFC Robert W. Hunt, unter: Operation Just Cause, URL: http:// skeandhu.tripod.com/front.htm, Stand: 10.11.2010. 195 Ein Banner findet sich immer noch auf der folgenden Seite: Autor unbekannt: The Vietnam War 2, unter: Vietnam Remembered, URL: http://remembervietnam. homestead.com/dutywelcome.html, Stand: 10.11.2010. 196 Autor unbekannt: The Vietnam Era, unter: Weezye, URL: http://www.chu65nang67. us/nam/vietnam.html, Stand: 08.11.2010, Offline seit: 21.02.2013.
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Oft scheint der Unterschied zwischen lebend, tot, gefangen oder vermisst zu verschwimmen. Es soll eine große Gemeinschaft konstruiert werden, die alle ‚würdigen‘ Personen umfasst. Die Erweiterung dieser Gemeinschaft bedeutet immer eine Aufwertung des Veteranenkonzepts, an dem die Autorinnen und Autoren arbeiten. Das „POW/MIA-prayer“ auf der Seite der Wildgun Cavalry zeigt diese Vermischung deutlich: „Father Your own Son was a Prisoner. Condemned, He died for us, Victorious, He returned to bring us the gift of life everlasting. Comfort us now in our longing for the return of the Prisoners Of War and those Missing In Action. Help Us Father, inspire us to remove the obstacles. Give courage to those who know the truth to speak out. Grant wisdom to the negotiators, and compassion to the jailors. Inspire the media to speak out as loudly as they have in the past. Protect those who seek in secret and help them to succeed, Show us the tools to do your will, Guard and bless those in captivity, their families, and those who work for their release. Let them come home soon. Thank You Father. Amen. We Will Never Forget!!!“197
Wie Jesus für die Menschen sein Leben ließ, hätten die Vermissten ihr Leben für ihr Land gegeben. Die Wahrheit ihrer Situation müsse ausgesprochen werden. Vor allem Politikerinnen und Politiker sowie die Medien sind angesprochen, sich für diesen Zweck einzusetzen. Am Schluss folgt der Aufruf gegen das Vergessen. Um die Bedeutung der POW/MIAs noch weiter zu betonen, werden sie mit den Vermissten und Kriegsgefangenen aller amerikanischen Kriege gleichgesetzt. Die Seite des „Marines“ Charles J. Ramsay drückt dies ganz einfach aus: „My name is MIA. I am eternal“.198 Dabei gibt es bis heute keine gesicherten Erkenntnisse, die beweisen oder andeuten, dass Vietnam oder Amerika Informationen über POW/MIAs zurückgehalten haben oder dass tatsächlich noch Gefangene existieren oder existiert haben. Dieses Gedenken auf den Seiten hat aus mehreren Gründen dennoch eine so große Wirkungsmacht. Da sich die Veteraninnen und Veteranen von Amerika ebenfalls verlassen fühlen, ist die Loyalität zu ihren Kameradinnen und Kameraden eine ihrer wichtigsten Pflichten. Die Webseiten eignen sich besonders gut, dem Vergessen entgegenzuarbeiten, indem den Vermissten ein Gesicht gegeben wird. Die virtuellen Gedenkarmbänder werden im Netz akribisch ergänzt und erweitert und soweit vorhanden mit Fotografien des Ver-
197 Autor unbekannt: POW/MIA Page, unter: Wildgun Air Cavalry, URL: http:// wildgun5.tripod.com/pow.html, Stand: 10.02.2011, Offline seit: 21.02.2013. 198 Autor unbekannt: A Tribute to Charles J. Ramsay, USMC, unter: Welcome Home – United States Marine Corps Webring, URL: http://www.100megsfree2.com/jjscherr/ scherr/POW-MIAs.htm, Stand: 19.11.2011.
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missten ausgestattet. Zugleich lässt sich durch die Vermissten ein Anschlusspunkt für die Autorinnen und Autoren zur amerikanischen Gegenwart finden. In den aktuellen Kriegen gibt es immer wieder Vermisste oder Kriegsgefangene, für deren Rettung sich die Seiten einsetzen. Diese Aktivität ist mehr als Erinnern. Die Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten befürchten immer noch, dass die amerikanische Öffentlichkeit und/oder Regierung die nächste Generation, die in den Krieg zieht, verraten könnte. Der letzte Grund ist pragmatisch: Den Vermissten wird kein Platz an dem Ort zugestanden, der den Veteraninnen und Veteranen so viel bedeutet. Vermisste können nicht auf das Vietnam Veteran’s Memorial aufgenommen werden, solange sie nicht noch während des Konflikts für tot erklärt wurden. Die Autorinnen und Autoren jedoch stellen die Vermissten mit ihren lebenden und toten Kameradinnen und Kameraden auf eine Stufe, um weiterhin sagen zu können, dass sie keinen davon jemals vergessen werden. Freundschaft oder Feindschaft wird von Autorinnen und Autoren dort entschieden, wo die Inhalte ihres Vietnamveteranenkonzepts auf die (angenommenen) Reaktionen der Außenwelt treffen. Die Geschehnisse während des Kriegs tragen zu diesen Feindschaften oft nur noch indirekt bei. Teilweise stehen sie ihren ehemaligen Feinden näher als ihrer direkten Umgebung. Insgesamt betrachtet sind Feinde, die die Veteraninnen und Veteranen im Netz angreifen, oft überraschend diffus. Nur ganz bestimmte Personen werden als Individuen betrachtet und angegriffen. Diese repräsentieren meist einen bestimmten Aspekt, der für die Kriegsbeteiligten unerträglich war und ist. Jane Fonda steht für die Friedensbewegung während des Vietnamkriegs und für all jene, deren Kritik am Krieg und damit nach Meinung vieler Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer an ihnen keine negativen Folgen für ihr weiteres Leben hatte. John Kerry steht für jene ‚verräterischen‘ Vietnamkriegsveteraninnen und Vietnamkriegsveteranen, die sich selbst und anderen Kriegsverbrechen vorgeworfen haben. Jeder Kriegsbeteiligte, der sich ähnlich verhält, wird zum Ziel ganz besonders intensiver Ablehnung und Anfeindung. Der größte Hass wird jedoch für jene Nicht-Kriegsbeteiligten reserviert, die sich als Veteraninnen oder Veteranen ausgeben. Sie stehlen den Kriegsbeteiligten das, was ihnen am wichtigsten ist: ihre Identität. Üblicherweise sind es jedoch größere Gruppen, denen viele Vorwürfe gemacht werden. Die Vorstellungen von diesen Gruppen scheinen sich ebenso wie die Vorwürfe seit Ende des Kriegs jedoch kaum verändert zu haben. Hierzu zählen die Medien und die politische Klasse in Amerika in ihrer Gesamtheit. Der US-amerikanischen Öffentlichkeit misstrauen die Kriegsbeteiligten selbst dann, wenn sie sich mit ihren Aussagen direkt an diese wenden. Die Feinde von damals stehen den Autorinnen
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und Autoren dagegen oft näher als viele Personen in ihrer Heimat. Die ehemaligen Viet Cong sind selbst Kriegsbeteiligte und haben den Konflikt am eigenen Leib erfahren müssen. Da sie während des Kriegs viele Opfer bringen mussten, verdienen sie großen Respekt. Freunde und Feinde zu definieren ist für Autorinnen und Autoren eines ihrer wichtigsten Ziele. Durch die Vereinnahmung von Freunden und Kameraden und die Abgrenzung und Anfeindung von Gegnern wird ihre Gruppenkonstruktion immer stärker ausdefiniert. Stolz ist eine wichtige Eigenschaft aller Gruppenmitglieder, mehr aber noch Pflichterfüllung. Die Toten und Vermissten sind deshalb interessanterweise oft ihre besten Verbündeten. Ihnen kann das Pflichtbewusstsein nicht abgesprochen werden, da sie im Krieg ihr Leben verloren haben. Das Internet ist das perfekte Werkzeug, um diese Gruppe den Bedürfnissen der Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer anzupassen und sie so zu präsentieren, dass sie dem idealen Veteranenbild entsprechen können. Die Gegenbeispiele müssen deshalb nur wenige negative Eigenschaften aufweisen, um sie verwenden zu können. Alles was ihnen vorgeworfen werden muss, ist verletztes Pflichtbewusstsein und Verrat. Wie global und absolut der Anspruch auf Loyalität den Veteranen gegenüber ist, zeigt sich darin, dass jede Amerikanerin und jeder Amerikaner aufgefordert wird, pflichtbewusst zu sein und Respekt zu zollen. Wer dies nicht tut, muss damit rechnen, zu den Feinden gezählt zu werden.
Inhaltskategorien: Schlussfolgerungen Die hier entwickelten Inhaltskategorien sagen bereits viel über die Ziele und Absichten der Autorinnen und Autoren aus. Dennoch ist es geboten, ihre Äußerungen noch einmal mit anderen Quellen zu vergleichen. In diesem Fall bieten sich dazu neben den Kategorien, die Schröder herausgearbeitet hat, die wichtigsten Narrative nichtvirtueller Erzählquellen des Vietnamkriegs an, die bereits im zweiten Teil besprochen wurden. Stellt man nichtvirtuelle Erzählungen und die Webseiten nebeneinander, fallen trotz vieler Gemeinsamkeiten schnell einige starke inhaltliche und strukturelle Unterschiede auf. In Romanen und Filmen ist der idealistische Offizier, der nach Vietnam einrückt und dort desillusioniert wird, ein häufig zu findendes Narrativ. Nicht nur ist dieses Moment im Netz weit weniger ausgeprägt, denn die eigentliche Desillusionierung findet nach Ende des Kriegs statt. Die Person des Offiziers fehlt fast völlig. Die Autorinnen und Autoren sind selbst fast ausschließlich Angehörige der unteren Ränge. Gerade deshalb ist es überraschend,
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dass Auseinandersetzung mit gewalttätigen, überheblichen oder unfähigen Vorgesetzten nur selten zum Repertoire ihrer Kriegserzählungen gehören. Hier zeigt sich wieder, dass die Autorinnen und Autoren ihre Inhalte auf eine ganz bestimmte, klar abgegrenzte Gruppe reduzieren. Ihr Anspruch, die repräsentativen Meinungsführer der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen darzustellen, ist außerordentlich selektiv. Damit in Zusammenhang steht auch, dass Vorurteile und Rassismus so gut wie nicht erwähnt werden. In persönlichen Erfahrungsberichten in anderen Medien wird Rassismus im Rückblick ganz oft thematisiert. Der „Green Beret“ Donald Duncan beschreibt in seinen Erzählungen nicht nur seine Erfahrung mit Offizieren, er thematisiert auch den Umgang mit Afroamerikanern in den Streitkräften.199 Ausführliche Schilderungen, wie er sie betreibt, lassen sich auf den Webseiten nicht finden, obwohl es Afroamerikaner sowie Angehörige anderer Minderheiten unter den Erzählerinnen und Erzählern gibt.200 Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Gleichheit und Kameradschaft unter den Vietnamveteraninnen und -veteranen hervorgehoben und betont werden soll. Die Kameradschaft der Vergangenheit wird überhöht, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gegenwart zu stärken. Dieser Fokus erklärt auch, wieso die Inhalte auf den Webseiten zwar oft revisionistisch sind, aber in diesem Punkt weit hinter dem zurückbleiben, was in der Populärkultur des Vietnamkriegs bereits publiziert wurde. Manche Autoren wie James Webb in seinem Roman Fields of Fire stilisieren den Krieg nachträglich als Ort, an dem der (US-amerikanische) Soldat echte Kriegertugenden zeigen konnte.201 Der Vietnamkrieg wird in solchen Erzählungen zum Prüfstein der Kriegsbeteiligten aufgebaut und von einem problematischen Krieg mit ungewissen Zielen und unbefriedigendem Ausgang zu einem heroischen Kampf um die Freiheit umgedeutet. Ähnlich radikal sind die Gegenerzählungen auf den Seiten nur selten. Hier zeigt sich, dass es den ehemaligen Kriegsbeteiligten vor allem darum geht, sich mit anderer Veteraninnen und Veteranen auf eine Stufe stellen zu können. Dafür müssen zwar viele negative Aspekte des Kriegs ignoriert werden, Kriegsromantik und Verherrlichung von Waffengattungen und Kampfhandlungen sind aber unnötig. Die Erzählerinnen und Erzähler überhöhen ihre Erfahrung nur dort, wo es um ihr Verhältnis mit Kameradinnen und Kameraden geht. Diese starke Ausrichtung auf Kameradschaft und Veteranenidentität kann auch ein Grund dafür sein, wieso die Verherrlichung von Waffensystemen sich auf jene Beispiele beschränkt, die mit anderen zusammen erlebt werden konnten: 199 Z.B. Donald Duncan: The New Legions, Gollancz: London 1967, S. 186 & 195. 200 Im Quellenkorpus ließ sich keine Seite finden, die von einer Afroamerikanerin betrieben wurde. 201 Vgl. James Webb: Fields of fire, 8. Auflage, Bantam Books: Toronto 1981.
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auf Panzer, Schiffe und ähnliches Großgerät. Die persönliche Waffe als Bezugspunkt taucht in den Erzählungen auf den Webseiten nicht auf. Im Vergleich zu klassischen Autobiografien fehlt den Beiträgen auf den Webseiten die Ebene der kritischen Reflexion, die eine solche Rückerinnerung an die Vergangenheit oft mit sich bringt. Wenn Philip Caputo in Rumor of War seine Erfahrungen als Offizier beschreibt, dann auch, um seinen Platz innerhalb des Konflikts noch einmal zu bewerten.202 Wenn der Journalist Morley Safer in Flashbacks an Orte seiner Vergangenheit in Vietnam zurückkehrt, dann um seine Erlebnisse im Krieg aus einem neuen Blickwinkel betrachten zu können.203 Den meisten Beiträgen auf den Internetseiten ist eine wirklich kritische Ebene aber nicht zu Eigen. Der größte Unterschied zwischen Webseiten und vielen nichtvirtuellen Erinnerungsquellen besteht deshalb in fehlenden Kontextualisierungsversuchen. Die eigenen Erfahrungen bleiben statische Quellen von Identitätspartikeln, die nicht noch einmal neu mit der Gegenwart in Beziehung gesetzt werden. Zieht man jetzt als Vergleichsbeispiel auch noch die Inhaltskategorien heran, die Hans Joachim Schröder an den Soldaten des Zweiten Weltkriegs entwickelt hat, ergibt sich ein interessantes Bild. Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich der Produktionsprozess dieser drei Quellenformen (literarische Repräsentation, Interview, eigene Webseite) radikal voneinander unterscheidet. Schröders Verwendung von Interviews hatte zwei Vorteile. Erstens waren er und seine Mitarbeiter in der Lage, die Erzähler auf der Metaebene über ihre Erzählschwierigkeiten zu befragen. Zweitens war es möglich, Lücken und Auslassungen gezielt anzusprechen. So ließen sich die Weltkriegssoldaten auf Themen lenken, über die sie nach eigener Aussage kaum oder nie zuvor gesprochen hatten. Nicht wenige waren sich bewusst, wie diese Probleme sich für sie und andere Weltkriegssoldaten entwickelt hatten.204 Die Wahl ihrer Äußerungsformen beschränkte sich meist auf Genres wie Schwank oder Anekdote, die spezifische Ansprüche an Form und Inhalt stellen. Der fehlende Austausch unter sich und mit anderen Gruppen der Bevölkerung ist dafür verantwortlich, dass sich eine Meistererzählung der deutschen Weltkriegssoldaten nur schwer herausarbeiten lässt. Die von Schröder entwickelten Kategorien lassen sich deshalb als konstruierte Gemeinsamkeiten von Einzelerzählern interpretieren, deren Überlappungen aus der Kriegserfahrung, der Interviewsituation und sozial erlernten Erzählkonventionen entspringen. Da es für die Erzähler nach eigener Aussage aber schwierig ist, 202 Vgl. Philip Caputo: A Rumor of War, Pimlico: London 1999. 203 Vgl. Morley Safer: Flashbacks: On Returning to Vietnam, Saint Martin’s Press Inc.: New York, NY 1991. 204 Vgl. Hans Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre: Erzählgeschichten und Geschichtserzählung im Interview. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Niemeyer: Tübingen 1992, S. 274.
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selbst mit anderen Weltkriegssoldaten gemeinschaftlich über dieselben Themen zu sprechen, sind die Kategorien kein Produkt einer lebendigen Erzählkultur. Während sich die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen immer wieder mit ihren eigenen Erzählschwierigkeiten beschäftigen mussten, haben sich die Entstehungszusammenhänge ihrer Äußerungen im Laufe der Zeit stark verschoben. Anders als die Weltkriegssoldaten hatten sie es schon vor ihrer Nutzung des Internets verstanden, sich neue Freiräume zu erkämpfen. Vor allem die von ihnen verfasste Erinnerungsliteratur, die sich mit den Problemen der Gegenwart auseinandersetzte, lässt sich als verändernder Faktor verstehen. Das im Jahr 1991 veröffentlichte und mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnete Buch Fortunate Son – The Healing of a Vietnam Vet ist nur ein Beispiel für eine Serie ähnlicher Bücher, die sich als Zeichen dafür verstehen lassen, dass das Schicksal von Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen wieder zum Teil eines öffentlichen Diskurses werden konnte.205 Aus diesem Grund war es nicht nur überhaupt erst möglich, mit der (Re-)Konstruktion von Meistererzählungen der Vietnamerfahrung zu beginnen. Diese Entwicklungen waren außerdem die Voraussetzung dafür, dass sich zumindest Teile der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen bewusst werden konnten, dass in manchen Medienformen wieder Kriegsbeteiligte wie sie selbst an Diskursen über die Vietnamerfahrung teilnehmen konnten. Während es sich nicht nachweisen lässt, in welchem Umfang die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus diese Entwicklung rezipiert haben, zeigen die Inhaltskategorien, dass ihre Selbstäußerungen diese veränderte Situation geschickt nutzen konnten. Stellt man beide Kategorien gegenüber, ergeben sich viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Schröders Ansprechpartner zeigten ebenso wie die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus einen starken Drang zur Selbstzensur. Die ausufernde Brutalität des Kriegs wird in ihren Erzählungen entweder ignoriert oder zum Bestandteil einer Kriegslandschaft der Vergangenheit, die mit ihren surrealen Eigenschaften von den Erzählerinnen und Erzählern abgekoppelt zu existieren scheint. In beiden Quellenkorpora ist das Lagerleben und die Gemeinschaft ein zentraler Erzählgegenstand, dessen Bedeutung für die Erzählerinnen und Erzähler nicht übersehen werden kann. Vieles, was in Schröders Quellenkorpus zum Kriegsalltag dazugehört, blenden die Erzählerinnen und Erzähler auf den Internetseiten jedoch aus. Dabei muss es sich nicht um Inhalte handeln, die negative Konnotationen besitzen. Das Verhältnis zwischen den Kriegsbeteiligten und ihren Vorgesetzten sowie dem Oberkommando, das eigentlich für ihren Kriegsalltag bestimmend war, ist dafür ein gutes Beispiel. Der Roman Catch-22
205 Lewis Puller: Fortunate Son, Grove Weidenfeld: New York, NY 1991.
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überhöhte diese Beziehungen vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs satirisch so, dass sein Titel nicht nur in die militärische Umgangssprache einging. Diese Inhalte gehören für Schröders Gewährsleute ebenfalls zum Grundrepertoire. Wie bereits erwähnt ist dieser Aspekt im Quellenkorpus kaum präsent. Die Entwicklung des Konflikts, der Verlust von Kameradinnen und Kameraden oder die eigene Situation während des Kriegs wird nicht mit den eigenen Vorgesetzten, dem Oberkommando oder spezifischen Personen wie dem langjährigen Befehlshaber der Truppen in Vietnam, General Westmoreland (1914-2005, Befehlshaber 1964-1968) in Verbindung gebracht. Oft scheint es, als wären die Soldatinnen und Soldaten in Vietnam angekommen, um dann sofort in Einzelgruppen ihren Dienst zu tun, die von jedem Oberkommando abgekoppelt waren. Es wird eine spezifische Perspektive der niedrigen Ränge etabliert, die ganz im Zeichen einer selektiven Gruppenbildung steht. ‚Gemeinschaft‘ ist auf den Internetseiten etwas außerordentlich Spezifisches. Solche Unterschiede sind das Ergebnis radikal unterschiedlicher Erzählkulturen. Die Weltkriegssoldaten sind nach eigener Aussage immer noch nicht in der Lage, einen stabilen Austausch untereinander herbeizuführen. Die Erzählkultur, die Schröder beobachten konnte, ist von ihm selbst durch die verwendeten Methoden konstruiert und aufrechterhalten worden. Seine Kategorien spiegeln deshalb nicht nur seine Forschungsinteressen wider, sondern ganz besonders jene Inhalte und Ansätze, die die Soldaten zurückhalten mussten und in einer wissenschaftlichen Interviewsituation zu äußern bereit waren. Zu sagen, Schröders Arbeit erlaube keine Rückschlüsse auf ‚die‘ Erzählkultur der Weltkriegssoldaten, missversteht deshalb ihre soziale Situation. Ebenso wie die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen standen sie lange Zeit unter dem Eindruck, Äußerungen über ihre Kriegserfahrung seien in der Öffentlichkeit weder erwünscht noch möglich. Anders als sie konnten die Autorinnen und Autoren der Internetseiten jedoch noch vor ihrem Eintritt ins Netz bereits Möglichkeiten finden, um ihre Erinnerungen einem größeren Kreis zugänglich zu machen. Diese nichtvirtuellen Erinnerungsquellen sind in ihren Erzählungen durchaus als klassisch zu bezeichnen. Erst im Netz wird die Auswahl und Inhaltsreduktion wirklich radikal. Es stellt sich nicht die Frage, was ‚die‘ Kriegserfahrung war, sondern was eine Gruppe in spezifischen medialen Kontexten heute darunter verstanden haben möchten. Die Webseiten erleichtern es, einzelne Inhalte kleinteilig zu trennen und nur das fortzuschreiben, was mit ganz bestimmten Veteranenkonzepten im Hier und Jetzt zusammenhängt. Aus diesen Vergleichen lassen sich drei zentrale Merkmale der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Quellenkorpus herausarbeiten. Die erste ist ihre
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starke Gegenwartsbezogenheit. Das Kriegsende war nur ein Übergang, eine Transition in die Existenz als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran. In den Beschreibungen erkennt man schnell, dass der Krieg und die Kriegserfahrung bis in die Gegenwart fortgeschrieben werden und die Nachkriegszeit bis heute andauert. Da beide Teile ihrer Biografie ähnlich wichtig sind, ist der Übergang vom unbefriedigenden Krieg zum unbefriedigenden Frieden kein zentrales Thema, sondern nur die Überleitung in eine neue Existenzphase als Kriegsbeteiligter. Die Sinnsuche nach dem Krieg setzt sich bis in die Gegenwart fort und ist bis heute keinesfalls abgeschlossen. Wie wichtig die Gegenwart für die Autorinnen und Autoren ist, zeigt sich in ihrer Beziehung zu anderen Gruppen ebenso intensiv wie in ihrem Umgang miteinander. Die Postulierung, Bildung und Stärkung unterschiedlicher Konzepte von Gemeinschaften und Gruppen sind der zweite Aspekt, der alle Inhaltskategorien miteinander verbindet. Die sechs relativ unterschiedlichen Hauptkategorien zeigen alle, wie stark gruppenbezogen der Umgang der Erzählerinnen und Erzähler mit ihren Inhalten ist. Solange es möglich ist, mit Gleichgesinnten Kontakt aufzunehmen, ohne selbst an Einfluss auf die eigenen Aussagen zu verlieren, setzen sie die Möglichkeiten der virtuellen Welt für sich ein. Die (gedachte) Gemeinschaft ist immer ein zentraler Orientierungspunkt für jede Handlung. Dabei ist es unwichtig, ob die Toten der Vergangenheit, die Kameraden der Gegenwart, die Feinde aus unterschiedlichen Zeitperioden oder die US-amerikanischen Soldatinnen und Soldaten der Zukunft behandelt werden. Die dritte und letzte verbindende Vorstellung der Inhaltskategorien ist der nach außen und (vermutlich) nach innen gewandte Umgang mit der eigenen Identität. Erzählen und Erinnern sind Werkzeuge, um diese aus der eigenen Biografie und der Vietnamerfahrung herauszuarbeiten und zu verfestigen. Egal ob die Autorinnen und Autoren ihren Expertenstatus durch den Umgang mit Kriegsartefakten aufwerten wollen oder sich über jene definieren, die sie hassen: Ziel ist es immer, das Selbst in einer Gesellschaft zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, der ein großer Teil der Autorinnen und Autoren zumindest Gleichgültigkeit, im schlimmsten Fall aber Feindseligkeit nachsagt. Die Rekonstruktion und Analyse der Inhaltskategorien hat letztlich gezeigt, dass der Bereich der Identitätskonstruktion einer der wichtigsten Aspekte des Handelns im Quellenkorpus ist. Ihm wird neben den ursprünglichen Forschungsfragen dementsprechend viel Platz eingeräumt. Gleichzeitig ist es notwendig, einen kurzen Blick auf Veteranen neuerer Kriege zu werfen, die sich ebenfalls im Internet betätigen, aber einen ganz anderen Bezug zu diesem Meta-Medium besitzen.
Fünfter Teil: Umgehen mit der Vietnamerfahrung
Krieg und Nachkrieg: Vietnamerfahrung im Netz „Covering the Vietnam War was the pivotal event of my life. Yet in the years afterward, I never mentioned my days on helicopter assaults, my fear of getting shot in the face, or the heady social life in Saigon for the same reason that the soldiers kept quiet. It was a ‚bad war‘. Nobody wanted to hear about it, and even if they did, they wouldnʼt understand.“1
Die folgenden Abschnitte führen die bisherigen Ergebnisse zusammen und kontextualisieren sie noch einmal in ihrem Verhältnis zueinander. Der erste Teil stellt die Frage nach den Formen der Vietnamerfahrung im Netz und knüpft dabei an die Überlegungen aus dem ersten Abschnitt an. Erlauben es die betrachteten Webseiten tatsächlich, über Kriegsverarbeitung und dem Umgang mit Trauma zu sprechen? Oder stehen nicht ganz andere Handlungsziele im Vordergrund? Wie wird der Krieg selbst im Netz dargestellt und transformiert? Schließlich: welche Auswirkungen des Meta-Mediums Internet auf diese Prozesse lassen sich nachweisen oder annehmen?
Kriegs- und Erfahrungsverarbeitung Die im ersten Teil ausgeführte Kritik an der Unschärfe des Begriffs der Kriegsverarbeitung bestätigt sich auch am Beispiel des Quellenkorpus. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kriegserfahrung ist ein komplexer Prozess, der weit mehr umfasst als Trauma und die Rückerinnerung an das Kriegserlebnis. Greift man auf den Begriff der kritischen Lebensereignisse zurück, kommt man den tatsächlichen Handlungen auf den Webseiten erheblich näher. Die in den Quel-
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Tad Bartimus, Denby Fawcett, u.a.: War Torn: The Personal Experiences of Women Reporters in the Vietnam War, Random House: New York, NY 2004, S. 4.
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len beschriebenen einschneidenden Erlebnisse bestehen oft darin, dass die Autorinnen und Autoren eine Diskrepanz zwischen ihrem Anspruch an das Veteranenkonzept und der tatsächlichen Situation ausmachen. Entscheidend ist, dass die Autorinnen und Autoren dabei eine ‚Opferrolle‘ einnehmen, die einen wesentlichen Bestandteil ihrer im Netz konstruierten Identität bildet. Diese Selbstinszenierung ist sowohl der Ausgangspunkt für die eigenen Verarbeitungsanstrengungen als auch ihre Rechtfertigung. Über sie werden Forderungen an sich selbst, die Veteranengemeinschaft und an die Gesellschaft gestellt. Deshalb befinden sich die Kriegsbeteiligten in dem Dilemma, dass eine echte ‚Überwindung‘ ihrer Erlebnisse (wie auch immer diese aussehen würde) ihren Zielen eher hinderlich wäre, als sie zu fördern. Der Umgang der Autorinnen und Autoren mit der Kriegserfahrung ist durch einen starken Aktivismus gekennzeichnet. Manche Seiten sind nur mit dem Ziel erstellt worden, die Betroffenen des Vietnamkriegs zu unterstützen und zu beraten. Gleichzeitig wird das ‚Leiden‘ an der eigenen Identität zu einer herausragenden Eigenschaft erhöht, die den Kriegsbeteiligten regelrecht ‚adeln‘ kann. Aufarbeitung von Kriegserfahrung bedeutet deshalb fast immer, sie umzudeuten ohne sie wirklich hinter sich zu lassen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es sich hier um eine außenwirksame Darstellung der eigenen Ansichten handelt, die nur einen kleinen Einblick in die Lebenssituation der Autorinnen und Autoren zulässt. Das Leiden an der Kriegserfahrung wird von vielen Betroffenen für stark negative Einschnitte in ihre Lebensrealität verantwortlich gemacht. Selbst wenn ein Kriegsbeteiligter also die Idee des Stolzes auf den Dienst als Soldatin oder Soldat intensiv vertritt, schließt dies nicht aus, dass sie oder er daran nicht tatsächlich leidet. Die untersuchten Quellen genügen jedoch nicht, um dies angemessen beurteilen zu können. Eine wirkliche Trennung zwischen Kriegs- und Nachkriegserfahrung praktizieren die Autorinnen und Autoren kaum noch. Ihre komplexen Erzählungen werden zu einer Gesamterfahrung verdichtet, deren Schwerpunkt aber eindeutig im Jetzt liegt. In dieser Gesamterfahrung verbinden sich Gefühle der Angst, Erniedrigung und des Kontrollverlusts miteinander. Als Kindermörder bezeichnet, angespuckt oder gemieden zu werden, ist Teil dieses Erfahrungsschatzes. Selbst wenn jemand dies nicht erlebt hat, ist sie oder er als Angehöriger der Gemeinschaft dennoch mit betroffen. Diese Konzentration auf eine Gesamterfahrung ist ein wichtiger Grund dafür, dass viele Details der Vergangenheit nur noch relativ vage wiedergegeben werden. Waren es Verwandte oder Angehörige, die den Krieg falsch dargestellt haben? Wann und in welcher Form hat die Gesellschaft sich gegen die Person gewandt? Entspringen die ‚Unwahrheiten‘, gegen die so
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oft angeschrieben wird, den Schulbüchern, den Veröffentlichungen professioneller Historikerinnen und Historiker oder den Aussagen anderer Gruppen? Wie genau ist der Kriegsbeteiligte nach seiner Rückkehr benachteiligt worden? Solche Fragen bleiben auf den Seiten oft unbeantwortet. Diese Negativerfahrungen bestimmen das Selbstverständnis der Veteraninnen und Veteranen, sie sind jedoch ebenso unbestimmt wie die Lösungen, die ihnen entgegengestellt werden. Dass keine andere Gruppe sich an diesen Prozessen beteiligen darf und Kommentare dazu ebenfalls nicht erwünscht sind, erschwert den Autorinnen und Autoren den Umgang mit ihrer Kriegserfahrung noch weiter. Dabei steht immer die Frage im Raum, ob der Kriegsbeteiligte im Quellenkorpus einen echten Schlussstrich unter die negativen Aspekte seiner Kriegserfahrung überhaupt beabsichtigt oder im Gegenteil auf diese als stärkende Faktoren seiner Identität als Kriegsbeteiligter angewiesen ist. Die größte Lücke im Umgang mit der Kriegserfahrung besteht immer dort, wo es um die positiven Aspekte des Kriegserlebnisses geht. Der Veteran Henry Bechthold beantwortete die Frage nach der Motivation für die Erstellung seiner Seite so: „Because I…I wanted to connect with other vets who felt as I did about Vietnam. Many have written and said that they were happy to find someone else who loved Vietnam as they did. Also I meet Vets who are haveing problems in life directly connected to Vietnam and the things thay did there or saw there.“2
Was Bechthold hier beschreibt, ist nicht das Land Vietnam, sondern die Gesamtheit aller Erfahrungen, die der Veteran damit verbindet. „Vietnam“ als Begriff hat eine immer stärkere Bedeutungsvielfalt erlangt. Anfangs stand das Wort noch für das Land, später für den Krieg, und heute ist es einer der Begriffe, den man für den Gesamterfahrungsschatz der Veteraninnen und Veteranen verwenden kann. Bechthold bringt in dieser Passage klar zum Ausdruck, was viele andere Seitenautorinnen und -autoren nur andeuten: Dass die Erfahrungen in Vietnam viele positive Gefühle beinhalten, mit denen sich die Veteraninnen und Veteranen weiterhin beschäftigen möchten. Die Vietnamerfahrung ist für ihn mehr als nur ein Teil seines Lebens, sie ist seine Geliebte: „My wife never worries about me having a mistress because she knows that my mistress is Vietnam, and Vietnam fills me with exquisite joy, and sometimes Vietnam breaks my heart. But then, I guess that is what mistresses do.“3 Positive Deutungen des Kriegs sind in 2
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Henry Bechthold in einer E-Mail an den Autor vom 08.03.2011. Henry M. Bechtold: Back in Vietnam, unter: Henry M. Bechtold Remembers, URL: http://henrybechtold. freewebspace.com/, Stand: 16.02.2011. Ebd.
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der Rückerinnerung auf den Webseiten nur dann nicht tabuisiert, wenn sie sich auf solche allgemeine Beurteilungen beziehen. Der Vietnamveteran darf Stolz und Freude über ehemalige Kameraden und besondere Leistungen ausdrücken, darf die Kernhandlungen des ‚Kriegshandwerks‘ jedoch nur als Quelle eigener und fremder Probleme darstellen. Wie sehr sich dies von der Situation während des Kriegserlebnisses unterscheidet, lässt sich nur über wenige Quellenformen nachweisen. Der Historiker Sönke Neitzel und der Sozialpsychologe Harald Welzer haben in ihrem Buch Soldaten Abhörprotokolle aus Kriegsgefangenenlagern ausgewertet. Die selbstverständliche Erwähnung der Freude am Töten und an sexueller Gewalt ist nach ihrer Einschätzung möglich, da sich die Referenzrahmen der abgehörten Soldaten zum Zeitpunkt der Aussage noch nicht groß verändert hatten: „Aus unserer Sicht ist die Verschiebung des Referenzrahmens vom zivilen Zustand in jenen des Kriegs der entscheidende Faktor, wichtiger als alle Weltanschauung, Disposition und Ideologisierung. Diese sind nur wichtig dafür, was die Soldaten für erwartbar, gerecht, irritierend oder empörend halten, aber nicht für das, was sie tun.“4
Die Ergebnisse aus dem Quellenkorpus stützen diese Interpretation, da sich zwischen den nichtvirtuellen Quellen des Vietnamkriegs und den heutigen Darstellungen auf den Seiten oft radikale Unterschiede identifizieren lassen. Das Besondere an diesen Quellen ist jedoch, dass sich die Autorinnen und Autoren im Netz einen eigenen Referenzrahmen konstruiert haben, der nur teilweise mit dem des Kriegs und ebenfalls nur teilweise mit dem des Friedens übereinstimmt. Ihre Deutungsmuster sind eine Mischung, die sich aus ihren Nachkriegserfahrungen ebenso entwickelt hat wie aus den Möglichkeiten, die das Netz zur Verfügung stellt. Praktiken und Inhalte beziehen sich aufeinander und an diesem Schnittpunkt entstehen viele Besonderheiten der ‚neuen‘ Kriegsverarbeitung im Netz. Als Beispiel lässt sich anführen, dass die intensive Darstellung der gefallenen Kameradinnen und Kameraden zu einem wichtigen Werkzeug der eigenen Identitäts- und Gruppenkonstruktion geworden ist, die sich in diesem Ausmaß und in dieser Form nur auf den Webseiten umsetzen lässt. In keinem anderen Medium können Einzelpersonen ganze ‚Kataloge‘ getöteter Soldatinnen und Soldaten anlegen und mit unterschiedlichen Informationen ausstatten. Die Möglichkeit führt aber gleichzeitig dazu, dass ein Druck entsteht, sich angemessen mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Da die Kommunikationswege zwischen den Autorinnen und Autoren oft undurchsichtig und schwer zugänglich sind, ist es 4
Sönke Neitzel, Harald Welzer: Soldaten: Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben, 2. Auflage, Fischer: Frankfurt am Main 2011, S. 394.
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schwer zu beurteilen, ob und in welchem Umfang Gruppenzwang eine Rolle spielt. Dennoch ist der ‚Standard‘ des Gedenkens an die Gefallenen auf fast allen Seiten so hoch, dass anspruchsvolle kollektive Vorstellungen über das in dieser Hinsicht Übliche und Notwendige vorausgesetzt werden können. In den Referenzrahmen des Quellenkorpus ist die Überwindung des Erlebten („closure“) kein selbstverständliches Ziel des Umgangs mit der eigenen Erfahrung. Das „militärische Wertesystem und die soziale Nahwelt“, die bei den im Zweiten Weltkrieg abgehörten Soldaten das Erzählen bestimmten, haben die Autorinnen und Autoren der Webseiten zum Vietnamkrieg durch eine Eigenkonstruktion ersetzt. 5 Diese ist ein Hybrid aus mehreren Teilen. Die fundamentalen, individuellen Erfahrungen aus der Zeit in Vietnam haben sich längst mit den im Netz ausgehandelten Eigenkonstruktionen dessen vermischt, was der eigene Vietnamhintergrund in der amerikanischen Gegenwart bedeuten kann und bedeuten darf. Die soziale Umgebung der Autorinnen und Autoren ist nicht mehr von Krieg und militärischer Gruppenlogik bestimmt. Die Webseiten dienen oft dazu, Substitute für diese wichtigen Lebenshintergründe der Vergangenheit zu entwickeln, in denen die Kriegsbeteiligten nach Belieben aktiv werden und sich äußern können. Die dabei entstehenden, äußerst heterogenen, Referenzrahmen sind nur oberflächlich mit den Äquivalenten im Kriegsgebiet vergleichbar. Sie haben gegenüber diesen aber einen entscheidenden Vorteil, da sie ohne weiteres in die heutigen Lebensrealität der Autorinnen und Autoren eingepasst werden können und jederzeit abrufbar sind. Eine endgültige Überwindung der Kriegserfahrung und ihrer Nachwirkungen ist unter diesen Bedingungen nicht notwendig – und teilweise nicht wünschenswert, da die Veteraninnen und Veteranen viele Errungenschaften dieser Neukonstruktionen wieder aufgeben müssten.
Ziele: Die Webseiten zwischen Selbstbestimmung, Interaktion und Instrumentalisierung Wenn es nicht darum geht, einen Schlussstrich unter die eigenen Erfahrungen zu setzen, auf welche Ziele arbeiten die Autorinnen und Autoren dann besonders hin? Was steht im Zentrum? In dieser Hinsicht schwanken ihre Bemühungen immer zwischen drei Aspekten: der selbstbestimmten Darstellung von Inhalten, dem Austausch mit Personen über das Netz und der Vereinnahmung von fremden Inhalten für eigene Zwecke. Die Gewichtung dieser drei Ziele ist klar zugunsten des ersten verschoben. Die eigenen Inhalte selbstbestimmt darstellen zu
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Ebd., S. 391.
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können und über jeden Teil ihrer Internetpräsenz ständig die Kontrolle zu besitzen, ist bei Weitem am wichtigsten. Die anderen beiden Handlungsziele sind diesem in jeder Hinsicht nach- und oft untergeordnet. Selbst wenn also Kommunikations- und Interaktionsprozesse angesprochen werden, steht immer die Angst vor jeder Form des Kontrollverlusts im Raum. Dass Kollaboration auf den Seiten meist nur unter der strengen Kontrolle der Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer stattfindet, wurde bereits mehrfach angesprochen. Eine wichtige Innovation für die einzelnen Veteraninnen und Veteranen besteht darin, dass sie Aufgaben auf andere übertragen oder sich deren Vorarbeiten zunutze machen können. Diese Praktiken lassen sich unter dem Begriff des „outsourcings“ am besten zusammenfassen. Die Konstituierung des Internets als Werkzeug und Medium kollaborativer Zusammenarbeit war und ist geprägt durch komplexe Möglichkeiten. Die infrastrukturellen Voraussetzungen für verschiedene Formen der Zusammenarbeit sind zwar gegeben, jedoch weiterhin an in anderen sozialen Kontexten erlernte Formen der Gruppenbildung und Gruppenzusammenarbeit gebunden. Die Autorinnen und Autoren sind fast immer darauf bedacht, Andere nur unter sehr spezifischen Umständen an den (Deutungs-)Machtstrukturen teilhaben zu lassen. Dieses Ungleichgewicht zwischen Kollaboration und Isolation ließe sich oberflächlich betrachtet aus dem Umstand erklären, dass für den Quellenkorpus Seiten ausgewählt wurden, die von einzelnen Autorinnen und Autoren erstellt wurden. Dem widersprechen aber die Aussagen der Seitenautorinnen und Seitenautoren selbst, für deren Selbstkonzeption die Idee des Kollaborativen ganz entscheidend ist. Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegt ihren sehr spezifischen Zielen. Da sie kein Interesse daran haben, sich wirklich kritisch mit dem Krieg und ihren Erlebnissen auseinanderzusetzen, wird echtes kollaboratives Erzählen kaum praktiziert. Den Autorinnen und Autoren genügt es, ihren Forderungen nach mehr Gemeinschaft und nach einer stärkeren Repräsentation in der amerikanischen Öffentlichkeit individuell Ausdruck zu verleihen. Der zentrale Ausgangspunkt für alle Handlungspraktiken im Netz ist der Link. Die Untersuchung der Linkstrukturen im Quellenkorpus hat gezeigt, dass die Informationsorganisation auf den Seiten relativ konventionell praktiziert wird. Die Autorinnen und Autoren orientieren sich im virtuellen Raum an klassischen Textseiten. Ihr ‚Teil‘ des Internets speist sich in seiner Darstellung immer noch aus den Erfahrungen im haptischen Raum, die die Nutzerin oder der Nutzer im Laufe seines Lebens angesammelt hat und die er im Internet wiederfinden möchte. Komplexen und multimedial aufwändigen Darstellungen wird auf den Seiten nie eine große Bedeutung zugemessen. Die einfache Struktur entspricht den einfachen technischen Kenntnissen der Kriegsbeteiligten, aber auch ihrer
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ausgeprägten Do-It-Yourself-Mentalität und dem Bedürfnis nach Eigenständigkeit. Indem die Seiten selbst geschrieben werden, bleiben die technischen Möglichkeiten vielleicht beschränkt, die Autorin oder der Autor kann aber stolz darauf sein, dass jeder Teil der Netzpräsenz auf die eigenen Fähigkeiten zurückgeht. Welche Auswirkungen haben diese Verlinkungspraktiken der Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer auf ihre Kommunikationsprozesse? In der wissenschaftlichen Erforschung der Zusammenhänge zwischen Strukturen und den Prozessen des Erzählens, Erinnerns und Verarbeitens sind immer noch viele Fragen offen.6 Für die Erinnerungskulturen von Großgruppen (Generationen, Kulturregionen etc.) wird immer wieder von einer drohenden Fragmentierung durch die Aufsplittung auf unterschiedliche Medien gesprochen.7 Voraussagen, dass der Medienwandel sich negativ auf den Austausch unter Einzelpersonen und Gruppen auswirken würde, hat es immer wieder gegeben. Die Voraussage solcher kultureller ‚Zersetzungsprozesse‘ aufgrund technischer Entwicklungen ist immer problematisch. Es wäre deshalb zu kurz gegriffen, davon auszugehen, dass eine einseitige kausale Verbindung zwischen den Linkstrukturen auf den Seiten und den oft sehr beschränkten Kommunikationsprozessen besteht. Die Kriegsbeteiligten setzen vielmehr nur Technologien ein, die sie kennen und umfassend kontrollieren können. Wenn sie also zwischen einem radikalen Individualismus, dem Ruf nach Kollaboration und einer oft unfokussiert wirkenden Außenkommunikation schwanken, dann steht immer die Selbstbestimmung im Vordergrund. Was die Autorinnen und Autoren über Vietnam und sich selbst zu sagen haben, ist vor allem als „statement“ gedacht. Die eigenen Erinnerungen und Bekenntnisse werden verfestigt und die Meinung anderer nur in bestimmten Fällen zugelassen. Oft scheint es, dass sich die Autorinnen und Autoren nach Singularität sehnen. Sie wollen ihre Erfahrungen nicht verkomplizieren oder ausdifferenzieren, sondern aus eigener Kraft auf Einzelinhalte zuspitzen. Deshalb findet sich auf den Seiten oft eine Fülle an ungeordneten Informationen, aus der sie sich nur spezifische Teile auswählen, um daraus dann prägnante Aussagen zu Entwickeln.
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Für einen Überblick über diese Strukturen vgl. z.B. Jürgen Straub: Zeit, Erzählung, Interpretation. Zur Konstruktion und Analyse von Erzähltexten in der narrativen Biographieforschung, in: Hedwig Röckelein (Hg.): Biographie als Geschichte, Edition Diskord: Tübingen 1993, S. 143-183, hier S. 149. „Die öffentlich-offizielle Erinnerungskultur wird dadurch [durch die Diversifikation in den neuen Medien] zusätzlich fragmentiert.“ Claus Leggewie: Vorwort, in: Erik Meyer (Hg.): Erinnerungskultur 2.0: kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Campus-Verlag: Frankfurt am Main 2009, S. 7-28, hier S. 21.
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Das zweite Ziel der Interaktion muss deshalb außerordentlich ambivalent gesehen werden. Die Autorinnen und Autoren stehen dem Einfluss von Außenstehenden auf ihre Seiten in vielerlei Hinsicht skeptisch gegenüber. Das Web 2.0 mit seinem Konzept der aktiven Beteiligung von Besucherinnen und Besuchern wird von ihnen starken Kontrollmechanismen unterworfen.8 Darüber können selbst die vielen Aufrufe nach Kontaktaufnahme und Ergänzung der Seitenformationen nicht hinwegtäuschen. Jede Form des Kontrollverlustes über die eigenen Aussagen wird mit großem Nachdruck verhindert. Sammel- und Linkseiten, in die sich viele Webseiten des Quellenkorpus zur besseren Sichtbarkeit selbst eintragen müssen, drücken diese Absicht ganz besonders stark aus. Wenn man sich der Metapher einer virtuellen ‚Wagenburg‘ bedient, dann ist die Offenheit für Besucherinnen und Besucher mit der Forderung verknüpft, sich den (oft ungeschriebenen) Regeln der Gemeinschaft zu unterwerfen und Teil eines Prozesses der identitätsstiftenden Inklusion/Exklusion zu sein. Die Beziehung zwischen den Seiten wäre dann die einer Interessensgemeinschaft, die sich aus ähnlichen Erlebnissen auf dem Weg nach ‚Westen‘ (dem unbekannten ‚Raum‘ Internet) entwickelt hat, deren Mitglieder sich aber als getrennte Einzelentitäten weiterentwickeln möchten. Innerhalb dieser ‚Wagenburg‘ finden sich keine Hierarchien oder durch Satzungen geregelte Beziehungen, sondern situative Zweckbündnisse aufgrund eines gemeinsamen Hintergrunds. Was jenseits dieses ‚Bollwerks‘ existiert, ist verdächtig und gleichzeitig das Objekt vieler Sehnsüchte. Der Veteran Jim Benner ist mit seiner Seite ein Teil dieses ‚Bollwerks‘. „Come spend a little time at my LZ“, fordert er die Besucherinnen und Besucher auf, um sofort die Mitglieder seiner exklusiven Gruppe anzusprechen: „Check out ‚Searching For‘. Someone maybe looking for you“.9 Die ‚Führung‘ mittels Beschreibungen und Fotografien durch seinen ehemaligen Stationierungsort unterbricht er immer wieder mit den Botschaften, die ihm und nahezu allen anderen Autorinnen und Autoren im Quellenkorpus am wichtigsten sind. „I Chose to make a Difference… I Adopted an MIA!“ ist zusammen mit der ausführlichen Darstellung des vermissten Soldaten „Michale Barry Judd“ nicht nur ein Vorwurf an jene, denen das angebliche Schicksal der Vermissten weiterhin angelastet wird. Der Ausruf stellt
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Die erste Erwähnung des Begriffs Web 2.0 wird einem Artikel im Print-Magazin zugeschrieben. Vgl. Darcy DiNucci: Fragmented Future, in: Print Nr. 32, 4 (1999), S. 220-222, hier S. 220. Eine stärkere Verbreitung (und Ausformulierung) erfuhrt die Idee des mit den ersten Konferenzen im Jahr 2004, aus denen sich seine Interpretation als Beschreibung eines veränderten Netz-Nutzer-Verhältnisses zu entwickeln begann. Jim Benner: Welcome To Firebase Phu Loi, unter: Tribute Homepage to the 205th Aussault Support Helicopter Co. & 612th Transportation Det., URL: http://home. comcast.net/~jbenner411/index.htm, Stand: 03.05.2013.
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außerdem ein Bindeglied zu anderen Personen einer Gruppe dar, die sich unter anderem über solche und ähnliche Meinungsäußerungen konstituieren kann.10 Den Krieg, seine Stellung in der Geschichte und die Bedeutung der Soldatinnen und Soldaten zu erklären, ist allein ihm selbst vorbehalten. Seine „Lessens Learned“ nehmen alle möglichen Angriffe auf die Veteraninnen und Veteranen vorweg und negieren sie, indem die negativen Aspekte des Kriegs auf die politische Ebene verdrängt werden und der Einsatz der Soldatinnen und Soldaten allein als noble Opferbereitschaft in Erscheinung tritt. Benner ist sich außerdem sicher, dass die Geschichtsschreibung „in coming decades“ den Vietnamkrieg als notwendigen Beitrag zu einem globalen antikommunistischen Abwehrkampf rehabilitieren werde.11 Wenn er gleichzeitig versichert, dass die gegenwärtigen Streitkräfte durch das Schicksal der Kriegsbeteiligten des Vietnamkriegs nur gestärkt wurden, zeigt er damit das Schwanken zwischen Trotz, Sendungsbewusstsein und aggressiver Verteidigungsbereitschaft, das diese Innen-Außen-Beziehungen definiert. Die Linkstrukturen des Internets sind für die Seitenautorinnen und Seitenautoren trotz all ihrer Aktivitäten etwas, mit dem sie sich nur gelegentlich bewusst auseinandersetzen. Nur wenige bemühen sich um die ständige Aktualisierung ihrer Seiten und ‚tote‘ Links, die ins Leere führen, sind ein häufiges Phänomen. Seinen stärksten Ausdruck hat dieser Umstand im völligen Verschwinden von Seiten, die ähnlich wie die vermissten Soldatinnen und Soldaten plötzlich unauffindbar sind. Welche Beziehung die Autorinnen und Autoren zu diesen Eigenschaften des Internets haben und ob sie diese Semipermanenz vielleicht sogar schätzen, offenbaren sie den Besucherinnen und Besuchern nicht. Die oft mit großer Mühe herbeigeführte Archivierung geht nicht so weit, dass die Informationen für alle Zeiten erhalten werden sollen. Im Zentrum aller Links steht weiterhin der Veteran, von dessen Existenz alle weiteren Inhalte abhängen. Seine Unabhängigkeit zu bewahren und jeden Aspekt seiner Darstellungen selbst bestimmen zu können ist weit wichtiger als jede Form der Kontaktaufnahme oder Interaktion.
10 Jim Benner: I Want to Make a Difference!, unter: Tribute Homepage to the 205th Aussault Support Helicopter Co. & 612th Transportation Det., URL: http://home. comcast.net/~jbenner411/mia.htm, Stand: 03.05.2013. 11 Jim Benner: Lessens Learned, unter: Tribute Homepage to the 205th Aussault Support Helicopter Co. & 612th Transportation Det., URL: http://home.comcast.net/~ jbenner411/lessons.htm, Stand: 03.05.2013.
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Abbildung 33: Robert Ruark dankt dem Kameraden „Doc“, dessen Grafiken nicht nur er auf seiner Seite einsetzt.
Quelle: Robert Ruark: LtCol Robert Wallace Brownlee, Jr., unter: Robert Wallace Brownlee POW/MIA page, URL: http://www.angelfire.com/art2/robert brownlee/index.html, Stand: 11.04.2011.
Links ermöglichen es den Autorinnen und Autoren aber nicht nur, Inhalte der eigenen Seite zu verknüpfen oder diese mit anderen Seiten zu verbinden. Sie können außerdem in Banner, „buttons“, „awards“ und andere leicht reproduzierbare Bilder integriert werden. Solche Symbole stellen so etwas wie die visuelle Repräsentation der geteilten Inhalte der Kriegsbeteiligten dar, weshalb es in diesem Fall üblich ist, dass diese grafischen Darstellungen von anderen Seiten übernommen werden. Ein Beispiel dafür die die Grafik in Abbildung 33. Der Veteran Robert Ruark hat auf die Hilfe eines anderen Seitenbesitzers zurückgegriffen, der ihm eine Grafik erstellt hat. Ruark ist stolz auf diesen Austausch und Experten wie „Doc“, der das Banner auf Ruarks Seite angefertigt hat, haben auf den Seiten einen besonderen Status. Die Grafik, der sich Ruark an dieser Stelle bedient, verbindet die Außenkommunikation mit zentralen Aussagen der Gemeinschaft. Zu den Adressen von Institutionen und Politikerinnen und Politikern gelangen die Besucherinnen und Besucher durch einen Klick auf ein Bild, auf dem wichtige nationale Symbole wie die Flagge, der Adler und das Grab des Unbekannten Soldaten auf dem Nationalfriedhof Arlington in Washington, D.C. versammelt sind. Am wichtigsten für die Agenda der Autorinnen und Autoren ist die chronologisch geordnete Kette von Kriegen im Bild, in denen der Vietnamkrieg bereits als ein US-amerikanischer Krieg unter vielen eingeordnet wurde. Ein einfacher Hinweis auf Regierungsressourcen und Ansprechpartner wird so zu einer Aussage, die die zentralen Bedürfnisse der Veteraninnen und Veteranen befördern kann. Genauso häufig verweisen die Links aber nur auf die Seiten anderer Veteraninnen und Veteranen, ohne dass deren Inhalte direkt übernommen werden.
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Manche Seitenautorinnen und Seitenautoren sind professionell agierende ‚Aktivisten‘, die sich darauf spezialisiert haben, spezifische Meinungen intensiv und ausführlich zu vertreten. Man kann von einer Auslagerung (Outsourcing) des Aktivismus sprechen, durch die ein Veteran einen Teil seiner Meinungsäußerung auf andere überträgt und diesen gleichzeitig die ausführlicheren Diskurse vollständig anvertraut. Ein solcher Aktivist ist der von den Autorinnen und Autoren immer wieder zitierte Besitzer von Viper’s Vietnam Veterans Page, der neben seiner Seite den Vietnam Veterans & Proud Site Ring verwaltet.12 „Viper“ versammelt auf seiner Seite fast alle Vorwürfe, Ansprüche oder Verschwörungstheorien, die im Umfeld von Vietnamveteranen zur Sprache kommen können und geht auf viele davon ausführlich ein. Dazu gehört die Behauptung, Amerika habe den Krieg nicht auf dem Schlachtfeld verloren, sondern durch Verrat an der Heimatfront, die Anfeindungen gegen John Kerry und gegen Jane Fonda, sowie eine detaillierte Darstellung der angeblichen Sabotage des Kriegsverlaufs durch die amerikanischen Medien.13 Oft interagieren Personen wie „Viper“ mit Organisationen, die entweder sehr obskur oder sehr umstritten sind und auf die deshalb auf vielen Seiten des Quellenkorpus nur indirekt verwiesen wird. So vertritt „Viper“ die Sache der „Vietnam Veterans Legacy Foundation“, einer spendenfinanzierten Organisation, die eine radikale Sichtweise auf den Vietnamkrieg vertritt.14 Die Organisation hatte sich in der Vergangenheit unter anderem mit juristischen Mitteln gegen jene gewandt, die nach Meinung der Mitglieder die Veteraninnen und Veteranen Amerikas angegriffen hatten. Die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus hingegen interagieren mit vielen Organisationen nicht selbst, und das wohl vor allem deshalb, weil sie die Auseinandersetzung mit dem eigenen Konzept des Veteranentums möglichst unabhängig durchführen möchten. Man nimmt solche Bemühungen zur Kenntnis, ohne sich ihnen automatisch anschließen zu müssen.
12 „Viper“: All Gave Some, Some Gave All, unter: Vipers Vietnam Veteran Pages, URL: http://vietnam-veterans.us/, Stand: 01.04.2011. 13 Bravenet: Vietnam Veterans & Proud – Our Cause was Just!, unter: Vietnam Veterans & Proud Site Ring, URL: http://pub21.bravenet.com/sitering/show.php?usernum=1 801924474, Stand: 11.04.2011. 14 Vietnam Veteran Legacy Foundation: Americans Working Together, unter: Vietnam Veteran Legacy Foundation, URL: http://www.americans-working-together.com/ id136.html, Stand: 11.04.2011.
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Abbildung 34: Zwei Beispiele für die „award“-Konzepte des Veteranen „Viper“, die sehr hohe Anforderungen an die Empfänger dieser Auszeichnungen stellen.
Quelle: „Viper“: Vipers Awards, unter: Vipers Vietnam Veteran Pages, URL: http://vietnam-veterans.us/vipersawards/, Stand: 23.02.2013.
Autorinnen und Autoren wie „Viper“ vertreten keinen Meinungspluralismus. Sie sind ganz im Gegenteil ein hervorragendes Beispiel für jene Kriegsbeteiligten, die für jeden Aspekt des Vietnamkriegs nur eine einzige Wahrheit zulassen möchten. Als Quelle für Aussagen und Ideologien, die von anderen Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzern referenziert werden können, sind sie gerade aus diesem Grund von unschätzbarem Wert. Ihre radikale Herangehensweise an viele Inhalte darf jedoch nicht als typisch für den Quellenkorpus angesehen werden. Sie spezialisieren sich auf Agenden und kontroverse Themen und räumen anderen Teilen der Kriegserfahrung oft keinen Platz ein. Diese Diskrepanz zwischen formulierter und tatsächlich praktizierter Unterstützung lässt sich nicht immer klar für jedes Thema eruieren. Es ist vielmehr die Gewichtung der Themen und die Intensität der Auseinandersetzung sowie die Breite der Inhalte, an denen sich solche Seiten im Quellenkorpus identifizieren lassen. Der Krieg gegen den Terror ist den meisten Seiten eine kurze, zustimmende Erwähnung wert, während Autorinnen und Autoren wie „Viper“ nicht umhinkommen, intensive Meinungsbildung zu betreiben.15 Durch diese Tiefe der Inhalte sind solche Seiten ideales Referenzmaterial, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Abstufungen und Bewertungen in der Agenda der Seiten zu verstehen. „Viper“ vergibt entsprechend nicht nur einen einzelnen „award“, er hat vielmehr eine genau abgestufte Hierarchie entworfen: „This Award is given to Web sites whose owners I feel, show ‚Pride‘ in their Vietnam Service. This Award is given to Web sites whose owners I feel, show ‚Pride‘ in their Military Service. This Award is given to Web sites whose owners I feel, show true ‚Patriotism‘. This
15 „Viper“: The War on Terror, unter: Vipers Vietnam Veteran Pages, URL: http:// vietnam-veterans.us/supportourtroops/, Stand: 23.02.2013.
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Award is given to Web sites whose owners are part of the loyal group of Americans who try to bring the ‚message‘ to a sleeping America, and refuse to rest until every last POW/MIA is brought home. This is a new Award the name says it all [Viper’s Top Veteran Site Award].“16
Während andere Seiten solche ‚quasi-militärischen‘ Ehrungen als visualisierte Anerkennung an unterschiedliche Seiten vergeben, muss bei „Viper“ erst ein formelles Bewerbungsschreiben verfasst werden, in dem die Seitenbesitzerin oder der Seitenbesitzer sich selbst und ihre Eignung rechtfertigt. Die Seite muss „in fairly good order“ und „nice to look at“ sein und darf „no construction signs or broken links“ enthalten.17 Viele Seiten des Quellenkorpus würden schon an diesen Anforderungen scheitern, zitieren „Vipers“ Seite aber dennoch, wenn sie es für nötig empfinden. Den Aufbau starker, gemeinsam überwachter Standards unterstützen die individualistischen Autorinnen und Autoren nur sehr begrenzt. Gleichzeitig widerspricht es ihrem Anspruch auf Unabhängigkeit, sich von anderen auf diese Weise evaluieren zu lassen. Wenn eine Seite einer anderen einen „award“ verleiht, darf dies die Deutungshoheit des Empfängers nicht verletzen. Alle Faktoren, die auf eine gemeinsame Wissens- und Meinungsbasis hindeuten, dürfen deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Autorinnen und Autoren auf die eigene Deutungshoheit einen hohen Wert legen. Alle Verknüpfungen lassen sich immer schnell trennen und verändern, falls die Unterschiede zwischen den eigenen und fremden Inhalten sich doch als zu groß erweisen. „Awards“ lassen sich ablehnen oder ignorieren. Wären diese Möglichkeiten nicht gegeben, würde die Gefahr bestehen, dass sich Akteure wie „Viper“ aufgrund ihrer vielen Aktivitäten als Meinungsführer etablieren und die Diskurse zu dominieren beginnen. Dies möchten die Kriegsbeteiligten im Netz aber unbedingt vermeiden. Andere Seiten agieren nicht in dieser Breite, sondern spezialisieren sich auf ein einzelnes Thema. Die Operation Just Cause ist der Anlaufpunkt für all jene, die sich so intensiv wie möglich mit der POW/MIA-Frage befassen möchten.18 Wenn eine Autorin oder ein Autor im Quellenkorpus die Bedeutung dieser Frage mit Nachdruck vermitteln will, wird dafür meist ein Link auf diese Seite zur Verfügung gestellt. Sie erkennen damit ihren Expertenstatus an und können sich unabhängig von den eigenen technischen Fähigkeiten dieser ausführlichen Darstellung bedienen. Daraus lässt sich allerdings noch nicht automatisch schließen,
16 „Viper“: Vipers Awards, unter: Vipers Vietnam Veteran Pages, URL: http:// vietnam-veterans.us/vipersawards/, Stand: 23.02.2013. 17 Ebd. 18 Operation Just Cause: Operation Just Cause... for as long as it takes, unter: Operation Just Cause Ring, URL: http://www.ojc.org/ring/, Stand: 19.02.2013.
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dass alle Autorinnen und Autoren auf diese Weise wirklich diese Agenda unterstützen möchten. Der zur Schau gestellte Individualismus darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Einflüsse wie Gruppenzwang bei der Themenwahl eine Rolle spielen können. Meist zeigt sich dies dort, wo ein Thema mehr sein muss als Ausdruck der persönlichen Erfahrungsdarstellung. So wird das Einstehen für die POW/MIA-Frage als Verpflichtung verstanden, der man sich nicht entziehen darf, egal ob man noch an die Existenz einer solchen Gruppe glaubt oder nicht. Gleiches gilt für die Behandlung von Feinden wie John Kerry. Wer diese nicht offen angreift oder sogar unterstützt, gehört selbst zu den in Abbildung 31 dargestellten Feinden aus den eigenen Reihen. Manche Themen, so scheint es, sind untrennbar mit dem eigenen Status als Veteranin oder Veteran verbunden. Letztlich lässt sich sagen, dass die Möglichkeiten des Internets, gemeinsam zu erzählen und Inhalte intensiv miteinander abzugleichen, von den Veteraninnen und Veteranen nur in begrenztem Umfang genutzt werden. Dabei muss die Einschränkung gemacht werden, dass sich Kommunikation im Netz relativ leicht versteckt organisieren lässt. Dennoch fällt auf, dass die kommunikativen Möglichkeiten zur Ergänzung von Inhalten, wie sie teilweise beschrieben wurden, nur überraschend selten zum Einsatz kommen. Eine Erklärung dafür ist, dass die eigenen Erinnerungen und Bewertungen immer als bedeutender eingeschätzt werden als die anderer Personen. Während die Autorinnen und Autoren einander als Gleichgesinnte akzeptieren, ist nur der eigene Blick auf die Vietnamerfahrung der Definitionsrahmen, an dem sich die Gesamterzählung messen lassen muss. Selbstdarstellungen und die Anerkennung dieser Konstrukte lassen sich aus diesem Grund als wichtige Motive für die Handlungspraktiken im Quellenkorpus identifizieren. Die hypertextuellen Möglichkeiten von direkten Verweisen und interaktiven Ergänzungen müssen sich den individualistischen Zielen der Seiten unterordnen. Die schon erwähnten „awards“ sind ebenso wie andere Austauschmöglichkeiten fast immer darauf ausgelegt, die Identität des Einzelnen im Netz zu stärken, was ihre Vergleichbarkeit mit militärischen Auszeichnungen noch weiter erhöht. Die verleihende Institution ist jedoch immer der Kriegsbeteiligte und nicht die Gruppe als Ganzes. Dieser entlarvt sich mit seinem Anspruch, eine starke Position gegenüber dem ‚Kameradenkollektiv‘ einnehmen zu können. Die Beziehung zwischen individuellem und gemeinschaftlichem Handeln macht es notwendig, hier noch einmal auf einige Konzepte des Erinnerns und des Gedächtnisses zurückzugreifen. Wenn das Gedächtnis mehr als das Erinnern des Einzelnen ist und „qualities of spiritual and cultural transcendence“ besitzt, wie Oliver Kendrick und Peter Gray es formuliert haben, wo lässt sich dann das
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kollektive Gedächtnis im Quellenkorpus verorten?19 In welchem Umfang bietet diese Mischung aus selbstbestimmten Darstellungen, begrenzter Interaktion und intensiver Instrumentalisierung anderer Inhalte Platz für die Vorstellungen von Pierre Nora oder Maurice Halbwachs? Letzterer war in seinem frühen Entwurf zum kollektiven Gedächtnis davon ausgegangen, dass Gruppen Gedächtnisse zwar nicht bilden, aber die Bildung von Einzelgedächtnissen in Gruppen stattfindet.20 Die Abgrenzbarkeit unterschiedlicher Gruppen und sozialer Bereiche ist jedoch nicht nur im Quellenkorpus problematisch, sondern auch in anderen Bereichen des Netzes. Bei den Kriegsbeteiligten kommt noch hinzu, dass sie sich und die anderen Seiten nur in sehr begrenztem Umfang als kohärente Einheit begreifen. Viele Autorinnen und Autoren neigen eher dazu, durch die eigenen Erzählungen eine Gruppe aus lebenden und toten Kameradinnen und Kameraden um sich zu ‚versammeln‘, über die das Erinnern organisiert werden kann. Diese Form der ‚Gruppenbildung‘ durch Vereinnahmung von Personen und Ereignissen ist eine der innovativsten Handlungen, für die die Autorinnen und Autoren das Internet einsetzen. Daraus erklärt sich ebenfalls, wieso Gruppen aus dem nichtvirtuellen Raum keine Rolle auf den Seiten spielen. Diese werden durch Eigenkonstruktionen ersetzt, die außerordentlich persönlich sind und rein auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtet werden können. Einer Gruppe für die eigenen Erzähl- und Erinnerungsanstrengungen ausgeliefert oder auf diese angewiesen zu sein, ist die Antithese all dessen, wofür die Autorinnen und Autoren den Weg ins Netz gewählt haben. Die Konsequenzen von Halbwachs’ Idee, dass sich individuelle Erinnerung nie vollständig von Gruppeneinflüssen lösen kann, versuchen sie mit ihrer Eigenkonstruktionen zu umgehen. Dies verstärkt ihre Isolation aber nur noch weiter. Kollektives Erinnern ist, das lässt sich zusammenfassend sagen, den meisten Kriegsbeteiligten suspekt. Ihre Ansprüche auf Deutungshoheit wirken auf jeden Aspekt des Sprechens über die Vergangenheit zurück, der auf den Seiten praktiziert wird. Eines der größten ‚Opfer‘ dieses eingeschränkten Erinnerns ist der Krieg selbst. Der Anspruch auf Kontrolle ist absolut und beeinflusst jeden Aspekt der Darstellung und nachträglichen Rekonstruktion des Konflikts im Netz. Sie haben sich in ihrem ‚Bunker‘ eingerichtet und wollen ihn weder mit einer heterogenen Öffentlichkeit teilen noch verlassen. 19 Kendrick Oliver, Peter Gray: Introduction, in: Kendrick Oliver, Peter Gray (Hg.): The Memory of Catastrophe, Manchester University Press: Manchester 2004, S. 2-13, hier S. 4f. 20 Vgl. Wolfgang Ortlepp: Gedächtnis und Generation. Überlegungen zu Halbwachsʼ Gedächtnisbegriff und Mannheims Generationenbegriff, in: Winfried Marotzki, Margret Kraul (Hg.): Biographische Arbeit. Perspektiven erziehungswissenschaftlicher Biographieforschung, Leske & Budrich: Opladen 2002, S. 308-325, hier S. 314.
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Der Krieg: Fragmentarisierung und Amerikanisierung Der Umgang mit dem Vietnamkrieg auf den Internetseiten ist außerordentlich vielschichtig. Der Konflikt ist, glaubt man den Aussagen, Ausgangspunkt fast aller Diskurse, mit denen sich die Autorinnen und Autoren beschäftigen. Die Realität des Quellenkorpus weicht davon jedoch häufig ab. Der Krieg tritt nicht aus dem ‚Schatten‘ der Geschichte heraus, sondern bleibt ein Rahmenthema, das immer nur bezogen auf ganz bestimmte Inhalte referenziert wird. Wer mehr über den Vietnamkrieg erfahren möchte, muss sich deshalb mit zwei ganz unterschiedlichen Phänomenen auseinandersetzen. Auf der einen Seite ist die Darstellung des Konflikts außerordentlich fragmentiert. Die Formen des Erzählens, derer sich die Autorinnen und Autoren bedienen, fügen ihre Inhalte nur selten in chronologische oder kausale Gesamtzusammenhänge ein. Auf der anderen Seite wird der Krieg so radikal auf die Sichtweise der Veteraninnen und Veteranen reduziert, dass ohne weiteres von einer Amerikanisierung gesprochen werden kann. Der Krieg als Konzept und als persönliches Erlebnis manifestiert sich auf den Seiten in unterschiedlichen Aspekten. Die wichtigsten sind: die detaillierte Darstellung von Personen (lebend oder tot), die darauf basierende Festschreibung von Freundschaft und Feindschaft, die Verankerung der Erinnerung durch Rückbezüge auf Orte und Artefakte, die Beschreibung von Frustrationen und ihrer Beziehung zu Motiven und Handlungen, • der Austausch mit Gleichgesinnten auf kontrollierte, selbstbezogene Art und Weise und • die Verortung von Krieg und Identität im Jetzt, basierend auf Kontinuitäten, die sich vor und nach Kriegsende gleichermaßen entwickelt haben. • • • •
Viele Veteraninnen und Veteranen verwenden wie Mike Piccone für die Ordnung ihrer Kriegserfahrung die Basisdaten ihrer „tour of duty“. Piccone identifiziert sich über Zeitangaben, Auszeichnungen und Abzeichen nicht nur als ehemaliger Offizier, sondern verortet sich gleichzeitig innerhalb der Chronologie des Gesamtkonflikts (Abbildung 35). Er war in den Jahren 1967 bis 1969 in Südvietnam (RVN) stationiert und gehörte dabei unterschiedlichen Einheiten an. Solche ‚Identifikationspakete‘ abstrahieren die Person und den Krieg gleichermaßen. Piccone hat innerhalb seiner drei Jahre nur spezifische Aspekte des Kriegs erleben können. Sie hingen von seinen Aufgaben und seinen Stationierungsorten ab. Wie viele andere Autorinnen und Autoren verweist er auf seiner Seite jedoch
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darauf, dass der Krieg einen dauerhaften Einfluss auf sein weiteres Leben ausgeübt hat. Dass er daraus den Anspruch ableiten darf, alle Aspekte des Kriegs als Experte bewerten und beschreiben zu können, ist für ihn wie für andere Quellenautorinnen und Quellenautoren eine Selbstverständlichkeit. Abbildung 35: Mike Piccone beschreibt seinen Dienst in Bildern, die für Militärangehörige leicht zu entschlüsseln sind.
Quelle: Mike Piccone: This Site is Dedicated to my Friends, unter: 17th Cavalry Memorial Page, URL: http://www.cavpilot.com/, Stand: 25.01. 2013.
Die chronologischen Orientierungspunkte des eigenen Aufenthalts werden von ihm dazu verwendet, sich selbst innerhalb des Kriegs zu verorten und gleichzeitig den Krieg in seiner Gesamtheit für sich in Anspruch zu nehmen. Was er wie die meisten anderen Autorinnen und Autoren nicht versucht, ist die Darstellung schlüssiger Zusammenhänge zwischen strategischen Entwicklungen, militärischen Großereignissen und seiner eigenen Vietnamerfahrung. Die eigene Erfahrung und die eigene Identität werden immer auf den Vietnamkrieg zurückgeführt. Was jedoch fehlt, ist der Versuch, die Einzelerlebnisse und die Bestandteile des Vietnamkriegs so zueinander in Verbindung zu setzen, dass sich ein kohärentes Gesamtbild entwickeln könnte. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass der
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Krieg heute vor allem der ‚Geburtsort‘ der Identität als Veteranin oder Veteran ist und als Werkzeug zu deren Ausgestaltung eingesetzt wird. Die ‚falschen‘ Aussagen von Außenstehenden zu korrigieren und eigene Bewertungen zu unterschiedlichen Eigenschaften des Kriegs abzugeben, ist für die Autorinnen und Autoren meist völlig ausreichend. Die Aufklärung über Mythen und Falschaussagen entpuppt sich auf den meisten Seiten jedoch als Verteidigungspose und wird nur selten mit eigenen oder recherchierten Fakten untermauert. Der Krieg als Ganzes wird kaum infrage gestellt oder neu kontextualisiert. Gleiches gilt für alle Konzepte, die für solche Neubewertungen notwendig wären, wie z.B. der Kalte Krieg, die Stellung des Kommunismus in der Vergangenheit, die Eigenschaften des kommunistischen Regimes in Nordvietnam oder die Entwicklung des vereinigten Vietnam nach Ende des Kriegs. Der heutige Wissensstand könnte es ermöglichen, die Stellung der eigenen Handlungen und der eigenen „tour of duty“ während des Vietnamkriegs neu zu überdenken. Daran haben die Autorinnen und Autoren aber kein Interesse, da der Krieg für sie gegenwärtig genau das darstellt, was sie benötigen: eine Ausgangsbasis für ihre Identitäts- und Gruppenkonstruktionen. Chronologie und Kausalität werden von den Autorinnen und Autoren ganz unterschiedlich behandelt. Die Seite Ourbunker beginnt ihre Darstellung mit einer Ansammlung von Einzelbiografien und Bildern gefallener Kameraden, die über die Angabe von Daten in der Chronologie des Kriegs verortet werden. Der Krieg selbst tritt auf der Seite jedoch nur als eine Reihe archetypischer Symbole in Erscheinung, unabhängig davon, ob es sich dabei um animierte Hubschrauber oder stilisierte Bambusrohre handelt.21 Der Krieg zeigt sich in den Bildern eines Vietnamesen hinter einem Wasserbüffel, in Stadtansichten, lächelnden Personen und einer Momentaufnahme eines Helikoptertürschützen, der mit seinem festmontierten Maschinengewehr auf unsichtbare Ziele feuert. Die Einzelteile werden ergänzt durch Anspielungen auf gegenwärtige Kriege oder Konflikte, die lange vor dem Vietnamkrieg stattfanden. Hier deutet sich ein Grund für diese Fragmentarisierung an. Die Bruchstückhaftigkeit ermöglicht es, jederzeit Inhalte anderer Konflikte einzufügen. Wie bei Ourbunker ist dies oft einer der Weltkriege, über den sich die Autorinnen und Autoren als amerikanische Veteraninnen und Veteranen verallgemeinern und damit aufwerten können.22 Dieser weit 21 22
Autor unbekannt: Bunker Eight, unter: Our Bunker, URL: http://ourbunkers.0catch. com/BunkerEight.html, Stand: 25.10.2010. Autor unbekannt: Good Morning Vietnam, unter: Our Bunker, URL: http:// ourbunkers.0catch.com/, Stand: 20.02.2013. Ein Beispiel ist die Aussage „Thank you Veterans for our Freedom“, die zusammen mit einem Bild der Soldaten dargestellt ist, die auf der Pazifikinsel Iwo Jima während des Zweiten Weltkriegs die Flagge der USA aufstellten.
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verbreitete Mechanismus schafft die Kontinuitäten, die für die Darstellung der eigenen Identität als Veteranin oder Veteran auf den Webseiten unerlässlich zu sein scheint. Die Verbindung zwischen den Siegern des ‚guten Kriegs‘ und den Kriegsbeteiligten des verlorenen Kriegs in Vietnam kann von ihnen auf diese Weise mehr und mehr verstärkt werden. Eine pragmatische Erklärung für die Fragmentarisierung des Kriegs in der Rückerinnerung ist der begrenzte Blickwinkel des einfachen Kriegsbeteiligten. Den Krieg in seiner Gesamtheit erfassen und bewerten zu können, war für die Angehörigen der unteren soldatischen Ränge ebenso schwierig wie für Angestellte im militärischen und zivilen Bereich. Gerade im Netz wäre es jedoch möglich, die große Masse an verfügbaren Daten und medialen Darstellungsformen zu verwenden, um Ereignisse nachzuvollziehen, an denen sie direkt oder indirekt beteiligt waren. In den meisten Fällen aber bleiben der Krieg als logisches Konstrukt und der Krieg als Quelle persönlicher Erfahrungen voneinander getrennt. Der Anspruch auf Expertentum, den die Autorinnen und Autoren formulieren, wird dadurch ad absurdum geführt. Die Gründe dafür sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt. Die ständige Einforderung der alleinigen Deutungshoheit ist vor allem eine Verteidigungshaltung gegen jede Möglichkeit, diesen Einfluss wieder einbüßen zu können. Es geht ihnen nicht darum, komplexe Erklärungsmuster anzubieten, sondern anderen Gruppen das Recht auf Umdeutung vorzuenthalten. Der Krieg muss nur dort neu bewertet werden, wo er sich direkt auf das Selbstbild des Einzelnen bezieht. Zugespitzt ließe sich sagen, dass die Autorinnen und Autoren die Existenz des Kriegs jenseits ihrer eigenen Erfahrungen zwar akzeptieren müssen, diese Existenz aber nie schätzen gelernt haben. Nur an den Schnittstellen mit dem eigenen Selbst ist der Krieg (oder vielmehr das eigene Kriegsbild) ‚sicher‘ vor fremder Interpretation und Inanspruchnahme. Ein Beispiel, an dem sich dieser Zusammenhang deutlich zeigt, ist der Umgang mit den Anfängen des Vietnamkriegs. Der Vorfall im Golf von Tonkin im Jahr 1964 wurde von der amerikanischen Administration unter Präsident Lyndon B. Johnson als Grund für die Eskalation der US-Präsenz in Vietnam verwendet. Dabei sind nicht nur die tatsächlichen Ausmaße des Vorfalls umstritten.23
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Die Interpretationen des Vorfalls erstrecken sich von der Anerkennung der offiziellen Position (Angel) über die Identifikation diverser Fehlinterpretationen (Moïse) bis zur Behauptung, der Vorfall sei absichtlich zur Provokation eines Kriegsgrunds inszeniert worden (Jowett & O’Donnell). Vgl. Charles Angel: Gulf of Tonkin Incident (1964), in: James S. Olson (Hg.): Dictionary of the Vietnam War, Bedrick: New York, NY 1990, S. 179-180; Edwin E. Moïse: Tonkin Gulf and the Escalation of the Vietnam War, University of North Carolina Press: Chapel Hill, NC 1996; Garth S. Jowett, Victoria O’Donnell: Propaganda & Persuasion, 5. Auflage, SAGE: London 2011.
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Dieser Wendepunkt der amerikanischen Außenpolitik in Südostasien und Vietnam ließe sich leicht als historische Kausalität verwenden, die den eigenen Einsatz in Vietnam zumindest ermöglicht, wenn nicht sogar herbeigeführt hat. Die Informationspolitik der Johnson-Administration und die heute nachweisbare ‚Überzeichnung‘ des Vorfalls wären ideale Angriffspunkte für Kritik an der Entwicklung des Konflikts. Im Quellenkorpus wird der Krieg jedoch nur selten auf diese Art und Weise verstanden oder noch einmal kritisch betrachtet. Er ist eine historische Tatsache, die nur dann einer Legitimation durch den Nachweis von Übereinstimmungen mit anderen Spuren und Zeugnissen bedarf, wenn sich die Autorin oder der Autor selbst angegriffen fühlt. Die nachträglichen Erklärungen sind pauschal und axiomatisch. Der Vietnamkrieg wird in diesem Fall oft als Teil des Kalten Kriegs definiert, dessen Rechtfertigung sich direkt aus antikommunistischen Notwendigkeiten ableitet. Dem Kalten Krieg ergeht es dabei ebenso wie dem Vietnamkrieg: Er ist eine kaum eingegrenzte historische Selbstverständlichkeit, die sich mit einem Abschnitt im Leben der Autorin oder des Autors überlappt. Der Krieg verliert deshalb einen großen Teil seiner Einzigartigkeit, da fast alle zentralen Streitpunkte nicht diskutiert werden. In seiner medialen Repräsentation auf den Seiten erinnert der Vietnamkrieg beziehungsweise die individuellen ‚Vietnamkriege‘ der einzelnen Erzählerinnen und Erzähler an das Filmgenre des „road movie“.24 Mehrere Einzelpersonen verlassen ihre gewohnte Umgebung und begeben sich auf eine Reise, die sie und ihren Blick auf die Welt dauerhaft verändern wird. Ihre Erlebnisse sind weniger von der Reiseroute abhängig als von Einzelereignissen, die ihnen widerfahren. Die Landschaft, durch die sie sich bewegen, ist nur dort wichtig, wo sie von ihnen durch Interaktionen ‚berührt‘ wird. Nach ihrer Heimkehr haben sie sich nicht nur für immer verändert, sondern sind durch ihre Erfahrungen dauerhaft verbunden. Wie im „road movie“ sind die Stationen die einzigen Anhaltspunkte, an denen sich die Autorinnen und Autoren orientieren. Die Gesamtheit der Erfahrungen wird nie mit einem größeren Ganzen (abseits der Straße) in Beziehung gesetzt und die Reiseroute offenbart sich nur über einzelne Stationen. Dieser metaphorische Vergleich ist in vielen Punkten unscharf, hilft aber, eine zentrale Eigenschaft des Vietnamkriegs aufzuzeigen, wie er auf den Seiten konstruiert wird. Die chronologischen Daten scheinen eine Genauigkeit zu implizieren, an der die Autorinnen und Autoren, wie die Gesamterscheinung der Seiten erkennbar werden lässt, nur unter ganz spezifischen Umständen interessiert sind. Die Fragmentarisierung des Vietnamkriegs auf den Seiten ist dem Umstand geschuldet, dass eine kohärente und umfassende Gesamtdarstellung des Kriegs für 24
Vgl. Marcel Danesi (Hg.): Dictionary of Media and Communications, M.E. Sharpe: New York, NY 2009, S. 256.
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die Ziele der Autorinnen und Autoren nicht relevant ist. Wichtig sind allein die Resultate. Der Veteran Russ Jewett geht so weit, von einem „primal bonding of the warrior spirit“ zu sprechen.25 An dieser Stelle ist als Vergleichsbeispiel wieder der Heros mit den tausend Gesichtern relevant, dessen Bindung zu jenen, die er auf seiner Reise trifft oder mit denen er sie absolviert, eine ebenso herausragende Stellung besitzt. Jonathan Shay führt als Beispiel für diese „specialness of the special comrade“, wie er es beschreibt, die Beziehung zwischen Achilles und Pátroklos an.26 Der Schmerz über den Verlust des Kampfgefährten zerstört die Persönlichkeit des Betroffenen dauerhaft und ist wichtiger als jeder anderer Aspekt der Reise. Die Veteraninnen und Veteranen arbeiten zumindest in manchen Aspekten anthropologische Konstanten des Kriegerdaseins heraus, die das ‚moderne‘ Soldatentum in seiner anonymen Absurdität vergessen lassen sollen. Die eigene „specialness“ wird dadurch gefördert, dass der „special comrade“ gelobt und erinnert wird. Der Krieg gerät dabei oft in Vergessenheit, denn die Themen, mit denen sie sich am meisten beschäftigen, bedürfen einer echten Verortung innerhalb der Zusammenhänge des Konflikts nur in sehr geringem Maße. Diese Erkenntnis stützt das Urteil, dass die Zielgruppen der Erzählungen vor allem jene sind, die bereits über Wissensbestände und vorgefasste Urteile über den Krieg verfügen. Da sich alles auf die Veteraninnen und Veteranen selbst richtet, ist es nicht wirklich notwendig, andere Meinungen zu verifizieren oder andere Standpunkte zu entkräften. Es reicht vielmehr, anderen die Kompetenz zur Äußerung solcher Punkte schlicht abzusprechen. Dazu kommt, dass sich die Autorinnen und Autoren nicht dazu berufen fühlen, den Krieg als Ganzes zu rekonstruieren, da sie ihre Stellung als ‚einfache‘ Kriegsbeteiligte nicht aufgeben wollen. Dass sie dennoch jede Deutungsmacht für sich in Anspruch nehmen, zeugt von einem starken und zumindest online proklamierten Selbstbewusstsein. Auf den Veteranenseiten sind manche Aspekte des Kriegs heftigen Revisionen ausgesetzt. Die Wichtigste davon ist die radikale Amerikanisierung des Konflikts, mit dem die Autorinnen und Autoren ihn in seiner Gesamtheit für sich in Anspruch nehmen möchten. Diese Aneignung beschränkt sich nicht auf den Umgang mit Slang, Symbolen, militärischen Paraphernalien, dem Umgang mit zeitgenössischer Musik und ähnlichen Dingen, die den Autorinnen und Autoren aus ihrer Zeit in Vietnam in Erinnerung geblieben sind. Amerikanisierung bedeutet Marginalisierung aller Konzepte und Akteure, die nicht in den amerikanischen Kontext eingeordnet werden können. Teilweise verliert der Krieg so jedes Profil
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Russ Jewett: Warriors!, unter: 3/3 Remembered, URL: http://gruntfixer.homestead. com/files/01a.html, Stand: 08.06.2011, Offline seit: 09.09.2012. Jonathan Shay: Achilles in Vietnam: Combat Trauma and the Undoing of Character, Scribner: New York, NY 2003, S. 43f.
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und ist nur deshalb als US-amerikanische Angelegenheit zu erkennen, da amerikanische Veteraninnen und Veteranen ihn als ‚ihren‘ Krieg beanspruchen. Ursache und Wirkung sind auf den ersten Blick schwer auseinanderzuhalten. Die Seiten sind Teil einer primär durch amerikanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger getragenen Erinnerungskultur, die aus einem Konflikt hervorging, der in Vietnam bis heute als „amerikanischer Krieg“ bezeichnet wird. Der Krieg wurde als Hilfsaktion für einen Verbündeten ‚verkauft‘, blieb aber in der Praxis oft eine von Amerikanern konzipierte und ausgetragene Auseinandersetzung. Dennoch gab es eine große Zahl an nichtamerikanischen Akteuren, mit deren Handlungen die Soldatinnen und Soldaten jeden Tag konfrontiert wurden. Selbst die Feinde von damals sind vor dieser Form der Marginalisierung nicht gefeit und werden in ihren Auswirkungen auf den Ausgang des Kriegs kaum mehr als bedeutend wahrgenommen. Schulddiskurse setzen immer zuerst bei amerikanischen Zusammenhängen an und selbst wenn die südvietnamesische Armee oder Regierung kritisiert wird, werden die entscheidenden Probleme im eigenen Lager verortet. Die Gegner werden gelobt, wären aber bei korrektem Handeln der eigenen Seite praktisch chancenlos gewesen. Gegenteilige Meinungen sind entweder kaum vorhanden oder werden nicht offen mit Besucherinnen und Besuchern geteilt. Ob sich hier soziale Zwänge in dieser Diskurskultur manifestieren, erschließt sich dem Betrachter nicht. Diese einseitige Meinungsäußerung lässt sich jedoch dadurch erklären, dass über solche Siegeskonzepte die Leistung und das Heldentum der Truppen aufgewertet werden sollen. Wenn eine Autorin oder ein Autor sich dagegen nur über einzelne Erlebnisse äußert, sind solche Einschätzungen irrelevant. Der Kriegsverlauf ist in diesem Fall nur ein Randphänomen, das den Rahmen für die eigenen Erlebnisse darstellt. Diese Form der Amerikanisierung ist ein individualisierender Machtdiskurs. Dadurch, dass die zentralen Zusammenhänge auf amerikanische Protagonisten beschränkt werden, sind alle anderen Gruppen von der Bewertung des Vietnamkonflikts ausgeschlossen. Der Kriegsbeteiligte misst sich so eine Deutungsmacht zu, die allein auf seine Nationalität und seine Anwesenheit im Kriegsgebiet zurückgeführt wird. Die Autorinnen und Autoren nehmen auf diese Weise ein Privileg für sich in Anspruch, das eigentlich nur den Siegern eines Konfliktes zusteht: die nachträgliche Bewertung und Einordnung der Geschehnisse. Immer wieder verweisen die Autorinnen und Autoren darauf, dass der Vietnamkrieg nicht auf dem Schlachtfeld verloren wurde. Der Vietnamkrieg, mit dem sie sich heute beschäftigen, wird ebenfalls nicht auf dem Schlachtfeld gewonnen, sondern durch seine stetig fortschreitende Amerikanisierung. Sobald die Kriegsbeteiligten in der Rückerinnerung die einzigen erwähnenswerten Personen im Kriegsgebiet sind, kann ihnen der Sieg nicht mehr streitig gemacht werden.
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Der Krieg beginnt und endet scheinbar nicht mit der Ankunft oder dem Abzug von Truppenverbänden, sondern mit der des einzelnen Kriegsbeteiligten. Welche Aufgaben er dort übernahm oder welche Erfahrungen er dort machte, ist für die Etablierung der eigenen Kompetenzen unerheblich. Die Amerikanisierung macht es unnötig, den alten Feinden weiterhin feindlich gestimmt zu sein, da ihnen jede Möglichkeit zur Deutung des Kriegsgeschehens abgesprochen wird. Dass Vietnam nach wie vor ein kommunistisch regiertes Land ist, das kaum demokratischen Freiheiten besitzt, spielt hierfür keine Rolle. Die Deutungsmacht der Autorinnen und Autoren wird durch ein Treffen mit ehemaligen Viet Cong nicht bedroht. Solche Treffen zeigen vielmehr, wie viel Wert sie dem Veteranenstatus beimessen. Die schon einmal zitierte Szene aus dem Film Platoon (1987) gewinnt in dem Kontext eine besondere Bedeutung. Während der Schauspieler Charlie Sheen in seiner Rolle als Chris Taylor im Hubschrauber das Kampfgebiet verlässt, fasst er seine Erlebnisse in Vietnam in einer Weise zusammen, die sich direkt auf viele Seiten übertragen ließe: „I think now, looking back, we did not fight the enemy. We fought ourselves, and the enemy was in us. The war is over for me now, but it will always be there. For the rest of my days.“27 Obwohl Taylor vor wenigen Minuten vom Viet Cong schwer verwundet wurde, hat er bereits alle nichtamerikanischen Beteiligten für unwichtig erklärt. Seine Aussage ist eine Erkenntnis, die auf den gesamten Kriegsablauf zurückprojiziert wird. Die Schüsse, die auf ihn abgegeben wurden und seinem von ihm respektierten Vorgesetzten Sergeant Elias (gespielt von Willem Dafoe) das Leben gekostet haben, scheinen aus einer anderen Zeit zu stammen, die mit dem Betreten des Hubschraubers ihr Ende gefunden hat. Diese Einschätzung hat sich auf den Seiten nicht nur gefestigt, sondern ist die Grundlage für jede Annäherung an den Vietnamkonflikt. Die Opfer dieser Umdeutung sind alle Nicht-Amerikaner, die am Krieg teilgenommen haben oder deren Leben von ihm beeinflusst wurde. Dass die Zahl der getöteten Vietnamesinnen und Vietnamesen im Krieg die der Amerikaner um ein Vielfaches überstieg, lässt sich aus den Seiten nur selten herauslesen. Gutes wie Schlechtes entstammt allein amerikanischen Handlungsanstrengungen. Der Vietnamkrieg wird in der nachträglichen Bewertung zur rein amerikanischen Tragödie, an der andere scheinbar nur oberflächlich beteiligt waren. Dies ist letztlich ein Zeichen dafür, wie unfähig die Kriegsbeteiligten oft sind, abweichende Meinungen zuzulassen oder diese selbst zu entwickeln. Der Vietnamkrieg auf den Seiten ist unzugänglich, chaotisch, durch und durch amerikanisch und oft nur eine Illustration für die Erlebnisse der Autorinnen und Autoren oder ein Werkzeug zur Erreichung ihrer narrativen Ziele. Mit 27
Oliver Stone: Platoon (Film), USA: Orion Pictures: 1987.
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den Jahren wurde er von allen Aspekten ‚gereinigt‘, die mit den Zielen und dem Selbstverständnis der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen in Konflikt geraten sind oder hätten geraten können. Die historische Einordnung der Aussagen auf den Seiten im Sinne eines möglichen Beitrags zur Historiografie wird dadurch nicht nur erschwert, sondern ist selbst dann problematisch, wenn die Autorinnen und Autoren genaue zeitliche Angaben machen. Geschichte ist mehr als die zusammenfassende Darstellung chronologischer Daten. Sie speist sich durch die Herausarbeitung von Kausalitäten, die im überlieferten Wissen und in den Rekonstruktionsleistungen der Gegenwart gleichermaßen verortet sind. Der Vietnamkrieg im Quellenkorpus lässt deshalb für die Besucherinnen und Besucher, die eine Erklärung des Geschehens erwarten, mehr Fragen offen, als er beantwortet.
Potenziale: Die Möglichkeiten des Internets in Theorie und Praxis Für die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus bedeutet ihre Präsenz im Netz wie vermutet, dass sie sich mit ihren Erfahrungen auf neue Art und Weise auseinandersetzen können. Sie besitzen die alleinige Entscheidungsmacht darüber, welche Inhalte dargestellt und diskutiert werden, können sich mit anderen austauschen und verfügen über eine große Zahl an medialen Möglichkeiten, um ihre Ziele in die Tat umzusetzen. Die möglichen Öffentlichkeiten, an die sich die Autorinnen und Autoren dabei richten könnten, sind zahlreich und komplex. Die Internetseiten sind ein ‚Antidot‘ für viele Einschränkungen bei der Verbreitung ihrer Ansichten, denen sich die Autorinnen und Autoren bisher gegenüber sahen. Diesen umfangreichen Möglichkeiten steht jedoch eine Realität gegenüber, in der nur ganz bestimmte Eigenschaften des Internets wirklich zielgerichtet eingesetzt werden. Die Handlungspraktiken sind immer durch umfangreiche Einschränkungen geprägt. Die Darstellungen der eigenen Zeit in Vietnam sind häufig Sammlungen aus Bildern, Texten und Beschreibungen, die manchmal nur oberflächlich geordnet sind, während sie auf anderen Seiten zu unterschiedlichen Narrativen verknüpft werden. Die Aufforderung zum Beisteuern von Meinungen und Inhalten ist auf den Seiten allgegenwärtig, fließt dann aber nur sehr selten in die wirklich wichtigen Teile der Seiten ein. Eine immer wieder geäußerte Grundlage der Sammlungspraktiken ist die Aussage, dass jeder Aspekt des Vietnamkriegs auf den Internetseiten seinen Platz finden könnte. In der Praxis werden diese Inhalte aber nicht nur kontrolliert, sondern beschäftigen sich fast
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ausschließlich mit dem engen Bezugsrahmen, der von der Seitenbesitzerin oder dem Seitenbesitzer als bedeutend definiert wurde. Dieser eingeschränkte Einsatz von Praktiken hat einen einfachen Grund: Die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer versuchen, sich den Einflüssen kollektiver Gedächtnisprozesse zu entziehen und sie gleichzeitig selbst zu beherrschen. Die Idee des kollektiven Gedächtnisses, nach der Gruppen zwar nicht erinnern, das Erinnern des Individuums jedoch beeinflussen, soll auf den Webseiten teilweise außer Kraft gesetzt werden. Organisationen aus dem nichtvirtuellen Bereich werden ignoriert und neue Gruppenbildungen finden fast immer nur dann statt, wenn eine Seitenbesitzerin oder ein Seitenbesitzer sich selbst als Verwalterin oder Verwalter dieser Gruppe ansehen kann. Die Konzepte des kollektiven Gedächtnisses und kollektiver Erinnerungsprozesse sind also nicht nur deshalb schwer auf den Quellenkorpus zu übertragen, weil sie nur einen spezifischen Teilbereich von Gedächtnis und Erinnerung abdecken. Die Autorinnen und Autoren bemühen sich vielmehr, die eigenen Inhalte und Erinnerungsprozesse vor solchen Auswirkungen zu bewahren. Das Internet ist hier kein Ort der gemeinsamen Kommunikation und des Austausches, sondern wird in kleine Einzelbereiche aufgespalten, in denen eine Vielzahl von ‚Wahrheiten‘ entwickelt wird. Dies äußert sich letztlich darin, dass die Autorinnen und Autoren gerne dem kollektiven Erinnern Vorschub leisten wollen, sich allerdings selbst nicht solchen Erinnerungsprozessen unterwerfen möchten. Das beste Beispiel hierfür ist der Umstand, wie oft sie über Veteraninnen und Veteranen als Gruppe sprechen, ohne gleichzeitig sehr viel von sich selbst preiszugeben. All diese im Quellenkorpus beobachteten Praktiken werden durch die Medienspezifik des Internets bestimmt und bis zu einem gewissen Grad auch transformiert. Das Meta-Medium Internet erlaubt eine weitreichende Kontrolle über die eigenen Darstellungen, wie sie in einem Einzelmedium nicht vorstellbar ist. Die Autorin oder der Autor kann sich selbst einen ‚Bereich‘ schaffen, von dem aus sie oder er versuchen kann, die eigene Stimme hörbar zu machen. Solche Potenziale gehen jedoch immer mit vielen Hoffnungen einher, die sich in der Praxis kaum erfüllen lassen. Die Versprechung des Veteranen Garry Jacobson, die Besucherinnen und Besucher seiner Seite würden die „chilling reality“ erleben „that will give you the taste of ‚the Nam‘ on your tongue, leave the pungent smell of ‚the Nam‘ in your nostrils“ und könnten sich fühlen „as though you were walking beside me in combat“ ist eine Wunschvorstellung, in der sich das Bedürfnis der Veteraninnen und Veteranen ausdrückt, ihren Inhalten einen neuen
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Grad der Nachvollziehbarkeit verleihen zu können.28 Solche Vorstellungen wirken intensiv auf die Handlungen der Autorinnen und Autoren zurück. Sie versprechen sich vom Netz, jene Probleme überwinden zu können, die sie in der Vergangenheit immer belasteten, wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen wollten. In manchen Bereichen sind diese Hoffnungen berechtigt. Um sich weiterhin als Gemeinschaft denken zu können, ist es wichtig, dass zentrale verbindende Elemente wie Slang oder Symbole immer wieder neu angesprochen und damit im eigenen Selbstverständnis verankert werden. Auf den Internetseiten lassen sich diese Prozesse nicht nur durchführen, sondern auf die Besucherinnen und Besucher der Seiten ausweiten, um auf diese Weise manche Erzählschwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Hier sabotieren sich die Autorinnen und Autoren jedoch oft selbst, da ihre Außenbeziehungen immer durch starke Vorbehalte geprägt sind. Deshalb werden auf den Seiten zwar Informationen zur Verfügung gestellt, die für das Verständnis der Kriegserfahrung verwendet werden könnten. An einem kontinuierlichen Austausch mit Laien sind die Autorinnen und Autoren jedoch nicht interessiert. Der Hoffnung, dass das Internet durch seine inhärenten Möglichkeiten fast automatisch vermittelnde und kommunikationsfördernde Auswirkungen haben muss, erteilen die Kriegsbeteiligten eine Absage. Das Meta-Medium erweist sich als idealer Austragungs-‚Ort‘ für Eingrenzungen, Abgrenzungen und Ausgrenzungen, in dem Kommunikation ermöglicht, kontrolliert und bei Bedarf erschwert werden kann. Die medienspezifischen Auswirkungen auf ihre Darstellungen, ihre Beziehungen untereinander und die zukünftige Entwicklung ihrer Inhalte reflektieren die Autorinnen und Autoren kaum. Sie sehen das Internet als Ansammlung von Werkzeugen und Medien an und stellen nie die Frage, wie seine Eigenschaften auf ihre Darstellungen zurückwirken könnten. Dabei müssten Autorinnen und Autoren eigentlich nachvollziehen können, wie sehr sich ihre Inhalte auf dem Weg aus anderen medialen Formen im Quellenkorpus transformieren und neue Aspekte hinzugewinnen. Das Netz fordert Kommentare durch andere geradezu heraus und scheint bei vielen Autorinnen und Autoren dafür zu sorgen, dass sie eine chaotisch-breite Struktur der übersichtlichen Linearität vorziehen. Dass dies zu einer immer komplexer werdenden Ansammlung von Informationen führt, die oft kaum mehr zu durchdringen ist, nehmen sie entweder nicht wahr oder ignorieren es. Dies überrascht umso mehr, da die Kriegsbeteiligten im Quellenkorpus immer bemüht sind, sich vor jeder ungewollten Veränderung ihrer Aussagen zu schützen. Sie sehen das Netz jedoch nie als Bereich mit eigenen Regeln und eigenen Auswirkungen an, sondern behandeln es als eine Ansammlung von 28
Gary Jacobson: Humpin’, unter: Vietnam War Picture Tour and Poetry, URL: http:// pzzzz.tripod.com/humping.html, Stand: 21.02.2013.
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Möglichkeiten, über die sie frei verfügen können. Sie sind nicht in der Lage, dem Netz einen Status als Akteur in dieser Entwicklung zuzugestehen. Für sie bleiben Menschen die einzigen Akteure, vor deren Meinungen und Handlungen sie sich fürchten müssen. Die Grenzen des Meta-Mediums Internet liegen für die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus dort, wo ihre Do-it-yourself-Mentalität auf dessen ständig komplexer werdende Grundbedingungen trifft. Manche Möglichkeiten lassen sich mit ihren Wissensbeständen nicht nutzen. Die Darstellung der Wall oder die vertiefende Rekonstruktion von Personen und Orten, wie sie auf den Seiten praktiziert wird, bleiben weit hinter dem zurück, was das Internet leisten könnte. Was sie hier am meisten behindert, ist jedoch nicht ihr Wissensstand, sondern ihr stark ausgeprägter Wunsch, alle Aspekte ihrer Seiten selbst realisieren zu können. Dass sie fast ausschließlich persönliche Webseiten für ihre Darstellungen verwenden, ist deshalb kein Zufall. Viele der Dienste, die heute im Internet genutzt werden und mehr Möglichkeiten bieten, lassen sich von ihren Nutzern nicht von Grund auf selbst entwickeln, wie dies bei einer Webseite der Fall ist. Eine solche Seite ist immer noch ihr eigener ‚Bunker‘, in dem sie sich sicher fühlen können. Für diesen Vorteil sind sie sogar bereit, die stärkste Einschränkung zu akzeptieren: ihre Aussagen auf jene Zuhörerinnen und Zuhörer zu beschränken, die willens und in der Lage sind, sich auf die Suche nach den Seiten zu machen. Andere Werkzeuge würden vielleicht die Möglichkeit bieten, die eigenen Inhalte besser im Netz zu verbreiten oder automatisiert auf Plattformen wie Facebook oder Twitter hochzuladen. Damit würden sie jedoch die Möglichkeit verlieren, ihre eigene Präsenz von Grund auf selbst zu entwickeln. Damit grenzen sie sich automatisch von einem Teil ihres möglichen Publikums ab, und zwar nicht nur von Laien, sondern auch von anderen Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen, die auf diesen Plattformen präsent sind. Dieses Zusammenspiel von Isolation, Kontrolle und Misstrauen wirft die Frage auf, ob sich die Autorinnen und Autoren als eine Erinnerungsgemeinschaft verstehen. Wer nach Anhaltspunkten für eine solche sucht, stößt aufgrund der hier beschriebenen Fakten schnell auf Schwierigkeiten. Der für ein solches Gemeinschaftskonzept wichtige Drang, sich miteinander zu verbinden, manifestiert sich auf den Seiten vor allem in Aufrufen, über die alte und neue Bekannte gefunden werden sollen. Immer wieder werden die Seiten außerdem dafür eingesetzt, um im virtuellen und nichtvirtuellen Raum Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Eine Erinnerungsgemeinschaft ist jedoch mehr als die Summe solcher Einzelhandlungen. Sie entsteht aus dem Zusammenspiel zwischen den Erinnerungen und Darstellungsanstrengungen einzelner Personen und den Einflüssen einer sozialen Gruppe, die die Regeln und Rahmenbedingungen für das Erinnern
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vorgibt. Gleichzeitig ist sie nicht mit den Gemeinschaften identisch, in denen die Mitgliederinnen und Mitglieder ihre Erfahrungen erlebt haben. Deshalb muss radikal zwischen Erfahrungsgemeinschaften der Vergangenheit und Erinnerungsgemeinschaften der Gegenwart unterschieden werden. Reinhard Koselleck hat vor den Schwierigkeiten des Umgangs mit solchen Erinnerungsgemeinschaften nicht nur gewarnt, sondern betont: „Es gibt keine kollektive Erinnerung, wohl aber kollektive Bedingungen möglicher Erinnerungen.“29 Das Internet erlaubt den Autorinnen und Autoren, das ebenfalls von Koselleck postulierte „Vetorecht der je [sic] persönlichen Erfahrungen, das sich gegen jede Vereinnahmung in ein Erinnerungskollektiv sperrt“, intensiv zu nutzen.30 Dass sie sich gegen die Vereinnahmung durch eine Erinnerungsgemeinschaft wehren können, die sie nicht selbst kontrollieren, ist für sie eine der wichtigsten Vorteile des Internets. Ihre Präsenz im Netz und den Austausch mit Gleichgesinnten verstehen sie selbst nicht als eine Erinnerungsgemeinschaft. Dafür sind ihre Ziele und Handlungen selbst dann zu individualistisch, wenn sie sich auf andere Gruppen beziehen. Wenn sie Gemeinschaften bilden, dann bestehen diese ausschließlich aus Mitgliedern, die auf ihre eigenen Erinnerungsprozesse möglichst wenig Einfluss nehmen können. Dies ist einer der Gründe dafür, wieso viele Gruppen, die auf den Seiten dargestellt werden, zu großen Teilen aus Toten und Vermissten bestehen. Ihr Umgang mit gemeinschaftlichem Erinnern besteht darin, die Erfahrungen anderer zu vereinnahmen und sich auf diese Weise ihre eigenen Erinnerungskonglomerate zu konstruieren. Die „Vereinnahmung in ein Erinnerungskollektiv“, wie Koselleck es ausdrückte, möchten sie bei anderen durchführen, bei sich selbst jedoch unter allen Umständen verhindern. Ihr Umgang mit der Vietnamerfahrung im Netz bildet zwar keine völlig neuen Formen des Erinnerns heraus, ermöglicht es ihnen jedoch, mit den Einschränkungen und Problemen in solchen Erinnerungsprozessen auf neue Art und Weise umzugehen. Der eigene ‚Bunker‘ in der virtuellen Welt bietet der Autorin oder dem Autor Schutz vor vielen Einflüssen auf den Umgang mit der eigenen Erfahrung, denen sie oder er sich in anderen medialen Kontexten nicht entziehen könnte. In diesen sehr persönlichen Bereichen fügen sie aus Bildern, Texten, Links und anderen medialen Partikeln Erinnerungen zusammen, die nicht nur selbstbestimmt entwickelt werden, sondern nach außen als allgemeingültige Wahrheiten über ‚den‘ Vietnamkrieg und ‚die‘ Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen verbreitet werden können. Dieses ‚Außen‘ ist für die Durchführung solcher narrativen Konstruktionen zwar notwendig, enthält jedoch nicht 29
Reinhart Koselleck: Gebrochene Erinnerung? Deutsche und polnische Vergangenheiten, in: Michael Assmann (Hg.): Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung – Jahrbuch 2000, Göttingen 2001, S. 19-32, hier S. 20. 30 Ebd., S. 21.
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die eigentliche Zielgruppe. Die Nachrichten, die die Autorinnen und Autoren aus ihrem ‚Bunker‘ versenden, sind Hinweise auf Auseinandersetzungen mit dem eigenen Selbstverständnis. Ein Publikum ist für solche performativen Prozesse zwar notwendig, der eigentliche Schwerpunkt liegt jedoch in der fortschreitenden Überführung von Erfahrungen in Erinnerungen und der Aushandlung ihrer Beziehung zum eigenen Selbst. Die dabei entstehenden Gruppenkonstruktionen konzentrieren sich auf die Befindlichkeiten in der Gegenwart und die eigene Stellung in einer gedachten Gesellschaft, deren virtuelle (Re-)Konstruktion unter der Kontrolle der Kriegsbeteiligten liegt. Das Ausmaß dieser Kontrolle und die Feinkörnigkeit, mit der unterschiedliche Bestandteile der eigenen Aussagen und Darstellungen verwaltet werden können, existiert in dieser Form in keinem anderen Mediensystem. Die Autorinnen und Autoren können nicht nur neue Bedingungen für den Umgang mit Erfahrungen in Anspruch nehmen, sondern diese in gewissem Umfang selbst bestimmen. Während die Unabhängigkeit von sozialen und systemischen Kontextfaktoren ersehnt wird, sind die Auswirkungen dieser Freiheiten auf den Umgang mit der persönlichen Kriegserfahrung ambivalent zu sehen. Zumindest im Falle des Vietnamkriegs und der Autorinnen und Autoren führen sie zu einer selbstbezogenen Isolation, in der nicht nur eigene Meinungen entworfen werden, sondern ebenfalls eigene Bilder der Realität, die nur von den eigenen Zielen abhängig sind. Der Nachteil dieser Selbstbezogenheit liegt darin, dass vielen Seiten Anzeichen einer fortschreitenden inhaltlichen und zwischenmenschlichen Stagnation zeigen. Wenn sich die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer in dieser virtuellen Welt mit der eigenen Vietnamerfahrung auseinandersetzen, sind sie deshalb oft selbst ihre wichtigsten Ansprechpartner, Widersacher und Verbündeten.
Selbst und Gruppe: Veteranenidentitäten im Netz „Life is a journey during which, hopefully, each of us learn and accept who we really are. My journey has been at times difficult, but many times rewarding. I know that I have come a long way since my youth. I also know that experience, and experiences, shape people. In my case I know that I struggled with my self esteem for many years, still do to some degree, but I also know that creating a false image is not the answer. Somewhere along the line I came to terms with the reality that I had to learn to like me… for me, and as me.“1
Der (selbsterklärte) Veteran Dan Bannan rechtfertigt sich in dem zitierten Abschnitt gegen das wohl schlimmste Verbrechen, das im Quellenkorpus bekannt ist: Details über die eigene Zeit in Vietnam verfälscht oder sogar erfunden zu haben. Dass es eigene Webseiten gibt, auf denen solche Anschuldigungen gesammelt werden, verdeutlicht die Bedeutung, die Fragen der Veteranenidentität zugemessen werden. Die Definition von Begriffen wie „soldier“, „veteran“ oder „citizen“ ist dabei ähnlich wichtig wie das Gedenken an die gefallenen und vermissten Kameraden. Solche Konzepte existieren aber nicht nur auf den Internetseiten. Deshalb muss noch einmal thematisiert werden, was die Identität als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran heute allgemein bedeuten kann.
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Dan Bannan: My name on your website, unter: P.O.W. Network, URL: http:// www.pownetwork.org/phonies/phonies36.htm, Stand: 20.05.2015, Offline seit: 20.05.2015.
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„Run for the Wall“: Veteranenkonzepte im Amerika von heute2 Der Umgang mit den ehemaligen Soldatinnen und Soldaten des Vietnamkriegs in den USA macht es dem Besucher der Webseiten schwer, die Erzählungen über andauernde Anfeindungen und Ausgrenzungen nachzuvollziehen. Tatsächlich hat sich die Wahrnehmung in den letzten Jahren stark gewandelt. Die offizielle Einführung des seit dem Jahr 2000 inoffiziell gefeierten „Welcome Home Vietnam Veterans Day“ im Jahr 2012 ist dafür nur eines der bedeutendsten Beispiele.3 Die vom amerikanischen Verteidigungsminister veröffentlichte Pressemitteilung betont diese Anerkennung von offizieller Seite noch dadurch, dass die wichtigsten Forderungen der Veteraninnen und Veteranen gezielt angesprochen werden: „When Vietnam veterans reached their hometowns, many were not greeted with the appreciation and respect they very much deserved. In our time we must take every opportunity to thank all veterans and their families for their service and sacrifice. More than 1,600 service members remain unaccounted for from the Vietnam War. Their families still seek answers. Today, the Department of Defense reaffirms its commitment to take all steps to account for our missing personnel and bring closure to their families. And we salute and thank our Vietnam veterans and their families.“4
Die Ablehnung durch die amerikanische Bevölkerung nach dem Krieg wird von offizieller Seite aus ebenso als Fakt festgeschrieben wie die Notwendigkeit, weiterhin nach Vermissten und Toten in Vietnam zu suchen. Während eine solche öffentliche Rede durch die Mechanismen des politischen Prozesses bestimmt wird, hat seit der Einweihung des „Vietnam Veterans Memorial“ keine Geste die neue Bewertung der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen von offizieller Seite besser zum Ausdruck gebracht.
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Run for the Wall, Inc.: Run For The Wall: We Ride for Those Who Can’t, unter: Run for the Wall Motorcycle Event, URL: http://www.rftw.org/, Stand: 05.08.2013. Vgl. Richard Burr: A Resolution Expressing Support for Designation of a „Welcome Home Vietnam Veterans Day“. (2011; 112th Congress S.Res. 55), unter: GovTrack.us, URL: http://www.govtrack.us/congress/bills/112/sres55, Stand: 23.02.2013. American Forces Press Service: Hagel Commemorates Vietnam Veterans Day, unter: U.S. Department of Defense, URL: http://www.defense.gov/News/NewsArticle. aspx?ID=119656, Stand: 26.06.2013.
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Abbildung 36: Dieses Logo des „Welcome Home Vietnam Veterans Day“ erwähnt einige der wichtigsten Schauplätze, an denen Truppen der USA im Einsatz waren.
Quelle: Autor unbekannt: Vietnam Veterans Day, unter: Vets Helping Vets, URL: http://veterans.ning.com/photo/vietnam-veterans day, Stand: 19.03.2013.
Diese größere Anerkennung ist in Teilen der politischen und strategischen Lage der USA und ihren globalen Interessen geschuldet. Durch den Dauereinsatz amerikanischer Truppen auf unterschiedlichen Schauplätzen in der Welt ist die öffentliche Anerkennung von Veteraninnen und Veteranen notwendig und vorteilhaft geworden. Für die Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts hat diese Entwicklung große Bedeutung. Der „Vietnam Veterans Day“ wird von ihnen, wie sich aus dem Logo in Abbildung 36 ablesen lässt, immer stärker mit anderen Kriegen in Beziehung gesetzt, an denen die USA teilgenommen haben. Die dabei gewählten Kriege sind Teil einer modernen ‚Konfliktidentität‘ der amerikanischen Nation, die nach den Erfahrungen des ‚guten‘ Kriegs in eine ganze Reihe umstrittener Konflikte verwickelt wurde. Den Vietnamkrieg mit dem Koreakrieg, den Golfkriegen sowie den Einsätzen in Afghanistan und Irak in eine Reihe zu stellen, schreibt die von vielen Vietnamveteraninnen und Veteranen angestrebte Akzeptanz auf eine neue Art und Weise in der Öffentlichkeit fest. Dieses Zusammenspiel zwischen der offiziellen Position der US-Regierung, der amerikanischen Öffentlichkeit und der wichtigsten Veteranenorganisationen könnte deshalb dazu führen, dass sich eine US-amerikanischer Erinnerungsgemeinschaft herausbildet, an der die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus Anteil haben. Durch die Wertschätzung, die den amerikanischen Streitkräften heute in der Öffentlichkeit zuteilwird, könnten sich die Kriegsbeteiligten des Vi-
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etnamkonflikts nach und nach als Teil dieser Gemeinschaft verstehen und redefinieren. Während unter den Veteranenorganisationen weiterhin viel Skepsis gegenüber Nichtveteranen und ihrem Einfluss auf ihre Belange herrscht, werden solche Entwicklungen von diesen durchaus positiv bewertet. Dies lässt sich unter anderem dadurch feststellen, dass die Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts durch neue Memorials und Gedenkveranstaltungen immer stärker im öffentlichen Raum präsent sind. Der verbesserten Anerkennung von Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen in den USA stehen die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus jedoch nicht automatisch positiv gegenüber. Viele Aspekte dieser Entwicklung vollziehen sich jenseits ihrer Kontrolle und werden durch Organisationen bestimmt, die für ihre Do-it-yourself-Praktiken entweder keine Bedeutung haben oder auf deren Einfluss sie keinen Wert legen. Während für sie jede Form der Wertschätzung große Bedeutung hat, möchten sie sich in keiner Weise vereinnahmen lassen. Der Entwicklung einer Erinnerungsgemeinschaft aus Kriegsbeteiligten und anderen Amerikanern, die sich mit ‚ihrem‘ Krieg beschäftigt, stehen sie außerordentlich skeptisch gegenüber. Ihre Abneigung gegen Fremdbestimmung und offiziell organisiertes Erinnern haben viele Veteraninnen und Veteranen seit Ende des Kriegs entwickelt. Jede Form der Erinnerungsgemeinschaft, in der sie nur eine Gruppe unter vielen wären, ist für sie unerträglich. Im Netz können sie dieses Problem dadurch umgehen, dass sie sich ganz auf ihre eigenen Strategien, Gruppenkonstrukte und Aussagen konzentrieren. Hier nutzen sie ihren ‚Bunker‘ nicht nur als Schutz vor äußeren Einflüssen, sondern als Möglichkeit, die Entwicklungen jenseits seiner Grenzen zu ignorieren, selbst wenn sie pragmatisch gesehen mit ihren Zielen übereinstimmen. Der von Campbell beschriebene Heros ist nach der Rückkehr davon abhängig, wie die ihm fremd gewordene Gemeinschaft seine Handlungen interpretiert und welche Stellung ihm zukünftig in der Gesellschaft eingeräumt wird. Nach seiner Reise ins Unbekannte wird er zum Protagonisten von Erzählungen, die er selbst nicht mehr beeinflussen kann. Die Veteraninnen und Veteranen setzen das Netz ein, um genau dies zu verhindern und schaffen sich ‚Freiräume‘, in denen sie solchen Einflüssen entfliehen können. Sich auf diese Weise zu isolieren bedeutet für die Autorinnen und Autoren deshalb, dass alle herbeigesehnten Veränderungen nur dann von Bedeutung sind, wenn sie aus eigener Kraft in diesen selbstbestimmten Bereichen der virtuellen Welt herbeigeführt werden. Die Freiheiten, die ihnen das Netz zur Verfügung stellt, werden dazu genutzt, Probleme zu wiederholen und als typisch für die Existenz als Vietnamveteranin und Vietnamveteran darzustellen. Würden diese Probleme durch das Eingreifen anderer Gruppen gelöst, würde dadurch nicht
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nur die selbstkonstruierte Form der Veteranenidentität geschädigt. Nur der Erfüllung der eigenen Ziele ohne Fremdeinwirkung wird eine befreiende Wirkung zugestanden. Im Internet ebenso wie im nichtvirtuellen Raum zeigt sich die Stellung der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen am deutlichsten in ihrer Beziehung zur Wall. Um das Verhältnis zwischen den Autorinnen und Autoren und der Wall wirklich verstehen zu können, muss man beachten, dass das Denkmal eine Gruppe (die Gefallenen) darstellt und von Gruppen genutzt wird, gleichzeitig aber für die Bedürfnisse von Individuen konzipiert wurde. Während in der Theorie jede Besucherin und jeder Besucher an der Wall seine oder ihre eigenen Deutungen entfalten können sollte, ist diese bereits seit ihrem Bestehen von unterschiedlichen Gruppen wie Veteranenvereinen, der US-Regierung und ihrer Behörden sowie der ursprünglichen Organisation in Beschlag genommen worden. Der Kriegsbeteiligte ist vor Ort als Vertreter seiner Gruppe ebenso präsent wie als Individuum, dringt jedoch gleichzeitig in Bereiche ein, in denen viele andere Interessengruppen ihre Meinungen vertreten möchten. Dies sind die „two memorials“, von denen Adrienne Gans in ihrem Artikel The War and Peace of the Vietnam Veterans Memorial spricht.5 Welches davon, so stellt sich die Frage, ist im Quellenkorpus das wichtigere? Die Herstellung eines virtualisierten Memorials ist grundsätzlich relativ utilitaristisch. Die Bedürfnisse danach, die Wall zu sich zu holen und nicht extra bis nach Washington reisen zu müssen, wurden bereits durch Substitute wie die „Travelling Wall“ oder die „Moving Wall“ zu befriedigen versucht. Diese durch Spenden finanzierten Konstrukte sind verkleinerte Repliken der Wall, die von Freiwilligen betreut werden und es ermöglichen, die Wall für einige Tage in die eigene Stadt zu holen.6 An diesen Repliken werden von Besucherinnen und Besuchern ganz ähnlichen Praktiken vollzogen, wie sie bereits für die Wall oder für die virtuellen Substitute beschrieben wurden. Es werden „offerings“ hinterlassen oder Abpausungen durchgeführt.
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Adrienne Gans: The War and Peace of the Vietnam Memorials, in: American Imago Nr. 4, 44 (1987), S. 315-330, hier S. 315. Vietnam Combat Veterans, Ltd.: The Moving Wall – Schedules, unter: The Moving Wall, URL: http://www.themovingwall.org/, Stand: 23.02.2013; The Vietnam Traveling Memorial Wall: Traveling Wall Schedule, unter: The Vietnam Traveling Memorial Wall, URL: http://www.travelingwall.us/, Stand: 23.02.2013. Vgl. Angela Sumner: Die Erinnerungslandschaft des Vietnam Veterans Memorial Fund: The Virtual Wall vs. The Wall?, in: Erik Meyer (Hg.): Erinnerungskultur 2.0. Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Campus-Verlag: Frankfurt am Main 2009, S. 86112, hier S. 92.
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Abbildung 37: Ein Teil der „Moving Wall“, aufgestellt im Ort Amagansett, NY.
Quelle: Vietnam Combat Veterans, Ltd.: The Moving Wall – Hayward, unter: The Moving Wall, URL: http://www.themoving wall.org/graphics/hayward.jpg, Stand: 23.02.2013.
Der Weg zur Wall erweist sich in all diesen Praktiken als ein mit vielen Bedeutungen aufgeladener Aspekt des Umgangs mit der Vergangenheit. Jedes Jahr finden gemeinschaftliche Fahrten zur Wall statt, die meist von Motorradklubs organisiert und durchgeführt werden. Aktionen wie „run for the wall“ offenbaren die Sehnsucht der Veteraninnen und Veteranen, endlich an einem Ort ankommen zu können. Der Buchautor Raymond Michalowski hat seine Erfahrung während einer dieser Fahrten festgehalten und nennt sie seine persönliche „pilgrimage“.7 Der Weg zur Wall ist etwas Besonderes und vielleicht ebenso wichtig wie das, was die Besucherin oder der Besucher vor Ort erlebt. Die Organisatorinnen und Organisatoren dieser landesweiten Aktion formulieren noch eine weitere Form der Substituierung: „we ride for those who can’t.“8 Dies bezieht sich nicht nur auf die behinderten oder anderweitig eingeschränkten Kriegsbeteiligten, sondern explizit auf die Toten und Vermissten. Für viele Veteraninnen und Veteranen sind all diese Möglichkeiten jedoch nicht durchführbar, entweder aus gesundheitlichen Gründen oder da der finanzielle und logistische Aufwand trotz vieler Freiwilliger immer noch sehr hoch ist. Im Internet lassen sich die Entfernungen (noch weit symbolischer als bei den Repliken) erheblich
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Raymond Michalowski: Run for the Wall. Remembering Vietnam on a Motorcycle Pilgrimage, Rutgers Univ Press: New Brunswick, NJ 2001. Run for the Wall, Inc.: Run For The Wall: We Ride for Those Who Can’t, unter: Run for the Wall Motorcycle Event, URL: http://www.rftw.org/, Stand: 05.08.2013.
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einfacher überbrücken. In diesem speziellen Fall gehen manche Autorinnen und Autoren bis an die Grenzen ihrer technischen Fähigkeiten. Die virtuelle Bereitstellung der Wall ist gleichzeitig Teil diverser Machtdiskurse. Die verantwortlichen Organisationen (in diesem Fall vor allem das Verteidigungsministerium), die den ‚Zugang‘ für die Gefallenen auf der Wall kontrollieren, lassen sich durch die Virtualisierung ausschalten. Seiten wie Touch the Wall fügen die Namen von Selbstmordopfern hinzu oder erweitern das Memorial um jene, die an den Spätfolgen von „Agent Orange“ gestorben sind.9 Das Verhältnis zum „Vietnam Veterans Memorial Fund“, der von Veteraninnen und Veteranen gegründeten Vereinigung, die die Wall realisieren konnte, ist nicht wirklich gespannt. Gegenüber dieser Gruppe und dem „National Park Service“, der für die Verwaltung der „National Mall“ verantwortlich ist, verhalten sich die Autorinnen und Autoren der Webseiten auf eine ganz spezifische Weise selbstbewusst. Sie verlagern ihren Machtdiskurs ins Netz und müssen sich mit diesen Einflüssen entsprechend nicht weiter beschäftigen. Als im Jahr 1986 ein Veteran und seine Tochter für die POW/MIAs demonstrierten, indem sie in einem Bambuskäfig gefangen an der Wall in den Hungerstreik traten, wurde dieser Protest sofort unterbunden.10 Solche Aktionen sind für die Seitenautorinnen und Seitenautoren uninteressant, da sie durch einfache Bildbearbeitung alles zum Ausdruck bringen können, was ihnen wichtig ist. Projekte wie das vom „Vietnam Veterans Memorial Fund“ organisierte Programm „In Memory“, das allen gedenken soll, die nicht auf die Wall aufgenommen werden konnten, sind für die Autorinnen und Autoren deshalb irrelevant bis gefährlich.11 So wie die Wall durch die Virtualisierung von einem öffentlichen Memorial zu einem privaten Erinnerungswerkzeug umgewandelt wurde, soll jeder Fortschritt im Umgang mit der Kriegserfahrung eine Leistung bleiben, die sie im Netz selbstbestimmt umsetzen. Jede andere Möglichkeit käme für die Autorinnen und Autoren einer Vereinnahmung durch andere Gruppen gleich, denen in ihrer virtuellen ‚Welt‘ kein Platz eingeräumt werden soll. All diese Punkte zeigen, dass sich das Verhältnis zu den Kameradinnen und Kameraden, die die Wall repräsentieren kann, auf zwei unterschiedlichen Ebe-
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Sharon Denitto: Touch The Wall, unter: Touch The Wall, URL: http://www. touchthewall.org/, Stand: 12.11.2010. Denittos Beziehung zum Vietnamkrieg konnte nicht abschließend geklärt werden. 10 Patrick Hagopian: The Vietnam War in American Memory: Veterans, Memorials, and the Politics of Healing, University of Massachusetts Press: Amherst, MA 2009, S. 193. 11 Angela Sumner: Die Erinnerungslandschaft des Vietnam Veterans Memorial Fund: The Virtual Wall vs. The Wall?, in: Erik Meyer (Hg.): Erinnerungskultur 2.0. Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Campus-Verlag: Frankfurt am Main 2009, S. 86-112, hier S. 93.
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nen abspielt. Auf der individuellen Ebene erlaubt die Wall das persönliche Gedenken an Kameradinnen und Kameraden auszugestalten. In virtueller Form bietet sie der Nutzerin oder dem Nutzer eine fast unüberschaubare Menge an Möglichkeiten und Werkzeugen. Auf der kollektiven Ebene dagegen erlaubt es die Wall, die Kameradschaftsideale, die viele Kriegsbeteiligte vor allem im militärischen Kontext entwickelten, in die Gegenwart zu überführen und zu stärken. Die nachdrücklich kommunizierte Idee aller Veteraninnen und Veteranen als Gemeinschaft ist kein Überbleibsel des Kriegs. Sie ist eine nachträgliche Konstruktion, bei der die Wall ebenso eine große Rolle spielen kann wie ihr virtueller Gegenpart im Netz. Die starken Bande, von denen Kriegsbeteiligte oft berichten, waren auf kleine Personenkreise beschränkt. Jetzt verschmelzen die ehemaligen Freundinnen und Freunde mit der Gesamtgruppe der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen und werten diese Identitätskonstruktionen auf. Der britische Historiker Patrick Hagopian hat in seinem Buch The Vietnam War in American Memory gezeigt, dass fast alle Vietnam-Gedenkstätten in Amerika die Gefallenen ehren, um gleichzeitig den Lebenden die Selbstthematisierung zu ermöglichen.12 Diese Schlussfolgerung lässt sich auf die Webseiten übertragen, nur dass im Internet diese Selbstthematisierung weit einfacher, flexibler und individueller vonstattengehen kann. Jede Autorin und jeder Autor hat seine eigene Wall, die er nach eigenen Vorstellungen (um-)gestaltet. Sie oder er gedenkt dort ausgewählten Kameraden und gleichzeitig sich selbst. Die virtualisierte Wall bietet eine Möglichkeit, um zu verstehen, wie die Autorinnen und Autoren sich zu ihren gefallenen oder vermissten Kameradinnen und Kameraden in Beziehung setzen. Die Namenslisten, Bilder, Karten, Erzählungen, Gedichte und andere Formen der Darstellung zeigen, wie persönlich und ernst sie ihre Pflicht diesen Personen gegenüber nehmen. Die Eigenschaften des Internets werden genutzt, um eine Collage über Vermisste, Lebende und Tote zu erstellen, die so in keinem nichtvirtuellen Medium umzusetzen wäre. Autorinnen und Autoren wie Bill Tomsick wollen nicht hinnehmen, dass ihre Freunde wie sie selbst dem Vergessen anheimfallen. Sein Kamerad „Bill Papa“ nimmt auf seiner Seite auf unterschiedlichen Zeitebenen und in unterschiedlichen Formen Gestalt an.13 Sein Todesdatum, wie es auf der Wall festgehalten ist, ist der Ausgangspunkt dafür und wird sofort um zusätzliche Informationen erweitert:
12 Patrick Hagopian: The Vietnam War in American Memory: Veterans, Memorials, and the Politics of Healing, University of Massachusetts Press: Amherst, MA 2009, S. 5. 13 Bill Tomsick: Bill Papa Terry Kilbane Greg Fischer Died in Vietnam, unter: Bill Tomsicks Page, URL: http://www.angelfire.com/art2/art622/pap.html, Stand: 08. 04.2010.
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„CASUALTY DATA Start Tour: Friday, AUG/11/1967 Cas Date: Sunday, May/05/1968 Age at Loss: 22 Remains: Body Recovered Location: Thua Thien, South Vietnam Type: Non-hostile, Died Of Other Causes Reason: Air Loss, Crash – Land – Helicopter – Noncrew ON THE WALL @ Panel 55E Line 026.“14
Während der Nummerncode in der letzten Zeile den Besucherinnen und Besuchern an der Wall nur den Weg zum Namen weisen kann, entreißen die Seiten die Gefallenen der Anonymität. „Bill Papa“ ist plötzlich nicht nur ein Name, sondern ein Vorfall: Helikopterabsturz ohne Feindeinwirkung, Körper geborgen, Alter zum Zeitpunkt des Todes: 22. Diese Informationen hat Tomsick vielleicht schon vor Längerem von offizieller Seite aus in Erfahrung bringen können. Die Wall dient nun als Ausgangspunkt, um das Vorhandene zu versammeln und um die eigenen Erfahrungen und Quellen zu erweitern. Das Netz bietet den Autorinnen und Autoren jedoch noch mehr. Sie können Einzelpersonen nicht nur darstellen und erinnern, sondern diese zu ihrer virtuellen ‚Kameradengemeinschaft‘ zusammenstellen. Personen, die die Autorin oder der Autor nie gekannt haben, werden mit eigenen Freunden zusammen zu immer neuen virtuellen Kameradschaften zusammengefügt, die ein neues Gemeinschaftsgefühl erlauben. Die ‚Adoption‘ eines gefallenen oder vermissten Kriegsbeteiligten ist eine weitverbreitete Praktik, die in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielt. Im Netz gibt es keine Einschränkungen dafür, wer in diese Gemeinschaften aufgenommen wird und wie groß diese sein können. Solche virtuellen Veteranengruppen sind für das Verständnis der Autorinnen und Autoren extrem wichtig. Sie zeigen, dass die Identität als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran davon abhängt, inwieweit eine Gemeinschaft existiert, auf die sie sich beziehen können. Notfalls wird diese virtuell konstruiert. Aspekte wie die Anerkennung durch Behörden, physische Orte, die Rücksichtnahme auf unterschiedliche Gruppen oder die Furcht vor Protestveranstaltungen spielen dabei keine Rolle. Die Konfiguration der präsentierten Personen liegt ganz allein in der Verantwortung der jeweiligen Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer. Die Gruppe an Kameradinnen und Kameraden ist damit vielleicht das erste Mal ganz allein an den Wertvorstellungen der Vietnamveteraninnen
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und Vietnamveteranen orientiert und die Auswahl wird von zwei Aspekten bestimmt. Auf der einen Seite ist die persönliche Beziehung zur dargestellten Person von entscheidender Bedeutung. Die eigene Vietnamerfahrung bildet einen Zeitstrahl, um den sich verschiedene Personen versammeln lassen, deren Auswahl radikal eingeschränkt ist. Nur Personen, in denen sich die eigene Identität ‚widerspiegeln‘ kann, werden zur Gruppe der Kameradinnen und Kameraden hinzugezählt. Auf der anderen Seite sind Personen wichtig, über die sich bestimmte Botschaften ausdrücken lassen. Der Aufruf, die Kriegsbeteiligten nicht zu vergessen, manifestiert sich meist im Sprechen über die angeblichen Kriegsgefangenen. Die Vermisstenproblematik dagegen beinhaltet zusätzlich den Vorwurf, dass sich die amerikanische Regierung bis heute nicht genug für die Belange der Veteraninnen und Veteranen einsetzt. Die Soldatinnen und Soldaten, die sich nach dem Krieg das Leben nahmen, stehen für die emotionale Kälte und Hilflosigkeit, die die Autorinnen und Autoren oft am eigenen Leib erfahren mussten. Dies heißt jedoch nicht, dass die Personengruppen nur aus utilitaristischen Gründen vorgeschoben werden. Die Ziele der Autorinnen und Autoren und ihre Befindlichkeiten stehen immer in einer Wechselwirkung. Wenn sie ihre Kameradinnen und Kameraden auf den Seiten ‚versammeln‘, dann drücken sie dadurch mehr als politische Standpunkte aus. Diese Zusammenstellungen führen direkt zu dem Thema, das ihnen am meisten am Herzen liegt: den archetypischen Grundeigenschaften der Veteranenidentität.
Identitätskonzepte: citizen – soldier – veteran „What is a Veteran?“ Die Frage nach den Bedeutungsebenen der Identität als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran ist aus unterschiedlichen Richtungen immer wieder gestellt worden.15 Die Seitenautorinnen und Seitenautoren sprechen die Frage aber nur selten so direkt aus, da es sich um verschiedener Prozesse handelt, durch die zusammen die Konzepte des Selbst entwickelt werden. Die Aspekte Privatperson, Soldatin und Soldat sowie Veteranin und Veteran sind Teil der Identität, die die Autorin oder der Autor nach außen zeigen möchte. In ihnen vermischen sich die Erlebnisse der Vergangenheit mit den Lebenszielen der Gegenwart und den Absichten für die Zukunft. Der Umgang mit diesen Teilen einer konstruierten Gesamtpersönlichkeit hat immer wieder Rückschlüsse auf die Ziele und Motive der Autorinnen und Autoren erlaubt. Interessant waren
15 Denis Edward O’Brien: What Is A Veteran?, unter: Deta 114, URL: http://www. deta114.org/documents/what_is_vet.htm#ror, Stand: 07.04.2011.
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und sind dabei die Gewichtung dieser Aspekte sowie die Mittel, mit denen die Kriegsbeteiligten diese auf ihren Webseiten darstellen und zusammenführen. Der Umgang der Autorinnen und Autoren mit ihrer privaten Identität wirft die Frage auf, was von ihnen als ‚Normalität‘ begriffen und dargestellt wird. Folgt man dem klassischen Traumakonzept, stellen kritische Lebensereignisse das Außergewöhnliche dar, das ins Privatleben eingepasst werden muss und auf dieses (meist negativ) zurückwirkt. Diese Methode, um sich persönlichen Problemen zu stellen, impliziert, dass das Private der Standard ist, an den alle anderen Erfahrungen angepasst werden sollen. Auf den Seiten des Quellenkorpus lässt sich dieses Verhältnis in dieser Form nicht auffinden. Nur wenige der Autorinnen und Autoren nutzen ihre Seiten überhaupt, um sich mit beiden Identitäten in einem ähnlichen Umfang auseinanderzusetzen. Der Veteran Scott Bushnell ist ein solches Beispiel. Seine Seite stellt Abschnitte wie „My Resume“, „Bushnell Family Genealogy“, „Family, Hobbies and Main Interests“ mit einem Bereich auf eine Stufe, den der Autor nur mit „Vietnam“ betitelt hat.16 Die Inhalte unterscheiden sich nur wenig von denen anderer Veteranenseiten, sind mit 76 Bildern, ungefähr 1200 Wörtern sowie einigen Grafiken der Wall aber nicht besonders umfangreich.17 Vietnam ist eine Station seines Lebens, die sich mit relativ wenig Aufwand mit den anderen in Beziehung setzen lässt. Die meisten Seiten sind jedoch eher mit der Herangehensweise von Bill Tomsick vergleichbar. Der Autor hat seine eigene Vietnamerfahrung auf 58 Bildschirmseiten zusammengefasst (bei einer Auflösung von 1280x1024) und mit einer chaotischen Anordnung von Bildern, Erzählungen und Kurzbiografien von Kameradinnen und Kameraden erweitert. Der Privatmann Tomsick ist nur in einem einzigen Bild präsent. Die Bildunterschrift umfasst alles Nicht-Soldatische, das er die Besucherinnen und Besucher über sich wissen lassen möchte: „Me - Bill Tomsick now lives on Cape Coral, FL here he is in 2005 ~ with his 1966 Corvair and Gilligan his Blue and Gold Macaw.“18 Die Hauptüberschrift seiner Seite über dem Bild zeigt jedoch seinen eigentlichen Fokus: „To Our Veterans and Those Who Died For ALL OF US. Thank You so so Much. You should be hearing the haunting song ‚Mansions Of The Lord‘ while reading this page“.19
16 Scott Bushnell: VietNam, unter: Scott Bushnell’s Home Page, URL: http://www. scottbushnell.com/, Stand: 05.11.2010. 17 Ebd. 18 Bill Tomsick: Bill Papa Terry Kilbane Greg Fischer Died in Vietnam, unter: Bill Tomsicks Page, URL: http://www.angelfire.com/art2/art622/pap.html, Stand: 08.04.2010. 19 Ebd.
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Abbildung 38: Der Veteran Bill Tomsick präsentiert sich auf seiner Seite nur mit einem einzigen unscharfen Bild als Privatperson: vor seinem Auto und mit seinem Gelbbrustara auf dem Arm.
Quelle: Bill Tomsick: Bill Papa Terry Kilbane Greg Fischer Died in Vietnam, unter: Bill Tomsicks Page, URL: http://www.angelfire.com/art2/art622/pap.html, Stand: 08.04.2010
Die Autorinnen und Autoren, die den Weg ins Internet wählen, sind an einer gleichberechtigten Gegenüberstellung dieser Lebensaspekte nicht interessiert. Dies stützt die These, dass die Konstruktion eines überarbeiteten Veteranenkonzepts im Zentrum ihrer Anstrengungen steht. Der Veteran Bob Bihari eröffnet seine Seite mit den Worten „I’m a proud Vietnam Vet and Harley lover.“20 Im Bereich „Home“ ist er mit seinen Motorrädern und seiner Ehefrau abgebildet. Der Schwerpunkt seiner Seite zeigt sich aber in einem Abschnitt, der einfach mit „Me“ betitelt ist und in dem er sich als Veteran des Vietnamkriegs vorstellt.21 Dies ist seine eigentliche Identität und hier erzählt er von seiner „tour of duty“, stellt seine Version der Wall dar und beendet seine Seite mit einem Bild mit starker militärischer Ausdruckskraft: ein Paar abgetragener Kampfstiefel, ein Buschhut und eine Erkennungsmarke. Der Computerfachmann Bihari macht durch ein Zitat mit Nachdruck deutlich, wer und was er ist: „I’M A VETERAN I stood up, i showed up, i stepped forward, I raised my right hand, I stood in the gap, I walked in the fire, I did not run, I did not hide, I did not dodge, I did not evade. Consequently... I have nothing to prove, No one to convince. Those who matter already know. Those who don’t never will. ~Author unknown.“22
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Bob Bihari: Livin’ Large in the Florida Sun, unter: Bob Bihari’s HomePage, URL: http://home.roadrunner.com/~rbihari/, Stand: 08.04.2011. Bob Bihari: About Me, unter: Bob Bihari’s Home Page, URL: http://home.roadrunner. com/~rbihari/aboutme.html, Stand: 08.04.2011. Ebd.
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Bihari behandelt seine Veteranenidentität nicht als Fremdkörper, sondern definiert sie auf seiner Webseite als zentralen Aspekt seiner Persönlichkeit. Er hat seine Pflicht erfüllt und stolz die Gefahren der Kampfzone ertragen. Sein Selbstverständnis speist sich daraus, dass er tapfer und opferbereit war und sich weder versteckt noch seiner Pflicht entzogen hat. Die private Identität erscheint nur als kurze Erinnerung daran, dass hinter dem Veteranendasein ein anderes Leben existiert. Auch wenn sich während des Vietnamkriegs Frauen ebenso wie Männer das Anrecht auf ein soldatisches Selbstverständnis erworben haben: Auf den Webseiten sind die Vertreter einer starken militärischen Soldatenidentität ausschließlich männlich. Obwohl Frauen Teil der Streitkräfte sein konnten, werden sie weder als Soldatinnen verstanden, noch fordern sie diesen Status für sich ein. Dies zeigt bereits, dass das Wort ‚soldatisch‘ immer Angehöriger der Kampftruppen bezeichnen soll. Dies ist bemerkenswert, da im Technowar in Vietnam die Kampftruppen nur einen sehr geringen Teil der vor Ort präsenten Angehörigen der Streitkräfte dargestellt haben.23 Auf den Seiten ist der amerikanische Soldat eine Leitfigur, die viele Anforderungen und Eigenschaften in sich trägt und gleichzeitig eine intensive moralische Orientierungshilfe darstellt. Der große Reiz der US-amerikanischen Soldatengemeinschaft für viele männliche Seitenautoren ist, dass diese mit stark positiven Bedeutungen besetzt ist. Deshalb werden die Eigenschaften des Soldatenarchetyps verallgemeinert und auf die Kriegsbeteiligten übertragen: „A military veteran is Any person who served for Any length of time in Any military service. What is a War Veteran? A war veteran is any GI (Government Issue) ordered to foreign soil or waters to participate in direct or support activity against an enemy. The operant condition: Any GI sent in harmʼs way.“24
Keith Bodine wechselt auf seiner Seite ständig zwischen den Identitäten des Soldaten und des Vietnamveteranen hin und her. Für ihn bedeutet beides, zur großen Gemeinschaft aller Militärveteranen zu gehören. Weil er und andere „in harm’s way“ geschickt wurden, also an einen Ort, an dem eine Bedrohungssituation möglich gewesen wäre, haben sie ein Anrecht auf die Identifikation als
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James William Gibson: The Perfect War. Technowar in Vietnam, Atlantic Monthly Press: New York, NY 2000. Bob Bihari: About Me, unter: Bob Bihari’s Home Page, URL: http://home.roadrunner. com/~rbihari/aboutme.html, Stand: 08.04.2011.
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Soldatinnen und Soldaten. Solange sie sich nicht direkt auf die ‚adelnde‘ soldatische Identität berufen möchten, können auch Veteraninnen ein Teil dieses ‚Zirkels der Wissenden‘ sein, dessen Mitglieder sich äußerlich nicht von anderen Amerikanerinnen und Amerikanern unterscheiden: „You can’t tell a vet just by looking“.25 Der Militärseelsorger Edward OʼBrien möchte in diesem Ausspruch ausdrücken, dass die Veränderung, die diese Gemeinschaft schafft, für Außenstehende nicht sichtbar ist. Wieder ist es das Expertenwissen einer abgeschlossenen Gemeinschaft, das für diese Identifikation untereinander notwendig ist. Interessanterweise profitieren die im Quellenkorpus mehr als einmal marginalisierten Frauen davon, dass die männlichen Veteranen die Unterschiede zwischen Soldatinnen und Soldaten unterschiedlicher Kriege nivellieren möchten. Sobald nicht mehr Kriegsbeteiligte aus spezifischen Konflikten gemeint sind, sondern ein zeitenübergreifender Soldatenarchetyp entsteht, wird dessen Identität zumindest implizit geschlechtsneutral. Die so konstruierte Großgruppe bietet allen Veteraninnen und Veteranen Platz. Diese werden aufgewertet, das Optimum wird aber weiterhin durch die Soldaten der Weltkriege repräsentiert. OʼBrien stellt über eine Bild-Text-Kombination die besonderen Eigenschaften dieser Personen dar (Abbildung 39). Ein Veteran im Rollstuhl ist der Einzige, der während einer Parade die vorbeimarschierenden Soldatinnen und Soldaten ehrt: „The only person standing... is the man in a wheelchair“.26 Mehrere Themen ziehen sich durch diese Darstellung. Da ist zuerst das Leiden der Veteraninnen und Veteranen, das jedoch viel komplexer ist als die körperliche Versehrtheit. Neben dem psychischen Trauma sind es die Einsamkeit und die Isolation, die ihnen die meisten Schmerzen bereiten. Der Kriegsbeteiligte hat das getan, was niemand tun wollte: „He is an ordinary and yet an extraordinary human being – a person who offered some of his life’s most vital years in the service of his country, and who sacrificed his ambitions so others would not have to sacrifice theirs“.27 Der noble Dienst am Vaterland hat sich gegen eine dunkle Bedrohung gerichtet: „He is a Soldier and a savior and a sword against the darkness, and he is nothing more than the finest, greatest testimony on behalf of the finest, the greatest nation ever known.“28 Das Bild und OʼBriens Interpretation sind deshalb so repräsentativ, weil darin all jene Eigenschaften angesprochen werden, die die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus für sich ebenfalls in Anspruch nehmen möchten. Das Angleichen der Veteranenidentität an alle Militärveteranen Amerikas soll es ermöglichen, die 25 26 27 28
Denis Edward O’Brien: What Is A Veteran?, unter: Deta 114, URL: http://www. deta114.org/documents/what_is_vet.htm#ror, Stand: 07.04.2011. Ebd. Ebd. Ebd.
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Unausweichlichkeit des Vorgehens während des Vietnamkriegs zu einem Axiom werden zu lassen, das nicht länger reflektiert werden muss. Abbildung 39: Ein Ausschnitt aus der Seite des Priesters Edward OʼBrien. Allein der gehbehinderte Veteran bezeugt während der Parade seinen Respekt und betont damit seine Sonderstellung in der amerikanischen Gesellschaft.
Quelle: Denis Edward O’Brien: What Is A Veteran?, unter: Deta 114, URL: http://www.deta114.org/documents/what_is_vet.htm#ror, Stand: 07.04.2011.
Wenn die Autorinnen und Autoren um Anerkennung kämpfen, wird der Vietnamveteran als gleichberechtigter Teil der amerikanischen Militärgemeinschaft präsentiert, der wie diese ausschließlich positiv interpretiert werden soll. Dieser Aspekt ist immer dann bedeutend, wenn die Autorinnen und Autoren die Öffentlichkeit direkt ansprechen: „So remember, each time you see someone who has served our country, just lean over and say Thank You. That’s all most people need, and in most cases it will mean more than any medals they could have been awarded or were awarded. Two little words that mean a lot, ‚THANK YOU‘“.29
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Dieser Aufruf beinhaltet die Idee, dass alle Veteraninnen und Veteranen aller amerikanischen Kriege die gleiche Anerkennung und Liebe verdienen. Den Kontrast dazu bilden frustrierte Aufforderungen wie die von Dale Summers: „If you want to know what a Vietnam veteran is, get in your car next weekend or bum a friend with a car to drive you. Go to Washington. Go to the Wall. There may be hundreds there. Watch them. Listen to them. Go touch the Wall with them. Rejoice a bit. Cry a bit. No, cry a lot. We are Vietnam Veteran; and after 30 years, I think I am beginning to understand what that means.“30
Summers geht davon aus, dass nur der direkte Kontakt zu Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen und vor allem zur Wall dem Laien ermöglichen kann, ein gewisses Verständnis für diese zu erlangen. Für ihn sind die Webseiten vor allem der Austragungsort seiner persönlichen Suche nach der Bedeutung seiner Identität als Veteran. Trotzdem hofft er, dass diese Laien die Seiten besuchen und sich daran machen, mehr über die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen herauszufinden. Die positive Reinterpretation der Vorstellungen über Veteraninnen und Veteranen aller Zeitalter sehen die Autorinnen und Autoren mittlerweile zumindest als machbar an. Der Veteran George O’Connell kommentiert diese Hoffnung auf seiner Seite mit einer Mischung aus Sarkasmus und Humor: „I was a Vietnam Vet before it was fashionable.“31 Dadurch drückt er nicht nur einen individualistischen Trotz gegen solche möglichen Entwicklungen aus. Er betont gleichzeitig, zur ‚alten Garde‘ zu gehören, nämlich zu jenen Veteraninnen und Veteranen, die sich bereits dann zu Wort gemeldet haben, als dies noch eine problematische Entscheidung war. Die Isolierung innerhalb der Gesellschaft ist zu einem Alleinstellungsmerkmal der Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts geworden, zu einer Pose, die ihre Identitätskonstruktionen stärker bestimmen, als sie zugeben können. Die Vorstellung, dass die Vietnamveteraninnen und -veteranen tatsächlich als wichtige gesellschaftliche Gruppe rezipiert werden könnten, löst deshalb durchaus starke Abwehrreaktionen aus.
30 Dale Summers: A Tribute to Our Vietnam Vets and Our POW/MIA’s, unter: 44 Summers Web – My Tribute, URL: http://www.summerswebnet.com/mytribute/mytrib. htm, Stand: 09.02.2011. 31 George O’Connell: Welcome Aboard!, unter: Terrell County LST 1157, URL: http:// www.lst1157.com/, Stand: 07.04.2011.
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Um die negativen Konnotationen des Vietnamkriegs zu vermeiden, verknüpfen die Autorinnen und Autoren ihr Selbstverständnis mit den militärischen Traditionen ihres Landes. Dadurch wird der soldatische Archetyp nicht nur verallgemeinert, sondern zum zentralen Baustein der amerikanischen Wirklichkeit stilisiert: „It is the Soldier, who salutes the flag, serves under the flag, and whose coffin is draped by the flag, who allows the protesters to burn the flag.“32 Dieser Ausschnitt eines häufig zitierten Textes betont die besondere Stellung aller USSoldatinnen und US-Soldaten innerhalb der Gesellschaft. Durch das intensive Sendungsbewusstsein der Passagen soll der Vorwurf erhoben werden, dass die amerikanische Öffentlichkeit die Taten ihrer Soldatinnen und Soldaten nur unzureichend würdigen würde. Auf diese Weise sollen sie alle zu „Americas Unsung Heroes“ umgedeutet werden, deren Verdienste endlich anerkannt werden müssen.33 Der erste Teil der Aufwertung der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen besteht deshalb paradoxerweise darin, alle Soldatinnen und Soldaten der USA als Opfer großer Gleichgültigkeit in der Bevölkerung darzustellen. Danach werden ihre Ansprüche mit denen anderer Soldatinnen und Soldaten aus unterschiedlichen Gruppen und Zeitperioden gleichgesetzt. Auf diese Weise werden alle Kriegsbeteiligten der USA als Teil einer großen Gruppe konstruiert, deren Mitglieder dasselbe durchlitten haben und jetzt gemeinsam auf ihre Taten stolz sein können. Auf der Seite des Vietnamveteranen Edward Lee McIntosh begrüßt die Besucherinnen und Besucher das Bild einer überlebensgroßen Statue eines Seemanns: „Honoring all those who have or are now serving in the Sea Services... and reminding Americans of the high price that has been paid for their freedoms“.34 Das „Navy Memorial“ in Washington, D.C. ist ein Denkmal für die Gefallenen und Überlebenden der amerikanischen Marine aus den Weltkriegen. Die eigene Identität als Vietnamveteran wird von McIntosh in diese Tradition gestellt, während der Vietnamkrieg durch einen aggressiv in Großbuchstaben gesetzten Text relativiert wird: „NO MATTER WHAT YOU THINK OF THE WAY THE VIETNAM WAR WAS FOUGHT: YOU MUST ADMIT THAT THE INDIVIDUAL SAILOR, SOLDIER, MARINE AND AIRMAN 32 Clay Crowder: 199th Light Infantry Brigade – Redcatcher, unter: Redcatcher POW/MIA’s, URL: http://redcatcher.angelcities.com/POW/redcatcherpow_mias.htm, Stand: 07.04.2011. 33 Autor unbekannt: POWs From PA, unter: America’s Unsung Heroes, URL: http:// home.comcast.net/~bfmuldrake/powsfrompa.html, Stand: 19.01.2011, Offline seit: 05.04.2011. 34 Edward Lee McIntosh: Amphibian United We Land, unter: USS Fort Marion, URL: http://www.ussfortmarionlsd22.com/amphibianunitedweland.html, Stand: 11. 08.2010.
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FOUGHT FOR THE FREEDOM OF HIS FELLOW MAN. MANY DIED, WERE WOUNDED AND NOW CARRY THE MEMORIES OF THAT WAR. GREAT CREDIT AND RESPECT SHOULD BE GIVEN TO ANY PERSON WHO IS WILLING TO LAY DOWN HIS LIFE FOR THE FREEDOM OF OTHERS.“35
„You must admit“: Dies zuzugeben sei eine selbstverständliche Pflicht für alle Besucherinnen und Besucher. Die persönliche Meinung über den Vietnamkrieg dürfe dabei keine Rolle spielen, vor allem nicht in der Form, wie er von Nichtveteranen verstanden wird. „Great credit and respect“ ist genau das, was sie so lange vermisst haben und worauf alle Soldatinnen und Soldaten Anspruch hätten. Am Schluss wird das höchste Opfer, der Tod im Einsatz, als Quelle des Soldatenstolzes identifiziert. Diverse Axiome tauchen in diesem Diskurs immer wieder auf. Alle amerikanischen Soldatinnen und Soldaten kämpften und kämpfen für die Freiheit aller Völker, ihre Absichten waren und sind durchweg ehrenwert und es gibt keinen Grund, diese Handlungen nachträglich infrage zu stellen. Der Vietnamveteran soll wie alle amerikanischen Kriegsbeteiligten zum zeitlosen Ideal werden: „For centuries I have kept your nation safe Purchasing freedom with my men To Tyrants, I am the day of reckoning; To the suppressed, the hope of the future Where the fighting is thick, here i am... I AM THE INFANTRY!!! Author unknown.“36
Nicht-Soldatinnen und Nicht-Soldaten, so die Annahme, können diese Bedeutung nicht erfassen: „For Those Who Fought For Freedom, Freedom Has A Flavor The Protected Will Never Know.“37 Für die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen, die immer wieder von ihren Reintegrationsproblemen berichten, ist die Opferbereitschaft eine ihrer ehrenhaftesten Eigenschaften.
35 Larry Matthews: The USS Oriskany – Memories of Vietnam, unter: Larry Matthews Home Page, URL: http://ffhiker.tripod.com/index-2.html, Stand: 02.02.2011. 36 Autor unbekannt: Welcome, unter: Hail to the Wolfhounds, URL: http://www. geocities.com/wolfhoundtc/, Stand: 26.02.2008, Offline seit: 18.11.2010. 37 Dale Summers: Murphy’s Combat Infantryman’s Laws of Vietnam, unter: 44 Summers Web – My Tribute, URL: http://www.summerswebnet.com/mytribute/murphy.htm, Stand: 09.02.2011.
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Abbildung 40: Die Statue des „Navy Memorial“ in Washington, D.C. ist umgeben von einem Rondell, das Platz für Besucherinnen und Besucher bietet und Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt.
Quelle: Autor.
Dieses Abdriften ins (im Wortsinne) Sagenhafte nähert die Soldatin oder den Soldaten teilweise dem Krieger aus Campbells Monomythos an. „A Warrior must be Honored or His Soul will Find no Rest“, schreibt zum Beispiel Cook Barella auf seiner Seite.38 Die ‚Seele‘ der Soldatinnen und Soldaten sei geprägt von zeitlosen Werten. Ein Schlüsselwort ist „honor“, worunter nicht nur Ehrung und Anerkennung, sondern die intakte Ehre der Einzelperson verstanden werden müsse. Diese Ehre könne nur von anderen Amerikanerinnen und Amerikanern zu- oder abgesprochen werden und wird deshalb oft als Opfer der Ablehnung durch die Bevölkerung thematisiert. Ähnlich wichtig ist „pride“, der bereits so häufig genannte Stolz, den die oder der Einzelne selbst verspüren müsse. Dieser Stolz müsse dem Selbst der Soldatin oder des Soldaten entspringen, könne aber ebenso von außen verweigert werden. Obwohl sich die Autorinnen und Autoren auf ihren Seiten in dieser Hinsicht selbst stärken und unterstützen, bleiben Aufrufe an die Öffentlichkeit weiterhin ein wichtiges Ziel: „Wake Up America! It’s Time To Settle Accounts“.39 Vor allem die männlichen Seitenbesitzer zitieren historische Reden oder Dokumente, um ihre Gruppe in den Diskurs um Soldaten- und Nationalstolz einzubinden. Gerade die Unabhängigkeitserklärung dient dazu, die eigene Identität
38 Cook Barella: A Year in Vietnam, unter: Cook Barela’s Homepage, URL: http:// www.vietnamdiary.bizland.com/Home.chtml, Stand: 10.11.2010. 39 Ebd.
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als Soldat und Veteran des Vietnamkriegs als eine Selbstverständlichkeit zu definieren, die aus den Bürgerpflichten aller männlichen Amerikaner der Vietnamgeneration erwachsen ist. Karl Kristiansen zitiert auf seiner Seite die „American’s Creed“, die der Politiker William Tyler Page (1868-1942) konzipiert hat und die im Jahr 1918 vom amerikanischen Repräsentantenhaus als Ausdruck des amerikanischen Nationalverständnisses anerkannt wurde: „I believe in the United States of America as a Government of the people, by the people, for the people; whose just powers are derived from the consent of the governed; a democracy in a republic, a sovereign Nation of many sovereign States; a perfect Union one and inseparable; established upon those principles of freedom, equality, justice and humanity for which American patriots sacrificed their lives and fortunes. I therefore believe it is my duty to my country to love it, to support its Constitution, to obey its laws, to respect its flag, and to defend it against all enemies.“40
Die US-amerikanischen Patrioten der Vergangenheit seien, so die Aussage dieser Passagen, für Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Humanismus gefallen. Kristiansen sieht sich und seinen Militärdienst in dieser Tradition stehen. Er verbindet seine Identität als Vietnamveteran untrennbar mit der amerikanischen Idee und ‚reinigt‘ diese gleichzeitig von allen Aspekten, die mit Spezifika des Vietnamkriegs in Verbindung stehen. Solche Rückgriffe auf die männlich-soldatischen Traditionen Amerikas sind ebenfalls ein Werkzeug zur Angleichung an die große Gruppe der positiv bewerteten Truppenangehörigen der US-Geschichte. Eine ähnlich wichtige und noch weiter gefasste Strategie ist es, alle US-amerikanischen Soldatinnen und Soldaten der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als potenzielle und tatsächlich Opfer der Regierung und der Gesellschaft darzustellen. Selbst die Weltkriegsveteranen, nach deren Anerkennung sich viele Soldatinnen und Soldaten sehnen, erscheinen auf den Seiten des Quellenkorpus oft als vergessene Opfer der amerikanischen Gleichgültigkeit. Die Beteiligten aktueller Kriege scheinen immer in Gefahr zu sein, ähnlich wie die der Vietnamära behandelt zu werden. Dies führt zur paradoxen Situation, dass die Autorinnen und Autoren alle amerikanischen Soldatinnen und Soldaten als erstrebenswertes Ideal verklären, während diese gleichzeitig als auf vielen Ebenen missachtete Opfer dargestellt werden. Ein Beispiel dafür ist die Reaktion auf die im Jahr 2013 geplante Einführung der sogenannten ‚Drohnenmedaille‘ (eigentlich: „distinguished warfare medal“). Die Auszeichnung wurde als Möglichkeit entworfen, um die Taten von Soldatinnen und Soldaten zu ehren, die von jenseits des 40
William Tyler Page: The American’s Creed, unter: Karl’s Corner, URL: http://web. meganet.net/kman/nfv1.htm, Stand: 02.05.2011.
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Schlachtfelds auf die Kampfhandlungen Einfluss genommen haben. Sie besaß verglichen mit anderen Medaillen eine höhere Wertigkeit als die Verwundetenabzeichen, was sie für die „combat veterans“ völlig inakzeptabel werden ließ. Abbildung 41: Die am 13.02.2013 vom amerikanischen Verteidigungsminister vorgeschlagene „Distinguished Warfare Medal“ für Soldatinnen und Soldaten, die indirekt an Kämpfen mitwirken. Ganz rechts die ironische Darstellung der Medaille als Videospielcontroller.
Quelle: U.S. Department of Defense: Defense Secretary Leon E. Panetta Announces the Distinguished Warfare Medal, unter: The U.S. Deparment of Defense, URL: http://www.defense.gov/news/ newsarticle.aspx?id=119290, Stand: 01.03.2013; „Bucky“ Clay: Distinguished Warfare Medal?, unter: Modern Veterans of America, URL: http://themva.org/?p=1068, Stand: 01.03.2013.
Die Medaille ist nur der moderne Ausdruck einer Entwicklung, die während der immer stärker werdenden Technisierung des Kriegsgeschehens ihren Anfang nahm. Artillerieschützen oder Piloten sogenannter „spotter planes“, von denen aus die Aktionen taktischer Bomber aus der Luft koordiniert wurden, setzten sich ebenfalls in viel geringerem Maße der persönlichen Gefahr aus, als dies bei Bodentruppen der Fall war. Während des Vietnamkriegs gewann die logistische Seite des Militärs immer mehr an Bedeutung, was bereits hier zu einer Proliferation von Militärangehörigen mit Aufgaben in der Datenverarbeitung führte. Die Medaille erschien vielen Kriegsbeteiligten jedoch deshalb als Affront, da sie ihrer Meinung nach die Wertschätzung der persönlichen Opferbereitschaft der Infanteristinnen und Infanteristen durch die US-Bevölkerung zu unterminieren drohte. Dass die Medaille nicht realisiert wurde, nahmen die Protestierenden jedoch kaum mehr zur Kenntnis. Sie war ein willkommener Anlass, um über die Marginalisierung aller Soldatinnen und Soldaten zu klagen, die sich persönlicher
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Gefahren aussetzen. Danach verlor sie zumindest für die Beteiligten des Vietnamkriegs ihre Bedeutung. Sich für andere Soldatinnen und Soldaten einzusetzen, diese zu verteidigen und zu beschützen ist deshalb eine Aufgabe für die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer, die viele Vorteile bietet. Wenn die Veteranenidentitäten, um die sie sich bemühen, mit den Kriegsbeteiligten aller vergangenen Konflikte gleichgestellt werden sollen, dann ist eine Ungerechtigkeit gegen diese immer gleichzeitig eine Ungerechtigkeit gegen sie selbst. Während die Soldatenkonzepte als etwas Zeitloses behandelt werden, sind die im Netz präsentierten Konzepte der Vietnamveteranin oder des Vietnamveteranen keine endgültige Festlegung, sondern Teil von Definitionsprozessen, die seit Ende des Kriegs kontinuierlich fortgeführt wurden. Mit ihrer Überführung ins Internet sind sie in eine neue Phase getreten, die von Exklusion ebenso sehr geprägt wird wie von Inklusion. Dort ist es unter anderem möglich, sich von all jenen Kriegsbeteiligten abzugrenzen, die mit ihrer Vergangenheit bereits abgeschlossen haben und sich dennoch weiterhin an Veteranendiskursen beteiligen möchten. Der Archetyp der Vietnamveteranin oder des Vietnamveteranen im Netz ist jemand, der an seiner Vergangenheit und seinem Selbstverständnis dauerhaft arbeiten will und arbeiten muss. Sie oder er möchte getrennt von bestehenden Strukturen ihre Vergangenheit noch einmal neu bearbeiten und darstellen. Jenseits des Internets wäre dies kaum zu bewerkstelligen, da eine Fülle von Organisationen existiert, die die Vernetzung und den Austausch unter Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen fast vollständig kontrollieren. Trotz der immer wieder beschworenen Toleranz gegenüber weiblichen Kriegsbeteiligten ist der betrogene Kriegsbeteiligte immer männlich. Weibliche Veteranen werden zwar anerkannt, jedoch nicht in diese zentralen Veteranendefinitionen der Männer einbezogen. Die Frauen haben unter Gefahren ihre Aufgaben erfüllt, daraus leitet sich aber kein ‚Heldentum‘ ab, wie es die meisten Männer für sich in Anspruch nehmen. Für die von den männlichen Kriegsbeteiligten entwickelten Veteranenidentitäten sind ‚Dolchstoßlegenden‘ von Verrat und Vernachlässigung ein konstitutiver Bestandteil, da viele Motivationen und Forderungen auf solche Erlebnisse zurückgeführt werden. Sie machen dafür meist diffuse Großgruppen wie die Medien oder die politische Elite verantwortlich und übertragen viele Vorwürfe auf die USA in ihrer Gesamtheit. So entsteht das Bild einer angegriffenen und vernachlässigten Gruppe, die sich nur langsam ihrer Feinde erwehren kann. Die weiblichen Kriegsbeteiligten sehen sich zwar ebenfalls als gesellschaftlich isolierte Gruppe mit vielen Erzählschwierigkeiten, bauen ihr Selbstverständnis aber nur auf ganz spezifischen Ungerechtigkeiten der Nachkriegszeit auf. Ihr wichtigstes Anliegen ist es, sich als Gruppe Gehör zu
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verschaffen und die Existenz von Vietnamveteraninnen nicht nur in der digitalen Welt festzuschreiben. Für sie sind Verschwörungstheorien oder Auseinandersetzung über das ‚echte‘ Kriegsende nicht von Interesse. Der wichtigste Grund dafür ist, dass sie ihre Veteraninnenidentität nicht auf soldatisch-militärische Inhalte zurückführen möchten, selbst wenn sie offiziell Teil der Streitkräfte waren. Der Veteranenstatus soll ihnen zugestanden werden, unabhängig davon, welche Rolle sie in Vietnam eingenommen haben. Da die männlichen Veteranen einen ganz entscheidenden Wert auf den soldatischen Teil ihrer Identität legen, nehmen sie die Frauen nie wirklich gleichberechtigt in ihre Konzepte auf. In den meisten Diskursen auf den Internetseiten des Quellenkorpus ist der ‚neue‘ Vietnamveteran ein kämpferischer Einzelgänger, der den Gemeinschaftsgedanken schätzt, jedoch immer Angst vor Kontrollverlust hat und für den jede Form der Gruppenbildung deshalb nur unter Vorbehalt möglich ist. Die Antwort auf die Frage „what is a veteran?“ geben zu können, lässt sich als Ziel hinter vielen Handlungen auf den Seiten ableiten.41 Fragen wie „have you hugged a vet today?“ zeigen, wie die Darstellungen vom Laienpublikum interpretiert werden sollen: als wirkungsmächtiger Ausdruck vernachlässigter Verpflichtungen. Die Veteranenidentität wird als zentraler Bestandteil des eigenen Selbst präsentiert. Sie soll viel mehr sein als nur das Resultat vergangener Kriegserfahrungen: ein zeitloses Ideal, das durch andere beschädigt und entwertet wurde und nun im Netz wieder erstarken soll. Vor allem die männlichen Ex-Soldaten nehmen in diesem Zusammenhang wie selbstverständlich die Privilegien der Sieger eines Kriegs für sich in Anspruch. Da sie jede Schuld ihrer Gruppe an der Kriegsniederlage von sich weisen, sehen sie keinen Grund dafür, auf die Privilegien der siegreichen Seite bei der nachträglichen Deutung des Kriegs zu verzichten. Dass ihre Interpretationen in der öffentlichen Meinung festgeschrieben werden müssen, ist für sie selbstverständlich. Das wichtigste Ziel ist, mit den Soldatinnen und Soldaten anderer US-amerikanischer Konflikte auf eine Stufe gestellt werden zu können. Die Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts gehen grundsätzlich davon aus, dass ihre Stellung in Amerika immer schlechter als die anderer Kriegsbeteiligter war und immer noch ist. Jede bereits errungene Anerkennung ihrer Gruppe ist bedeutsam, aber unzureichend. Eine dauerhafte Verknüpfung zum Schicksal anderer Soldatinnen und Soldaten entwickeln zu können und sich mit diesen auf eine Stufe zu stellen, ist für sie eine wichtige Voraussetzung, um ihr Veteranenkonzept zu stärken.
41
Denis Edward O’Brien: What Is A Veteran?, unter: Deta 114, URL: http://www. deta114.org/documents/what_is_vet.htm#ror, Stand: 07.04.2011.
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Abbildung 42: Die Bitte, jeden Tag eine Veteranin oder einen Veteranen zu umarmen, richtet sich nicht nur an Kinder. Ganz Amerika soll die Kriegsbeteiligten endlich willkommen heißen.
Quelle: Denis Edward O’Brien: What Is A Veteran?, unter: Deta 114, URL: http://www.deta114.org/documents/what_is_vet.htm#ror, Stand: 07.04.2011.
Die unterschiedlichen Identitätsebenen dieser Konstruktionen lassen sich im Netz außerordentlich flexibel entwickeln. Während die Kriegsbeteiligten in ihrem Alltag alle Privatpersonen sind, in deren Leben sich Empfindungen und Vorstellungen von Vergangenheit und Gegenwart vermischen, gehen sie in ihren Selbstrepräsentationen für die Öffentlichkeiten des Internets andere Wege. Hier wird zuerst die Dualität zwischen der privaten Identität des Jetzt und der Selbstidentifikation als Veteranin oder Veteran geschaffen, um sich anschließend ganz auf die Konstruktion des letzteren Aspekts zu konzentrieren. Die Existenz im Alltag ist vielen sozialen Zwängen ausgesetzt, die sich im Internet nicht in dieser Form wiederfinden lassen. Deshalb kann die Autorin oder der Autor nur dort die eigene Identität als Privatperson verbergen und den Schwerpunkt ganz auf ihre Erzählungen, Erinnerungsanstrengungen und Gruppenkonstruktionen legen. Die Einbindung der konstruierten Veteranenidentitäten in Gruppenkonzepte ist dabei kein getrennter Vorgang, sondern findet immer parallel zu allen anderen identitätsbezogenen Handlungen auf den Webseiten statt.
Gruppenkonzepte Ein Zugang zu diesen Gruppenkonstruktionen ist relativ einfach möglich, wenn man ihre ‚Opfer‘ betrachtet. Dazu zählen alle Personen und Themen, die die
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Macht und Kontrolle in diesen Prozessen entweder bedrohen oder für sie unwichtig oder hinderlich sind. Selbst der Krieg ist ein solches Opfer, denn er wird ganz auf die Bedürfnisse dieser nachträglichen Konstruktionsprozesse ‚zusammengeschrumpft‘. Seine vereinfachte Darstellung ergibt dann am meisten Sinn, wenn man sich vor Augen führt, dass er nur als identitätsstiftende Ereigniskette benötigt wird. Weitere Opfer sind alle Personengruppen, die nicht aus US-amerikanischer Perspektive auf den Krieg zurückblicken. Die weiblichen Kriegsbeteiligten sind ebenfalls benachteiligt, obwohl sich manche von ihnen im Quellenkorpus zu unterschiedlichen Themen äußern und ihnen durchaus Wertschätzung entgegengebracht wird. Kein einziges Mal ließ sich auf den Seiten aber ein Beispiel dafür finden, dass ein Autor eine Frau als ebenbürtige Kameradin behandelt hätte. Man kann durchaus so weit gehen zu behaupten, dass es für die meisten Kriegsbeteiligten im Netz kaum vorstellbar wäre, anderen Personen ebenso viel Gewicht beizumessen wie jenen, die aus einer ähnlichen Position wie sie den Vietnamkrieg erlebt haben. Gruppenbildung auf den Webseiten wird als sichtbarer medialer Prozess inszeniert, indem Personen in Wort und Bild ein- oder ausgegrenzt werden. Deshalb hat das Internet für die Gruppenkonstruktionen mehrere entscheidende Vorteile. Erstens können die Kriegsbeteiligten Einzelpersonen aus ihrer Erinnerung herausgreifen und diese in fast beliebiger Form und beliebigem Umfang darstellen. Dazu gehört zweitens die Möglichkeit, Lebende, Tote und Vermisste völlig gleich darzustellen und zu behandeln. Dies spielt bei den Vermissten des Kriegs eine ganz besondere Rolle, da die seit Ende des Kriegs immer wieder aufflammende Diskussion um deren Verbleib jetzt auf eine sehr persönliche Art referenziert werden kann. Drittens ist es möglich, diese Gruppe ganz neu zu bilden und von anderen Gemeinschaften im und jenseits des Internets strikt getrennt zu halten. Die drei zentralen Gruppen, die im Netz konstruiert werden, drücken dabei die oft widerstreitenden Ziele der Autorinnen und Autoren deutlich aus. An erster Stelle stehen die Kriegsbeteiligten der Vergangenheit, die als unveränderliche Grundlage für die heutige Gemeinschaft dargestellt werden. Sie sind der ‚Gründungsmythos‘ der Autorinnen und Autoren, aus dem ihre Rechte, Kompetenzen und Wissensbestände abgeleitet werden. Diese (fast immer im Wortsinne zu verstehende) Bruderschaft ist zwar unter schwierigen Bedingungen entstanden, hat ihre Beteiligten jedoch in gewisser Hinsicht ‚geadelt‘ und von ihren Generationsgenossen abgehoben. Die zweite Gruppenform ist keine singuläre Einheit, sondern besteht aus einer großen Anzahl von Einzelkonstrukten, die auf unterschiedliche Weise von den einzelnen Autorinnen und Autoren entwickelt und dargestellt werden. Es
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gibt ‚angenommene‘ Gruppen, von denen die Veteraninnen und Veteranen überzeugt sind, dass sie im Netz und jenseits des Netzes existieren. Dazu gehören gleichgesinnte Veteraninnen und Veteranen ebenso wie all jene, die ihrer Meinung nach zu ihren Feinden gehören. Am wichtigsten sind jene Gruppen, die auf den Seiten aus den Kriegsbeteiligten der Vergangenheit zusammengefügt und dargestellt werden. Diese Gruppen sind Konglomerate aus Bekannten und Unbekannten, Lebenden, Toten und Vermissten, die je nach Belieben versammelt werden und in die sich die Veteranin oder der Veteran einbetten kann. Sie dienen als Bezugspunkt des eigenen Erzählens und sind die Grundlage für die Identitätskonstruktionen, mit denen sich die Kriegsbeteiligten im Jetzt beschäftigen. Die Einwilligung der so Versammelten ist dabei weder nötig noch wird sie oft eingeholt. Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass ‚ihre‘ Gruppe konstitutiv für die Gemeinschaft der Kriegsbeteiligten stehen kann und Protest gegen diese Darstellung nicht vorstellbar ist. Dargestellt wird sie auf unterschiedlichste Art und Weise, meist mit einer Kombination aus Bildern und Texten. Animationen oder multimediale Bestandteile sind scheinbar unnötig. Sobald diese Personen auf irgendeine Weise greifbar gemacht und vereinnahmt wurden, ist die Aufgabe des Internets erfüllt. Die dritte Gruppe existiert auf einer völlig anderen Ebene. Sie besteht aus den Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus selbst. Da ihre Kommunikation untereinander oft nur schwer nachzuweisen ist und sie großen Wert auf ihre Individualität legen, ist ihre Existenz als Kategorie teilweise dem Forschungsprozess geschuldet. Dies bedeutet nicht, dass sich die Autorinnen und Autoren im Netz nicht untereinander rezipieren oder miteinander interagieren. Da jeder von ihnen jedoch den Anspruch erhebt, eigene Definitionen formulieren und nach außen tragen zu können, ist ihr Verhältnis oft ambivalent. Man erkennt einander an, wenn gemeinsame Meinungen zutage treten, verknüpft sich und verlinkt Inhalte, die nur auf bestimmten Seiten verfügbar sind. Ebenso oft werden andere Autorinnen und Autoren jedoch ignoriert, um die eigenen Gruppenkonstruktionen ungestört durchführen zu können. An dieser Stelle zeigt sich der große Unterschied zwischen dem Anspruch auf Kommunikation mit anderen Veteraninnen und Veteranen und der Wirklichkeit am deutlichsten. Die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer laden andere in ihren ‚Bunker‘ ein und wertschätzen die Veteraninnen und Veteranen, die jenseits dieser Schutzzone existieren. Andere ‚Bunkerbesitzer‘ haben im besten Fall ähnliche Ziele und Aussagen, sind für viele Praktiken jedoch nicht von Bedeutung. Die virtuell versammelten Kriegsbeteiligten sind erheblich leichter zu handhaben als andere, ähnlich individualistisch handelnde Autorinnen und Autoren im Netz. Dies erklärt, wieso die Fotografien und Geschichten auf den Internetseiten nur sehr selten auf andere
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Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer verweisen. Die konstruierten Versammlungen von Lebenden, Toten und Vermissten sind erheblich einfach zu handhaben als diese. Diese flexible Gruppenkonstruktion aus Personen unterschiedlicher Herkunft ist eine jener genuin neuen Praktiken, die sich in dieser Form nur im Netz umsetzen lassen. Eine einzelne Person hat plötzlich die Deutungs- und Handlungsmacht, eigene Bezugsgruppen neu zu arrangieren. Im Netz lösen die Autorinnen und Autoren viele Zwänge auf, die sie im Umgang mit Veteranengruppen kennengelernt haben können. Es ist nicht notwendig, Treffen zu organisieren oder sich innerhalb bestehender Hierarchien zurechtzufinden. Das Besondere dabei ist, dass sie ihre Beziehung zu diesen Gruppen nicht aufgeben müssen. Während diese im nichtvirtuellen Raum weiterhin ihre Aufgaben erfüllen, werden im virtuellen ‚Raum‘ neue Gruppen entwickelt, die sich ständig erweitern und nach Maßgabe der Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer verändern. Das Zentrum der Existenz dieser Gruppen (und teilweise auch der einzige ‚Ort‘, an dem sie sichtbar werden) ist die Seite des jeweiligen Kriegsbeteiligten. Die wichtigste Gruppe, die auf den Seiten entsteht, ist die archetypische Gemeinschaft der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen. Die Prozesse, die dabei eingesetzt werden, sind die wirklich innovativen Konzepte im Quellenkorpus. Viele Inhalte, mit denen sich die Autorinnen und Autoren sonst beschäftigen, sind relativ konservativ. Die Innovation liegt auf der Seite der Praktiken, mit denen die eigene Gruppe dargestellt oder konterkariert wird. Diese Gruppe hat drei Eigenschaften, die sie von allen anderen unterscheidet. Erstens wird immer wieder betont, dass sie nicht wirklich um andere Mitglieder erweitert werden kann. Allein die Vietnamerfahrung entscheidet, wer zu den eigenen Kameradinnen und Kameraden gehört. Dass diese Aussage in der Praxis nicht der Wahrheit entspricht, ist bereits mehrfach festgestellt worden. Ganz im Gegenteil sind solche Festlegungen die vielleicht am häufigsten beobachtbaren Aktivitäten. Die Autorinnen und Autoren sehnen sich jedoch nach der Sicherheit eines absoluten Naturalismus bei ihrer Gruppenbildung. Sie basiert in dieser Idealvorstellung ausschließlich auf den Kriegserfahrungen in Vietnam. Die Gemeinschaftsbildung fand also in der Vergangenheit statt, wurde durch die gemeinsamen Erfahrungen noch gestärkt und schuf eine klar abgrenzbare Gemeinschaft von Kameradinnen und Kameraden, die einander auf Augenhöhe gegenüberstehen können. Unterteilungen innerhalb dieser Gemeinschaft seien weder vorhanden noch notwendig. Diese Kerngruppe von Veteraninnen und Veteranen wird von den Autorinnen und Autoren als statische Grundlage ihrer Bemühungen dargestellt, mit anderen in Verbindung zu treten. Ihre Exklusivität, so ihre Annahme, sei dadurch definiert, dass ihre Mitglieder sich in Vietnam für eine nur
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sehr vage definierte ‚gute Sache‘ in Gefahr begaben. Die nach dem Krieg erlittene Ungerechtigkeit habe ihren Zusammenhalt jedoch nur weiter gestärkt. Heute sei es ihre Aufgabe, sich zum eigenen Wohl und dem anderer Soldatinnen und Soldaten miteinander zu verbinden und gleichzeitig die eigenen Erlebnisse offen zu legen. Die zweite Eigenschaft dieser Gruppe ist deshalb ihre virtuelle Natur, was in diesem Fall auf beide Bedeutungen des Wortes verweisen soll: digitale Repräsentation im Netz ebenso wie in der Vorstellung entworfene gedankliche Konzepte. Gruppenbildung ist die Versammlung von Lebenden, Toten und Vermissten, die als virtuelle Persönlichkeiten zu einem größeren Ganzen zusammengefügt werden. Während die erste Eigenschaft der eigenen Gruppe das Recht zur Äußerung festlegt, ist die zweite Eigenschaft der Ausgangspunkt für alle Diskurse, die Zusammenhalt und Gemeinschaft fordern. Wenn Aufrufe an die amerikanische Bevölkerung laut werden, dann auch und vor allem im Namen dieser virtuellen Personengemeinschaft. Die ersten beiden Eigenschaften wiedersprechen sich in ihrer Grundidee also oberflächlich betrachtet radikal. Während die Autorinnen und Autoren sich als Teil einer Gruppe definieren, die durch gemeinsame Erlebnisse entstanden ist und deshalb keinen Platz für neue Mitglieder bietet, praktizieren sie auf ihren Seiten eine ständige Neukonstruktion und Erweiterung dieser Gemeinschaften. Diese Konstruktionen sind deshalb möglich, weil die stabile Gemeinschaft, die angeblich bereits während des Kriegs entstanden ist, damals in dieser Form nicht existiert hat. Im Vietnamkonflikt waren die Kriegsbeteiligten in kleine Gruppen eingebunden, die den eigentlichen Nukleus für ihre Identität als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran darstellten. Diese Kleingruppen aufgrund ihrer gemeinsamen Erlebnisse zu einer großen Veteranengemeinschaft umzudeuten und mithilfe des Internets sichtbar zusammenzufügen, ist eine Praktik der Nachkriegszeit. Auf den Internetseiten verfügen die Autorinnen und Autoren über genügend Platz und ausgefeilte mediale Möglichkeiten, mit denen sich Lebende und Tote in diese neue Gemeinschaft einfügen lassen, egal ob sie die Seitenbesitzerin oder der Seitenbesitzer gekannt hat oder nicht. Während die Forderung nach einer übergreifenden Gemeinschaft der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen etwas ist, das auch jenseits des Internets seit langem formuliert wurde und wird, hält das Netz für die Konstruktion und Erweiterung ‚der‘ Veteranengemeinschaft eine Fülle von Werkzeugen bereit. Oft sind dabei die scheinbar banalen Eigenschaften der Webseiten die wichtigsten, so wie dies bei ihrer unendlichen Erweiterbarkeit der Fall ist. Anders als auf physischen Objekten wie der Wall werden die Autorinnen und Autoren in die Lage versetzt, die ständig erweiterte Veteranengemeinschaft nicht nur darzustellen und immer wieder zu überarbeiten. Sie sind ebenfalls in der Lage, jedes gewünschte Detail
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zu den einzelnen Personen hinzuzufügen. Welche Informationen dabei tatsächlich eine Rolle spielen, zeigt wiederum, dass durch diese Konstruktionen eine Gemeinschaft gebildet werden soll, die durch die militärische Identität männlicher US-amerikanischer Ex-Soldaten definiert wird. Bei diesen Praktiken werden die Autorinnen und Autoren immer wieder mit einer Gruppe konfrontiert, die eigentlich ihre besten Verbündeten sein müssten: Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzern, die die gleichen Praktiken einsetzen wie sie. Während sie ansonsten eine umfassende Solidarität aller Veteraninnen und Veteranen einfordern, stehen sie dieser Personengruppe oft relativ zurückhaltend gegenüber. Diese präsentieren sich ebenfalls als Individuen, die eigene Inhalte darstellen wollen und sich gleichzeitig als Vertreterinnen oder Vertreter ‚der‘ Veteranengemeinschaft verstehen. Deshalb besteht immer die Gefahr, miteinander in Konflikt zu geraten. Obwohl es viele Verknüpfungen und Links zwischen den Seiten gibt, geht die Konstruktion der Veteranengemeinschaft durch die Verbindung dieser Webseiten nur sehr langsam vonstatten. Während die einzelnen Seitenautorinnen und Seitenautoren fleißig daran arbeiten, Lebende, Tote und Vermisste zu einer virtuellen Gemeinschaft des Vietnamkriegs zu versammeln, ist die Beziehung zu diesen Gleichgesinnten sehr formalisiert. Dies führt dazu, dass in einem eigentlich sehr aktiven Teil der virtuellen ‚Welt‘ im Netz, in dem immer neu Gruppen konstruiert werden, die Autorinnen und Autoren diesem spezifischen Aspekt der Gruppenbildung skeptisch gegenüberstehen. Solange sich der Austausch auf einzelne „awards“ oder Verweise beschränkt, kann man durchaus von einer Stagnation in der Beziehung unter diesen Kriegsbeteiligten sprechen. Die dritte Ebene der konstruierten Veteranengruppe ist die Überfrachtung ihrer Mitglieder mit Eigenschaften und Zuschreibungen. Der Anspruch daran, was ein ‚echter‘ Angehöriger der Gruppe sein muss, geht weit über die einfache Anwesenheit im Vietnamkrieg hinaus. Wer nicht mit den militärischen Kontexten des Vietnamkonflikts in Berührung kam, keine Bedrohungssituationen erlebt hat oder in Vietnam nicht in ganz spezifischen Rollen tätig war, dessen Anrecht auf einen gleichberechtigten Stand in der Gruppe ist gering. Es gilt, Stolz gegenüber dem Dienst in Vietnam zu zeigen, die Soldatinnen und Soldaten im heutigen Amerika zu schätzen, der Regierung skeptisch gegenüberzustehen, die Existenz von Kriegsgefangenen anzuklagen und vieles mehr. Auch diese Eigenschaft widerspricht also dem naturalistischen Anspruch, nur die Vietnamerfahrung sei konstitutiv für die eigene Mitgliedschaft in der Gruppe. Was hier verlangt wird, ist nicht Aktivität, sondern Stellungnahme. Die wirklich ebenbürtigen Gruppenmitglieder schließen sich den Diskursen auf den Seiten an und unterstützen diese nach Kräften.
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Letztlich bedienen sich die Autorinnen und Autoren bei dieser Selbstpositionierung meist einfacher Begriffe, hinter denen sich komplexe Zusammenhänge verbergen. Solche Schlagworte drücken die komplexe Natur dieser Konstruktion, die nach außen vermittelt werden soll, am besten aus. An erster Stelle sind sie in den Konstruktionen der Internetseiten aktiv. Sie interessieren sich für das Schicksal ihrer Kameradinnen und Kameraden und nehmen Anteil an Entwicklungen, die die Gemeinschaft betreffen könnten. Dabei sind sie die Autorität für jeden Aspekt der Vietnamerfahrung und immer direkt betroffen, wenn andere sich diese Autorität anmaßen. Ähnlich große Autorität besitzen sie, wenn es darum geht, die Position ihrer Gruppe innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zu identifizieren. Als Ergebnis dieser Bewertung wird immer dargestellt, dass Sie verkannt und durch Erlebnisse in der Nachkriegszeit geschunden und verletzt worden sind. Diese gleichermaßen psychischen und physischen Wunden sind eine unerträgliche Belastung und lassen sich nicht von der Veteranenidentität trennen. Während Ablehnung und Anfeindung als problematisch und negativ empfunden wurden und werden, ist die schlimmste Folge, dass sie in Amerika immer noch isoliert sind. Trotzdem sind sie stolz, wenn auch die Quelle dieses Stolzes jenseits der Veteranenidentität oft schwer zu identifizieren ist. Die Selbstdarstellung auf den Internetseiten ist nicht nur eine Praktik, mit der die eigene Persönlichkeit entwickelt werden kann, sondern erlaubt es, diesen negativen Einschätzungen eine aggressiv vorgetragene Außenkommunikation entgegenzustellen. Dieses Ringen um Anerkennung ist jedoch mehrdimensional, da die Öffentlichkeit, die weiterhin als feindselig und unwichtig dargestellt wird, ständiges Ziel vieler Aussagen und Aufforderungen ist. Solche scheinbar widersprüchlichen Beziehungen offenbaren sich überall dort, wo die Vietnamveteranin oder der Vietnamveteran das Gefühl hat, sich anderen Personen oder Gruppen ausliefern zu müssen. Anklage, Herausforderung, Angst und Ablehnung vermischen sich in dieser Außenkommunikation so stark miteinander, dass die auf den Seiten beobachteten Paradoxien im Umgang mit der Öffentlichkeit und anderen Gruppen entstehen. Immer wieder musste darauf hingewiesen werden, dass die Frauen unter den Kriegsbeteiligten nur eine Minderheit darstellen und sich in manchen Diskursen nicht zu Wort melden. Da sie jedoch ihren Veteranenstatus teilweise sehr intensiv einfordern, wurde darauf verzichtet, an dieser Stelle eine Trennung durchzuführen. An einer Stelle ist eine solche offensichtliche Trennung zwischen Männern und Frauen jedoch nötig. Ein Aspekt der Veteranenidentität, der für Männer eine oft herausragende Rolle spielt, ließ sich auf keiner der Veteraninnenseiten nur in Ansätzen finden. Der männliche Veteran ist vor allem eines: ein Sieger. Er hat die Ablehnung durch Amerika ebenso überlebt wie die Unwägbarkeiten des
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Kriegsgebiets. Seine Leistung in Vietnam ist nicht vom Kriegsverlauf abhängig und kann prinzipiell auf viele Aspekte des Vietnamkonflikts verzichten. Er ist allein aufgrund seines Pflichtbewusstseins eine herausragende Gestalt. Die Beziehung dieses Vietnamveteranen zu gesellschaftlichen Gruppen und zu Feinden scheint immer wieder implizieren zu wollen, dass dieser im Angesicht seiner Gegner ungebrochen ist. Diese Ungebeugtheit kann sich als offene Aussage manifestieren, zum Beispiel in der Behauptung, die USA habe den Krieg eigentlich gewonnen. Sie manifestiert sich ebenso oft unterschwellig dadurch, dass fast jede Aussage bestimmter Personenkreise sofort als Angriff auf das eigene Selbstverständnis gedeutet wird. Der Sieger allein hat ein Anrecht darauf, sich auf diese Weise zu äußern. Für alle Kriegsbeteiligten im Quellenkorpus ist ihre Identität als Vietnamveteranin oder Vietnamveteran im wahrsten Sinne des Wortes der Kern der eigenen Internetseite, um den sich Emotionen, Ziele, Praktiken, Inhalte, ästhetische Maßstäbe, technische Voraussetzungen und die Medienspezifik des Internets gruppieren. Die hier dargestellte Momentaufnahme eines Teils des Internets ist deshalb ebenfalls eine Momentaufnahme der Prozesse, die benutzt werden, um diese aufrecht zu erhalten und zu stärken. Dass diese Quellen nur die auf den Seiten sichtbaren Aspekte dieser Prozesse darstellen können, ist kein Nachteil. Die Arbeitsdefinition von Identitätskonstruktion im Quellenkorpus spricht nicht ohne Grund von einer „primär nach außen gerichteten Auseinandersetzung mit den Partikeln des Selbst innerhalb medialer Kontextrahmen“.42 Der ‚Kampf‘ um Identitäten auf den Webseiten wird von den Autorinnen und Autoren absichtlich explizit gemacht, um die eigenen Definitionen nach außen tragen zu können. Die Ergebnisse aus dem Quellenkorpus können jedoch nicht allein stehen, da sich die Kontexte, in denen sich die Autorinnen und Autoren bewegen, radikal verändern. Dies gilt besonders deshalb, da die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen in einem Amerika leben, in dem andere Kriege und andere ExSoldatinnen und Ex-Soldaten immer wichtiger werden. Die Medienlandschaft ist starken Veränderungen unterworfen, und die Angebote des Internets werden nicht nur zahlreicher, sondern kommerzieller und immer stärker miteinander verflochten. „Social“ ist dabei das zentrale Stichwort, da neuere Angebote wie Facebook, Twitter oder verschiedene Blogging-Dienste sich meist ebenso deutlich über die Möglichkeiten zur Selbstdarstellung definieren wie über jene zur Kommunikation. Um die Stellung von Veteraninnen und Veteranen in Amerika mit diesen medialen Veränderungen zu verbinden, eignet sich ein konkretes Beispiel, das eines US-amerikanischer Ex-Soldaten, der seinen Kriegsdienst erst vor kurzem beendete und sich nun im Netz darüber zu äußern beginnt, am besten. 42
Vgl. Identitätskonzepte – eine Annäherung im ersten Teil.
„Long Live the Web“: Kriegsverarbeitung 2.01 „Wrote the book ‚Tales of a War Far Away‘ in 1985-87, was discouraged when first publisher turned it down, decided to ‚publish‘ it on the Internet instead.“2
Die Antwort des Vietnamveteranen Kirk Ramsey auf die Frage, warum er seine Webseite erstellt hat, ist keine Überraschung: er wollte seine Erfahrungen endlich selbst publizieren können. Aus seinem linear angelegten Buch entwickelte er auf seiner Internetseite eine Vielzahl unterschiedlicher Momentaufnahmen aus verschiedenen Zeitperioden. Damit ist sein Beitrag zum Quellenkorpus geradezu ein Archetyp für viele Praktiken, die dort anzutreffen sind. Dazu gehört auch, dass der Unterschied zu einem Buch jenseits der Fragmentarisierung der Inhalte nicht wirklich groß ist. Mediale Praktiken, die für die Angehörigen der Vietnamgeneration etwas Besonderes wären, sind für die Kriegsbeteiligten der Gegenwart bereits eine Selbstverständlichkeit. Diese gehen mit ihrer Kriegserfahrung im Netz ganz anders um.
Andere Kriege, andere Medien: Protagonisten Wer sich heute im Netz über seine Kriegserfahrungen äußert, dem stehen eine große Zahl von Diensten und Dienstleistern zur Verfügung. Inhalte lassen sich mobil erstellen und auf unterschiedlichen Plattformen gleichzeitig publizieren. Solche Möglichkeiten existieren nicht nur parallel, sondern lassen sich im Meta-
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Tim Berners-Lee: Long Live the Web: A Call for Continued Open Standards and Neutrality, unter: Scientific American Archive, URL: http://www.scientificamerican.com/ article.cfm?id=long-live-the-web&page=6, Stand: 22.11.2010. Kirk Ramsey antwortet hier auf einen Punkt der E-Mail-Umfrage (E-Mail an den Autor vom 10.06.2011).
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Medium Internet ineinander integrieren. Die Nutzerin oder der Nutzer kann Inhalte in Foren und Chats diskutieren, im eigenen Blog publizieren und erweitern, über soziale Netzwerke an spezifische Nutzergruppen übermitteln und durch Hybride aus Nachrichten- und Netzwerkapplikationen wie Twitter Publikation und Diskurs fast ohne Zeitverschiebung zusammenführen.3 Eine eigene Webseite wird dadurch immer mehr redundant, da viele dieser Plattformen und Dienste als Ausgangspunkt und Hauptanlaufstelle verwendet werden können. Dafür muss die Nutzerin oder der Nutzer alle Informationen jedoch gleich mehreren kommerziell ausgerichteten Organisationen anvertrauen. Ein Beispiel für die Notwendigkeit, die Darstellung von Inhalten mit Kommunikationsmöglichkeiten zu verknüpfen, ist die Verwendung von Facebook.4 Das mit 1,1 Milliarden monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzern im März 2013 größte soziale Netzwerk der Welt ist heute ein wichtiges Werkzeug für Veteraninnen und Veteranen der Afghanistan- und Irakkonflikte, um sich auszutauschen und ihre Botschaften nach außen zu tragen.5 Solche Seiten beschäftigen sich meist mit spezifischen Themen. Manche verbreiten Antikriegsbotschaften, äußern sich zu politischen Ereignissen oder sind Organisationszentrum für eine bestimmte Agenda und ihre Anhänger.6 Wenn sich eine Veteranin oder ein Veteran tatsächlich als Einzelperson präsentiert, ist sie oder er fast immer darum bemüht, in möglichst vielen Diensten präsent zu sein. Der amerikanische ExSoldat, der sich selbst nur als „The Iraq Veteran“ oder „TexasGrown409“ bezeichnet, benutzt seine Facebook-Seite vor allem als erste Anlaufstelle für jene, die an seinen Inhalten interessiert sind. Er besitzt eine eigene improvisierte Homepage, die jedoch nur eine untergeordnete Rolle in seinem Medienverbund spielt. Seine wichtigsten Inhalte finden sich auf YouTube, während er mit seinen
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Twitter Inc.: Twitter Homepage, unter: Twitter.com, URL: https://twitter.com/, Stand: 24.06.2013. Facebook, Inc.: Facebook Homepage, unter: Facebook, URL: https://www.facebook. com/facebook, Stand: 25.06.2013. Facebook, Inc.: Investor Relations – Facebook Reports First Quarter 2013 Results, unter: Facebook, URL: http://investor.fb.com/releasedetail.cfm?ReleaseID=761090, Stand: 25.06.2013. Vgl. z.B. Veterans against Obama: Veterans against Obama, unter: Facebook, URL: http://www.facebook.com/Veteransagainstobama, Stand: 25.06.2013; Veterans Against the Republican Party: Veterans Against the Republican Party, unter: Facebook, URL: http://www.facebook.com/VeteransAgainstRepublicanParty, Stand: 25.06.2013; Iraq Veterans Against the War: IVAW – San Francisco Chapter, unter: Facebook, URL: http://www.facebook.com/IVAWSF, Stand: 25.06.2013; Iraq Veterans Against the War: IVAW – Madison Chapter, unter: Facebook, URL: http://www. facebook.com/IVAW.Madison, Stand: 25.06.2013.
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Besucherinnen und Besuchern gleichzeitig über Facebook und Twitter in Verbindung steht.7 Auf seiner Twitter-Seite definiert er seine Agenda: „the world is my battlefield and this is one of my weapons.“8 Als Veteran ist es für ihn unabdingbar, jede Medienform als ‚Waffe‘ einsetzen zu können, da er sich nur im Internet von anderen Autorinnen und Autoren abheben kann. Wie das Gewehr, das er in manchen Folgen in der Hand hält, sind diese ‚Waffen‘ ebenso sehr Teil seines Hintergrunds wie seiner Anstrengungen, mit dem Erlebten umzugehen. Abbildung 43: Der „Iraq Veteran“ repräsentiert seine zwei Identitäten durch die Seiten seines Körpers, die unterschiedliche Kleidung tragen und unterschiedliche ‚Werkzeuge‘ verwenden: die Kamera und das Gewehr.
Quelle: „TexasGrown409“: The Iraq Veteran on Facebook, unter: Facebook, URL: http://www.facebook.com/TheIraqVeteran, Stand: 25. 06.2013.
Der ehemalige Soldat war von 2005 bis 2008 als LKW-Fahrer in der US-Armee tätig und fünfzehn Monate lang im Irak stationiert. Nach seiner Rückkehr hatte er mit schweren PTSD-Attacken zu kämpfen, für die er von Ärzten und Veteranenorganisationen seiner Meinung nach keine effektive Hilfe erhielt. Seine wichtigste und nach eigener Aussage effektivste ‚Waffe‘ im Kampf mit seiner Erkrankung sei es, seine Erfahrungen in unterschiedlichen medialen Formen festzuhalten und nach außen zu kommunizieren. Seine Videoserie auf YouTube trägt den Namen „war stories“ und soll ihm und anderen helfen, mit ihrer Ver-
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„TexasGrown409“: The Iraq Veteran on Facebook, unter: Facebook, URL: http:// www.facebook.com/TheIraqVeteran, Stand: 25.06.2013; „TexasGrown409“: As a Soldier I Fought, unter: The Iraq Veteran, URL: http://theiraqveteran.com/, Stand: 25.06.2013; „TexasGrown409“: The Iraq Veteran on Youtube, unter: YouTube, LLC, URL: http://www.youtube.com/user/TexasGrown409, Stand: 25.06.2013. „TexasGrown409“: The Iraq Veteran on Twitter, unter: Twitter, URL: https://twitter. com/TheIraqVeteran, Stand: 25.06.2013.
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gangenheit als Veteranen besser umgehen zu können. Er nennt dies seine „alternative therapy“ und seine Botschaft an andere Betroffene ist: „don’t ever accept defeat“.9 Der junge Ex-Soldat spricht seine Besucherinnen und Besucher häufig als „citizen soldiers“ an, steht dem Krieg aber ambivalent gegenüber und äußert sein Misstrauen gegenüber der US-Regierung ganz offen. Er möchte sich selbst therapieren, indem er die eigenen Erlebnisse darstellt. Dies ist jedoch immer mit dem Wunsch verbunden, ein möglichst großes Publikum zu erreichen: „favourite the shit out of this, because I want my voice to be heard.“10 Während seine Videos den Großteil seiner Aussagen enthalten, versucht er immer wieder, andere mediale Mittel zu integrieren. Fotografien aus seiner Zeit im Irak stellt er entweder digital zur Verfügung oder zeigt sie direkt in einer der Folgen seiner „war stories“. Das Militär, den Krieg und die eigene Identität als „The Iraq Veteran“ betrachtet der Autor mit gemischten Gefühlen. Er behandelt seinen Dienst im Kriegsgebiet nicht als etwas Herausragendes, sondern als einen Teil seines Lebens, mit dem er sich auseinandersetzen möchte. Durch die Vielzahl der von ihm verwendeten Dienste und Webseiten entsteht eine ‚Medienpersönlichkeit‘, die in vielen Bereichen des Internets Aufmerksamkeit erringen kann. Er bemüht sich meist erfolgreich darum, seine Ziele mit den Mechaniken und Regeln der Seiten in Übereinstimmung zu bringen. Wenn der Autor schreibt „LIKE for the remembrance of a soldier who paid the ultimate cost“, dann verbinden sich die Wertschätzungsmechaniken von YouTube und Facebook mit den Darstellungsmethoden und -zielen des ehemaligen Armeeangehörigen.11 In diesen Praktiken zeigt sich, dass der Autor tatsächlich eine breite Öffentlichkeit ansprechen möchte. Seine Inhalte sollen einfach zugänglich, leicht zu verstehen und einfach aufzufinden sein. Kommentare durch Laien begrüßt er nicht nur, sondern fordert sie immer wieder ein. Der direkte Austausch mit anderen Personen als zentrales Handlungsziel verortet diese und ähnliche Seiten erst im Web 2.0. Gleichzeitig sind seine Ziele sehr diffus und wechseln ständig. Die Toten aller US-amerikanischen Kriege zu ehren, muss nicht durch die Darstellung umfangreicher Gefallenenlisten organisiert werden. Es reicht, den Inhalten des Autors
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„TexasGrown409“: My Clip For A PTSD Movie, unter: YouTube, LLC, URL: http:// www.youtube.com/watch?v=gOmEsNexE5s&feature=youtube_gdata_player, Stand: 25.06.2013. 10 „TexasGrown409“: War Stories: Deploying to Iraq, unter: YouTube, LLC, URL: http:// www.youtube.com/watch?v=z3tu19HCL7c&feature=youtube_gdata_player, Stand: 25.06.2013. 11 „TexasGrown409“: War Stories: RIP Sgt. Snell, unter: YouTube, LLC, URL: http:// www.youtube.com/watch?v=n97k2l9hn9s&feature=youtube_gdata_player, Stand: 25.06.2013.
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auf diesen Seiten eine positive Bewertung zu geben. Er ist der mediale ‚gatekeeper‘, über den die Besucherinnen und Besucher ihre Trauer und ihren Respekt zum Ausdruck bringen können. Mit der Intensität, in der solche Ehrungen im Quellenkorpus umgesetzt werden, lassen sich seine Anstrengungen nicht vergleichen. Er wechselt seine Themen außerordentlich schnell, wird persönlich oder verallgemeinert und setzt immer wieder neue Schwerpunkte. Die Gefallenen zu ehren ist nur ein kleiner Aspekt unter vielen, denen er sich widmet und den er in die Beurteilungsmethoden der Webseite auslagert. „TexasGrown409“ bedient sich im Vergleich zu den Veteraninnen und Veteranen des Quellenkorpus einer großen Zahl unterschiedlicher Methoden, um im Netz auf vielen Plattformen präsent zu sein. Allein seine Videos auf YouTube wurden mehr als 466.000 Mal angewählt (Stand: 25.06.2013). Der Austausch mit den Besuchern ist auf diesen Plattformen relativ einfach möglich und wird vom Autor intensiv genutzt. Die Reaktionen auf die Videos reichen von einfacher Zustimmung über Kritik am Autor, dem Militär, dem Krieg oder den USA bis zu intensiven Diskussionen über Einzelaspekte der dargestellten Inhalte. Die Vernetzung mit ehemaligen Kriegskameraden spielt für den Ex-Soldaten dagegen kaum Rolle und den Gefallenen wird gedacht, ohne sie intensiv zu instrumentalisieren. Der größte Unterschied zum Quellenkorpus ist, dass „TexasGrown409“ den Umgang mit der eigenen Kriegserfahrung nicht damit verbindet, die eigene Persönlichkeit auf eine spezifische Identitätskonstruktion zu verengen und diese positiv zu deuten. Er tritt in seinen Videos abwechselnd in Zivilkleidung und in Uniform auf und legt keinerlei Wert auf militärische Ausdrucksweise und Fachbegriffe. Auf seinen Militärdienst ist er auf eine pragmatische Art und Weise stolz, die keiner weiteren Erklärung bedarf und die ohne weiteres mit intensiver Kritik am US-Militär oder der US-Regierung verbunden werden kann. Er präsentiert sich nicht als Teil einer Gruppe, die aus einer spezifischen Kriegserfahrung entstanden ist und legt deshalb keinen Wert auf einen ausgefeilten ‚Gründungsmythos‘ für seine Identität als Ex-Soldat. Die Soldatinnen und Soldaten, mit denen er im Irak war, stellt er als Kameradinnen und Kameraden dar, die er wie er ihre Aufgabe erfüllt haben, die darüber hinaus jedoch nicht überhöht dargestellt werden müssen. Während die Einflüsse des Mediums auf seine Aussagen schwierig zu ermitteln sind, lassen sich zwischen der dezentral organisierten Struktur seiner Präsenz im Netz und seinen komplexen und oft widersprüchlichen Äußerungen durchaus Parallelen ziehen. Eine flexible, an unterschiedliche Gruppen gerichtete und mit wechselnden Bewertungen versehene Selbstdarstellung lässt sich über mehrere virtuelle Plattformen besser organisieren, als dies mit einer einfachen Webseite der Fall wäre. Selbst wenn es sich nicht nachweisen lässt, wie
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sehr die inhaltlichen Aspekte und die darstellerische Flexibilität der gewählten Medienformen sich gegenseitig beeinflussen, hat ihr Zusammenspiel für den Autor viele Vorteile. Es erweitert nicht nur die Reichweite seiner Botschaften, sondern bietet unterschiedliche Möglichkeiten, über die er mit seinem Publikum in Kontakt treten kann. Möchte man diese Logik auf den Quellenkorpus anwenden, so könnte man die These aufstellen, dass sich hier ebenfalls Zusammenhänge zwischen den geäußerten Inhalten und den medialen Strukturierungsmethoden finden lassen. Eine Webseite bietet für die Konstruktion zentraler ‚Wahrheiten‘ den idealen Ausgangspunkt und Darstellungsbereich. Die Autorin oder der Autor versammelt in diesem ‚Bunker‘ die eigenen Meinungen und Aussagen und kann den Zugang zu diesen nicht nur beschränken, sondern vor allem die Äußerungsmöglichkeiten von Besucherinnen und Besuchern einschränken oder ganz unmöglich machen. In der komplexen Zusammenstellung unterschiedlicher Dienste, wie sie „TexasGrown409“ nutzt, ist diese Form der Kontrolle nicht erwünscht. Er stellt sich den Aussagen anderer Personen und definiert das eigene Selbstverständnis unter anderem über seinen Umgang mit solchen Rückmeldungen. Viele seiner Themen reihen sich in die Erzählungen anderer Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten nahtlos ein.12 Er beschreibt die eigene Auseinandersetzung mit PTSD, seine Erfahrungen während der Grundausbildung, Vorfälle während des Wachestehens, den ersten gefallenen Kameraden oder die Konfrontation mit Sprengfallen und Hinterhalten. Sein Umgang mit der Bewertung des Kriegsgeschehens auf der persönlichen Ebene unterscheidet sich jedoch deutlich vom Quellenkorpus. Die Feinde im Irak sind für ihn ebenso oft „dirty inturgents“ wie die Kommentatoren auf seiner YouTube-Seite. Beiden tritt er mit Trotz entgegen:13
12 Männer und Frauen im Militärdienst werden in seinen Erzählungen völlig gleich behandelt. Eine Autorin, die sich im Netz auf eine ähnliche Art und Weise äußert, ließ sich jedoch nicht ausfindig machen. 13 „TexasGrown409“: War Stories: Die Dirty InturgentsURL: http://www.youtube.com/ watch?v=qrxHWEUnjWg&list=SP2280A8799D933C9A, Stand: 25.06.2013. Der Austausch mit den Zuschauern eines Videos findet statt unter „TexasGrown409“: Page 1 of Comments on Bin Laden is Dead: Bring Our Troops Home, unter: YouTube, LLC, URL: http://www.youtube.com/all_comments?v=okIZeqBLkCo&page=1, Stand: 20.08.2013.
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Abbildung 44: „TexasGrown409“ vergleicht den Autor eines Kommentars zu seinem Video mit den „Dirty Inturgents“ (eigentlich: insurgents) des Kriegsgebiets.
Quelle: „TexasGrown409“: Comments on Bin Laden is Dead: Bring Our Troops Home, unter: YouTube, LLC, URL: http:// www.youtube.com/all_comments?v=okIZeqBLkCo&page=1, Stand: 20.08.2013.
Was seine Aussagen ebenfalls vom Quellenkorpus unterscheidet, ist der Umgang mit seiner emotionalen Beziehung zum Kriegsgeschehen. Zwar klagt er über negative Auswirkungen der Kampferfahrung auf seinen weiteren Lebensweg. Das Bekämpfen und Töten der Feinde ist für ihn im Rückblick aber immer noch eine erfreuliche Angelegenheit und wenn er von Gefechten berichtet und Videos davon zeigt, versucht er nicht, seine Freude vor dem Zuschauer zu verbergen. Eine Episode, für die er Videomaterial aus unterschiedlichen Blickwinkeln finden konnte, drückt dies besonders gut aus. Er betont am Anfang, wie sehr er sich auf diese Folge seiner „war stories“ freuen würde. Während der Darstellung des Kampfes kommentiert er Explosionen immer wieder mit Sätzen wie: „oooh, some dirty inturgents are getting fucked up.“14 Um zu beschreiben, wie er und die anderen Besatzungen auf den Türmen auf den Angriff reagierten, blendet er sich selbst ein, richtet die Hände auf die Kamera, so als würde er ein Gewehr halten, und ruft: „And this is what everybody on the guard towers was doing: DIE YOU FUCKING DIRTY INTURGENTS!“15 Um diese Szene zu unterstreichen, überblendet er sie außerdem mit Gewehrfeuer. Wenn die eigenen Truppen beim Beschuss feindlicher Einheiten in den Videos jubeln, schließt sich ihnen der Autor an: „I hope you enjoyed this video as much as I did. Just watching that shit gets my
14 „TexasGrown409“: War Stories: Die Dirty InturgentsURL: http://www.youtube.com/ watch?v=qrxHWEUnjWg&list=SP2280A8799D933C9A, Stand: 25.06.2013. 15 Ebd., 2:09-2:15.
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fucking adrenaline pumpin‘“.16 Da ihm nicht daran gelegen ist, die Veteraninnen und Veteranen ‚seines‘ Kriegs wertneutral darzustellen oder sich selbst als Veteran aufzuwerten, ist die Darstellung der Freude an der Kriegshandlung für ihn selbstverständlich. Diese Begeisterung ist ihm nicht nur frisch in Erinnerung, sie widerspricht seinem Selbstverständnis als „The Iraq Veteran“ und seiner Offenheit gegenüber seinen Besucherinnen und Besuchern in keiner Weise. Diese radikale Form der Offenheit, die er durch die Aufforderung „take a journey into my open mind“ ausdrückt, ist der wichtigste Unterschied zu den Autorinnen und Autoren im Quellenkorpus. 17 Manche dieser Unterschiede lassen sich auf generationale Faktoren, die medialen Möglichkeiten und auf die kulturellen Kontexte der Zeitperioden zurückführen, in denen sich die Veteraninnen und Veteranen jeweils bewegt haben. Für die Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus kommen viele dieser Praktiken jedoch nicht nur aufgrund ihrer meist geringen technischen Kenntnisse nicht in Frage. In sozialen Netzwerken können die Besucherinnen und Besucher zumindest in der Grundkonfiguration direktes und sichtbares Feedback hinterlassen. Diese Funktionen lassen sich zwar durch den Besitzer deaktivieren, sie sind für Nutzer wie „TexasGrown409“ jedoch ein Vorteil, an dem die Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts nicht interessiert sind. Das ständige Feedback auf mehreren Plattformen ist für „TexasGrown409“ wichtig, da er sofort feststellen kann, wie seine Darstellungen auf sein Publikum gewirkt haben. Die Veteraninnen und Veteranen des Quellenkorpus dagegen sind an dieser Form der Rückmeldung nicht interessiert, da sie für ihre langsame Entwicklung von Selbstkonzepten keine Rolle spielt. Eine Entwicklung zeichnet sich jedoch bei den Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus ebenso ab wie bei Kriegsbeteiligten wie „TexasGrown409“. Ihr Umgang mit historischen Orientierungspunkten und Zusammenhängen bleibt selbst dann oberflächlich, wenn sie sich auf spezifische Ereignisse beziehen. Für Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen ist das wichtigste Vergleichs- und Orientierungsbeispiel weiterhin der Zweite Weltkrieg, dessen Veteranen sie immer noch mit einem Gefühl der Minderwertigkeit gegenüberstehen. Ein stärkeres Profil gewinnt der „gute Krieg“ in ihren Aussagen jedoch nicht. Die Kriegsbeteiligten der Gegenwart gehen noch einen Schritt weiter. Sie scheinen solche Orientierungspunkte weder zu benötigen, noch auf sie Wert zu legen. Als Angehörige einer Berufsarmee sind ihre Erzählungen so stark von historischen Kontexten befreit, dass von Geschichtsvergessenheit gesprochen werden muss. 16 Ebd., 4:57-5:02. 17 „TexasGrown409“: The Iraq Veteran on Facebook, unter: Facebook, URL: http:// www.facebook.com/TheIraqVeteran, Stand: 25.06.2013.
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Kriegshandlung und Kriegserfahrung zu thematisieren, ohne die wichtigsten geschichtlichen Zusammenhänge zumindest in Ansätzen zu rezipieren, ist bereits bedenklich. Wenn solche Aussagen jedoch in publikumswirksamen Medienkonstellationen getroffen werden, wird der Krieg zu etwas, was er nicht ist und nicht sein darf: ein singuläres Ereignis ohne historische Zusammenhänge, das weder Täter noch Opfer noch Schuldige kennt und auf die persönliche Ebene reduziert wird. Durch diese Fixierung auf den ‚eigenen‘ Krieg fällt schnell auf, wie begrenzt die immer wieder beschworene Beziehung zwischen den Autorinnen und Autoren des Quellenkorpus und den Kriegsbeteiligten aktuellerer Konflikte tatsächlich ist. Die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen im Netz haben immer wieder betont, wie wichtig ihnen die Unterstützung für diese jüngeren Kriegsbeteiligten ist. Die Soldatinnen und Soldaten, für deren Rechte man sich ausspricht, sind jedoch fast immer vage beschriebene Idealtypen ohne Profil. Dass sich die heutigen Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte neuen Problemen stellen müssen, die sich in der Erfahrungswelt der Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen nicht wiederfinden lassen, ist den Kriegsbeteiligten des Quellenkorpus entweder nicht bewusst, oder sie ignorieren es. Letztlich sind Kriegsbeteiligte wie „TexasGrown409“ wie so viele andere Personen primär das Ziel für die Projektion der Bedürfnisse der Autorinnen und Autoren im Quellenkorpus. Auf der anderen Seite scheinen Kriegsbeteiligte wie „TexasGrown409“ kein Interesse daran zu haben, mit den Veteraninnen und Veteranen anderer Kriege in Kontakt zu treten. Dabei würde auch hier wieder reichen, einige Schlüsselworte in eine Suchmaschine einzugeben. Der ehemalige US-Soldat und LKWFahrer scheint jedoch ebenso wie andere Irakkriegsveteranen im Netz keine anderen Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten als Bezugspunkte zu benötigen. Er hat keine archetypischen Vorstellungen über ‚den‘ idealen Soldaten entwickelt und zieht keine anderen Veteranengruppen als Vergleichsbeispiele heran, um für sich eine bessere Stellung in den USA einzufordern. Während er sich mit Problemen wie kriegsbedingten Leiden und Kommunikationsschwierigkeiten in der Nachkriegsgesellschaft auseinandersetzen muss, bleibt die gemeinsame ‚Front‘ mit anderen Soldatinnen und Soldaten, auf die die Autorinnen und Autoren im Quellenkorpus hoffen, deshalb eine Wunschvorstellung. Das Internet vereint nicht, sondern schafft die Voraussetzungen dafür, sich neue Öffentlichkeiten zu erschließen, ohne sich diesen wirklich öffnen zu müssen. Gerade dort, wo die Potenziale des Internets zur Überbrückung von Kommunikationsschwierigkeiten und den inhärenten Problemen der Kriegserzählung am wichtigsten wären, findet zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
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dieser unterschiedlichen Konflikte kein Austausch statt. Alle modernen Kommunikationsmittel und Vermittlungsanstrengungen ändern nichts daran, dass die Erfahrungswelten und Bedürfnisse dieser beiden Gruppen von Veteraninnen und Veteranen zu unterschiedlich sind, um eine dauerhafte Kommunikation möglich zu machen. Letztendlich sind die Kriegsbeteiligten weiterhin darauf angewiesen, sich mit jenen auszutauschen, die sie am besten verstehen: Kameradinnen und Kameraden, deren Kriegserlebnisse und Kontexte mit ihren vollständig übereinstimmen.
Fazit Die ewige Pose des Ausgegrenzten und Marginalisierten im Quellenkorpus hat sich vor allem als Ausdruck von Angst erwiesen: Angst vor dem Verlust einer Sonderrolle, einer „specialness“, die die Veteraninnen und Veteranen nicht missen möchten. Das Ausnahmeereignis Vietnam hat das Fundament für diese Sonderrolle geschaffen. Ob die direkte Erfahrung des Kriegsgeschehens oder daraus resultierende Traumata eine Voraussetzung dafür sind, ist dagegen fraglich. Diese Rückbezüge auf den Vietnamkrieg bilden die Wurzeln für die Auseinandersetzung mit Persönlichkeits- und Gruppenkonzepten im Hier und Jetzt. Diese Handlungen haben unterschiedliche Ziele, es hat sich jedoch (in der Theorie wie in den Quellen) gezeigt, dass Identität immer dann besonders intensiv ausgehandelt wird, wenn sie bedroht zu sein scheint. Die Kriegsbeteiligten im Quellenkorpus reagieren aus eigener Sicht auf Bedrohungen aus unterschiedlichsten Richtungen, von denen die Einflussnahme von Außenstehenden auf ‚ihren‘ Krieg eine der bedenklichsten ist. Im Hintergrund steht dabei immer die tiefe Furcht, vergessen zu werden, bevor die eigene Meinung publik gemacht werden konnte. Der Krieg ist bei diesen Handlungen der größte Verlierer. Er erfährt nicht nur keine Neubewertung, sondern verkommt zum Klischee. Wenn er wirklich thematisiert wird und nicht nur auf einen vagen Hintergrund für Erfahrungsdarstellungen reduziert bleibt, ist er der heroische Abwehrkampf einer gutmeinenden Nation, der selbstverschuldet verloren wurde. Selbst historisch scheinbar bewanderte Autorinnen und Autoren reduzieren ihn auf enge Bereiche um den eigenen Aufenthalt in Vietnam. Zentrale Aspekte wie die Entstehung Südvietnams, der postkoloniale Kontext des amerikanischen Eingreifens oder die Motivationen der Gegner werden selten thematisiert. In diesem Punkt werten die Autorinnen und Autoren ihre Kompetenz nicht auf, sondern reduzieren sie viel-
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mehr. Ihre Rolle als erklärte Expertinnen und Experten ‚ihres‘ Kriegs bleibt deshalb oft auf Abwehrhaltungen und Anklagen beschränkt und wird kaum in wirkliche Diskurse umgesetzt. Eine kritische Perspektive, mit der sie den ihrer Meinung nach falschen Behauptungen in Medien und Öffentlichkeit entgegentreten könnten, nehmen sie nicht ein. Aber auch die Veteranengemeinschaft verliert durch die Äußerungen auf den Webseiten: sie wird nivelliert und ihrer Heterogenität beraubt. Angehörige von Minderheiten, Verbündete, Frauen: die Zahl der Gruppen, die in einer Gemeinschaft ohne Profil aufgehen sollen, ist groß. Kameradschaft bedeutet hier, dass alle ehemaligen Kriegsbeteiligten gleich sind, gleich sein müssen. Dies führt aber nicht zu einer Gleichberechtigung, im Gegenteil. Die Gemeinschaft wird vertreten und visualisiert durch Durchschnittsveteranen, die fast ausschließlich weiß und männlich sind, Angehörige der Infanterie waren und sich über ihren Militärdienst definieren. Anderen Personen wird die Zugehörigkeit nicht verwehrt, sie sind beim Entwurf dieses Idealbildes aber nicht gleichgestellt. Wer eine Webseite besitzt ist ein „primus inter pares“ und jenem idealtypischen „soldier“ gleichgestellt, der als Vertreter amerikanischer Bürgerideale dargestellt wird. Für diese Ideal- und Archetypen sollen auf den Webseiten neue ‚Orte‘ der Erinnerung entstehen. Pierre Nora hat darauf verwiesen, dass die Entstehung von Gedächtnisorten immer etwas Kämpferisches an sich hat, wenn ihre Erstellung auf die Initiative der Erinnernden selbst zurückgeht. Im Quellenkorpus manifestiert sich dieser Kampf um Bedeutungsinhalte in der Wall, unabhängig davon, ob sie virtuell dargestellt oder physisch erlebt wird. Erinnerungsgemeinschaften sind immer darauf angewiesen, gemeinsame Bedeutungen und Symbole zu besitzen. Die Wall in ihrer virtuellen Form ist zu einem solchen gemeinsamen Symbol geworden, weil sie zwei gegensätzliche Punkte miteinander verknüpft. Auf der einen Seite verbindet sie alle Veteraninnen und Veteranen des Vietnamkriegs miteinander, auf der anderen Seite ist sie manipulierbar und für neue Bedeutungszuweisungen offen. Diese Dualität zwischen Verfestigung von Traditionen und Anpassung von Bedeutungsinhalten an eigene Wünsche zeichnet den Umgang mit allen Inhalten im Quellenkorpus aus. Wer sind die Personen, die diese Bedeutungen konstruieren? Die Autorinnen und Autoren halten sich versteckt, formulieren Offenheit als Versprechen, das nur oberflächlich eingelöst wird. Aus ihren virtuellen ‚Bunkern‘ heraus geben sie Erklärungen ab und stellen Forderungen, ohne wirklich greifbar zu werden. Die Frage danach, wer sie sind, beantworten sie mit Schweigen und Isolation. Das unvollständige Bild, das sich so ergibt, zeigt durchschnittliche Amerikaner, die alle Eigenschaften jenseits ihres Veteranenstatus marginalisieren. Damit sorgen
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sie jedoch nicht für Gleichberechtigung, sondern benachteiligen alle, deren Eigenschaften sich nicht mit dem des generischen (männlichen) Vietnamveteranen decken. Je weniger sie selbst an Profil gewinnen, desto einfacher ist es für sie, sich mit den entworfenen Archetypen auf eine Stufe zu stellen. Ihre Themen sind gegenwartsbezogen und werden von allem gereinigt, das sich nicht direkt auf sie selbst und ihre Gemeinschaftskonstruktion beziehen lässt. Der Krieg, von dem sie berichten, ist als Vietnamkrieg nur noch in Umrissen erkennbar, da viele Gruppen (Vietnamesinnen und Vietnamesen, Politikerinnen und Politiker, Frauen allgemein etc.) zu Statisten degradiert worden sind. Ihre Darstellungspraktiken sind konservativ und nutzen die Möglichkeiten des Internets nur sehr eingeschränkt. Nur eine Eigenschaft ist für die Autorinnen und Autoren wirklich wichtig: die völlige Deutungshoheit über Inhalte und Kommunikationsprozesse, die der virtuelle ‚Raum‘ ihnen ermöglicht. Begriffe wie Wahrheit oder Authentizität haben im Quellenkorpus deshalb stark individualistische Konnotationen. Sie stehen für Inhaltsreduktion, die Angleichung von Meinungen und das Ausblenden unerwünschter Inhalte. Auf den Seiten finden sich deshalb weniger heterogene Zeitzeugenberichte als vielmehr stark zugespitzte Einzelaussagen, bei denen die Frage, wie diese von Außenstehenden verstanden werden sollen, immer intensiv mitgedacht wurde. Daraus ‚die‘ Kriegserfahrung oder ‚den‘ Vietnamaufenthalt zu entwickeln, wäre deshalb extrem schwierig. An den Zusammenhängen zwischen den Konzepten Erinnerung, Erinnern und Erzählen lässt sich zeigen, wie sehr sich manche der Handlungen auf den Webseiten widersprechen. Erinnerungen als ungeordnete Partikel der Erfahrung existieren für die Autorinnen und Autoren längst nicht mehr. Sie sind in den Jahrzehnten seit Ende des Kriegs immer neu verdrängt, reflektiert oder uminterpretiert worden. Wenn sie erzählt haben, dann immer im Kontext einer Gesellschaft, in der zu ‚ihrem‘ Krieg bereits eine große Zahl von Erzählsträngen entwickelt wurden. Diesen Erzählsträngen möchten sie im Netz entfliehen, diese bilden aber weiterhin einen wichtigen Kontext, da sie der Ausgangspunkt für viele Gegenerzählungen sind. Dort wo Erinnern durch Gruppen bestimmt wird, sind sie besonders zurückhaltend. Teil einer Gemeinschaft im Netz werden die Autorinnen und Autoren nur dann, wenn die Übereinstimmung über zentrale Themen bereits etabliert ist und die Kompetenzen klar festgelegt wurden. Kollektiven Prozessen des Erinnerns stehen sie skeptisch gegenüber. Erinnern soll nicht kollektiv stattfinden, sondern von Einzelindividuen überwacht werden, die jederzeit in die Erinnerungsprozesse eingreifen können. Sich diesen Prozessen zu verschließen hat jedoch seinen Preis, da diese isolationistischen Tendenzen die Reichweite der Webseiten stark reduzieren. Aus dem ‚Bunker‘ heraus zu erzählen
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verspricht Sicherheit, bedeutet jedoch, dass der eigene Einfluss immer relativ gering bleiben muss. Was sind die langfristigen Ziele der Autorinnen und Autoren? Nicht, das hat sich gezeigt, die Überwindung ihrer Kriegserfahrung. Vietnam hinter sich zu lassen hieße, den Teil ihres Selbst aufzugeben, über den sie sich definieren und aufwerten. Sie wollen etwas Unmögliches: Kollektives Erinnern von und an Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen zu praktizieren und zu kontrollieren, ohne sich als Individuum diesen Prozessen unterwerfen zu müssen. Deshalb kommunizieren sie nur zielgerichtet, deshalb ist jeder Austausch mit starken Kontrollmechanismen verknüpft, deshalb wird fast allen anderen Gruppen das Recht abgesprochen, sich zu äußern. Auf diese Weise entsteht ein Paradox: eine kommunikativ praktizierte, selbstbezogene Isolation. Der Vergleich mit den medialen Praktiken von Kriegsbeteiligten moderner Konflikte im Netz hat dieses Urteil noch verstärkt. Die Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen benutzen auch deshalb nur eine zentrale Webseite, weil dies ihrem starken Bedürfnis nach dem Entwurf zentraler Wahrheiten und der Herausbildung zentral definierter Identitäten und Gruppen entgegenkommt. Das Besondere im Netz ist, dass die Veteraninnen und Veteranen die Zeit scheinbar zurückdrehen können. Das Internet schafft eine Situation, in der sich die Kriegsbeteiligten des Vietnamkonflikts als Gleichberechtigte gegenüberstehen und ihre Anliegen an neue Öffentlichkeiten herantragen können. Die dafür gewählte Methode ist der Generalangriff auf einem neuen Schlachtfeld, einem von den bisherigen Konflikten scheinbar unberührten ‚Ort‘. Das Netz wird nicht als Ressource betrachtet, auf deren Wissensinhalte man zurückgreift, sondern als Austragungsort für eine sehr persönliche Auseinandersetzung. Der Soldatenbrief an die Heimat, der auch während des Vietnamkriegs zu den wichtigsten Ausdrucksformen der eigenen Kriegserfahrung gehörte, wird im Internet noch einmal neu geschrieben. Wieder wird er in einem ‚Bunker‘ verfasst, der von Feinden umgeben zu sein scheint. Diesmal legt der Verfasser aber alle Details selbst fest: die Natur des Krieges, die Eigenschaften von Freund und Feind, die beschriebenen Inhalte und vor allem den Weg, den der Brief nimmt. Dass diese virtuellen Botschaften als Kompilation zusammengefasst und neu publiziert werden könnten, wie dies mit den Kriegsbriefen anderer Konflikte geschehen ist, würden die Autorinnen und Autoren aufs äußerste bekämpfen. Nicht nur der Kontakt mit Außenstehenden bleibt eingeschränkt. Die Seitenbesitzerinnen und Seitenbesitzer untereinander zeigen nichts von der Zusammengehörigkeit, die sie von anderen Kriegsbeteiligten immer wieder fordern. Sie besitzen kein gemeinsames Logo, keine Hymne und veranstalten keine regelmäßigen Treffen, weder im noch jenseits des Internets. Was sich auffinden lässt, ist
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ein loses Netzwerk aus einzelnen ‚Bunkern‘, in denen jede Veteranin und jeder Veteran getrennt von den anderen die eigenen Ansprüche betont und verteidigt. Die Aussage „Welcome to My Bunker“ ist deshalb immer auch eine Warnung: „This Is My Bunker – Watch Your Step“. Der virtuelle ‚Raum‘ ist für die meisten Autorinnen und Autoren ein Rückzugsort, der Geborgenheit verspricht. Geschützt wird er von einem regelrechten ‚Minenfeld‘ aus verbotenen oder kontroversen Themen, durch die sich nur der echte Kriegsbeteiligte wirklich sicher bewegen kann.
Danksagung
Am Ende jeder Forschung steht die Reflektion über jene, die diese unterstützt und begleitet haben. Für diese Untersuchung war dies an erster Stelle Frau Prof. Dr. Angela Schwarz von der Universität Siegen, die nie müde wurde, mit Rat, Tat und Hinweisen auf das Gelingen des Vorhabens hinzuarbeiten. Prof. Dr. Bernd Greiner vom Hamburger Institut für Sozialforschung bin ich ebenfalls zu großem Dank verpflichtet. Die Universität Siegen stellte durch das Graduiertenkolleg Locating Media und die Aktionsgemeinschaft zur Förderung wissenschaftlicher Projekte (AFP) nicht nur die materielle Unterstützung, sondern auch den kreativen Forschungsrahmen für das Projekt zur Verfügung. Die Organisatoren und Koordinatoren, allen voran Prof. Dr. Gabriele Schabacher, Prof. Dr. Erhard Schüttpelz und Prof. Dr. Jens Schröter, haben ein Forschungsumfeld geschaffen, in dem sich Wissenschaftler erfolgreich weiterentwickeln und gegenseitig bereichern können. Zusammen mit den Nachwuchswissenschaftlern der ersten Stunde Pablo Abend, Tobias Haupts, Annika Richterich, Anne Behringer, Rukiye Canli und Felix Riedel konnte ich diese Rahmenbedingungen nutzen, um mein Projekt zum Abschluss zu bringen. Den vielen weiteren Nachwuchswissenschaftlern und Mitarbeitern, die hier nicht genannt werden können, möchte ich ebenfalls meinen Dank aussprechen.
Anhang
Literatur und Quellen „Fragt man, woher ich denn die Sache so bestimmt weiß, so werde ich fürs erste, wenn mir’s nicht beliebt, keine Antwort geben. Wer will mich zwingen? […] Beliebt mirʼs aber, eine Antwort zu geben, so kann ich ja sagen, was mir in den Mund kommt. Wo hätte man je von einem Geschichtsschreiber geschworene Zeugen gefordert?“1
Alle Zitate, Titel und Bezeichnungen von Internetseiten sind direkt kopiert und unverändert eingefügt worden. Auf die Kennzeichnung der zahlreichen Rechtschreibfehler mit [sic] wurde deshalb verzichtet.
Sekundärliteratur Abels, Heinz: Identität, Springer-Verlag: Berlin 2010. Abrams, Lynn: Oral History Theory, Routledge: London 2010. Alexander, Jeffrey C.; Eyerman, Ron; Giesen, Bernard, u.a.: Cultural Trauma and Collective Identity, University of California Press: Berkeley, CA 2004. Allen, Joe: Vietnam. The (Last) War the U.S. Lost, Haymarket: Chicago, IL 2008. Allen, Michael J.: „Help us Tell the Truth about Vietnam“: POW/MIA Politics and the End of the American War, in: Marilyn Blatt Young, Mark Bradley (Hg.): Making Sense of the Vietnam Wars. Local, National, and Transnational Perspectives, Oxford University Press: New York, NY 2008, S. 251-276, hier S. 253. Allen, Thomas B.: Offerings at the Wall. Artifacts from the Vietnam Veterans Memorial Collection, Turner Publishing, Atlanta, GA 1995.
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Webring, Inc.: WebRing: Collborate with like minded people, unter: Webring. org, URL: http://dir.webring.com/rw, Stand: 19.02.2013. Wheatley, Bob: Epilog – No Hero’s Welcome, unter: VietRemf, URL: http:// www.viet-remf.net/Epilog.htm, Stand: 19.02.2013. –––––: Hello, and Welcome!... Who AM I?, unter: VietRemf, URL: http://www. viet-remf.net/, Stand: 28.01.2011. –––––: Honoring all who Served... in the Rear with the Gear, unter: VietRemf, URL: http://www.viet-remf.net/, Stand: 28.01.2011. Wheeler, James C.: A Memorial to the EC-47 Crewmembers Lost, 1966-1974, unter: EC47, URL: http://www.ec47.com/thewall.htm#top, Stand: 20. 02.2013. Woelk, Chris: Burning Shit, unter: Vietnam Soldier, URL: http://www.vietnamsoldier.com/pages/a-soldiers-stories/burning-shit.php, Stand: 29.07.2013. Young, Rich: A Soldier’s Pain, unter: Wardogs, URL: http://www.wardogs.com/ doc1.html, Stand: 04.11.2010. YouTube LLC: YouTube Hauptseite, unter: YouTube, URL: http://www. youtube.com/, Stand: 20.02.2013. Zoomify: About us, unter: View the Wall, URL: http://www.viewthewall. com/about.asp, Stand: 20.02.2013. –––––: Henry Dale Adkins, unter: View the Wall, URL: http://www.viewthewall. com/viewInfo.asp?recordNumber=296, Stand: 20.02.2013. –––––: In Memoriam, unter: View the Wall, URL: http://www.viewthewall. com/, Stand: 20.02.2013.
Comics Eisner, Will: Last Day in Vietnam, 2. Auflage, Dark Horse: USA 2000. Kanigher, Robert (Hg.): Star Spangled War Stories, DC Comics: USA 1952-1977. Kanigher, Robert; Kirby, Jack (Hg.): Our Fighting Forces, DC Comics: USA 1954-1978. Lee, Stan: Into the Blaze of Battle, in: Journey into Mystery 117, Marvel Comics: USA 1965, S. 1-10. –––––: The Strength of the Sumo, in: Tales of Suspense 61, Marvel Comics: USA 1964, S. 1-16. Lomax, Don (Hg.): Indian Country (Vietnam Journal 1), USA: Transfuzion Publishing 2009. Murray, Doug; Golden, Mike, Vansant, Wayne: ’NAM #24: Beginning of the End (The ’NAM 24), Marvel Comics: New York, NY 2009.
L ITERATUR
UND
Q UELLEN | 453
Filme Ashby, Hal: Coming Home (Film), USA: United Artists: 1978. Coppola, Francis Ford: Apocalypse Now (Film), USA: United Artists: 1979. Cosmatos, George P.: Rambo: First Blood Part II (Film), USA: TriStar Pictures: 1985. Costello, Shaun: Forced Entry (Film), USA: Variety Films: 1973. Furie, Sidney J.: Iron Eagle (Film), USA: TriStar Pictures: 1986. Hibbs, Jesse: To Hell and Back (Film), USA: Universal International Pictures: 1955. Hool, Lance: Missing in Action 2. The Beginning (Film), USA: Cannon Films: 1985. Kotcheff, Ted: First Blood (Film), USA: Orion Pictures: 1982. Kubrick, Stanley: Full Metal Jacket (Film), USA: Warner Bros. Pictures: 1987. Milius, John: Red Dawn (Film), USA: MGM: 1984. Norris, Aaron: Braddock. Missing in Action III (Film), USA: Cannon Films: 1988. Reisz, Karel: Who’ll Stop the Rain (Film), USA: United Artists: 1978. Stone, Oliver: Born on the Fourth of July (Film), USA: Universal Pictures: 1989. –––––: Platoon (Film), USA: Orion Pictures: 1987. Wayne, John; Kellogg, Ray: The Green Berets (Film), USA: Warner Bros.-Seven Arts: 1968. Zito, Joseph: Missing in Action (Film), USA: Cannon Films: 1984.
TV-Sendungen Austin, Ray; Vejar, Michael; Dixon, Ivan: Magnum, P.I. (TV-Sendung), CBS Broadcasting Inc.: USA 1980-1988. Leder, Mimi; Young, John Sacred; Leitch, Christopher, u.a.: China Beach (TVSendung), American Broadcasting Company: USA 1988-1991. McEveety, Vincent; Neufeld, Sigmund: Simon & Simon (TV-Sendung), CBS Broadcasting Inc.: USA 1981-1989. Norton, Bill L.; Johnston, Jim; Posey, Stephen L., u.a.: Tour of Duty (TV-Sendung), CBS Broadcasting Inc.: USA 1987-1990. Robinson, Phil Alden; Loncraine, Richard; Salomon, Mikael, u.a.: Band of Brothers (TV-Sendung), HBO: USA 2001-2002.
454 | „W ELCOME TO M Y BUNKER “ – V IETNAMKRIEGSERFAHRUNG IM I NTERNET
Spiele Anderson, David J.; Thorpe, David F., Galway, Martin: Rambo (Commodore 64), Ocean Software: USA 1985.
E-Mail-Umfrage
Dear [Name], my name is Roland Leikauf and I am a German scholar researching the Vietnam War. I visited your site shortly after I realized that many Veterans publish their experiences on the web. Pages like yours are contributing more and more to my research, and I decided to create a little questionnaire in order to learn something about authors like you. I would be grateful if you decide to answer my questions – of course all information you provide will only be used for academic research. If you have questions about me, my research or the organization I work for either check the FAQ, write me an email or contact me at my office at the Graduate School in Siegen, Germany. I would be happy to answer any questions you have. The questionnaire is included at the end of this email. If your email program has difficulties with this message or you would rather answer it in a separate document, I’ve included one as an attachment. Regards, Roland Leikauf Please note… multiple answers per question are possible. if you do not want to impart some information (or do not remember), you can simply write a pound symbol (#) into the respective column. if you want to elaborate on a question, simply write down the number of the question below the table and answer as desired. The Basics
456 | „W ELCOME TO M Y BUNKER “ – V IETNAMKRIEGSERFAHRUNG IM I NTERNET
Frage 1: The Name of your website (please correct if desired)1 Frage 2: The URL of your website Frage 3: What is your full name? Frage 4: How old are you? Frage 5: Where were you born (city)? Frage 6: Where were you born (state)? Frage 7: How big is your hometown? Frage 8: Are you married? Frage 9: Do you have kids? Frage 10: Do you consider yourself to be part of an ethnic minority? Frage 11: Are you an American citizen? (specify if desired) Frage 12: Are you part of a religious denomination? (specify if desired) In Country Frage 13: Why did you go to Vietnam? 1 = drafted, 2 = volunteered, 3 = other Frage 14: During which years were you in Vietnam? List separately. Frage 15: What was your mission in Vietnam? (Please use short phrases like „grunt“, „clerk“ and/or MOS, then specify as desired). Frage 16: If you were in Vietnam as a part of the armed forces, name the branch 1 = Army, 2 = Marine Corps, 3 = Navy, 4 = Air Force, 5 = Coast Guard, 6 = Other (please specify). Frage 17: What organizations / groups were you part of (government groups, military units etc.)? Frage 18: Did you experience combat situations? Frage 19: Were you wounded? Frage 20: Did you receive any decorations? (specify if desired) Back home Frage 21: Did you ever return to Vietnam? Frage 22: When did you start your webpage? Frage 23: Speaking of today: Would you call yourself a Soldier? Frage 24: Speaking of today: Would you call yourself a veteran? Frage 25: Did you ever visit the wall? 1 = yes, 2 = no, 3 = I visited a „substitute“ (moving wall, travelling wall etc.), 4 = I visited all three Finally, there are two questions that cannot be answered in multiple-choice form: 1
Der Name und die URL der Webseite waren in jeder Umfrage-E-Mail bereits ausgefüllt.
E-M AIL -U MFRAGE | 457
Frage 26: Why did you start your web page? Frage 27: Who did you create your webpage for? Thank you for answering my questions! The FAQ Who are you? My name is Roland Leikauf. I am a 36 year old German historian working at the research institute and graduate school locating media. I am working on my doctorate in history, and my topic is how Veterans remember their war experiences. What kind of organization do you work for? Who foots the bill? Are there any political affiliations i should know about? I work for the Graduate School Locating Media (http://www.uni-siegen.de/locatingmedia/) which is a part of the University of Siegen in Germany (http:// www.uni-siegen.de/start/index.html.en?lang=en). We are not affiliated with any political organizations. Why me? After searching for sites using Google, webrings, linkpages etc. i chose those pages that had the most interesting content in regard to my research. Out of that group i chose the people for my questionnaire by random sampling. What do you need my data for? Will you sell it? All your answers will be only used for the purpose of academic research. I will not sell or give your raw data to anybody. The only exception is articles/books published by me in academic circles. Please note that i will not get any money out of publishing my findings because I work with grant money. Will you mention my name? If you want me to (please specify). I will try to thank all contributors in the book when it is published (but cannot guarantee this because i am at the mercy of the publisher in this regard). If you do not specify anything, i will not mention your name. Regardless how you choose to answer, however, i can already say that i appreciate any help you are willing to provide. You already have the information on my website. Why do you need more? Every historian knows that using a source is only credible if you are able to learn at least some basic information about the author of said source. Approaching the
458 | „W ELCOME TO M Y BUNKER “ – V IETNAMKRIEGSERFAHRUNG IM I NTERNET
authors of the webpages directly is more fruitful (and in my opinion more honest) than just combing the sites for necessary data. Okay, Iʼll do it. Send me a complimentary copy of the book, please. Unfortunately i will have to pay for the complete print run of the book mostly out of my own pocket (which is SOP for doctorates in Germany) . Please understand that i do not have the financial means to send you a copy. I will send you an electronic copy if a .pdf release can be negotiated, however. What about copyright? If you send me your data, you agree to give me the non-revocable right to use the information you provided for the purpose of academic research and publishing. Please understand that no publisher would allow me to include your answers in a book if this was not the case. A German researching the Vietnam War? Whatʼs the point? Internet usage by war Veterans is a very interesting phenomenon. It is very well possible that we will see (or already are seeing) similar projects from Veterans of more current wars as well. As a historian, i believe this will be a major source of credible oral histories in the future, and that we can learn a lot from Vietnam as an example on the Net. Can I contribute to your research in other ways? Currently, I try to assemble a glossary of the Vietnam-era on my homepage (http://roland-leikauf.de/9.html). I envision it to be „by the participants, for the participants“, but my research is still in a pretty early stage (as well as the design of the page). If you want to contribute any kind of addition or correction, I would be extremely happy. I will (if you do not disagree) add your name to the respective part of the glossary. I have more questions. Can i contact you? Of course. Please feel free to contact me anytime, and i will certainly try to answer any questions you have. The best way to contact me is by email.
Glossar
A AAA Siehe anti-aircraft artillery.
Agent Blue Eine Chemikalie, die in Vietnam von den USA eingesetzt wurde, um gezielt die Ernte zerstören zu können.
Agent Orange Ein Entlaubungsmittel, das in Vietnam von den USA eingesetzt wurde und das bei Menschen schwere Gesundheitsschäden hervorrufen kann.
Agent Orange Quilt of Tears
Antijapanische Volksarmee Siehe Hukbalahap.
ANC Siehe Army Nurse Corps.
Army Nurse Corpse (ANC) Ein bereits im Jahr 1901 gegründeter Teil der US-Armee, der bis heute professionelle Krankenschwestern ausbildet.
Army of the Republic of Vietnam (ARVN) Die südvietnamesische Armee.
ARVN Siehe Army of the Republic of Vietnam.
Eine Organisation, die die Namen je-
B
ner sammelt und öffentlich macht, deren Tod auf die Spätfolgen von Agent Orange zurückgeführt wird.
American Legion (AL) Eine US-amerikanische Veteranenor-
Blide Auch: Tribok. Eine auf dem Hebelprinzip basierende Belagerungswaffe.
Boat people
ganisation, die nach Ende des Ersten
Im Zusammenhang mit dem Vietnam-
Weltkriegs gegründet wurde.
krieg bezieht sich der Begriff auf die
American Veterans (AMVETS)
Massenflucht von Südvietnamesinnen
Eine US-amerikanische Veteranenor-
und Südvietnamesen über das Meer
ganisation, die nach Ende des Zweiten
nach dem Sieg der nordvietnamesi-
Weltkriegs gegründet wurde.
schen Streitkräfte.
Anti-aircraft artillery (AAA) Flugabwehrgeschütz.
460 | „W ELCOME TO M Y BUNKER “ – V IETNAMKRIEGSERFAHRUNG IM I NTERNET
Body count
kräfte, in dem amerikanische und vi-
Eine schon während des Vietnam-
etnamesische Truppen gemeinsam in
kriegs umstrittene Methode, den Fort-
Dörfern lebten, um so effektiver gegen
schritt des Konflikts durch Vergleich
die Guerilla-Kräfte der Gegenseite vor-
eigener und gegnerischer Verluste ein-
gehen zu können.
Continental United States (CONUS)
zuschätzen.
Boom boom girl
Das amerikanische Festland.
Umgangssprachlicher Ausdruck für eine Prostituierte.
CONUS Siehe Continental United States.
Boonies
CORDS
Umgangssprachliche Beschreibung für umwegsames Gelände.
Siehe Civilian Operations and Revolutionary Development Support.
Boots
Counterinsurgency (COIN)
Umganssprachliche Bezeichnung für
Alle Konzepte, durch die Guerillatrup-
Angehörige der Infanterie.
pen mit unkonventionellen Mitteln bekämpft werden können. Dazu zählen
C
auf irregulären Truppen basierende Strategien ebenso wie Projekte zur Be-
CAP
einflussung der öffentlichen Meinung
Siehe Combined action platoon.
oder zur Kontrolle der Bevölkerung.
Chieu Hoi-Programm Counterinsurgency-Programm,
durch
das Soldatinnen und Soldaten des Viet Cong oder der nordvietnamesischen Armee zum Überlaufen bewegt werden sollten.
Civilian Operations and Revolutionary Development Support (CORDS) Ein ab dem Jahr 1966 praktiziertes Programm, das verschiedene Projekte der Pazifizierung und Counterinsurgency wie das Herstellen von Sicher-
Crowdsourcing Die Auslagerung von Prozessen (Datenerfassung, Programmierung, Fehlersuche etc.) in Teile des Internets, in denen Laien und Semiprofessionelle diese Aufgaben (oft freiwillig) zu bewältigen helfen.
Cyberwarfare Der Einsatz elektronischer Mittel gegen die Infrastruktur des Gegners, meist durch Sabotage und Spionage.
heit für die Zivilbevölkerung oder die
D
Zerstörung der feindlichen Infrastruktur unter einer Führung vereinte.
COIN Siehe Counterinsurgency.
Combined action platoon (CAP) Ein Projekt der amerikanischen Streit-
Data Mining Die automatisierte Sammlung von Nutzerdaten im Internet.
Death cards Karten mit den Symbolen von Kampfeinheiten, die an getöteten Gegnern
G LOSSAR | 461
zurückgelassen werden, um den Feind
Medaille wurden nach Protesten (un-
einzuschüchtern.
ter anderem von Veteranenorganisati-
Deferments Wichtige Gründe, die die Einberufung zum Wehrdienst während des Vietnamkriegs verhindern oder hinauszögern konnten.
Dega Siehe Montagnard.
Demilitarisierte Zone (DMZ) Die Pufferzone, die bis zum Jahr 1975 Nordvietnam und Südvietnam voneinander trennte.
Democratic Republic of Vietnam (DRV) Das kommunistisch dominierte Nordvietnam. Es entstand mit seiner Ausrufung in Hanoi im Jahr 1945 und ging im Jahr 1976 in einem kommunistischen Gesamtvietnam auf.
Department of Veterans Affairs
onen) wieder aufgegeben.
DMZ Siehe Demilitarisierte Zone.
Donut dollies Von Hilfsorganisationen nach Vietnam geschickte Frauen, die die USamerikanischen Truppen auf unterschiedliche Weise betreuen und unterhalten sollten.
Draft lottery Die Auswahl von Männern der Jahrgänge 1944 bis 1950 für die Einberufung zum Militärdienst in Vietnam.
Drohnenmedaille Siehe Distinguished warfare medal.
DRV Siehe Democratic Republic of Vietnam.
Dustoff Abflug eines Helikopters. Oft als Be-
US-Regierungsorganisation, die mit
griff für den Abtransport von Truppen
Aufgaben der Versorgung von Vetera-
oder Verwundeten verwendet.
nen (vor allem im gesundheitlichen
E
Bereich) betraut ist.
Disabled American Veterans Eine vom amerikanischen Kongress unterstützte Organisation für kriegsversehrte US-Veteraninnen und Veteranen.
Distinguished warfare medal Eine umgangssprachlich als ‚Drohnenmedaille‘ bekannte Auszeichnung, die ab dem Jahr 2013 an amerikanische Soldatinnen und Soldaten verliehen werden sollte, die durch die Steuerung von Drohnen oder im Zuge von elektronischer Kriegsführung am Kampfgeschehen teilnahmen. Die Pläne für die
Ebene der Tonkrüge Ein teilweise heftig umkämpftes Gebiet in Laos, das seinen Namen von einer großen Zahl von Tonkrügen ableitet, die dort von einer megalithischen Kultur in Stein gehauen wurden.
Embedding Die umstrittene Einbindung von Journalisten in Militäreinheiten. Die Berichterstatter erhalten auf diese Weise direkten Zugang zu den Soldatinnen und Soldaten, können durch ihre Integration in die Militärstruktur aber beeinflusst und gelenkt werden.
462 | „W ELCOME TO M Y BUNKER “ – V IETNAMKRIEGSERFAHRUNG IM I NTERNET
Etappe
Vietnamkrieg unterschiedliche Aufga-
Militärische Bezeichnung für das Ge-
ben übernahm. Noch vor Eintreffen
biet hinter der Front.
größerer amerikanischer Kontingente
F
sollten Spezialkräfte wie diese die südvietnamesischen Truppen unterstützen und counterinsurgency betreiben
Fire support base Temporäre Basen, von denen aus Truppen durch Artilleriefeuer unterstützt wurden. Oft waren die Basen
Grunt ‚Grunzer‘, die umgangssprachliche Bezeichnung für einen Infanteristen.
Ausgangspunkt oder Zwischenstation
H
von Patrouillen.
Hamburger Hill (Hügel 937)
Flak jacket Überbegriff für eine Anzahl während
Eine Hügel in Vietnam, der zwischen
der Weltkriege entwickelte Westen,
dem 10. bis zum 20. Mai 1969 trotz
die den Träger vor Schrapnell und Ge-
geringen strategischen Werts immer
schossen schützen sollten.
wieder unter großen Verlusten von
FNG
US-Truppen angegriffen wurde.
Siehe Fucking new guy.
Freedom bird
Holocaust-Syndrom Ein Überbegriff für Traumafolgen
Das Flugzeug aus dem Kriegsgebiet in
durch den Aufenthalt in Konzentrati-
die Heimat.
onslagern, der manchmal für die Fol-
Fiendly Fire
gen von Kriegsgefangenschaft allge-
Der irrtümliche Beschuss durch verbündete oder eigene Truppen.
Fucking new guy (FNG) Umgangssprachliche Bezeichnung für einen neu nach Vietnam gekommenen Truppenangehörigen.
G G.I. Bill Ein Gesetzespaket, das Kriegsheimkehrern die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtern sollte. Ein besonders wichtiger Bestandteil waren vergünstigte Bildungsangebote.
Green Berets Eine 1952 gegründete Gruppe von Spezialkräften der US-Armee, die im
mein verwendet wird.
Hooch Umgangssprachliche Bezeichnung für jede Art von Unterkünften in Vietnam.
Hooch maids Vietnamesische Frauen, die als Dienstmädchen in den Unterkünften der USAmerikaner arbeiteten.
House Committee on Veteransʼ Affairs Siehe United States House Committee on Veterans‘ Affairs.
Hukbalahap Etwa: antijapanische Volksarmee. Eine Guerillabewegung auf den Philippinen, die während des Zweiten Weltkriegs gegen die japanischen Besatzungstruppen kämpfte und nach dem
G LOSSAR | 463
Krieg versuchte, sozialistische Refor-
eine Veteranin oder ein Veteran
men zu erzwingen.
nach Ende des Vietnamkriegs inter-
Humpin’ the boonies
agieren musste. Dazu gehörten das
Die langen Märsche der Infanterie
Deparment of Veterans Affairs der Re-
durch unwegsames Gelände (boonies,
gierung, das House Committee on Ve-
boondocks) mit schwerem Gepäck.
teransʼ Affairs des US-amerikani-
Hypertext
schen Kongresses, sowie Interessen-
Ein Text, der nichtliniear aufgebaut ist
gruppen wie die American Legion o-
und den Leserinnen und Lesern meh-
der die Veterans of Foreign Wars.
rere Auswahlmöglichkeiten anbietet.
K
Während der Begriff häufig bezogen auf das Internet verwendet wird, existierten Hypertext-Programme bereits vor dessen Entstehung.
I
Khe Sanh Standort einer US-amerikanischen Basis in Südvietnam, die vor allem im Umfeld der TET-Offensive der Austragungsort heftiger Kämpfe war.
Killed in Action (KIA)
ICD Siehe International Classification of Dis-
Eine militärische Klassifikation, die in
eases.
den US-Streitkräften den Tod eines
In country
Militärangehörigen durch Feindein-
Der umgangssprachliche Ausdruck für die Anwesenheit eines Kriegsbeteiligten in Vietnam.
International Classification of Diseases (ICD) Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme durch die Weltgesundheitsorganisation.
Internet blackout day Eine Protestmethode, bei der Internet-
Nach dem amerikanischen Trapper Christopher Houston Carson benannte Kundschafter. Viele waren Überläufer oder Angehörige ethnischer Minderheiten wie der Dega.
Klick Die militärischer Bezeichnung für einen Kilometer.
Korean War Veterans Memorial
seiten für einen Tag vom Netz gehen
Ein Memorial in der National Mall für
und nicht mehr zu erreichen sind.
die Beteiligten des Koreakriegs, das im
Iron triangle 1.
wirkung repräsentiert.
Kit Carson scouts
Jahr 1995 eröffnet wurde.
Eine stark befestigte und heftig um-
L
kämpfte Region nördlich von Saigon in Südvietnam. 2.
Ein Überbegriff für die drei wichtigsten Organisationen, mit denen
Lao Dong Siehe People’s Revolutionary Party.
464 | „W ELCOME TO M Y BUNKER “ – V IETNAMKRIEGSERFAHRUNG IM I NTERNET
Land of the big PX
etabliertes Programm, bei dem vietna-
Die ‚Orte des Überflusses‘ jenseits der
mesische Zivilisten medizinische Hilfe
Kriegszone in Vietnam. Meist bezog
erhalten sollten. Das Programm zielte
sich der Begriff auf die Heimat der
darauf ab, das Verhältnis zwischen
Kriegsbeteiligten.
den amerikanischen Streitkräften und
LLDB
der vietnamesischen Zivilbevölkerung
Siehe Luc Luong Dac Biet Quan Luc Viet
Luc Luong Dac Biet Quan Luc Viet Nam Cong Hoa (LLDB) Eine Spezialeinheit der südvietname-
nam, das während des Vietnamkriegs ein Rückzugsort der kommunistischen
MEMEX
M
Ein
vom
amerikanischen
Wissen-
schaftler Vannevar Bush vorgeschla-
MAAG-I Military
Assistance
Advisory
Group Indochina. Military
genes System für das Informationsmanagement, das auf Mikrofilmbasis die Recherche und Analyse von Daten er-
MAAG-V Siehe
Das Flußdelta des Mekong in Südviet-
Streitkräfte war.
sischen Armee.
Siehe
zu verbessern.
Mekongdelta
Nam Cong Hoa.
Assistance
Advisory
Group Vietnam.
MACV Siehe Military Assistance Command Vietnam.
Mama-San Umgangssprachliche Bezeichnung für eine ältere Vietnamesin.
Many flags program Die Beteiligung von Australien, Thailand, Neuseeland, den Philippinen und Südkorea am Vietnamkrieg. Die Länder stellten eigene Truppenkontingente zur Verfügung, die jedoch oft nur symbolischen Charakter hatten.
MEDCAP Siehe Medical Civic Action Program.
Medical Civic Action Program (MEDCAP) Ein im Jahr 1963 von der US-Armee
leichtern sollte.
MIA Siehe missing in action.
Military Assistance Advisory Group Indochina (MAAG-I) Die Military Assistance Advisory Group Indochina wurde im Jahr 1950 von den USA zur Unterstützung und Beratung der französischen Kolonialtruppen gegründet.
Military Assistance Advisory Group Vietnam (MAAG-V) Diese US-amerikanische Koordinationsstelle wurde im Jahr 1955 gegründet, um die südvietnamesische Armee nach amerikanischem Vorbild zu reorganisieren und zu trainieren.
Military Assistance Command, Vietnam (MACV) Das MACV begann als miltärisch dominierte Koordinationsstelle der USA,
G LOSSAR | 465
N
die im Jahr 1962 geschaffen wurde und parallel zum MAAG-V existierte. 1964 wurde sie ins MACV integriert.
Military occupational specialty (MOS) Eine Aufgabenbezeichnung, die durch einen mehrstelligen Code repräsentiert wird und den Aufgabenbereich von Militärangehörigen angibt.
Missing in action (MIA) Eine militärische Klassifikation für Angehörige der US-Streitkräfte, die während des aktiven Dienstes als vermisst gemeldet wurden.
Montagnard Etwa: Bergmensch. Die ethnische Minderheit der Dega, die von den amerikanischen Truppen als Kundschafter und Guerillas geschätzt wurden.
MOS Siehe military occupational specialty.
Moving Wall Eine der vor allem durch Spenden finanzierten Initiativen, die verkleinerte Repliken des Vietnam Veterans Memorial durch Amerika transportieren und lokalen Veteranen ein Substitut für das Besuch der Wall in Washington, D.C. bieten.
My Khe Ein Weiler des Dorfes Son My in Viet-
National Liberation Front (NLF) Die politisch-militärische Organisation, die während des Vietnamkriegs kommunistische Aktivitäten in Südvietnam koordinierte.
National Mall Die nationale Gedächtnislandschaft in Washington, D.C., in der sich unter anderem das Vietnam Veterans Memorial, das Korean Veterans Memorial und das World War II Memorial befinden.
National Park Service Eine US-amerikanische Behörde, die Nationalparks, Monumente und Gedenkstätten verwaltet.
NCO Siehe Non-commissioned officer.
NLF Siehe National Liberation Front.
Non-commissioned officer (NCO) Auch: non-com. Eine Offizierin oder ein Offizier, die oder der aus den unteren Rängen befördert wurde.
North Vietnamese Army (NVA) Auch: PAVN. Die regulären Streitkräfte Nordvietnams.
NVA Siehe North Vietnamese Army.
nam. Ein Schauplatz des Massakers
O
von My Lai am 16. März 1968.
My Lai
Offerings
Ein Weiler des Dorfes Son My in Viet-
Die Hinterlassenschaften von Besuche-
nam, in dem ein großer Teil des
rinnen und Besuchern am Vietnam Ve-
gleichnamigen Massakers vom 16. März 1968 stattfand und bei dem 300
terans Memorial.
Operation Ranch Hand
bis 500 vietnamesische Zivilistinnen
Eine großangelegte Militäroperation
und Zivilisten ums Leben kamen.
während des Vietnamkriegs, bei der zwischen 1962 und 1971 in großen
466 | „W ELCOME TO M Y BUNKER “ – V IETNAMKRIEGSERFAHRUNG IM I NTERNET
wie
die Infrastruktur des Viet Cong in Süd-
Agent Blue und Orange eingesetzt wur-
vietnam vor allem in politischer und
den, um dem Viet Cong die Deckung zu
versorgungstechnischer Hinsicht zer-
Teilen
Vietnams
Chemikalen
rauben oder Ernten zu zerstören.
stört werden sollte.
Plain of Jars
Outsourcing Die Übertragung von Aufgaben an organisationsexterne Dienstleister.
P Page-Rank-Verfahren Ein von Larry Page entwickeltes Verfahren zur Berechnung der relativen ‚Wichtigkeit‘ von Internetseiten.
Papa-San Umgangssprachliche Bezeichnung für einen älteren Vietnamesen.
PAVN Siehe North Vietnamese Army.
PCSD Siehe Post combat stress disorder.
PCVB Siehe Post combat violent behavior.
People’s Army of Vietnam (PAVN) Siehe North Vietnamese Army.
Peopleʼs Liberation Armed Forces (PLAF) Der militärische Arm der National Liberation Front.
People’s Revolutionary Party (PRP) Auch: Lao Dong. Die kommunistische Partei Vietnams.
Phonies Umgangssprachliche Bezeichnung für Personen, die ihre Militärzeit oder militärische Leistungen und Auszeichnungen nur vortäuschen.
Phönixprogramm Ein umstrittenes Programm, durch das
Siehe Ebene der Tonkrüge.
PLAF Siehe People’s Liberation Armed Forces.
Post combat stress disorder (PCSD) Siehe post traumatic stress disorder.
Post combat violent behavior (PCVB) Ein Überbegriff für gewalttätiges Verhalten von ehemaligen Kriegsbeteiligten, das auf persönliche Kriegserfahrungen zurückgeführt wird.
Post exchange (PX) Das Postamt eines amerikanischen Lagers, in dem meist noch andere Dienstleistungen zur Verfügung standen. Auf den Seiten des Quellenkorpus wird der Begriff meist als Synonym für eine Einkaufsmöglichkeit verwendet.
Post traumatic stress disorder (PTSD) Eine auf traumatische Situationen zurückgeführte Erkrankung, die unter anderem bei Kriegsbeteiligten auftritt und schwerwiegende Folgen für den Betroffenen haben kann. Symptome sind zum Beispiel die zwanghafte Rückerinnerung an Situationen, übersteigerte Angstempfindungen und unkontrollierte Agressivität.
Post traumatic stress syndrome (PTSS) Siehe post traumatic stress disorder.
PTSD Siehe post traumatic stress disorder.
POW Siehe prisoner of war.
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R
POW/MIA Prisoner of war / Missing in action. Die Zusammenziehung der beiden Begriffe macht es möglich, jeden Vermissten als Kriegsgefangenen zu deklarieren. Die sogenannte POW-MIA-Frage wird seit Ende des Vietnamkriegs immer wieder diskutiert und basiert auf der Behauptung, dass nach Kriegsende amerikanische Gefangene in Vietnam verblieben sind.
Prisoner of War (POW) Eine militärische Klassifikation für Angehörige der US-Streitkräfte, die während des aktiven Dienstes in Kriegsgefangenschaft geraten sind.
PRP Siehe People’s Revolutionary Party.
PTSS Siehe Post traumatic stress syndrome.
Puff the Magic Dragon Der Spitzname für ein umgebautes Douglas AC-47 Flugzeug, das für direkte Luft-Boden-Unterstützung eingesetzt wurde. Der Name stammt aus dem gleichnamigen Lied von Leonard Lipton und Peter Yarrow und bezieht sich auf den schnellen Ausstoß von Geschossen, der für viele Betrachter den Vergleich mit dem Feueratem eines Drachen nahegelegt hat.
Purple Heart Eine amerikanische Medaille, die seit dem Jahr 1917 für Verwundung oder Tod im Kampfgebiet verliehen wird.
R&R Siehe Rest and recuperation.
Rap group Eine betreute Diskussionsrunde, in der sich Kriegsbeteiligte über ihre Erlebnisse austauschen können.
REMF Siehe Rear echelon motherfucker.
Rear echelon motherfucker (REMF) Umgangssprachlicher und abwertender Ausdruck für alle Soldatinnen und Soldaten in der Etappe.
Republic of Korea (ROK) Das mit Amerika verbündete Südkorea, das ebenfalls Truppen in Vietnam stationiert hatte und am Many Flags Programm teilnahm.
Republic of Vietnam (RVN) Das mit Amerika verbündete Südvietnam, das nach dem Sieg der Kommunisten in ein vereinigtes Gesamtvietnam eingegliedert wurde.
Rest and recuperation (R&R) Ein kurzer Fronturlaub für Angehörige der Streitkräfte, der meist nur wenige Tage dauerte.
ROK Siehe Republic of Korea.
Round eye Umgangssprachliche Bezeichnung für eine Nichtasiatin in Vietnam.
RVN Siehe Republic of Vietnam.
PX
S
Siehe post exchange.
Seabees Die Ingenieur- und Konstruktionsbataillone der US Navy.
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Selective Service System
Spotter plane
Dieses Auswahlsystem war während
Unbewaffnetes
eines Großteils des Vietnamkriegs in
für die Koordinierung taktischer Luft-
Kraft und legte fest, wer in die Streit-
unterstüzung und des Kampfgesche-
kräfte einberufen wurde.
hens am Boden.
Semantic Web
Aufklärungsflugzeug
SSG
Ein primär vom World Wide Web Con-
Siehe Staff Sergeant.
sortium entwickeltes Zukunftskonzept,
Staff Sergeant (SSG)
das die Entwicklung allgemeinkompatibler Datenstandards im Internet voranbringen soll.
Short-timer
Ein non-commissioned officer (non-com) (E-6) in der US-Armee.
Stockholm-Syndrom Auch: capture-bonding. Ein psychologi-
Umgangssprachliche Bezeichnung für
sches Phänomen, bei dem Geiseln eine
Soldatinnen und Soldaten am Ende ih-
starke und positive Bindung zu ihren
rer Dienstzeit.
Short-timer calendar
Geiselnehmern aufbauen.
Strategic hamlet program
Ein Kalender, auf dem ein Kriegsbetei-
Ein von der südvientnamesischen Re-
ligter die verbleibenden Tage seiner
gierung vorangetriebenes und von den
Dienstzeit festhalten konnte.
USA unterstütztes Umsiedlungspro-
Short-timer stick Kurze Holzstöcke mit Kerben, die die
gramm, das durch die Ansiedlung der ländlichen Bevölkerung in Wehrdör-
verbleibenden Tage der Dienstzeit re-
fern dem Viet Cong die Unterstützung-
präsentierten. Jeden Tag wurde ein
basis entziehen sollte.
Stück Holz abgeschnitten, um die verstreichende Zeit zu visualisieren.
Silent seventies Vom Autor geprägter Begriff für die Zeit vom Ende des Vietnamkriegs bis
Stroll in the park Umgangssprachliche, sarkastische Bezeichnung für das anstrengende Marschieren durch gefährliches Terrain.
Swift Boat
zum Beginn der 1980er Jahre, in der
Ein Überbegriff für Flußboote, die von
sich, verglichen mit der Zeit danach,
den US-Streitkräften auf den vietna-
nur wenige Medienprodukte mit dem
mesischen Flüssen eingesetzt wurden.
Konflikt beschäftigen.
T
Son My Ein Dorf in Vietnam, in dessen Weilern My Khe und My Lai am 16. März 1968 das nach My Lai benannte Massaker stattfand.
Spooky Siehe Puff the Magic Dragon.
Terrain analyst Ein Position in den amerikanischen Streitkräften. Der terrain analyst hatte die Aufgabe, das Terrain nach strategischen und taktischen Gesichtspunkten zu analysieren und zu erschließen.
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Veterans of Foreign Wars
TET 1.
Das vietnamesische Neujahrsfest.
Eine US-amerikanische Veteranenor-
2.
Eine
der
ganisation, die bereits im Jahr 1914
kommunistischen Kräfte während
gegründete wurde und sich besonders
des Vietnamkonflikts, die am 30.
stark auf der politischen Ebene mit Ve-
landesweite
Offensive
Januar 1968 begann.
Thousand yard stare
teranenfragen beschäftigt.
Viet Cong (VC)
Der vom Kampftrauma starr gewor-
Viet Cong san Viet Nam, etwa: vietna-
dene Blick des Kriegsbeteiligten.
mesischer Kommunist. Ein beliebter
ToD
Überbegriff für alle Personen, die
Siehe Tour of duty.
während des Vietnamkonflikts kom-
Tour of duty (ToD)
munistisch tätig waren oder denen sol-
1.
che Aktivitäten nachgesagt wurden.
Die Dienstzeit von Soldatinnen und Soldaten im Kriegsgebiet.
2.
Viet Cong infrastructure (VCI)
Von 1987 bis 1990 produzierte
Bezeichnung für jede Person oder Or-
US-Fernsehserie über eine Infante-
ganisation, die angeblich unterstüt-
rieeinheit im Vietnamkrieg.
zend für den Viet Cong tätig war.
Vietnam Veterans against the War
Travelling Wall Eine der vor allem durch Spenden fi-
Eine gemeinnützige Vereinigung, die
nanzierten Initiativen, die verklei-
1967 gegründet wurde und in der sich
nerte Repliken des Vietnam Veterans
sich während des Vietnamkriegs ehe-
Memorial durch Amerika transportie-
male Kriegsbeteiligten öffentlich ge-
ren und lokalen Veteraninnen und Ve-
gen den Krieg äußerten.
teranen ein Substitut für einen Besuch
Vietnam Veterans Memorial
der Wall bieten sollen.
Tribok
Auch: die Wall. Das wichtigste Memorial des Vietnamkriegs in der National Mall in Washington, D.C. Es wurde
Siehe Blide.
U United States House Committee on Veterans‘ Affairs Ein politisches Gremium, das sich mit Veteranenfragen beschäftigt und Gesetzesvorschläge erarbeiten kann.
V VCI Siehe Viet Cong infrastructure.
1982 eröffnet und seitdem mehrfach erweitert. Neben weiteren Namen von Gefallenen wurden auch mehrere Bestandteile wie eine Statuengruppe und ein Fahnenmast hinzugefügt.
Vietnam Veterans Memorial Collection (VVMC) Die ständig erweiterte Sammlung von Gegenständen, die am Vietnam Veterans Memorial zurückgelassen werden.
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Vietnam Veterans Memorial Fund (VVMF) Die von dem Vietnamveteranen Jan Scruggs gegründete Organisation, die mit Hilfe von Spenden in der Lage
Regierung zu gewinnen. Während des Vietnamkriegs stand er vor allem für alle Versuche, die südvietnamesische Zivilbevölkerung zu beeinflussen.
Wintersoldier
war, das Vietnam Veterans Memorial zu
Eine von den Vietnam Veterans Against
zu planen und zu realisieren.
the War durchgeführte Veranstaltung
VVMC
im Jahr 1971, bei dem sich männliche
Siehe Vietnam Veterans Memorial Col-
Soldaten öffentlich zu Kriegsverbrechen äußerten.
lection.
World War II Memorial
VVMF Siehe Vietnam Veterans Memorial Fund.
W Wall Siehe Vietnam Veterans Memorial.
Walk in the Park Siehe stroll in the park.
Wannabes Etwa: ‚Möchtegern‘. Umgangssprachliche Bezeichnung Personen, die ihren Veteranenstatus nur vortäuschen.
Web 2.0 Ein im Jahr 1999 geprägter und durch den Autor Tim O’Reilly popularisierter Begriff für ein ‚neues‘ Internet, in dem Nuterbeteiligung die wichtigste Rolle spielen sollte.
Welcome Home Vietnam Veterans Day Ein am 30. Mai jedes Jahres durchgeführter Gedenktag für alle Vietnamveteraninnen und Vietnamveteranen. Er wurde im Jahr 2011 vom US-Kongress offiziell anerkannt.
Winning hearts and minds Eine Bezeichnung für alle Anstrengungen, um die Zivilbevölkerung eines Landes für eine Organisation oder eine
Das im Jahr 2004 in der National Mall eröffnete Memorial für alle Amerikanerinnen und Amerikaner, die im Militär oder im zivilen Bereich am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatten.
World Wide Web Consortium (W3C) Die im Jahr 1994 gegründete Kommission für die Entwicklung von neuen Internetstandards am „Massachusetts Institute of Technology Laboratory for Computer Science“.
Locating Media/Situierte Medien Anja Dreschke, Ilham Huynh, Raphaela Knipp, David Sittler (Hg.) Reenactments Medienpraktiken zwischen Wiederholung und kreativer Aneignung März 2016, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2977-4
Stephan Schmid Papier-Fernsehen: Eine Ethnographie der digitalen TV-Produktion Dezember 2015, 354 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3052-7
Tobias Haupts Die Videothek Zur Geschichte und medialen Praxis einer kulturellen Institution 2014, 422 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2628-5
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Locating Media/Situierte Medien Pablo Abend Geobrowsing Google Earth und Co. – Nutzungspraktiken einer digitalen Erde 2013, 426 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 36,99 €, ISBN 978-3-8376-2513-4
Regine Buschauer, Katharine S. Willis (Hg.|eds.) Locative Media Medialität und Räumlichkeit – Multidisziplinäre Perspektiven zur Verortung der Medien / Multidisciplinary Perspectives on Media and Locality 2013, 308 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1947-8
Pablo Abend, Tobias Haupts, Claudia Müller (Hg.) Medialität der Nähe Situationen – Praktiken – Diskurse 2012, 396 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1644-6
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Zeitschrif t für Kultur wissenschaf ten Siegfried Mattl, Christian Schulte (Hg.)
Vorstellungskraft Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2014
Dezember 2014, 136 Seiten, kart., 14,99 €, ISBN 978-3-8376-2869-2 E-Book: 12,99 € ISBN 978-3-8394-2869-6 Vorstellungs- oder Einbildungskraft bezeichnet die Fähigkeit zur Erzeugung innerer Bilder, die entweder Wahrnehmungen erinnernd reproduzieren oder produktiv Gegebenheiten überschreiten. Vorstellungen konstruieren imaginativ zukünftige Szenarien oder erzeugen – wie in der Kunst – ästhetische Alterität. Die interdisziplinären Beiträge dieser Ausgabe der ZfK untersuchen Figurationen und Agenturen des Imaginären: von den Todes- und Jenseitsimaginationen der christlichen Kunst, den Denk- und Sehräumen in Kunst und Medizin über Rauminszenierungen der Moderne, dem frühen Amateurfilmdiskurs bis hin zur Techno Security und Big Data. Der Debattenteil befasst sich unter dem Titel »Transparenz und Geheimnis« mit medien- und kulturwissenschaftlichen Zugängen zu Dispositiven der Überwachung.
www.transcript-verlag.de