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German Pages 1868 Year 2023
Jennißen · WEG · Wohnungseigentumsgesetz · Kommentar
Kommentar Herausgegeben von
Rechtsanwalt
Dr. Georg Jennißen Köln Bearbeitet von
RiAG Dr. Dr. Andrik Abramenko, Idstein Notar a.D. Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Regen Notar Dr. Jörn Heinemann, Neumarkt i.d.OPf. VorsRiLG Dr. Johannes Hogenschurz, Köln RA Dr. Georg Jennißen, Köln MinRat Dr. Hendrik Schultzky, Fürth RA Dr. Michael Sommer, LL.M., Augsburg VorsRiLG Dr. Martin Suilmann, Berlin Notar Prof. Dr. Maximilian Zimmer, Wernigerode VorsRiLG Dr. Frank Zschieschack, Frankfurt a.M. 8. neu bearbeitete Auflage
2024
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Jennißen (Hrsg.), WEG, 8. Aufl., § … Rz. …
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-45084-7 ©2024 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Beltz, Bad Langensalza Printed in Germany
Vorwort zur 8. Auflage Zwei Jahre nach Erscheinen der 7. Auflage, die sich erstmalig mit dem WEMoG beschäftigte, legen die Autoren nach und spiegeln in dieser Auflage die ersten Erkenntnisse der Rechtsprechung zum neuen Gesetz wider. Es liegt an der Kürze der verstrichenen Zeit, dass viele der zitierten Entscheidungen noch von Amtsgerichten stammen. Ungeachtet dessen sind diese Judikate enorm wertvoll, um die ersten Tendenzen zu einzelnen Rechtsfragen beleuchten zu können. In einigen Regelungsbereichen des neuen Gesetzes verdichten sich im Rahmen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung auch die vertretenen Literaturmeinungen; es zeichnen sich neue, z.T. überraschende Konturen bei einzelnen Streitfragen ab. Auch hier ist es Aufgabe eines jeden Kommentars, dem Leser Überblick und Problembewusstsein zu vermitteln, klar Stellung zu beziehen und ggf. mit eigenen, praxistauglichen Lösungsvorschlägen zum Diskurs beizutragen. Sofern in den Erläuterungen ausnahmsweise noch auf Literatur aus der Zeit vor dem WEMoG Bezug genommen werden musste, weil insbesondere aktuelle Meinungen zum dargestellten Problem noch rar sind oder Streitfragen unverändert bestehen blieben, wird in den Fußnoten auf die jeweils zitierte Auflage hingewiesen. Durch die hohe Aktualität dieses Kommentars versuchen die Autoren die Leserschaft auf dem jeweils aktuellen Stand zu halten. Diese Aktualität, die die Autoren in relativ schneller Abfolge der einzelnen Auflagen verfolgen, erfordert einerseits eine enorme Kraftanstrengung, die aber andererseits bisher mit stetig wachsender, inzwischen hoher Verbreitung des Werkes, auch bei den Obergerichten und beim BGH, belohnt wurde. Die vorliegende Auflage stellt sich einer Vielzahl von ganz konkreten, neuen Problemen aus der WEG-Praxis: Führen Beschlüsse über „die Jahresabrechnung“ anstelle eines Beschlusses über die Abrechnungsergebnisse zur Nichtigkeit? Wie sind die Streitwerte auf Basis der WEGNovelle zu berechnen? Wie ist mit den Gebrauchsrechten umzugehen, die nach Durchführung baulicher Veränderungen möglicherweise exklusiv, wenn auch nur zeitweise, entstehen? Wann führen bauliche Veränderungen zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage? Kann der erste Verwalter noch in der Teilungserklärung bestellt werden oder ist dazu zwingend ein Beschluss erforderlich? Auf die vorstehenden Fragen und vieles mehr gibt der Kommentar Antworten, auch und gerade im Hinblick darauf, dass höchstrichterliche Rechtsprechung zum Teil noch fehlt. Das Autorenteam blieb gegenüber der Vorauflage unverändert, wodurch ein hoher Grad an Bearbeitungskontinuität gewährleistet werden konnte. Allen Beteiligten sei an dieser Stelle für ihr Engagement herzlichst gedankt! Köln im Oktober 2023
Georg Jennißen
V
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Allgemeine Literaturübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Teil 1 Wohnungseigentum Abschnitt 1 Begriffsbestimmungen §1
Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Abschnitt 2 Begründung des Wohnungseigentums §2
Arten der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
§3
Vertragliche Einräumung von Sondereigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
§4
Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
§5
Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
§6
Unselbständigkeit des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
§7
Grundbuchvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124
§8
Teilung durch den Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
§9
Schließung der Wohnungsgrundbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
Abschnitt 3 Rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer § 9a
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
§ 9b
Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254
Abschnitt 4 Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer § 10
Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297
§ 11
Aufhebung der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
339
§ 12
Veräußerungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355
§ 13
Rechte des Wohnungseigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
§ 14
Pflichten des Wohnungseigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447 VII
Inhaltsverzeichnis Seite
§ 15
Pflichten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
489
§ 16
Nutzungen, Lasten und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
518
§ 17
Entziehung des Wohnungseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
600
§ 18
Verwaltung und Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
681
§ 19
Regelung der Verwaltung und Benutzung durch Beschluss . . . . . . . . . . . . .
796
§ 20
Bauliche Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
921
§ 21
Nutzungen und Kosten bei baulichen Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . .
1012
§ 22
Wiederaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1038
§ 23
Wohnungseigentümerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1044
§ 24
Einberufung, Vorsitz, Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1115
§ 25
Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1188
§ 26
Bestellung und Abberufung des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1234
§ 26a Zertifizierter Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1318
§ 27
Aufgaben und Befugnisse des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1322
§ 28
Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht . . . . . . . . . . . . . . .
1406
§ 29
Verwaltungsbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1525
Abschnitt 5 Wohnungserbbaurecht § 30
Wohnungserbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1566
Teil 2 Dauerwohnrecht § 31
Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1575
§ 32
Voraussetzungen der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1583
§ 33
Inhalt des Dauerwohnrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1587
§ 34
Ansprüche des Eigentümers und der Dauerwohnberechtigten . . . . . . . . . . .
1596
§ 35
Veräußerungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1598
§ 36
Heimfallanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1601
§ 37
Vermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1606
§ 38
Eintritt in das Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1608
§ 39
Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1611
§ 40
Haftung des Entgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1615
§ 41
Besondere Vorschriften für langfristige Dauerwohnrechte . . . . . . . . . . . . .
1617
§ 42
Belastung eines Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1621
VIII
Inhaltsverzeichnis
Teil 3 Verfahrensvorschriften
Seite
§ 43
Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1623
§ 44
Beschlussklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1645
§ 45
Fristen der Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1730
Teil 4 Ergänzende Bestimmungen § 46
Veräußerung ohne erforderliche Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1757
§ 47
Auslegung von Altvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1762
§ 48
Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1766
§ 49
Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1775
Gesetzesauszug Gerichtskostengesetz § 49 GKG (Beschlussklagen nach dem Wohnungseigentumsgesetz) . . . . . . . . . . .
1779
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1799
IX
Abkürzungsverzeichnis (Für hier nicht aufgeführte Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Aufl. 2021) AO
Abgabenordnung
BAnz. BauGB BayObLGZ BB BDSG BeckOK BeurkG BewG BGB BGBl. BGH BlGBW BNotO BWNotZ
Bundesanzeiger Baugesetzbuch Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Der Betriebs-Berater Bundesdatenschutzgesetz Beck Online-Kommentar Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht Bundesnotarordnung Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg
DNotZ DV DWE
Deutsche Notar-Zeitschrift Durchführungsverordnung Zeitschrift „Der Wohnungseigentümer“
EigZulG EStDV EStG EStR
Eigenheimzulagengesetz Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien
FGPrax
Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit
GBO GdWE GEG GmbHG GrEStG GVBl.
Grundbuchordnung Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Gebäudeenergiegesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Grunderwerbsteuergesetz Gesetz- und Verordnungsblatt
HeizkV h.M.
Heizkosten-Verordnung herrschende Meinung
InsO
Insolvenzordnung
JR Justiz JZ
Juristische Rundschau Die Justiz Juristen-Zeitschrift
XI
Abkürzungsverzeichnis
KG Komm.
Kammergericht (Oberlandesgericht für Berlin) Kommentar
MaBV MDR MHRG MietRB MittBayNot MittRhNotK MünchKomm
Makler- und Bauträgerverordnung Monatsschrift für Deutsches Recht Gesetz zur Regelung der Miethöhe Der Mietrechts-Berater Mitteilungen des Bayer. Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Münchener Kommentar zum BGB
NJW NJW-RR NotBZ NZM
Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Neue Zeitschrift für Mietrecht
OLGZ
Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen
PiG PuR
Partner im Gespräch (Schriftenreihe) Zeitschrift „Praxis und Recht“
RG Rpfleger
Reichsgericht Der Deutsche Rechtspfleger
UStG
Umsatzsteuergesetz
VerwG VGH VOB
Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verdingungsordnung für Bauleistungen
WE WEM WEMoG WiStG WKSchG WuH WuM
Zeitschrift „Wohnungseigentum“ Zeitschrift „Wohnungseigentümer-Magazin“ Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz Wirtschaftsgesetz Wohnraumkündigungsschutzgesetz Zeitschrift „Wohnung und Haus“ Wohnungswirtschaft und Mietrecht
ZMR ZPO ZRP ZVG ZWE
Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Zeitschrift für Wohnungseigentum
XII
Allgemeine Literaturübersicht Abramenko, Handbuch WEG, 6. Aufl., Bonn 2024 Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Bonn 2021 Bärmann, Kommentar zum WEG, 15. Aufl., München 2023 Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 20. Aufl., München 2020 Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums mit Mustern und Formularen, 7. Aufl., München 2017 Belz, Handbuch des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Stuttgart 1996 Becker/Ott/Suilmann, Wohnungseigentum, Grundlagen – Systematik – Praxis, 3. Aufl., Köln 2015 Bub, Das Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft, 3. Aufl., München 2002 Deckert/Briesemeister/Gottschlag, Die Eigentumswohnung, Loseblattsammlung, Freiburg Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, München 2021 Drasdo, Die Eigentümerversammlung nach WEG, 5. Aufl., München 2014 Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, 4. Aufl., Köln 2012 Elzer (Hrsg.), StichwortKommentar Wohnungseigentumsrecht, Baden-Baden 2021 Elzer/Hinz/Riecke/Skauradszun, Die WEG-Reform 2020/2021, Köln 2021 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., Bonn 2022 Hogenschurz, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 2021 Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl., München 2021 Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 5. Aufl., Münster 2021 Jennißen, Die Verwalterabrechung nach dem WEG, 7. Aufl., München 2013 Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2. Aufl., München 2010 Köhler, Das neue WEG, Köln 2007 Köhler (Hrsg.), Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., Köln 2023 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Köln 2020 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Kommentar, 21. Aufl., Köln 2023 Lützenkirchen (Hrsg.), Anwalts-Handbuch Mietrecht, 6. Aufl., Köln 2018 Merle, Bestellung und Abberufung des Verwalters nach § 26 des Wohnungseigentumsgesetzes, Berlin 1977 Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., München 2022 Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, Handbuch und Kommentar zum WEG, 13. Aufl., Bonn 2020 Riecke/Schmid, WEG – Kommentar, 5. Aufl., Köln 2019 Röll, Teilungserklärung und Entstehung des Wohnungseigentums, Köln 1975 Röll, Handbuch für Wohnungseigentümer und Verwalter, 10. Aufl., Köln 2018 Sauren, Wohnungseigentumsgesetz, Textausgabe mit Erläuterungen, 6. Aufl., München 2014 Sauren, WEG-Verwalter, 4. Aufl., München 2009 XIII
Allgemeine Literaturübersicht
Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., Berlin 2017 Staudinger, BGB, Band 1 und 2 zum WEG, 2005 Weitnauer, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 9. Aufl., München 2004 Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., Köln 2022
XIV
Teil 1 Wohnungseigentum
Abschnitt 1 Begriffsbestimmungen
§1 Begriffsbestimmungen (1) Nach Maßgabe dieses Gesetzes kann an Wohnungen das Wohnungseigentum, an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes das Teileigentum begründet werden. (2) Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. (3) Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. (4) Wohnungseigentum und Teileigentum können nicht in der Weise begründet werden, dass das Sondereigentum mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden wird. (5) Gemeinschaftliches Eigentum im Sinne dieses Gesetzes sind das Grundstück und das Gebäude, soweit sie nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen. (6) Für das Teileigentum gelten die Vorschriften über das Wohnungseigentum entsprechend. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . a) Wohnungs- und Teileigentum als Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Miteigentum, Sondereigentum und Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur des Wohnungseigentums a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . 3. Das gesellschaftsrechtliche Element beim Wohnungs- und Teileigentum . . . 4. Untrennbarkeit von Sondereigentum, Miteigentumsanteil und Verwaltungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriffe 1. Wohnungseigentum (Abs. 2) . . . . . . . . .
1 2 3 7 8 10 16
18
2. Teileigentum (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemischtes Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zweckbestimmungswidriger Gebrauch 5. Umwandlung von Wohnungseigentum in Teileigentum und umgekehrt . . . . . . 6. Gemeinschaftliches Eigentum a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinschaftlicher Gebrauch . . . . . . aa) Das Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Veräußerung von realen Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums . . . 7. Gemeinschaftsvermögen, sonstiges Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 23 24 25 26 27 28 29 31 32
19
Schrifttum: Armbrüster, Änderungsvorbehalte und -vollmachten zugunsten des aufteilenden Bauträgers, ZMR 2005, 244; Basty, Erwerb von Wohnungseigentum durch die Gemeinschaft, ZWE 2009, 253; H. Blank, Tierhaltung in Eigentums- und Mietwohnungen, NJW 2007, 729; Böhringer, Der WEG-Personenverband als Teilnehmer am Grundstücksverkehr, NotBZ 2008, 179; Bub, Das Verwaltungsvermögen, ZWE 2007, 15; Bub, Rechtsfähigkeit und Vermögenszuordnung, ZWE 2006, 253; Derleder, Gemeinschaftsnutzung in Mietshäusern und Wohnungseigentumsanlagen, NJW 2007, 812; Friecke/Wolter, Zimmer | 1
§ 1 WEG Rz. 1 | Begriffsbestimmungen Zum öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz in Wohnungseigentümergemeinschaften, ZfBR 2013, 218; Drasdo, Wohnungseigentum bei Hotelanlagen, ZfIR 2014, 613; Einhorn, Sondereigentum und/oder Gemeinschaftseigentum?, WE 2004, 58; Falkner, Das Zugangserfordernis zum Sondereigentum, DNotZ 2023, 5; Froese, Das Wohnungseigentum als verfassungsrechtliches Eigentum, ZWE 2015, 250; Grziwotz, Schrottimmobilien – Ausstieg oder mehrheitliche Umwandlung in Wohnungseigentum, ZfIR 2017, 82; Gröhn/Hellmann-Stieg, Der Wohnungseigentümer als Nachbar im Sinne des öffentlichen Baurechts, BauR 2010, 400; Heinemann, Wohnungseigentum unter der Erde, zu Wasser und in der Luft, ZMR 2017, 547; Hinz, Zweckbestimmungen mit Vereinbarungscharakter – (Noch immer) eine böse Falle für den Erwerber von Sondereigentum, ZWE 2018, 156: Hügel, Die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft und ihre Folgen für die notarielle Praxis, DNotZ 2005, 753; Hogenschurz, Zum Anspruch auf plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums, ZWE 2016, 75; Hügel, Die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft und deren Auswirkungen auf die Gestaltung von Gemeinschaftsordnung im Bauträgervertrag, BTR 2005, 229; Hügel, Zuordnung eines Sondernutzungsrechts zum Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung, NZM 2004, 766; Hügel, Die Umwandlung von Teileigentum zu Wohnungseigentum und umgekehrt, ZWE 2008, 120; Hügel/Elzer, Die Reform des Wohnungseigentumsrechts durch das WEMoG, DNotZ 2021, 1; Hügel/Elzer, Unbewohnbares Wohnungseigentum, NZM 2023, 57; Klühs, Dingliche und grundbuchverfahrensrechtliche Auswirkungen der Nichterrichtung von Wohnungs- bzw. Teileigentum, NZM 2010, 730; Köster/Sankol, Die Insolvenzfähigkeit der Eigentümergemeinschaft, ZfIR 2006, 741; Rapp, Abnahme und Gewährleistung des Gemeinschaftseigentums, MittBayNot 2012, 169; Riecke, Grenzen der erlaubten Nutzung/des erlaubten Gebrauchsvon SodereigentumZMR 2021, 785; F. Schmidt, Roma locuta – Gedanken über die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem Beschluss des BGH v. 2.6.2005, NotBZ 2005, 309; F. Schmidt, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche beim Wohnungseigentum: wer gegen wen?, WE 2009, 78; W. Schneider, Die sachenrechtliche Zuordnung von Rauchwarnmeldern in Eigentumswohnungsanlagen, ZMR 2010, 822; F. Schmidt, Erläuterungen zum Begriff des Sondereigentums, ZWE 2007, 206; W. Schneider, Das neue WEG-Handlungsbedarf für Erbbaurechtsausgeber, ZfIR 2007, 168; W. Schneider, Das vernachlässigte Wohnungserbbaurecht, ZMR 2006, 660; D. Schultz, Zur Anbringung von Rauchwarnmeldern im Wohnungseigentum, ZW 2009, 383; Weber, Zum Begriff des „Wohnens“, NZM 2018, 70; Wenzel, Die Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Durchsetzung von Mängelrechten beim Ersterwerber, NJW 2007, 1905; Wicke, Die Gründungsphase nach der WEG-Reform, ZWE 2021, 21; Zimmer, Ein Jahr WEMoG – gelöste und ungelöste Probleme aus Sicht der notariellen Praxis, ZWE 2021, 436.
I. Allgemeines 1 Die Überschrift des I. Teils („Wohnungseigentum“) ist insoweit missverständlich, als dieser
Teil nicht nur das Wohnungseigentum, sondern auch das Teileigentum, das Wohnungserbbaurecht und das Teilerbbaurecht umfasst. Die Vorschrift des § 1 bietet neben der (überflüssigen) Anordnung der Zulässigkeit in Abs. 1 eine Reihe von Begriffsbestimmungen, die für das Wohnungs- und Teileigentum von zentraler Bedeutung sind. Dabei handelt es sich um die Begriffe „Wohnungseigentum“, „Teileigentum“, Sondereigentum“ und „gemeinschaftliches Eigentum“, zu deren Definition teilweise jedoch weitere Vorschriften herangezogen werden müssen. Der Begriff des „Dauerwohnrechts“ ist dagegen in § 31 eigenständig geregelt.
1. Wohnungs- und Teileigentum 2 Wohnungseigentum einerseits und Teileigentum andererseits unterscheiden sich nur in der
Zwecksetzung (näher unter Rz. 22), sodass die nachfolgenden Ausführungen über Wohnungseigentum auch für das Teileigentum gelten, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt ist. Wohnungseigentum einerseits und Teileigentum andererseits unterscheiden sich lediglich in der vom teilenden Eigentümer in der Teilungserklärung bzw. dieser angeschlossenen Gemeinschaftsordnung oder von den Miteigentümern durch Vereinbarung getroffe2 | Zimmer
I. Allgemeines | Rz. 5 § 1 WEG
nen Zweckbestimmung und meist in der baulichen Ausgestaltung der betroffenen Räume.1 Bei einer gemischten oder alternativen Nutzung für Wohnzwecke und andere Zwecke hat das Grundbuchamt unter Berücksichtigung der überwiegenden Nutzung zu entscheiden, ob Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbücher angelegt werden.2 Zur zweckwidrigen Nutzung vgl. Rz. 24; zur Umwandlung von Wohnungs- in Teileigentum und umgekehrt vgl. Rz. 25. a) Wohnungs- und Teileigentum als Eigentum Das Wohnungs- und Teileigentum ist dem Eigentum3 an einem Grundstück grundsätzlich 3 gleichgestellt; es ist damit echtes Eigentum i.S.d. § 903 BGB.4 Es besteht aus dem Sondereigentum und dem untrennbar verbundenen Miteigentum an einem Grundstück. Das Sondereigentum ist als Alleineigentum ausgestaltet, das aus der gemeinschaftlichen Berechtigung der Miteigentümer des Grundstücks gelöst ist. Zu dessen Abgrenzung tritt der Aufteilungsplan an die Stelle der Vermessung und katastermäßigen Erfassung,5 gleichsam ein „Ersatzgrundstück“;6 dieselbe sachenrechtliche Abgrenzungsfunktion wie das Liegenschaftskataster erfüllt bei der Aufteilung in Wohnungseigentum der Aufteilungsplan, der an die Stelle der Vermessung und katastermäßigen Erfassung tritt; der tatsächliche Besitzstand hat bei der Auslegung der Eintragung außer Betracht zu bleiben, weil er als Umstand außerhalb des Grundbuchs nicht für jedermann erkennbar ist.7 Wohnungs- und Teileigentum ist dabei zunächst echtes – wenn auch durch die erforderliche Rücksichtnahme der Wohnungseigentümer untereinander8 eingegrenztes – Eigentum i.S.d. BGB9 und nicht etwa, wie das Erbbaurecht (vgl. § 1 Abs. 1 ErbbauG), ein grundstücksgleiches Recht10 an einem Grundstück. Auch handelt es sich nicht um ein bloßes Recht an einem Grundstück, wie etwa das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) oder das Dauerwohnrecht (§ 31 Abs. 1). An der Einordnung als Eigentum hat auch die zunehmende Stärkung des gesellschaftsrechtlichen Elements der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, wie sie nunmehr in § 9a ihren Ausdruck gefunden hat nichts geändert11 (im Einzelnen § 9a Rz. 22 ff.). Wohnungseigentum umfasst nicht nur das Alleineigentum des Wohnungseigentümers an 4 bestimmten Räumen, also an bestimmten dinglich-gegenständlich abgegrenzten Gebäudeteilen,12 sowie Stellplätzen und mitunter auch Freiflächen, sondern (zwingend) auch einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück und den Gebäudeteilen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen (nachf. Rz. 26). Es treffen beim Wohnungseigentum also das Alleineigentum des einzelnen Wohnungseigen- 5 tümers an den ihm gehörigen Räumen und sein Bruchteilseigentum an dem im Miteigentum aller Wohnungseigentümer stehenden Grundstück und den Gebäudeteilen zusammen.
1 Vgl. dazu Schäuble in Soergel, § 1 WEG Rz. 22; KG v. 3.12.2007 – 24 U 71/07, MietRB 2008, 109; vgl. MittBayNot 2008, 209; nach Auffassung von Armbrüster in Bärmann, WEG, § 1 Rz. 26, kann auch ein „Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch“ angelegt werden. 2 KG v. 3.12.2007 – 24 U 71/07, MietRB 2008, 109; vgl. MittBayNot 2008, 209. 3 Zur Eigenschaft als Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG vgl. Froese, ZWE 2015, 250. 4 BGH v. 25.10.2013 – V ZR 230/12, ZfIR 2014, 66. 5 BGH v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, MDR 2008, 1266 = MietRB 2008, 333 = NJW 2008, 2982; Brückner, ZNotP 2017, 364. 6 BGH v. 25.10.2013 – V ZR 230/12, ZfIR 2014, 66. 7 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, NJW 2016, 473. 8 BGH v. 10.11.2006 – NJW 2007, 292; Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 15. 9 BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 395 = MDR 1992, 484; Rapp in Staudinger, BGB, § 1 WEG Rz. 15 (dort auch zu abweichenden Auffassungen). 10 Abweichend etwa Grziwotz in Erman, BGB, § 1 WEG Rz. 3. 11 Wie hier Heinemann in NK/BGB, § 1 WEG Rz. 1. 12 BGH v. 25.10.2013 – V ZR230/12, ZfIR 2014, 66. Zimmer | 3
§ 1 WEG Rz. 6 | Begriffsbestimmungen 6 Das gemeinschaftliche Eigentum ist dabei eine besonders ausgestaltete Form des Bruchteils-
eigentums (§§ 1008 ff. BGB).13 Ebenso wie der Miteigentümer für das Bruchteilseigentum nicht isoliert auf sein Eigentum verzichten kann14 (vgl. § 928 BGB), kann auch der Wohnungseigentümer nicht auf das Wohnungseigentum verzichten,15 zumal § 11 die Möglichkeit der Aufhebung der Gemeinschaft noch weiter einschränkt als bei der Bruchteilsgemeinschaft (vgl. § 11). Eine Dereliktion würde schließlich auch eine einseitige und unzulässige Verfügung über das Gesamthandvermögen der Eigentümergemeinschaft darstellen.16 b) Miteigentum, Sondereigentum und Gemeinschaft 7 Während in der Vergangenheit Wohnungseigentum in der Regel in erster Linie, wenn auch
nicht ausschließlich, als eine besonders ausgestaltete Form des Miteigentums (Bruchteilseigentum) aufgefasst wurde,17 muss nunmehr davon ausgegangen werden, dass das Rechtsinstitut des Wohnungseigentums dreigliedrig aufzufassen ist, nämlich bestehend aus der unauflöslichen Verbindung von Bruchteilsmiteigentum am Gemeinschaftseigentum (nachf. Rz. 26), dem Sondereigentum an Räumen (nachf. Rz. 19) und der Teilhabe an der Gemeinschaft (gesellschaftsrechtliches Element)18 (nachf. Rz. 17). Diese Bestandteile sind dabei akzessorisch und untrennbar miteinander verbunden.19
2. Rechtsnatur des Wohnungseigentums a) Grundsatz 8 Trotz der Bezeichnung „Wohnungseigentum“ oder „Teileigentum“ in § 1 Abs. 2 und 3 als
erstes Glied der Verbindung von Sondereigentum und gemeinschaftlichem Eigentum, steht bei juristischer Betrachtung der Miteigentumsanteil im Vordergrund. Das Wohnungseigentum zeichnet sich durch die Möglichkeit aus, das Miteigentum mehrerer Personen am Grundstück in der Weise zu beschränken, dass jedem Miteigentümer abweichend von § 93 BGB das Sondereigentum an bestimmten Räumen und Stellplätzen (§ 3 Abs. 1 Satz 2) eines auf dem Grundstück errichteten (oder zu errichtenden) Gebäudes20 eingeräumt wird (§ 3 Abs. 1). Folgerichtig bezeichnet § 6 Abs. 1 das Sondereigentum als zu dem Miteigentum gehörend. Werden die Sondereigentumsrechte aufgehoben, verbleibt es beim Miteigentum i.S.d. §§ 1008 ff. BGB (vgl. § 4 Rz. 23). Die Verbindung von Sondereigentum und gemeinschaftlichem Eigentum bedeutet mithin die Stärkung des Miteigentums am (eigenen) Son-
13 BGH v. 23.6.1989 – V ZR 40/88, MDR 1989, 1088 = NJW 1989, 2354, 2355; BGH v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647, 1648, zu abweichenden Theorien, etwa Bärmann, NJW 1989, 1057; Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG Rz. 5 ff., Schäuble in Soergel, § 1 WEG Rz. 10; einen gesellschaftsrechtlichen Ansatz wählt Junker, Die Gesellschaft nach dem WEG, 1993; zu den verschiedenen Auffassungen ausführlich Rapp in Staudinger, BGB, Einl. zum WEG, Rz. 5 ff.; zuletzt BGH v. 14.6.2007 – V ZB 18/07, MDR 2007, 1122 = MietRB 2007, 264 = NJW 2007, 2547. 14 BGH v. 10.5.2007 – V ZB 6/07, MDR 2007, 1125 = NJW 2007, 2254. 15 BGH v. 14.6.2007 – V ZB 18/07, MDR 2007, 1122 = MietRB 2007, 264 = DnotZ 2007, 845; vgl. auch Zimmer, NotBZ 2009, 397; ein solches Bedürfnis besteht mitunter bei sogen. „Schrottimmobilien“, vgl. etwa Rapp in Becksches Notarhandbuch, A III 1. 16 Im Einzelnen Zimmer, NotBZ 2009, 398. 17 Etwa Augustin in RGRK/BGB, § 1 WEG Rz. 8. 18 So bereits Bärmann, NJW 1989, 1057; Röll in MünchKomm/BGB, Vor § 1 WEG Rz. 21; Hügel/Elzer, § 1 Rz. 10. 19 Bärmann/Pick, Einl. WEG Rz. 8; Schäuble in Soergel § 1 WEG Rz. 11. 20 Zum gesetzlich nicht geregelten Begriffs des Gebäudes vgl. Schl.-Holst. OLG v. 19.4.2016 – 2 Wx 12/16.
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I. Allgemeines | Rz. 12 § 1 WEG
dereigentum und die Schwächung des Miteigentums an dem Sondereigentum der anderen Miteigentümer.21 Wohnungs- und Teileigentum ist danach zunächst als modifiziertes Miteigentum aufzufas- 9 sen. Modifiziert deshalb, weil bei Wohnungseigentum die Vorschriften des WEG Anwendung finden und nach § 10 Abs. 1 Satz 1 HS 2 erst bei Fehlen einer Regelung im WEG die Vorschriften über die Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) greifen. b) Folgen für die Praxis Aus der oben genannten Bewertung des Wohnungs- und Teileigentums als echtes Eigentum 10 ergibt sich Folgendes: Der Wohnungseigentümer hat im Hinblick auf sein Sondereigentum Alleinbesitz, ihm ste- 11 hen Besitzschutzansprüche (vgl. Rz. 27c) und, im Hinblick auf seine Eigentümerstellung, auch die Ansprüche aus §§ 985, 1004 BGB zu. Hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums bestehen die Ansprüche aus § 1011 BGB. Für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegenüber Nichtwohnungseigentümer auf Aktiv- und Passivseite kann sowohl die Zuständigkeit des einzelnen Wohnungseigentümers bestehen, nicht selten aber auch die Eigentümergemeinschaft (§ 9a Abs. 2) in Betracht kommen. Ungeklärt ist etwa die Frage der entsprechenden Anwendung des § 281 BGB auf den Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB; insbesondere, ob dieser Anspruch dem einzelnen Wohnungseigentümer zusteht;22 im Zweifel dürfte die Wohnungseigentümergemeinschaft aktiv- und passivlegitimiert sein, da die Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen von und ggü. Dritten ein einheitliches Vorgehen aller Eigentümer der Eigentümergemeinschaft verlangt (§ 9a Abs. 2).23 Auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander können Ansprüche, etwa aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, bestehen.24 Der Wohnungseigentümer hat die öffentlich-rechtlichen Befugnisse des Eigentümers, er ist 11a also (ohne Ermächtigung der weiteren Wohnungseigentümer oder der Wohnungseigentümergemeinschaft) befugt, gegen nachbarrechtliche Bauvorhaben vorzugehen.25 Der Wohnungseigentümer kann baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht jedoch nur geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht.26 Rechte, die im gemeinschaftlichen Eigentum für das gesamte Grundstück wurzeln, können demgegenüber nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 9a Abs. 2)und nicht von den einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden.27 Wohnungseigentum ist veräußerlich.28 Mit der Veräußerung gehen die Anteile am Gemein- 12 schaftsvermögen auf den Erwerber über, ohne dass dies einer gesonderten Erklärung bedarf oder abweichende Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber möglich wären. Der
21 Augustin in RGRK/BGB, § 1 WEG Rz. 9. 22 Vgl. LG Hamburg, v. 30.1.2019 – 318 S 88/17 – ZfIR 2020, 581 mit Anm. Hofmann (Schadensersatz bei verbauten Blick). 23 In diese Richtung, BGH v. 26.6.2020 – V ZR 173/19, NZM 2020, 971. 24 BGH v. 25.10.2013 – V ZR230/12, ZfIR 2014, 66 (jedenfalls in entsprechender Anwendung); zur Anspruchskonkurrenz von Individualansprüchen einzelner und gemeinschaftsbezogener Ansprüche der Gemeinschaft vgl. BGH v. 26.10.2018 – V ZR 328/17, MDR 2019, 284. 25 OVG Hamburg v. 29.4.2004 – 2 Bf 132/00, NVwZ-RR 2005, 707; im Einzelnen Gröhn/HellmannSieg, BauR 2010, 400. 26 BVerwG, v. 20.8.1992 – 4 B 92.92, juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 2 CS 13.807, NVwZ 2013, 1622; BVerwG v. 30.5.2013 – BVerwG 2 C 68.11; BayVGH v. 1.3.2018 – 1 CS 17.2539. 27 BayVGH, v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918, ZWE 2018, 47. 28 Zur unentgeltlichen Überlassung von Wohnungseigentum an einen Minderjährigen vgl. etwa BGH v. 9.7.1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28 = MDR 1981, 37 = NJW 1981, 109. Zimmer | 5
§ 1 WEG Rz. 12 | Begriffsbestimmungen schuldrechtliche Veräußerungs- und Erwerbsvertrag muss notariell beurkundet werden (§ 311b BGB). Der dingliche Vollzug bedarf der Auflassung nach § 925 BGB und der Eintragung im Grundbuch nach § 873 BGB. 12a Besonderheiten sind dort zu beachten, wo die Veräußerung auf noch zu errichtendes Woh-
nungseigentum gerichtet ist. Neben dem eigentlichen Kaufvertrag unterliegt auch die Baubeschreibung dem Beurkundungserfordernis des § 311b BGB.29 Insoweit wird nicht selten von der Erleichterung des § 13a BeurkG Gebrauch gemacht, dh der Kaufvertrag verweist auf eine bereits anderweitig beurkundete Urkunde, die die Baubeschreibung zum Inhalt hat. In diesem Fall können die Beteiligten auf ein erneutes Verlesen und Beifügen der Baubeschreibung verzichten. 12b Bei noch zu errichtendem Wohnungseigentum bedarf neben der Baubeschreibung auch die
Gemeinschaftsordnung der notariellen Beurkundung, soweit sie noch nicht im Grundbuch vollzogen ist und weitere im Kaufvertrag selbst nicht genannte Pflichten enthält und die über die gesetzlichen Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander hinausgeht30 oder von dem gesetzlichen Inhalt abweicht. 12c Soll Wohnungseigentum zu einem Zeitpunkt veräußert werden, in dem noch keine Teilungs-
erklärung in notarieller Form vorliegt und die auch nicht mit der Veräußerung beurkundet werden soll, ist darauf zu achten, dass der Gegenstand der Veräußerung hinreichend bestimmt ist.31 Es bedarf jedenfalls der Vorlage von Plänen, die eine Abgrenzung des (zukünftigen) Sondereigentums und auch des gemeinschaftlichen Eigentums erlauben, auch muss die Lage des Gebäudes auf dem Grundstück ersichtlich sein; schließlich muss der Miteigentumsanteil feststehen, um dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen.32 Da aber bis zur Anlegung der Wohnungsgrundbücher eine Gemeinschaft der Eigentümer nicht besteht, kann der am ungeteilten Grundbesitz durch Vormerkung gesicherte Erwerber keine Rechte nach § 8 Abs. 3 haben.33 13 Bei der Veräußerung und Belastung von Wohnungs- und Teileigentum in einem förmlich
festgelegten Sanierungsgebiet bedarf es der sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 144 BauGB, auch wenn das Wohnungseigentum in diesem Zusammenhang nicht gesondert erwähnt ist.34 Der Erwerb von Wohnungseigentum stellt ferner einen Eigentumserwerb an einem „Grundstück“ i.S.v. § 1 Abs. 1 und § 2 GrEStG dar. Dass der Erwerb des Wohnungseigentums auch zugleich die Mitgliedschaft an einer Personenvereinigung vermittelt (Rz. 17), ändert daran nichts. Der Nießbrauch an Wohnungseigentum ist der Nießbrauch an einer Sache und nicht etwa, wie der Nießbrauch an einer Gesellschaftsbeteiligung, ein Nießbrauch an einem Recht.35 Besonderheiten gelten beim Erwerb von Wohnungseigentum durch einen
29 BGH v. 23.9.1977 – V ZR 90/75, MDR 1978, 214 f. = NJW 1978, 102. 30 Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG Rz. 79. 31 Zum Vorkaufsrecht des Mieters bei Verkauf des Grundstücks vor der bereits beabsichtigten Bildung des Wohnungseigentums vgl. BGH v. 22.11.2013 – V ZR 96/12, MietRB 2014, 67 f. = MDR 2014, 206 f. 32 Vgl. OLG München v. 30.8.2018 – 34 Wx 66/18, ZWE 2018, 442; Brückner, ZNotP 2018, 364; die Bestimmung in der Teilungserklärung, dass zum Sondereigentum bestimmte Gebäudeteile, wider Erwarten nicht sondereientumsfähig sind, dem jeweiligen Eigentümer zur Sondernutzung zugewiesen sind, genügt jedoch dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, OLG Düsseldorf v. 25.5.20222 – 3 Wx 59/22, ZfIR 2022, 502; m. Anm. Weber NotBZ 2022, 383. 33 Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 16 f. 34 LG Berlin v. 9.6.1995 – 85 T 136/95, Rpfleger 1996, 342; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 3890; das gesetzliche Vorkaufsrecht der Gemeinde nach § 24 BauGB gilt zwar auch für den Verkauf von Miteigentumsanteilen, dagegen aufgrund ausdrücklicher Anordnung in § 24 Abs. 2 BauGB nicht für den „Kauf von Rechten nach dem WEG“. 35 BGH v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647.
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I. Allgemeines | Rz. 15 § 1 WEG
Minderjährigen. Auch bei einer Schenkung an einen Minderjährigen bedarf es der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nach §§ 107, 108 BGB. Zwar sind die gesetzlichen Verpflichtungen, etwa zur Tragung der Grundsteuer nicht rechtlich nachteilig, allerdings übernimmt der Minderjährige mit dem Erwerb des Wohnungseigentums auch die Verpflichtungen im Rahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft, was im Hinblick auf die damit einhergehenden Pflichten bereits als rechtlich nachteilig anzusehen ist.36 Wohnungseigentum ist in gleicher Weise wie ein Grundstück belastbar, etwa mit Grund- 14 pfandrechten (vgl. § 1114 BGB) und Vormerkungen (aber nicht hinsichtlich des Anspruchs auf Einräumung von Gemeinschaftseigentum an einer einzelnen Wohnung);37 bei Dienstbarkeiten gilt Folgendes: Wohnungs- und Teileigentum kann herrschendes Grundstück (§ 1018 BGB),38 aber auch dienendes Grundstück einer Grunddienstbarkeit sein.39 Als dienendes Grundstück kommt ein einzelnes Wohnungseigentum aber nur dann in Betracht, wenn die Belastung sich auf die rechtlichen und tatsächlichen Befugnisse beschränkt, die dem jeweiligen Sondereigentümer allein zustehen.40 War das Grundstück vor Aufteilung in Wohnungs- oder Teileigentum bereits mit Dienstbarkeiten oder Grundpfandrechten belastet, werden diese mit Aufteilung zu Gesamtrechten;41 im Grundbuch sind diese mit einem Mithaftvermerk (§ 48 GBO) einzutragen.42 Aber auch nach Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum kann das Grundstück mit Gesamtrechten belastet werden, dies ist insbesondere von Bedeutung für Dienstbarkeiten, die zu ihrer Wirksamkeit der Gesamtbelastung des Grundstücks bedürfen. Die Gesamtbelastung muss dabei nach § 4 Abs. 2 WGV in der Weise eingetragen werden, dass sie als Gesamtbelastung erkennbar ist.43 Zur Begründung der Dienstbarkeit ist die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich44; die Belastung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht möglich. Für die rechtsgeschäftliche Löschung der Dienstbarkeit bedarf es ebenfalls der Zustimmung aller Wohnungs- und Teileigentümer, der einzelne Wohnungseigentümer verliert insoweit seine alleinige Verfügungsbefugnis.45 Das Erlöschen einer Dienstbarkeit, die zu ihrer Wirksamkeit die Bestellung an allen Wohn- und Teileigentumsrechten bedarf, etwa bei Belastung aller Wohnungseigentumseinheiten mit einem Wegerecht zugunsten eines Dritten, im Rahmen der Zwangsvollstreckung in nur ein Wohnungseigentum führt aber zugleich zum Erlöschen des Rechts an allen Wohnungseigentumseinheiten. Das Wohnungseigentum kann Gegenstand der Immobiliarvollstreckung (Zwangsversteige- 15 rung, Zwangsverwaltung und Zwangshypothek) sein. An die Stelle des Grundstücks (vgl. § 1113 BGB) tritt bei Wohnungs- und Teileigentum der dem Wohnungs- oder Teileigentum unterliegende Raum und seine Bestandteile (vgl. § 5). Hinzu kommt als Grundstück im Sinne des § 1113 BGB die anteilige Mitberechtigung am Grundstück. Für die im Rahmen der Zwangsvollstreckung bedeutsame Frage der Zubehöreigenschaft (§ 1120 ff. BGB) können neben den Erzeugnissen des Gemeinschaftseigentums die § 1120 ff. BGB für die dem Woh-
36 37 38 39
40 41 42 43 44 45
BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, MDR 2011, 25 = MietRB 2011, 16 = NJW 2010, 3643. BayObLG v. 7.2.2002 – 2Z BR 166/01, MittBayNot 2002, 189. OLG Düsseldorf v. 22.9.2010 – I – 3 Wx 46/10, ZfIR 2010, 773. BGH v. 19.5.1989 – V ZR 182/87, MDR 1989, 896 = NJW 1989, 2391 (auch zugunsten einer anderen Wohnung derselben Anlage); OLG Hamm v. 7.10.1980 – 15 W 187/80, MDR 1981, 142 = Rpfleger 1980, 469; zum Schicksal der Grunddienstbarkeit bei Aufhebung des Wohnungseigentums OLG München v. 20.2.2017 – 34 Wx 433/16, FGPrax 2017, 114; dazu Herrler, DNotZ 2017, 726. OLG Hamm v. 10.1.2006 – 15 W 437/04. BGH v. 24.1.1992 – V ZR 274/90, MDR 1992, 482 f. = NJW 1992, 1390. BayObLG v. 27.4.1995 – 2Z BR 31/95, Rpfleger 1995, 455. Vgl. Elzer, ZWE 2011, 19. Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG Rz. 151. BayObLG v. 30.6.1983 – BReg. 2 Z 47/83, MDR 1983, 935 = Rpfleger 1983, 434; Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG Rz. 150. Zimmer | 7
§ 1 WEG Rz. 15 | Begriffsbestimmungen nungseigentum unterliegenden Räume entsprechend gelten. Für die zum Haftungsverband des Grundpfandrechts zählenden Ansprüche gehören auch auf das Wohnungseigentum entfallende Abrechnungsguthaben des einzelnen Wohnungseigentümers nach dem Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses der Wohnungseigentümer. Ebenfalls zum Zubehör des Sondereigentums zählen die nach zahlreichen Landesbauordnungen anzubringenden Rauchwarnmelder, soweit diese jedoch in den Gemeinschaftseigentum unterliegenden Flächen angebracht sind, handelt es sich um Zubehör des Gemeinschaftseigentums.46 Gemeinschaftseigentum liegt aber auch dort vor, wo Rauchmelder auf Beschluss der Wohnungseigentümer im Bereich des Sondereigentums angebracht sind.47 15a Eine Vollstreckung in das Verwaltungsvermögen wegen Forderungen gegen den einzelnen
Wohnungseigentümer ist nicht zulässig.48 Dies gilt insbes. auch für die für das Wohnungseigentum zugebuchte Erhaltungsrücklage. Zur Frage der Pfändung des Verwaltungsvermögens wegen Forderungen gegen den Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft, vgl. § 11 Rz. 16 ff. Zur Unzulässigkeit der Aufhebungsklage und der Pfändung des Aufhebungsanspruchs, § 11 Rz. 3 ff.
3. Das gesellschaftsrechtliche Element beim Wohnungs- und Teileigentum 16 Mit § 9a und der darin enthaltenen ausdrücklichen Anerkennung der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer als rechtsfähige Vereinigung ist nunmehr auch gesetzlich anerkannt, dass das Wohnungseigentum „mehr“ ist, als eine besondere Form des Bruchteilseigentums, auf das die Vorschriften des WEG und ergänzend die über die Gemeinschaft (§ 10 Abs. 1 Satz 1 HS 2 i.V.m. §§ 741 ff. i.V.m. §§ 1008 ff. BGB) anwendbar sind. Auf die sich daraus im Einzelnen ergebenden Konsequenzen wird näher in § 9a eingegangen. 17 Jeder Wohnungseigentümer ist zugleich Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentü-
mer und damit auch Mitglied eines personenrechtlichen Verbands („Verband eigener Art“).49 Daneben besteht aber auch die Teilnahme an der Bruchteilsgemeinschaft, die ihre Daseinsberechtigung durch die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit nicht etwa verloren hat. Folglich bleiben die bisherigen Grundsätze des Wohnungseigentums, soweit nicht Teilrechtsfähigkeit vorliegt, weiterhin anwendbar. Der Gesetzgeber bringt diese Differenzierung zwischen Bruchteilsgemeinschaft und rechtsfähiger Gemeinschaft dadurch zum Ausdruck, dass die teilrechtsfähige Wohnungsgemeinschaft als „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ bezeichnet wird, während dort, wo die Teilrechtsfähigkeit nicht vorliegt, sondern die oder der Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen der (modifizierten) Gemeinschaft aufgefasst werden, die Bezeichnung „Wohnungseigentümer“ verwendet wird. 17a Ungeachtet der seit der Entscheidung des BGH50 und der WEG-Novelle 2007 in der Literatur
geführten Diskussion um die gesellschaftsrechtlichen Elemente der Wohnungseigentümergemeinschaft ist auch mit den Änderungen des WEMoG Wohnungseigentum aus Sicht des
46 Im Einzelnen Schultz, ZWE 2009, 383; Schneider, ZMR 2010, 822. 47 BGH v. 8.2.2013 – V ZR 238/11, MDR 2013, 835 = MietRB 2013, 241 = NJW 2013, 3092 = ZfIR 2013, 514 mit Anm. Greupner. 48 Schultzky in NK/BGB, § 10 WEG Rz. 49. 49 So Heinemann in NK/BGB, § 1 WEG Rz. 1. So ist etwa die von der Wohnungseigentümergemeinschaft abgeschlossene Gebäudeversicherung eine „Fremdversicherung“ i.S.d. §§ 74 ff. VVG, soweit sie sich auf das Sondereigentum erstreckt, vgl. OLG Hamm v. 3.1.2008 – 15 W 420/06, MietRB 2008, 174 = ZMR 2008, 401. 50 BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MietRB 2005, 232, 233, 237 = MDR 2005, 1156.
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I. Allgemeines | Rz. 18 § 1 WEG
Wohnungseigentümers zunächst und in erster Linie Eigentum. Die damit verbundenen Mitgliedschaftsrechte sind aus Sicht des Wohnungseigentümers in der Regel von untergeordneter Bedeutung. Allerdings ergibt sich aus der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch, dass diese grundbuchfähig ist, sie kann also selbst Grundbesitz innerhalb,51 etwa eine Hausmeisterwohnung, und außerhalb der eigenen Gemeinschaft, etwa zusätzliche Stellplätze oder eine private Anliegerstraße, erwerben,52 soweit dies zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist (Rz. 32). Ebenso können für die Gemeinschaft Rechte an Grundstücken eingetragen werden, wie etwa ein Verfügungsverbot53 oder eine Zwangssicherungshypothek.54 Auch die Kreditaufnahme, soweit im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung, kann durch die Gemeinschaft der Eigentümer vorgenommen werden.55 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird bei Rechtsgeschäften durch den Verwalter vertreten, es bedarf aber eines Beschlusses der Wohnungseigentümer (§ 9 Abs. 1 HS 2). Für Grundbuchzwecke genügt auch hier die Vorlage des Ermächtigungsbeschlusses i.S.d. § 26 Abs 3.56 Für eine sichere Gestaltung wird allerdings die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung durch alle Wohnungseigentümer vorgeschlagen.57 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist zudem nicht etwa Schuldner grundstücks- 17b bezogener Kosten und Gebühren nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder. Sehen einschlägige Vorschriften eine gesamtschuldnerische Haftung der Miteigentümer vor, schulden die Miteigentümer (nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) als Gesamtschuldner (z.B. § 6 KAG NW i.V.m. § 44). Eine nur quotale Haftung des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 10 Abs. 8 scheidet aus.58
4. Untrennbarkeit von Sondereigentum, Miteigentumsanteil und Verwaltungsvermögen Die Verbindung von Sondereigentum und Miteigentumsanteil sowie die Beteiligung am Ver- 18 waltungsvermögen bilden ein untrennbares Ganzes und können nicht in ihre Bestandteile aufgelöst werden.59 Die rechtsgeschäftliche Begründung eines isolierten Miteigentumsanteils, der nicht mit einem Sonder- oder Teileigentum verbunden ist, ist damit unzulässig.60 Allerdings kann sich ein isolierter Miteigentumsanteil ausnahmsweise bei sogen Begründungsmängeln im Rahmen der Begründung des Wohnungseigentums (dazu § 2 Rz. 15) ergeben.
51 OLG Celle v. 26.2.2008 – 4 W 213/07, MietRB 2008, 171 = ZMR 2008, 210. 52 OLG Hamm v. 4.5.2010 – 15 W 382/09, MietRB 2010, 202 = ZWE 2010, 270; Abramenko, ZWE 2010, 193. 53 Vgl. etwa KG v. 11.10.2013 – 1 W 195/13, 1 W 196/13, NotBZ 2013, 470 – Löschung hat durch alle Wohnungseigentümer zu erfolgen, und zwar auch dann wenn der Verwalter durch Mehrheitsbeschluss bevollmächtigt wurde. 54 OLG München v. 25.4.2013 – 34 Wx 146/13, MDR 2013, 812 = MietRB 2013, 209 = ZWE 2013, 425 – der Vollstreckungstitel muss auf die Wohnungseigentümergemeinschaft lauten, nicht etwa „die Wohnungseigentümer“. 55 Vgl. Pick in Bärmann, Einl. WEG Rz. 35; Elzer, NZM 2009, 57; Derleder, ZWE 2010, 10. 56 OLG Hamm v. 4.5.2010 – 15 W 382/09, MietRB 2010, 202 = ZWE 2010, 270. 57 Heinemann in NK/BGB, § 1 WEG Rz. 11. 58 VG Gelsenkirchen v. 16.9.2009 – 13 K 711/08, ZMR 2010, 410. 59 BGH v. 14.6.2007 – V ZB 18/07, MDR 2007, 1122 = MietRB 2007, 264 = NJW 2007, 2547. 60 BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, BGHZ 109, 179 = MDR 1990, 325; OLG München v. 6.7.2010 – 34 Wx 43/10, MietRB 2010, 331 = ZWE 2010, 459. Zimmer | 9
§ 1 WEG Rz. 19 | Begriffsbestimmungen
II. Begriffe 1. Wohnungseigentum (Abs. 2) 19 Wohnungseigentum ist nach § 1 Abs. 2 das Sondereigentum an einer Wohnung i.V.m. dem
Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. Von dem Teileigentum unterscheidet es sich dadurch, dass Teileigentum an „nicht zu Wohnzwecken“ dienenden Räumen begründet werden kann (nachf. Rz. 22). Maßgebend für die Unterscheidung ist nicht etwa die tatsächliche Nutzung, sondern die bauliche Ausgestaltung der Räume und die vorgenommene Zweckbestimmung in der Teilungserklärung. Die Einordnung als Wohnungs- oder Teileigentum hat dabei dinglichen Charakter und bedeutet damit zugleich die Festlegung des gesetzlichen Inhalts des Eigentums.61 Nach anderer Ansicht handelt es sich dabei um eine Regelung der Wohnungseigentümer untereinander mit Vereinbarungscharakter (§§ 5 Abs. 4 Satz 1, 10 Abs. 3).62 20 Eine gesetzliche Begriffsbestimmung für das Merkmal „Wohnung“ enthält weder das WEG
noch das BGB. Gewöhnlich wird die Wohnung als die Summe der Räume, welche die Führung eines Haushalts ermöglichen, aufgefasst.63 Daher kann etwa an einer Toilette allein kein Wohnungseigentum begründet werden,64 auch wenn sie zu Wohnzwecken dienen mag. Zu dem sogen. Kellermodell s. Rz. 24. Für die Annahme einer Wohnung ist es daher erforderlich, dass eine Haushaltsführung möglich ist, wozu Wasserversorgung, Kochgelegenheit und Toilette vorhanden sein müssen.65 Unproblematisch ist auch die Begründung von Wohnungseigentum an Doppelhaushälften oder sogar freistehenden Häusern als Ganzen.66 Im Übrigen wird auf die Kommentierung zu § 5 verwiesen. Das Grundbuchamt hat jedoch die Voraussetzungen der Möglichkeit einer Haushaltsführung nicht zu prüfen, es ist Sache des Sondereigentümers die bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu beachten.67 Teilw. wird jedoch vertreten, dass bei fehlender Eignung als Wohnung kein Wohnungseigentum begründet werden könne und das Grundbuchamt daher die Eintragung abzulehnen habe.68 Es kann jedoch nicht Aufgabe des Grundbuchamts sein, die Arbeit der Bauaufsichtsbehörden zu überprüfen, zumal die Ausstattungsmerkmale der Wohnung nicht zwingend in den Plänen sichtbar sein müssen. Diese Auffassung vermag auch nicht zu erklären, was geschieht, wenn die Eignung als Wohnung durch spätere bauliche Veränderungen wegfällt; liegt dann Gemeinschaftseigentum vor oder aber etwa nicht vereinbartes Teileigentum? Zum Erfordernis de Abgeschlossenheit s. § 3 Rz. 21 ff. Nicht zu fordern ist, dass die Räume zwingend nebeneinander und angrenzend sein müssen, zur „Wohnung“ können damit auch Räume gehören, die außerhalb der räumlich als Wohnung betrachteten Räume liegen.69 Der Begriff des
61 Rapp in Staudiner, BGB, § 1 WEG Rz. 1. 62 Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG Rz. 27; Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG, zum Streitstand Rz. 26; OLG Hamm v. 13.2.2006 – 15 W 163/05, MietRB 2006, 321 f. = NZM 2007, 294 f. 63 Hügel in Würzburger Notarhandbuch, S. 991; Wicke in Grüneberg, BGB, § 1 WEG Rz. 2; Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 10. 64 OLG Düsseldorf v. 4.2.1976 – 3 W 315/75, NJW 1976, 1458; Bärmann/Pick, § 1 WEG Rz. 2 m.w.N. 65 OLG Hamm v. 11.6.1986 – 15 W 452/85, MDR 1986, 939 = Rpfleger 1986, 374; OLG Nürnberg v. 14.5.2012 – 10 W 1797/11, MDR 2012, 900 = MietRB 2012, 301 = NZM 2012, 867. 66 BGH v. 3.4.1968 – V ZB 14/67, BGHZ 50, 56 – die konstruktiven Teile können jedoch kein Sondereigentum sein. 67 KG v. 13.10.2022 – 1 W 396/21 – MDR 2023, 158; Wobst, DNotZ 2021, 582; ders notar 2022, 317; a.A. Hügel/Elzer, NZM 2023, 57, zur Prüfungskompetenz des Grundbuchamts zustimmend auch Köther, RNotZ 2021, 377. 68 Hügel/Elzer, ZWE 2023, 57. 69 OLG Nürnberg v. 14.5.2012 – 10 W 1797/11, MDR 2012, 900 = MietRB 2012, 301 = NZM 2012, 867.
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II. Begriffe | Rz. 23 § 1 WEG
„Wohnens“ ist weit zu verstehen.70 Mit dieser Begründung hat der BGH etwa täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste im Grundsatz als zulässig angesehen71 Auf die steuerrechtliche Einordnung der Einkünfte des Vermieters oder eine unternehmerischen Tätigkeit des Eigentümers kommt es nicht an. Der Begriff „Wohnung“ setzt den Begriff eines Gebäudes voraus. Der Begriff des Gebäudes 21 ist im Wohnungseigentumsgesetz nicht definiert. Grundsätzlich wird darunter ein nach allen Seiten abgeschlossenes Bauwerk verstanden, das einer Nutzung zugängliche Räume enthält.72 Zum Zeitpunkt der Begründung von Wohnungseigentum muss das Gebäude (§ 3) noch nicht fertig gestellt sein, es muss noch nicht einmal mit dem Bau begonnen sein. Wohnungseigentum kann auch aufgrund des genehmigten und mit der Abgeschlossenheitsbescheinigung versehenen Bauplans begründet werden.
2. Teileigentum (Abs. 3) Teileigentum ist das Sondereigentum an den Räumen, die nicht zu Wohnzwecken dienen, 22 i.V.m. dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem das Sondereigentum gehört (Abs. 3). Mit dieser negativen Inhaltsbestimmung ist bei Teileigentum jede nicht wohnungsmäßige Nutzung denkbar; damit darf sie grundsätzlich nur zu Zwecken genutzt werden, die nicht dem Wohnen zuzuordnen sind.73 Teileigentum wird in der Regel dort gebildet, wo das Gebäude allein gewerblichen Zwecken dienen soll, etwa Bürogebäuden oder aber eine gemischte Nutzung vorgesehen ist, wie etwa bei Ladengeschäften im Erdgeschoss und Wohnraumnutzung in den darüber liegenden Geschossen. Anders als bei Wohnungseigentum ist das Vorhandensein einer Toilette oder Waschgelegenheit hier nicht erforderlich.74 Daher kann Teileigentum etwa auch an einem Hotelzimmer begründet werden, selbst wenn zur Nutzung weitere Einrichtungen eines Hotels, etwa der Frühstücksraum, erforderlich sind.75
3. Gemischtes Wohnungs- und Teileigentum Neben der häufiger vorkommenden gemischten Nutzung einer Wohnungseigentumsanlage 23 für Wohn- und andere Nutzungszwecke ist auch die gemischte Nutzung einer Sondereigentumseinheit76 möglich und auch im Grundbuch einzutragen, wenn eine Nutzung sowohl zu Wohnzwecken als auch zu anderen Zwecken in der Teilungserklärung bestimmt ist;77 eine derartige Zweckbestimmung sollte allerdings möglichst konkret sein. Damit ist bei einer alternativen Nutzung der Räume zu Wohn- oder anderen Zwecken auch möglich die Nutzung gänzlich offen zu lassen. Für die Grundbucheintragung (Wohnungs- oder Teileigentum) hat das Grundbuchamt im Sinne des überwiegenden Nutzungszwecks zu entscheiden; auf die 70 BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, ZfIR 2018, 17. 71 BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, NJW 2010, 3093. 72 Etwa Morvillus in Meikel, GBO, Einl. B Rz. 137 m. w. Nachw.; dazu können auch sogen. „schwimmende Häuser“ zählen, soweit eine feste Verankerung mit dem Grund und Boden vorliegt; vgl. Schl.-Holst. OLG v. 19.4.2016 – 2 Wx 12/16, FGPrax 2016, 155. 73 BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, ZfIR 2018, 17. 74 Wicke in Grüneberg, BGB, § 1 WEG Rz. 3; OLG Naumburg NotBZ 2005, 231. 75 Ebenso LG München II v. 21.2.2008 – 6 T 6592/07; abw. LG Halle v. 2.3.2004 – 2 T 78/03, NotBZ 2004, 242; wie hier etwa Häublein, NotBZ 2004, 243, Böttcher, Rpfleger 2005, 649; Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 15. 76 Vgl. BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, ZfIR 2018, 17; Rapp in Staudinger, BGB, § 1 WEG Rz. 11; Schäuble in Soergel § 1 Rz. 20. 77 Vgl. BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, ZfIR 2018, 17. Zimmer | 11
§ 1 WEG Rz. 23 | Begriffsbestimmungen Bezeichnung in der Teilungserklärung kommt es dabei nicht an.78 Bei der Veräußerung kann allerdings die Veräußerung eines zu Wohnzwecken dienenden Raumes, für den eine andere Nutzungsart in der Teilungserklärung bestimmt ist, ein Rechtsmangel sein.79
4. Zweckbestimmungswidriger Gebrauch 24 Nach § 13 Abs. 1 kann jeder Wohnungseigentümer, soweit nicht das Gesetz entgegensteht,
mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren. Jedoch können die Wohnungseigentümer nach § 10 den Gebrauch des Sondereigentums regeln. Es handelt sich dann um eine Nutzungsbeschränkung (z.B. „Hobbyraum“) mit Vereinbarungscharakter, die eine abweichende Nutzung nur zulässt, wenn diese abweichende Nutzung bei „typisierender Betrachtung“ nicht mehr stört, als die vorgesehene Nutzung.80 So darf etwa ein in der Teilungserklärung als Teileigentum und „Hobbyraum“ ausgewiesener Raum nicht zu Wohnzwecken (soweit nicht nur vorübergehend) genutzt werden, weil die Wohnnutzung eine intensive Nutzung bedeuten würde.81 Zulässig sind dabei Zweckvereinbarungen, die entweder bestimmte Nutzungen ausschließen (sog. negative Zweckvereinbarung) oder solche, die eine bestimmte Nutzung ausdrücklich vereinbart (sog. positive Zweckvereinbarung). Im Falle einer negativen Zweckvereinbarung besteht die Notwendigkeit, den Kreis der ausgeschlossenen Nutzungen hinreichend konkret zu bezeichnen, denn anderenfalls muss erst im Wege der Auslegung – letztverbindlich durch ein Gericht – entschieden werden, in welcher Weise das Sondereigentum genutzt werden darf.82 Möglich ist damit insbesondere auch die Vereinbarung einer negativen Nutzungsbeschränkung für bestimmte Gewerbe in der Weise, dass bestimmte Gewerbe, etwa einer „Spielhalle“ unzulässig sind.83 Liegt eine positive Zweckvereinbarung, etwa die Bestimmung zur Nutzung als Ferienwohnung oder für betreutes Wohnen,84 nicht vor, stellt sich die Frage, ob die in der Teilungserklärung vorgenommene Bestimmung als Wohnungseigentum bereits dann zu einer zweckwidrigen Verwendung führt, wenn das Wohnungseigentum für gewerbliche Zwecke genutzt und umgekehrt Teileigentum für Wohnzwecke genutzt wird; zu beachten ist aber etwa das der BGH die gewerbliche Vermietung von Wohnungseigentum an ständig wechselnde Feriengäste bei fehlender negativer wie positiver Konkretisierung für zulässig hält, weil die Wohnung auch hier zu Wohnzwecken dient.85 Eine zweckwidrige Nutzung einer Wohnung für gewerbliche Zwecke oder umgekehrt 78 BGH v. 5.3.2010 – V ZR 62/09, MDR 2010, 737 = MietRB 2010, 170 = NZM 2010, 407. 79 BGH v. 28.2.1997 – V ZR 27/96, MDR 1997, 538 f. = NJW 1997, 1778. 80 Zur Nutzung von Teileigentum als Freikirche LG Berlin v. 22.5.2018 – 55 T 15/18, Grundeigentum 2018, 775. 81 BGH v. 16.6.2011 – V ZA 1/11, ZfIR 2011, 757; die Überlassung von Wohnungseigentum an Asylbewerber stellt i.d.R. keine zweckwidrige Nutzung dar, es sei denn es liegt im Einzelfall eine übermäßige Inanspruchnahme vor; auch fehlt es der Eigentümergemeinschaft an der Beschlusskompetenz zu einer Untersagung; vgl. AG Laufen v. 4.2.2016 – 2 C 565/15 WEG, Grundeigentum 2016, 401. 82 Vgl. etwa Pick in Bärmann, § 15 Rz. 37, der unter Vertragsgestaltungsgesichtspunkten tendenziell zu einer positiven Zweckvereinbarung rät; dem ist aber nicht zuzustimmen, weil die positive Nutzung zukünftigen, nicht vorhersehbaren Nutzungen entgegenstehen kann. Problematisch (aber zulässig) ist etwa die Vereinbarung der Untersagung derartiger Gewerbe, die geeignet seien, dass Ansehen der übrigen Wohnungseigentümer zu beeinträchtigen, so OLG Hamm v. 25.9.1989 – 15 W 314/88, RPfleger 1990, 17. 83 OLG Hamm v. 25.9.1989 – 15 W 314/88, RPfleger 1990, 17. 84 Zu den Grenzen vgl. BGH v. 13.10.2006 – V ZR 289/05, MDR 2007, 326 = MietRB 2007, 68 (Betreutes Wohnen). 85 BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, NJW 2010, 3093; nicht überzeugend BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, ZfIR 2018, 17 wonach bei einer Asylbwerberunterkunft Wohnzwecke nicht vorlägen, weil die Unterkunft den Charakter eines „Heimes“ habe; dort auch zu „Wohngruppen“ und Alters- und Pflegeheimen.
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II. Begriffe | Rz. 25 § 1 WEG
kann zu Unterlassungsansprüchen der anderen Wohnungseigentümer führen. Allerdings ist zu beachten, dass hierfür eine Beeinträchtigung erforderlich ist. Bei Teileigentum ist der Gebrauch als Wohnung grundsätzlich unzulässig.86 Etwas anderes kann gelten, wenn die Zweckbestimmung des Teileigentums einen Gebrauch zulässt, der nicht weniger störend ist, als der Gebrauch zu Wohnzwecken.87 Nutzungsrechte sind der Auslegung zugänglich. Eine anderweitige Nutzung ist jedenfalls dann erlaubt, wenn diese das Gemeinschaftsverhältnis nicht mehr als die vereinbarte Nutzung beeinträchtigt. Auch der im Wohnungseigentum ausgeübte Betrieb eines Gewerbes führt nicht zwangsläufig zu einer solchen Beeinträchtigung.88 Maßgeblich ist allein, ob die Ausübung eine wesentlich höhere Beeinträchtigung zur Folge hat als in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen.89
5. Umwandlung von Wohnungseigentum in Teileigentum und umgekehrt Die Umwandlung des Wohnungseigentums in Teileigentum und umgekehrt ist eine Ge- 25 brauchsregelung i.S.d. § 10 und erfordert die Vereinbarung durch alle Eigentümer90 (§ 5 Abs 4, § 10 Abs. 3), sowie der Zustimmung derjenigen zu deren Gunsten Wohnungseigentum dinglich belastet ist (zur Vollmacht in der Teilungserklärung vgl. § 2 Rz. 11a).91 Die bloße Änderung der tatsächlichen Nutzung, eine dahingehende Beschlussfassung oder auch bauliche Veränderungen führen nicht zu einer Umwandlung.92 Ob die Eintragung der Zweckänderung im Grundbuch zur Wirksamkeit erforderlich ist oder ob die Eintragung nur zur Herbeiführung der Wirkungen des § 10 Abs. 3 erforderlich ist,93 ist streitig (vgl. § 10 Rz. 61) aber wohl zu bejahen.94 Möglich ist auch eine vorweggenommene Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Umwandlung,95 die stillschweigend erfolgen kann, etwa durch (ausdrückliche) Zustimmung zu Umbaumaßnahmen, wie dem Umbau des im Teileigentum ste-
86 BayObLG v. 7.7.2004 – 2Z BR 89/04, ZMR 2004, 925; Pfälz. OLG v. 14.12.2005 – 3 W 196/05, MDR 2006, 744 (Nutzung eines als Keller bezeichneten Teileigentums als Wohnung); BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, ZfIR 2018, 17 (Asylbewerberheim). 87 BayObLG v. 10.11.2004 – 2Z BR 169/04, FGPrax 2005, 11 = NZM 2005, 263. 88 OLG Düsseldorf v. 14.11.2007 – I-3 Wx 40/07, WuM 2008, 114. 89 OLG Düsseldorf v. 14.11.2007 – I-3 Wx 40/07, BeckRS 2007, 19186 = NJW-Spezial 2008, 35. 90 Vgl. etwa BGH v. 4.12.2014 – V ZB 7/13, ZfIR 2015, 492 m. Anm. Ott = DNotZ 2015, 483 = NotBZ 2015, 308 = MDR 2015, 640 = MietRB 2015, 173; BGH v. 16.7.2021 – VZR 284/19, ZfIR 2021, 489 m. Anm. Elzer; OLG Frankfurt v. 31.7.2014 – 20 W 111/14, ZWE 2015, 320; BGH v. 26.9.2003 – V ZR 217/02, MDR 2004, 84 = DNotZ 2004, 145; Armbrüster, ZMR 2005, 244; OLG Celle v. 30.5.2000 – 4 W 53/00, ZWE 2001, 33; KG v. 17.2.2015 – 1 W 370/14, NotBZ 2015, 386; Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WG Rz. 53; zur Frage, ob ein neuer Aufteilungsplan erforderlich ist, vgl. OLG Bremen v. 27.11.2001 – 3 W 52/01, ZWE 2002, 184 = NZM 2002, 610; Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 15 (verneinend). 91 Demharter, GBO, Anh. zu § 3 Rz. 91; dies gilt auch für Vormerkungsberechtigte oder des Berechtigten bei einem Verfügungsverbot nach § 938 ZPO, vgl. KG v. 17.2.2015 – 1 W 370/14, NotBZ 2015, 386; zu den Grenzen dem Verwalter erteilter Vollmachten OLG Frankfurt, v. 3.11.2014 – 20 W 241/14, NZM 2015, 457. 92 KG v. 1.3.2004 – 24 W 158/02, MietRB 2004, 236 = FGPrax 2004, 216. 93 Vgl. etwa BGH v. 11.5.2012 – V ZR 189/11, ZWE 2012, 361 (mit dem Hinweis darauf, dass auch eine langjährige unbeanstandete Nutzung einen Anspruch auf Mitwirkung bei der Änderung nicht begründet); OLG Frankfurt v. 31.7.2014 – 20 W 111/14, ZWE 2015, 320. 94 BGH v. 4.12.2014 – V ZB 7713 = ZfIR 2015, 492; zur Frage ob die Umwandlung in einem Gebiet mit Erhaltungssatzung oder im Anwendungsbereich des § 250 BauGB einem behördlichen Genehmigungserfordernis unterliegt, vgl. § 2 Rz. 14a. 95 OLG München v. 11.11.2016 – 34 Wx 264/16, NZM 2017, 45. Zimmer | 13
§ 1 WEG Rz. 25 | Begriffsbestimmungen henden Speichers zu Wohnzwecken.96 Die Einhaltung der Form des § 4 ist nicht erforderlich. Der Zustimmung dinglich gesicherter Gläubiger am gesamten Grundstück bedarf es dagegen nicht.97 Es bedarf auch keines geänderten Aufteilungsplanes oder einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung,98 auch wenn die Anforderungen an Teileigentum und Wohnungseigentum sich unterscheiden mögen, mithin Teileigentum auch dort gebildet werden kann, wo Wohnungseigentum nicht gebildet werden könnte (etwa fehlende Küche, vgl. Rz. 20), beschränkt sich die Zwecksetzung der Abgeschlossenheit in der Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum; diese Abgrenzung ist bei der Umwandlung aber problemlos auch ohne Abgeschlossenheitsbescheinigung möglich. Schließlich enthält die AVA (2021) auch keine Definition des Wohnungseigentums oder einer erforderlichen Mindestausstattung.99.
6. Gemeinschaftliches Eigentum a) Grundsatz 26 Nach § 1 Abs. 5 ist gemeinschaftliches Eigentum das Grundstück sowie alle Teile, Anlagen
und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen. Eine gesetzliche Definition des Begriffs „Sondereigentum“ fehlt. Der Begriff lässt sich jedoch aus der Gegenüberstellung zum gemeinschaftlichen Eigentum erklären.100 Gegenstand des Sondereigentums sind die durch Vertrag oder Teilungserklärung bestimmten Räume sowie die dazu gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum unzulässig beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird (§ 5 Abs. 1). Damit kann gemeinschaftliches Eigentum als all das aufgefasst werden, was nicht Sondereigentum ist. Dabei besteht eine Vermutung für das Gemeinschaftseigentum.101 Lässt sich also nicht sicher feststellen, ob eine bestimmte Einrichtung oder „Sache“ im Sondereigentum des einzelnen Wohnungseigentümers oder im Gemeinschaftseigentum steht, gilt nach Abs 5 die Vermutung für das Vorliegen von Gemeinschaftseigentum. 26a Zu beachten ist auch § 5 Abs. 2, wonach bestimmte Teile, Anlagen und Einrichtungen des
Gebäudes nicht im Sondereigentum stehen können und damit zwingend gemeinschaftliches Eigentum sind. In der Regel handelt es sich dabei um solche Teile, die für den Bestand oder die Sicherheit des Gebäudes von besonderer Wichtigkeit sind. b) Gemeinschaftlicher Gebrauch 27 Gemeinschaftliches Eigentum sind zunächst alle Teile, Anlagen und Einrichtungen des Ge-
bäudes, die zwingend dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen. Teile eines Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, können nicht Gegen96 Vgl. aber KG v. 1.3.2004 – 24 W 158/02, MietRB 2004, 236 = FGPrax 2004, 216. 97 Demharter, GBO Anh. zu § 3 Rz. 95; abw. Für Wohnungs- und Nießbrauch: Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 55. 98 Str., wie hier etwa Heinemann in NK/BGB, § 1 WEG Rz. 3; a.A. etwa Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG Rz. 38; Hügel, RNotZ 2005, 149; KG v. 23.4.2013 – 1 W 343/12 = MDR 2013, 837 = MietRB 2013, 210 = ZWE 2013, 322; Rapp, RNotZ 2013, 383; Demharter, GBO Anh. zu § 3 Rn. 91 mit Verweis auf BayOblG Rpfleger 1998, 194; vermittelnd Schäuble in Soergel, § 1 WEG Rz. 30 und Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 15. (erneute Abgeschlossenheitsbescheinigung nur bei Änderung in Wohnungseigentum). 99 KG v. 27.6.2022 – 1 W 122/22, ZMR 2023, 128. 100 Hügel in Bamberger/Roth, § 1 WEG Rz. 7; Armbrüster in Bärmann, § 1 WEG Rz. 7 ff. 101 BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, BGHZ 109, 179 = MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447.
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II. Begriffe | Rz. 27c § 1 WEG
stand des Sondereigentums sein.102 Dies sind etwa Bestandteile des Gebäudes, die für die Sicherheit und Standfestigkeit des Gebäudes erforderlich sind, Treppenaufgänge in Mehrfamilienhäusern, Zufahrtswege usw., aber auch Wohnungseingangstüren103 (vgl. im Einzelnen § 5 Rz. 22 ff.). Auch wenn Gemeinschaftseigentum in den Räumen des Sondereigentums an- bzw. unter- 27a gebracht ist, handelt es sich dabei um Gemeinschaftseigentum.104 Räume, die der gemeinschaftlichen Versorgung bzw. dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Bewohner dienen und damit wesentlicher Bestandteil des Gebäudes sind, sind deshalb nicht zwingend gemeinschaftliches Eigentum. Die Sondereigentumsfähigkeit kommt dann in Betracht, wenn die Räumlichkeit nicht ausschließlich demselben Zweck wie die gemeinschaftliche Anlage dient.105 Ob die Räumlichkeit auch anderen Zwecken zu dienen bestimmt ist, richtet sich in erster Linie nach den Nutzungsangaben im Aufteilungsplan.106 Eine sekundäre zweckfremde Nutzung ist damit nicht ausgeschlossen. Maßgebend ist allein, ob die Räumlichkeit nach ihrer Art, Lage und Beschaffenheit, insbesondere auch ihrer Größe, objektiv geeignet ist, noch andere, zumindest annähernd gleichwertige Nutzungszwecke zu erfüllen; untergeordnete oder lediglich periphere Nutzungsmöglichkeiten müssen indes außer Betracht bleiben.107 Zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören weiterhin die Sondernutzungsrechte i.S.d. § 10 27b Abs. 3. Teilweise wird neben Sonder- und Teileigentum einerseits und Gemeinschaftseigentum andererseits (abgesehen vom Verbandsvermögen der Gemeinschaft) noch eine weitere Form des Eigentums in Gestalt eines sogen. Mitsondereigentums für zulässig gehalten.108 Danach soll bestimmtes Sondereigentum mehreren (jedoch nicht allen) Wohnungseigentümern nebeneinander aber als Einzelberechtigung zustehen. Abgesehen von den begrifflich abgeschlossenen Möglichkeiten der besonderen Eigentumsformen des WEG als Ausnahme vom Eigentumsbegriff des BGB,109 fehlt es auch an der praktischen Notwendigkeit einer derartigen Eigentumsform. Die Wohnungseigentümer können durch Vereinbarung in ausreichendem Maße Nutzungsbefugnisse für einzelne Wohnungseigentümer begründen.110 Eine besondere Form des Eigentums wird aber ganz überwiegend für das sogen. Nachbar- 27c eigentum anerkannt. Das Nachbareigentum ist zwar im Gesetz ebenfalls nicht vorgesehen, wird aber dann anerkannt, wenn an sondereigentumsfähigen Gegenständen Miteigentum mehrerer Personen besteht. Dies soll etwa bei nicht tragenden (damit nicht zwingend Gemeinschaftseigentum) Trennwänden zwischen zwei Wohnungseigentumseinheiten vorliegen.111 Die Anerkennung eines derartigen Miteigentums käme vor allem dem praktischen Bedürfnis der Wohnungseigentümer entgegen, denn nur so kann etwa eine Trennwand der 102 AG Schwäbisch Hall v. 18.7.2008 – 5 GR 33/06, zum Gemeinschaftseigentum an einer freistehenden Garage; vgl auch § 5 Rz. 51, 73, 82 mit weiteren Beispielen § 5 Rz. 61 ff. 103 BGH v. 25.10.2013 – V ZR 212/12, ZfIR 2014, 14 = MDR 2014, 18 = NotBZ 2014, 105 = MietRB 2014, 9. 104 AG Ahrensburg v. 25.9.2008 – 37 C 11/08, ZMR 2009, 78. 105 OLG Frankfurt v. 10.5.2022 – 20 W 292/20, MietRB 2023, 39; OLG Dresden v. 29.3.2017 – 17 W 233/17 – NotBZ 2017, 227; BayObLG v. 30.10.2003 – 2Z BR 184/03, DNotZ 2004, 386 f. 106 Schl.-Holst. OLG, Beschl. v. 30.10.2002 – 2 W 39/02, ZMR 2004, 68 f. 107 Schl.-Holst. OLG v. 6.3.2006 – 2 W 13/06, MittBayNot 2006, 504 (spezifischer Charakter eines Kellerraumes mit zentraler Heizungsanlage geht nicht dadurch verloren, dass er auch sekundär als Abstell- oder Lagerraum genutzt wird). 108 Erstmals Hurst, DNotZ 1986, 131 ff. 109 Vgl. BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, ZfIR 2016, 276 = MDR 2016, 147 = NotBZ 2016, 139 = MietRB 2016, 41 mit Hinweis auf die Möglichkeit eines „lotrecht“ geteilten Sondereigentums und damit gespaltenes Eigentum, wie es im Nachbarrecht, vgl. BGH v. 27.3.2015 – V ZR 216/13, NJW 2015, 2489 = MDR 2015, 700, bekannt ist. 110 Armbrüster in Bärmann, § 3 WEG Rz. 29. 111 Vgl. ausführlich Armbrüster in Bärmann, § 3 WEG Rz. 30. Zimmer | 15
§ 1 WEG Rz. 27c | Begriffsbestimmungen Gemeinschaft entzogen und der gemeinsamen Nutzung der betroffenen Miteigentümer zugewiesen werden. Der BGH112 lehnt eine solche Form des Eigentums jedoch mit der Begründung ab, dass hierfür jede gesetzliche Grundlage fehle. Auf derartige (im gemeinschaftlichen Eigentum aller Wohnungseigentümer) stehenden Einrichtungen (vor allem Trennwände) finden die §§ 921, 922 Satz 3 BGB entsprechende Anwendung. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob zwischen Miteigentümern von Wohnungs- oder Teileigentum nachbarrechtliche Ansprüche, etwa nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen können. Dies hat der BGH bejaht und zwar auch im Verhältnis zwischen den Mietern.113 aa) Das Grundstück 28 Das Grundstück steht (zwingend) im Eigentum der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören damit auch die Früchte des Grundstücks, also etwa das Obst der Gartenbäume (§ 953 BGB). 28a Ein Wohnungseigentümer kann nicht vom Miteigentum an dem Grundstück ausgeschlossen
sein.114 Grundstück in diesem Sinne ist das Grundstück i.S.d. GBO (§ 3 Abs. 1 GBO), mithin auch die unbebaute Fläche des Grundstücks. Soll auf mehreren Grundstücken (Flurstücken), die im Grundbuch nicht unter einer laufenden Nummer eingetragen sind, eine Wohnungseigentumsanlage errichtet werden, so müssen diese Grundstücke gem. § 890 Abs. 1 BGB vereinigt werden115 oder ein Grundstück dem anderen als Bestandteil zugeschrieben werden (§ 890 Abs. 2 BGB).116 Die Vereinigung setzt nicht zwingend voraus, dass die zu vereinigenden Grundstücke aneinander angrenzen müssen, sie müssen jedoch demselben Eigentümer gehören (§ 5 GBO). Die Verbindung von Sondereigentum mit Miteigentum an mehreren Grundstücken ist aufgrund ausdrücklicher Anordnung in § 1 Abs. 4 BGB ausgeschlossen.117 Eine katastermäßige Verschmelzung der Grundstücke ist in keinem Falle erforderlich. Die Buchung im gleichen Grundbuchblatt genügt jedoch nicht. bb) Überbau 29 Besondere Probleme stellen sich dann, wenn Wohnungseigentum Gegenstand eines Über-
baus ist. Handelt es sich um einen entschuldigten (§ 912 BGB) oder rechtmäßigen Überbau, gilt der Überbau als wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks (§§ 93 f. BGB), sofern ein einheitliches Gebäude anzunehmen ist, worüber die Verkehrsanschaung entscheidet118. Dem steht auch Abs. 4 nicht entgegen.119 Kein Wohnungseigentum kann hingegen bei unrechtmäßigem Überbau auf dem überbauten Grundstück entstehen,120 sodass eine Realtei112 BGH v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MietRB 2012, 13 = MDR 2012, 17 = NJW-RR 2012, 85 (Hebevorrichtung eines Duplexparkers). 113 BGH v. 25.10.2013 – V ZR 230/12, MDR 2014, 23 ff. = NJW 2014, 458 mit Anm. Ott = ZfIR 2014, 70; dies gilt aber nicht bei Beeinträchtigungen durch oder von Gemeinschaftseigentum. 114 Krafka in MünchKomm/BGB, Einl. WEG Rz. 39. 115 Saarl. OLG v. 29.6.1988 – 5 W 143/88, Rpfleger 1988, 479. 116 Commichau in MünchKomm/BGB, (2020), § 1 WEG Rz. 18. 117 Zur Problematik bei Wohnungseigentumsanlagen, die vor Schaffung des § 1 Abs. 4 auf mehreren Grundstücken errichtet wurden, vgl. etwa Rapp in Staudinger, BGB, § 1 WEG Rz. 28. 118 BGH v.15.6.2023 - V ZB 12/22. 119 Etwa Heinemann in NK/BGB, § 1 WEG Rz. 6. 120 OLG Hamm v. 28.11.1983 – 15 W 172/83, OLGZ 1984, 54; Wicke in Grüneberg, BGB, § 1 WEG Rz. 7; zu Besonderheiten bei einem „nachträglichen“ Überbau, vgl. KG v. 19.8.2015 – 1 W 765/15, FGPrax 2016, 3; etwa anderes gilt aber für sogen. „überhängenden Überbau“, wie etwa Balkone, Erker usw., die auf das Nachbargrundstück hinausragen; hier soll auch bei unrechtmäßigen Überbau das Eigentum am Stammgrundstück entstehen, KG v. 23.7.2015 – 1 W 759/15, MDR 2015, 999 = NotBZ 2016, 43 = MietRB 2015, 332.
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II. Begriffe | Rz. 32 § 1 WEG
lung des Gebäudes auf der Grundstückslinie erfolgt. Bei Zweifeln hat das Grundbuchamt nicht etwa einen Nachweis zu verlangen, dass entweder ein Überbau nicht vorliegt oder aber der überbaute Teil wesentlicher Bestandteil des aufzuteilenden Grundstücks ist.121 Nach §§ 93 f. BGB ist der Eigentümer des Grundstücks auch der des darauf errichteten Ge- 30 bäudes. Dies gilt im Hinblick auf Abs. 4 auch für den Überbau bei Wohnungseigentum.122 Der Überbau gilt vielmehr als wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks, so dass rechtlich Wohnungseigentum nur an einem Grundstück begründet wird123. Ob das Stammgrundstück von Größe und Wert bedeutend ist, ist dabei nicht maßgebend.124 cc) Veräußerung von realen Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums Eine Verfügung über reale Teile des gemeinschaftlichen Grundstücks kann nur von allen 31 Wohnungseigentümern insgesamt durch Auflassung vorgenommen werden (§ 747 Satz 2 BGB). Ein Mehrheitsbeschluss kann die Wohnungseigentümer nicht zu einer Mitwirkung verpflichten, weil es sich nicht um eine Maßnahme der Verwaltung handelt, sondern um ein sachenrechtliches Grundgeschäft,125 das das Grundstück insgesamt umfasst. Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung hat dabei auf allen Wohnungsgrundbüchern gleichzeitig zu erfolgen.126 Sofern auf der abzutrennenden Fläche Sondereigentum besteht, muss dieses zunächst aufgehoben werden.127 Zum Erfordernis der Zustimmung dinglich Berechtigter, vgl. § 5 Rz. 40 ff.; wollen die Wohnungseigentümer in dieser Weise eine Teilfläche veräußern, bedarf es allerdings nicht der Aufhebung und Neubegründung aller Sondereigentumsrechte, sondern nur der Aufhebung derjenigen Sondereigentumsrechte, die auf der zu veräußernden Teilfläche ruhen. Dabei entstehende isolierte Miteigentumsanteile müssen mit einem oder mehreren Miteigentumsanteilen am Restgrundstück verbunden werden.128 Die Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks kann dabei nur durch alle Wohnungseigentümer erfolgen, diese können den Verwalter bevollmächtigen, die Veräußerung vorzunehmen, allerdings nicht durch Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung, sondern mittels rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung durch die einzelnen Wohnungseigentümer.129
7. Gemeinschaftsvermögen, sonstiges Vermögen Nicht zum gemeinschaftlichen Eigentum zählt hingegen aufgrund der ausdrücklichen An- 32 ordnung das Gemeinschaftssvermögen (§ 9 Abs. 3) der Gemeinschaft, also die Gesamtheit der im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums erworbenen Vermögensgegenstände einschließlich der Verbindlichkeiten und Forderungen,130 da ansonsten diese Vorschrift überflüssig wäre. Entsprechendes gilt für sonstiges gemeinschaftliches Vermögen, wie etwa Gartengerätschaften. Das Gemeinschaftsvermögen „gehört“ nach dieser Vorschrift der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Seine Verwendung sowie Fragen der Sonderrechts121 So aber OLG Karlsruhe v. 23.10.2012 – 14 Wx 7/11, ZWE 2014, 23 = BWNotZ 2013, 117 mit abl. Anm. Sandweg; vgl. auch Zimmer, NJW 2014, 337. 122 Wicke, DNotZ 2006, 252. 123 BGH v.15.6.2023 - V ZB 12/22. 124 OLG Stuttgart v. 5.7.2011 – 8 W 229/11, MietRB 2011, 347 = ZWE 2011, 410. 125 BGH v. 12.4.2013 – V ZR 103/12, MDR 2013, 765 = MietRB 2013, 208 = NJW 2013, 1962; Reymann, ZWE 2013, 315. 126 Rapp in Staudinger, BGB, § 1 WEG Rz. 38; dort auch zu abweichenden Auffassungen bei Verfügungen über Straßengrund. 127 LG Düsseldorf MitRhNotK 1980, 77. 128 KG v. 25.10.2011 – 1 W 479/11, ZfIR 2011, 839. 129 OLG München v. 22.1.2010 – 34 Wx 125/09, MietRB 2010, 142 = NJW 2010, 1467. 130 Zur Umlage vgl. BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, NJW 2018, 2044 „Verwalterabruf“. Zimmer | 17
§ 1 WEG Rz. 32 | Begriffsbestimmungen nachfolge, Pfändung usw. sind in § 9a Abs. 4 geregelt (vgl. im Einzelnen § 9a Rz. 119 ff.). Frühere Auffassungen, die dieses Vermögen den §§ 741 ff. BGB oder den Regelungen über gemeinschaftliches Eigentum nach § 1 Abs. 5 unterwerfen wollten,131 sind damit überholt. Das Gemeinschaftsvermögen ist der Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtssubjekt zugewiesen. Unabhängig vom Erwerb des Sondereigentums hat der einzelne Wohnungseigentümer an dem Verwaltungsvermögen keinen selbständigen Anteil. Der Wohnungseigentümer kann etwaige Rechte und Auseinandersetzungsansprüche an dem Verwaltungsvermögen nicht selbstständig übertragen. Der „Anteil“ des Wohnungseigentümers am Verwaltungsvermögen kann damit auch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändet werden. Zur Pfändung des Verwaltungsvermögens bedarf es eines Titels gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft. Zum Verwaltungsvermögen kann insbesondere auch Grundeigentum oder Miteigentum gehören, etwa eine private Anliegerstraße oder ein anderer dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienendes Grundstück.132 Der Erwerb durch die Eigentümergemeinschaft erfordert einen Beschluss der Wohnungseigentümer (§ 9b Abs. 1 HS 2). Als Verwaltungsmaßnahme ist sie nur dann unzulässig, wenn es sich offenkundig nicht um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung handelt. Damit ist die Gemeinschaft auch grundbuchfähig. Zum Nachweis des ordnungsgemäßen Beschlusses ggü. dem Grundbuchamt durch den, die Gemeinschaft vertretenden Verwalter, bedarf es der Vorlage einer den Anforderungen des § 29 GBO genügenden Beschlusses. Denkbar ist hier zunächst eine Protokollierung durch den Notar (§ 37 BeurkG), aber auch eine Tatsachenbescheinigung des Notars in entsprechender Anwendung des § 130 AktG133 oder die Ermächtigung nach § 26 Abs. 4 genügt, denn der Nachweis der Beschlussfassung wird in beiden Fällen gleichermaßen sicher und in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen. Weitergehende Nachweise zum Vorliegen einer ordnungsgemäßen Verwaltungsmaßnahme darf das Grundbuchamt nicht verlangen, weil das Nichtvorliegen nur ausnahmsweise in Betracht kommt und damit die Verfügungsbefugnis i.d.R. vorliegt. Dies hat auch das Grundbuchamt als Erfahrungssatz zu berücksichtigen. Auch die Kreditaufnahme durch die Eigentümergemeinschaft kommt in Betracht134, bedarf aber ebenfalls eines Beschlusses der Wohnungseigentümer (§ 9b Abs. 2 HS 2).
131 Vgl. etwa Commichau in MünchKomm/BGB (2020), § 1 WEG Rz. 35 m.w.N. 132 BGH v. 18.3.2016 – V ZR 75/15, NZM 2016, 387 = MDR 2016, 577 = MietRB 2016, 163; OLG München v. 11.5.2016 – 34 Wx 73/15. 133 Abramenko, ZWE 2010, 193. 134 BGH v. 28.9.2012 – V ZR 251/11, BGHZ 195, 22 = ZNotP 2012, 468 = NotBZ 2013, 20.
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Abschnitt 2 Begründung des Wohnungseigentums
§2 Arten der Begründung Wohnungseigentum wird durch die vertragliche Einräumung von Sondereigentum (§ 3) oder durch Teilung (§ 8) begründet. I. Begründungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . 1. Zeitpunkt der Begründung von Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung des Wohnungseigentums durch vertragliche Einräumung nach § 3 3. Begründung des Wohnungseigentums durch Teilung nach § 8 . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kombination beider Arten der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und umgekehrt II. Dingliche Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 4a 5 8 11 11a 12
III. Vorkaufsrechte und Genehmigungserfordernisse 1. Nach BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nach § 577 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Genehmigungserfordernisse a) Nach dem BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen . . . . . . . IV. Begründungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von der Erklärung abweichende Bauausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 14 14a 14c 15 16 17
Schrifttum: Abramenko, Nochmals zu Aufteilungsplan und abweichender Bauausführung, ZMR 1998, 741; Armbrüster, Abweichungen der Bauausführung von Bauträgervertrag und Aufteilungsplan, ZWE 2005, 182; Armbrüster, Änderungsvorbehalte und – vollmachten zugunsten des aufteilenden Bauträgers, ZMR 2005, 244; Becker/Schneider, Werdende Wohnungseigentümergemeinschaft und Zustimmung Drittberechtigter, ZfIR 2011, 545; Belz, Die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft, FS Merle, 2000, 51; Dötsch, (analoge) Anwendung des § 12 WEG in der werdenden Eigentümergemeinschaft?, ZWE 2011, 385; Dreyer, Mängel bei der Begründung von Wohnungseigentum, DNotZ 2007, 594; Hogenschurz, Zum Anspruch auf plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums, ZWE 2016, 75; Hügel/Elzer, Unbewohnbares Wohnungseigentum?, NZM 2023, 57; Köller, Der Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohn- und Teileigentum, ZfBR 2009, 130; Streblow, Änderungen von Teilungserklärungen nach Eintragung der Aufteilung in das Grundbuch, MittRhNotK 1987, 141; Vogel, Probleme bei der Änderung von der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung beim Erwerb vom Bauträger, ZMR 2008, 270.
I. Begründungsmöglichkeiten Die Vorschrift benennt zwei Möglichkeiten der Begründung von Wohnungseigentum, zum 1 einen durch vertragliche Einräumung nach § 3, zum anderen durch Teilung nach § 8. Die Begründungsurkunde hat dabei in der Regel neben den in § 2 genannten dinglichen Begründungsakten (die „Teilungserklärung“) auch einen schuldrechtlichen Vereinbarungsteil (die „Gemeinschaftsordnung“). Die Vorschrift enthält einen numerus clausus der Begründungsmöglichkeiten. Die Begrün- 2 dung von Wohnungseigentum kann danach entweder durch Vertrag der Mitglieder einer bestehenden Eigentümergemeinschaft oder aber durch einseitige Erklärung des Eigentümers erfolgen. Beide Begründungsformen können aber auch in einer Teilung enthalten sein (Rz. 11). Ausgeschlossen ist damit insbesondere eine Begründung von Sondereigentum in der Form
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§ 2 WEG Rz. 2 | Arten der Begründung des Wohnungseigentums durch eine Verfügung von Todes wegen.1 Der Erblasser hat jedoch die Möglichkeit, durch Teilungsanordnung nach § 2048 BGB, Vermächtnis oder Auflage nach § 2192 BGB die Erben zur Bestellung von Wohnungseigentum zu verpflichten,2 dies hat jedoch lediglich schuldrechtliche Wirkung3 und macht eine vertragliche Einräumung nach § 3 nicht überflüssig. Ausgeschlossen ist ferner die Begründung von Wohnungseigentum durch richterliche Anordnung, etwa nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. 3 Die Begründung von Wohnungseigentum sowohl nach § 3 als auch nach § 8 setzt nach dem
gesetzlichen Wortlaut nicht voraus, dass das betreffende Gebäude bereits errichtet ist. Ist das Gebäude noch nicht errichtet, ist der Miteigentumsanteil an dem Grundstück mit den Anwartschaften für das künftige Gemeinschafts- und Sondereigentum verbunden.4 Auch eine Vermietung der Wohnungseinheiten, an denen Sondereigentum entstehen soll, steht einer Begründung des Sondereigentums nicht entgegen, für den Mieter wird jedoch ein Vorkaufsrecht begründet (§ 577 BGB). Eine Begrenzung der Anzahl der Wohnungseinheiten einer Anlage besteht nicht.5 4 Bei Vollzug der Teilung im Grundbuch wird das Grundstücksgrundbuch geschlossen und an
seine Stelle treten Wohnungseigentumsgrundbücher.
1. Zeitpunkt der Begründung von Wohnungseigentum 4a Maßgeblich für das Entstehen von Wohnungseigentum ist unabhängig von der Art und Wei-
se der Begründung der Zeitpunkt der Eintragung der dinglichen Rechtsänderung in das Grundbuch. Ob das Gebäude zu diesem Zeitpunkt bereits errichtet ist, ist insoweit ohne Bedeutung.6 Ist das Gebäude noch nicht errichtet, fehlt es zwar an einem Gegenstand des Sondereigentums, der Inhaber dieses „substanzlosen“ Sondereigentums ist aber Mitglied der durch Anlegung der Wohnungsgrundbücher entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 9a Abs. 1 HS 2) und hat damit etwa das volle Stimmrecht.7 Zweifelhaft erscheint, ob es sich bei der bereits entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaft bis zur Errichtung des Gebäudes um Miteigentumsanteile der einzelnen Miteigentümer, verbunden mit einer Anwartschaft auf das Sondereigentum handelt.8 Die Annahme einer Anwartschaft ist deshalb zutreffend, weil das Wohnungseigentum bereits vor Errichtung des Gebäudes übertragen und belastet werden kann.9 Ebenso wie bei der Anwartschaft richtet sich die Veräußerung und Belastung nach den Vorschriften über das Vollrecht. Allerdings unterscheidet sich das hier angenommene Anwartschaftsrecht von anderen Anwartschaftsrechten dadurch, dass das Mitglied der Miteigentümergemeinschaft nicht zwingend einen Anspruch auf Errichtung des Gebäudes haben muss, zumindest ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wicke in Grüneberg, BGB, § 2 WEG Rz. 1. Schäuble in Soergel, BGB, § 2 WEG Rz. 3; Heinemann in NK/BGB, § 2 WEG Rz. 1. Weitnauer in Weitnauer, § 2 WEG Rz. 2; Hügel in Bamberger/Roth, BGB, § 2 WEG Rz. 3. Heinemann in NK/BGB, § 2 WEG Rz. 2 m.w.N.; bei der Berechnung der stimmberechtigten Wohnungsanteile sind noch nicht errichtete Wohnungen jedoch zu berücksichtigen, OLG Hamm v. 10.11.2005 – 15 W 256/2005. Weitnauer in Weitnauer, § 2 WEG Rz. 4. BGH v. 22.12.1989 – V ZR 339/87, MDR 1990, 325 = NJW 1990, 1111; LG München I v. 15.3.2017 – 1 S 10106/16, ZWE 2017, 325. OLG Hamm v. 4.7.2005 – 15 W 256/04, ZMR 2006, 60. BGH v. 22.12.1989 – V ZR 339/87, MDR 1990, 325 = NJW 1990, 1111; zweifelnd Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 38. Wicke in Grüneberg, BGB, § 2 WEG Rz. 10; Heinemann in NK/BGB, § 2 WEG Rz. 2; OLG München v. 6.7.2010 – 34 Wx 043/10, MietRB 2010, 331 = ZWE 2010, 459.
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I. Begründungsmöglichkeiten | Rz. 7 § 2 WEG
dem WEG.10 Ein Anspruch auf Errichtung des Gebäudes kann sich aber vor allem aus dem Bauträgervertrag (§ 650 u BGB) ergeben.
2. Begründung des Wohnungseigentums durch vertragliche Einräumung nach § 3 Die Begründung von Wohnungseigentum durch vertragliche Einräumung nach § 3 erfolgt in 5 der Weise, dass sich mehrere Miteigentümer gegenseitig vertraglich Sondereigentum einräumen, wobei für diesen dinglichen Vertrag die Formvorschrift des § 4 Abs. 2 WEG i.V.m. § 925 BGB gilt. Vorausgesetzt wird damit, dass das Grundstück im Miteigentum mehrerer Personen steht, d.h. bereits formgerecht Miteigentum an dem Grundstück gebildet wurde.11 Liegt Gesamthandseigentum vor, muss dieses zunächst in Bruchteilseigentum umgewandelt werden, und zwar durch Auflassung und Eintragung12 (vgl. § 3 Rz. 6). Das Miteigentum kann jedoch gleichzeitig mit dem Sondereigentum begründet werden, also mit der Einräumung des Sondereigentums zeitlich verbunden werden.13 Eine praktische Bedeutung erlangt die vertragliche Einräumung nach § 3 bei den sog. „Bauherrenmodellen“.14 Bei der vertraglichen Einräumung nach § 3 entsteht eine vollgültige Wohnungseigentümergemeinschaft mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher (§ 9a Abs. 1 HS 2) Das Rechtsinstitut der sog. werdenden (faktischen) Wohnungseigentümergemeinschaft ist damit obsolet geworden. Praktische Relevanz erlangt die vertragliche Einräumung von Wohnungseigentum auch für 6 den Fall, dass eine Erbengemeinschaft durch Teilung in Natur nach den §§ 2042 Abs. 2, 752 BGB aufgehoben werden soll. So bietet die vertragliche Begründung nach § 3 (nach vorheriger Schaffung von Bruchteilseigentum) den Miterben eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung hinsichtlich des Grundvermögens durch Begründung von Wohnungseigentum,15 jedoch nur, sofern dies freiwillig erfolgt.16 Eine Begründung von Wohnungseigentum durch gerichtliches Teilungsurteil im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ist hingegen unzulässig.17 Nach zum Teil vertretener Ansicht soll dies ausnahmsweise dann möglich sein, wenn nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Naturalteilung nach dem WEG erforderlich ist.18 Zum Verzicht des Wohnungseigentümers auf das Wohnungseigentum nach § 928 BGB vgl. § 1 Rz. 6. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung von Sondereigentum durch vertragliche 7 Einräumung wird auf die Ausführungen zu § 3 verwiesen.
Röll, NJW 1978, 1507; OLG Hamm v. 4.7.2005 – 15 W 256/04, ZMR 2006, 60. Augustin in BGB/RGRK, § 2 WEG Rz. 1. Schäuble in Soergel, BGB, § 3 WEG Rz. 12. Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 1; Schäuble in Soergel, BGB, § 4 WEG Rz. 3. Ausführlich dazu: Weitnauer in Weitnauer, Anh. zu § 3 WEG. Augustin in BGB/RGRK, § 2 WEG Rz. 2. Zur Auseinandersetzung durch Begründung von Wohnungseigentum gemäß einer Teilungsanordnung des Erblassers, wenn unter den Erben Streit über die Ausgestaltung der Gemeinschaftsordnung besteht: BGH v. 17.4.2002 – IV ZR 226/00, MDR 2002, 1012 f. = NJW 2002, 2712. 16 Weitnauer in Weitnauer, § 2 WEG Rz. 1. 17 Wicke in Grüneberg, BGB, § 2 WEG Rz. 1; Weitnauer in Weitnauer, § 2 WEG Rz. 1; OLG München v. 20.10.1952 – 5 W 1415/52, NJW 1952, 1297. 18 Stürner in Soergel (12. Aufl.), BGB, § 2 WEG Rz. 5. 10 11 12 13 14 15
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§ 2 WEG Rz. 8 | Arten der Begründung
3. Begründung des Wohnungseigentums durch Teilung nach § 8 8 Die Begründung von Wohnungseigentum durch Teilung nach § 8 setzt das Bestehen von Al-
leineigentum an dem Grundstück voraus. Die Begründung des Wohnungseigentums erfolgt durch einseitige Teilungserklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO und hat sich in der Praxis zum Regelfall entwickelt. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft konnte im Falle der Teilung nach § 8 jedoch solange nicht zur Entstehung gelangen, wie der teilende Eigentümer alleiniger Eigentümer aller Wohnungseinheiten wart, woran selbst der Umstand, dass für die Erwerber bereits eine Auflassungsvormerkung eingetragen und eine Besitzübergabe an diese erfolgt ist, nichts ändern konnte.19 Nunmehr entsteht nach § 9a Abs. 1 HS auch bei der Teilung durch den alleinigen Eigentümer mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Ein-Mann-Gemeinschaft). Für eine vorverlagerte Anwendung der Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes auf das sog. Anlauf- oder Gründungsstadium einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist damit kein Raum. Ob jedoch im Innenverhältnis, d.h. im Verhältnis zwischen dem teilenden Eigentümer und den Erwerbern.20 Vor Eintragung des Eigentums des einzelnen Wohnungseigentümers ist der Erwerber, für den eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ein „werdender Eigentümer“21 (dazu § 8 Rz. 38). Vor der Anlegung der Wohnungsgrundbücher und Eintragung einer Vormerkung für den Erwerber, hat der einzelne Erwerber allein vertragliche Ansprüche gegen den Veräußerer; insbes. ist kein Raum für eine etwaige Vor- oder werdende Gemeinschaft. 8a Für die werdende Eigentümergemeinschaft ergangene Rechtsprechung22 ist damit nicht
mehr von Bedeutung. Die zum früheren Recht anerkannte werdende Eigentümergemeinschaft entstand, wenn wenigstens ein auf den Erwerb von Wohnungseigentum gerichteter Vertrag geschlossen war23 und zusätzlich der Erwerb durch Eintragung einer (nach z.T. vertretener Ansicht auch nur beantragter) Eigentumsverschaffungsvormerkung gesichert ist und zudem der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist24 oder zumindest Mitbesitz des Grundstücks eingeräumt war. Verhalten sich die Beteiligten bereits vor Entstehen der Eigentümergemeinschaft (§ 9a Abs. 1 HS 2) und Eintragung der Vormerkung für den Erwerber (§ 8 Abs. 3) entsprechend der Gemeinschaftsordnung, findet das WEG gleichwohl keine Anwendung, weil der Gesetzgeber hier ausschließlich an die Eintragung anknüpft. Die „werdende“ Wohnungseigentümergemeinschaft kann damit weder Rechte der Wohnungseigentümergemeinschaft ausüben, ebensowenig kann die „werdende“ Eigentümergemeinschaft für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft haften.25 9 Die Begründung von Wohnungseigentum durch eine Erbengemeinschaft im Wege der Tei-
lung nach § 8 kann nur dann erfolgen, wenn die Wohnungs- und Teileigentumsrechte, die durch die Aufteilung entstehen, im Eigentum der Erbengemeinschaft verbleiben. Soll hingegen jeder Miterbe ein oder mehrere Wohnungseigentumsrechte zu Allein- oder Miteigen19 Rapp in Staudinger, BGB, § 2 WEG Rz. 2. 20 BGH v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, MDR 2008, 1088 f. = MietRB 2008, 270 f. = NJW 2008, 2639; nicht jedoch etwa im Zwangsversteigerungsverfahren, vgl. BGH v. 23.9.2009 – V ZB 19/09, MietRB 2009, 357 = MDR 2009, 1415. 21 BGH v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, MietRB 2008, 270 = MDR 2008, 1088 f. = NJW 2008, 2639 = MittBayNot 2009, 132 = Rpfleger 2008, 564. 22 BGH v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, MietRB 2004, 107 = MDR 2004, 439 = NJW 2004, 1798; BGH v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, MietRB 2008, 270 = MDR 2008, 1088 f. = NJW 2008, 2639. 23 Zu diesem Zeitpunkt kommt bereits die Anwendung des § 577 BGB in Betracht, BGH v. 22.11.2013 – V ZR 96/12, MietRB 2014, 67 = MDR 2014, 206 f. = NZM 2014, 133. 24 BGH v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, MietRB 2008, 270 = MDR 2008, 1088 f. = NJW 2008, 2639. 25 Zum früheren Recht: Wenzel, NZM 2008, 625.
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I. Begründungsmöglichkeiten | Rz. 11a § 2 WEG
tum erhalten, also eine Teilung zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgen, setzt dies neben der Aufteilung in Wohnungseigentum nach § 8 in jedem Fall eine vertragliche Einräumung nach § 3 durch eine Einigung in Form der Auflassung voraus26 (zur Kombination beider Begründungsmöglichkeiten auch nachfolgend Rz. 11). Soll die Teilung nach § 8 durch eine Personengesellschaft erfolgen, hat dies zur Vorausset- 10 zung, dass die entstehenden Wohnungs- und Teileigentumsrechte der Gesellschaft nach der Aufteilung zum Alleineigentum zustehen.27 Über den Bereich freiwilliger Auseinandersetzung hinaus, kann die Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft dann ausnahmsweise durch Bildung von Wohnungseigentum anstelle der in § 753 BGB vorgesehenen Teilungsversteigerung verlangt werden, wenn sonst einem Miteigentümer eine besondere Härte entstünde.28
4. Kombination beider Arten der Begründung Zulässig ist die Verbindung der Begründungsmöglichkeiten nach § 3 und § 8. Wird zunächst 11 Wohnungseigentum durch vertragliche Einräumung nach § 3 gebildet und dabei vereinbart, dass ein Miteigentumsanteil mit mehreren Sondereigentumsrechten (z.B. an mehreren in sich abgeschlossenen Wohnungen) verbunden sein soll, so kann dessen Eigentümer diese dann durch einseitige Teilungserklärung nach § 8 in selbständige Wohnungseigentumsrechte teilen und damit neue Wohnungseigentumsrechte schaffen.29 Wenn bei einer Aufteilung nach § 3 ein Miteigentumsanteil in mehrere selbstständige Anteile aufgespalten werden soll, also ein Miteigentümer zwei oder mehrerere Sondereigentumseinheiten erhalten soll, bedarf es also stets der darauffolgenden Aufteilung nach § 8.30
5. Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und umgekehrt Die Umwandlung des Gemeinschafteigentums in Sondereigentum ist mit den Formerforder- 11a nissen des § 4 verbunden, da es sich letztlich um die Einräumung von Sondereigentum handelt und das sachenrechtliche Grundverhältnis betroffen ist. Damit bedarf es der Einigung aller Wohnungs- und Teileigentümer in der Form der Auflassung und Grundbucheintragung (§ 1 Rz. 25).31 Ein Verzicht auf die Mitwirkung aller Eigentümer und auch Sonderrechtsnachfolger im Rahmen der Teilungsvereinbarung (vgl. § 3 Rz. 18) ist möglich, auch wenn die damit einhergehende Änderung sachenrechtlicher Art ist. Die dogmatischen Bedenken32 lassen sich durch Annahme einer (widerruflichen) Änderungsvollmacht, die auch vom jeweiligen Erwerber durch Eintritt in die Eigentümergemeinschaft übernommen wird, ausräumen.
26 Krafka in MünchKomm/BGB, § 2 WEG Rz. 11. 27 Krafka in MünchKomm/BGB, § 2 WEG Rz. 12. 28 OLG Frankfurt v. 30.11.2006 – 16 U 34/06, DStR 2007, 868; Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 5 m.w.N. 29 Schäuble in Soergel, BGB, § 3 WEG Rz. 4. 30 OLG München, 16.6.2020 – 34 Wx 144/20 – ZfIR 2020, 678. 31 Etwa KG v. 17.22015 – 1 W 370/14 = NotBZ 2015, 386; Krafka in MünchKomm, § 1 WEG Rz. 13. 32 Etwa Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 47. Zimmer | 23
§ 2 WEG Rz. 11b | Arten der Begründung 11b Eine Umwandlung bzw. Rückführung von Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum be-
darf ebenfalls der Form nach § 433 (vgl. § 4 Rz. 24). Anders verhält es sich etwa bei einer Umwandlung in ein Sondernutzungsrecht34 oder der Vereinigung zweier einem Eigentümer zustehender Wohnungseigentumseinheiten.35 Unter Umständen besteht die Mitwirkungspflicht aller Wohnungseigentümer, wenn mit der Änderung eine Anpassung der rechtlichen Beschreibung im Aufteilungsplan an die tatsächlichen Verhältnisse bezweckt wird.36
II. Dingliche Belastung 12 Die Bildung von Wohnungseigentum wird nicht dadurch behindert, dass das Grundstück
dinglich belastet ist bzw. eine gleichartige Belastung aller Miteigentumsanteile vorliegt. Aus dem zunächst einheitlichen Grundpfandrecht entsteht ein wirtschaftlich gleichwertiges Gesamtpfandrecht an den Wohnungseigentumsrechten37 (vgl. im Einzelnen § 3 Rz. 12 f.). Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Rangklassenprivilegs nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG der Eigentümergemeinschaft (vgl. § 3 Rz. 12 f.). Bestand bis zur WEG-Novelle weitgehend Einigkeit darüber, dass zur Begründung von Wohnungseigentum eine Gläubigerzustimmung nach §§ 877, 876 BGB nicht erforderlich war und daher auch vom Grundbuchamt keine Zustimmung des Gläubigers verlangt werden durfte,38 wurde diese Auffassung im Hinblick auf den neu gefassten § 10 Abs. 1 ZVG in Frage gestellt. Durch die Rangklassenprivilegierung der Eigentümergemeinschaft nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG wird die Gläubigerzustimmung nunmehr teilweise verlangt.39 Der Gläubiger befinde sich durch die Aufteilung in einer vollstreckungsrechtlich nachteiligen Position, er müsse nämlich im Rahmen der Zwangsversteigerung auch damit rechnen, dass sich sein zu erwartender Versteigerungserlös verringere, weil zu berücksichtigende Forderungen bestehen, die zwischen den Miteigentümern der Wohnungseigentumsgemeinschaft begründet seien. Damit sind seine Rechte unmittelbar durch die Begründung von Wohnungseigentum beeinträchtigt. Diese Auffassung überzeugt nicht. Mit der Rechtsprechung der Obergerichte40 ist davon auszugehen, dass sich die Stellung des eingetragenen Grundpfandrechtsgläubigers durch die Aufteilung in Wohnungseigentum nur tatsächlich und nicht rechtlich verändert. Eine solche rechtliche Änderung wäre aber für die Notwendigkeit der Gläubigerzustimmung erforderlich. Das als Haftungsgrundlage für den Gläubiger zur Verfügung stehende Eigentum erfährt durch die Aufteilung in Wohnungseigentum keine Schmälerung, vielmehr ist die Summe der Teile mit dem Volleigentum identisch. Allein die auf dem Gesetz beruhende Rangklassenänderung, aber nicht die Aufteilung selbst, kann zu einer Beeinträchtigung des eingetragenen Gläubigers führen.41 33 BGH v. 5.10.1998 – II ZR 182/97, BGHZ 139, 352 = MDR 1998, 1471 f.; a.A. BayObLG v. 16.12.1997 – 2Z BR 10/97, DNotZ 1999, 665. 34 BayObLG v. 28.3.2001 – 2Z BR 138/00, BayObLGZ 2001, 73. 35 OLG Hamm v. 10.6.1999 – 15 W 11/99, ZfIR 2000, 52; abw. BayObLG v. 17.7.1996 – 2Z BR 58/96, MittBayNot 1997, 366 bei erforderlichem Mauerdurchbruch. 36 OLG München v. 3.4.2007 – 32 Wx 33/07, MietRB 2007, 175 f. = DNotZ 2007, 946 (Vorflur); KG v. 18.7.2001 – 24 W 7365/00, NZM 2001, 1127; Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 92; zur Mitwirkung der Wohnungseigentümer BGH v. 5.10.1998 – II ZR 182/97, MDR 1998, 1471 f. = NJW 1998, 3711. Zum Erfordernis eines Aufteilungsplans vgl. auch BayObLG v. 9.12.1997 – 2Z BR 157/97, BayObLGZ 1997, 347. 37 Grziwotz in Erman, BGB, § 2 WEG Rz. 5; Hügel in Bamberger/Roth, BGB, § 4 WEG Rz. 6. 38 Vgl. nur BGH v. 17.1.1968 – V ZB 9/67, BGHZ 49, 250. 39 Etwa Kessler, ZNotP 2010, 335; OLG Frankfurt v. 10.4.2011 – 20 W 69/11, MietRB 2011, 349 = ZfIR 2011, 573. 40 OLG München v. 18.5.2011 – 34 Wx 220/11, NJW 2011, 3588; OLG Oldenburg v. 5.1.2011 – 12 W 296/10, ZfIR 2011, 254; ebenso Schneider, ZNotP 2010, 299; Schneider, ZNotP 2010, 387; Heinemann, ZfIR 2011, 255. 41 OLG München v. 18.5.2011 – 34 Wx 220/11, NJW 2011, 3588.
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III. Vorkaufsrechte und Genehmigungserfordernisse | Rz. 14b § 2 WEG
III. Vorkaufsrechte und Genehmigungserfordernisse 1. Nach BauGB Wie sich aus § 24 Abs. 2 BauGB ergibt, besteht weder bei der Begründung noch bei der Ver- 13 äußerung von Wohnungseigentum ein gemeindliches Vorkaufsrecht.
2. Nach § 577 BGB Bei vermieteten Wohnräumen, an denen nach der Gebrauchsüberlassung an den Mieter 14 Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, steht dem Mieter im Verkaufsfall ein gesetzliches Vorkaufsrecht aus § 577 BGB zu. Ferner bestehen Kündigungsbeschränkungen nach § 577a BGB gegenüber dem Mieter.42
3. Genehmigungserfordernisse a) Nach dem BauGB Die Aufteilung in Wohnungseigentum unterfällt zunächst nicht § 19 BauGB und den nach 14a Landesrecht erforderlichen Teilungsgenehmigungen. Allerdings bedarf in Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum der Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde, wenn dies durch Satzung angeordnet ist (§ 22 Abs. 1 und 5 BauGB). Zweck des Genehmigungsverfahrens ist die Vermeidung unerwünschter Zweitwohnungen.43 Die Genehmigung darf daher auch nur dann versagt werden, wenn durch die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum tatsächlich die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr beeinträchtigt wird. Zu beachten ist für diese Gebiete jedoch die grundbuchrechtliche Sperrwirkung; das Grundbuchamt darf die Aufteilung erst im Grundbuch vollziehen, wenn ihr eine Genehmigung oder ein Negativzeugnis vorgelegt wird;44 das Vorliegen einer das Genehmigungserfordernis begründenden Satzung hat das Grundbuchamt jedoch von Amts wegen zu prüfen. Nach § 250 BauGB kann in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§ 201a BauGB) und diese Gebiete nach § 201 S. 3 BauGB durch VO bestimmt sind, die Aufteilung von Wohngebäuden der Genehmigung, wenn sich sechs oder mehr Wohungen befinden. Davon wurde in vielen Gebieten Gebrauch gemacht. Einer Genehmigung nach § 250 BauGB bedarf es im Bereich einer derartigen Satzung auch für die Umwandlung von Wohnungseigentum in Teileigentum45 (vgl. § 1 Rz. 25). Die Gemeinden dürfen weiter durch Erhaltungssatzung die Begründung von Wohnungs- 14b und Teileigentum von einer Genehmigung abhängig machen (§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2), soweit dies durch Rechtsverordnung zugelassen wurde.46 Ob die Genehmigung auch für Fälle späterer Änderungen nach bereits vollzogener Teilung erforderlich ist, ist nicht ganz eindeutig. Nicht erfasst werden Änderungen der Teilungserklärung, die kein neues Sondereigentum schaffen, sondern entweder bestehendes ändern, etwa in der Zusammensetzung des Wohnungseigentums durch Neuzuordnung von Räumen im Sondereigentum oder durch Verkleinerung oder Vergrößerung von Miteigentumsanteilen.47 Ob als Änderung die Umwandlung 42 43 44 45 46 47
Heinemann in NK/BGB, § 2 WEG Rz. 6. BVerwG v. 27.9.1995 – 4c 12/94, MittBayNot 1996, 237. Grziwotz, DNotZ 2004, 674. KG v. 10.3.2023 – 1 W 509/22, MietRB 2023, 100 f. m. Anm. Grziwotz. Derzeit Hamburg, vgl. Köller, ZfBR 2009, 130; Bayern, Berlin. Demharter, GBO, Anhang zu § 3 Rz. 87; OLG München v. 26.8.2015 – 34 Wx 188/15, FGPrax 2015, 255. Zimmer | 25
§ 2 WEG Rz. 14b | Arten der Begründung von Wohnungs- in Teileigentum und umgekehrt dem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, wird unterschiedlich beurteilt. Dies ist im Hinblick auf den Schutzzweck der Erhaltungssatzung zu bejahen. Ob das Grundbuchamt stets berechtigt ist, eine Genehmigung oder ein Negativattest zu verlangen ohne selbst der Frage nachgehen zu müssen, ob auch das betreffende Grundstück im Geltungsbereich einer entsprechenden Erhaltungssatzung liegt, ist streitig. Die Frage ist zu verneinen, vielmehr hat das Grundbuchamt zunächst zu prüfen, ob für das betreffende Grundstück eine Erhaltungssatzung besteht, wie es auch sonst das Bestehen bestimmter Rechtsnormen festzustellen hat. Dazu gehört auch das Bestehen einer Erhaltungssatzung als Bestandteil der Rechtsordnung. Der Nachweis des48 Bestehens von allgemein bekannt gemachten Vorschriften kann vom teilenden Eigentümer nicht verlangt werden. § 878 BGB ist entsprechend anwendbar; nach Eingang des Vollzugsantrags bei dem Grundbuchamt eingetretene Verfügungsbeschränkungen sind deshalb unbeachtlich.49 b) Familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen 14c Die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum nach § 3 stellt stets eine Inhaltsänderung
des Eigentums dar und bedarf daher bei der Beteiligung Minderjähriger oder der Vertretung durch einen Betreuer der familien- oder betreuungsgerichtlichen Genehmigung.50
IV. Begründungsmängel 15 Die Begründung von Wohnungseigentum kann unter Mängeln leiden. Diese können zu-
nächst in einer fehlerhaften Willensbildung liegen oder aber in einer fehlerhaften, von der rechtsgeschäftlichen Erklärung abweichenden Bauausführung.
1. Willensmängel 16 Die Begründung von Wohnungseigentum, sei es durch einander korrespondierende Willens-
erklärungen im Rahmen der vertraglichen Einräumung nach § 3 oder durch einseitige, gegenüber dem Grundbuchamt abzugebende empfangsbedürftige Willenserklärung des Alleineigentümers nach § 8, unterliegt den Bestimmungen über Willenserklärungen nach den §§ 104 ff. BGB, insbesondere den Regelungen über Willensmängel. Liegen Mängel unmittelbar bei der Begründung des Wohnungseigentums nach § 3 oder § 8 vor, haben diese die Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarung bzw. der Teilungserklärung zur Folge.51 Dazu zählen etwa die Zuordnung von nicht sondereigentumsfähigen Räumen an einen Miteigentumsanteil52 (§ 5 Rz. 9 ff., 28), die Unbestimmtheit eines Miteigentumsanteils (§ 7 Rz. 18) oder auch die vom Aufteilungsplan abweichende Bauausführung.53
48 Wie hier KG v. 8.12.2015 – 1 W 680/15, Grundeigentum 2016, 124; a.A. etwa Demharter, GBO Anh. zu § 3 Rz. 49. 49 BGH v. 12.10.2016 – V ZB 198/15, ZfIR 2017, 113 (für Teilung nach § 8 WEG); dazu SchmidtRäntsch, ZNotP 2017, 354. 50 Str., wie hier Heinemann in NK/BGB, § 2 WEG Rz. 6; Stöber in Schöner, Rz. 2580; a.A. Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 33; etwas anderes soll bei der Teilung nach § 8 gelten; KG v. 6.1.2015 – 1 W 369/14, MDR 2015, 269 = MietRB 2015, 112 = NotBZ 2015, 148. 51 Heinemann in NK/BGB, § 2 WEG Rz. 7. 52 Zur Zuordnung von Räumen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen BGH v. 1.10.2004 – V ZR 210/03, MDR 2005, 83 f. = MietRB 2005, 8 f. = ZMR 2005, 59. 53 Vgl. Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 59 ff.
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IV. Begründungsmängel | Rz. 19 § 2 WEG
Dies gilt insbesondere für die Fälle der mangelnden Geschäftsfähigkeit, der Nichteinhaltung 16a der erforderlichen Form (z.B. nach §§ 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 925 BGB)54 und im Fall der Anfechtung der abgegebenen Willenserklärungen, die insoweit eine Erklärung gegenüber allen Wohnungseigentümern erfordert.55 Eine Heilung der Mängel, die unmittelbar beim Begründungsakt auftreten, tritt jedoch insgesamt dann ein, wenn ein Erwerber gutgläubig Wohnungseigentum erwirbt, denn dieses kann nicht nur an einer Wohnung entstehen. Diese Folge ergibt sich aus Gründen des Verkehrsschutzes; insoweit kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die sogen. fehlerhafte Gesellschaft entwickelt worden sind.56 Auch vor Erwerb einer Wohnung durch einen gutgläubigen Erwerber kann auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft dort zurückgegriffen werden, wo Verwaltungsvermögen und damit Verbandsvermögen (§ 10 Abs. 7) gebildet worden ist. Eine Auflösung dieser faktischen Wohnungseigentümergemeinschaft kann daher grds. nur „ex nunc“ erfolgen.
2. Von der Erklärung abweichende Bauausführung Nicht selten liegen Mängel bei der Begründung von Wohnungseigentum dann vor, wenn die 17 tatsächliche Bauausführung von den Vereinbarungen oder Erklärungen in dem Aufteilungsplan abweicht. Die möglichen Abweichungen können vielgestaltig sein, sodass stets im Einzelfall zu prüfen ist, wie schwerwiegend die Abweichung ist und welche rechtlichen Folgen die Abweichung nach sich zieht. Liegt eine Abweichung nur innerhalb des Sondereigentums vor, etwa durch vom Plan abweichende Raumaufteilung, entsteht das Sondereigentum entsprechend dem Aufteilungsplan.57 Die Errichtung weiterer Räume, die im Plan nicht vorgesehen sind, führt ohne weiteres zur 18 Begründung von gemeinschaftlichem Eigentum der Wohnungseigentümer.58 Problematisch ist das Unterbleiben der Errichtung von Räumen. Hier entsteht, soweit es sich nach dem Plan um Sondereigentum handeln soll, sogen. isoliertes Miteigentum, das nicht etwa den weiteren Miteigentümern nach § 738 BGB anwachsen könnte, da es an einer gesamthänderischen Bindung fehlt.59 Dieses unerwünschte Miteigentum ist durch Änderung des Gründungsakts in der Weise zu beseitigen, dass das Sondereigentum an diesem Miteigentumsanteil aufgehoben, der Anteil in gemeinschaftliches Eigentum umgewandelt und der Miteigentumsanteil einem bestehenden Wohnungseigentum zugewiesen wird, wobei dingliche Rechte an dem isolierten Miteigentumsanteil erlöschen.60 Zu dieser Änderung des Gründungsakts bedarf es allerdings der Mitwirkung aller Wohnungseigentümer und der dinglich Berechtigten an allen Wohnungseigentumsrechten.61 Erfolgt die vom Plan abweichende Bauausführung, lässt sich die Abgrenzung von gemein- 19 schaftlichem und Sondereigentum aber noch erkennen, entsteht das Sondereigentum entsprechend der tatsächlichen Bauausführung. Es sollte allerdings das Grundbuch berichtigt werden, worauf der einzelne Wohnungseigentümer gegenüber den anderen Miteigentümern einen Anspruch auf Mitwirkung hat.
54 55 56 57 58 59 60 61
BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, BGHZ 109, 179 = MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447. Hans. OLG Hamburg v. 4.3.2003 – 2 Wx 75/00, ZMR 2003, 525. Vgl. Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 56. OLG Frankfurt v. 23.7.2019 – 20 W 112/19, openJur 2020, 45289; Wicke in Grüneberg, BGB, § 2 WEG Rz. 5. OLG München v. 5.10.2006 – 32 Wx 121/06, ZMR 2007, 69. OLG München v. 6.7.2010 – 34 Wx 043/10, ZWE 2010, 459; BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447; str. vgl. Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 63 m.w.N. OLG München v. 6.7.2010 – 34 Wx 043/10, ZWE 2010, 459. OLG München v. 6.7.2010 – 34 Wx 043/10, ZWE 2010, 459. Zimmer | 27
§ 2 WEG Rz. 20 | Arten der Begründung 20 Lässt der Vergleich von Plan und tatsächlicher Bauausführung nicht sicher die Abgrenzung
des gemeinschaftlichen Eigentums vom Sondereigentum oder von verschiedenen Sondereigentumseinheiten erkennen, entsteht zunächst gemeinschaftliches Eigentum. Aus § 242 BGB und dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer können diese verpflichtet sein, ihre dinglichen Vereinbarungen der veränderten Lage anzupassen und eine angemessene Lösung zu finden. Danach können sie verpflichtet sein, den Teilungsvertrag und den Aufteilungsplan so abzuändern, dass er der tatsächlichen Bebauung entspricht.62 Die Eigentümer haben hier auf Begründung eines der Bauausführung entsprechenden Sondereigentums durch Änderung des Gründungsakts hinzuwirken. Hierauf hat der einzelne Miteigentümer einen Anspruch, der sich aus seinem Anwartschaftsrecht auf Begründung von Sondereigentum ergibt; der Anspruch ist nicht an den Nachbarn, sondern an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu stellen. Bis zur Änderung der Teilungserklärung liegen insoweit „isolierte Miteigentumsanteile“ vor.63 Wurde in Abweichung vom Plan, die Abgrenzung zweier Sondereigentumseinheiten vorgenommen, entsteht jedoch Sondereigentum nach Maßgabe des Planes (sogen. „Luftschranken“).64 Der Anspruch auf Anpassung der Teilungserklärung ggü. den weiteren Miteigentümern, kann sich aus § 242 BGB ergeben (ggf. Zug- um Zug gegen eine Ausgleichszahlung).65
§3 Vertragliche Einräumung von Sondereigentum (1) Das Miteigentum (§ 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) an einem Grundstück kann durch Vertrag der Miteigentümer in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Miteigentümer abweichend von § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuchs das Eigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude (Sondereigentum) eingeräumt wird. Stellplätze gelten als Räume im Sinne des Satzes 1. (2) Das Sondereigentum kann auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume bleiben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache. (3) Sondereigentum soll nur eingeräumt werden, wenn die Wohnungen oder sonstigen Räume in sich abgeschlossen sind und Stellplätze sowie außerhalb des Gebäudes liegende Teile des Grundstücks durch Maßangaben im Aufteilungsplan bestimmt sind. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichung von § 93 BGB . . . . . . . . . . . . 2. Praktische Bedeutung der Teilung nach §3 ................................ II. Teilungsvereinbarung (Abs. 1) . . . . . . . . 1. Miteigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 3 4 5
a) Aufteilung durch Gesellschaften oder Gesamthandsgemeinschaften . . . . . . . 6 b) Quoten und Anteile . . . . . . . . . . . . . . . 7 c) Miteigentumsanteil ohne dazugehöriges Sondereigentum . . . . . . . . . . . 10 2. Zustimmung Dritter zur Aufteilung . . . . 11 a) Grundpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 12
62 OLG München v. 27.6.2005 – 34 Wx 038/05, OLGR München 2005, 607. 63 Vgl. BGH v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 107 = NJW 2004, 1798; Pfälz. OLG v. 8.3.2006 – 3 W 246/05, MietRB 2006, 172 = NZM 2006, 586; abw. OLG Dresden v. 5.6.2008 – 3 W 231/08, ZMR 2008, 812. 64 Vgl. BGH v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, MDR 2008, 1266 = MietRB 2008, 333 = NJW 2008, 2982. 65 Vgl. BGH v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 107 = NJW 2004, 1798; Krafka in MünchKomm/BGB, § 1 WEG Rz. 75.
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I. Allgemeines | Rz. 2 § 3 WEG
3. 4. 5. 6.
b) Dienstbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorkaufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form der Erklärung nach § 3 WEG . . . . Änderung bestehender Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung . . . . . . . . Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und umgekehrt Fehlerhafte Teilungsvereinbarung – fehlerhafte Bauausführung . . . . . . . . . . . .
14 15 16 17 19
III. 1. 2. 3.
Abgeschlossenheit (Abs. 2) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Garagen, Stellplätze und Freiflächen (Abs. 1 Satz 3, Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 23 24 31
20b
Schrifttum: Basty, Vollmachten zur Änderung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung, NotBZ 1999, 233; Böttcher, Entwicklungen beim Erbbaurecht und Wohnungseigentum seit 2007, Rpfleger 2009, 550; Böttcher, Entwicklungen beim Erbbaurecht und Wohnungseigentum 2015, ZNotP 206, 42; Gottwald/Schiffner, Die Befreiungsvorschrift des § 7 GrEStG unter besonderer Berücksichtigung der Begründung und Aufhebung von Wohnungseigentum, MittBayNot 2006, 125, Heinemann, Nachbareigentum im Wohnungseigentumsrecht, ZMR 2016, 680; Herrmann, Zum Vollzug der Veräußerung oder des Zuerwerbs von in Wohnungs- oder Teileigentum aufgeteilten Teilflächen, DNotZ 1991, 607; Hügel, Das unvollendete oder substanzlose Sondereigentum, ZMR 2004, 549; A. Schäfer, Von der Abstellkammer zum Fahrstuhl, Rpfleger 2001, 67; Hügel/Elzer, Unbewohnbares Wohnungseigentum, NZM 2023, 57; F. Schmidt, Balkone als Sondereigentum, MittBay 2001, 442; J. Schmidt, Die sukzessive Begründung von Wohnungseigentum bei Mehrhausanlagen, ZWE 2005, 58; Sommer/Sommer, Die baubehördliche Abgeschlossenheit, ZMR 2021, 90; von Proff, Kein Vermieterwechsel bei Aufteilung vermieteter Immobilien in Wohnungs- oder Teileigentum nach § 3 WEG, ZNotP 2009, 345; Oppermann, Grundstücksübergreifende Tiefgaragen bei Mehrhausanlagen – Zugleich zur Frage der Abgeschlossenheit von Stellplätzen in „offenen“ Tiefgaragen, DNotZ 2015, 662; Ott, die Sondereigentumsfähigkeit von Terrassen, BWNotZ 2015, 130; Schüller, Änderungen von Gemeinschaftsordnungen und Teilungserklärungen, RNotZ 2011, 203; Thoma, Rechtsprobleme bei der Aufteilung von Grundbesitz in Wohnungseigentum, RNotZ 2008, 121; Wobst, Das WEMoG aus notarieller Sicht, MittBayNot 2021, 1; Zimmer, Das Legalitätsprinzip im Grundbuchverfahren, NJW 2014, 336.
I. Allgemeines Die Vorschrift gehört neben § 8 zu den zentralen Vorschriften über die Begründung von 1 Wohnungseigentum. Während § 8 die Begründung durch den (Allein-)Eigentümer regelt, enthält § 3 die Voraussetzungen für die Begründung durch (mehrere) Bruchteilsmiteigentümer. Der Vertrag über die Begründung des Wohnungseigentums nach § 3 entfaltet dabei denselben verbindlichen Charakter wie die Teilung nach § 8.1
1. Abweichung von § 93 BGB Die Vorschrift regelt für das Wohnungseigentum die Ausnahme vom Grundsatz des § 93 2 BGB. Nach § 93 BGB können Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass die eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen verändert werden, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Demgegenüber gestattet § 3 Abs. 1, abweichend von § 93 BGB, dass Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen, sowie an Stellplätzen eingeräumt werden kann. Der Grundsatz des § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach das Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist und daher als Ganzes nicht Gegenstand anderer als am Grundstück bestehender Rechte sein kann, wird jedoch durch § 3 WEG nicht beseitigt. Durch die Aufteilung
1 OLG Celle v. 21.4.2008 – 4 W 216/07, MietRB 2009, 105 = ZMR 2009, 214. Zimmer | 29
§ 3 WEG Rz. 2 | Vertragliche Einräumung von Sondereigentum werden die Miteigentumsanteile an dem Grundstück mit dem Sondereigentum an den abgeschlossenen Sondereigentumseinheiten verbunden. Wohnungseigentum ist aber echtes Eigentum i.S.d. § 903 BGB,2 es kann mithin veräußert, belastet werden und ist vererblich.
2. Praktische Bedeutung der Teilung nach § 3 3 Die praktische Bedeutung der vertraglichen Aufteilung nach § 3 ist im Verhältnis zur Auf-
teilung nach § 8 eher gering. Die Aufteilung nach § 3 bietet sich etwa dann an, wenn bereits mit Gebäuden bebaute Grundstücke aufgeteilt werden sollen. Im Gegensatz zu § 8, wo der Eigentümer eine einseitige Erklärung zur Aufteilung vornimmt, setzt § 3 eine Vereinbarung der Miteigentümer voraus. Dies hat insbesondere höhere Notarkosten nach KV 21200 zur Folge3 (vgl. Rz. 25).
II. Teilungsvereinbarung (Abs. 1) 4 Die Teilungsvereinbarung (der Teilungsvertrag) hat dafür zu sorgen, dass Klarheit darüber
besteht, wie Gemeinschafts- und Sondereigentum voneinander abgegrenzt sind. Weiter besteht die Aufgabe der Teilungsvereinbarung darin, die Höhe und Anzahl der Miteigentumsrechte zu bestimmen sowie Gegenstand und Grenzen von Gemeinschafts- und Sondereigentum zu bestimmen. Der Vertrag hat dingliche Wirkung und ist nicht mit der Gemeinschaftsordnung zu verwechseln. Diese regelt das Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander und im Verhältnis zur Gemeinschaft (§ 9 Abs. 3). 4a Sobald die Aufteilung durch mehrere (genauer die Gesamtheit aller) Miteigentümer i.S.d.
§§ 1008 ff. BGB vorliegt, handelt es sich um eine Teilungsvereinbarung i.S.d. § 3. Steht das aufzuteilende Grundstück im Alleineigentum, Eigentum einer Personengesellschaft, einer GbR oder einer Gesamthandsgemeinschaft, fehlt es am Bruchteilseigentum und mithin am Miteigentum i.S.d. § 3, die Aufteilung hat hier nach § 8 zu erfolgen.4 Möglich ist jedoch die in derselben Urkunde vorgenommene Auseinandersetzung der Gesellschaft oder Gemeinschaft und Umwandlung (durch Auflassung nach § 925 BGB) in Bruchteilseigentum (Rz. 6).5 Ob die Aufteilung entsprechend den bisherigen Miteigentumsanteilen erfolgt oder aber von den bis dahin bestehenden Miteigentumsanteilen abweicht, ist dabei unerheblich6 (vgl. Rz. 7 ff.). Die Teilungsvereinbarung nach § 3 ändert durch die Einräumung von Wohnungseigentum das dingliche Recht des Miteigentümers und ist daher ein dinglicher und nicht etwa ein schuldrechtlicher7 Vertrag, insbesondere auch kein Gesellschaftsvertrag, der im Übrigen von der regelmäßig gleichzeitig vereinbarten Gemeinschaftsordnung, die schuldrechtlichen Charakter besitzt, zu unterscheiden ist, insbesondere kann insoweit § 10 Abs. 2 keine Anwendung finden. Gegenstand des Teilungsvertrages ist eine Einigung nach §§ 873 Abs. 1, 925 BGB, die sich als Inhaltsänderung des Bruchteilseigentums erklären lässt. Der 2 BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = MDR 2005, 1156 = MietRB 2005, 232, 233, 237; BGH v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 = MDR 2008, 1266 f. = MietRB 2008, 333. 3 Im Einzelnen etwa Schäuble in Soergel § 3 WEG Rz. 35; Kersten in Zimmer/Kersten/Krause, Rz. 585 ff. 4 Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 4; OLG München v. 16.6.2020 – 34 Wx 144/20 = ZfIR 2020, 678. 5 Vgl. Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 4, Schäuble in Soergel, § 3 WEG Rz. 3; die eine „Zwischeneintragung“ der Bruchteilseigentümer in das Grundbuch für überflüssig halten. Die Auflassung wäre jedoch in jedem Fall im Grundbuch in der Veränderungsspalte zu dokumentieren, wenn auf eine Zwischeneintragung verzichtet wird. 6 Krafka in MünchKomm/BGB, § 3 WEG Rz. 15. 7 BGH v. 10.2.1983 – V ZB 18/82, MDR 1983, 568 = NJW 1983, 1672.
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II. Teilungsvereinbarung (Abs. 1) | Rz. 4b § 3 WEG
Teilungsvertrag bedarf der Mitwirkung und Zustimmung aller Miteigentümer; insbesondere sind die Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft (z.B. § 745 BGB) nicht entsprechend anwendbar. Damit ist auch die Aufteilung durch eine Mehrheit der Miteigentümer ausgeschlossen.8 Eine Verfügung i.S.d. § 23 ZVG liegt in der Aufteilung jedoch nicht, so dass die Aufteilung auch nach Beschlagnahme9 des Grundstücks möglich bleibt.10 Der sich aus der Vereinbarung zur Teilung ergebende Anspruch auf Einräumung von Sondereigentum kann durch Vormerkung (§ 883 BGB) gesichert werden, sobald das zu errichtende Gebäude und die zu übertragenden Räume bestimmt oder bestimmbar sind.11 Auch führt die Aufteilung nach § 3 nicht zu einem Wechsel des Vermieters nach § 566 4b BGB.12 Im Zeitraum zwischen vertraglicher Begründung13 des Wohnungseigentums und der Anlegung der Wohnungsgrundbücher besteht nach Schaffung des § 9 Abs. 1 keine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, auch kine sogen. „werdende Wohnungseigentümergemeinschaft“. Der BGH14 nahm zur früheren Rechtslage an, bereits im Gründungsstadium der Wohnungseigentümergemeinschaft seien die zukünftigen Wohnungseigentümer verpflichtet die Kosten und Lasten des künftigen gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen. Aus Gründen der Rechtssicherheit hat der Gesetzgeber diesen Zeitpunkt auf den Moment der Anlegung der Wohnungsgrundbücher festgelegt. Erst ab diesem Zeitpunkt kann ein Erwerber von Wohnungseigentum Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sein Als werdender Wohnungseigentümer ist jedoch nur anzusehen, wer (neben einem durch Vormerkung gesicherten Eigentumserwerbsanspruch) den Besitz an der erworbenen Wohnung durch Übergabe erlangt hat (§ 8 Abs. 3).15 Die werdenden Eigentümer haben damit die gleichen Rechte und Pflichten, als wären sie bereits als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 8 Abs. 3 und zuvor bereits der BGH ein Bedürfnis für die Vorverlagerung der Rechte und Pflichten dieser „werdenden Wohnungseigentümer“ allerdings damit begründet, dass bei der Teilung nach § 8 WEG bis zur Eintragung des Erwerbers eines Wohnungseigentums in das Wohnungsgrundbuch mitunter Jahre vergehen können. Diese Überlegungen mögen auf das nach § 8 begründete Wohnungseigentum zutreffen, für das nach § 3 begründete Wohnungseigentum fehlt es aber bereits an einer Regelungslücke. Anders als bei der Begründung nach § 8 WEG ist hier bereits vor der Teilungsvereinbarung eine Gemeinschaft vorhanden, auf die die §§ 741, 1008 ff., BGB und ggf. vertragliche Vereinbarungen Anwendung finden. Es besteht daher kein Grund, etwa für die Lastenverteilung bereits vor Eintragung die Teilungsvereinbarung heranzuziehen. Im Übrigen haben es anders als bei der Teilung nach § 8 WEG und anschließender Veräußerung die teilenden Eigentümer in der Hand die Wirkungen der Teilung schuldrechtlich auf einen früheren Zeitpunkt zu vereinbaren, es handelt sich dann um eine Miteigentümervereinbarung. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 ist also auf die nach § 3 gebildete Wohnungseigentümergemeinschaft nicht anwendbar.16 Dafür spricht schließlich auch die systematische Stellung des § 8 Abs. 3. LG Aachen v. 22.12.2009 – 12 O 101/09, ZMR 2011, 819. Dazu Zimmer in NK/BGB, § 1121 BGB Rz. 2. Heinemann in NK/BGB, § 13 WEG Rz. 1; Stöber, § 23 ZVG Rz. 2. BayObLG v. 13.2.1992 – 2Z BR 3/92, DNotZ 1992, 426. Im Einzelnen von Proff, ZNotP 2009, 345. Ausnahmsweise auch dann, wenn eine Verpflichtung zur Begründung nach § 8 WEG vereinbart ist; BGH – 22.11.2013 – V ZR 96/12, MDR 2014, 206 f. = MietRB 2014, 67 f. 14 BGH v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = MDR 2008, 1088 = MietRB 2008, 270; BGH v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = MDR 2012, 958 = NotBZ 2012, 449 = MietRB 2012, 236. 15 Insoweit ergeben sich keine Änderungen zur früheren Rechtslage: Vgl. nur BGH v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, ZNotP 2016, 17 Rz. 12 ff. 16 Str., wie hier etwa BayObLG v. 23.1.1992 – AR 2 Z 110/91, NJW-RR 1992, 597; Schäuble in Soergel, § 1 WEG Rz. 16; a.A. etwa Suilmann in Bärmann, § 10 WEG Rz. 20. 8 9 10 11 12 13
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§ 3 WEG Rz. 5 | Vertragliche Einräumung von Sondereigentum
1. Miteigentum 5 Unter Miteigentum i.S.d. § 3 ist allein das Bruchteilseigentum am Grundstück (§§ 1008 ff.
BGB) zu verstehen. a) Aufteilung durch Gesellschaften oder Gesamthandsgemeinschaften 6 Kein Miteigentum in diesem Sinne ist zunächst das Alleineigentum, auch nicht das einer Per-
sonengesellschaft, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts am Grundstück17 oder das Alleineigentum einer Erbengemeinschaft. Sofern eine Gesamthandsgemeinschaft oder eine Personengesellschaft eine Aufteilung vornehmen will, bestehen zwei Möglichkeiten. Zunächst kann die Aufteilung nach § 8 vorgenommen werden (vgl. § 8 Rz. 4). Im Unterschied zur Begründung nach § 3 stehen dann alle neu gebildeten Wohnungseigentumsrechte den Beteiligten in dem gleichen Verhältnis zu, in dem sie bisher Eigentümer des Grundstücks waren. Möglich ist aber auch die Umwandlung in Bruchteilseigentum und Aufteilung nach § 3 durch die Bruchteilsmiteigentümer.18 Die Bildung des Miteigentums muss aber im Zeitpunkt der Vereinbarung nach § 3 noch nicht im Grundbuch vollzogen sein, es genügt die Auflassung in der Teilungserklärung. Spätestens im Zeitpunkt der Anlegung der Wohnungsgrundbücher muss das Bruchteilseigentum jedoch vorhanden sein.19 Wurde etwa die Bildung von Wohnungseigentum durch testamentarische Teilungsanordnung (§ 2042 BGB) bestimmt, hat die Erbengemeinschaft zunächst Miteigentum und im Anschluss daran das Wohnungseigentum zu bilden.20 Möglich ist auch eine Teilung durch die Erbengemeinschaft nach § 8 (mit späterer Auseinandersetzung). b) Quoten und Anteile 7 § 3 geht zunächst davon aus, dass das Wohnungseigentum den bereits bestehenden (oder ge-
bildeten) Miteigentumsanteilen zugeordnet wird. Soll jedoch das Wohnungseigentum veränderten Miteigentumsanteilen zugeordnet werden, etwa die Zahl der Miteigentumsanteile verändert werden, z.B. Bildung von zwei Sondereigentumseinheiten (mit zwei Miteigentumsanteilen) bei vorherigem Miteigentum von je ¼, sind zunächst die Miteigentumsanteile auf die Zahl der geplanten Sondereigentumseinheiten zurückzuführen. Dies setzt eine Vereinbarung der Miteigentümer voraus, ein Vollzug im (zu schließenden) Grundbuch ist jedoch nicht erforderlich.21 In den anzulegenden Wohnungsgrundbüchern werden die zusammengefassten Miteigentumsanteile eingetragen. Sollen einem Miteigentümer zwar entsprechend seinem Anteil am Bruchtteilseigentum Sondereigentum eingeräumt werden, dieses aber in zwei oder mehrere Sondereigentumseinhaeiten aufgespalten werden, bedarf es zusätzlich einer Teilung nach § 8,22 die aber in derselben Urkunde vorgenommen werden kann. 8 Sofern die Miteigentumsanteile sich gegenüber den zuvor bestehenden Quoten ändern sol-
len, bedarf es einer vorherigen Auflassung, die aber nicht vor der Anlegung der Wohnungsgrundbücher vollzogen werden muss (vgl. Rz. 6), die Bruchteilsmiteigentümer können die Quoten mithin beliebig bestimmen.23 9 Für das Verhältnis des Miteigentumsanteils untereinander oder das Verhältnis der Größe der
Nutzfläche des Sondereigentums zum damit verbundenen Miteigentum gibt es keine zwin17 18 19 20 21 22 23
Krafka in MünchKomm/BGB, § 3 WEG Rz. 6. BGH v. 17.4.2002 – IV ZR 226/00, MDR 2002, 1012 = NJW 2002, 2712. Hügel in Würzburger Notarhandbuch, S. 1003. BGH v. 17.4.2002 – IV ZR 226/00, MDR 2002, 1012 = NJW 2002, 2712. BGH v. 10.2.1983 – V ZB 18/82, MDR 1983, 568 = NJW 1983, 1672. OLG München v. 16.6.2020 – 34 Wx 144/20 = ZfIR 2020, 678. BGH v. 18.6.1976 – V ZR 156/75, MR 1977, 41 f. = NJW 1976, 1976; ausf. DNotI-Report 2002, 81.
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II. Teilungsvereinbarung (Abs. 1) | Rz. 11 § 3 WEG
genden gesetzlichen Vorgaben, sodass auch hier grundsätzlich beliebige Vereinbarungen der Miteigentümer zulässig sind. Allerdings erscheint es ratsam, im Hinblick auf die anderen Aufteilungsschlüssel, etwa die Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2, das Stimmenverhältnis in der Eigentümerversammlung (sofern es sich abweichend vom Kopfprinzip des § 25 Abs. 2 nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile richtet) und die Erlösquote bei Aufhebung der Gemeinschaft (§§ 752, 753 BGB), die Größe des Miteigentumsanteils an dem Verhältnis der Nutzfläche des Wohnungseigentums zur Gesamtnutzfläche aller Wohnungs- und Teileigentumseinheiten auszurichten. Bei grob unbilliger Aufteilung kann dem Wohnungseigentümer ausnahmsweise ein Anspruch aus § 242 BGB auf Anpassung der Miteigentumsanteile zustehen, wenn das Festhalten an den gewählten Anteilen grob unbillig wäre.24 Dagegen scheidet eine Anwendung von § 10 Abs. 2 aus, weil diese Vorschrift allein für schuldrechtliche Vereinbarungen (Gemeinschaftsordnung) gilt, hier aber eine dingliche Vereinbarung der Zuweisung der Anteile und des Sondereigentums zugrunde liegt (§ 10 Rz. 37 ff.).25 c) Miteigentumsanteil ohne dazugehöriges Sondereigentum Die vertragliche Vereinbarung eines isolierten Miteigentumsanteils am Grundstück ohne 10 dazugehöriges Sondereigentum ist nicht möglich, ebenso wenig ein isoliertes Sondereigentum ohne Miteigentumsanteil.26 Ein solcher isolierter Miteigentumsanteil kann aber ausnahmsweise kraft Gesetzes entstehen. Dies ist etwa dann möglich, wenn die Begründung von Sondereigentum an den gewählten Gebäudeteilen aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist,27 oder aber das Sondereigentum wegen Widerspruchs zwischen wörtlicher Beschreibung und Aufteilungsplan nicht ermittelt werden kann.28 In einem solchen Fall findet keine Anwachsung nach § 738 BGB statt, die Miteigentümer sind vielmehr verpflichtet, die Teilungserklärung in der Weise zu ändern, dass die isolierten Miteigentumsanteile beseitigt werden (dazu auch § 10 Rz. 37 ff.; § 11 Rz. 9).29 Die Beseitigung des Miteigentumsanteils hat in der Weise zu erfolgen, dass er – im Zweifel zu gleichen Anteilen – durch Vereinigung oder Zuschreibung (§ 890 BGB) auf die anderen Miteigentumsanteile übertragen wird. Kann Sondereigentum infolge der „Vertauschung“ des Aufteilungsplans nicht entstehen, so hat jeder Miteigentümer einen Anspruch gegenüber den weiteren Miteigentümern auf Mitwirkung bei der Begründung von Sondereigentum an seiner Wohnung.30
2. Zustimmung Dritter zur Aufteilung Die Zustimmung dinglicher Berechtigter am aufzuteilenden Grundstück ist für die Bildung 11 von Wohnungseigentum grundsätzlich nicht erforderlich, sofern die dinglichen Rechte am gesamten Grundstück lasten.31 Die Belastungen sind mit Anlegung der Wohnungsgrund-
24 BGH v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137 = MDR 1986, 138; Heinemann in NK/BGB, § 3 WEG Rz. 4 m.w.N., der zu Recht davon ausgeht, dass zunächst eine Änderung des Verteilungsschlüssels vorzunehmen wäre. 25 Heinemann in NK/BGB, § 3 WEG Rz. 4. 26 OLG München v. 3.4.2007 – 32 Wx 33/07, MietRB 2007, 175 = ZfIR 2008, 115; OLG Karlsruhe v. 16.12.2013 – 14 Wx 47/13. 27 BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447. 28 BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, MDR 1996, 139 = NJW 1995, 2851. 29 BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, MDR 1996, 139 = NJW 1995, 2851, im Zweifel ist der isolierte Miteigentumsanteil durch Vereinigung oder Zuschreibung auf die anderen Anteile zu übertragen. 30 OLG München v. 14.7.2008 – 34 Wx 37/08, ZMR 2008, 905. 31 Nunmehr einhellige Meinung, vgl. nur Krafka in MünchKomm/BGB, § 3 WEG Rz. 8; BGH v. 9.2.2012 – V ZB 95/11 – ZfIR 2012, 245. Zimmer | 33
§ 3 WEG Rz. 11 | Vertragliche Einräumung von Sondereigentum bücher in alle Wohnungsgrundbücher zu übertragen.32 Etwas anderes gilt dann, wenn die Belastung nur auf einem Miteigentumsanteil lastet (vgl. etwa § 1114 BGB). a) Grundpfandrechte 12 Grundpfandrechte (§§ 1113 ff. BGB), die vor Vollzug der Teilung auf dem Grundstück (ins-
gesamt) lasten, setzen sich nach Vollzug der Teilung im Grundbuch (Anlegung der Wohnungsgrundbücher) als Gesamtrechte (vgl. § 1132 BGB)33 an allen entstehenden Sondereigentumseinheiten fort. Die Zustimmung des Grundpfandgläubigers ist ebenso wenig erforderlich, wie die Vorlage des Grundschuldbriefes (vgl. § 41 Abs. 2 GBO). Dies gilt auch im Hinblick auf das Rangklassenprivileg des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG (im Einzelnen § 2 Rz. 12). 13 Ist das Grundstück vor Vollzug der Aufteilung nicht vollständig mit einem Grundpfandrecht
belastet, sondern nur ein ideeller Miteigentumsanteil (§ 1114 BGB), während der andere Miteigentumsanteil nicht oder nicht in gleicher Weise belastet ist,34 bedarf es jedoch der Zustimmung des Gläubigers, da sich der Belastungsgegenstand ändert.35 Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Einschränkung der Möglichkeit des Gläubigers, die Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG zu betreiben36 oder zumindest den Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft (§ 751 Satz 2 BGB) geltend zu machen, auch dann wenn der Miteigentumsanteil sich bei Aufteilung nicht ändert. b) Dienstbarkeiten 14 Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für Dienstbarkeiten (§ 1 Rz. 14 ff.), die auf dem
Grundstück vor Vollzug der Teilungserklärung begründet sind.37 Ist jedoch ein dingliches Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) für eine bestimmte Wohnung eingeräumt und wird diese Wohnung durch Teilungserklärung zu Sondereigentum, so setzt sich das Wohnungsrecht nur an diesem Sondereigentum fort, mit der Folge, dass eine Übertragung in die weiteren, nicht vom Wohnungsrecht umfassten Wohnungsgrundbücher nicht erfolgt (vgl. § 46 Abs. 2 GBO).38 Ist das Grundstück mit einer Vormerkung belastet, kann die in die einzelnen Wohnungsgrundbücher zu übernehmende Vormerkung nicht isoliert an einem einzelnen Wohnungseigentum gelöscht werden.39 Möglich ist jedoch eine Teillöschung bei Inhaltsänderung des gesicherten materiell-rechtlichen Anspruchs mit erneuter Bewilligung für die verbleibenden Wohnungsgrundbücher. c) Vorkaufsrechte 15 Ein am gesamten Grundstück vor Anlegung der Wohnungsgrundbücher bestehendes ding-
liches Vorkaufsrecht setzt sich ebenfalls an den begründeten Wohnungs- und Teileigen-
32 33 34 35 36 37
Rapp in Staudinger, BGB, § 3 WEG Rz. 23. Zu den Folgen der Entstehung als Gesamtrecht vgl. Zimmer in NK/BGB, § 1132 BGB Rz. 9 ff. Vgl. etwa Zimmer in NK/BGB, § 1114 BGB Rz. 3 f. Weitnauer in Weitnauer, § 3 WEG Rz. 75, Hügel in Bamberger/Roth, BGB, § 4 WEG Rz. 6. Vgl. dazu Zimmer in NK/BGB, § 1114 BGB Rz. 10 ff. Zum Schicksal von Dienstbarkeiten bei Aufhebung des Wohnungseigentums vgl. OLG München v. 20.2.2017 – 34 Wx 433/16, FGPrax 2017, 114; zu der Eintragung von Baulasten DNotI-Report 2018, 11. 38 OLG Hamm v. 8.5.2000 – 15 W 103/00, DNotZ 2001, 216 mit Anm. v. Oefele. 39 OLG Frankfurt Beschl. v. 16.11.2020 – 20 W 252/19 (juris).
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II. Teilungsvereinbarung (Abs. 1) | Rz. 18 § 3 WEG
tumsrechten fort.40 Es bedarf daher keiner Zustimmung des Vorkaufsberechtigten zur Begründung, Aufhebung oder änderung von Wohnungseigentum41
3. Form der Erklärung nach § 3 WEG Die rechtsgeschäftliche Form der Teilungserklärung bestimmt sich nach § 4 Abs. 3 WEG 16 (vgl. im Einzelnen § 4 Rz. 28 ff.). Da es sich im Gegensatz zur Aufteilung nach § 8 WEG bei der Verpflichtung zur Einräumung von Sondereigentum um eine vertragliche Vereinbarung zwischen mehreren Grundstückseigentümern handelt, ist die Form des § 311b Abs. 1 BGB zu beachten, denn der schuldrechtliche Anspruch richtet sich auf Verschaffung von Eigentum an einem Grundstück. Sollen die entstehenden Sondereigentumseinheiten in das Alleineigentum einzelner Miteigentümer überführt werden, ist auch die Form des § 925 BGB zu beachten, da sich damit auch hier die Eigentumsverhältnisse am Grundstück ändern.42 Für die Gemeinschaftsordnung (§ 10) selbst ist eine besondere Form nicht vorgesehen. Sie wird jedoch in der Regel in der gleichen Urkunde wie die Aufteilung erklärt und wird im Grundbuch (durch Bezugnahme) eingetragen, damit sie Wirkung auch gegen den Rechtsnachfolger der aufteilenden Miteigentümer entfaltet.43 Eine Verbindung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ist aber nicht zwingend.44 Im Übrigen hat das Grundbuchamt bei der Prüfung der Teilungserklärung keine Befugnis zu einer Kontrolle der Beachtung der §§ 305c ff. BGB. Eine AGB-Kontrolle würde gegen den Bewilligungsgrundsatz verstoßen und kann auch nicht mit dem sogen. Legalitätsprinzip gerechtfertigt werden.45
4. Änderung bestehender Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung Nicht selten besteht das Bedürfnis, die vereinbarte Teilungserklärung zu ändern. Dieser Än- 17 derungsbedarf kann sich zunächst daraus ergeben, dass die Teilungserklärung von vornherein nicht vollziehbar ist, oder aber, dass sich im Laufe der Zeit die Notwendigkeit der Änderung aufgrund geänderter äußerer Umstände ergibt. Musterbeispiel ist hier die „Umwidmung“ des Kinderspielplatzes in zusätzliche Stellplätze aufgrund geänderter Sozial- und Altersstruktur der Bewohner. Auch der nachträgliche An-, Aus- und Umbau erfordert mitunter die Änderung der Teilungserklärung, etwa der Ausbau eines Spitzbodens, der im Gemeinschaftseigentum steht, durch einen Wohnungseigentümer. Bereits bei Begründung des Wohnungseigentums vereinbarte Änderungsvorbehalte, die es 18 dem Bauträger (vgl. § 8 Rz. 23 f.) oder bei § 3 WEG einem Vertragsschließenden ermöglichen, Änderungen der Teilungserklärung (und der Gemeinschaftsordnung) vorzunehmen,
40 Zur Ausübung des Vorkaufsrechtes bei Verkauf einer Eigentumswohnung in diesen Fällen, vgl. Rapp in Staudinger, BGB, § 3 WEG Rz. 26 m.w.N.; zum Vorkaufsrecht nach § 577 BGB bei beabsichtigter Aufteilung durch den Erwerber vgl BGH v. 22.11.2013 – V ZR 96/12, MDR 2014, 206 = MietRB 2014, 67 = WuM 2014, 98. 41 BGH v. 15.6.2023 – V ZB 5/22. 42 Krafka in MünchKomm/BGB, § 3 WEG Rz. 16. 43 Vgl. KG v. 17.1.2001 – 24 W 2065/00, ZWE 2001, 275 = WuM 2001, 352. 44 BGH v. 17.4.2002 – IV ZR 226/00, MDR 2002, 1012 = NJW 2002, 2712. 45 Sehr str., vgl. Zimmer, NJW 2014, 337 ff.; eine AGB-Kontrolle kommt ohnehin allein bei Teilung nach § 3, nicht hingegen bei Teilung nach § 8 in Betracht, BGH Urt. v. 20.11.2020 – V ZR 196/19 – BGHZ 227, 289. Zimmer | 35
§ 3 WEG Rz. 18 | Vertragliche Einräumung von Sondereigentum sind zulässig46 und sinnvoll, derartige Vollmachten, also nicht bloße Vollzugsvollmachten,47zur Änderung müssen aber zumindest im Anwendungsbereich der MaBV und bei Verbraucherverträgen48 begrenzt und möglichst konkret sein. Um eine AGB-Widrigkeit der Klausel zu vermeiden, sollte keine Beeinträchtigung des Sondereigentums, der Sondernutzungsrechte und des Miteigentums des bereits durch Vormerkung gesicherten Erwerbers gestattet sein. Auch sollte die Vollmacht befristet sein. Sind derartige Vollmachten zu weit gefasst,49 kommt im Einzelfall ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB in Betracht, wonach Veränderungen der zugesagten Leistung nur zulässig sind, wenn sie dem anderen Vertragsteil unter Berücksichtigung der Interessen des aufteilenden Eigentümers zumutbar sind.50 Davon zu unterscheiden ist jedoch eine sogen. „verdinglichte Ermächtigung“ des teilenden Eigentümers etwa in der Gemeinschaftsordnung, in der der Bauträger es sich vorbehält, selbst für vorhandene Wohnungseigentümer nachträglich das dingliche Grundverhältnis zu ändern. Eine derartige Vereinbarung ist keine Vereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 2 WEG und daher unzulässig.51 18a Die Eigentümer können die Teilungsvereinbarung durch Vertrag ändern. Soweit es um die
Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Sondereigentum oder um die Umwidmung von Wohn- und Teileigentum in Gemeinschaftseigentum geht, ist nicht allein das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander (vgl. § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 2 S. 2) betroffen, sondern das Grundverhältnis der Mitglieder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und die sachenrechtliche Zuordnung der Flächen, Gebäudeteile und Räume.52 Es bedarf daher nicht nur der Mitwirkung aller Wohnungseigentümer, sondern zudem der Eintragung der Änderung in das Grundbuch und der Zustimmung dinglich Berechtigter (§§ 876, 877 BGB).53 Allerdings ist die Zustimmung dinglich Berechtigter dort nicht erforderlich, wo der Gläubiger in seiner dinglichen Rechtstellung nicht betroffen ist.54 Eine Änderung der Teilungsvereinbarung durch Beschluss der Wohnungseigentümer ist nicht möglich und daher nichtig, weil eine solche Beschlusskompetenz nicht, auch nicht durch Öffnungsklausel, vereinbart werden kann.55 Daran hat auch WEMoG nichts geändert. Zwar können nach § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 1 Beschlüsse aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel gegen den Rechtsnachfolger (also dinglich) wirken, wenn sie in das Grundbuch eingetragen werden. Der Gesetzgeber hat allerdings die Beschlusskompetenz nicht erweitert, so dass sich an der bisherigen Rechtslage nichts ändert.
5. Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und umgekehrt 19 Die nachträgliche Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum bedarf der
Form des § 925 BGB und der Eintragung in das Grundbuch (vgl. § 4 Rz. 5), dazu ist die 46 BGH v. 8.11.1985 – V ZR 113/84, NJW 1986, 845; OLG München v. 5.7.2013 – 34 Wx 155/13, MDR 2013, 1025 = MietRB 2013, 270 (Ermächtigung zum Speicherausbau) = ZWE 2013, 355, der Vorbehalt des Vorliegens einer Baugenehmigung ist keine Einschränkung der Ermächtigung. 47 Dazu OLG Köln v. 11.4.2019 – 2 Wx 69/19, NotBZ 2020, 65. 48 Vgl. BGH v. 23.6.2005 – VII ZR 200/04, MR 2005, 1284 f. = DNotZ 2006, 174; ausführlich Basty, Bauträgervertrag, Rz. 200 ff. 49 Vgl etwa BGH, Beschl. v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, NJW 2020, 610. 50 OLG München, Beschl. v. 17.2.2009 – 34 Wx 09/08, RNotZ 2009, 329. 51 BGH v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, MDR 2003, 864 = MietRB 2003, 9 = NJW 2003, 2165. 52 Vgl. BGH v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, MDR 2003, 864 = MietRB 2003, 9 f. = NJW 2007, 2165 ff. 53 BGH v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, MDR 2003, 864 = MietRB 2003, 9 f. = NJW 2007, 2165 ff. zu etwa erforderlichen Zustimmungen dinglich Berechtigter, vgl. § 2 Rz. 12. 54 Thür. OLG v. 27.7.2011 – 9 W 264/11, NotBZ 2011, 405. 55 Vgl. etwa Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 50; Armbrüster in Bärmann § 2 Rz. 84.
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II. Teilungsvereinbarung (Abs. 1) | Rz. 20d § 3 WEG
Einigung aller Miteigentümer erforderlich56. Zur Umwandlung von Teil- in Sondereigentum und umgekehrt (vgl. § 1 Rz. 25). Die nachträgliche Aufspaltung eines Miteigentumsanteils in zwei oder mehrere Anteile be- 20 darf der einseitigen Erklärung des Wohnungseigentümers und ggf. der Zustimmung im Grundbuch eingetragener dinglicher Berechtigter (§§ 876, 877 BGB). Allerdings bedarf die Unterteilung nicht der Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer; dies gilt – vorbehaltlich einer Vereinbarung gemäß § 12 WEG – auch für die nachfolgende Veräußerung der neu geschaffenen Einheiten.57 Etwas anders gilt, wenn zugleich die Zweckbestimmung geändert wird.58 Mitunter kann es erforderlich sein, Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum umzuwan- 20a deln. Dies ist etwa dann nötig, wenn ein nach der Teilungserklärung vorgesehenes (zu errichtendes) Gebäude endgültig nicht mehr errichtet wird. Eine Umwandlung in einen isolierten Miteigentumsanteil ist hier jedoch ausgeschlossen.59 Vielmehr bedarf es hier der Bestandteilszuschreibung.
6. Fehlerhafte Teilungsvereinbarung – fehlerhafte Bauausführung Wie jeder Vertrag kann die Teilungsvereinbarung unter Mängeln leiden. Derartige Mängel 20b können die Teilungsvereinbarung insgesamt umfassen, oder aber nur einzelne oder mehrere Sondereigentumseinheiten. Bei Widersprüchen zwischen Teilungsvereinbarung und Plänen ist jedoch die Teilungsvereinbarung und nicht die Angabe auf den Plänen maßgeblich.60 Ist der Teilungsvertrag insgesamt fehlerhaft, können die Vorschriften über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften (§§ 105 ff. BGB) nicht uneingeschränkt angewandt werden; es bedarf vielmehr einer für die Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts angemessenen Beseitigung der Gründungsmängel (vgl. § 2 Rz. 15). Mängel des Teilungsvertrages, die sich nur auf einzelne Sondereigentumseinheiten beschränken, lassen die Wirksamkeit der Aufteilung insgesamt jedoch unberührt.61 Dies trifft insbesondere auch für den Fall der fehlerhaften Unterteilung zu, bei dem nur einzelne Sondereigentumseinheiten nicht wirksam entstanden sind. Hier haben die Wohnungseigentümer ein Interesse daran, dass die Folgen der fehlerhaften Begründung nicht auch auf die weiteren Wohnungseigentumseinheiten übergreifen. Liegt ein Gründungsmangel vor, kann dieser Fehler auch ohne die Beseitigung durch erneu- 20c te Vereinbarung mittels gutgläubigen Erwerb durch den Rechtsnachfolger des Gründungsmitglieds entfallen.62 In diesem Zusammenhang kann der Erwerber auch durch gutgläubigen Erwerbs (§ 892 BGB) Räume erwerben, die fehlerhaft dem von ihm erworbenen Miteigentumsanteilen zugeordnet sind.63 Weicht die tatsächliche Bauausführung vom Aufteilungsplan ab, ist für die Abgrenzung des 20d Sondereigentums nicht die tatsächliche Bauausführung, sondern der Aufteilungsplan maßgeblich. Dieser soll sicherstellen, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grund56 OLG Köln v. 11.7.2022 – 2 Wx 138/22, DNotZ 2023, 152. 57 BGH v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, NJW 2012, 2434 = MDR 2012, 959 = MietRB 2012, 197. 58 BGH v. 4.12.2013 – V ZB 7/13, ZfIR 2015, 492 = NotBZ 2015, 308 = MDR 2015, 640 = MietRB 2015, 173. 59 OLG München v. 6.7.2010 – 34 Wx 43/10, MietRB 2010, 331 = NZM 2010, 749. 60 BGH v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, ZNotP 2016, 17. 61 BGH v. 5.12.2003 – V ZR 447/01, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 107; Elzer in Riecke/Schmid, § 2 WEG Rz. 37. 62 BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, BGHZ 109, 179 = MDR 1990, 325; Elzer in Riecke/Schmid, § 1 WEG Rz. 37. 63 Saarl. OLG v. 9.6.2011 – 4 U 153/10, ZWE 2011, 411. Zimmer | 37
§ 3 WEG Rz. 20d | Vertragliche Einräumung von Sondereigentum buchrechts Rechnung getragen wird, indem er die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe des Sondereigentums und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich macht. Die tatsächliche Bauausführung und der Besitzstand haben bei der Auslegung der Eintragung außer Betracht zu bleiben. Dies gilt auch für geringfügige Abweichungen.64 Bei derartigen Abweichungen der Bauausführung haben die Wohnungseigentümer – abgesehen von geringfügigen Abweichungen – Anspruch auf Herstellung des der Teilungserklärung entsprechenden Zustands.65 Dieser Anspruch richtet sich an die Eigentümergemeinschaft.
III. Abgeschlossenheit (Abs. 2) 1. Allgemeines 21 Die Einräumung von Sondereigentum setzt die Abgeschlossenheit der mit dem Sondereigen-
tum zu verbindenden Raumeinheiten voraus. Das Grundbuchamt hat hinsichtlich vorgelegter Abgeschlossenheitsbescheinigungen (AVA) eine eigene Prüfungskompetenz.66 Ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass eine Abgeschlossenheit tatsächlich nicht vorliegt, darf das Grundbuchamt den Antrag auf Anlegung von Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern ablehnen. Allerdings berechtigen bloße Zweifel nicht zur Zurückweisung des Antrags oder zum Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO). 22 Mit dem Begriff „in sich abgeschlossen“ (Abgeschlossenheit) sollen Streitigkeiten vermieden
werden, wie sie unter der Geltung des früheren Stockwerkseigentums als Folge unklarer rechtlicher Verhältnisse entstanden waren. Das Erfordernis der Abgeschlossenheit ist dabei keine begriffliche Voraussetzung für die Entstehung von Wohnungs- und Teileigentum, sondern eine aus praktischen Erwägungen geschaffene Sollvorschrift. Durch sie soll gewährleistet werden, dass jeder Sondereigentumsbereich von demjenigen der anderen Wohnungseigentümer und vom Gemeinschaftseigentum eindeutig abgegrenzt ist.67 Eine nähere Erläuterung findet die Abgeschlossenheit in der zu § 7 Abs. 4 Nr. 2 ergangenen Verwaltungsvorschrift (AVA). Nach § 5 der vorgenannten Verwaltungsvorschrift liegt die Abgeschlossenheit dann vor, wenn eine Raumeinheit baulich vollkommen von anderen Wohnungen abgeschlossen ist und einen eigenen, abschließbaren Zugang vom Freien, über ein Treppenhaus oder über einen Vorraum besitzt.68 Es handelt sich jedoch hierbei zunächst nur um eine Auslegungshilfe. Die Abgeschlossenheit bei Wohnungseigentum entspricht gleichsam der katastermäßigen Grenze bei Grundstücken.69 Zur Streitfrage, ob es zur Entstehung von Sondereigentum notwendig ist, dass dieses gegen das Gemeinschaftseigentum oder anderes Sondereigentum räumlich abgeschlossen ist, wird einerseits vertreten, dass Sondereigentum nicht an durch sog. bloße Luftschranken begrenzten Teilräumen entstehen kann.70 Nach überwiegender Meinung reicht es zur Entstehung von Sondereigentum jedoch aus, dass dieses gegen 64 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/16, NJW 2016, 473 (der Erwerber oder Eigentümer hat dann Anspruch auf Herstellung eines plangerechten Sondereigentums); Brückner, ZNotP 2017, 364. 65 BGH v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, ZNotP 2016, 17. 66 OLG Düsseldorf v. 15.9.1997 – 3 Wx 313/97, FGPrax 1998, 12 = ZMR 1997, 662. 67 BayObLG v. 20.6.1990 – BReg. 2 Z 37/90, BayObLGZ 1990, 168 = MDR 1990, 1017 = WuM 1990, 400; BGH v. 22.12.1989 – V ZR 339/87, BGHZ 110, 36 = MDR 1990, 325 = DNotZ 1990, 259. 68 Vgl. Krafka in MünchKomm/BGB, § 3 WEG Rz. 39; freier Zugang als Voraussetzung der Abgeschlossenheit vgl. LG Bamberg v. 6.4.2006 – 3 T 137/05, MittBayNot 2006, 418, im vorliegenden Fall war der Zugang nur über das Nachbargrundstück möglich; zur Sicherung des Erfordernisses der Abgeschlossenheit durch eine Grunddienstbarkeit vgl. Armbrüster in Bärmann, § 3 WEG Rz. 66 mit Beispielen. 69 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, ZfIR 2018, 695. 70 Lutter, AcP 1964, 122; 148.
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III. Abgeschlossenheit (Abs. 2) | Rz. 24 § 3 WEG
sonstiges Sondereigentum und gegen das Gemeinschaftseigentum eindeutig abgrenzbar ist.71 Danach kann Sondereigentum auch an unterschiedlichen Teilen eines Raumes bestehen72 (vgl. § 1 Rz. 27a). Das Erfordernis der Abgeschlossenheit bedeutet nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ebenso wenig eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Sondereigentum wie die zum Vollzug der Teilung im Grundbuch notwendige Bescheinigung der Abgeschlossenheit des Sondereigentums durch die Baubehörde.73 Die von Anfang an fehlende Abgeschlossenheit oder aber der spätere Wegfall der Abgeschlossenheit hindern weder das Entstehen des Wohnungseigentums, noch fällt das Wohnungseigentum nachträglich weg.74 Bei sogen. gefangenen Räumen, bei denen ein Zugang zum Sondereigentum nicht möglich ist, kann in entsprechender Anwendung des § 917 BGB ein Notwegerecht bestehen.75
2. Räume Die Abgeschlossenheit der Wohnung bzw. des Teileigentums erfordert mithin einen eigenen 23 verschließbaren Zugang vom Gemeinschaftseigentum oder aber vom Nachbargrundstück.76 Die Abgeschlossenheit zum Nachbargrundstück kann jedoch nicht gefordert werden.77 Eine Abgeschlossenheit liegt aber auch dann vor, wenn ein Durchgangsrecht für Dritte besteht, etwa die Befugnis, die Dachluke zum Spitzboden zu nutzen, um Wartungsarbeiten durchzuführen. Auch die Benutzung der Wohnung als Fluchtweg steht der Abgeschlossenheit nicht entgegen.78 Allerdings kann ein Stellplatz oder ein Verbindungsflur nicht Gegenstand von Sondereigentum sein, wenn es sich um den einzigen Zugang zu den zentralen Versorgungseinrichtungen des Gebäudes handelt.79 Errichtet ein Wohnungseigentümer Räumlichkeiten, die zu Wohnzwecken genutzt werden können, so führt dies ohne anderweitige Vereinbarung nicht dazu, dass er an diesen Räumen Sondereigentum erwirbt.80
3. Garagen, Stellplätze und Freiflächen (Abs. 1 Satz 3, Abs. 2) Bis zur Neufassung des WEMoG konnten allein in sich abgeschlossene Garagen ohne weite- 24 res als Teileigentum ausgestaltet werden. § 3 Abs. 2 Satz 2 (a.F.) erlaubte es aber auch, dort Teileigentum zu begründen, wo Garagenstellplätze die Anforderungen an die Abgeschlossenheit nicht erfüllen.81 Voraussetzung für die Fiktion als abgeschlossen war (und bleibt es auch für Teilungen vor dem 1.12.2020) iedoch, dass die Flächen durch dauerhafte Markierungen ersichtlich sind. Ausreichend für eine derartige Markierung kann auch ein Farbanstrich sein,82 da auch hier eine „dauerhafte Markierung“ dem Wortsinne nach vorliegt. Ein „ein71 Pfälz. OLG v. 8.3.2006 – 3 W 246/05, FGPrax 2006, 103 f.; Armbrüster, ZWE 2005, 182; 188, 190. 72 BGH v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, MDR 2008, 1266 = MietRB 2008, 333 = NJW 2008, 2982, 2983 (sog. Luftschranken). 73 BGH v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, MDR 2008, 1266 = MietRB 2008, 333 = NJW 2008, 2982. 74 Vgl. nur Wicke in Grüneberg, BGB, § 3 WEG Rz. 7; Schäuble in Soergel § 3 WEG Rz. 28. 75 OLG München v. 2.6.2008 – 32 Wx 044/08, MietRB 2009, 108. 76 LG Bielefeld v. 8.5.2000 – 25 T 237/00, Rpfleger 2000, 387; Krafka in MünchKomm/BGB, § 3 WEG Rz. 39; Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 96. 77 Heinemann in NK/BGB, § 3 WEG Rz. 6. 78 Heinemann in NK/BGB, § 3 WEG Rz. 6. 79 BGH v. 5.7.1991 – V ZR 222/90, MDR 1992, 50 = NJW 1990, 2109. 80 OLG Celle v. 28.5.2008 – 4 W 33/08, ZWE 2009, 128, im vorliegenden Fall ging es gleichfalls darum, dass es nicht darauf ankomme, vom wem die Anbauten finanziert wurden. 81 Allgemein zu Fragen des Stellplatzes bei Begründung von Wohnungseigentum: Heitmann, ZNotP 1998, 415. 82 Str., wie hier Grziwotz in Erman, BGB, § 3 WEG Rz. 6; Heinemann in NK/BGB, § 3 WEG Rz. 8; Schäuble in Soergel § 3 WEG Rz. 34; a.A. etwa Armbrüster in Bärmann, § 3 WEG Rz. 88 ff. Zimmer | 39
§ 3 WEG Rz. 24 | Vertragliche Einräumung von Sondereigentum facher Farbanstrich“ sollte demgegenüber keine ausreichende Markierung darstellen.83 Auch ein Schild oder ein Schriftzug auf dem Boden sind nicht geeignet, eine dauerhafte Markierung herbeizuführen. Ausreichend sind jedoch Markierungssteine, Markierungsnägel, fest in den Boden eingelassene Begrenzungsschwellen und ähnliche Vorrichtungen. 25 Unzulässig war hingegen die Begründung von Sondereigentum an Stellplätzen außerhalb
von „Räumen“ etwa auf Grundstücksfreiflächen, weil es sich hierbei nach früherer Rechtslage zwingend um Gemeinschaftseigentum handelte.84 Entsprechendes galt für ebenerdige Terrassen,85 Carports oder seitenoffene Stellplätze.86 Die Sonderrechtsfähigkeit war aber damit nicht gänzlich ausgeschlossen. So ist etwa auch vor der Änderung durch das WEMoG die Sondereigentumsfähigkeit markierter Stellplätze auf einem Dach bejaht worden,87 ebenso die der Wohnung vorgelagerter Balkone88, Dachterrassen und umschlossene Innenhöfe89 wenn sie nur über die (abgeschlossene) Wohnung zu erreichen sind und damit aus diesem Grunde ihrerseits die Abgeschlossenheit mit dieser Wohnung teilen.90 War dies nicht möglich, blieb nur die Einräumung von Sondernutzungsrechten (§ 5 Abs. 4).
26 Die Neufassung des § 3 hat diese mitunter schwierig zu entscheidende Frage der Sonder-
eigentumsfähigkeit nunmehr im Sinne einer weitgehenden Sondereigentumsfähigkeit geklärt. So wurde zunächst die Differenzierung von Stellplätzen im Gebäude selbst (insbes. Tiefgaragenstellplätzen) und Stellflächen außerhalb des Gebäudes aufgegeben. § 3 Abs. 1 Satz 2 schafft im Wege der Fiktion die Raumeigenschaft und damit die Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen innerhalb und außerhalb des Gebäudes. Damit kann selbstständiges und alleiniges (z.B. „1/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück ...verbunden mit dem Stellplatz mit der Bezeichnung Nr. 12 im Aufteilungsplan)“) Gebäudeeigentum an Stellplätzen geschaffen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 3 vorliegen. Zulässig bleibt es aber, wie bisher, an Stellplätzen Sondernutzungsrechte oder auch Annexeigentum zu begründen, da der außerhalb des Gebäudes liegende Stellplatz alle Anforderungen des Abs. 2 genügt.91 Bei neu zu errichtenden Gebäuden ist jeoch der Schaffung von Sondereigentum an Stellplätzen der Vorzug zu geben, da die bisherige Zuweisung im „Abverkauf“, etwa durch aufschiebende bedingte Sondernutzungsrechte nicht mehr erforderlich ist. 27 Unter einem Stellplatz ist eine Fläche zu verstehen, die zum Abstellen von Fahrzeugen aller
Art bestimmt ist.92 Dabei kann es sich sowohl um PKW-Abstellplätze handeln, als auch um Stellplätze für Motorräder oder Fahrräder,93 nicht jedoch Flächen für Kinder- oder Einkaufswagen, weil es hier bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht um Stellplätze handelt.
83 Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 74. 84 Thür. OLG v. 20.12.2004 – 9 W 654/03, Rpfleger 2005, 309; Böttcher, Rpfleger 2005, 649. 85 KG v. 6.1.2015 – 1 W 369/14, MDR 2015, 269 = NotBZ 2015, 148 = MietRB 2015, 112; dazu Ott, BWNotZ 2015, 130. 86 Heinemann in NK/BGB, § 3 WEG Rz. 8; für Balkone vgl. LG Wuppertal v. 28.10.2008 – 6 T 223/ 08, RnotZ 2008, 48 mit Anm. Hügel; zur nachträglichen Errichtung von Balkonen, vgl. Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 82. 87 OLG Frankfurt v. 26.4.1977 – 20 W 307/77; a.A. etwa Wicke in Grüneberg, BGB, § 3 WEG Rz. 8; Rapp in Staudinger, BGB, § 3 WEG Rz. 20; OLG Hamm v. 26.1.1998 – 15 W 502/97, ZMR 1998, 456; wie hier etwa Hügel in Bamberger/Roth, BGB, § 3 WEG Rz. 8; KG v. 18.12.1995 – 24 W 7497/ 94, ZMR 1996, 216. 88 OLG München v. 23.9.2011, ZWE 2012, 37 = DNotZ 2012, 4 mit Anm. Hügel; Dötsch, ZfIR 2011, 882; KG v. 8.11.2016 – 1 W 493/16; FGPrax 17, 7 (auch, wenn nur über Sondereigentum zugänglich). 89 OLG Hamm v. 5.1.2016 – 1 W 398/15, ZMR 2016, 300 mit Anm. Schneider. 90 LG Schwerin v. 24.7.2008 – 5 T 165/05, ZMR, 2009, 35. 91 Str. wie hier Köther, RnotZ 2021, 378; a.A. etwa Müller, ZWE 2020, 445. 92 Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 3. 93 Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 3.
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III. Abgeschlossenheit (Abs. 2) | Rz. 29 § 3 WEG
Wird für Flächen, die nicht als Stellplätze anzusehen sind Sondereigentum gebildet, kann Sondereigentum nicht wirksam entstehen, es sei denn die Voraussetzungen des Abs. 2 liegen vor. Dagegen führt die Umwidmung von Stellplätzen zu anderen Zweckbestimmungen nicht zum Wegfall des Sondereigentums. Die Zweckbestimmung von Stellplätzen kann im Übrigen durch Vereinbarung nach § 10 weiter konkretisiert werden, z.B. zum Zweck des Abstellen von PKW. Voraussetzung für die Sondereigentumsfähigkeit ist die Bezeichnung durch Maßangaben im Aufteilunpsplan. Der Aufteilungsplan ersetzt also hier die nicht mögliche Abgeschlossenheit. Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass sich aus dem Plan die Breite und Länge und die örtliche Lage auf dem Flurstück selbst ergibt, so dass ein Dritter die genaue Lage bestiimmen kann. Eine Markierung in der Wirklichkeit ist ohne Bedeutung. Für Stellplätze in einer Doppelstockgarage oder auch Mehrfachparkanlage („Duplexpar- 28 ker“) kann Sondereigentum begründet werden, und zwar für jeden „Stellplatz“ und nicht (wie in der Vergangenheit) an der Doppelstockgarage im Ganzen.94 sodass die Eigentümer insoweit eine Regelung nach § 1010 BGB treffen können. Die bisherigen Zweifel (vgl. Vorauflage) sind durch die Klarstellung der Sondereigentumsfähigkeit von „Stellplätzen“ beseitigt, denn auch nach allgemeinem Sprachgebrauch ist auch der Stellplatz in einem Duplexparker zweifellos ein Stellplatz und damit von der Fiktion des Abs. 1 Satz 2 umfasst.95 Die Hebevorrichtung selbst – soweit sie mehreren „Duplexparkern“ dient – ist jedoch zwingend Gemeinschaftseigentum, weil sie dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dient.96 Die Hebevorrichtung kann nur dann sondereigentumsfähig sein, wenn sie allein einer „Duplexparker-Einheit“ dient, also alle Stellplätze des Duplex-Parkers in ein Sondereigentum zusammengefasst sind Für außerhalb des Grundstücks liegende Freiflächen konnten i.d.R (oben Rz. 24) allein 29 Sondernutzungsrechte (§ 5 Abs. 3) begründet werden, wenn ein Eigentümer eines Sondereigentums für diese Fläche eine dem Eigentum vergleichbare Gebrauchsnutzung erhalten sollte. Die Sondereigentumsfähigkeit scheiterte an der Raumeigenschaft. Abs. 2 schafft nunmehr die Möglichkeit auch hier Sondereigentum zu schaffen. Anders als bei Stellplätzen, bei denen Sondereigentum an dem Stellplatz als eigenständiger Miteigentumsanteil gebildet werden kann, ist dieses Sondereigentum aber nur als „Annex“ zur Hauptsache (Wohnungsoder Teileigentum) begründbar. Ein isoliertes Sondereigentum ausschleißlich an einer Freifläche ist dagegen nicht möglich, sondern würde stets eine Flurstücksbildung voraussetzen. Die Erstreckung auf außerhalb des Gebäudes liegende Flächen soll also allein die bisher gebräuchlichen Sondernutzungsrechte für derartige Flächen ersetzen. Eine unmittelbare Grenze zwischen Hauptsache (Wohnungseigentum) und Annex-Sondereigentum nach Abs. 2 kann (wie ebenso beim Sondernutzungsrecht) nicht gefordert werden-97 Sondereigentum nach Abs. 2 kann aber dort nicht begründet werden, wo zwingend Gemeinschaftseigentum besteht, also etwa die Grundfläche des Gebäudes.98 Wird also etwa bei Doppelhaushälften zur Vermeidung von Vermessungskosten Wohnungseigentum gebildet, kann das Sondereigentum nicht etwa auf die Grundflächen der Doppelhaushälften oder notwendige Zuwegungen erstreckt werden, sondern „nur“ auf den Außenbereich.
94 Hügel/Elzer, § 3 Rz. 64. Zum Rechtzustand für Teilungen vor dem 1.12.2020 OLG Düsseldorf v. 22.3.1999 – 3 Wx 14/99, ZMR 1999, 500 (nur am Doppelparker insgesamt; str. vgl. LG Dresden v. 24.6.2010 – 2715/08, ZMR 2010, 979). 95 Wobst, MittBayNot 2021, 1, 3; die zeichnerische Darstellung hat dabei möglichst konkret z.B. mit „Nr 1/oben“ und „Nr. 1/unten“ zu erfolgen (§ 7 Abs. 2 AVA). 96 BGH v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MietRB 2012, 13 = MDR 2012, 17. 97 Müller, ZWE 2020, 445. 98 Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 5. Zimmer | 41
§ 3 WEG Rz. 30 | Vertragliche Einräumung von Sondereigentum 30 Die wirtschaftliche Hauptsache muss dabei Sondereigentum an der Wohnung sein. Damit
soll sicher gestelllt werden, dass Abs. 2 nicht für andere Zwecke verwendet wird, etwa um die Flurstücksbildung zu umgehen, aber gleichwohl Eigentum an einem Grundstück zu erhalten. Ob es sich nur um Annex handelt und das Sondereigentum an der Wohnung die Hauptsache ist, wird durch die Verkehrsanschuung beurteilt. Insoweit kann auf die zu den ähnlich lautenden Vorschriften des § 31 Abs. 1 Satz 2 und § 1 Abs. 2 ErbbauG ergangene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden.99 Entscheidend ist dabei, ob die Freifläche eine dienende Funktion hat, was etwa bei Terrassen stets der Fall ist; anders kann dies etwa bei einer „Baulücke“ sein.100 Für das Vorliegen der „Annexfunktion“ kommt es auf spätere Veränderungen nicht an. Für die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung oder des Teileigentums besteht eine Vermutung, sodass auch das Grundbuchamt weitere nachweise nur bei konkreten Anhaltspunkten verlangen kann.101 Um dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen, muss die betreffende Fläche hinreichend im Aufteilunsplan ausreichend gekennzeichnet sein (Abs. 3). Eine katasteramtliche Vermessung und Flurstücksbildung ist aber nicht gefordert. Die Zuweisung erfolgt in gleicher Weise, wie die Zuweisung eines Raumes (zum Beispiel „334/10.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück [...] verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Obergeschoß mit Gartenfläche, im Aufteilungsplan mit Nr. 2 gekennzeichnet“). Anders als der Stellplatz ist hier eine isolierte Verkehrsfähigkeit nicht gegeben.
IV. Kosten 31 Für die notarielle Beurkundung gilt die Vorschrift des Nr. 21100 KV (2,0-Gebühr mindestens
120 Euro) aus dem Wert des bebauten Grundstücks und, sofern das Grundstück noch nicht bebaut ist des Wertes des Grundstückes unter Hinzurechnung der Kosten des zu errichtenden Gebäudes (§ 42 Abs. 1 GNotKG). Das Grundbuchamt erhebt ebenfalls aus demselben Wert eine 1,0-Gebühr nach KV 14110.
§4 Formvorschriften (1) Zur Einräumung und zur Aufhebung des Sondereigentums ist die Einigung der Beteiligten über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung in das Grundbuch erforderlich. (2) Die Einigung bedarf der für die Auflassung vorgeschriebenen Form. Sondereigentum kann nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung eingeräumt oder aufgehoben werden. (3) Für einen Vertrag, durch den sich ein Teil verpflichtet, Sondereigentum einzuräumen, zu erwerben oder aufzuheben, gilt § 311b Abs. 1 des BGB entsprechend. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2
III. Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum (Abs. 1 und 2) . . . . . . 1. Einräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 Hügel/Elzer, DNOtZ 2021, 1, 6. 100 Wobst, MitBayNot 2021, 1, 4. 101 OLG Rostock v. 24.10.2022 – 3 W 82/22, NJW 2023, 617.
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8 9
I. Allgemeines | Rz. 1 § 4 WEG a) Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Form (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung des § 925a BGB . . . . . cc) Bedingungs- und Befristungsfeindlichkeit (Abs. 2) . . . . . . . . . . . dd) Bindung an die Einigung . . . . . . . . b) Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufhebung aller Sondereigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilweise Aufhebung von Sondereigentumsrechten – Umwandlung von Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum und umgekehrt .
10 11 13 14 17 18 22 23
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3. IV. 1. 2. V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. VI.
Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldrechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vormerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigungs- und Zustimmungserfordernisse Behördliche Genehmigung nach § 2 GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Familiengerichtliche Genehmigung . . . § 22 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 172 BauGB sowie §§ 201, 250 BauGB Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustimmung dinglicher Berechtigter . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26a 27 28 32
33 34 35 36 37 43 47
Schrifttum: DNotI, Realteilung eines in Wohnungs-/Teileigentum aufgeteilten Grundstücks, DNotI-Report 2016, 133; Elzer, Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum, MietRB 2007, 78; Häublein, Gestaltungsprobleme im Zusammenhang mit der abschnittsweisen Errichtung von Wohnungseigentumsanlagen; DNotZ 2000, 442; Hügel, Der nachträgliche Ausbau von Dachgeschossen – Gestaltungsmöglichkeiten in der Gemeinschaftsordnung, RNotZ 2005, 149; Kreuzer, Änderung der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung, ZWE 2002, 285; Rapp, Verdinglichte Ermächtigungen in der Teilungserklärung – zugleich Besprechung des Beschlusses des BayObLG v. 24.7.1997 – 2Z BR 49/97, MittBayNot, 1998, 77; Röll, Die Errichtung einer Eigentumswohnanlage in mehreren Bauabschnitten, MittBayNot 1993, 5; Röll, Die Aufhebung von Wohnungseigentum an Doppelhäusern – Bemerkungen zum Beschluss des OLG Frankfurt v. 1.10.1999 – 20 W 211/97, DNotZ 2000, 749; Schüller, Änderungen von Gemeinschaftsordnungen und Teilungserklärungen, RNotZ 2011, 203.
I. Allgemeines Die Vorschrift des § 4 regelt zum einen in Abs. 1 und 2 die Formvoraussetzungen für den 1 dinglichen Vertrag über die Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum, zum anderen in Abs. 3 die formellen Voraussetzungen für den schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrag auf Einräumung, Erwerb oder Aufhebung von Sondereigentum. Die Vorschrift gilt darüber hinaus auch für spätere Änderungen bei bereits begründeten Wohnungs- und Teileigentum. Darüber hinaus kann die Vorschrift auch dort Anwendung finden, wo (räumliche) Änderungen nur einzelne Räume betreffen. Von Bedeutung ist die Vorschrift auch dort, wo Freiflächen, an denen bis 1.12.2020 Sondereigentum nicht begründet werden konnte, nach § 3 Abs. 2 in das Sondereigentum eines Miteigentümers übertragen werden sollen. Allerdings findet die Vorschrift dort keine Anwendung, wo es nicht um Einräumung und Aufhebung des Sondereigentums geht, sondern um die Inhaltsänderung beim bestehenden Sondereigentum etwa nach § 5 Abs. 4 oder § 10 Abs. 3 (zur Umwandlung von Teil- in Wohnungseigentum vgl. Rz. 5 f.). Derartige Beschlüsse können zwar eine Änderung des Inhalts des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums herbeiführen, eine sachenrechtliche Änderung des Grundverhältnisses der Wohnungseigentümer kann aber nicht durch Beschluss der Wohnungseigentümer, sondern nur nach § 4 oder § 8 erfolgen. Auch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Form des § 311 b BGB und der Eintragung in das Grundbuch.
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§ 4 WEG Rz. 2 | Formvorschriften
II. Anwendungsbereich 2 Wird Sondereigentum begründet, ist dabei zunächst zwischen dem Erwerb des Miteigen-
tumsanteils bzw. der Begründung des Miteigentums nach §§ 1008, 925, 873 BGB und der eigentlichen Einräumung des Sondereigentums zu differenzieren. Nur für Letztere greift die Vorschrift des § 4 ein, d.h. das Bestehen des Miteigentums am Grundstück wird bereits vorausgesetzt. Miteigentum und Sondereigentum können dabei auch gleichzeitig begründet werden, allerdings unter der Voraussetzung, dass jeder Miteigentümer auch Sondereigentum erhält.1 3 Die Vorschrift gilt nur für die vertragliche Begründung von Sondereigentum (§ 3), nicht
aber für die Begründung durch Teilung nach § 8. Ebenfalls nicht unter die Regelung des § 4 fallen auch spätere Änderungen von Vereinbarungen i.S.d. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 32 über den Inhalt des Sondereigentums (Rz. 1). 4 Für die Veräußerung bereits begründeten Wohnungseigentums sind die allgemeinen Vor-
schriften über die Veräußerung von Miteigentum (insb. § 311b Abs. 1 BGB) direkt heranzuziehen.2 Soll eine Teilfläche des in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks abgetrennt und veräußert werden, so müssen daher alle Wohnungseigentümer mitwirken.3 Dies gilt auch dann, wenn eine Teilfläche an der nach § 3 Abs. 2 Sondereigentum begründet wird, ohne die Hauptsache (Wohnungseigentum) abgetrennt und veräußert werden soll, weil hier ebenfalls in das sachenrechtliche Grundverhältnis aller Eigentümer eingegriffen wird. 5 Die Vorschrift betrifft sowohl die erstmalige als auch die nachträgliche Einräumung und
Aufhebung von Sondereigentum.4 Vom Anwendungsbereich mitumfasst sind damit auch alle nachträglichen Umwandlungen von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und umgekehrt, da es sich hierbei nur um eine Kombination aus (teilweiser) Aufhebung und (teilweiser) Einräumung von Sonder- bzw. Gemeinschaftseigentum handelt5 und die sachenrechtliche Zuordnung der Flächen, Gebäudeteile und Räume betroffen ist. 6 Wird demnach Sondereigentum nachträglich ohne Änderung der Miteigentumsanteile in
der Weise eingeräumt, dass eine Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum erfolgt, bedarf es der Einigung aller Wohnungs- und Teileigentümer in der Form der Auflassung und der Eintragung ins Grundbuch, da eine derartige Umwandlung nicht den Regelbereich des § 10 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 WEG betrifft, sondern das sachenrechtliche Grundverhältnis.6 Dies gilt auch dann, wenn einem Wohnungseigentümer bereits ein Sondernutzungsrecht an den Gemeinschaftsräumen zustand.7 Damit ist § 4 auch dort zu beachten, wo aus bisherigen nicht sondereigentumsfähigen Außenflächen Sondereigentum gebildet werden soll (§ 3 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2). Vereinbarungen, durch die ein Wohnungseigentümer ermächtigt wird, Gemeinschafts- in Sondereigentum umzuwandeln und umgekehrt, oder nach denen die vorweggenommene Zustimmung zu einer solchen Umwandlung erteilt wird, unterfallen nicht § 10 Abs. 2 und können damit nicht mit einer die Sonderrechtsnachfolger bindenden Wirkung als Inhalt des Sondereigentums vereinbart und daher auch nicht im Grundbuch eingetragen werden.8 Das
1 Wendt in Soergel, BGB, § 4 WEG Rz. 4. 2 Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 1; Wicke in Grüneberg, BGB, § 4 WEG Rz. 4; Rapp in Staudinger, BGB, § 4 WEG Rz. 10. 3 KG v. 25.10.2011 – 1 W 479/11, ZfIR 2011, 839. 4 Armbrüster in Bärmann, § 4 WEG Rz. 6; Wicke in Grüneberg, BGB, § 4 WEG Rz. 1. 5 Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 1; Armbrüster in Bärmann, § 4 WEG Rz. 8. 6 Saarl. OLG v. 28.9.2004 – 5 W 173/04 m.w.N. 7 Saarl. OLG v. 28.9.2004 – 5 W 173/04 m.w.N. 8 BGH v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, MDR 2003, 864 = MietRB 2003, 9 = NJW 2003, 2165 m.w.N.
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III. Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum (Abs. 1 und 2) | Rz. 9 § 4 WEG
Gleiche gilt, wenn die Vereinbarung nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsumwandlung beinhaltet.9 Die Vorschrift des § 4 erlangt damit in praktischer Hinsicht vor allem Geltung für die Fälle, in 7 denen z.B. ein im gemeinschaftlichen Eigentum stehender Raum oder eine Außenfläche in Sondereigentum umgewandelt und einem bereits vorhandenen Wohnungseigentum zugeschlagen werden soll, aber auch umgekehrt für die Fälle, in denen z.B. ein Teil des mit einem Miteigentumsanteil verbundenen Sondereigentums aufgehoben und in Gemeinschaftseigentum umgewandelt (dazu unter Rz. 24 f.) oder abgetrennt und einem anderen Wohnungseigentum zugeschlagen werden soll (dazu unter Rz. 9).10 Zulässig ist dabei insbes. auch die Herauslösung einzelner Sondereigentumsräume aus einem Wohnungseigentum und gleichzeitige Zuordnung zu einem anderen Wohnungseigentum derselben Gemeinschaft; eine Änderung der Teilungserklärung durch alle Eigentümer ist dabei nicht erforderlich, es genügt die Vereinbarung der betroffenen Wohnungseigentümer.11
III. Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum (Abs. 1 und 2) Die Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum erfolgt nach Abs. 1 wie bei § 873 8 Abs. 1 BGB durch die dingliche Einigung der Beteiligten über die Rechtsänderung und die Eintragung ins Grundbuch.
1. Einräumung Streitig ist, wie die dingliche Einräumung von Sondereigentum (wenn schon Miteigentum 9 nach BGB besteht) zu behandeln ist. Die überwiegende Auffassung nimmt hier lediglich eine Inhaltsänderung des (Mit-)Eigentums, aber keinen Eigentumsübergang an,12 wohingegen andere hierin eine dingliche Neuzuordnung von Eigentum erblicken.13 Ähnlich verhält es sich in den Fällen der Zuordnung von Räumen bestehenden Sondereigentums eines Wohnungseigentümers zu Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers (sog. Neuzuteilung), hier fehlt ebenfalls eine gesetzliche Regelung. Es handelt sich dabei nicht um die Übertragung von Sondereigentum i.S.d. § 873 BGB, da Verfügungsobjekt hier die jeweiligen wohnungseigentumsrechtlich gebundenen Miteigentumsteile sind.14 Bei der Neuzuteilung von Sondereigentum handelt es sich damit ebenfalls um eine Inhaltsänderung der beteiligten Miteigentumsanteile, die der Form des § 4 Abs. 1 und 2 bedarf.15 Um Einräumung von Sondereigentum i.S.d. § 4 Abs. 1 handelt es sich auch bei der Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum.16 9 BGH v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, MDR 2003, 864 = MietRB 2003, 9 = NJW 2003, 2165 = DNotZ 2003, 536. 10 Str. wie hier etwa Armbrüster in Bärmann, § 4 WEG Rz. 11; a.A. etwa Wendt in Soergel, § 4 WEG Rz. 13, der die §§ 873, 925 BGB für anwendbar hält. 11 OLG München v. 24.9.2019 – 34 Wx 194/18, NotBZ 2019, 307, dazu Grziwotz, MittBayNot 2019, 350; sind die zu tauschenden Räume bereits in sich abgeschlossen oder bedarf es einer Abgeschlossenheit nicht (§ 3 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2), bedarf es weder einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung noch der Vorlage eines Plans mit umnumerierten Räumen. 12 Augustin in RGRK-BGB, § 4 WEG Rz. 2; Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 2; Briesemeister in Weitnauer, § 4 WEG Rz. 2; Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 4 WEG Rz. 2. 13 Rapp in Staudinger, BGB, § 4 WEG Rz. 3 14 Wie hier Armbrüster in Bärmann, § 4 WEG Rz. 11. 15 OLG Köln v. 31.7.2006 – 16 Wx 98/06, FGPrax 2007, 19 = ZMR 2007, 137; für eine analoge Anwendung Armbrüster in Bärmann, § 4 WEG Rz. 11. 16 BGH v. 1.10.2004 – V ZR 210/03, MDR 2005, 83 = MietRB 2005, 8 = NJW-RR 2005, 10. Zimmer | 45
§ 4 WEG Rz. 10 | Formvorschriften a) Einigung 10 Durch die dingliche Einigung über die Einräumung von Sondereigentum wird bestimmt,
welche Bestandteile des Gebäudes vom Miteigentum in Sondereigentum überführt werden, wobei die grundbuchmäßige Beschreibung in der Teilungserklärung selbst17 anhand der Abgeschlossenheitsbescheinigung und bei Stellplätzen und Außenflächen anhand des Aufteilungsplanes (§ 3 Rz. 20d) vorzunehmen ist.18 Für den Fall, dass die Beschreibung der in Sondereigentum zu überführenden Räumlichkeiten in den beurkundeten Erklärungen über die Einräumung des Sondereigentums mit dem in Bezug genommenen Aufteilungsplan nicht übereinstimmt, kann aufgrund des Vorliegens von widersprüchlichen Erklärungen ein Sondereigentum nicht entstehen. Etwas anderes gilt nur, wenn sich im Wege der Auslegung ermitteln lässt, welche der beiden Möglichkeiten tatsächlich gewollt sind.19 aa) Form (Abs. 2) 11 Nach § 4 Abs. 2 bedarf die zur Rechtsänderung erforderliche Einigung der Beteiligten der
Form der Auflassung nach § 925 BGB, wonach die entsprechenden Erklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden müssen. Zuständige Stelle in diesem Sinne ist zunächst jeder Notar (§ 925 Abs. 1 Satz 2 BGB), darüber hinaus können die Erklärungen auch in einem gerichtlichen Vergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)20 oder in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan (§§ 248, 254 Abs. 1 Satz 2 InsO) abgegeben werden (§ 925 Abs. 1 Satz 3 BGB). 12 Eine Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB ist zulässig. Im Falle der Abgabe der entsprechen-
den Erklärung durch einen Nichtberechtigten ist eine Nachgenehmigung nach § 185 BGB möglich.21 Bei Vorliegen einer formunwirksamen (nachträglichen) Einräumung von Sondereigentum besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Umdeutung in ein Sondernutzungsrecht, wenn dieses mit einem Miteigentumsanteil verbunden ist.22 Der Form des § 4 Abs. 2 i.V.m. §§ 873, 925, 311b BGB bedarf es auch, wenn etwa ein Wohnungseigentümer, dem zwei Wohnungen gehören, Räume des einen Sondereigentums dem anderen zuordnet.23 Damit dürfte auch der Tausch von Außenflächen, die nach § 3 Abs. 2 als Sondereigentum ausgestaltet sind, in gleicher Weise (Rz. 7) zulässig sein. Wohnungseigentümer sind unter den Voraussetzungen des § 4 nicht gehindert, untereinander den Gegenstand ihres Sondereigentums ohne gleichzeitige Änderung der Miteigentumsanteile zu verändern.24
17 OLG Köln v. 11.7.2022 – 2 Wx 138/22, ZWE 2023, 152; allerdings genügt es dem Bestimmtheitsgrundsatz, wenn in der Teilungserklärung die Vereinbarung enthalten ist, „Sollten die zu Sondereigentum erklärten Gebäudeteile nicht sondereigentumsfähig sein, sind diese den jeweiligen zugehörigen Sondereigentumseinheiten zur Sondernutzung zugewiesen“; vgl. OLG Düseldorf v. 25.22022 – 3 Wx 59/22 – ZfIR 2022, 502. 18 Zur Bestimmung und Änderung des Gegenstandes des Sondereigentums ausführlich Rapp in Staudinger, BGB, § 4 WEG Rz. 6 und 7. 19 Weitnauer in Weitnauer, § 4 WEG Rz. 1. 20 Vgl. LG München I v. 26.6.2019 – 1 S 5268/18 WEG, MDR 2019, 1338 dazu Grziwotz, IMR 2019, 434. 21 Herrler in Grüneberg, BGB, § 925 BGB Rz. 5. 22 KG v. 16.9.1999 – 24 W 8886/97, GE 1999, 1361. 23 OLG München v. 30.7.2008 – 34 Wx 49/08, ZWE 2009, 25; OLG Köln v. 31.7.2006 – 16 Wx 98/06, FGPrax 2007, 19. 24 BGH v. 6.6.1986 – V ZR 264/84, MDR 1987, 41 = NJW 1986, 2759.
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III. Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum (Abs. 1 und 2) | Rz. 19 § 4 WEG
bb) Anwendung des § 925a BGB Eine Anwendbarkeit des § 925a BGB scheidet aus, mit der Folge, dass es einer Vorlage oder 13 gleichzeitiger Errichtung der Urkunde über den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag bei Abgabe der Erklärungen über die Einräumung von Sondereigentum nicht bedarf.25 cc) Bedingungs- und Befristungsfeindlichkeit (Abs. 2) § 4 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass Sondereigentum nicht unter einer Bedingung oder Zeit- 14 bestimmung eingeräumt oder aufgehoben werden kann. Eine Unwirksamkeit nach Abs. 2 tritt dabei sowohl dann ein, wenn die Bedingung oder Zeit- 15 bestimmung für alle Sondereigentumsrechte gelten soll, als auch für die Fälle, dass sie sich nur auf ein einzelnes oder einzelne Sondereigentumsrechte bezieht. Ausgeschlossen wird durch die Regelung in Abs. 2 Satz 2 damit auch die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Erwerbs von Wohnungseigentum i.S.d. „Time-sharing“.26 Als unzulässige Bedingung i.S.d. Abs. 2 gilt u.a. auch die Vereinbarung über die Errichtung 16 eines Gebäudes zu einem bestimmten Zeitpunkt.27 Zulässig ist es hingegen, die Auflassung von einer Rechtsbedingung, wie etwa der Erteilung behördlicher bzw. gerichtlicher Genehmigungen, abhängig zu machen.28 dd) Bindung an die Einigung Eine Bindung an die Einigung erfolgt in den in § 873 Abs. 2 BGB genannten Fallgruppen, 17 und zwar in direkter Anwendung dieser Norm, sofern man in der Einräumung von Sondereigentum eine Neuzuordnung von Eigentum erblickt, ansonsten über die in § 877 BGB enthaltene Verweisung. b) Eintragung Nach Abs. 1 erfordert die Einräumung von Sondereigentum neben der Einigung der Betei- 18 ligten auch die Eintragung ins Grundbuch. Im Regelfall wird die Einigung dabei der Eintragung zeitlich vorausgehen, sie kann ihr aber auch nachfolgen.29 Für die Eintragung im Grundbuch ist nach hier vertretener Auffassung entsprechend dem 19 formellen Konsensprinzip die Bewilligung aller Miteigentümer (§ 19 GBO) in der Form des § 29 GBO erforderlich; § 20 GBO erlangt keine Geltung.30 Dies begründet sich daraus, dass es sich bei der Einräumung von Sondereigentum gerade nicht um eine echte Auflassung handelt. Ansonsten wäre die Bedingungs- und Befristungsfeindlichkeit, wie sie in Abs. 2 Satz 2 festgehalten ist, überflüssig. Aus den gleichen Gründen ebenfalls nicht anwendbar ist die Regelung des § 22 Abs. 2 GBO über das Zustimmungserfordernis des Eigentümers im Falle der Grundbuchberichtigung.
25 Wie hier etwa Wicke in Grüneberg, BGB, § 4 WEG Rz. 2; Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 4; Briesemeister in Weitnauer, § 4 WEG Rz. 7; a.A. etwa Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 3; Armbrüster in Bärmann, § 4 WEG Rz. 27. 26 Briesemeister in Weitnauer, § 4 WEG Rz. 6. 27 Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 7. 28 Wendt in Soergel, BGB, § 4 WEG Rz. 15. 29 Hügel in Bamberger/Roth, BGB, § 4 WEG Rz. 4. 30 Wie hier etwa Briesemeister in Weitnauer, § 4 WEG Rz. 5; Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 4; a.A. etwa Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 3; Rapp in Staudinger, BGB, § 4 WEG Rz. 4; a.A. Wendt in Soergel, BGB, § 4 WEG Rz. 8. Zimmer | 47
§ 4 WEG Rz. 20 | Formvorschriften 20 Im Falle der Ersteinräumung von Wohnungseigentum entsteht dieses erst, wenn sämtliche
gebildete Wohnungseinheiten im Grundbuch eingetragen sind, mithin alle Wohnungsgrundbücher vollständig angelegt sind.31 Das Grundbuchamt hat bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Eintragung keine Inhaltskontrolle, insbesondere nicht im Hinblick auf § 305c ff. BGB vorzunehmen.32 21 Ein gutgläubiger Erwerb am einzelnen eingetragenen, wenn auch nicht entstandenen Woh-
nungseigentum ist möglich,33 da der Gute Glaube nur an dem einzelnen Wohnungs-Grundbuch-Blatt bestehen muss.
2. Aufhebung 22 Die Aufhebung von Sondereigentum erfordert ebenso wie dessen Einräumung eine Einigung
in der Form des § 925 BGB (Auflassung) und die Eintragung im Grundbuch. Für die Aufhebung erlangen die obigen Ausführungen zur Einräumung von Sondereigentum mithin entsprechende Geltung. Die Aufhebung des Sondereigentums erlangt ihre Wirksamkeit mit der Eintragung im Grundbuch.34 Eine Aufhebung von Sondereigentum durch einseitigen Verzicht entsprechend § 928 BGB gegenüber dem Grundbuchamt ist jedoch ausgeschlossen.35 a) Aufhebung aller Sondereigentumsrechte 23 Im Fall der Aufhebung aller vorhandenen Sondereigentumsrechte kommt es zur Entstehung
einer Miteigentümergemeinschaft nach §§ 741 ff., 1008 BGB. Beispiel: Werden sämtliche Wohnungseigentumsrechte aufgehoben, wandelt sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zurück in die gewöhnliche Bruchteilsgemeinschaft der Miteigentümer des Grundstücks, was eine Schließung der Wohnungsgrundbücher von Amts wegen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 nach sich zieht.36 b) Teilweise Aufhebung von Sondereigentumsrechten – Umwandlung von Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum 24 Bei der teilweisen Aufhebung von Sondereigentum handelt es sich um die Umwandlung
von Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum.37 Zum einen kann ein einzelnes Sondereigentum insgesamt aufgehoben werden. Beispiel: Kommt es zur Aufhebung des Sondereigentums an einer Wohnungseinheit, was einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer bedarf, hat dies das Ausscheiden des Sondereigentümers aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und die Entstehung gemeinschaftli-
31 Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 3; Wicke in Grüneberg, BGB, § 4 WEG Rz. 1. 32 Vgl. im Einzelnen Zimmer in Lemke, Immobilienrecht, § 19 GBO Rz. 6. 33 Armbrüster in Bärmann, § 3 WEG Rz. 48. Zum Schicksal einer im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Dienstbarkeit vgl. OLG Hamm. v. 22.3.2016 – 15 W 357/15, MietRB 2016, 229. 34 Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 4 WEG Rz. 11. 35 Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 5; OLG Düsseldorf v. 20.9.2000 – 3 Wx 328/00, ZWE 2001, 36 = NJW-RR 2001, 233; BGH v. 14.6.2007 – V ZB 18/07, MDR 2007, 1122 = MietRB 2007, 264 = NZM 2007, 600 = ZfIR 2008, 17. 36 Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 19. 37 Wicke in Grüneberg, BGB, § 4 WEG Rz. 2.
48 | Zimmer
III. Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum (Abs. 1 und 2) | Rz. 26 § 4 WEG
chen Eigentums der übrigen Wohnungseigentümer an dem bisherigen Gegenstand des Sondereigentums zur Folge.38 In diesem Fall, sowie auch bei der Unterteilung von Sondereigentum mit der Folge der Entstehung neuen Gemeinschaftseigentums, bedarf es zur Wirksamkeit der Unterteilung der Auflassung des neuen Gemeinschaftseigentums unter Mitwirkung aller im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer und der Eintragung in das Grundbuch; eine entgegen diesen Grundsätzen eingetragene Unterteilung ist inhaltlich unzulässig und damit nichtig.39 Zudem entsteht nach überwiegender Ansicht ein isolierter Miteigentumsanteil, den die Miteigentümer durch Vereinigung oder Zuschreibung zu beseitigen haben;40 nach a.A. fällt den übrigen Wohnungseigentümern der bisherige Miteigentumsanteil des ausgeschiedenen Wohnungseigentümers anteilmäßig an.41 Vorzugswürdig ist die erstgenannte Lösung, da für eine „Anwachsung“ jede gesetzliche Grundlage fehlt. Zum anderen ist es möglich, das Sondereigentum auch nur an einzelnen Gegenständen 25 bzw. Teilen des Sondereigentums, z.B. an einzelnen Räumen (Keller) oder Einrichtungen, aufzuheben und in gemeinschaftliches Eigentum der Wohnungseigentümer umzuwandeln, was eine Vereinbarung i.S.d. § 5 Abs. 3 darstellt.42 Hierfür ist ebenfalls eine Einigung aller Raumeigentümer und die Eintragung in allen Wohnungsgrundbüchern erforderlich.43 Soll eine abzuschreibende Teilfläche veräußert werden, bedarf es nicht der Aufhebung aller Sondereigentumsrechte, sondern nur derjenigen, die von der Veräußerung „betroffen“ sind.44 c) Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum und umgekehrt Die Umwandlung eines Teileigentums in ein Wohnungseigentum oder umgekehrt bedarf 26 hingegen nicht der Form des § 4 Abs. 1, Abs. 2 WEG i.V.m. § 925 Abs. 1 BGB, da hier weder die Miteigentumsanteile noch die Grenzen von Sondereigentum und gemeinschaftlichem Eigentum verändert werden, sondern lediglich die Zweckbestimmung.45 Sie stellt eine Inhaltsänderung des jeweiligen Sondereigentums der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer i.S.v. §§ 873, 877 BGB dar und bedarf daher der Mitwirkung aller Wohnungs- und Teileigentümer und der Eintragung in das Grundbuch.46 Die Mitwirkung von Sonderrechtsnachfolgern ist nur dann entbehrlich, wenn sie in der in das Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ausgeschlossen ist47 (vgl. § 3 Rz. 25). Liegt eine Satzung nach § 250 BauGb vor, bedarf es zudem der Gennehmigung nach § 250 Abs. 5 S.1 BauGB, wenn Wohnngseigentum in Teileigentum umgewandelt werden soll.48
38 Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 23. 39 OLG München v. 3.4.2007 – 32 Wx 33/07, MietRB 2007, 175 = ZfIR 2008, 115 mit Anm. Böttcher. 40 BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, BGHZ 109, 179 = MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447; Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 7 m.w.N. 41 Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 23; Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 4 WEG Rz. 13. 42 Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 7; Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 4 WEG Rz. 12. 43 Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 24. 44 KG v. 25.10.2011 – 1 W 479/11, ZfIR 2011, 839. 45 Schneider in Riecke/Schmid, § 4 Rz. 34. 46 BGH v. 1.10.2004 – V ZR 210/03, MDR 2005, 83 = MittBayNot 2005, 140 = NJW-RR 2005, 10; BayObLG v. 8.5.1974 – BReg. 2 Z 17/74, BayObLGZ 1974, 217, 219 = MDR 1974, 847 f.; Hügel/Elzer, NZM 2023, 57. 47 BGH v. 1.10.2004 – V ZR 210/03, MDR 2005, 83 = MietRB 2005, 8 = NJW-RR 2005, 10. 48 KG v. 10.3.2023 – 1 W 509/22. Zimmer | 49
§ 4 WEG Rz. 26a | Formvorschriften
3. Verzicht 26a Die Eintragung eines Verzichts auf das Wohnungs- oder Teileigentum ist unzulässig.49 Der
verzichtswillige Eigentümer ist ausreichend geschützt, da der Ausschluss des Rechts, die Aufhebung der Eigentümergemeinschaft zu verlangen, nicht ihre Unauflöslichkeit zur Folge hat, da diese durch die Aufhebung des Sondereigentums nach § 4, durch Aufhebungsvereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer und durch das einseitige Aufhebungsverlangen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 aufgelöst werden kann.50
IV. Schuldrechtlicher Vertrag 27 Den Rechtsgrund für die Einräumung oder Aufhebung des Sondereigentums bildet der
schuldrechtliche Vertrag i.S.d. § 3 Abs. 1, durch den sich der eine Teil verpflichtet, Sondereigentum einzuräumen, zu erwerben oder aufzuheben. Dieser Vertrag ist zu unterscheiden von den Verträgen über die Verpflichtung zur Einräumung von Miteigentum und zur Veräußerung von bereits begründetem Wohnungseigentum (s. bereits oben Rz. 2 und 4).
1. Form 28 § 4 Abs. 3 bestimmt, dass für diesen gem. § 3 Abs. 1 zwischen den Beteiligten geschlossenen
schuldrechtlichen Vertrag die Vorschrift des § 311b Abs. 1 BGB entsprechend gilt, mit der Folge, dass der Vertrag der notariellen Beurkundung bedarf. Ein ohne Beachtung der erforderlichen Form geschlossener Vertrag wird wirksam (Heilung der Nichteinhaltung der erforderlichen Form), wenn die Auflassung und die Eintragung in das Wohnungs- bzw. Teileigentumsgrundbuch (§ 7) erfolgen. Der Umfang der mitzubeurkundenden Erklärungen der Beteiligten bestimmt sich nach den für § 311b Abs. 1 BGB festgehaltenen Grundsätzen.51 29 Ebenfalls beurkundungspflichtig ist ein entsprechender Vorvertrag, wobei ein formnichtiger
Vorvertrag entsprechend § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB durch formgültigen Abschluss des Hauptvertrages geheilt werden kann.52 30 Im Falle der Formnichtigkeit einer Verpflichtung zur Übertragung eines Miteigentumsanteils
bei gleichzeitiger Einräumung von Sondereigentum kann diese u.U. in eine formlos gültige Verpflichtung zur Einräumung eines Dauerwohnrechts umgedeutet werden.53 31 Die Berufung auf einen Formmangel ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH immer
dann erfolglos, wenn dies mit Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbarende, untragbare Ergebnisse zur Folge hätte.54
49 BGH v. 14.6.2007 – V ZB 18/07, MDR 2007, 1122 = MietRB 2007, 264 = ZfIR 2008, 17 (insb. zu den Besonderheiten bei einer „Schrottimmobilie“); vgl. auch § 1 Rz. 6 m.w.N.; Zimmer, NotBZ 2009, 398. 50 BGH v. 14.6.2007 – V ZB 18/07, MDR 2007, 1122 = MietRB 2007, 264 = NJW 2007, 2547 = ZfIR 2008, 17. 51 Vgl. etwa Grüneberg in Grüneberg, BGB, § 311b Rz. 25 ff.; Zimmer, VertragsRKomm, § 311b BGB Rz. 11 ff.; zu den anforderungen an die Protokollierung in einem Prozessvergleich vgl. LG München v. 26.6.2019 – 1 S 5268/18, MDR 2019, 1338. 52 Heinemann in NK/BGB, § 4 WEG Rz. 9 m.w.N. 53 BGH v. 28.11.1962 – V ZR 127/61, MDR 1963, 292 f. = NJW 1963, 339; Wendt in Soergel, BGB, § 4 WEG Rz. 24. 54 Augustin in BGB/RGRK, § 4 WEG Rz. 13; BGH v. 27.10.1967 – V ZR 153/64, BGHZ 48, 396 = MDR 1968, 136 f. = NJW 1968, 39.
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V. Genehmigungs- und Zustimmungserfordernisse | Rz. 35 § 4 WEG
2. Vormerkung Der schuldrechtliche Anspruch auf Einräumung von Sondereigentum ist im Grundbuch des 32 im einfachen Miteigentum oder noch im Alleineigentum eines zukünftigen Miteigentümers stehenden Grundstücks durch Vormerkung sicherbar, allerdings nur, soweit ein Aufteilungsplan (§ 7 Abs. 4 Nr. 1) vorliegt, durch den das beanspruchte Recht hinreichend genau beschrieben wird.55 Der Anspruch auf Aufhebung des Sondereigentums ist durch Vormerkung in allen Wohnungsgrundbüchern sicherbar.56 Ausführlich zur Sondereigentumsvormerkung Rapp in Staudinger, § 4 WEG Rz. 13 ff.
V. Genehmigungs- und Zustimmungserfordernisse 1. Behördliche Genehmigung nach § 2 GVO Die vertragliche Begründung von Wohnungseigentum in den neuen Bundesländern erfor- 33 dert nach wohl überwiegender Ansicht eine Genehmigung nach § 2 Grundstücksverkehrsordnung, da die dingliche Rechtsänderung auch eine Veränderung des Restitutionsanspruches mit sich bringe.57 Diese ist jedoch nur ausnahmsweise erforderlich, wenn im Zeitpunkt der Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Rechtserwerbs oder im Zeitpunkt der Eintragung des Rechtserwerbs ein Anmeldevermerk gemäß § 30b Abs. 1 VermG im Grundbuch eingetragen ist (§ 30 VermG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 6 GVO).58
2. Familiengerichtliche Genehmigung Sowohl die Begründung von Wohnungseigentum durch vertragliche Einräumung nach § 3 34 als auch die einseitige Aufteilung eines Grundstückes in Wohnungs- oder Teileigentum durch den Alleineigentümer nach § 8 bedürfen als Verfügung über ein Grundstück gem. §§ 1850 Nr. 1 und Nr. 4, 1643 Abs. 1 BGB bei Mitwirkung eines Minderjährigen der Genehmigung des Familiengerichts. Ob ein solches Rechtsgeschäft „unentgeltlich ist, ist dabei ohne Bedeutung,59 da § 1850 Nr. den unentgeltlichen Erwerb von Wohnungs- und Teileigentum dem Genehmigungserfordernis unterwirft und hierzu nicht die Schenkung (§ 516 ff. BGB), sondern jeglicher Erwerb, auch durch Aufteilung zählt.
3. § 22 BauGB § 22 BauGB enthält zum Zwecke der Erhaltung der Siedlungsstruktur von Gemeinden, die 35 durch den Fremdenverkehr bestimmt sind (Fremdenverkehrsgebiete), eine Ermächtigung für die betreffenden Gemeinden, in einem Bebauungsplan oder durch Satzung zu regeln, dass die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum der Genehmi-
55 Wendt in Soergel, BGB, § 4 WEG Rz. 21. 56 Wendt in Soergel, BGB, § 4 WEG Rz. 20 f.; Wicke in Grüneberg, BGB, § 4 WEG Rz. 4. 57 Hügel in Bamberg/Roth, BGB, § 4 WEG Rz. 9 m.w.N.; Krauß in Beck'sches Notarhandbuch, A IX Rz. 109. 58 BGBl. 2016 I, S. 2602. 59 Bärmann/Pick, § 4 WEG Rz. 15; Hügel in Bamberg/Roth, BGB, § 4 WEG Rz. 7; Heinemann in NK/ BGB, § 2 WEG Rz. 4; für die Teilung nach § 8; frühere Rechtsprechung, etwa a.A. KG v. 6.1.2015 – 1 W 369/14, MDR 2015, 269 = NotBZ 2015, 148 = MietRB 2015, 112 ist überholt. Zimmer | 51
§ 4 WEG Rz. 35 | Formvorschriften gung bedarf. Besteht eine Genehmigungspflicht, darf eine Eintragung von Wohnungseigentum nur und erst dann erfolgen, wenn zusammen mit der entsprechenden Urkunde der Genehmigungsbescheid vorgelegt wird, wobei die Vorlage der Abgeschlossenheitsbescheinigung eine Genehmigung nach § 22 BauGB nicht ersetzen kann.60 Ist eine Genehmigung erforderlich, wird diese jedoch nicht erteilt, besteht für die Miteigentümer lediglich die Möglichkeit, eine verbindliche Nutzungsregelung mit einer Miteigentümervereinbarung nach § 1010 BGB herbeizuführen.
4. § 172 BauGB sowie §§ 201, 250 BauGB 36 Eine Genehmigung nach § 172 BauGB kann dann für die Aufteilung eines Grundstücks in
Wohnungs- oder Teileigentum erforderlich sein, wenn die jeweilige Landesregierung durch Rechtsverordnung eine Genehmigungspflicht für ein solches Gebiet (soziales Erhaltungsgebiet) eingeführt hat, für das die Gemeinde eine Erhaltungssatzung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB (Milieuschutz) erlässt (vgl. § 2 Rz. 14b).61 Wegen der Genehmigungspflicht nach §§ 201, 250 BauGB vgl. § 2 Rz. 14a.
5. Grunderwerbsteuer 37 Steuerrechtlich ist bei der Begründung von Sondereigentum eine Unterscheidung danach
vorzunehmen, wie das Sondereigentum begründet wird. 38 Die Begründung des Sondereigentums durch Teilung gem. § 8, für die § 4 nicht gilt, ist er-
werbsteuerfrei. Hier fehlt es bereits an einem Eigentumswechsel und damit an einem Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes ist nicht erforderlich. 39 Erfolgt die Begründung von Sondereigentum durch vertragliche Einräumung gem. § 3 in der
Form des § 4, so handelt es sich in jedem Fall um einen gegenüber der Grunderwerbsteuerstelle anzeigepflichtigen Vorgang.62 Bei der Bildung von Sondereigentum durch Vertrag gem. § 3 erfolgt eine Befreiung von der grundsätzlich bestehenden Steuerpflicht gem. § 7 Abs. 1 GrEStG, wenn der Erwerb dem bisherigen Miteigentumsanteil entspricht, so dass die Steuer in diesem Fall nicht erhoben wird.63 40 Wird Sondereigentum nachträglich ohne Änderung der Miteigentumsanteile in der Form
eingeräumt, dass eine Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum erfolgt, gilt § 6 GrEStG, d.h., der Vorgang ist grunderwerbsteuerfrei, es sei denn, dass ein Miteigentümer gegen Entgelt zusätzliches Miteigentum erwirbt, das mit Sondereigentum verbunden wird.64
60 Rapp in Staudinger, BGB, § 4 WEG Rz. 20. 61 Hügel in Bamberger/Roth, BGB, § 4 WEG Rz. 8 m.w.N.; wird die Satzung nach Eingang der Eintragungssatzung bestandskräftig, gilt jedoch § 878 BGB, vgl. BGH v. 19.12.2019 – V ZB 145/18, ZfIR 2020, 239. 62 Rapp in Staudinger, BGB, § 4 WEG Rz. 23. 63 Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 138; Spiegelberger in Staudinger, BGB, Anh. zum WEG Rz. 204. 64 Rapp in Staudinger, BGB, § 4 WEG Rz. 23.
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VI. Kosten | Rz. 47 § 4 WEG
Ob im Falle der vertraglichen Einräumung nach §§ 3, 4 zum Grundbuchvollzug eine grund- 41 erwerbsteuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes erforderlich ist, wird unterschiedlich beurteilt.65 Erfolgt die Aufteilung aber nicht verhältniswahrend, kann es zu einer Grunderwerbsteuer- 42 pflicht führen und damit die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung durch das Grundbuchamt gefordert werden.66 Die Aufhebung von Sondereigentum ist grundsätzlich erwerbsteuerfrei. Dies lässt sich zum einen damit begründen, dass man in der Aufhebung schon keinen Eigentumswechsel sieht, andernfalls kommt es entsprechend der obigen Ausführungen zu einer Anwendung der Befreiungsvorschrift des §§ 7 Abs. 1, 5 Abs. 2 GrEStG,67 sofern keine Zahlung eines Wertausgleiches erfolgt.
6. Zustimmung dinglicher Berechtigter Die Begründung von Sondereigentum bedarf grundsätzlich dann nicht der Zustimmung 43 dinglicher Berechtigter in der Form des § 29 GBO, wenn das Grundstück als Ganzes oder alle Miteigentumsanteile mit einem Gesamtrecht belastet sind (dazu bereits § 2 Rz. 12; § 3 Rz. 11 ff.),68 dies gilt auch im Hinblick auf das Rangklassenprivileg nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Beispiel: Eine am ganzen Grundstück bestehende Grundschuld wandelt sich bei einer vertraglichen Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in eine Gesamtgrundschuld an allen Anteilen um (§§ 1192 Abs. 1, 1132, 1114 BGB).69 Dem Gläubiger bleibt damit die Haftungsgrundlage erhalten. Etwas anderes gilt damit, sofern die Belastungen nicht das Grundstück im Ganzen erfassen.70 44 Beispiel: Sollte vor der Aufteilung ein Grundpfandrecht ausnahmsweise nur an einem Miteigentumsanteil bestehen, bedarf es der Zustimmung des Gläubigers dieses Miteigentumsanteils nach §§ 876, 877 BGB.71 Zu bestehenden Dienstbarkeiten an einem Miteigentumsanteil, z.B. Wohnungsrecht, Vor- 45 kaufsrechte vgl. bereits § 3 Rz. 14 f. Zur Zustimmung dinglicher Berechtigter bei Aufhebung von Wohnungseigentum s. auch 46 OLG Frankfurt v. 1.10.1999 – 20 W 211/97, DNotZ 2000, 778 und Röll, DNotZ 2000, 749– 752 (Entscheidungsbesprechung).
VI. Kosten Der für den Erwerb, die Aufhebung oder Löschung von Sondereigentum zugrunde zu legen- 47 de Geschäftswert bestimmt sich nach § 42 Abs. 1 GNotKG und entspricht dem Wert des bebauten Grundstücks, bei noch zu errichtendem Gebäude ist der Wert des Gebäudes hinzuzurechnen. Für die Beurkundung des schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrages ist eine
65 Dafür etwa Krafka in MünchKomm/BGB, § 4 WEG Rz. 21; Rapp in Staudinger, § 4 WEG Rz. 23; dagegen etwa Armbrüster in Bärmann, § 2 WEG Rz. 47; im Grundsatz auch: LG Marburg v. 9.6.1995 – 3 T 98/95, DNotI-Rep 1996, 207. 66 Etwa Krafka in MünchKomm/BGB, § 4 WEG Rz. 25. 67 Spiegelberger in Staudinger, BGB, Anh. zum WEG Rz. 204. 68 BGH v. 17.1.1968 – V ZB 9/67, BGHZ 49, 250 = NJW 1968, 499; Commichau in MünchKomm/ BGB, § 3 WEG Rz. 8 und § 4 WEG Rz. 23; im Übrigen die Hinweise bei § 3 Rz. 11 ff. 69 Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 29 m.w.N. 70 Commichau in MünchKomm-BGB, § 4 WEG Rz. 23. 71 Elzer in Riecke/Schmid, § 3 WEG Rz. 30 m.w.N. Zimmer | 53
§ 4 WEG Rz. 47 | Formvorschriften Gebühr nach Nr. 21100 KV GNotKG (2,0) bei Teilung nach § 3 WEG, für die Teilungserklärung nach § 8 WEG die Gebühr nach Nr. 21200 (1,0) zu erheben. 48 Für die Eintragung der vertraglichen Einräumung und Aufhebung durch das Grundbuch-
amt fallen Kosten an, die sich nach § 42 Abs. 1 GNotKG richten und eine 1,0 Gebühr nach Nr. 14112 KV GNotKG bei Begründung nach § 8 WEG, zusätzlich die Gebühr nach Nr. 14110 KV GNotKG, wenn sich dadurch die Eigentumsverhältnisse ändern.
§5 Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums (1) Gegenstand des Sondereigentums sind die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Räume sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. Soweit sich das Sondereigentum auf außerhalb des Gebäudes liegende Teile des Grundstücks erstreckt, gilt § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend. (2) Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, sind nicht Gegenstand des Sondereigentums, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume oder Teile des Grundstücks befinden. (3) Die Wohnungseigentümer können vereinbaren, dass Bestandteile des Gebäudes, die Gegenstand des Sondereigentums sein können, zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören. (4) Vereinbarungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und Beschlüsse aufgrund einer solchen Vereinbarung können nach den Vorschriften des Abschnittes 4 zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden. Ist das Wohnungseigentum mit der Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder der Reallast eines Dritten belastet, so ist dessen nach anderen Rechtsvorschriften notwendige Zustimmung nur erforderlich, wenn ein Sondernutzungsrecht begründet oder ein mit dem Wohnungseigentum verbundenes Sondernutzungsrecht aufgehoben, geändert oder übertragen wird. I. 1. 2. II. 1. 2. 3.
4.
Überblick Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zwingender Charakter . . . . . . . . . . . . . . . 6 Gegenstand des Sondereigentums (Abs. 1) Räume (Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.) . . . . . . . . . . 9 Gebäudebestandteile der Räume (Abs. 1 Satz 1, 2. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Grundstücksteile außerhalb des Gebäudes und dazugehörige wesentliche Bestandteile (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . 16a Entstehung des Sondereigentums . . . . . . 17
54 | Zimmer und Grziwotz
III. Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums (Abs. 2 und 3, § 1 Abs. 5) 1. Das Grundstück (§ 1 Abs. 5) . . . . . . . . . . 2. Konstruktive und sicherheitsrelevante Teile (Abs. 2, 1. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Äußere Gestaltung des Gebäudes (Abs. 1, Satz 1, letzter Halbs.) . . . . . . . . . 4. Gemeinschaftseigentum kraft gemeinschaftlichen Gebrauchs (Abs. 2, 2. Alt.) . 5. Gemeinschaftseigentum kraft Vereinbarung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 24 26 27 33
Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums | § 5 WEG IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) 1. Gemeinschaftsordnung als Inhalt des Sondereigentums (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . 35 2. Zustimmung dinglich Berechtigter zu Vereinbarungen (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . 40
3. Mit-Sondereigentum, abgesondertes Miteigentum und Nachbareigentum . . . . 48 4. Sondernutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . 52 V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum . . . . 61
Schrifttum: Agatsy, Sondereigentumsfähigkeit von Außenanlagen, MietRB 2020, 155; Becker, Die nachträgliche Begründung von Sondernutzungsrechten unter dem Blickwinkel des Grundbuchkostenrechts, BWNotZ 2019, 84; Bielefeld, Verbrauchszähler im Wohnungseigentum: Sonder- oder Gemeinschaftseigentum?, NZM 1998, 249; Brambring, Die Zustimmung von Drittberechtigten zur Änderung der Gemeinschaftsordnung nach der Novelle zum WEG, DNotZ 1979, 155; Bünnemann, Der Spitzboden im Wohnungseigentumsrecht, ZWE 2022, 438; Conitz, Ist die Heizungszentrale einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei Mitversorgung fremder Wohngebäude sondereigentumsfähig?, Rpfleger 1973, 390; Deckert, Fenster-Eigentum nach wie vor häufig im Streit, WE 1992, 90; Drasdo, Das Sondernutzungsrecht, NJW-Spezial 2011, 225; Drasdo, Ausgewählte Probleme zum Sondernutzungsrecht unter WEG, NJW-Spezial 2014, 353; Drasdo, Die Begründung von Kostentragungspflichten bei der Einräumung von Sondernutzungsrechten, RNotZ 2018, 94; Dressler-Berlin, Die Auswirkungen des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) auf die Arbeit des Grundbuchgerichts – ein erster Überblick, Rpfleger 2021, 193; Eichhorn, Sondereigentum und/oder Gemeinschaftseigentum, WE 2004, 58; Elzer, Aktuelle Entwicklungen zu Grundlagen und Umfang eines Sondernutzungsrechts, MietRB 2012, 373 = NotBZ 2013, 289; Elzer, Überlegungen zum Entwurf einer Gemeinschaftsordnung für eine Mehrhausanlage vor dem Spiegel aktueller BGH-Rechtsprechung, notar 2016, 201; Elzer, Verdinglichung eines „schuldrechtlichen“ Sondernutzungsrechts am Beispiel von Kfz-Stellplätzen, NZM 2016, 529; Elzer, Aktuelle Rechtsprechung zu Sondernutzungsrechten, NotBZ 2019, 1; Falkner, Sondernutzungsrechte – Übertragung und gestreckte Begründung, ZNotP 2017, 251; Falkner, Ausgewählte Probleme bei der vertraglichen Gestaltung und dem Vollzug von Sondernutzungsrechten im Wohnungseigentumsrecht, in: Weber (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 2017, S. 83; Falkner, Das Übergangsrecht des WEMoG, ZWE 2021, 149; Falkner, Das Zugangserfordernis zum Sondereigentum, DNotZ 2023, 5; Francastel, Die Begründung von Sondernutzungsrechten in der notariellen Praxis, RNotZ 2015, 385 Gaier, Unterteilung von Wohnungseigentum, FS für Wenzel, 2005, S. 145; Gleichmann, Sondereigentumsfähigkeit von Doppelstockgaragen, Rpfleger 1988, 10; Greiner, Alte Fragen, neu durchdacht nach neuem Recht, ZMR 2022, 530; Grziwotz, Die Heizungsanlage – Wärmelieferungsvertrag statt Gemeinschaftseigentum, MietRB 2010, 152; Grziwotz, Die Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum, NotBZ 2013, 161; Häublein, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, 2003; Häublein, Die Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum durch den BGH und deren Folgen für die notarielle Gestaltungspraxis, notar 2016, 179; Häublein, Wem gehört die Fußbodenheizung, ZMR 2016, 935; Hansen/Brandt, Die Folgen einer missglückten Sondereigentumszuweisung in der Teilungserklärung, WuM 2016, 647; Heinemann, Nachbareigentum im Wohnungseigentumsrecht, ZMR 2016, 680; Heinemann, Das Dach – sondereigentumsfähig?, ZMR 2017, 716; Hogenschurz, Neues zur Begründung von Sondereigentumsrechten im Wohnungseigentumsrecht, ZfIR 2012, 174; Hogenschurz, Sondernutzungsrecht als Sonderbaurecht?, ZMR 2013, 250; Hogenschurz, Sondernutzungsrecht in der Grundbuchpraxis, ZfIR 2014, 717; Hügel, Sicherheit durch § 12 WEG bei der abschnittsweisen Errichtung von Mehrhausanlagen, DNotZ 2003, 517; Hügel, Die Mehrhausanlage nach der Reform des WEG, NZM 2010, 8; Hügel, Über die Grenzen des Sondereigentums, DNotZ 2013, 487; Hügel, Sondernutzungsrechte am Sondereigentum, DNotZ 2014, 403; Hügel, Bauliche Veränderungen des Wohnungseigentums – terra incognita für den Notar?, NotBZ 2018, 20; Hügel, Der gesetzliche Eigentumsübergang an Gebäudebestandteilen, ZMR 2018, 113; Hügel, Augen auf bei der Gestaltung von Sondernutzungsrechten, NotBZ 2020, 14; Hügel, Das Raumerfordernis im WEG als Sollvorschrift?, ZWE 2020, 174; Hügel/Elzer, Vereinbarungen zum Sondereigentum?, DNotZ 2012, 4; Hügel/Elzer, Die Reform des Wohnungseigentumsrechts durch das WEMoG, DNotZ 2021, 3; Hurst, „Mit-Sondereigentum“ und „-abgesondertes Miteigentum“, noch ungelöste Probleme des Wohnungseigentumsgesetzes, DNotZ 1968, 131; Hurst, Das Eigentum an der Heizungsanlage, DNotZ 1984, 66; Jacoby, Sachenrechtliche Fragestellungen nach der WEG-Reform, in: Forschner (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Immobilinerecht, 2022, S. 23; Kahlen, Balkone in Wohnungseigentumsanlagen, ZMR 1989, 168; Köther, Abgrenzung von Gmeinschafts- und Sondereigentum in der notariellen Praxis, RNotZ 2021, 377; Kruse, Wärmelieferungsverträge (Contracting) in der notariellen Praxis, RNotZ 2011, 65; Lehmann-Richter, Übertragung von Sondernutzungsrechten eines Wohnungseigentümers, ZWE 2018, 385; Lutz, Das geGrziwotz | 55
§ 5 WEG | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums meinschaftliche Sondernutzungsrecht in der notariellen Praxis, NotBZ 2014, 209; Meffert, Entbehrlichkeit der Zustimmung dinglich Berechtigter zu Vereinbarungen der Wohnungseigentümer gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 WEG n.F., ZMR 2007, 517; Merle, Die Sondereigentumsfähigkeit von Garagenstellplätzen auf dem nicht überdachten Oberdeck eines Gebäudes, Rpfleger 1977, 196; Minwegen, Umwandlung von Sondernutzungsrechten in Sondereigentum?, WuM 2021, 532; Müller, Welches Sondereigentum ist „betroffen“ im Sinne von KV Nr. 14160 Ziffer 5?, MittBayNot 2015, 18; Müller, Zu den sachenrechtlichen Änderungen durch das WEMoG, ZWE 2020, 445; Ott, Die Abgrenzung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum, MietRB 2004, 126; Ott, Die Sondereigentumsfähigkeit von Terrassen, BWNotZ 2015, 130; Ott, Sondernutzungsrechte in der notariellen Praxis, NZM 2017, 1; Rapp, Verdinglichte Ermächtigungen in der Teilungserklärung, MittBayNot 1998, 77; Rastätter, Aktuelle Probleme bei der Beurkundung von Teilungserklärungen, BWNotZ 1988, 134; Reinold, Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Veräußerung von nicht sondereigentumsfähigen Stellplätzen, MittBayNot 2001, 540; Riecke, Die Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum im Wohnungseigentumsrecht, BTR 2003, 11; Rieger, Vorbehalten, zugewiesen und vergessen: Zur nachträglichen Eintragung zugewiesener Sondernutzungsrechte, DNotZ 2020, 431; Roll, Vereinbarungen über Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss, DNotZ 1982, 731; Röll, Teilungserklärung und Entstehung des Wohnungseigentums, 1975; Röll, Rechtsfragen bei der Errichtung von Eigentumswohnungen in mehreren Bauabschnitten, DNotZ 1977, 69; Röll, Sondereigentum an Heizungsräumen und deren Zugangsflächen, DNotZ 1986, 706; Röll, Zum Sondereigentum an Eingangsfluren, DNotZ 1987, 238; Röll, Das Eingangsflurproblem und der gutgläubige Erwerb von Wohnungseigentum, MittBayNot 1988, 22; Röll, Zur Frage der Begründung von Sondereigentum an Tiefgaragenstellplätzen, DNotZ 1988, 323; Röll, Garagenstellplätze und Gebäudeeigenschaft, DNotZ 1992, 221; Röll, Sondereigentum an zentralen Versorgungsanlagen und ihren Zugangsräumen, Rpfleger 1992, 94; Röll, Das Eingangsflurproblem bei der Unterteilung von Eigentumswohnungen, DNotZ 1998, 345; Röll, Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts, ZWE 2000, 343; Röll, Ermächtigung zur Begründung von Sondereigentum in der Gemeinschaftsordnung, ZWE 2000, 446; Sauren, Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums, FS für Bärmann/Weitnauer 1985, S. 37; Sauren, Mit-Sondereigentum – eine Bilanz, DNotZ 1988, 667; Sauren, Die Sondereigentumsfähigkeit nicht überdachter Garagenstellplätze eines Gebäudes, Rpfleger 1999, 14; Sauren, Sind Beschlüsse, die Vereinbarungen abändern, ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten unwirksam (§ 5 Abs. 4 WEG)?, ZMR 2008, 514; Schäfer, Von der Abstellkammer zum Fahrstuhl, Rpfleger 2001, 67; Schäuble, § 3 und § 5 WEG neue Fassung – Gestaltungsüberlegungen, BWNotZ 2022, 167; Schlüter, Gehören Thermostatventile zum Sondereigentum?, ZMR 2011, 935; Schmid, Wärmecontracting in der Wohnungseigentümergemeinschaft, CuR 2004, 45; Schmid, Die Heizung und ihre Peripherie, ZMR 2008, 862; Schmid, Heizkörper als Sondereigentum, MDR 2011, 1081; Schmid, Heizkörper als Sondereigentum, MietRB 2011, 362; Schmid, Pflanzen auf Sondernutzungsflächen der Wohnungseigentümer, ZAP 2011, Fach 7, 1137; Schmidt, Sondereigentum an Stellplätzen auf dem Garagenoberdeck, DNotZ 1984, 704; Schmidt, Wohnungseigentum bei Mehrhausanlagen, BWNotZ 1989, 49; F. Schmidt, Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums, FS für Bärmann/Weitnauer, 1985, u. MittBayNot 1985, 237; F. Schmidt, Balkone als Sondereigentum, MittBayNot 2001, 442; Schmidt, Sichere Gestaltung einer Mehrhausanlage, ZWE 2002, 118; Schmidt, Rohrsanierungen auf Druck der Gebäudeversicherung – Eingriffe in das Sondereigentum, ZMR 2005, 669; Schmitz, Aktuelles zum WEG: Die Sondereigentumsfähigkeit von Heizungsanlagen, MittBayNot 2012, 180; Schneider, Sondernutzungsrechte im Grundbuch, Rpfleger 1998, 9; Schneider, Die sachenrechtliche Zuordnung von Rauchwarnmeldern in Eigentumswohnanlagen, ZMR 2010, 822; Schneider, Neues im Sachen- sowie Grundbuchrecht und Aufgaben des Verwalters, ZWE 2021, 237; Schropp, Gemeinschafts- oder Sondereigentum am Heizwerk sowie an Heizungssträngen und -anlagen, Rpfleger 1974, 91; Schüller, Änderungen von Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen, RNotZ 2011, 203; Schultz, Der Einbau von Rauchwarnmeldern in Wohnungseigentumsanlagen, ZWE 2011, 21; Spielbauer, Sondernutzungsrechte – Begriff, Begründung, Übertragbarkeit und guter Glaube, ZWE 2017, 19; J. Steiner/J.-M. Steiner, Balkone und Spitz- oder Dachböden: Abgrenzung Gemeinschafts-/Sondereigentum, Nutzung, Kosten, NZM 2020, 578; Suilmann, Blockheizkraftwerk und Gestaltung der Teilungserklärung, ZWE 2014, 302; Suilmann, Blockheizkraftwerk und Gestaltung der Teilungserklärung, in: Grziwotz (Hrsg.), Notarielle Vertragsgestaltung im Immobilienrecht, 2014, S. 139; Tank, Sondernutzungsrechte, MietRB 2016, 275; von Türckheim, Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) 2020, notar 2021, 3; Wanderer, Zur eigentumsrechtlichen Einordnung von Heizkostenverteilern, ZMR 2015, 438; Weitnauer, Begründung von Wohnungseigentum und isolierter Miteigentumsanteil, MittBayNot 1991, 143; Weitnauer, Zur Entstehung des WEG, ZWE 2001, 126; Wobst, Das WEMoG aus notarieller Sicht, MittBayNot 2021, 1.
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I. Überblick | Rz. 5 § 5 WEG
I. Überblick 1. Regelungsinhalt Die Vorschrift regelt Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums unter verschiedenen As- 1 pekten. Während sich die ersten beiden Absätze, insoweit im Zusammenhang mit § 1 Abs. 5, mit der Abgrenzung zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum befassen und hierbei auf die baulichen und technischen Voraussetzungen abstellen, enthalten die Abs. 3 und 4 die Möglichkeit, Gemeinschafts- und Sondereigentum sowie den Inhalt des Sondereigentums durch Vereinbarung zu bestimmen. Abs. 1 Satz 1 befasst sich mit dem Begriff des Sondereigentums in Anknüpfung an die 2 Raumeigenschaft und die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 und in Abgrenzung zum Bestandteilsbegriff (§§ 93, 94 BGB).1 Im Hinblick auf die Gemeinschaftsbezogenheit des Wohnungsund Teileigentums wird der Begriff des Sondereigentums durch das Gemeinschaftseigentum, das Sondereigentum der anderen Eigentümer und die äußere Gestaltung des Gebäudes zusätzlich begrenzt. Satz 2 ordnet für Annexsondereigentumsflächen die Geltung des § 94 BGB für Bestandteile dieser Grundstücksflächen und für darauf errichtete Gebäude an, sodass diese Sondereigentum des betreffenden Wohnungs- und Teileigentümers werden. Damit regelt Abs. 1 zwei unterschiedliche Bestandteilsbegriffe für das Sondereigentum. Abs. 2 führt zu einer Beschränkung der Möglichkeit von Sondereigentum, indem in Ergän- 3 zung zu § 1 Abs. 5 das zwingende Gemeinschaftseigentum festgelegt wird. Dies erfolgt einerseits durch Bezugnahme auf bautechnische und baupolizeiliche Kriterien sowie andererseits im Hinblick auf die Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Gebrauchs. Aus der ersten Komponente kann gefolgert werden, dass diesbezüglich wohl keine auf Dauer festgelegten, unabänderlichen Notwendigkeiten bestehen. Vielmehr erweist sich die Vorschrift im Hinblick auf technische Neuerungen und Änderungen der Sicherheitsstandards offen für einen insoweit „dynamischen“ Begriff des Gemeinschaftseigentums. Die zweite Alternative durchbricht bezüglich des Sonderflächeneigentums § 94 BGB, sodass beispielsweise Versorgungsleitungen der Wohnungseigentümergemeinschaft (z.B. Fernwärme- und Stromleitung) in diesem Grundstücksteil zwingend Gemeinschaftseigentum bleiben. Abs. 3 stellt klar, dass nicht nur Sondereigentum begründet werden kann, sondern dass auch 4 die Möglichkeit besteht, Gemeinschaftseigentum durch Vereinbarung zu bilden. Zugleich zeigt diese Bestimmung, dass es nicht nur, wie dies häufig wiederholt wird, eine Vermutung für das Gemeinschaftseigentum gibt,2 sondern auch in begrenztem Umfang eine Vermutung für Sondereigentum existiert, die nur durch die ausdrückliche Vereinbarung von Gemeinschaftseigentum wiederum umgekehrt werden kann. Abs. 4 lässt es – ähnlich wie beim Erbbaurecht (vgl. § 2 ErbbauRG) – zu, dass durch Verein- 5 barung der Inhalt des Sondereigentums festgelegt wird. Auf diese Weise können die Wohnungs- und Teileigentümer mit dinglicher Wirkung ihr körperschaftliches Verhältnis im Sachenrecht festlegen. Anders als beim Erbbaurecht ist nicht das Rechtsverhältnis zwischen (Grund-)Eigentümer und Erbbauberechtigtem (= Gebäudeeigentümer), also eine zweiseitige 1 Zu Anpassungen aufgrund des WEMoG Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Rz. 260. 2 S. nur BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, BGHZ 130, 159 = MDR 1996, 139 = DNotZ 1996, 289 = NJW 1995, 2851; OLG Düsseldorf v. 20.12.1985 – 3 Wx 345/85, Rpfleger 1986, 131; OLG Düsseldorf v. 5.4.2000 – 3 Wx 334/99, NZM 2000, 765; BayObLG v. 28.9.1981 – BReg. 2 Z 68/81, MDR 1982, 148 = DNotZ 1982, 244; Hans. OLG Hamburg v. 14.3.2003 – 2 Wx 2/00, ZMR 2003, 527; OLG München v. 22.2.2006 – 34 Wx 133/05, MDR 2006, 1400 = MietRB 2006, 166 = NZM 2006, 635; Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 1; Hügel in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, § 5 WEG Rz. 10; Baer in Bärmann/Pick, § 5 WEG Rz. 3; Augustin in BGB/RGRK, § 5 WEG Rz. 3 und 6; einschränkend bereits Grziwotz in Erman, BGB, § 5 WEG Rz. 2. Grziwotz | 57
§ 5 WEG Rz. 5 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums Vertragsbeziehung betroffen, sondern das Verhältnis der Sondereigentümer, die gleichzeitig Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum sind, untereinander, also ein mehrseitiges Rechtsverhältnis ähnlich wie im Gesellschaftsrecht. Ferner hat der Gesetzgeber im Rahmen der WEG-Novellen das Zustimmungserfordernis Dritter, denen am Wohnungs- bzw. Teileigentum Rechte zustehen, zu Vereinbarungen geregelt.
2. Zwingender Charakter 6 § 5 ist eine sachenrechtliche Norm und unterliegt deshalb dem sachenrechtlichen numerus
clausus und Typenzwang. Die Vorschrift ist zwingend, unabdingbar und kann auch aus Billigkeitserwägungen nicht relativiert werden.3 Allerdings enthält Abs. 3 von diesem strengen sachenrechtlichen Grundsatz eine Ausnahme zugunsten des Gemeinschaftseigentums.4 Zudem lässt Abs. 4 die Festlegung des Inhalts des Sondereigentums durch Vereinbarung zu. Es kann deshalb nicht pauschal gesagt werden, dass die Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum unabdingbar ist.5 Die in Abs. 2 enthaltene Zuordnung zum Gemeinschaftseigentum ist zudem mit gewissen Unschärfen verbunden. Was für die Sicherheit eines Gebäudes erforderlich ist, unterliegt nämlich, wie die zahlreichen Novellierungen der Bauordnungen gezeigt haben, einem Anschauungswandel, so dass die diesbezüglichen Grenzen nicht „versteinert“ sind. 7 Bedeutung hat die vorstehende Streitfrage (Rz. 6) bei (freistehenden) Einfamilienhäusern,
bei Reihenhäusern einschließlich Doppelhäusern und bei Mehrhausanlagen. Bei ihnen sind nach herrschender Meinung alle tragenden Teile des Gebäudes, in dem sich Wohnungs- und Teileigentumseinheiten befinden, wie Fundamente, statisch wesentliche Mauern, Balkenund Trägerkonstruktion, Dach, Schornstein, Bodenplatten und Isolierung der Balkone zwingend Gemeinschaftseigentum.6 Jedenfalls bei freistehenden Häusern, bei denen die jeweiligen Gebäude ausschließlich der Nutzung eines Eigentümers dienen, ist die herrschende Meinung jedoch – auch im Hinblick auf das Sondereigentum an Gebäuden auf Sondereigentumsgrundstücksflächen - wenig überzeugend. Die Teile des jeweiligen Gebäudes sind für Bestand und Sicherheit des anderen Gebäudes nicht erforderlich; sie dienen auch nicht dem
3 BGH v. 3.4.1968 – V ZB 14/67, BGHZ 50, 56 = NJW 1968, 1230 und Schl.-Holst. OLG v. 6.3.2006 – 2 W 13/06, MittBayNot 2008, 45; Böttcher, ZNotP 2013, 128, 131; Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 1; Krafka in MünchKomm/BGB, § 5 WEG Rz. 1; Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 3; Sauren, § 5 WEG Rz. 1. 4 Nicht umgekehrt (vgl. BGH v. 26.10.2012 – V ZR 57/12, MDR 2013, 456 = MietRB 2013, 147 = DNotZ 2013, 522 = MittBayNot 2013, 304 = NJW 2013, 1154 = NZM 2013, 272 = Rpfleger 2013, 318 = WuM 2013, 244 = ZfIR 2013, 377 = ZMR 2013, 454). 5 Augustin in BGB/RGRK, § 5 WEG Rz. 1. Vgl. nunmehr Greibner, ZMR 2022, 530. 6 So BGH v. 3.4.1968 – V ZB 14/67, BGHZ 50, 56 = NJW 1968, 1230; BGH v. 25.1.2001 – VII ZR 193/ 99, BauR 2001, 798 = MittBayNot 2001, 479 = NJW-RR 2001, 800 = NZBau 2001, 265 = NZM 2001, 435; BGH v. 12.11.2021 – V ZR 204/20, MDR 2022, 299 = DNotZ 2022, 211 = MIttBayNot 2022, 231 = NJW 2022, 1688 = NotBZ 2022, 297 = ZWE 2022, 123; OLG Karlsruhe v. 28.12.1977 – 3 W 15/77, OLGZ 1978, 175; Schl.-Holst. OLG v. 15.8.1967 – 2 W 87/67, NJW 1967, 2080; BayObLG v. 21.7.1980 – BReg. 2 Z 33/80, DNotZ 1982, 250; BayObLG v. 30.3.2000 – 2Z BR 2/00, ZfIR 2000, 376; BayObLG v. 30.3.1993 – 2Z BR 11/93, NJW-RR 1993, 1039; OLG Düsseldorf v. 5.11.2003 – 3 Wx 235/240/03, DNotZ 2004, 630 = WuM 2004, 111 = ZMR 2004, 280; OLG Düsseldorf v. 2.7.2004 – I-3 Wx 318/03, ZfIR 2004, 778; OLG München v. 26.4.2012 – 34 Wx 558/11, IMR 2012, 389 = RNotZ 2012, 445; LG Stuttgart v. 13.7.2020 – 2 S 3/20, ZMR 2020, 888 = ZWE 2021, 93; LG Hamburg v. 21.7.2021 – 318 S 77/20, ZMR 2021, 924; AG Hannover v. 15.12.2020 – 482 C 5792/20, ZMR 2021, 933; vgl. auch Rastätter, BWNotZ 1988, 134, 136; Köther, RNotZ 2021, 377, 399; Schäuble in Soergel, BGB, § 5 WEG Rz. 29; Ruge in Schreiber, Hdb. Immobilienrecht, 4. Aufl. 2020, Kap. 9 Rz. 137; Blankenstein, WEG-Reform 2020, S. 98.
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II. Gegenstand des Sondereigentums (Abs. 1) | Rz. 9 § 5 WEG
gemeinschaftlichen Gebrauch von zumindest zwei Wohnungseigentümern. Insofern steht der Gesetzeswortlaut, jedenfalls bei einer teleologischen Einschränkung, der Sondereigentumsbildung an den einzelnen Gebäuden nicht entgegen.7 Folgt man dieser, der h.M. widersprechenden Auffassung, wirken die Vereinbarung von Sondernutzungsrechten an den gesamten Häusern, die Bildung von Sondereigentumsaußenflächen und die Regelungen über das Stimmrecht, die (scheinbar) getrennten Versammlungen sowie die Gebrauchs- und Kostentragung gekünstelt.8 Das Gemeinschaftseigentum besteht nach dieser Auffassung jedenfalls bei allein stehenden Einfamilienhäusern, Reihenhäusern und Doppelhaushälften noch am Grundstück, soweit Sondereigentum nicht auf außerhalb des Gebäudes liegende Teile des Grundstücks erstreckt wird, gemeinsamen Zufahrtsflächen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, wie z.B. einem Spielplatz. Für die Abgrenzung von Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum ist die Grundbuch- 8 eintragung in Verbindung mit den in den Grundakten befindlichen, in Bezug genommenen Unterlagen maßgeblich.9 Eine abweichende Rechtsauffassung der Beteiligten oder des Urkundsnotars ist nicht von Bedeutung.10 Ist im Aufteilungsplan ein Sondereigentum ausgewiesen, obwohl es sich kraft Gesetzes um zwingendes Gemeinschaftseigentum handelt, so entsteht Gemeinschaftseigentum; das Grundbuch ist insoweit unrichtig, so dass ihm auch diesbezüglich kein guter Glaube zukommt.11
II. Gegenstand des Sondereigentums (Abs. 1) 1. Räume (Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.) Das Gesetz nennt als Gegenstand des Sondereigentums als erstes „die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 9 bestimmten Räume“. Die Verweisung betrifft sämtliche Räume, aus denen eine Wohnungsoder Teileigentumseinheit gebildet wird. Die zahlreichen Versuche, den Raum eigentumsrechtlich zu definieren, sind in der Sache zutreffend, aber überflüssig. Dies gilt für die An-
7 Ebenso Bärmann/Pick, 19. Aufl. 2010, § 5 WEG Rz. 15; Pick in Bärmann/Pick/Merle, 9. Aufl. 2003, § 5 WEG Rz. 42 (a.A. nunmehr Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 36) und bereits Grziwotz in Erman, BGB, § 5 WEG Rz. 8. Ebenso früher OLG Köln v. 17.7.1961 – 8 W 188/60, NJW 1962, 156 und OLG Frankfurt v. 9.1.1963 – W 256/62, NJW 1963, 814. 8 S. dazu Hügel, NZM 2010, 8 ff.; Elzer, notar 2016, 201, 202 ff.; Sommer, ZWE 2019, 155 ff. und DNotI-Report 2013, 169 ff. Vgl. BGH v. 23.6.2010 – VIII ZR 227/09, MietRB 2010, 288 = NJW 2010, 3228 = NZM 2010, 781 = ZMR 2010, 933; LG Köln v. 26.11.2009 – 29 S 63/09, MietRB 2010, 270 = IMR 2010, 60 und LG Hamburg v. 8.11.2019 – 318 S 27/18, MietRB 2020, 277; aber keine automatisch beschränkte Beschlusskompetenz (LG Stuttgart v. 13.7.2020 – 2 S 3/20, ZWE 2021, 93). Zur verneinten Rechts- und Parteifähigkeit von Untergemeinschaften s. OLG Brandenburg v. 10.2.2020 – 2 U 132/18, MietRB 2020, 240. 9 Zu Widersprüchen s. nur OLG Hamm v. 3.11.2011 – 15 Wx 582/10, NJW-RR 2012, 592 = ZMR 2012, 288; OLG Frankfurt v. 1.11.2012 – 20 W 12/08, MietRB 2013, 48 = NZM 2013, 153 = RNotZ 2013, 108 = ZMR 2013, 296 und OLG München v. 27.6.2012 – 34 Wx 71/12, MietRB 2012, 266 = ZWE 2012, 487 = ZfIR 2012, 719 LS. 10 BayObLG v. 23.5.1991 – BReg. 2 Z 55/91, MDR 1991, 898 = NJW-RR 1991, 1356. 11 OLG Düsseldorf v. 20.12.1985 – 3 Wx 345/85, Rpfleger 1986, 131; OLG München v. 26.9.2005 – 34 Wx 74/05, NJW-RR 2006, 87 = NZM 2006, 704 und AG Hamburg-St. Georg v. 11.9.2020 – 980a C 7/20, IMR 2021, 168 = MietRB 2021, 20; teilw. abw. OLG Karlsruhe v. 5.5.2000 – 11 Wx 71/99, NZM 2002, 220 (insoweit Nichtigkeit der Aufteilung). Zur Möglichkeit einer Umdeutung in ein Sondernutzungsrecht und eine Kostentragungsregelung s. nur OLG Hamm v. 30.5.1996 – 15 W 412/95, ZMR 1996, 503 und AG Köln v. 18.7.2022 – 215 C 60/21, IMR 2023, 2106. Grziwotz | 59
§ 5 WEG Rz. 9 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums sicht, dass es sich um den Luftraum innerhalb einer Ummauerung handle,12 aber auch für die Abgrenzung des Raums durch seine Dreidimensionalität, wobei alle Wände von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität gekennzeichnet sein müssen und die Zugänge abschließbar.13 Bei dieser Begriffsbestimmung vermischen sich der Raum und die Frage der Abgeschlossenheit. Auch der Hinweis auf den allgemeinen Sprachgebrauch der „eigenen vier Wände“ ist wenig hilfreich, da der Raum in Form eines Kegels durch zwei Wände, beim Zylinder durch drei Wände und beim Quader durch sechs Seiten abgeschlossen wird. Aus der Fiktion des Raums in § 3 Abs. 1 Satz 2 für Stellplätze könnte man im Umkehrschluss die Ansicht vertreten, dass in anderen Fällen, in denen lediglich eine „Luftschranke“ unterschiedliche Eigentumsbereiche voneinander trennt, eine Raumeigenschaft künftig zu verneinen ist. Diese Konsequenz und die damit verbundene Beschränkung auf Räume als „ummauerte“ dreidimensionale Gebilde lehnt die h.M. jedoch ab.14 Damit existiert weiterhin keine wohnungseigentumsrechtliche Definition des Raums. Wie im Baurecht genügt es, den Raum als Teil eines Gebäudes zu kennzeichnen. Es handelt sich um einen allgemein gebräuchlichen Begriff, der nicht näher definiert werden muss.15 10 Entscheidend ist, dass die Raumeigenschaft nicht mit der Frage der Abgeschlossenheit iden-
tisch ist. Einzelne Räume in der Wohnung, die über keine abschließbare Tür verfügen, sind in ihrer Gesamtheit sondereigentumsfähig. Auch der in den Begriff hineininterpretierte Bestandteil, dass die Begrenzungen der Räume „eine gewisse Dauerhaftigkeit und Stabilität aufweisen müssen“,16 vermischt wiederum die Frage der Abgeschlossenheit und der Raumeigenschaft. Es ist deshalb unerheblich, ob es sich bei den Wänden, die Räume abschließen, um Schiebewände handelt. Dies zeigt sich bereits darin, dass sogar die Abgeschlossenheit nicht deshalb zu verneinen wäre, weil mittels einer Schiebewand der Raum nach einer Seite bestimmte Zeiträume geöffnet, aber danach auch wieder mittels eines Schlosses abgesperrt werden könnte.17 11 Das Verhältnis von Raumeigenschaft und Abgeschlossenheit hat Bedeutung für eine vom
Aufteilungsplan abweichende Bauausführung sowie für die Sondereigentumsfähigkeit von Balkonräumen und Dachterrassen.18 Wenn § 3 Abs. 2 Satz 2 a.F. die Abgeschlossenheit und – unsystematisch – auch die Raumeigenschaft von Garagenstellplätzen fingierte und nunmehr § 3 Abs. 1 Satz 2 generell die Fiktion der Raumeigenschaft von Stellplätzen (auch im Freien) enthält, darf daraus allerdings nicht geschlossen werden, dass generell für den Begriff des Raumes auf eine Abgeschlossenheit verzichtet werden kann. Das Grundstückssonder12 So Röll, DNotZ 1977, 69, 70. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 4.2.1994 – 3 Wx 382/93, DNotZ 1995, 82; AG Heidelberg v. 6.2.2015 – 45 C 105/14; Augustin in BGB/RGRK, § 5 WEG Rz. 11 („lichter Raum“) und Then in Spielbauer/Then, § 5 WEG Rz. 2 („lichter Raum“). 13 So Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 5; Agatsy, MietRB 2020, 155, 156; Köther, RNotZ 2021, 377, 378 f. Vgl. auch Müller, ZWE 2020, 445, 447. 14 So z.B. Müller, ZWE 2020, 445, 447. Vgl. Tank in SWK-WEG, Sondereigentum Rz. 13. 15 S. nur Schmid in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, BayBO, Stand: März. 2023, Art. 2 Rz. 158; vgl. auch OLG Hamm v. 9.3.2016 – I – 15 W 540/14, FGPrax 2016, 184 = notar 2017, 182 und Hügel, ZWE 2020, 174, 177. Zum Gebäudebegriff s. nur Schl.-Holst. OLG v. 19.4.2016 – 2 Wx 12/16, FGPrax 2016, 155 = ZMR 2016, 898 = ZWE 2016, 371. 16 So Dickersbach in 1. Aufl., § 5 WEG Rz. 7 unter unzutreffendem Hinweis auf BGH v. 14.2.1991 – V ZB 12/90, NJW 1991, 1611, 1612 = DNotZ 1991, 474, wo es bei der Vorlagefrage an den GmSOGB allein um die Frage der Abgeschlossenheit im Wohnungseigentumsrecht und im Baurecht ging. 17 Ähnlich Armbrüster, ZWE 2005, 182, 190 im Anschluss an Merle, WE 1992, 11, 12; vgl. auch Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 11, 14 und 16. 18 Vgl. Köther, RNotZ 2021, 377, 397; Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 16. S. dazu auch BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, MDR 2016, 147 = NJW 2016, 473 = DNotZ 2016, 278 = GE 2016, 198 = NotBZ 2016, 139 = NZM 2016, 132 = ZfIR 2016, 276 = ZMR 2016, 215 = ZNotP 2015, 421 und AG Hannover v. 15.12.2020 – 482 C 5792/20, ZMR 2021, 933.
60 | Grziwotz
II. Gegenstand des Sondereigentums (Abs. 1) | Rz. 14 § 5 WEG
eigentum gem. § 3 Abs. 2 enthält hiervon eine (eingeschränkte) Ausnahme; sie betrifft jedoch nur „Annex-Sondereigentum“, bei dem die Räume zumindest wirtschaftlich als Hauptsache bleiben müssen.19 § 3 Abs. 1 Satz 2 stellt ausdrücklich eine Sondereigentumsfähigkeit der Stellplätze durch die Fiktion der Raumeigenschaft her.20 Räume sind auch Nebenräume. Diese können in dem Bauwerk liegen, in dem sich auch die 12 abgeschlossene Wohnungs- oder Teileigentumseinheit befindet, wie z.B. Kellerräume, Hobbyräume, Abstellräume, Raum mit WC21 etc. Sie können aber auch außerhalb des vorbezeichneten Gebäudes liegen, wie z.B. eine (Einzel-)Garage, ein Geräteraum, ein Gewächshaus, ein Gartenhaus, eine Blockhütte für eine Sauna, ein Gebäude für ein Schwimmbad, eine Lagerhalle etc. Sie können sich bei einer Mehrhausanlage auch in einem anderen Gebäude als die Wohnungs- und Teileigentumseinheit befinden (z.B. Keller oder Hobbyraum im weiteren Haus, Garage im Garagengebäude). 13 In der Praxis empfiehlt sich für Räume folgende Prüfungsreihenfolge:22 – Sondereigentum an Räumen ist nach h.M. nur möglich, wenn die Wohnungs- und Teileigentümer nicht zwingend auf die Benutzung des Raumes angewiesen sind, andernfalls liegt Gemeinschaftseigentum vor. – Sind die Bewohner nicht zwingend auf die gemeinschaftliche Benützung des Raumes angewiesen, setzt Sondereigentum an Räumen eine diesbezügliche Erklärung in der Aufteilung (§§ 3, 8) voraus, da andernfalls Gemeinschaftseigentum vorliegt. Bei Stellplätzen, gleichgültig ob in oder außerhalb eines Gebäudes, sowie bei außerhalb des Gebäudes liegenden Grundstücksteilen sind zur Begründung der Sondereigentumsfähigkeit Maßangaben im Aufteilungsplan erforderlich (§ 3 Abs. 3).23
2. Gebäudebestandteile der Räume (Abs. 1 Satz 1, 2. Alt.) Als weitere Durchbrechung der in §§ 93 und 94 BGB ausgesprochenen Grundsätze können 14 auch Gebäudeteile der Räume Sondereigentum sein. Diese Einstufung erfolgt – anders als bei Abs. 3 – nicht durch Erklärung der Eigentümer, sondern durch eigentumsrechtliche Zuordnung kraft Gesetzes. Dies spielt allerdings nur eine Rolle, sofern es sich um wesentliche Bestandteile handelt. Einfache (unwesentliche) Bestandteile können ohnehin Gegenstand besonderer Rechte sein. Insofern ist die Gesetzesformulierung ungenau, wenn lediglich von den zu den Räumen gehörenden Gebäudebestandteilen gesprochen wird, die durch den Relativsatz weiterhin eingeschränkt werden. Sie knüpft allerdings teilweise an den Gebäudebestandteilsbegriff nach § 94 Abs. 2 BGB an. Nach diesem Sondertatbestand kommt es nicht darauf an, ob die Bestandteile zur Herstellung einer Baulichkeit notwendig sind; ausreichend
19 Blankenstein, WEG-Reform 2020, S. 98 f.; Drasdo, NJW-Spezial 2020, 737, 738; Lehmann-Richter/ Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1682 ff.; Müller, ZWE 2020, 445, 448; Schneider in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 3 Rz. 20; Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Rz. 267 („akzessorisches Eigentum“); Schneider, ZfIR 2020, 822, 823; Schultzky, MDR 2020, 1409, 1413; Wobst, MittBayNot 2021, 1, 2; Jacoby in Forschner (Hrsg), Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 23, 29 f. 20 Vgl. § 5 Rz. 89. 21 OLG Nürnberg v. 14.5.2012 – 10 W 1797/11, MietRB 2012, 301 = MDR 2012, 900 = NJW-RR 2012, 1414 = NZM 2012, 867 = NotBZ 2012, 397 = ZWE 2012, 317. Zur nicht erforderlichen Mindestausstattung einer Wohnung KG v. 13.10.2022 – 1 W 396/21, MDR 2023, 158 = MittBayNot 2023, 138. 22 Nach Becker/Ott/Suilmann, WEG, 3. Aufl. 2015, Rz. 12 ff. 23 S. hierzu § 5 Abs. 1 Nr. 2 und § 6 AVA (s. dazu kurz Schneider, ZfIR 2020, 822, 823; Wobst, MittBayNot 2021, 332 f.; Wilsch, ZfIR 2021, 11, 21 f. und Kümmel, NotBZ 2022, 441, 448 f.) sowie § 3 Rz. 24 ff. Grziwotz | 61
§ 5 WEG Rz. 14 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums ist, dass die Bestandteile durch ihre Verbindung gerade mit dem Gebäude diesem eine besondere Eigenart, ein bestimmtes Gepräge geben. Auch Zubehör (§ 97 BGB) scheidet aus, da bei ihm bereits die Bestandteilseigenschaft fehlt.24 Nicht sondereigentumsfähig sind auch Scheinbestandteile (§ 95 BGB). Bei einfachen Bestandteilen, Scheinbestandteilen und dem Zubehör besteht normales, das heißt vom Wohnungs- und Teileigentum und dessen Unterteilung in Gemeinschafts- und Sondereigentum unabhängiges Eigentum, das in den normalen („gewöhnliches Eigentum“) Eigentumsformen des Gesamthandseigentums, des Miteigentums und des Alleineigentums bestehen kann.25 15 Voraussetzungen für die Bejahung der Sondereigentumsfähigkeit von Gebäudeteilen der
Räume sind somit: – Es muss sich nach allgemeinen Kriterien um einen wesentlichen Bestandteil eines Raumes handeln, der seinerseits Sondereigentum einer bestimmten Wohnungs- und Teileigentumseinheit ist. Zusätzlich muss ein besonderer Zusammenhang der Bestandteile zu den Räumen („zu diesen Räumen gehörenden“) vorliegen. Hierzu ist ein räumlicher, nicht nur ein funktionaler Zusammenhang26 erforderlich. Fehlt es nach der hier vertretenen Auffassung an einem konkreten räumlichen Zusammenhang, so liegt ein Bestandteil des Raumes nicht vor. Würde man hierauf verzichten und einen rein funktionalen Zusammenhang genügen lassen, wäre abweichend von sonstigen sachenrechtlichen Kriterien eine Sondereigentumsfähigkeit zu bejahen, die zu einem eigenständigen Bestandteilsbegriff führen würde. Bedeutung hat diese Abgrenzung für diejenigen Bestandteile, die sich außerhalb der Wohnungs- und Teileigentumseinheit befinden, der betreffenden Einheit jedoch dienen. Als Beispiele hierfür werden die Abwasserhebeanlage, die Klingelanlage und der eingemauerte Briefkasten genannt.27 Der enge räumliche Zusammenhang kann freilich auch durch eine Leitung zu den Räumen des Wohnungs- und Teileigentums vermittelt werden. Ähnlich dürfte dies auch sein, wenn zwar nicht durch eine körperliche Leitung, aber auf andere Weise, z.B. durch Funksignale, der enge räumliche Zusammenhang hergestellt wird. – Nicht Sondereigentum können Raumbestandteile sein, wenn es sich um zwingendes Gemeinschaftseigentum nach Abs. 2 handelt. Geht man davon aus, dass auch im Rahmen des Abs. 1 die Eigentümer kein Bestimmungsrecht haben, so handelt es sich sowohl bei Abs. 1 als auch bei Abs. 2 um zwingende Vorschriften, bei denen keine Vorrang vor der anderen beanspruchen kann;28 beide Normen schließen sich begrifflich voraussetzungsgemäß aus. Insofern handelt es sich um eine weitere Prüfungsvoraussetzung, dass es sich bei den Gebäudebestandteilen nicht um Gemeinschaftseigentum handelt. – Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Veränderung, Beseitigung oder Einfügung das Gemeinschaftseigentum oder das Sondereigentum eines anderen Wohnungs- oder Teileigentümers nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2) hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestalt des Gebäudes verändert. Einfügen ist dabei die Einpassung des Bestandteils. Die Vereinigung erfolgt in der Weise, dass mit den eingefügten Bestandteilen und dem Raum eine Einheit entsteht. Umgekehrt betrifft die Beseitigung die Aufhebung der Einfügung. Diese Vorgänge dürfen sowohl das 24 Vgl. zur Toilette, Badewanne und Dusche jedoch BGH v. 9.10.2016 – V ZR 84/16, MDR 2017, 757 = DNotZ 2017, 938 = NZM 2017, 224 = NJW-RR 2017, 462 = ZfBR 2017, 256 = ZWE 2017, 177. 25 OLG Düsseldorf v. 1.7.1994 – 3 Wx 334/94, NJW-RR 1995, 206; Wicke in Grüneberg, BGB, § 5 WEG Rz. 1 und Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 7. 26 Abw. Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 22 („funktionaler, dienender Zusammenhang“) und Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 22. S. dazu auch Häublein, notar 2016, 179, 185 und Tank in SWK-WEG, Sondereigentum Rz. 19. 27 Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 22 und Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 22. Vgl. auch Tank in SWK-WEG, Sondereigentum Rz. 22 und Müller, ZWE 2020, 445, 446. 28 A.A. Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 25.
62 | Grziwotz
II. Gegenstand des Sondereigentums (Abs. 1) | Rz. 16a § 5 WEG
Gemeinschaftseigentum als auch anderes Sondereigentum nur im gewöhnlichen Umfang beeinträchtigen. Zusätzlich darf die äußere Gestaltung des Gebäudes nicht verändert werden, wobei auch hier nicht jede minimale Änderung ausreicht, sondern auch insoweit eine wertende Betrachtung maßgeblich ist. Entscheidend ist in sämtlichen Fällen wie auch sonst im Rahmen der §§ 93 ff. BGB die Verkehrsauffassung. Nicht maßgebend ist, ob durch die Einfügung eine feste Verbindung geschaffen wird. Gleichgültig ist ferner, ob eine Einfügung erforderlich ist oder nicht. In der Praxis empfiehlt sich folgende Prüfungsreihenfolge:29 16 – Handelt es sich um Bestandteile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, dann liegt Gemeinschaftseigentum vor. – Handelt es sich um Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungs- und Teileigentümer dienen, so liegt Gemeinschaftseigentum vor. – Handelt es sich um einen Bestandteil des Gebäudes, bei dessen Veränderung auch die äußere Gestalt des Gebäudes verändert würde, liegt Gemeinschaftseigentum vor. – Wird durch die Veränderung, Beseitigung oder Einfügung des Gebäudebestandteils das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt, liegt wiederum Gemeinschaftseigentum vor.30 – Ist der Bestandteil im Rahmen der Aufteilung (§§ 3, 8) ausdrücklich zum gemeinschaftlichen Eigentum erklärt worden (Abs. 3), tritt auf diese Weise Gemeinschaftseigentum ein. Falls sämtliche Prüfungen dazu führen, dass kein Gemeinschaftseigentum vorliegt, besteht Sondereigentum an den Gebäudebestandteilen, die zu einem Raum gehören, der im Sondereigentum steht.
3. Grundstücksteile außerhalb des Gebäudes und dazugehörige wesentliche Bestandteile (Abs. 1 Satz 2) Seit dem 1.12.2020 kann Sondereigentum an außerhalb des Gebäudes liegenden Grund- 16a stücksteilen begründet werden.31 Das WEMoG lässt dies sowohl für Stellplätze (§ 3 Abs. 1 Satz 2) als auch für Teilflächen des Grundstücks (§ 3 Abs. 2) zu.32 In beiden Fällen müssen die betroffenen Flächen im Aufteilungsplan, also nicht in einem gesonderten z.B. Stellplatzplan, durch Maßangaben bestimmt und dies von der Baubehörde bestätigt werden sowie bei den Grundstücksteilflächen diese mit der jeweils gleichen Nummer wie das zugehörige Wohnungs- und Teileigentum gekennzeichnet sein (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 2). Bei Grundstückssondereigentum muss zudem die Hauptsacheeigenschaft der Wohnungs- oder Teileigentumseinheit, zu der es gehört, vorliegen (§ 3 Abs. 2).33 Für die Sondereigentumsgrundstücksflächen außerhalb des Gebäudes gilt § 94 BGB entsprechend.34 Damit sind auch 29 Nach Becker/Ott/Suilmann, WEG, 3. Aufl. 2015, Rz. 16 ff. 30 Vgl. AG Bielefeld v. 12.11.2020 – 408 C 133/18, ZMR 2021, 349. 31 Zschieschack, NZM 2020, 897, 899: „bedeutendste sachenrechtliche Änderung“. S. auch Dressler-Berlin, Rpfleger 2021, 193: „sachenrechtlichenRevolution“. 32 Die Raumeigenschaft wird aber entgegen Lang, ZfIR 2020, 809, 811 nur für Stellplätze fingiert. 33 S. hierzu § 3 Rz. 24 ff. Zur damit verbundenen beschränkten Verkehrsfähigkeit Wilsch, FGPrax 2020, 1, 5 u. Tank in SWK-WEG, Sondereigentum Rz. 23. 34 Umstr., aber von der h.M. bejaht, gilt dies ebenso für zum Sondereigentum erklärte Stellplätze im Freien; vgl. BT-Drucks. 19/18791, 40 u. 168/20, 40 und dem folgend Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Rz. 272; Schneider in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 3 Rz. 13 f.; Hügel/Elzer, § 5 Rz. 19; Müller, ZWE 2020, 445, 450; Schäuble, BWNotZ 2022, 167, 170. Grziwotz | 63
§ 5 WEG Rz. 16a | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums die mit dieser Fläche verbundenen wesentlichen Bestandteile, nämlich die auf dieser Fläche wachsenden Pflanzen und deren Früchte (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB), aber auch Gebäude (z.B. Gartenhaus, Schuppen, Garage) und Mauern Sondereigentum.35 Es kommt darauf an, ob die Entfernung von der im Sondereigentum stehenden Grundstücksfläche ohne erheblichen Arbeitsaufwand und ohne Beschädigung möglich ist oder nicht.36 Aber auch bei zur Herstellung eines auf der Sondereigentumsfläche errichteten Gebäudes eingefügten Sachen (z.B. Ziegel, Fenster, Türen, Rohre, sanitäre und Heizungsanlagen), bei denen eine feste Verbindung nicht erforderlich ist,37 handelt es sich um Bestandteile des Gebäudes und damit in der Regel auch des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 und 2 BGB). Gleiches gilt für Stellplatzflächen.38 Damit sind bei Gebäuden auf den Sondereigentumsflächen (z.B. Gartenhaus, Garage) auch die bestandsrelevanten und für die äußere Gestaltung bedeutsamen Teile Sondereigentum, während dies für das in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilte Gebäude, aber auch für z.B. ein Gartenhaus, das auf dem im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Grundstück steht und als Teileigentum sogar auf einem eigenen Grundbuchblatt vorgetragen ist, nicht gilt. Die Dachkonstruktion eines Garagenhauses mit mehreren Teileigentumseinheiten ist Gemeinschaftseigentum;39 das Dach einer Garage, die auf einem Außenstellplatz errichtet wird, ist dagegen Sondereigentum. Das dürfte auch hinsichtlich der Kostentragung kaum vermittelbar sein. Somit können bei Wohnungseigentumsanlagen zwei unterschiedliche Rechtsformen von Gebäudeeigentum auf einem einheitlichen Grundstück bestehen.40 Schwer verständlich ist dies auch bei Mehrhausanlagen, insbesondere Reihenhäusern und Doppelhaushälften, bei denen nach h.M. die Außenwände und das Dach jeweils zwingend im Gemeinschaftseigentum stehen.41 16b Abgrenzungsprobleme können sich bei Anbauten an das in Wohnungs- und Teileigentum
aufgeteilte Gebäude ergeben, wenn diese auf einer Sondereigentumsfläche einer Wohnungsoder Teileigentumseinheit erfolgten. Beispiel ist ein Wintergarten, der an die Wohnungseigentumseinheit auf der Gartensondereigentumsfläche angebaut wird, ohne dass daran Sondereigentum unter Vorlage der Nachweise nach § 7 im Grundbuch begründet wird. Teilweise wird davon ausgegangen, dass in diesem Fall § 94 Abs. 2 BGB der Anwendung des § 94 Abs. 1 BGB vorginge und deshalb zunächst gemeinschaftliches Eigentum entstünde.42 Allerdings zeigt das Beispiel der Errichtung einer Garage auf einer Stellplatzfläche, dass dort wegen der angeordneten Raumfiktion problemlos Sondereigentum an der Garage außerhalb des „ordentlichen“ Verfahrens nach §§ 3 und 4 und 7 Abs. 4 entstehen kann. Auch eine spätere Nutzungsänderung führt nicht zum nachträglichen Entfallen des Sondereigentums.43 Deshalb spricht nichts dagegen, auch auf Sondereigentumsfreiflächen die Entstehung von Sondereigentum zuzulassen; dies ist auch im Hinblick auf die Kostentragung konsequent. Es ist deshalb bei Gebäuden auf Sondereigentumsflächen, unabhängig davon, ob es sich um einen An-
35 S. nur Schäuble, BWNotZ 2022, 167, 170 und DNotI-Report 2021, 97, 98. 36 S. nur Neuner, BGB AT, 13. Aufl. 2023, § 25 Rz. 26. 37 Abw. Hügel/Elzer, § 5 Rz. 18 („Sachen, die fest mit diesem Flächensondereigentum verbunden sind“). 38 Ebenso Schäuble, BWNotZ 2022, 167, 170; Köther, RNotZ 2021, 377, 386; Schneider, ZWE 2021, 237, 238; Wicke in Grüneberg, BGB, § 5 WEG Rz. 10 u. Schneider in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 3 Rz. 13 f. Offen Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 3, 7. 39 BVerfG v. 28.7.2014 – 1 BvR 1925/13, NJW 2014, 3147 = NZM 2014, 834. 40 Ähnlich Becker/Schneider, ZfIR 2020, 281, 285; Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 7; Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Rz. 281; zu Recht krit. Heinemann ZWE 2020, 333 u. Schneider in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 3 Rz. 44 ff. 41 S. Rz. 7. 42 So Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Rz. 281. Vgl. auch DNotI-Report 2021, 97, 99. 43 So auch Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 5.
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II. Gegenstand des Sondereigentums (Abs. 1) | Rz. 18 § 5 WEG
bau handelt oder nicht, Sondereigentum der „Hauptsachewohnungs- oder -teileigentumseinheit“ anzunehmen.44 Flächensondereigentum kann vom berechtigten Wohnungs- und Teileigentümer – anders als 16c bei Sondernutzungsrechten – auch mit einer Dienstbarkeit und einer Baulast bzw. in Bayern mit einer Abstands- oder Abstandsflächenübernahme (Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO) belastet werden. Eine Mitwirkung der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer ist dazu nicht erforderlich.45 Dienstbarkeiten werden im Grundbuch nur bei der belasteten Wohnungs- und Teileigentumseinheit eingetragen. Bei Baulasten in den übrigen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern und bei Abstandsflächenübernahmen in Bayern ist klarzustellen, dass „belastet“ nur das Wohnungs- und Teileigentum des betreffenden Eigentümers ist. Allerdings kann der Wohnungs- und Teileigentümer das Recht nur in dem Umfang einräumen, als es ihm selbst zusteht. Bei einer Fläche für einen Gemüsegarten kann er deshalb nicht einem Dritten mittels Dienstbarkeit die Errichtung eines Swimmingpools gestatten. Anders ist dies, wenn er selbst ein Gartenhaus errichten darf; dann kann er eine diesbezügliche Dienstbarkeit für einen Dritten einräumen. Insofern kann auch ein Erbbaurecht an einer Sondereigentumsaußenfläche bestellt werden. In der Praxis empfiehlt sich folgende Prüfungsreihenfolge: 16d – Liegt eine Sondereigentumsfläche gemäß § 3 Abs. 2 oder gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 vor? – Handelt es sich um wesentliche Bestandteile dieser Fläche oder eines darauf errichteten Gebäudes, dann liegt Sondereigentum des Wohnungs- bzw. Teileigentums vor, zu dem die Außenfläche als Sondereigentum gehört, und bei einem selbstständigen Stellplatzteileigentum Sondereigentum dieses Teileigentums.
4. Entstehung des Sondereigentums Die Einräumung von Sondereigentum erfordert die Bewilligung bzw. Einigung darüber so- 17 wie ferner die Eintragung in das Grundbuch (§ 4 Abs. 1). Mit dem grundbuchamtlichen Vollzug ist der rechtliche Begründungsvorgang abgeschlossen. Damit sind nicht zwingend sämtliche Komponenten des Wohnungs- und Teileigentums bereits vorhanden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft entsteht bei der Aufteilung nach § 3 und § 8 bereits mit Eintragung der Aufteilung (§ 9a Satz 2). Dieser Zeitpunkt wird, um die Anwendbarkeit der WEG-Vorschriften für Erwerber, die vom aufteilenden Eigentümer erwerben, zu erreichen, vorverlagert auf den Zeitpunkt der gesicherten Erwerbsposition durch Eintragung einer Eigentumsverschaffungsvormerkung am gebildeten (nicht dem noch zu bildenden) Wohnungseigentum sowie der Besitzübergabe an der bereits bewohnbaren Wohnungs- oder Teileigentumseinheit (s. § 8 Rz. 40 f.). Sachenrechtlich entsteht Gemeinschafts- und Sondereigentum unabhängig davon, ob eine 18 Wohnungseigentümergemeinschaft existiert. Sachenrechtlich ist nämlich erforderlich, dass sich das Alleineigentum des aufteilenden Eigentümers oder das schlichte Miteigentum mehrerer Eigentümer in die beiden Komponenten des Gemeinschafts- und Sondereigentums
44 So wohl auch Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1689 u. von Türckheim, notar 2021, 1, 6. Schwierigkeiten können sich nur ergeben, wenn gegen die absolute Grenze des § 5 Abs. 2 verstoßen wird, z.B. durch Entfernung einer statisch notwendigen Mauer und Ersetzung auf der Sondereigentumsfläche. 45 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1737 ff.; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEGRecht 2021, Kap. 1 Rz. 46, die allerdings bei Gebäuden hinsichtlich der Konstruktion Gemeinschaftseigentum annehmen, sodass eine diesbezügliche Dienstbarkeit und ein Erbbaurecht nicht bestellt werden können. Grziwotz | 65
§ 5 WEG Rz. 18 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums „aufteilt“. Durch den bestätigten Aufteilungsplan und die Eintragung im Grundbuch stehen beide Komponenten eigentlich fest. Miteigentum, das mit dem Sondereigentum an einer Wohnung verbunden ist, bliebe, würde man allein abstrakt auf die Pläne abstellen, mangels eines Gegenstandes, nämlich des Gebäudes, lediglich eine theoretische Konstruktion. Deshalb wird teilweise davon ausgegangen, dass bis zur Errichtung eines Gebäudes lediglich Miteigentum am Grundstück und eventuell weiteren Komponenten des werdenden Gebäudes (z.B. Fundament etc.) besteht.46 Vertritt man die Ansicht, dass Sondereigentum das Bestehen eines Gebäudes voraussetzt, entsteht Sondereigentum erst mit Errichtung des Gebäudes und sämtlicher Wohnungs- und Teileigentumseinheiten. Nach dieser so genannten Fertigstellungstheorie47 entsteht Sondereigentum erst mit Bezugsfertigkeit der letzten gemäß dem bestätigten Aufteilungsplan zu errichtenden Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit einschließlich sämtlicher dazugehöriger Räume. Dies hat zur Konsequenz, dass bei einem steckengebliebenen Bauvorhaben oder bei Entfallen einzelner zum Wohnungs- und Teileigentum gehörender Räume (z.B. Speicherräume, Garagen) Sondereigentum bis zur Änderung der Aufteilung im Grundbuch nicht entstanden ist. Dies gilt auch für diejenigen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, die bereits komplett fertiggestellt sind. Bis zum Entstehen von Wohnungs- und Teileigentum existiert danach sachenrechtlich lediglich Miteigentum am Grundstück und dem „Gebäudetorso“; das Miteigentum könnte jederzeit auseinandergesetzt werden. Dies führt insbesondere beim Kauf vom Bauträger zu unerfreulichen Ergebnissen, wenn Erwerber von Erdgeschosswohnungen nach Baufortschritt bereits den Großteil ihrer Wohnungseigentumseinheiten bezahlt haben, aber nach der Fertigstellungstheorie nicht Sondereigentümer sind. Allerdings beruht die „Gefahrengemeinschaft der Käufer der Eigentumswohnungen“ die „zugunsten der Bauträger und ihrer Gläubiger“48 entsteht, nicht in erster Linie auf der Fertigstellungstheorie, sondern auf der „Baufortschrittszahlung“ beim Bauträgerkauf und des damit verbundenen „Käuferfinanzierungsmodells“.49 Gleichwohl ist die Fertigstellungstheorie abzulehnen, da sie auch mit dem Wortlaut von § 5 nicht übereinstimmt. Dieser stellt hinsichtlich des Sondereigentums allein auf „die gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Räume“ ab, nicht auf die Gesamtheit sämtlicher sondereigentumsfähiger Räume. Zudem würden noch eine Miteigentümergemeinschaft und bereits gleichzeitig eine Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 9a Abs. 1 Satz 2) bestehen; auch dies zeigt, dass die Fertigstellungstheorie jedenfalls seit dem WEMoG nicht mehr vertretbar ist. 19 Somit sprechen Wortlaut und Schutzzweck für die h.M., die von einer sukzessiven Entste-
hung des Sondereigentums ausgeht. Sondereigentum entsteht danach bereits, wenn die Räume der einzelnen Wohnungs- und Teileigentumseinheit im Rohbau einschließlich der zum Gemeinschaftseigentum abgrenzenden Wände anhand des bestätigten Aufteilungsplans (§ 7 Abs. 4) einwandfrei identifizierbar erstellt sind.50 Dabei entsteht das Sondereigentum einer bestimmten Wohnungs- und Teileigentumseinheit bereits mit deren eigentumsrechtlich erforderlicher (nicht kompletter) Fertigstellung, also unabhängig vom Entstehen weiteren Sondereigentums. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht eine Anwartschaft auf Erlangung von Sonder46 Ausführlich Röll, DNotZ 1977, 69 ff. 47 Diester in Staudinger, BGB, 10./11. Aufl., § 3 WEG Rz. 14a, b; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 20.12.1985 – 3 Wx 345/85, NJW-RR 1986, 300 = MittRhNotK 1986, 123 = Rpfleger 1986, 131, wonach der Rohbau insgesamt fertiggestellt sein muss. 48 So Röll, DNotZ 1977, 69, 70 und ihm folgend Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 47. 49 Vgl. nur Grziwotz, ZfIR 2013, 2. 50 Ebenso BGH v. 6.6.1986 – V ZR 264/84, MDR 1987, 41 = NJW 1986, 2759 = DNotZ 1987, 208 = MittBayNot 1986, 251 = MittRhNotK 1987, 79; BGH v. 22.12.1989 – V ZR 339/87, BGHZ 110, 36 = MDR 1990, 325 = NJW 1990, 1111 = DNotZ 1990, 259 = MittBayNot 1990, 106 = IBR 1990, 186; BGH v. 20.5.2011 – V ZR 99/10, MDR 2011, 972 = MietRB 2011, 250 = NJW 2011, 3237 = NZM 2011, 779 = ZfIR 2011, 623 = ZMR 2011, 809; LG München I v. 15.3.2017 – 1 S 10106/16 WEG, ZWE 2017, 325; Röll, MittBayNot 1991, 240; Hügel in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, § 3 WEG Rz. 22; Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 48; Klühs, NZM 2010, 730 f.
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II. Gegenstand des Sondereigentums (Abs. 1) | Rz. 21 § 5 WEG
eigentum auf der Grundlage des Aufteilungsplans.51 Die sachenrechtliche Anwartschaft hinsichtlich des Miteigentumsanteils am künftigen Gemeinschaftseigentum des Gebäudes und des alleinigen Eigentums an dem Gegenstand seines Sondereigentums entsprechend dem bestätigten Aufteilungsplan führt dazu, dass bis zum endgültigen Scheitern der Errichtung des Gebäudes – die Auseinandersetzung der Gemeinschaft gem. § 11 ausgeschlossen ist, – jeder Miteigentümer selbst die Herstellung entsprechend den Aufteilungsplänen durchführen kann und dies die anderen Miteigentümer nicht ablehnen können sowie ferner – bereits die Regeln des WEG gelten, insbesondere eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit Rechten und Pflichten besteht. Mit Herstellung der dem Miteigentumsanteil zugeordneten Räume bzw. Teilen des Grundstücks stimmen rechtlicher und substanzieller Bestand des Sondereigentums überein. Besondere Bedeutung hat die Streitfrage über die Entstehung des Sondereigentums bei so 20 genannten Mehrhausanlagen, insbesondere wenn ein Bauträger mehrere Gebäude in zeitlichem Abstand errichtet.52 Werden sämtliche Wohnungen entsprechend der Planung aufgeteilt und nur die Gebäude abschnittsweise errichtet, so ergibt sich gegenüber den oben dargestellten Ansichten keine Besonderheit. Nach h.M. entsteht Sondereigentum substanziell jeweils hinsichtlich der bereits hergestellten Wohnungs- und Teileigentumseinheit. Gleiches gilt, wenn zunächst nur die Aufteilungspläne für ein Gebäude vorliegen, dieses im Grundbuch so eingetragen und gebaut wird. Erst bei einer späteren weiteren Unterteilung durch Abspaltung von Miteigentumsanteilen und einer Verbindung mit Sondereigentum an Einheiten im zweiten Gebäude kann dann wiederum sukzessiv Sondereigentum an den entsprechenden Einheiten des zeitlich später errichteten Gebäudes entstehen. Wird zunächst die Aufteilung für das erste Gebäude im Grundbuch eingetragen, aber ein so genannter überproportionaler Miteigentumsanteil gebildet, setzt die weitere Aufteilung eine Einigung der bisherigen Wohnungs- und Teileigentümer voraus,53 da eine verdinglichte Vollmacht zu Gunsten des Eigentümers des überproportionalen Miteigentumsanteils nicht zulässig ist.54 Wird ein Gebäude oder werden bei mehreren Gebäuden eines oder einzelne nicht gebaut, so 21 bleibt bereits entstandenes Sondereigentum bestehen. Die weiteren Miteigentumsanteile sind rechtlich mit einer Anwartschaft auf Entstehung von Sondereigentum „verbunden“, auch wenn Sondereigentum mangels Errichtung der entsprechenden Räume substanziell noch nicht entstanden ist. Sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer sind in dieser Lage verpflichtet, sofern die Fertigstellung des Gebäudes bzw. der Bau der weiteren Gebäude endgültig auf-
51 BGH v. 22.12.1989 – V ZR 339/87, BGHZ 110, 36 = MDR 1990, 325 = NJW 1990, 1111 = DNotZ 1990, 259 = MittBayNot 1990, 106 = IBR 1990, 186; Wenzel, DNotZ 1993, 297, 299 und Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 49. 52 Gaier in FS für Wenzel, 2005, S. 145, 152 ff. 53 Vgl. BGH v. 4.4.2003 – V ZR 322/02, MDR 2003, 864 = MietRB 2003, 9 = DNotZ 2003, 538 = NJW 2003, 2165 = NZM 2003, 480 = ZfIR 2003, 518 = ZMR 2003, 748 und BayObLG v. 24.7.1997 – 2Z BR 49/97, BayObLGZ 1997, 233 = DNotZ 1998, 379 = Rpfleger 1998, 19 = MittBayNot 1998, 99 = MittRhNotK 1997, 360 = WuM 1997, 512; BayObLG v. 5.1.2000 – 2Z BR 163/99, BayObLGZ 2000, 1 = DNotZ 2000, 466 = FGPrax 2000, 60 = MittBayNot 2000, 228 = MittRhNotK 2000, 166 = NZM 2000, 668 = WuM 2001, 87 = ZfIR 2000, 718 = ZMR 2000, 316 = ZWE 2000, 182; BayObLG v. 12.10.2001 – 2Z BR 110/01, BayObLGZ 2001, 279 = DNotZ 2002, 149 = NJW-RR 2002, 443 = NZM 2002, 70 = Rpfleger 2002, 140 = RNotZ 2002, 107 = ZfIR 2002, 141 = ZMR 2002, 283 = ZWE 2002, 124. 54 So noch Rapp, MittBayNot 1998, 77, 79; vgl. auch Hügel, DNotZ 2003, 517 ff., der die Zustimmung zur Veräußerung nach § 12 von der Erteilung einer entsprechenden Vollmacht abhängig machen möchte, was jedoch im Hinblick auf den zwingenden Charakter von § 12 Bedenken begegnet (ebenso Armbrüster, ZMR 2005, 249). Vgl. auch § 12 Rz. 28. Grziwotz | 67
§ 5 WEG Rz. 21 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums gegeben wird, die Aufteilung entsprechend anzupassen. Die Mittragung von Lasten und Kosten ist den Eigentümern der noch nicht mit Sondereigentum verbundenen Miteigentumsanteile nur insoweit zuzumuten, als noch die Anwartschaft auf die zu errichtenden Sondereigentumseinheiten besteht. Ist dies nicht mehr der Fall, entfällt ab diesem Zeitpunkt ihre diesbezügliche Mitbeteiligung. Haben sie entsprechende Kosten und Lasten bereits getragen (z.B. Erschließungs- und Anliegerkosten), steht ihnen ein etwaiger Erstattungsanspruch gegenüber dem Gläubiger zu. Erfolgt keine Erstattung, ist wohl darauf abzustellen, wer wirtschaftlich einen Vorteil durch die Zahlung der entsprechenden Kosten hat.55
III. Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums (Abs. 2 und 3, § 1 Abs. 5) 1. Das Grundstück (§ 1 Abs. 5) 22 Zwingendes Gemeinschaftseigentum war bis zum WEMoG das Grundstück, auch wenn die-
ses nur zu einem kleinen Teil von dem in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Gebäude überbaut war; aber auch der überbaute Teil konnte kein Sondereigentum sein.56 Das Grundstück ist auch bei der Aufteilung, die nach dem 1.12.2020 erfolgt, Gemeinschaftseigentum, soweit nicht an Stellplätzen im Freien (§ 3 Abs. 1 Satz 2) und an außerhalb des Gebäudes liegenden Grundstücksteilen (§ 3 Abs. 2) unter Einhaltung der diesbezüglich bestehenden Voraussetzungen (§§ 3 Abs. 3, 7 Abs. 4 Satz 1) Sondereigentum begründet wird. Sondereigentum entsteht somit an diesen Flächen, insbesondere auch an Stellplätzen für Fahrzeuge aller Art wegen der Fiktion der Raumeigenschaft, nicht automatisch. Werden sie nicht zu Sondereigentum erklärt, bleiben die betroffenen Grundstücksflächen Gemeinschaftseigentum; dies gilt auch, wenn Sondernutzungsrechte zugunsten einzelner Wohnungs- und Teileigentümer an ihnen begründet werden. Zum Grundstück gehören auch Bäume und Pflanzen, ebenerdige Terrassen, Stellplätze, auch wenn diese mit Carports überbaut sind, Gartenanteile, Kinderspielplätze etc.57 Bleiben die bebauten Grundstücksflächen im Gemeinschaftseigentum, so gilt dies erst recht für künftig zu bebauende Grundstücksflächen;58 eine Ausnahme besteht seit dem WEMoG nur für Stellplätze (§ 3 Abs. 1 Satz 2) und für „Erstreckungsflächen“ (§ 3 Abs. 2; vgl. Rz. 16a f.), an denen Sondereigentum gebildet wird. 23 Das Gemeinschaftseigentum schließt es nicht aus, an Grundstücksflächen Sondernutzungs-
rechte für einzelne Wohnungs- und Teileigentümer zu bestellen. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Flächen handelt, die von sämtlichen Eigentümern gemeinsam genutzt werden müssen, wie z.B. als Rettungswege. In diesem Fall sind die jeweiligen Sondernutzungsrechte, auch wenn dies nicht ausdrücklich erwähnt ist, entsprechend eingeschränkt, da nur ein nicht notwendig gemeinschaftlicher Gebrauch zur Sondernutzung für einzelne Wohnungs- und Teileigentümer zur Verfügung stehen kann. Dies entspricht der für Sondereigentumsflächen geltenden Regelung gem § 14 Abs. 1 Nr. 2.
55 Vgl. BGH v. 2.7.1993 – V ZR 157/92, MDR 1993, 1203 = DNotZ 1994, 52 = NJW 1993, 2796 allg. zum sog. Erschließungsvorteil. 56 Vgl. noch OLG Hamm v. 27.3.1998 – 15 W 332/97, NZM 1999, 179 = NJW-RR 1999, 234 = ZMR 1998, 590; Hügel, ZWE 2020, 174. 57 LG Landau v. 15.4.2011 – 3 S 4/11, NZM 2011, 554 = NJW-RR 2011, 1029; vgl. auch OLG Frankfurt/M, ZWE 2021, 267. 58 Vgl. auch LG Landau v. 23.3.2011 – 3 S 4/11.
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III. Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums | Rz. 26 § 5 WEG
2. Konstruktive und sicherheitsrelevante Teile (Abs. 2, 1. Alt.) Teile des in Wohnungs- und Teileigentumseinheiten aufgeteilten Gebäudes, die für dessen 24 Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sind zwingend Gemeinschaftseigentum. Es handelt sich dabei zunächst um die konstruktiven Teile des Gebäudes, an denen kein Sondereigentum begründet werden kann. Dazu gehören die Fundamente, tragende Innen- und Außenmauern, die Geschoßdecken,59 die Isolierschichten und das Dach samt Schornstein.60 Es handelt sich um die konstitutiven Teile des Gebäudes.61 Diejenigen Teile des Gebäudes, an denen sämtliche Mitglieder der Gemeinschaft naturgegeben ein schutzwürdiges hohes Interesse haben, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch rechtlich der Gemeinschaft der Miteigentümer zustehen. Dies gilt nach h.M. auch für mehrere Gebäude auf einem Grundstück (sog. Mehrhausanlagen), die in Wohnungseigentum aufgeteilt sind (vgl. Rz. 7). Demgegenüber gehören auch die konstruktiven Teile eines Gebäudes auf einer Stellplatz(außen) fläche und einer Annexgrundstücksfläche zum Sondereigentum der betreffenden Wohnungs- und Teileigentumseinheit, wobei ein Stellplatz im Freien eine selbstständige Teileigentumseinheit bilden oder zu einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit gehören kann, Abs. 2 ist insoweit nicht anwendbar.62 Zum zwingenden Sondereigentum gehören diejenigen Teile des in Wohnungs- und Teil- 25 eigentumseinheiten aufgeteilten Gebäudes, die zu dessen Sicherheit erforderlich sind, wie z.B. eine Rettungstreppe, auch wenn es sich bei ihr nicht um ein konstruktiv zwingendes Gebäudeteil handelt, dessen Fehlen zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Gebäudes führen würde. Hinsichtlich der für die Sicherheit des Gebäudes erforderlichen Einrichtungen kommt es nicht darauf an, ob diese auch öffentlich-rechtlich zwingend vorgeschrieben sind. Ausreichend ist, wenn eine Sicherheitseinrichtung nicht nur einem Eigentümer, sondern allen oder zumindest mehreren Eigentümern dient. Dies ist beispielsweise auch bei einem Blitzableiter der Fall, den die Eigentümer auf eigenen Wunsch installieren lassen. Gleiches gilt für ein Feuerlöschgerät, Rettungsleitern, Schneefanggitter und Alarmanlagen. Bei sicherheitsrelevanten Gebäudeteilen auf Außenstellplätzen und Annexgrundstücksflächen gelten wiederum die vorstehenden Ausnahmen (vgl. Rz. 24).
3. Äußere Gestaltung des Gebäudes (Abs. 1, Satz 1, letzter Halbs.) Bestandteile des Gebäudes, bei deren Veränderung, Beseitigung oder Einfügung die äußere 26 Gestaltung des Gebäudes, in dem sich Wohnungs- und Teileigentumseinheiten befinden und das auf Gemeinschaftseigentum steht, verändert wird, sind zwingendes Gemeinschaftseigentum. Hierzu gehören auch Teile, die keine konstruktiven Bestandteile des Gebäudes sind. Entscheidend ist vielmehr, dass der äußere Eindruck, d.h. das Gesamtbild der Anlage, für einen außenstehenden Betrachter und somit auch der wirtschaftliche Wert verändert werden. Der Immobilienverkehr wird nämlich hierauf reagieren. Zur äußeren Gestaltung gehören deshalb vor allem die Außenfassade einschließlich Zieranbringungen (z.B. Holzverkleidungen, Verblendungen, Schnitzereien, Malereien),63 Außenputz und Außenanstrich, die
59 S. nur LG Düsseldorf v. 29.3.2017 – 25 S 55/16, ZWE 2017, 370; AG Wilhelmshaven v. 8.4.2014 – 6 C 331/12, IMR 2015, 73 = ZWE 2014, 449. 60 S. nur AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg v. 11.12.2009 – 72 II 73/07, juris; Greiner, ZMR 2022, 530. 61 So BGH v. 3.4.1968 – V ZB 14/67, NJW 1968, 1230 f. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 1.7.1994 – 3 Wx 334/94, NJW-RR 1995, 206, wonach es sich um wesentliche Grundstücksbestandteile handeln muss. S. ferner LG München I v. 8.11.2010 – 1 S 10608/10, ZfIR 2011, 114. 62 Müller, ZWE 2020, 445, 450; Elzer, NZM 2021, 334, 339 und Schäuble, BWNotZ 2022, 167, 171. Offen Jacoby in Forschner (Hrsg), Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 23, 27. 63 BVerfG v. 28.7.2014 – 1 BvR 1925/13, NJW 2014, 3147 = NZM 2014, 834 = ZMR 2014, 960. Grziwotz | 69
§ 5 WEG Rz. 26 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums Fenster samt Fensterstock und Rollläden, die Außentüren des Gebäudes (Hauseingangstüre samt Schließanlage, Balkon- und Terrassentüren, Türen von Nebengebäuden),64 Erker, Wintergärten und Balkone hinsichtlich der Außenwände und -brüstungen sowie sonstige die äußere Gestaltung des Gebäudes betreffende Anbringungen (z.B. Markisen, Außenleuchten, an den Außenwänden angebrachte Pflanzgitter, Schilder, Leuchtschriften etc.). Da das Gesetz nur auf die Veränderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes abstellt, ist es für die Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum auch unerheblich, ob die entsprechenden Teile verschönernd oder verunstaltend wirken. Eine Ausnahme von der Zuordnung zum Gemeinschaftseigentum gilt allerdings, soweit der betreffende Gebäudebestandteil im Eigentum eines Dritten steht. Dies ist dann möglich, wenn es sich um keinen wesentlichen Bestandteil handelt. Beispiel ist die von einem benachbarten Eigentümer aufgrund einer Dienstbarkeit an der Außenfassade angebrachte Werbung.
4. Gemeinschaftseigentum kraft gemeinschaftlichen Gebrauchs (Abs. 2, 2. Alt.) 27 Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentü-
mer dienen, können nicht Gegenstand des Sondereigentums sein, sind also zwingend Gemeinschaftseigentum. Dies soll selbst dann gelten, wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume oder Grundstücksflächen befinden. Diese gesetzliche Regelung zeigt, dass ein Raum, in dem sich eine Gemeinschaftseinrichtung befindet, seinerseits nicht zwingend Gemeinschaftseigentum sein muss. Eine Zuordnung von Räumen, in denen sich dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienende Anlagen befinden, zum Sondereigentum ist somit nicht von vornherein ausgeschlossen.65 Nach überwiegender Ansicht dient eine Anlage oder Einrichtung dann dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungs- und Teileigentümer, wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung darauf gerichtet ist, der Gesamtheit der Wohnungs- und Teileigentümer einen ungestörten Gebrauch ihrer Wohnungen und der Gemeinschaftsräume zu ermöglichen und zu erhalten.66 Kommt es auf die Zweckbestimmung der Anlage oder Einrichtung an, enthält die Abgrenzung insofern ein Element der Vereinbarung. Ferner ist zu beachten, dass es für die Bejahung von zwingendem Gemeinschaftseigentum nicht ausreicht, dass eine Anlage oder Einrichtung die Wohnungs- oder Teileigentümer nur nutzen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich diese im Rahmen des Bedarfs hält, der sich aus dem Interesse der Wohnungs- und Teileigentümer an einem zweckgerechten Gebrauch der Wohnungs- und Teileigentumseinheiten oder des Gemeinschaftseigentums ergibt.67 Der gemeinschaftliche Gebrauch muss dabei nicht zugunsten der Gesamtheit68 der Wohnungsund Teileigentümer vorliegen; ausreichend ist, wenn mindestens zwei Wohnungs- oder Teileigentümer auf die Nutzung der Anlage oder Einrichtung angewiesen sind und deshalb die 64 BGH v. 25.10.2013 – V ZR 212/12, MDR 2014, 18 = MietRB 2014, 9 f. = NJW 2014, 379 = ZfIR 2014, 15; BGH v. 22.11.2013 – V ZR 46/13, MietRB 2014, 79 f. = NJW-RR 2014, 527 = ZWE 2014, 125. 65 Vgl. Hans. OLG Bremen v. 28.4.2016 – 3 W 28/15, MietRB 2016, 262 = MDR 2016, 1258 = ZWE 2016, 324 und OLG Dresden v. 29.3.2017 – 17 W 233/17, NotBZ 2017, 227 = FGPrax 2017, 151 = NZM 2017, 701 = NJW-RR 2017, 1225 = ZWE 2017, 306; s. dazu DNotI-Report 2017, 81, 82; OLG München v. 9.2.2017 – 34 Wx 333/16, NJW-RR 2017, 659 = NZM 2017, 567 = ZWE 2017, 175. Zu den Folgen einer unwirksamen Zuweisung zum Sondereigentum s. Hansen/Brandt, WuM 2016, 647 ff. 66 BGH v. 10.10.1980 – V ZR 47/79, MDR 1981, 216 = NJW 1981, 455, 456 = DNotZ 1981, 565; OLG München v. 9.2.2017 – 34 Wx 333/16, NZM 2017, 567 = NJW-RR 2017, 659 = ZWE 2017, 175. 67 BGH v. 10.10.1980 – V ZR 47/79, MDR 1981, 216 = NJW 1981, 455, 456 = DNotZ 1981, 565. 68 Missverständlich BGH v. 5.7.1991 – V ZR 222/90, MDR 1992, 50 = DNotZ 1992, 224, 225 = NJW 1991, 2909.
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III. Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums | Rz. 29 § 5 WEG
Bildung von Sondereigentum ihren Interessen oder bei einer Anlage mit zwei Einheiten den Interessen auch nur eines Eigentümers zuwider laufen würde. Aus diesem Grund können nach h.M. bei Mehrfachparkern zwar die Stellplätze Sondereigentum sein (§ 3 Abs. 1 Satz 2), nicht aber die Hebeanlage, wenn es sich bei den Stellplätzen um mehrere Teileigentumseinheiten oder um Sondereigentum unterschiedlicher Wohnungseigentumseinheiten handelt und nicht der gesamte Mehrfachparker insgesamt Sondereigentum ist.69 Zu Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungs- 28 eigentümer dienen, gehören auch Räume.70 Neben Räumen sollen auch Flächen und Flure, die als Zugang zu den Gemeinschaftsräumen bestimmt sind oder die zur Bewirtschaftung und Versorgung der Wohnungen und des Gemeinschaftseigentums dienen, weil sich in ihrem Bereich die zentralen Zähl-, Schalt-, Sicherungs- oder Beschickungseinrichtungen der gemeinschaftlichen Wasser-, Wärme- und Energieversorgungsanlagen des Gebäudes befinden, zwingend Gemeinschaftseigentum sein.71 Gleiches soll für einen Durchgang zu einem Hinterhaus gelten.72 Eine Ausnahme gilt allerdings für Spitzböden. Bei diesen hat es die Rechtsprechung ausrei- 29 chen lassen, dass sie nur über die darunterliegende Wohnung erreichbar sind, obwohl sie im Gemeinschaftseigentum stehen, wenn eine Benutzung lediglich durch diesen Sondereigentümer denkbar ist.73
69 S. nur Müller, ZWE 2020, 445, 446; Wobst, MittBayNot 2021, 1, 2; Lehmann-Richter/Wobst, Die WEG-Reform 2020 Rz. 1670; von Türckheim, notar 2021 1, 5; Schneider in Skauradszun/Elzer/ Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 3 Rz. 15. 70 BGH v. 2.2.1979 – V ZR 14/77, BGHZ 73, 302, 311 = MDR 1979, 656 = NJW 1979, 2391 und BGH v. 5.7.1991 – V ZR 222/90, MDR 1992, 50 = DNotZ 1992, 224, 225 = NJW 1991, 2909; BayObLG v. 25.3.1992 – 2Z BR 1/92, MDR 1992, 772 = MittBayNot 1992, 331 = DNotZ 1992, 490. Zu den eigentumsrechtlichen Folgen eines Funktionswechsels s. Hügel, ZMR 2018, 113 ff. 71 BGH v. 5.7.1991 – V ZR 222/90, MDR 1992, 50 = DNotZ 1992, 224, 225 = NJW 1991, 2909; BayObLG v. 30.10.2003 – 2Z BR 184/03, DNotZ 2004, 386 = MittBayNot 2004, 192 = RNotZ 2004, 34; BayObLG v. 7.8.1980 – BReg. 2 Z 46/79, DNotZ 1981, 123; BayObLG v. 1.10.1980 – BReg. 2 Z 43/79, MDR 1981, 145; BayObLG v. 6.2.1986 – BReg. 2 Z 12/85, MDR 1986, 590 = DNotZ 1986, 494 = MittBayNot 1986, 78; OLG Oldenburg v. 6.2.1989 – 5 W 9/89, RPfleger 1989, 365; BayObLG v. 16.3.1995 – 2Z BR 12/95, NJW-RR 1996, 12 = DNotZ 1995, 631 = MittBayNot 1995, 204; OLG Hamm v. 11.6.1986 – 15 W 452/85, MDR 1986, 939 = DNotZ 1987, 225 = NJW-RR 1986, 1275 = MittRhNotK 1987, 50; OLG Hamm v. 27.2.2001 – 15 W 17/01, NJW-RR 2002, 12 = NZM 2002, 253 = RNotZ 2001, 281; OLG Hamm v. 4.7.2005 – 15 W 256/04, NotBZ 2006, 27 = NZM 2006, 142 = ZMR 2006, 60; OLG Naumburg v. 27.10.1998 – 11 U 148/98, ZMR 2000, 251; OLG Düsseldorf v. 12.3.1995 – 3 Wx 72/99, NZM 1999, 772 = WuM 1999, 425 = ZMR 1999, 499; OLG Dresden v. 29.3.2017 – 17 W 233/17, MietRB 2017, 292 = FGPrax 2017, 151 = NJW-RR 2017, 1225 = NotBZ 2017, 227 = NZM 2017, 701 = ZWE 2017, 306; OLG München v. 30.8.2018 – 34 Wx 66/18, NZM 2019, 343; OLG Düsseldorf v. 17.10.2019 – I-3 Wx 69/19, FGPrax 2020, 16 = NJW-RR 2020, 336 = NZM 2020, 111 = MittBayNot 2020, 449 = Rpfleger 2020, 259; OLG München v. 25.5.2020 – 34 Wx 263/18, MDR 2020, 955 = FGPrax 2020, 193 = IMR 2020, 300 = Rpfleger 2020, 651 = ZWE 2020, 276; teilw. abw. Hans. OLG Bremen v. 12.12.2014 – 2 U 54/14, IMR 2015, 118 = ZWE 2015, 170; Hans. OLG Bremen v. 28.4.2016 – 3 W 28/15, MietRB 2016, 262 = MDR 2016, 1258 = ZWE 2016, 324; LG Duisburg v. 7.6.2013 – 2 O 334/12, NJW-RR 2014, 267 ff. = NZM 2014, 169 ff.; Köther, RNotZ 2021, 377, 387; Falkner, DNotZ 2023, 5, 6 und DNotI-Report 2017, 81 ff. 72 OLG Frankfurt v. 4.4.2011 – 20 W 75/08, MietRB 2011, 350 = ZWE 2011, 414. 73 BayObLG v. 8.5.1991 – BReg. 2 Z 33/91, BayObLGZ 1991, 165 = NJW-RR 1992, 81; BayObLG v. 27.4.1995 – 2Z BR 125/94, NJW-RR 1995, 908 = DNotZ 1996, 27 = MittBayNot 1995, 206; BayObLG v. 14.2.2001 – 2Z BR 3/01, BayObLGZ 2001, 25 = NJW-RR 2001, 801 = NZM 2001, 384 = MittBayNot 2001, 480 = ZfIR 2001, 564 = ZMR 2001, 562; OLG München v. 22.2.2006 – 34 Wx 133/05, MDR 2006, 1400 = MietRB 2006, 166 = NJW-RR 2006, 1022 = NZM 2006, 635 = ZMR 2006, 388; OLG Frankfurt v. 8.3.2016 – 6 U 23/15, ZMR 2017, 657; AG Bremen v. 18.2.2011 – 29 C 62/10, NJOZ 2011, 1233. Vgl. auch OLG München v. 5.10.2006 – 32 Wx 121/06, ZMR 2007, 69 und BGH Grziwotz | 71
§ 5 WEG Rz. 30 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums 30 Eine weitere Ausnahme wird von der Rechtsprechung dann gemacht, wenn die Anlagen und
Einrichtungen neben der Versorgung der Wohnungs- und Teileigentümer auch von außenstehenden Dritten genutzt werden. Beispiel ist die Heizungsanlage. Dient sie allein der Versorgung der Wohnungs- und Teileigentümer ist sie nach h.M. zwingendes Gemeinschaftseigentum.74 Nur das Gemeinschaftseigentum kann nach dieser Auffassung das Mitbenutzungsrecht gewährleisten; ferner soll die Annahme von Gemeinschaftseigentum einer Monopolisierung und Atomisierung der Nutzungsmöglichkeiten vorbeugen.75 Eine Ausnahme soll nach überwiegender Ansicht nur gelten, wenn die Heizungsanlage auch dazu bestimmt ist, über die Einheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft hinaus weitere Gebäude mit Heizwärme zu versorgen.76 Die Gegenansicht nimmt auch hier Gemeinschaftseigentum an und deutet Abs. 2 als Schutzvorschrift zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft, die auf Gewinnerzielung gerichteten Eigeninteressen einzelner Wohnungseigentümer entgegenstehen würde.77 Schwierigkeiten bereitet schließlich die Fallgestaltung, in der die Heizungsanlage nicht sämtliche Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, sondern nur einzelne versorgt. Die strengste Auffassung geht davon aus, dass eine Heizungsanlage auch dann Gemeinschaftseigentum ist, wenn sie nur eine Einheit versorgt.78 Nach einer weiteren Ansicht muss die Anlage zumindest zwei Einheiten versorgen, damit die Annahme von Gemeinschaftseigentum gerechtfertigt ist.79 Eine andere Ansicht geht davon aus, dass zwingend Gemeinschaftseigentum anzunehmen ist, wenn die Mehrheit der Einheiten durch die Anlage versorgt wird.80 Allerdings soll davon wiederum bei Mehrhausanlagen im Rahmen einer „Gesamtbetrachtung“ eine Ausnahme gelten.81 Eine davon abweichende Ansicht geht schließlich von der Sondereigentumsfähigkeit von Heizungsanlagen aus, wenn diese nur einem oder mehreren, nicht aber allen Wohnungseigentümern dient.82 Ähnliche Probleme ergeben sich bei einer Antennen- oder sonstigen Rundfunk- und Fernsehprogrammempfangsanlage. 31 Hinsichtlich der Versorgungsanlagen und -einrichtungen bestehen gegen die herrschende
Ansicht, die danach differenziert, ob lediglich Wohnungs- und Teileigentümer oder auch außenstehende Dritte versorgt werden, erhebliche dogmatische Bedenken. Die dingliche Ab-
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v. 11.6.2010 – V ZR 174/09, BGHZ 186, 34 = MDR 2010, 1043 = MietRB 2010, 267 = NJW 2010, 3296 = NZM 2010, 624 = ZfIR 2010, 684; Steiner/Steiner, NZM 2020, 578, 580; Bünnemann, ZWE 2022, 438, 439. BGH v. 2.2.1979 – V ZR 14/77, BGHZ 73, 302, 309 = MDR 1979, 656 = NJW 1979, 2391; KG v. 18.9.2002 – 24 W 89/01, NJOZ 2003, 72 = WuM 2002, 678 = ZMR 2003, 375; Pfälz. OLG v. 21.9.1983 – 2 U 31/83, ZMR 1984, 33; Schl.-Holst. OLG v. 6.3.2006 – 2 W 13/06, MittBayNot 2008, 45 = ZMR 2006, 886, 887; LG Koblenz v. 10.3.2014 – 2 S 49/13, ZWE 2015, 120, 121; LG München I v. 18.7.2016 – 1 T 7429/16, ZMR 2016, 908; Krafka in MünchKomm/BGB, § 5 WEG Rz. 24; Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 36; Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 44; Baer in Bärmann/ Pick § 5 WEG Rz. 12 H; Augustin in BGB/RGRK, § 5 WEG Rz. 30. Vgl. auch Schmid, ZMR 2008, 862 f. u. Suilmann in Grziwotz (Hrsg.), Notarielle Vertragsgestaltung im Immobilienrecht, 2014, S. 139, 147 ff. Vgl. auch Suilmann, ZWE 2014, 302 ff. zum Blockheizkraftwerk. So ausdrücklich Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 39 und ihm folgend Armbrüster in Bärmann, BGB, § 5 WEG Rz. 44. BGH v. 8.11.1974 – V ZR 120/73, NJW 1975, 688 und dem BGH folgend Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 37; ebenso Hügel in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, § 5 WEG Rz. 18. So Krafka in MünchKomm/BGB, § 5 WEG Rz. 24 und Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 47. So noch BayObLG v. 20.8.1998 – 2Z BR 44/98, NZM 1999, 28 = ZMR 1999, 50. So Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 40; Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 12 und Schmidt, ZMR 2000, 669, 670; vgl. Hans. OLG Hamburg v. 14.3.2003 – 2 Wx 2/00, ZMR 2003, 527, 528. Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 50. Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 51; vgl. Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 40. BayObLG v. 24.2.2000 – 2Z BR 155/99, NJW-RR 2000, 1032 = MittBayNot 2000, 558 = ZMR 2000, 622 = ZWE 2000, 213; LG Frankfurt/M v. 1.3.1989 – 2/9 T 1212/88, NJW-RR 1989, 1166 und Krafka in MünchKomm/BGB, § 5 WEG Rz. 25.
72 | Grziwotz
III. Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums | Rz. 32 § 5 WEG
grenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum hängt danach vom Kreis der Bezugsberechtigten, der sich stets ändern kann, ab. Dies gilt selbst dann, wenn man nicht auf die Bezugsberechtigung, sondern auf die diesbezügliche Zweckbestimmung abstellt. Auch dann würde die dingliche Zuordnung von der Zweckbestimmung abhängen und ein Wechsel vom Sonder- zum Gemeinschaftseigentum ohne die üblicherweise sachenrechtlichen Erfordernisse, nämlich Einigung und Eintragung, vonstatten gehen. Aber auch die Gegenansicht, die Gemeinschaftseigentum annimmt, dennoch bei Mehrhausanlagen wiederum eine sachenrechtlich nicht begründbare und vom eigenen Ausgangspunkt auch inkonsequente Unterausnahme machen will, kann nicht überzeugen. Insofern ist Weitnauer83 zuzustimmen, der die sachenrechtliche Zuordnung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht davon abhängig macht, ob außenstehende Dritte mitversorgt werden oder ausnahmsweise eine Mehrhausanlage mit getrennten Heizanlagen vorliegt. Es kann keinen Unterschied machen, ob sich die Heizungsanlage auf dem WEG-Grundstück in einem separaten Gebäude befindet oder aufgrund eines dinglichen Rechts errichtet und benutzt wird oder ob sich die Anlage zufällig im gemeinschaftlichen Gebäude befindet. Unstreitig kann aufgrund eines dinglichen Rechts zugunsten eines Dritten an der Anlage dessen Eigentum an ihr begründet werden, so dass entsprechend § 1 Abs. 5 auch kein gemeinschaftliches Eigentum entstehen kann. Handelt es sich bei dem Dritten um den Bauträger, so ist kaum einsichtig, wieso ein Unterschied bestehen soll, wenn er sämtliche Einheiten der Anlage veräußert hat und aufgrund des dinglichen Rechts hinsichtlich der Versorgungseinrichtung weiterhin nutzungsberechtigter Eigentümer ist oder wenn er als Teileigentümer die Einrichtung nutzt und in beiden Fällen die (übrigen) Wohnungs- und Teileigentümer mitversorgt. Es ist deshalb nicht nötig, dass die Heizungsanlage Scheinbestandteil wird.84 Auch die mitunter gemachten, mehr wirtschaftlichen als eigentumsrechtlichen Erwägungen („Schutzbedürfnis“, „Atomisierung“, „Monopolisierung“) haben keinen Einfluss auf die eigentumsrechtliche Lage, sondern müssen bei der Gestaltung der vereinbarten Gemeinschaftsordnung oder bei Sondernutzungsrechten Berücksichtigung finden. § 5 betrifft nur die eigentumsrechtliche Zuordnung, nicht wirtschaftliche Erwägungen. Es bestehen zusätzliche Bedenken hinsichtlich der Abgrenzung von Sonder- und Gemein- 32 schaftseigentum im Hinblick auf das Dienen für den gemeinschaftlichen Gebrauch gegenüber der herrschenden Meinung. Die Unterausnahme der Spitzböden (vgl. Rz. 29) zeigt, dass schlüssige Abgrenzungskriterien bisher nicht gefunden wurden.85 Allerdings ergibt sich aus Abs. 2 nicht die nahezu zum Dogma erhobene Notwendigkeit, dass gemeinschaftliche Räume nur über Gemeinschaftseigentum zugänglich sein müssen. Hinsichtlich des bestimmungsgemäßen Gebrauchs reicht es aus, dass eine Grunddienstbarkeit die Zugangsmöglichkeit für die übrigen Wohnungs- und Teileigentümer sichert.86 Dies zeigt sich am Beispiel des gemeinsamen Heizungskellers. Endet der Eingang an der Grundstücksgrenze zum Nachbargrundstück, so bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Zugang mittels einer Grunddienstbarkeit sichergestellt wird. Anders soll dies sein, wenn sich davor noch ein zwei Quadratmeter 83 Weitnauer, MittBayNot 1991, 144 und ihm folgend Briesemeister in Weitnauer, § 5 WEG Rz. 24. Vgl. auch BayObLG v. 24.2.2000 – 2Z BR 155/99, MittBayNot 2000, 558 = NJW-RR 2000, 1032 = NZM 2000, 516 = ZMR 2000, 622 = ZfIR 2000, 798 = ZWE 2000, 213; Then in Spielbauer/Then, § 5 WEG Rz. 4. 84 So aber noch Dickersbach, 1. Aufl., § 5 WEG Rz. 29, wobei beim Scheinbestandteil entgegen seiner Ansicht kein Sondereigentum, sondern eigenständiges Eigentum bestünde. 85 Krit. diesbezüglich auch Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 13. 86 Ähnlich LG Mönchengladbach v. 21.11.2001 – 5 T 158/01, Rpfleger 2002, 201 = ZMR 2002, 703; LG Duisburg v. 7.6.2013 – 2 O 334/12, NJW-RR 2014, 267; vgl. auch Saarl. OLG v. 15.4.1998 – 5 W 145/97-50, MittRhNotK 1998, 361 und Falkner, DNotZ 2023, 5 (Grunddienstbarkeit gilt als Gemeinschaftseigentum). Zulässig ist auch die Erreichbarkeit von Gemeinschaftseigentum von jeder Sondereigentumseinheit (LG Landau v. 25.6.1985 – 4 T 52/85, Rpfleger 1985, 437; LG Köln v. 25.5.1993 – 11 T 105/93, MittRhNotK 1993, 224). Grziwotz | 73
§ 5 WEG Rz. 32 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums großer Abstellraum einer angrenzenden Garage auf dem Wohnungseigentumsgrundstück befindet. Dieser muss nach der h.M. im Gemeinschaftseigentum stehen, ohne dass ersichtlich wird, welchen Grund dies hat, wenn die Zugangsmöglichkeit in anderer Weise sichergestellt ist und dadurch der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnungs- und Teileigentümer gewährleistet ist. Gleiches gilt für Sondereigentumsannexflächen, bei denen der Zugang nicht durch einen „Gemeinschaftseigentumskorridor“ gewahrt werden muss.87 Soll § 5 Abs. 2 für die Bildung von Sondereigentum eine absolute Grenze enthalten, die nicht durch Billigkeitserwägungen relativiert werden darf,88 so kann auch die wiederum von der h.M. gemachte Unterausnahme hinsichtlich des zwingenden Gemeinschaftseigentums von Räumen und Anlagen des gemeinschaftlichen Gebrauchs nicht aufrecht erhalten werden, wonach Sondereigentum gegeben sein kann, wenn der Raum auch noch anderen Zwecken dient. Maßgeblich soll danach sein, ob der Raum nach seiner Art, Lage und Beschaffenheit, insbesondere auch nach seiner Größe, objektiv geeignet ist, neben der Unterbringung der dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlage (z.B. Beheizungsanlage) noch andere, zumindest annähernd gleichwertige Nutzungszwecke zu erfüllen.89 Sollte diese Ansicht zutreffen, so bestünde Sondereigentum an einem Raum, wenn dieser neben der Heizung zu 51 % als Lagerraum benützt würde, in diesem Fall würde wohl eine Grunddienstbarkeit als Sicherung der Unterbringung und des Zugangs für die gemeinschaftliche Einrichtung ausreichen. Auch hier liegt wieder keine eindeutige eigentumsmäßige Abgrenzung vor. Gleiches gilt für die Zulässigkeit von Leitungen, die unstr. unter Sondereigentumsflächen liegen können,90 während dies für die „Durchquerung“ von Personen, z.B. zum Zählerablesen, nicht gelten soll. Stellt man auf die bestimmungsgemäße Nutzung ab, so kommt es allein darauf an, ob diese insgesamt sichergestellt ist. Ist dies der Fall, so bestehen gegen die Begründung von Sondereigentum und die Einräumung von Sondernutzungsrechten entgegen der h.M. auch bei Einrichtungen, die (auch) dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen, keine Bedenken, wenn dieser Gebrauch dinglich sichergestellt ist.
5. Gemeinschaftseigentum kraft Vereinbarung (Abs. 3) 33 Das Gesetz gestattet es den Wohnungseigentümern, Bestandteile des Gebäudes, die Gegen-
stand des Sondereigentums sein können, zum gemeinschaftlichen Eigentum zu erklären.91 Es handelt sich um eine Ausnahme zu Abs. 1, wonach die zu sondereigentumsfähigen Räumen gehörenden Bestandteile mit diesen Sondereigentum werden.92 Dies schließt es allerdings nicht aus, Abs. 3 in einem weiteren Umfang zu verstehen und auch die Räume insgesamt in den Anwendungsbereich einzubeziehen, so dass an sondereigentumsfähigen Räumen Gemeinschaftseigentum begründet werden kann.93 Abs. 1 geht davon aus, dass an Räumen in abgeschlossenen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten Sondereigentum besteht.
87 So aber Hügel/Elzer, § 5 Rz. 35; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1689; Falkner, DNotZ 2023, 5, 9. Zum Zugang zu Leitungen in diesen Flächen s. Falkner, DNotZ 2023, 5, 6. 88 So Schl.-Holst. OLG v. 6.3.2006 – 2 W 13/06, MittBayNot 2008, 45 = NJOZ 2006, 2586 = ZMR 2006, 886. 89 So Schl.-Holst. OLG v. 6.3.2006 – 2 W 13/06, MittBayNot 2008, 45 = NJOZ 2006, 2586 = ZMR 2006, 886 und OLG Dresden v. 29.3.2017 – 17 W 233/17, NotBZ 2017, 227 = FGPrax 2017, 151 = NZM 2017, 701 = NJW-RR 2017, 1225 = ZWE 2017, 306. 90 S. nur Krafka in MünchKomm/BGB, § 5 Rz. 28 a. E.; Müller, ZWE 2020, 445, 448; Wobst, MittBayNot 2021, 1, 3; Falkner, DNotZ 2023, 5, 6; Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht, Rz. 278; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 172; krit. Wilsch, FGPrax 2020, 1, 5. 91 Nicht umgekehrt, s. nur Emmerich, ZWE 2017, 161, 164. 92 Ebenso Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 45. 93 Ebenso Augustin in BGB/RGRK, § 5 WEG Rz. 33; Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 14; a.A. Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 45; Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 56; Vandenhouten
74 | Grziwotz
IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 35 § 5 WEG
Abs. 3 zeigt, dass hiervon eine Ausnahme gemacht werden kann. Geht man davon aus, dass Räume in der Wohnungs- und Teileigentumseinheit Gemeinschaftseigentum sein können, wie das oben erwähnte Beispiel der Spitzböden zeigt (vgl. Rz. 29), so kann nicht davon gesprochen werden, dass Abs. 3 nur für Bestandteile des Sondereigentums Bedeutung hat. Die Möglichkeit, Bestandteile des Sondereigentums durch Vereinbarung zum Gemein- 34 schaftseigentum zu erklären, bedeutet allerdings nicht, dass hierfür eine Vereinbarung iSv Abs. 4 Satz 1 ausreichend wäre. Diesbezügliche Vereinbarungen betreffen nur den Inhalt des Sondereigentums, nicht die dingliche Zuordnung, also den Gegenstand des Sondereigentums. Erforderlich ist deshalb die Beachtung der Form des § 4, nämlich die in Abs. 3 als „Vereinbarung“ bezeichnete Einigung in Auflassungsform und die Eintragung. In der Praxis ist die Erklärung, dass sondereigentumsfähige Bestandteile der Räume Gemeinschaftseigentum sein sollen, äußerst selten. Praktisch relevant wird dies ausnahmsweise vor allem bei Nebenräumen des Sondereigentums, wie beim Hobbyraum, und ihrer Überführung in Gemeinschaftseigentum.
IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) 1. Gemeinschaftsordnung als Inhalt des Sondereigentums (Satz 1) Sondereigentum ist echtes Eigentum, dessen Inhalt allerdings – ebenso wie beim Erbbau- 35 recht – mit dinglicher Wirkung ausgestaltet werden kann. Das Sondereigentum beschränkt sich somit nicht auf die in Abschnitt 2 genannten Räume und Grundstücksteile sowie die jeweils dazugehörigen Bestandteile, sondern schließt weitere Regeln der Gemeinschaft mit ein, die durch ihre Verdinglichung auch gegenüber Dritten, insbesondere Sonderrechtsnachfolgern der Wohnungs- und Teileigentümer, wirken.94 Unter Abweichung vom Belastungssystem des § 1010 BGB werden Gemeinschaftsregeln verdinglicht und damit zum Inhalt des Sondereigentums.95 Allerdings beschränkt sich die Möglichkeit der vereinbarungsmäßigen Ausgestaltung des Sondereigentums auf Regelungen zu Vorschriften, die zum 4. Abschnitt gehören, der sich mit dem Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§§ 10 ff.), und der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§§ 18 ff.) befasst. Andere Vereinbarungen und Beschlüsse aufgrund einer solchen Vereinbarung können nicht zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden.96 Damit werden aber nahezu alle Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes umfasst bis auf diejenigen, die die Begründung des Wohnungseigentums, das Wohnungserbbaurecht, das Dauerwohnrecht und die Verfahrensvorschriften regeln. Vereinbarungen i.S.v. Abs. 4 Satz 1 können deshalb nicht die sachenrechtliche Zuordnung zum Sonder- und Gemeinschaftseigentum verändern. Deshalb ist eine Ermächtigung für den aufteilenden Bauträger, Gemeinschaftseigentum umzuwandeln, als Inhalt des Sondereigentums nicht möglich.97
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in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 5 WEG Rz. 39 und Dickersbach, 1. Aufl., § 5 WEG Rz. 62. S. nur Ertl, DNotZ 1988, 4 ff.; Röll, Rpfleger 1980, 90 f.; Lehmann-Richter/Wobst, ZWE 2020, 123, 125. BGH v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145 = MDR 1979, 299 = MittBayNot 1978, 206 = NJW 1979, 548; OLG München v. 11.10.2016 – 32 Wx 374/16; LG Frankfurt/M v. 27.9.2018 – 2-13 S 138-17, ZWE 2019, 178 und Lüke in Weitnauer, § 5 WEG Rz. 34. Zutr. Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 56. BayObLG v. 24.7.1997 – 2Z BR 49/97, BayObLGZ 1997, 233 = DNotZ 1998, 379 = Rpfleger 1998, 19 = MittBayNot 1998, 99 = WuM 1997, 512; v. 5.1.2000 – 2Z BR 163/99, BayObLGZ 2000, 1 = DNotZ 2000, 466 = NJW-RR 2000, 824 = NZM 2000, 668 = WuM 2001, 87 = ZfIR 2000, 718 = ZMR 2000, 316 = ZWE 2000, 182; OLG München v. 3.4.2007 – 32 Wx 33/07, MietRB 2007, 175 = DNotZ 2007, 946 = ZfIR 2008, 115; anders früher Rapp, MittBayNot 1998, 77 ff. Grziwotz | 75
§ 5 WEG Rz. 36 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums 36 Die Gemeinschaftsregeln haben prinzipiell schuldrechtlichen Charakter. Hierbei verbleibt
es, wenn sie nicht zum Inhalt des Sondereigentums gemacht, also in das Grundbuch eingetragen werden (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1).98 Aber auch wenn der Vereinbarung eine dingliche Wirkung erst mit Eintragung im Grundbuch zukommt, gelten für sie bereits vorher bestimmte sachenrechtliche Bestimmungen: So ist für die Rechtsübertragung § 873 Abs. 1 BGB zu beachten.99 Eine Bindung unter den Wohnungs- und Teileigentümern kann aufgrund der Anwendung der §§ 873 Abs. 2, 875 BGB bereits vor Grundbucheintragung vorliegen.100 Da die Vereinbarungen Inhalt des Sondereigentums werden, ist § 925 BGB anwendbar. Bei Grundbuchunrichtigkeit ist nach § 894 BGB vorzugehen. Bedenken bestehen hinsichtlich der Anwendung der §§ 891, 892 BGB; sie sollen wegen der überwiegenden Registerfunktion des Grundbuchs hinsichtlich der Verdinglichung von Vereinbarungen ausscheiden.101 Eine isolierte Belastung der verdinglichten Gemeinschaftsrechte ist nicht möglich.102 Bei der Verdinglichung der Vereinbarungen handelt es sich um keine Belastung des jeweiligen Wohnungs- und Teileigentums, sondern um eine Gestaltung des Inhalts des Eigentums. Entsprechenden Vereinbarungen kommt deshalb kein Rang zu. 36a Auch durch Beschlüsse aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel kann das Verhältnis
der Wohnungs- und Teileigentümer untereinander, aber auch gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Ergänzung und Abänderung der WEG-Vorschriften geregelt werden.103 Für sie ist, um gegenüber Rechtsnachfolgern zu wirken, ebenfalls eine Eintragung als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch erforderlich (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG).104 Hinsichtlich der Eintragungserfordernisse gilt § 7 Abs. 2 WEG.105 Unterbleibt die Eintragung, wird der Beschluss nicht Inhalt des Sondereigentums und entfaltet nur Wirkung zwischen den beschlussmäßig betroffenen Wohnungs- und Teileigentümern, nicht jedoch gegenüber Rechtsnachfolgern.106 Anders ist dies, wenn die vereinbarte Öffnungsklausel lediglich eine gesetzliche wiederholt; dann besteht keine Eintragungsmöglichkeit, der Beschluss wirkt aber ohne Eintragung gegenüber Rechtsnachfolgern.107 Auch „Alt-Beschlüsse“, die vor dem 1.12.2020 aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel gefasst wurden, müssen bis zum 31.12.2025 in das Grundbuch eingetragen werden, andernfalls wirken sie nicht gegenüber späteren Sonderrechtsnachfolgern (§ 48 Abs. 1 WEG).
98 KG v. 17.1.2001 – 24 W 2065/00, NZM 2002, 252 = WuM 2001, 352 = ZMR 2001, 656 = ZWE 2001, 275. Vgl. Elzer, NZM 2016, 529 ff. Zur Prüfungsbefugnis und zum Prüfungsmaßstab des Grundbuchamtes s. KG v. 20.9.2016 – 1 W 93/16, NotBZ 2017, 338 = ZWE 2017, 403 und KG v. 16.1.2018 – 1 W 204/17, MDR 2018, 400 = FGPrax 2018, 3 = RNotZ 2018, 174 = ZfIR 2018, 237. 99 So wohl auch BGH v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145 = MDR 1979, 299 = NJW 1979, 548; a.A. Ertl, DNotZ 1979, 267, 277 f. 100 Vgl. Tasche, DNotZ 1973, 453, 454 f. 101 So Ertl, DNotZ 1979, 268 ff. 102 BayObLG v. 24.10.1974 – 2 Z 51/74, BayObLGZ 1974, 396 = NJW 1975, 59 und OLG Karlsruhe v. 28.4.1975 – 11 W 7/75, Rpfleger 1975, 356. 103 Zu den Grenzen von Beschlüssen, die aufgrund einer Öffnungsklausel gefasst werden, s. BGH v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, BGHZ 221, 373 = MDR 2019, 657 = DNotZ 2019, 933 = NJW 2019, 2083 = NotBZ 2019, 430 = NZM 2019, 476 = ZWE 2019, 415 und ausführlich § 10 Rz. 28 ff. 104 Zur bisherigen Nichteintragungsfähigkeit von derartigen Beschlüssen s. OLG München v. 13.11.2009 – 34 Wx 100/09, MDR 2010, 102 = MietRB 2010, 14. Keine Eintragung ist für Beschlüsse erforderlich und zulässig, die aufgrund einer gesetzlichen Öffnungsklausel (vgl. §§ 12 Abs. 4 Satz 1, 16 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 5 Satz 1 und 28 Abs. 3) gefasst werden; vgl. auch Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 8; Blankenstein, WEG-Reform 2020, S. 109 f.; abw. Schneider in Skauradszun/ Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 3 Rz. 53. 105 Zur Eintragung s. nur Schneider, ZfIR 2020, 822, 824 f. 106 Abw. Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 8: „keine Wirkung“. 107 Vgl. Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 8.
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IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 39 § 5 WEG
Zu einer Vereinbarung ist die Zustimmung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentümer er- 37 forderlich (§ 10 Abs. 1 Satz 2).108 Da es sich um die Inhaltsbestimmung hinsichtlich des Sondereigentums handelt, gilt § 4 Abs. 1, der die Änderungen zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum betrifft, nicht. Der Vereinbarung sämtlicher Eigentümer stehen die vom aufteilenden Eigentümer getroffenen Bestimmungen, die ebenso zum dinglichen Inhalt des Sondereigentums werden, gleich.109 Bei Beteiligung Minderjähriger bzw. unter Betreuung stehender Personen ist die Genehmigung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts erforderlich (§§ 1850 Nr. 1 BGB), wenn eine verdinglichte Vereinbarung geändert wird.110 Die „Verdinglichung“ betrifft Vereinbarungen unterschiedlichen Inhalts hinsichtlich der 38 im Gesetz genannten Bereiche.111 Sie wird regelmäßig als „Gemeinschaftsordnung“ bezeichnet und enthält somit die körperschaftliche Verfassung des verdinglichten Mitgliedschaftsrechtes.112 Anders als bei einer Miteigentümervereinbarung wird das Mitgliedschaftsrecht gleichsam verdinglicht und nicht lediglich als Belastung des Eigentums geregelt. Häufige Inhalte sind die Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens, die Bestimmung der Rechte und Pflichten des Verwalters,113 die Festlegung einer Nutzungsart im Innenverhältnis (§§ 9b Abs. 1 Satz 3, 27 Abs. 2), Gebrauchsregelungen einschließlich Sondernutzungsrechte, die Erbringung von (zulässigen) Dienstleistungen114 und Stimmrechtsregelungen. Das Gesetz ermöglicht es den Wohnungs- und Teileigentümern, den dinglichen Inhalt des 39 Sondereigentums durch Vereinbarungen und durch Beschlüsse aufgrund einer Öffnungsklausel zu bestimmen. Allerdings ist dies nicht notwendig.115 Die Eigentümer können sich auf die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum beschränken, ohne Vereinbarungen hinsichtlich der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und zur Verwaltung zu treffen;
108 S. nur LG Wuppertal v. 19.12.1985 – 6 T 858/85, NJW-RR 1986, 1074. Zur Abgrenzung von einem allstimmigen Beschluss s. LG München I v. 23.1.2014 – 36 S 5934/13, MietRB 2014, 241 = ZWE 2015, 128. 109 Vgl. nur BayObLG v. 20.3.2002 – 2 Z BR 84/01, NZM 2002, 609 = ZMR 2002, 607 = ZfIR 2002, 554 = ZWE 2002, 357. 110 OLG Hamm v. 12.11.2015 – 15 W 290/15, FamRZ 2016, 727 = FGPrax 2018, 81 = MittBayNot 2016, 239 = Rpfleger 2016, 290 = ZWE 2016, 131 zu § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. 111 Nicht jedoch Vorkaufsrechte (vgl. OLG Celle v. 7.4.1955 – 4 Wx 1/55, NJW 1955, 953). Zur Streitfrage, ob die Benutzung eines Nachbargrundstücks Inhalt der Vereinbarung sein kann, s. BayObLG v. 10.5.1990 – BReg. 2 Z 33/90, NJW-RR 1990, 1043; OLG Hamm v. 5.12.1996 – 15 W 390/96, DNotZ 1997, 972 = NJW-RR 1997, 522 = MittRhNotK 1997, 140 = ZfIR 1997, 303 = ZMR 1997, 150 und LG Kassel v. 3.9.2002 – 3 T 359, 365/02, MittBayNot 2003, 222 = RNotZ 2003, 253. Offen, aber wohl zu verneinen, ist die Frage der Zulässigkeit von Vereinbarungen zu Gunsten Dritter (BGH v. 3.7.2008 – V ZR 20/07, NZM 2008, 732). 112 Ähnlich Bärmann/Pick, 19. Aufl. 2010, § 5 WEG Rz. 125. 113 S. nur BGH v. 25.10.2019 – V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 = MDR 2020, 84 = NJW 2020, 921 = NZM 2020, 107 = NotBZ 2020, 390 = ZfIR 2020, 314 = ZWE 2020, 144; OLG München v. 22.12.2016 – 34 Wx 306/16, MDR 2017, 328 = FGPrax 2017, 17, NZM 2017, 611 = NJW-RR 2017, 845 = ZWE 2017, 126; LG München I v. 20.4.2020 – 1 S 17319/19, ZMR 2020, 1042. Zu Pflegeeinrichtungen s. Burgmair, ZWE 2020, 313, 315. 114 Vgl. KG v. 17.12.2001 – 24 W 55/01, NZM 2002, 123 = ZfIR 2002, 559 = ZMR 2002, 300 = ZWE 2002, 273; OLG München v. 11.11.2016 – 34 Wx 264/16, MittBayNot 2017, 238 = NJW-RR 2017, 7 = NZM 2017, 45 = ZMR 2017, 177 = ZWE 2017, 127. Zu Instandhaltungs- und Instandsetzungssowie Kostentragungspflichten s. BGH v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, MDR 2017, 567 = NJW 2017, 1167 = NZM 2017, 602 = WuM 2017, 168 = ZfIR 2017, 242 = ZMR 2017, 256 = ZWE 2017, 180; BGH v. 4.5.2018 – V ZR 163/17, MDR 2018, 986 = NJW-RR 2018, 1419 = NotBZ 2018, 459 = NZM 2018, 953 = WuM 2018, 529 = ZMR 2018, 833 = ZWE 2018, 359 und AG Berlin-Spandau v. 7.11.2017 – 70 C 55/17, ZMR 2018, 638. 115 Vgl. LG Koblenz v. 31.3.1998 – 2 T 107/98, NZM 1998, 676 = MittBayNot 1998, 348 = MittRhNotK 1998, 134. Grziwotz | 77
§ 5 WEG Rz. 39 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums dann ist auch keine vereinbarungsersetzende Beschlussfassung möglich. In diesem Fall gelten die gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungseigentumsrechts.116
2. Zustimmung dinglich Berechtigter zu Vereinbarungen (Satz 2) 40 Zur Wirksamkeit einer Vereinbarung, die im Grundbuch eingetragen werden soll, ist sachen-
rechtlich grundsätzlich die Zustimmung der an den betroffenen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten dinglich Berechtigten erforderlich (§§ 876, 877 BGB).117 Eine Ausnahme besteht bereits nach allgemeinen grundbuchrechtlichen Grundsätzen dann, wenn jede rechtliche Beeinträchtigung des am einzelnen Wohnungs- und Teileigentum eingetragenen dinglich Berechtigten ausgeschlossen ist.118 Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung, die zur Bejahung des Zustimmungserfordernisses ausreicht, ist allerdings danach nicht nur bei Grundpfandrechten und Reallasten, sondern auch bei Dienstbarkeiten und Nießbrauchsrechten, Dauerwohn- und Dauernutzungsrechten, Vormerkungsberechtigten, aber auch bei Vorkaufsberechtigten denkbar.119 Ist die Vereinbarung, die Inhalt des Sondereigentums werden soll, auf eine Einschränkung des Mitgebrauchs des Gemeinschaftseigentums gerichtet, ist nach diesen allgemeinen Regeln eine rechtliche Beeinträchtigung selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn das mit dem Recht des Dritten belastete Wohnungs- und Teileigentum seinerseits begünstigt wird und sich die Vereinbarung somit im Ergebnis sogar wertsteigernd auswirkt (z.B. Zuteilung von Kfz-Stellplätzen an alle Wohnungs- und Teileigentumseinheiten). Diese Rechtslage galt für sämtliche Vereinbarungen bis zur WEG-Novelle 2007. Keine Zustimmung war danach lediglich zu einer Vereinbarung erforderlich, die auf gund einer „Öffnungsklausel“ getroffen wurde, wonach über Angelegenheiten, die eigentlich durch Vereinbarung entschieden werden müssen, mehrheitlich ein Beschluss gefasst werden kann (vgl. § 10 Rz. 27 ff. u. § 23 Rz. 9). Öffnungsklauseln bedürfen nicht der Zustimmung Drittberechtigter, da es sich nur um eine Verfahrensregelung handelt.120 Das Erfordernis der Zustimmung Drittberechtigter wurde deshalb auf die aufgrund der Öffnungsklausel gefassten Beschlüsse bezogen, ist aber nicht unumstritten.121 Aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 4 Satz 2 sind auch bei vereinbarten Öffnungsklauseln hinsichtlich der Grundpfandgläubiger und Reallastberechtigten nur noch Sondernutzungsrechte Gegenstand eines Zustimmungserforder-
116 Vgl. BGH v. 22.4.1999 – V ZB 28/98, BGHZ 141, 224 = MDR 1999, 924 = BauR 1999, 1032 = NJW 1999, 2108 = NZM 1999, 562 = ZfIR 1999, 528 = ZMR 1999, 647 = ZWE 2000, 23; BGH v. 17.4.2002 – IV ZR 226/00, DNotZ 2003, 56 = MDR 2002, 1012 = NJW 2002, 2712 = NZM 2002, 663 = ZfIR 2002, 826 = ZMR 2002, 762 = ZWE 2002, 461. 117 BGH v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343 = MDR 1984, 830 = DNotZ 1984, 695 = MittBayNot 1984, 129 = NJW 1984, 2409; BayObLG v. 9.4.2002 – 2Z BR 30/02, BayObLGZ 2002, 107 = MittBayNot 2002, 397 = NJW-RR 2002, 1526 = NZM 2002, 488 = RNotZ 2003, 46 = ZfIR 2002, 465 = ZMR 2002, 773; a.A. Ertl, DNotZ 1979, 267, 283. 118 BGH v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343 = MDR 1984, 830 = DNotZ 1984, 695 = MittBayNot 1984, 129 = NJW 1984, 2409. 119 Vgl. nur BayObLG v. 15.10.1998 – 2Z BR 42/98, BayObLGZ 1998, 255 = DNotZ 1999, 667 = NZM 1999, 126 = ZfIR 1999, 40 = ZMR 1999, 115; BayObLG v. 9.4.2002 – 2Z BR 30/02, BayObLGZ 2002, 107 = MittBayNot 2002, 397 = NJW-RR 2002, 1526 = NZM 2002, 488 = RNotZ 2003, 46 = ZfIR 2002, 465 = ZMR 2002, 773. Vgl. auch Tank in SWK-WEG, Sondereigentum Rz. 31. 120 Ebenso Wenzel, ZWE 2004, 130, 131 und Hügel, ZWE 2002, 503, 505; a.A. Becker, ZWE 2002, 341, 345. 121 Vgl. nur Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 23 und Vandenhouten in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, § 5 WEG Rz. 61.
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IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 41 § 5 WEG
nisses, im Übrigen sind lediglich dinglich Berechtigte, die nicht Grundpfandgläubiger oder Reallastberechtigte sind, betroffen.122 Abs. 4 Satz 2 differenziert seit der WEG-Novelle 2007 hinsichtlich der Zustimmungsbedürf- 41 tigkeit zu einer Vereinbarung nach Abs. 4 Satz 1. Die Unterscheidung erfolgt nach der Art der eingetragenen Rechte: – Die Zustimmung von Hypotheken-, Grund- und Rentenschuldgläubigern sowie Reallastberechtigten ist grundsätzlich nicht erforderlich.123 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn Sondernutzungsrechte begründet, aufgehoben, geändert oder übertragen werden.124 Von dieser Ausnahme bestand bis zum Inkrafttreten der WEMoG eine Unterausnahme (Satz 3 a.F.), wenn bei einer Vereinbarung von Sondernutzungsrechten gleichzeitig zugunsten des mit dem Drittrecht belasteten Wohnungs- oder Teileigentums ein Sondernutzungsrecht begründet wurde. In diesem Fall wurde die fehlende rechtliche Beeinträchtigung vom Gesetzgeber gleichsam fingiert.125 Allerdings stellte der Gesetzgeber nicht darauf ab, dass ein gleichartiges Sondernutzungsrecht übertragen werden musste. Nur wenn dieses Erfordernis vorlag, schied eine rechtliche Beeinträchtigung aus, wenn beispielsweise zugunsten sämtlicher Wohnungs- und Teileigentumseinheiten Sondernutzungsrechte an Pkw-Stellplätzen oder Kellerräumen nachträglich zugeordnet wurden. Da nach dem bis zum 1.12.2020 geltenden Gesetzeswortlaut nicht auf eine Gleichartigkeit abgestellt wurde,126 kam es nur auf die gleichzeitige Begründung von Sondernutzungsrechten an. Deshalb konnten werthaltige und wertlose Sondernutzungsrechte zugewiesen werden („Sondernutzungsrecht an der Klingel“), um das Zustimmungserfordernis auszuschließen.127 Eine teleologische Reduktion der Vorschrift wurde überwiegend abgelehnt.128 Es blieben somit nur Schadensersatzansprüche der betroffenen Drittberechtigten, wenn eine Änderung in Beeinträchtigungsabsicht erfolgte. In den Fällen einer „Benachteiligungsänderung zur Verhinderung einer Versteigerung“ sind Schadensersatzansprüche allerdings kaum realisierbar. Teilweise wurde überlegt, eine Dienstbarkeit für den Grundpfandrechtsgläubiger oder Reallastberechtigten einzuräumen, die nur mit dessen Zustimmung geändert werden könnte. Allerdings war diese Lösung komplizierter als die frühere der Zustimmungsbedürftigkeit nach den §§ 876, 877 BGB. Eine Ergänzung der Vorschrift, wonach eine Beeinträchtigung nur bei wirtschaftlich gleichwertigen Sondernutzungsrechten ausscheidet, bringt mangels Überprüfbarkeit im Grundbuchverfahren keine Erleichterung; deshalb wurde Satz 3 a.F. ersatzlos gestrichen.129 Die Streichung soll allerdings nicht 122 Keine Zustimmung ist zu beschlüssen aufgrund einer gesetzlichen Öffnungsklausel, die auch nicht im Grundbuch eingetragen werden können, erforderlich (Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 3, 10 und Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 23). 123 Vgl. auch KG v. 29.11.2010 – 1 W 325/10, MDR 2011, 414 = MietRB 2011, 79. 124 Zur (verneinten) Analogiefähigkeit dieser Vorschrift OLG Düsseldorf v. 17.12.2009 – 3 Wx 225/ 09, RNotZ 2010, 198, 200. 125 Saarl. OLG v. 10.5.2010 – 5 W 94/10-37, 5 W 95/10-38, 5 W 96/10-39, MietRB 2011, 216 = NJWRR 2011, 519. 126 Krit. Demharter, NZM 2006, 489, 490; Hügel/Elzer, § 5 Rz. 76 und Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 27. Vgl. auch Dressler-Berlin, Rpfleger 2021, 193, 196. 127 OLG München v. 1.2.2013 – 34 Wx 453/12, MietRB 2013, 148 = FGPrax 2013, 109 = NotBZ 2013, 274 (Sondernutzungsrecht an Tankraum und an Teil des Heizraums). Bei der Aufhebung und Neubegründung sowie bei einer Änderung besteht dagegen die Zustimmungsbedürftigkeit; vgl. OLG München v. 19.5.2009 – 34 Wx 36/09, MietRB 2009, 233 = Rpfleger 2009, 562 = MittBayNot 2009, 372 = RNotZ 2009, 541 = ZMR 2009, 870; OLG Köln v. 7.2.2018 – I – 2 Wx 5/18, 10-29/18, MietRB 2018, 368 = NZM 2019, 97 = Rpfleger 2018, 446 = ZfIR 2018, 622 = ZWE 2018, 317; OLG München v. 10.3.2014 – 34 Wx 512/13, NotBZ 2014, 309 = Rpfleger 2014, 494 = ZWE 2014, 265, 266. 128 Ebenso Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 74 und Baer in Bärmann/Pick, § 5 WEG Rz. 15; teilw. abw. Abramenko, Das neue WEG, 2007, § 1 Rz. 14. 129 BT-Drucks. 19/18791, 41. S. nur Falkner, ZWE 2021, 149, 153. Grziwotz | 79
§ 5 WEG Rz. 41 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums dazu führen, dass Vereinbarungen, zu denen die bis 1.12.2020 erforderlichen Zustimmungen vorlagen, nunmehr nicht mehr vollzogen werden können. Lagen sämtliche erforderlichen Zustimmungen zum Inkrafttreten des WEMoG vor, bleibt die Regelung wirksam, auch wenn nach dem reformierten Recht zusätzliche Zustimmungen erforderlich sind. Maßgeblich ist somit das materiell-rechtliche Wirksamwerden der Bestimmungen, nicht ihr Vollzug im Grundbuch.130 Eine zeitliche Grenze existiert nicht. – Hinsichtlich der übrigen Drittberechtigten, also insbesondere Dienstbarkeits-, Nießbrauchs-, Dauerwohn-, Dauernutzungs-, Vorkaufs- und Vormerkungsberechtigten131, bleibt es beim Zustimmungserfordernis, wenn eine rechtliche Beeinträchtigung nicht von vornherein ausscheidet. Insofern gelten die allgemeinen sachenrechtlichen Vorschriften (vgl. Rz. 40). 42 Die gesetzliche Regelung enthält eine Ausnahme von den §§ 876, 877 BGB, deren unbe-
schränkte Anwendung nach Meinung des Gesetzgebers zu einer Überdehnung des Schutzes der dinglich Berechtigten führen würde.132 43 Der Zustimmung der Gläubiger von Verwertungsrechten am betroffenen Wohnungs- und
Teileigentum bedarf es nach der gesetzlichen Regelung nur noch bei der „punktuellen“ Verfügung über Sondernutzungsrechte. Vereinbarungen, die keine Sondernutzungsrechte betreffen, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit und zur Eintragung im Grundbuch nicht der Zustimmung der Berechtigten von Grundpfandrechten und Reallasten. Diese gesetzliche Anordnung ist unabhängig davon, ob tatsächlich eine rechtliche Beeinträchtigung gegeben sein kann. So bedarf die Nutzungsänderung (z.B. Luxuswohnung in Sozialwohnung, allgemeine Wohnnutzung in eingeschränkte Nutzung, z.B. als Studentenappartements), obwohl sowohl eine rechtliche als auch wirtschaftliche Beeinträchtigung vorliegt, keiner Zustimmung der Drittberechtigten.133 Das diesbezügliche Zustimmungserfordernis kann auch, um die Beleihbarkeit eines Objektes sicherzustellen, nicht durch Vereinbarung eingeführt werden.134 Eine Zustimmung der Verwertungsgläubiger ist nur bei der Verfügung über Sondernutzungsrechte erforderlich. Werden diese begründet, geändert oder aufgehoben, so ist damit jeweils auch eine Beeinträchtigung des Sondereigentums der belasteten Wohnungs- oder Teileigentumseinheit möglich. Gleiches gilt, wenn die Vereinbarung dazu führt, dass das Sondernutzungsrecht ohne das bisher berechtigte Wohnungs- und Teileigentum, das mit Rechten Dritter belastet ist, übertragen wird.135
44 Für die übrigen Drittberechtigten ist im Gesetz keine Ausnahme enthalten. Insofern besteht
für sie das Zustimmungserfordernis (§§ 876, 877 BGB), sofern die Möglichkeit der rechtlichen Beeinträchtigung durch eine Vereinbarung gegeben ist. Dies dürfte in den meisten Fällen der Fall sein, sodass ihre Zustimmung weiterhin erforderlich ist. Dienstbarkeiten, Nießbrauchsrechte, Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte sowie Vorkaufsrechte sind jedenfalls dann rechtlich beeinträchtigt, wenn sie sich auch auf das Sondereigentum beziehen, was überwiegend gegeben ist. Die Wertung des Gesetzgebers, dass diese Rechte ohnehin nicht zahlreich wären und eine Rechtsbeeinträchtigung regelmäßig ausscheide,136 ist unzutreffend. Gleichwohl kann die gesetzgeberische Fehlentscheidung nicht durch eine analoge Anwendung von 130 Vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1803; Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1, 11; von Türckheim, notar 2021, 1, 6; Dressler-Berlin, Rpfleger 2021, 193, 196. 131 Zu dinglichen Vorkaufsrechten s. aber BGH v. 15.6.2023. V ZB 5/22.. 132 Vgl. BT-Drucks. 16/887, 14 f.; ähnlich bereits Armbrüster, DNotZ 2003, 493, 507 und Stiller, ZWE 2005, 3, 4. 133 Teilw. vom Gesetzgeber verkannt; vgl. BT-Drucks. 16/887, 15, wonach es sich um praktisch bedeutungslose Fälle handeln soll. 134 Ähnlich Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 27. 135 Ebenso Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 27. 136 BT-Drucks. 16/887, 16.
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IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 46 § 5 WEG
Abs. 4 Satz 2 korrigiert werden. Dies würde dazu führen, dass eine ebenfalls auf unzutreffenden Prämissen beruhende gesetzgeberische Fiktion im Wege der Analogie nochmals erweitert würde. Diese Situation gilt entsprechend auch für Vormerkungen.137 Auch diese werden sich überwiegend entweder auf die Verschaffung von Sondereigentum richten oder auf Rechte, die auch Sondereigentum betreffen. Lediglich wenn Vormerkungen auf Bestellung oder Löschung von Grundpfandrechten und Reallasten gerichtet sind, kann Abs. 4 Satz 2 angewandt werden, da der schuldrechtliche Anspruch auf Bestellung eines dinglichen Rechts nicht weitergehend geschützt sein kann als das dingliche Recht selbst. In sämtlichen Fällen, in denen nicht bereits Abs. 4 Satz 2 die Fiktion der fehlenden Beein- 45 trächtigung enthält, ist zu prüfen, ob durch eine Vereinbarung i.S.v. Satz 1 eine rechtliche Beeinträchtigung eintritt. Eine Beeinträchtigung liegt nur vor, wenn die Rechtsstellung des Drittberechtigten durch die Vereinbarung rechtlich, dh. nicht nur wirtschaftlich, unmittelbar oder mittelbar nachteilig berührt werden kann.138 Eine rechtliche Betroffenheit scheidet aus, wenn lediglich wirtschaftliche Nachteile vorliegen. Allerdings fällt die Abgrenzung schwer. Bei den hierfür angeführten Beispielen der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels und der Gestattung der Errichtung einer Garage oder eines Carports auf einem Stellplatzsondernutzungsrecht ist bereits höchst fraglich, ob wirklich keine rechtliche Beeinträchtigung vorliegt. Die Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels betrifft beispielsweise den Nießbrauchsberechtigten rechtlich nachteilig.139 Die Errichtung einer Garage oder eines Carports auf einem bisher nur als Stellplatz genutzten Teil des gemeinschaftlichen Grundstücks beeinträchtigt beispielsweise einen Dienstbarkeitsberechtigten, dem am betroffenen Grundstücksteil ein „Mistwegerecht“ zusteht, aber nach der Wertung des Gesetzgebers wohl auch einen Grundpfandrechtsgläubiger einer nicht begünstigten Wohnungs- und Teileigentumseinheit. Eine lediglich wirtschaftliche Beeinträchtigung wird deshalb in den seltensten Fällen bei einer Vereinbarung, die das Sondereigentum ausgestaltet, vorliegen. Beispiel ist ein Geh- und Fahrtrecht oder ein Leitungsrecht, das durch eine Nutzungsänderung von Appartements (z.B. Studentenwohnheim in Betreutes Wohnen) nicht betroffen wird. Auch Verwaltungsregeln wirken sich auf das Recht von Dienstbarkeitsberechtigten, deren Rechte am Grundstück lasten, regelmäßig nicht aus.140 Anders ist dies, wenn Dienstbarkeiten ein Sondereigentum betreffen (z.B. Wohnungsrecht) und beispielsweise durch eine Änderung der Nutzungsbefugnis das Wohnungsrecht nicht mehr ausgeübt werden könnte. Zusätzlich muss geprüft werden, ob durch die rechtliche Betroffenheit ein Nachteil eintritt. 46 Wird der Drittberechtigte durch eine Änderung rechtlich begünstigt, besteht das Zustimmungserfordernis nicht. Allerdings darf auch hier die rechtliche Begünstigung nicht mit der wirtschaftlichen verwechselt werden. Deshalb ist bei der Zuordnung von Sondernutzungsrechten trotz eines möglichen wirtschaftlichen Vorteils die Zustimmung von Grundpfandrechtsgläubigern als Drittberechtigten erforderlich. Ein rechtlicher Nachteil scheidet beispielsweise aus, wenn in einem vom Ausübungsbereich einer Dienstbarkeit nicht betroffenen Grundstücksteil Sondernutzungsrechte beliebiger Art begründet werden. Gleiches gilt aber 137 Ebenso Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 29; vgl. auch BT-Drucks. 16/887, 16. 138 S. nur BGH v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133, 136 = MDR 2001, 80 = DNotZ 2001, 381 = NJW 2000, 3643 = NZM 2000, 1187 = WuM 2000, 682 = ZfIR 2000, 884 = ZMR 2001, 119 = ZWE 2001, 63; BGH v. 20.1.2006 – V ZR 214/04, MDR 2006, 1163 = MietRB 2006, 239 = NJWRR 2006, 888, 889 = DNotZ 2006, 520 = Rpfleger 2006, 316; BayObLG v. 5.9.1991 – BReg. 2 Z 95/ 91, BayObLGZ 1991, 313, 317 = NJW-RR 1992, 208, 209 = MittRhNotK 1991, 287; BayObLG v. 19.10.1995 – 2Z BR 99/95, DNotZ 1996, 297, 301 = MittBayNot 1996, 27 und Thür. OLG v. 27.7.2011 – 9 W 264/11, NotBZ 2011, 405 = ZWE 2012, 40; vgl. ausführlich Böttcher/Hintzen, ZfIR 2003, 445 ff. 139 Ebenso Böttcher/Hintzen, ZfIR 2003, 445, 449. 140 Böttcher/Hintzen, ZfIR 2003, 445, 449 und ihm folgend Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 30; vgl. BT-Drucks. 16/887, 16. Grziwotz | 81
§ 5 WEG Rz. 46 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums auch, wenn im Ausübungsbereich der Dienstbarkeit Sondernutzungsrechte ganz oder teilweise aufgehoben werden. Beispiel ist die vereinbarungsgemäße Untersagung der Errichtung von Garagen und Carports auf Kfz-Stellplätzen. Auch Nutzungsregelungen führen meist bei Dienstbarkeiten, die am Gesamtgrundstück lasten, jedenfalls zu keiner nachteiligen Beeinträchtigung. Anders ist dies bei Nießbrauchsrechten, die Teile des Gesamtgrundstücks oder ein bestimmtes Wohnungs- oder Teileigentum betreffen. Bei ihnen wirken sich geänderte Nutzungsregelungen und eine Veränderung der Lastenverteilungsregelung stets nachteilig auf den Berechtigten aus. Dies gilt auch dann, wenn die Änderung sogar wirtschaftlich positiv für das mit dem Nießbrauch belastete Wohnungs- oder Teileigentum ist. Beispiel ist die Erhöhung des verbrauchsabhängigen Anteils an den Heizkosten, die zunächst eine wesentliche Einsparung der Heizkosten für die nießbrauchsbelastete Einheit bewirkt.141 Hinsichtlich des Vormerkungsberechtigten ist danach zu entscheiden, ob eine Zustimmung als späterer Eigentümer oder Inhaber eines dinglichen Rechts erforderlich wäre.142 Umstritten ist, inwieweit der Inhaber eines dinglichen Vorkaufsrechts durch eine Vereinbarung nachteilig betroffen sein kann. Hierzu wird die Ansicht vertreten, dass er regelmäßig nicht nachteilig beeinträchtigt ist, da sich sein Vorkaufsrecht auf das Wohnungs- oder Teileigentum in dem Zustand bezieht, in dem es sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, der den Vorkaufsfall auslöst, befindet.143 Diese Ansicht wäre zutreffend, wenn man auch für die Vormerkungswirkung des § 1098 Abs. 2 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses über den vorkaufsrechtsauslösenden Drittkauf abstellen würde.144 Demgegenüber kommt es nach h.M.145 hinsichtlich der Eintragung des Eigentums auf den Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechtes, also auf die dingliche Einigung und Eintragung in das Grundbuch (§ 873 BGB) an. Die Vormerkungswirkung des dinglichen Vorkaufsrechts ist nach dieser Ansicht zeitraumbezogen mit derjenigen nach § 883 Abs. 2 Satz 1 BGB identisch. Lediglich bei beeinträchtigenden Belastungen soll der Vertragsschluss über den vorkaufsrechtsauslösenden Drittkauf maßgeblich sein. Da die Vereinbarung Inhalt des Sondereigentums wird, betrifft sie den Vormerkungsberechtigten, wenn man der h.M. folgt, nicht nachteilig. § 1098 Abs. 2 BGB zeigt nach der h.M. gerade, dass das vormerkungsberechtigte Eigentum mit dem Inhalt erworben werden muss, in dem es sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Drittkaufs befindet.146 Dieser Zeitpunkt betrifft jedoch lediglich den tatsächlichen Zustand und die Belastungen im Grundbuch, nicht den Inhalt des Eigentums selbst.147 47 Mit einem Unschädlichkeitszeugnis nach Art. 120 Abs. 1 EGBGB, das landesrechtlich zuge-
lassen ist,148 kann eine Vereinbarung, die Inhalt des Sondereigentums wird, ohne Zustimmung des betroffenen Drittberechtigten im Grundbuch eingetragen werden. Zuständig für die Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses ist jeweils die landesrechtlich bestimmte Behörde. Ob die Unschädlichkeit mit Wirkung gegen die zustimmungsbedürftigen Drittberechtigten festgestellt werden kann, hängt von der jeweiligen landesrechtlichen Vorschrift ab. Dass 141 142 143 144 145
Ebenso wohl Böttcher/Hintzen, ZfIR 2003, 445, 449 und Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 30. Unklar BT-Drucks. 16/887, 16; wie hier Böttcher/Hintzen, ZfIR 2003, 445, 449. So BT-Drucks. 16/887, 16 und ebenso bereits Böttcher/Hintzen, ZfIR 2003, 445, 449. So Reetz in NK/BGB, § 1098 Rz. 27. BGH v. 26.1.1973 – V ZR 2/71, BGHZ 60, 275, 294 = NJW 1973, 1278; Westermann in MünchKomm/BGB, § 1098 WEG Rz. 7 f.; Stürner in Soergel, BGB, § 1098 WEG Rz. 4 und Herrler in Grüneberg, BGB, § 1098 WEG Rz. 5 und Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rz. 1426. 146 So aber BT-Drucks. 16/887, 16 und bereits Böttcher/Hintzen, ZfIR 2003, 445, 449. 147 Ebenso Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 30. 148 Vgl. nur §§ 22 ff. AGBGB BW; Art. 72 ff. BayAGBGB; §§ 1 ff. BerlUZG; §§ 20 ff. Bbg AGBGB; §§ 1 ff. BremUZeugnG; § 35 ff. Hmb AGBGB; §§ 27 ff. HVGG; §§ 1 ff. NdsUnschZG; §§ 1 ff. NRW UnSchädG; §§ 1 ff. UZLG RP; §§ 1 ff. Saarl G Nr. 842 über Unschädlichkeitszeugnisse; §§ 46 ff. SächsJG; §§ 1 ff. GrdstVUZeugnG LSA; §§ 14 ff. AGBGB SH und §§ 28 ff. ThürVermGeoG. S. dazu kurz auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rz. 739.
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IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 50 § 5 WEG
für Wohnungs- und Teileigentum die Zustimmung dinglicher Berechtigter zu einer Vereinbarung i.S.d. Abs. 4 Satz 1 nicht erforderlich ist, bestimmt sich ebenfalls nach Landesrecht, wobei auch ohne ausdrückliche Nennung die Rechtsprechung dies teilweise analog zu den entsprechenden Vorschriften zugelassen hat.149 Ausdrücklich erwähnt wird die Anwendbarkeit des Unschädlichkeitszeugnisses auf Vereinbarungen zum Inhalt des Sondereigentums in § 23a AGBGB BW, Art. 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BayAGBGB, § 4 BerlUZG, § 23 BbgAGBGB, § 4 BremUZeugnG, § 27 Abs. 1 Nr. 2 HessVGG, § 4 NRWUnSchädG, § 49 SächsJG und § 28 Abs. 1 Nr. 2 ThürVermGeoG.
3. Mit-Sondereigentum, abgesondertes Miteigentum und Nachbareigentum Das Wohnungseigentumsgesetz kennt als wohnungseigentumsrechtliche Eigentumsformen 48 nur das Gemeinschafts- und das Sondereigentum. Eine weitere besondere Eigentumsform ist darin nicht enthalten. Dies schließt freilich nicht aus, dass an Einzelräumen Teileigentum begründet wird und hieran Miteigentum oder Gesamthandseigentum besteht. Unzulässig ist dagegen nach h.M. das so genannte Mit-Sondereigentum. Es betrifft eine sa- 49 chenrechtliche Untergemeinschaft an den im Sondereigentum stehenden Räumen oder zu den Räumen gehörenden Bestandteilen des Gebäudes. Betroffen sind vor allem Eingangsflure zwischen zwei Einheiten, die nicht Mit-Sondereigentum der Eigentümer dieser Einheiten sein können.150 Eine Ausnahme von der Unzulässigkeit von Mit-Sondereigentum soll beim Nachbareigen- 50 tum gelten. In diesem Fall lässt es die h.M. zu, dass Sondereigentum nicht nur mit einem Miteigentumsanteil verbunden ist. An nicht tragenden Zwischenwänden zwischen zwei Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten soll Miteigentum der jeweils angrenzenden Wohnungs- und Teileigentumseinheiten in Form des Mit-Sondereigentums bestehen.151 Aller149 S. nur BayObLG v. 14.1.1988 – BReg. 2 Z 160/87, BayObLGZ 1988, 1 = NJW-RR 1988, 592 = MittBayNot 1988, 75; BayObLG v. 8.7.1993 – 2Z BR 45/93, MittBayNot 1993, 368, 370; BayObLG v. 3.7.2003 – 2Z BR 107/03, BayObLGZ 2003, 161 = DNotZ 2003, 936 = NJW-RR 2003, 1523 = NZM 2003, 853 = ZfIR 2003, 781 = ZMR 2004, 683; Hans. OLG Hamburg v. 26.3.2002 – 2 Wx 78–102/00, MittBayNot 2002, 399 = NZM 2003, 999; LG München I v. 27.2.2006 – 13 T 201 41/ 05, NJOZ 2006, 2003; unzulässig nach OLG Köln v. 28.5.1993 – 2 Wx 11/93, ZMR 1993, 428. 150 BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 168 = MDR 1996, 139 = NJW 1995, 2851 = DNotZ 1996, 289; BGH v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MDR 2012, 17 = NZM 2012, 422 = NJW-RR 2012, 85 = ZWE 2012, 81; BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 39 = MDR 2016, 147 = NotBZ 2016, 139 = NJW 2016, 473, 474 = ZWE 2016, 75; BayObLG v. 10.11.1987 – BReg. 2 Z 75/ 86, BayObLGZ 1987, 390, 396 = DNotZ 1988, 316 = MittBayNot 1988, 35 = Rpfleger 1988, 102; BayObLG v. 24.2.2000 – 2Z BR 155/99, MittBayNot 2000, 588 = NJW-RR 2000, 1032 = NZM 2000, 516 = ZfIR 2000, 798, 800 = ZMR 2000, 622 = ZWE 2000, 213; Schl.-Holst. OLG v. 29.9.2006 – 2 W 108/06, MietRB 2007, 149 = DNotZ 2007, 620 = RNotZ 2007, 279 = WuM 2007, 285 = ZMR 2007, 726; OLG Karlsruhe v. 16.12.2013 – 14 Wx 47/13, FGPrax 2014, 49 = MittBayNot 2014, 329 = NotBZ 2014, 258 = Rpfleger 2014, 313 = ZMR 2014, 303; vgl. auch Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 31 und Röll, DNotZ 1998, 345, 347. Ausführlich Hurst, DNotZ 1968, 131 ff. 151 S. nur BGH v. 10.10.1980 – V ZR 47/79, BGHZ 78, 225 = MDR 1981, 216 = DNotZ 1981, 565 = MittBayNot 1981, 78 = NJW 1981, 455; BGH v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241 = MDR 2001, 497 = DNotZ 2002, 127 = NJW 2001, 1212 = NotBZ 2001, 105 = NZM 2001, 196 = ZfIR 2001, 209 = ZMR 2001, 289 = ZWE 2001, 314; BGH v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 = MDR 2008, 1266 = NJW 2008, 2982 = DNotZ 2009, 50 = NZM 2008, 688 = Rpfleger 2008, 631 = ZfIR 2008, 734 = ZMR 2008, 897; BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, NJW 2016, 473, 474 = DNotZ 2016, 278 = NotBZ 2016, 139 = NZM 2016, 132 = ZfIR 2016, 276 = ZMR 2016, 215 = ZWE 2016, 79; OLG München v. 13.9.2005 – 32 Wx 71/05, MDR 2006, 258 = ZMR 2006, 300 = NZM 2006, Grziwotz | 83
§ 5 WEG Rz. 50 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums dings ist die überwiegende Ansicht nicht konsequent, wenn sie auch zu praktisch vernünftigen Ergebnissen führt. Nach a.A. ist bei nichttragenden Zwischenwänden zwischen zwei Einheiten „normales“ Miteigentum der Nachbarn anzunehmen, da es sich um unwesentliche Bestandteile oder Scheinbestandteile handelt.152 Der BGH153 nimmt nunmehr wohl vertikal („lotrecht“) geteiltes Sondereigentum entsprechend einer Grenzanlage (§§ 921 ff. BGB) an. 51 Von den vorstehend genannten Fällen zu unterscheiden ist das abgesonderte Miteigentum,
bei dem es sich um eine gemeinschaftliche Berechtigung am Gemeinschaftseigentum handelt.154 Es geht somit um eine Mitberechtigung einzelner Wohnungs- und Teileigentümer am Gemeinschaftseigentum. Betroffen sind z.B. Fahrstuhlanlagen zu bestimmten Wohneinheiten, wenn diese nur bestimmten Einheiten zugeordnet sind. Durch die Zulassung von abgesondertem Miteigentum würden jedoch relative Miteigentumsquoten entstehen, die dem Konzept der §§ 1, 3 und 6 widersprechen; deshalb ist „abgesondertes Mitgemeinschaftseigentum“ nach überwiegender Ansicht insoweit nicht zulässig.155 Probleme können sich ferner bei einer Auseinandersetzung und hinsichtlich der Verwaltung dieses abgesonderten Miteigentums ergeben. Praktisch auftretende Probleme hinsichtlich der Verwaltung, Lastentragung und der Stimmrechte, können durch entsprechende Regelungen der Gemeinschaftsordnung gelöst werden, sodass sie auf diese Weise auch verdinglichter Inhalt des Sondereigentums werden. Eine Ausnahme von der Unzulässigkeit abgesonderten Miteigentums kann – entgegen der h.M. – bei Mehrhausanlagen anerkannt werden, da sich die vorstehend genannten Probleme dort nicht oder jedenfalls nicht in größerem Umfang als bei den diesbezüglichen Regelungen der Gemeinschaftsordnung ergeben (vgl. Rz. 7).
4. Sondernutzungsrechte 52 Der Begriff „Sondernutzungsrecht“ ist in Abs. 4 im Gesetz enthalten, wird allerdings nicht
legal definiert.156 Es handelt sich um kein Sondereigentum; in der Praxis wird allerdings häu-
152 153
154 155
156
344 = NJW-RR 2006, 297; Pfälz. OLG v. 7.11.1996 – 3 W 152/86, NJW-RR 1987, 332; BayObLG v. 10.11.1987 – BReg. 2 Z 75/86, BayObLGZ 1987, 390, 396 = DNotZ 1988, 316 = MittBayNot 1988, 35 = Rpfleger 1988, 102; OLG Düsseldorf v. 5.5.1975 – 3 W 33/75, Rpfleger 1975, 308; Schl.-Holst. OLG v. 29.9.2006 – 2 W 108/06, MietRB 2007, 149 = WuM 2007, 285 = RNotZ 2007, 279 = ZMR 2007, 726; vgl. auch Sauren, DNotZ 1988, 667, 673 und Schäuble in Soergel, BGB, § 5 WEG Rz. 5 („Nachbareigentum“ in Form von vertikal geteiltem Sondereigentum). Offen nunmehr BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 = DNotZ 2016, 278 = MDR 2016, 147 = MittBayNot 2016, 505 = NotBZ 2016, 139 = NZM 2016, 75 = ZfIR 2016, 276 = ZMR 2016, 215 = ZWE 2016, 79; s. dazu Heinemann, ZMR 2016, 680 ff. So Heinemann in NK/BGB, § 5 WEG Rz. 32; a.A. Hügel/Elzer, § 5 Rz. 48: Gemeinschaftseigentum, da der Abtrennung von zwei Einheiten dienend. BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 Rz. 19 = MDR 2016, 147 = DNotZ 2016, 278 = NJW 2016, 473,474 = NotBZ 2016, 135 = ZfIR 2016, 276 = ZMR 2016, 215 = ZWE 2016, 75. S. dazu Heinemann, ZMR 2016, 680 ff. und Köther, RNotZ 2021, 377, 394 f. Vgl. auch AG Bielefeld v. 12.11.2020 – 408 C 133/18, ZMR 2021, 349. Vgl. dazu Hurst, DNotZ 1968, 131. BGH v. 3.4.1968 – V ZB 14/67, BGHZ 50, 56 = NJW 1968, 1230; BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/ 94, BGHZ 130, 159 = MDR 1996, 139 = NJW 1995, 2851 = DNotZ 1996, 289; BayObLG v. 21.7.1980 – BReg. 2 Z 33/80, DNotZ 1982, 250 = MittBayNot 1980, 209; OLG Düsseldorf v. 5.5.1975 – 3 W 33/75, Rpfleger 1975, 308; OLG Köln v. 2.6.1982 – 2 Wx 3/82, DNotZ 1983, 106 = NJW 1983, 248; OLG Hamm v. 11.6.1986 – 15 W 452/85, MDR 1986, 939 = NJW-RR 1986, 1275 = DNotZ 1987, 228 = OLGZ 1986, 415. BT-Drucks. 16/887, 16 und BT-Drucks. 19/18791, 41; OLG München v. 22.12.2017 – 34 Wx 139/ 17, MietRB 2018, 143 = NJOZ 2018, 1407 = ZWE 2018, 164. Vgl. auch Drasdo, NJW-Spezial 2011, 225; Falkner in Weber (Hrsg.) Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 2017, 85, 86; Hügel, NotBZ 2020, 14 ff.; Lehmann-Richter, ZWE 2018, 385; Ott, NZM 2017, 1, 2; Tank, MietRB
84 | Grziwotz
IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 52 § 5 WEG
fig von (wirtschaftlichem) Eigentum ausgegangen.157 Dogmatisch liegt eine Sondernutzungsbefugnis am Gemeinschaftseigentum vor. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 und 3 steht jedem Wohnungs- und Teileigentümer der Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums zu, desgleichen die sonstigen Nutzungen. Der sondernutzungsberechtigte Wohnungs- oder Teileigentümer erhält die Befugnis, einen Teil des gemeinschaftlichen Eigentums unter Ausschluss der anderen Wohnungs- und Teileigentümer zu nutzen.158 Das Sondernutzungsrecht enthält somit eine negative und eine positive Komponente, nämlich den Ausschluss der übrigen Eigentümer vom gemeinschaftlichen Gebrauch und die Zuweisung eines exklusiven Nutzungsrechtes an einen oder mehrere Wohnungs- und Teileigentümer.159 Anders als die Regelung des ordnungsgemäßen Gebrauchs durch sämtliche Eigentümer, für den eine Regelung durch Mehrheitsbeschluss ausreichend ist (§§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1), bedarf die Zuweisung eines Sondernutzungsrechtes der Vereinbarung unter Zustimmung aller Wohnungsund Teileigentümer oder eines Beschlusses aufgrund einer spezifizierten Öffnungsklausel.160
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2016, 275 f.; Spielbauer, ZWE 2017, 19; Elzer, NotBZ 2019, 1, 3; Falkner, ZWE 2021, 149, 153. Es handelt sich um kein gemeinschaftsbezogenes Recht; vgl. BGH v. 26.11.2020 – V ZB 151/19, MDR 2021, 182 = MietRB 2021, 82, 83 = NZM 2021, 97 = WuM 2021, 132 und dazu Letzner, ZWE 2021, 159 ff. Zum Begriff „Sondernutzungsrechtsvereinbarung“ Elzer in SWK-WEG, Sondernutzungsrechte (Sondernutzungsrechtsvereinbarung) Rz. 1. So auch Hügel in Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl. 2021, § 6 Rz. 32 a.E. und Becker/Ott/Suilmann, WEG, 3. Aufl. 2015, Rz. 281. Aber kein wirtschaftliches Eigentum i.S.v. § 39 AO; vgl. BFH v. 5.7.2018 – VI R 67/15, BFHE 262, 108 = BB 2018, 3056 = DStR 2018, 2325 = MittBayNot 2020, 298 = NZM 2019, 261, 262 = ZWE 2019, 98. Zur Umdeutung der unwirksamen Sondereigentumseinräumung in ein Sondernutzungsrecht KG v. 16.9.1998 – 24 W 8886/97, GE 1999, 1361 = NZM 1999, 258 = ZfIR 1999, 127 und AG Köln v. 18.7.2022 – 215 C 60/21, IMR 2023, 2106. Zur hilfsweisen Begründung von Sondernutzungsrechten OLG Düsseldorf v. 25.5.2022 – 3 Wx 59/22, NotBZ 2022, 383 = BWNot 2022, 430 = MittBayNot 2022, 455 = RNotZ 2022, 442 = ZfIR 2022, 502 = ZWE 2023, 25 und DNotI-Report 2018, 163 ff. Zur Abgrenzung von einer Anlage i.S.v. § 94 BGB s. AG Hamburg-Altona v. 20.11.2018 – 303 c C 14/18; zur entsprechenden Anwendung des Art. 46 BayAGBGB s. AG Fürstenfeldbruck v. 22.7.2019 – 80 C 106/19, Bayern.Recht. BGH v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 147 = MDR 1979, 299 = NJW 1979, 548; BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = MietRB 2012, 73 = NJW 2012, 676 = NZM 2012, 157; BayObLG v. 5.3.1987 – BReg. 2 Z 50/86, NJW-RR 1987, 846; KG v. 4.7.2006 – 24 W 201/05, ZMR 2007, 385, 386; Drasdo, NJW-Spezial 2014, 353; Francastel, RNotZ 2015, 385 f.; Agatsy, MietRB 2020, 155, 157. Zur Abgrenzung zur Gebrauchsregelung s. Elzer, MietRB 2012, 373 = NotBZ 2013, 289 f. Zur Beschwer beim Streit um ein Sondernutzungsrecht s. BGH v. 6.12.2018 – V ZR 338/17, NZM 2019, 483 = MietRB 2019, 80 und BGH v. 20.2.2020 – V ZR 198/19, NZM 2020, 610 = ZWE 2020, 395. Nicht zwingend gleichlautende Sondernutzungsrechte erforderlich; vgl. AG Hamburg-Harburg v. 28.7.2020 – 648 C 290/19, ZMR 2020, 977. Bei wirtschaftlich selbstständigen Untergemeinschaften und Entzug der Nutzungsbefugnis für eine Gruppe von Eigentümern ist nur die Zustimmung der anderen Eigentümer erforderlich (OLG München v. 4.6.2014 – 34 Wx 346/13, MietRB 2014, 239 = NJOZ 2014, 1332 = ZMR 2016, 303). Zu einem faktischen Sondernutzungsrecht LG Düsseldorf v. 11.11, 2022 – 19 S`19/22, MietRB 2023,106; AG Bonn v. 1.4.2022 – 210 C 44/21, MietTB 2023,144. BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = DNotZ 2000, 854 = NJW 2000, 3500 = NZBau 2001, 19 = NZM 2000, 1184 = ZfIR 2000, 877 = ZMR 2000, 771 = ZWE 2000, 518; BGH v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, MDR 2016, 1324 = NJW 2017, 64 = NZM 2016, 861 = ZfIR 2017, 12 = ZMR 2016, 888 = ZWE 2016, 453; BGH v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, MDR 2017, 388 = DNotZ 2017, 852 = NZM 2017, 607 = NJW-RR 2017, 712 = NotBZ 2017, 303 = Rpfleger 2017, 263 = ZfIR 2017, 355 = ZWE 2017, 169; BGH v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, MDR 2017, 567 = NZM 2017, 602 = NJW 2017, 1167 = notar 2017 186 = ZfIR 2017, 242 = ZWE 2017, 180; BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16, MDR 2017, 511 = NZM 2017, 447 = WuM 2017, 227 = ZfIR 2017, 403 = ZMR 2017, 319 = ZWE 2017, 224; BayObLG v. 19.8.1999 – 2Z BR 62/99, NZM 2000, 350 = ZWE 2000, 261; OLG München v. 11.5.2012 – 34 Wx 137/12, MietRB 2012, 267 = IMR 2012, 390 = NJW-RR 2013, 135 = NZM 2013, 384; OLG München v. 18.4.2013 – 34 Wx 363/12, MietRB 2013, 242 = NotBZ 2013, 318 = NJOZ 2013, 1484 = Rpfleger 2013, 514 = ZMR 2013, 845; Pfälz. OLG v. Grziwotz | 85
§ 5 WEG Rz. 52 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums Dies gilt auch für die nachträgliche Eintragung eines bisher nicht gebuchten (schuldrechtlichen) Sondernutzungsrechts.161 Der Vereinbarung steht die einseitige Begründung durch den teilenden Eigentümer (§ 8 Abs. 2) gleich.162 Die Einräumung durch Mehrheitsbeschluss ist nichtig, sofern nicht eine diesbezügliche Öffnungsklausel besteht.163 Sachenrechtlich setzt die Begründung von Sondernutzungsrechten voraus, dass diese klar und eindeutig bezeichnet werden, insbesondere Sondernutzungsflächen mit Hilfe von Plänen und Skizzen, die maßstabsgetreu sein sollten, aber nicht die Maßangaben nach § 3 Abs. 3 enthalten müssen, klar gekennzeichnet werden, wenn das Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen wird.164 Dabei muss – anders als bei der Begründung von Sondereigentum an Grundstücksteilen (vgl. § 3 Abs. 3) – nicht auf den Aufteilungsplan Bezug genommen werden; weicht der
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1.7.2013 – 3 W 22/13, RNotZ 2014, 42; Saarl. OLG v. 6.3.2018 – 5 W 17/18, FGPrax 2018, 162 = ZfIR 2018, 412 = ZWE 2018, 206; Drasdo, NJW-Spezial 2011, 225 und Tank, MietRB 2016, 275, 276. Zur Öffnungsklausel s. nur Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 1 Rz. 73. Zur späteren Änderung s. BayObLG v. 28.3.2001 – 2Z BR 138/00, BayObLGZ 2001, 73 = DNotZ 2002, 142 = NJW-RR 2001, 1164 = NZM 2001, 529 = ZMR 2001, 638 = ZWE 2001, 430 = ZfIR 2001, 480. Zur bisherigen kostenrechtlichen Behandlung s. OLG München v. 23.4.2015 – 34 Wx 122/15, NJW-RR 2015, 1162 = FGPrax 2015, 184 = NZM 2015, 942 = Rpfleger 2015, 601 = ZfIR 2015, 617; Hans. OLG Hamburg v. 13.3.2018 – 13 W 76/17, notar 2019, 22; Müller, MittBayNot 2015, 18 ff. u. Becker, BWNotZ 2019, 84 ff.; nunmehr enthält GNotKG KV Nr. 14160 Nr. 5 für die Begründung von Sondernutzungsrechten, wenn mehrere oder sämtliche Einheiten betroffen sind, eine Höchstgebühr von 500 EUR. War bei Bestehen einer Zuweisungsbefugnis mit Ausschluss der übrigen Einheiten (negative Komponente) nur eine (begünstigte) Einheit betroffen, bleibt es bei der bisherigen Regelung, dass nur eine Gebühr von 50 EUR zu erheben ist (vgl. Gutfried in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl. 2021, 14160 KV Rz. 24). OLG München v. 27.5.2014 – 34 Wx 149/14, MittBayNot 2014, 530 = NJOZ 2014, 1330 = RNotZ 2014, 485 = ZMR 2015, 469, zur Zustimmung Drittberechtigter s. OLG München v. 4.7.2014 – 34 Wx 153/14, MittBayNot 2015, 36 = ZWE 2014, 401. BGH v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, MDR 2017, 388 = DNotZ 2017, 852 = MittBayNot 2017, 234 = NotBZ 2017, 303 = ZfIR 2017, 335 = NZM 2017, 607 = ZWE 2017, 169; OLG Düsseldorf v. 2.5.2001 – 3 Wx 101, 123/01, DNotZ 2002, 157 = MittBayNot 2001, 396 = NJW-RR 2002, 1379 = NZM 2002, 73 = ZMR 2001, 838 = ZWE 2001, 443 = ZfIR 2002, 146. Zur Aufhebung durch ein Vermächtnis s. BayObLG v. 9.2.2005 – 2Z BR 223/04, BayObLGZ 2004, 387 = MietRB 2005, 204 = DNotZ 2005, 695 = NJW-RR 2005, 886 = NZM 2005, 344 = Rpfleger 2005, 420 = ZMR 2005, 464. Vgl. auch LG Itzehoe v. 11.3.2016 – 11 S 3/15, MietRB 2016, 292. LG Karlsruhe v. 27.9.2011 – 11 S 41/10, ZWE 2012, 102; LG Hamburg v. 9.4.2014 – 318 S 117/13, IMR 2014, 522. LG Lüneburg v. 10.2.2016 – 9 S 64/15, MietRB 2017, 14; LG Aurich v. 8.12.2017 – 4 S 159/17, MietRB 2018, 339; LG Berlin v. 22.2.2019 – 85 S 15/18, IMR 2020, 1013 = ZMR 2019, 707; AG Hamburg-St. Georg v. 28.4.2017 – 980b C 69/16 WEG, ZMR 2017, 679 = ZWE 2018, 140; teilw. abw. LG München I v. 14.2.2019 – 36 S 5297/18, IMR 2019, 379. BGH v. 19.4.2002 – V ZR 90/01, BGHZ 150, 334 = MDR 2002, 1001 = DNotZ 2002, 937 = NJW 2002, 2247 = NZM 2002, 606 = ZfIR 2002, 550 = ZMR 2002, 763 = ZWE 2002, 518; BGH v. 20.1.2012 – V ZR 125/11, MDR 2012, 702 = MietRB 2012, 173 = DNotZ 2012, 684 = NJW-RR 2012, 711 = NotBZ 2012, 297 = NZM 2012, 464 = Rpfleger 2012, 431 = ZMR 2012, 651; BayObLG v. 16.12.1993 – 2Z BR 112/93, DNotZ 1994, 244; OLG Hamm v. 9.9.1999 – 15 W 157/99, DNotZ 2000, 211 = NZM 2000, 662 = ZMR 2000, 123 = ZWE 2000, 80; KG v. 28.5.1999 – 24 W 9020/97, ZMR 2000, 331; OLG Frankfurt v. 5.9.2006 – 20 W 83/04, DNotZ 2007, 470; BayObLG v. 24.1.2005 – 2Z BR 225/04, NotBZ 2005, 263 = NJOZ 2005, 3203; OLG München v. 27.4.2011 – 34 Wx 149/ 10, MietRB 2011, 321 = ZWE 2011, 264; OLG München v. 28.9.2015 – 34 Wx 84/14, MittBayNot 2016, 229 = ZWE 2016, 19; AG Hamburg-Bergedorf v. 5.7.2019 – 407a C 14/18, ZMR 2019, 807; Jennißen/Bartholome, NJW 2014, 2160, 2161; Elzer, NotBZ 2018, vgl. auch Saarl. OLG v. 20.4.2004 – 5 W 208/03-50, MittBayNot 2005, 43 = ZMR 2005, 981 und zur (verneinten) Löschung OLG München v. 8.2.2013 – 34 Wx 305/12, MietRB 2013, 331 = NotBZ 2013, 326. Zu einem Widerspruch zwischen zeichnerischer Darstellung und Maßangaben im Aufteilungsplan s. AG Hamburg-Blankenese v. 12.6.2019 – 539 C 4/18, MietRB 2019, 307 (Entstehen hinsichtlich der übereinstimmenden Mindestgröße). Dies betrifft nicht die Nutzungsvereinbarungen unter mehreren
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IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 52 § 5 WEG
„Sondernutzungsrechtsplan“ vom bestätigten Aufteilungsplan ab, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Vereinbarung hinsichtlich der Sondernutzungsrechte.165 Eine bestimmte Nutzungsart muss dagegen nicht angegeben werden.166 Bei einem Widerspruch zwischen der textlichen Beschreibung und dem Lageplan entsteht das Sondernutzungsrecht nicht.167 Ein Sondernutzungsrecht kann auch unter einer Bedingung bestellt werden.168 Möglich ist auch die Begründung eines Sondernutzungsrechts durch nicht im Grundbuch eingetragene Vereinbarung der Wohnungseigentümer.169 Ein derartiges schuldrechtliches Sondernutzungsrecht hat allerdings keine Wirkung gegen die Sondernachfolger der von der Nutzung ausgeschlossenen Wohnungseigentümer.170 Zu ihren Lasten gilt das Sondernutzungsrecht
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gemeinsam Nutzungsberechtigten OLG Düsseldorf v. 28.6.2010 – I-3 Wx 54/10, MietRB 2010, 301 = NJOZ 2011, 339 = RNotZ 2010, 573. OLG München v. 4.2.2016 – 34 Wx 396/15, IMR 2016, 215 = MittBayNot 2016, 316 = ZfIR 2016, 289 (LS) = ZMR 2016, 305 = ZWE 2016, 255. BayObLG v. 12.11.1998 – 2Z BR 95/98, DNotZ 1999, 672 = MittBayNot 1999, 180 = NZM 1999, 426 und OLG München v. 13.6.2013 – 34 Wx 158/13, MietRB 2013, 271. Vgl. OLG Nürnberg v. 6.2.2018 – 15 W 1753/17, MDR 2018, 518 = FGPrax 2018, 112 = MittBayNot 2018, 449 = NJWRR 2018, 780 = NZM 2018, 571 = Rpfleger 2018, 375 = ZWE 2018, 169 zu einem hinsichtlich der Nutzung, nicht aber flächenmäßig begrenzten Sondernutzungsrecht; s. auch AG Hamburg-Bergedorf v. 5.7.2019 – 407a C 14/18, ZMR 2019, 807 zu beliebigen baurechtlichen Maßnahmen. Zur Gestaltung und zum Inhalt von Sondernutzungsrechten s. Hügel, NotBZ 2020, 14 ff. u. Elzer in SWK-WEG, Sondernutzungsrechte (Sondernutzungsrechtsvereinbarung) Rz. 38 ff. OLG Frankfurt v. 2.3.1998 – 20 W 54/98, NJW-RR 1998, 1707 = NZM 1998, 409 = MittBayNot 1998, 443 = ZfIR 1998, 235 = ZMR 1998, 365; OLG Frankfurt v. 23.1.2006 – 20 W 195/03, juris; OLG Hamm v. 13.3.2000 – 15 W 454/99, NJW-RR 2001, 84 = NZM 2000, 659 = Rpfleger 2000, 385 = ZfIR 2001, 61 = ZMR 2000, 316 = ZWE 2000, 316 und BayObLG v. 25.2.2005 – 2Z BR 184/ 04, NotBZ 2005, 158. Vgl. aber BayObLG v. 30.5.2003 – 2Z BR 50/03, ZMR 2004, 48. OLG München v. 22.12.2017 – 34 Wx 139/17, MittBayNot 2019, 567, 569 = Rpfleger 2018, 372 = ZWE 2018, 164. BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 [Riecke] = DNotZ 2000, 854 = NJW 2000, 3500 = NZM 2000, 1184; vgl. auch BayObLG v. 2.6.2004 – 2Z BR 10/04, DNotZ 2004, 931 = ZfIR 2004, 814 = ZMR 2005, 382 und BayObLG v. 13.6.2002 – 2Z BR 1/02, NJW-RR 2003, 9 = NZM 2002, 747 = ZfIR 2002, 645 = ZMR 2002, 849 = ZWE 2002, 583. Durch Beschluss kann auch kein faktisches „Sondernutzungsrecht“ begründet werden (OLG München v. 9.5.2007 – 32 Wx 31, 34/07, ZMR 2008, 560). Auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ergibt sich kein Sondernutzungsrecht (OLG Düsseldorf v. 25.7.2003 – 3 Wx 133/03, NJW-RR 2003, 1378 = NZM 2003, 787 = WuM 2003, 585 = ZMR 2003, 955). Durch eine langfristige Vermietung entsteht kein Sondernutzungsrecht (LG Hamburg v. 28.10.2015 – 318 S 9/15, ZMR 2016, 57 = IMR 2016, 154 = ZWE 2016, 219). Die Zustimmung der Wohnungseigentümer zu einer bestimmten Nutzung kann jedoch zur Verwirkung der Herausgabe- und Räumungsansprüche führen (LG Hamburg v. 9.7.2014 – 318 S 120/13, IMR 2014, 523 = ZMR 2014, 1012 = ZWE 2015, 30). Zum Nutzungsrecht am Sondernutzungsrecht s. OLG München v. 10.3.2014 – 34 Wx 512/13, MietRB 2014, 208 = NJOZ 2014, 1057 = NotBZ 2014, 309 = Rpfleger 2014, 494 = RNotZ 2014, 483. Vgl. Spielbauer, ZWE 2017, 19, 20. OLG Köln v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, DNotZ 2002, 223 = MDR 2001, 1404 = NZM 2001, 1135 = ZfIR 2001, 1012 = ZMR 2002, 73; OLG Düsseldorf v. 9.6.2017 – 3 Wx 46/17, WuM 2017, 732 = ZWE 2017, 404; OLG München v. 22.12.2017 – 34 Wx 139/17, MietRB 2018, 143 = NJOZ 2018, 1407 = ZWE 2018, 164; LG München I v. 4.3.2013 – 1 S 8972/12, MietRB 2013, 211 = ZMR 2013, 562 und LG München I v. 27.4.2018 – 36 S 12013/17, Bayern.Recht. Allerdings handelt es sich bei dem im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrecht ebenfalls nicht um ein dingliches Recht, sondern um ein Nutzungsrecht, das dem begünstigten Eigentümer einen Anspruch auf Gewährung der ausschließenden Gebrauchs- und Nutzungsbefugnis gibt, die gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 gegen Sondernachfolger wirkt und dadurch „verdinglicht“ ist (vgl. LG Heidelberg v. 29.7.2015 – 5097/ 14). Grziwotz | 87
§ 5 WEG Rz. 52 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums auch dann nicht, wenn sie beim Erwerb des Wohnungs- oder Teileigentums pauschal „in alle Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer“ eintreten.171 53 Das Sondernutzungsrecht ist Inhalt des Sondereigentums. Es besteht auch dann, wenn es
nicht ausdrücklich im Grundbuch eingetragen ist.172 Es genügt die Bezugnahme auf die in den Grundakten befindliche Bewilligungsurkunde.173 Allerdings ist eine ausdrückliche Eintragung nicht unzulässig; sie wird sich in vielen Fällen empfehlen. 54 Die Begründung von Sondernutzungsrechten kann entsprechend den beiden Komponenten
(vgl. Rz. 52) gleichzeitig oder sukzessive erfolgen.174 Werden der Ausschluss der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer und die Zuweisung gleichzeitig vorgenommen, wird das Sondernutzungsrecht unmittelbar mit einer oder mehreren Wohnungs- und Teileigentumseinheiten verbunden. Dies kann auch unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgen.175 Bis zum Eintritt der Bedingung besteht die gemeinschaftliche Gebrauchsregelung gemäß § 16 Abs. 1. Dies ist nicht der Fall, wenn zunächst zeitlich vorab der Ausschluss sämtlicher Eigentümer vom Mitgebrauch erfolgt (negative Komponente) und dem aufteilenden Eigentümer oder einem Wohnungs- und Teileigentümer das Recht eingeräumt wird, ausschließliche oder gemeinschaftliche Sondernutzungsrechte bestimmten Wohnungs- und Teileigentumseinheiten zuzuordnen.176 Der Zuweisungsvorbehalt muss dem sachenrechtlichen Bestimmtheits-
171 Pfälz. OLG v. 21.1.2005 – 3 W 198/04, MietRB 2005, 150, 157 = NZM 2005, 343 = FGPrax 2005, 149; OLG Köln v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, MDR 2001, 1404 = DNotZ 2002, 223 = NZM 2001, 1135 = RNotZ 2001, 519 = ZfIR 2001, 1012 = ZMR 2002, 73. 172 OLG München v. 12.9.2006 – 32 Wx 133/06, DNotZ 2007, 47 = NZM 2006, 867 = Rpfleger 2007, 70; OLG Frankfurt v. 16.4.2007 – 20 W 290/05, MietRB 2007, 267 = NotBZ 2007, 330 = NZM 2008, 214; KG v. 4.12.2006 – 24 W 201/05, MietRB 2007, 148, 235 = RNotZ 2007, 151 = ZMR 2007, 384; OLG München v. 13.6.2013 – 34 Wx 158/13, MietRB 2013, 271. 173 Vgl. OLG München v. 9.10.2015 – 34 Wx 184/15, IMR 2016, 25 = ZWE 2016, 51 = MietRB 2016, 12 und OLG Nürnberg v. 6.2.2018 – 15 W 1753/17, MDR 2018, 518 = MietRB 2018, 239 = FGPrax 2018, 112 = MittBayNot 2018, 449 = NJW-RR 2018, 780 = NZM 2018, 571 = Rpfleger 2018, 975 = ZWE 2018, 169. Nur für Inhalt und Umfang OLG Frankfurt/M v. 14.12.2021 – 20 W 240/21, FGPrax 2022, 106 = ZWE 2022, 204. 174 Vgl. OLG Hamm v. 21.10.2008 – I-15 Wx 140/08, MietRB 2009, 138 = DNotZ 2009, 383 = RNotZ 2009, 391; OLG Frankfurt/M v. 10.3.2016 – 20 W 70/15, MittBayNot 2017, 252 = ZWE 2017, 87 und OLG Hamm v. 16.6.2017 – 15 W 474/16, MDR 2017, 1294 = MietRB 2017, 325 = NotBZ 2018, 150 = NZM 2019, 98 = DNotZ 2018, 225 = MittBayNot 2018, 340. Ausführlich Elzer, NZM 2016, 529 ff.; Falkner in Weber (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 2017, 85, 103 und DNotI-Report 2016, 117 ff. Zur Vollmachtslösung kurz Ott, NZM 2017, 1, 3. Zu den Gebühren s. Hans. OLG Hamburg v. 13.3.2018 – 13 W 76/17, notar 2019, 22 und Becker, BWNotZ 2019, 84 ff. sowie nunmehr GNotKG KV Nr. 14160 Nr. 5. 175 Pfälz. OLG v. 1.2.2008 – 3 W 3/08, MietRB 2008, 241 = DNotZ 2008, 531 = NJW-RR 2008, 1395 = Rpfleger 2008, 358 = RNotZ 2008, 348 = ZMR 2008, 667; OLG Stuttgart v. 11.5.2012 – 8 W 144/11, MittBayNot 2013, 306 = ZMR 2012, 715; LG Koblenz v. 10.2.2003 – 2 T 590/02, NJOZ 2003, 1015 = Rpfleger 2003, 416 und LG Stuttgart v. 10.4.2013 – 10 S 19/12, ZMR 2013, 661 = ZWE 2014, 33. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 5.4.2000 – 3 Wx 334/99, NZM 2000, 765 = WuM 2000, 372 = ZMR 2000, 551 = ZWE 2000, 421 und Saarl. OLG v. 6.3.2018 – 5 W 17/18, FGPrax 2018, 162 = ZfIR 2018, 412 = ZWE 2018, 206. 176 Vgl. BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676 = DNotZ 2012, 528 = MietRB 2012, 73 = NZM 2012, 157 = Rpfleger 2012, 247 = ZfIR 2012, 182; OLG München v. 27.4.2011 – 34 Wx 149/10, MietRB 2011, 321 = ZWE 2011, 264; OLG Hamm v. 12.6.2012 – 15 Wx 99/11, MietRB 2012, 299 = FGPrax 2012, 244 = RNotZ 2012, 500 und Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rz. 2913. Zu einer diesbezüglichen Vollmacht s. OLG München v. 7.11.2012 – 34 Wx 208/12, NJW-RR 2013, 84 u. 389 = NotBZ 2013, 69 = NZM 2013, 91 = RNotZ 2013, 122 und OLG München v. 20.2.2013 – 34 Wx 439/12, FGPrax 2013, 111 = MittBayNot 2013, 382 = NotBZ 2013, 270. Vgl. OLG München v. 22.12.2017 – 34 Wx 139/17, NJOZ 2018, 1407 = Rpfleger 2018, 372 = ZWE 2018, 164.
88 | Grziwotz
IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 55 § 5 WEG
grundsatz genügen; dies wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass er große Teile des Gemeinschaftseigentums erfasst.177 Umstritten ist, ob die Zuweisungsbefugnis daran gebunden ist, dass der Ermächtigte auch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist.178 Eine zeitlich unbegrenzte Ermächtigung endet jedenfalls mit der Veräußerung der letzten Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit.179 Die Zuweisungsbefugnis bis zum „Verkauf“ der letzten Einheit endet bereits beim Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages, nicht erst mit Eigentumsumschreibung.180 Auch wenn einzelne Wohnungs- und Teileigentümer begünstigt werden, bedarf die Zuweisung des Rechts nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer oder dinglich Berechtigter, da sie aufgrund des Ausschlusses (negative Komponente) schon vorher nicht zur Nutzung berechtigt waren.181 Eine Nummerierung der Sondernutzungsrechte ist nicht erforderlich; insbesondere müssen 55 sie nicht die gleiche Nummer wie das Wohnungs- und Teileigentum erhalten, dem sie zuge-
177 BGH v. 20.1.2012 – V ZR 125/11, MDR 2012, 702 = MietRB 2012, 173 = DNotZ 2012, 684 = IMR 2012, 240 = NJW-RR 2012, 711 = NZM 2012, 464 = NotBZ 2012, 297 = Rpfleger 2012, 431 = ZMR 2012, 651; BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = MietRB 2012, 73 = DNotZ 2012, 528 = MittBayNot 2012, 380 = NJW 2012, 676 = NZM 2012, 157 = Rpfleger 2012, 247; OLG Nürnberg v. 6.2.2018 – 15 W 1753/17, MDR 2018, 518 = MietRB 2018, 239 = FGPrax 2018, 112 = MittBayNot 2018, 449 = NJW-RR 2018, 780 = NZM 2018, 571 = Rpfleger 2018, 975 = ZWE 2018, 169. Vgl. Hogenschurz, ZfIR 2012, 174, 175. Nicht ausreichend ist eine Vereinbarung in der GO, dass sondernutzungsberechtigt der Käufer einer Fläche ist (Schl.-Holst. OLG v. 26.9.2016 – 2 Wx 56/16, MietRB 2017, 104 = RNotZ 2017, 34 = ZWE 2017, 213). Zur Zuweisung eines Sondernutzungsrechts mittels Eigenurkunde des Notars OLG Köln v. 7.1.2019 – 2 Wx 379/18, FGPrax 2019, 158 = NotBZ 2019, 466 = Rpfleger 2019, 508. 178 So Hügel in Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl. 2021, § 6 Rz. 42; a.A. LG München II v. 11.3.2004 – 6 T 4956/03, MittBayNot 2004, 366. 179 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = MietRB 2012, 73 = DNotZ 2012, 528 = MittBayNot 2012, 380 = NJW 2012, 676 = NZM 2012, 157 = Rpfleger 2012, 247; Pfälz. OLG v. 1.7.2013 – 3 W 22/13, MittBayNot 2014, 48 = NotBZ 2013, 485 = NZM 2014, 475 = RNotZ 2014, 42 = ZMR 2014, 139 = ZWE 2013, 420; OLG Frankfurt v. 25.6.2015 – 20 W 54/15, MittBayNot 2017, 48 = ZWE 2016, 171; OLG Hamm v. 16.6.2017 – 15 W 474/16, MDR 2017, 1294 = MietRB 2017, 325 = NotBZ 2018, 150 = DNotZ 2018, 225 = ZWE 2017, 445; OLG Düsseldorf v. 17.10.2019 – I-3 Wx 69/19, FGPrax 2020, 16 = NJW-RR 2020, 336 = NZM 2020, 111 = MittBayNot 2020, 449 = Rpfleger 2020, 259. Zur Vereinbarung einer Zuweisungsbefugnis Elzer, NotBZ 2013, 289, 290 = MietRB 2012, 373, 374. Zum maßgeblichen Zeitpunkt KG v. 7.2.2023 – 1 W 213/22, MDR 2023,694 = MietRB 2023, 201 = Rnotz 2023,223 (Zugang der Zurodnung beim Grundbuchamt). Zur Vertretung des zuweisenden Eigentümers s. KG v. 14.10.2014 – 1 W 358/14, NJW-RR 2015, 202 = ZfIR 2014, 880 = MietRB 2015, 239. Zu den Problemen einer vergessenen Zuweisung s. Rieger, DNotZ 2020, 431 ff. 180 OLG München v. 10.4.2013 – 34 Wx 31/13, MietRB 2013, 243 = MittBayNot 2013, 378 = NJWRR 2013, 1484 = NZBau 2013, 708 = NotBZ 2013, 324. 181 OLG Frankfurt v. 2.3.1998 – 20 W 54/98, NJW-RR 1998, 1707 = NZM 1998, 409 = MittBayNot 1998, 443 = ZfIR 1998, 235 = ZMR 1998, 365; Saarl. OLG v. 10.5.2010 – 5 W 94, 95, 96/10, NZM 2011, 811 = IMR 2011, 512 und OLG Frankfurt v. 10.3.2016 – 20 W 70/15, MittBayNot 2017, 252 = ZWE 2017, 87; vgl. BayObLG v. 12.11.1998 – 2Z BR 95/98, DNotZ 1999, 672 = MittBayNot 1999, 180 = NZM 1999, 426 und BayObLG v. 27.10.2004 – 2Z BR 150/04, BayObLGZ 2004, 306 = DNotZ 2005, 390 = NJW 2005, 444 = NZM 2005, 105 = ZfIR 2005, 325 = ZMR 2005, 300; OLG Nürnberg v. 29.9.2020 – 15 W 1774/20, MietRB 2021, 145 = ZMR 2021, 535. Anders ohne einen derartigen Ausschluss ab Entstehung der nach bisheriger Rechtsprechung werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft BGH v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, MDR 2017, 388 = MietRB 2017, 103 = NotBZ 2017, 303 = DNotZ 2017, 852 = MittBayNot 2017, 234 = NJW-RR 2017, 712 = NZM 2017, 607 = Rpfleger 2017, 263 = WuM 2017, 163 = ZfIR 2017, 355 = ZWE 2017, 169; Saarl. OLG v. 6.3.2018 – 5 W 17/ 18, MietRB 2019, 13, 14, und bei bloßer Vollmacht zur Begründung von Sondernutzungsrechten OLG Celle v. 26.10.2020 – 18 W 39/20, DNotZ 2021, 970, 972. Grziwotz | 89
§ 5 WEG Rz. 55 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums ordnet sind.182 Bei fehlerhafter Zuordnung hat der begünstigte Eigentümer einen Anspruch darauf, dass eine nachträgliche Eintragung der Sondernutzungsrechte in der erforderlichen Form erfolgt.183 56 Der Umfang des Sondernutzungsrechtes bestimmt sich nach dem zulässigen Gebrauch für
die Wohnungseigentümer, der nur einem bestimmten oder mehreren gemeinsam unter Ausschluss der übrigen zugeordnet wird.184 Deshalb kann das Sondernutzungsrecht nie weiter gehen als der gemeinschaftliche Mitgebrauch. So darf beispielsweise der Sondernutzungsberechtigte einen Abstellraum nicht zu Wohnzwecken nutzen oder eine an das Haus angebaute Garage als Küche. Eine weitere Beschränkung ergibt sich daraus, dass auch ein Sondernutzungsrecht nur in der Weise ausgeübt werden darf, dass dadurch keinem anderen Wohnungs- oder Teileigentümer sowie einem anderen Sondernutzungsberechtigten ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1).185 Hieraus können sich auch Einschränkungen hinsichtlich der alleinigen Nutzungsbefugnis ergeben, wenn beispielsweise eine im Rahmen eines Sondernutzungsrechtes als Nutz- und Ziergarten zugeordnete Grundstücksfläche als Rettungsweg benötigt wird.186 Gleiches gilt, wenn sich unter der betroffenen Fläche (z.B. Pkw-Abstellplatz) Ver- und Entsorgungsleitungen befinden und diese erneuert oder repariert werden müssen.187 Umgekehrt bedeutet dies, dass die Bestellung eines Sondernutzungsrechts nicht ausscheidet, wenn die betreffende Fläche bzw. der betroffene Gebäudeteil auch von anderen Eigentümern, z.B. als Zugang, benutzt werden muss; vielmehr ist das Sondernutzungs-
182 Ebenso Hügel in Hügel, Wohnungseigentum, 4. Aufl. 2021, § 6 Rz. 46; a.A. wohl OLG Düsseldorf v. 12.12.2003 – 3 Wx 323/03, WuM 2004, 110 = ZMR 2004, 611. 183 OLG Hamm v. 13.3.2000 – 15 W 454/90, NJW-RR 2001, 84 = NZM 2000, 659 = ZfIR 2001, 61 = ZMR 2000, 691 = ZWE 2000, 316. 184 BGH v. 7.5.2021 – V ZR 299/19, MDR 2021, 803 = NJW-RR 2021, 1170 = NZM 2021, 561 = ZMR 2021, 680 = ZWE 2021, 325;OLG Frankfurt v. 2.7.2003 – 20 W 154/03, NJOZ 2004, 315; BayObLG v. 8.9.2004 – 2Z BR 136/04, NJOZ 2004, 4347; OLG Frankfurt v. 23.11.2005 – 20 W 432/03; BayObLG v. 20.10.2004 – 2Z BR 53/04, ZMR 2005, 889; Hans. OLG Hamburg v. 4.3.2003 – 2 Wx 102/99, ZMR 2003, 524 und KG v. 20.10.1999 – 24 W 9855/98, GE 2000, 131 = NZM 2000, 511 = WuM 2000, 84 = ZMR 2000, 192 = ZWE 2000, 189 = ZfIR 2000, 139. Vgl. auch OLG Hamm v. 6.5.1998 – 15 W 82/98, NZM 1998, 921 = ZMR 1998, 716. Zur Geltendmachung von Abwehrrechten s.VGH München v. 16.1.2021 – 1 CS 22.2399, NZM 2023, 292 u. Emmerich, ZWE 2021, 193, 200. Zur Duldungspflicht bei rechtswidrigen Maßnahmen s. BGH v. 5.7.2019 – V ZR 149/18, MDR 2019, 1439 = NJW 2020, 42 = NZM 2019, 788 = ZfIR 2019, 860 = ZWE 2020, 32. Zum zuständigen Gericht beim Streit über den Umfang des Sondernutzungsrechts s. Saarl. OLG v. 12.2.1998 – 5 W 370-97-121, FGPrax 1998, 134 = NJW-RR 1998, 1165 = ZfIR 1998, 366 und LG Frankfurt/M v. 15.10.2019 – 2-13 S 72/19, MDR 2020, 84 = MietRB 2020, 82 = WuM 2020, 53; vgl. auch Hans. OLG Hamburg v. 13.12.2021 – 11 AR 14/21, ZMR 2022, 236 = ZWE 2022, 233 zur Eintragung. 185 Zur Videoüberwachung eines Sondernutzungsrechts s. AG Hamburg-Blankenese v. 9.1.2013 – 539 C 7/12, IMR 2014, 297. Zur analogen Anwendung des § 906 BGB s. LG Frankfurt/M v. 11.4.2018 – 2/09 S 48/15; offen BGH v. 17.1.2019 – V ZR 107/18, IMR 2019, 199 = ZfIR 2019, 580 (LS). 186 OLG Frankfurt v. 2.7.2003 – 20 W 154/03, NJOZ 2004, 315; OLG Stuttgart v. 20.2.2001 – 8 W 555/00, WuM 2001, 293 = ZMR 2001, 730; OLG München v. 10.4.2019 – 34 Wx 92/18, MDR 2019, 861 = FGPrax 2019, 163 = IMR 2019, 253 = MietRB 2019, 270 = MittBayNot 2019, 451 = NotBZ 2020, 69 = ZWE 2019, 263; AG Hamburg-Blankenese v. 18.3.2020 – 539 C 19/19, juris. Einschränkend LG Frankfurt/M v. 7.11.2019 – 2-13 S 103/18, MietRB 2020, 51 zu „gefangenem“ Gemeinschaftseigentum. Vgl. BayObLG v. 29.1.2004 – 2Z BR 153/03, ZMR 2004, 446 zum Verschließen eines Treppenhauses. Vgl. auch Falkner, DNotZ 2023, 5, 6 zum (verneinten) Zugangserfordernis zu Sondernutzungsflächen. 187 Teilw. abw. BayObLG v. 9.4.2002 – 2Z BR 30/02, BayObLGZ 2002, 107 = NJW-RR 2002, 1526 = NZM 2002, 488 = WuM 2002, 440 = ZfIR 2002, 465 = ZMR 2002, 773.
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IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 56 § 5 WEG
recht insoweit eingeschränkt.188 Die Nutzungsbefugnis besteht ferner nur in dem eingeräumten Rahmen. Ohne ausdrückliche diesbezügliche Gestattung ist eine Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht zulässig, sofern sich diese nicht im Rahmen der ohnehin erlaubten Sondernutzung hält. Beispiele sind bauliche Veränderungen,189 wie z.B. die Errichtung eines Carports auf einem Kfz-Stellplatz,190 die Umwandlung eines Autostellplatzes in eine Terrasse,191 die Nutzung einer Gartenfläche als Skulpturgarten,192 das Pflanzen und Fällen eines Baumes auf einer Gartenfläche,193 die Errichtung einer Terrassenüberdachung,194 das Aufstellen einer Holzwand in einer parkartigen Anlage,195 die Einfriedung einer Fläche196, das Aufstellen eines 7,36 m hohen, mit LEDs behangenen Kreuzes auf einer Gartenfläche197 und die Umgestaltung einer Hangfläche in einen Steingarten.198 Diese sind nur erlaubt, wenn sie ausdrücklich gestattet sind. Die Sondernutzung zur Nutzung als Ziergarten beinhaltet kein Recht zur Einzäunung, wohl aber zur Bepflanzung, wobei, sofern keine Betretungsnotwendigkeit besteht, durch eine entsprechende Bepflanzung ein „lebendiger“ Zaun entstehen kann.199 Das Verbot der Umgestaltung betrifft auch spätere Veränderungen, soweit durch diese die einheitliche Gestaltung des Gebäudes einschließlich der Außenanlagen beeinträchtigt würde. Beispiele sind das Abholzen eines auf einer Nutzungsfläche befindlichen
188 Pfälz. OLG v. 17.1.2011 – 3 W 196/10, MietRB 2011, 183 = IMR 2011, 337 = ZWE 2011, 179. 189 OLG München v. 26.4.2012 – 34 Wx 558/11, RNotZ 2012, 445 = ZfIR 2012, 566 (LS); AG München v. 29.8.2018 – 485 C 5290/18, ZMR 2019, 633; AG München v. 26.3.2019 – 484 C 17510/18, MietRB 2020, 16 = ZMR 2019, 901 und AG Spandau v. 23.2.2021 – 19 C 58/20, ZMR 2021, 1024 = ZWE 2022, 180. Zu baulichen Veränderungen als Inhalt eines Sondernutzungsrechts s. OLG München v. 12.4.2013 – 34 Wx 124/13, NZM 2014, 476 = MDR 2013, 1156 = NotBZ 2013, 320 = MietRB 2013, 272 und Hogenschurz, ZMR 2013, 250 ff. Zur „Einhausung“ eines Treppenaufgangs, durch die die Abgeschlossenheit verloren geht, OLG München v. 31.3.2014 – 34 Wx 3/14, MietRB 2014, 175 = NotBZ 2014, 308. 190 LG Nürnberg-Fürth v. 28.3.2018 – 14 S 6168/17 WEG, IMR 2018, 467. 191 BGH v. 22.6.2012 – V ZR 73/11, MietRB 2012, 356 = IMR 2012, 418 = ZMR 2012, 883 = ZWE 2012, 377. 192 LG Hamburg v. 12.12.2012 – 318 S 31/12, MietRB 2013, 245 = IMR 2013, 295 = ZMR 2013, 301 = ZWE 2013, 265. Zur Verglasung s. OLG Köln v. 27.8.1996 – 16 Wx 205/96, MDR 1996, 1235; zur Vergrößerung BayObLG v. 30.1.1997 – 2 Z BR 110/96, NJW-RR 1997, 971 = WuM 1997, 340 = ZfIR 1997, 350 und OLG Celle v. 17.4.1996 – 4 W 66/96, juris. Zur Aufstellung eines „überdimensionierten“ Trampolins in der Sommerzeit s. AG München v. 8.11.2017 – 485 C 12677/17, MietRB 2018, 50; weitergehend Hügel, NotBZ 2018, 30, 31. 193 Vgl. Elzer, NZM 2021, 334, 337 und 340. 194 BGH v. 7.2.2014 – V ZR 25/13, MDR 2014, 453 = MietRB 2014, 104 ff. = NZM 2014, 245 = ZfIR 2014, 382. Vgl. auch AG München v. 18.4.2018 – 481 C 16896/17, ZMR 2019, 307 (keine Markise bei Freifläche). 195 Hans. OLG Hamburg v. 4.4.2002 – 2 Wx 91/98, ZMR 2002, 621; vgl. auch OLG Köln v. 21.2.1997 – 16 Wx 8/97, MDR 1997, 1020; OLG Köln v. 18.1.2002 – 16 Wx 247/01, NZM 2002, 458; BayObLG v. 30.6.1989 – BReg. 2 Z 47/89, DNotZ 1990, 381 und BayObLG v. 1.8.2000 – 2Z BR 41/00, BWNotZ 2002, 154 = NZM 2000, 1235 = ZMR 2000, 779 = ZfIR 2000, 970. S. aber auch BayObLG v. 19.3.1998 – 2Z BR 131/97, NZM 1998, 443 = ZMR 1998, 503. Anders bei einem Gitterzaun statt einer Hecke BGH v. 22.6.2012 – V ZR 73/11, MietRB 2012, 356 = ZWE 2012, 377 = ZMR 2012, 883. 196 AG Hamburg-St. Georg v. 7.12.2018 – 980b C 23/18, ZMR 2019, 1013. 197 LG Düsseldorf v. 22.6.2022 – 25 S 56/21, ZMR 2022, 911. 198 BayObLG v. 6.10.2000 – 2Z BR 53/00, NZM 2001, 200 = ZMR 2001, 122 = ZWE 2001, 109; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 22.3.2017 – 6 U 172/14, ZMR 2017, 660 = ZfIR 2017, 466 (LS) und LG Itzehoe v. 10.3.2009 – 11 S 30/08, NJW-RR 2010, 89 = NZM 2011, 886 = ZMR 2009, 479. 199 Zur entsprechenden Geltung des Nachbarrechts zwischen den Sondernutzungsberechtigten s. nur AG München v. 5.5.2014 – 485 C 2913/12, MietRB 2014, 300. Zur Klagebefugnis VG Frankfurt/O v. 20.6.2022 – 5 K 1122/19 ZWE 2022, 463. Grziwotz | 91
§ 5 WEG Rz. 56 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums Baumes200 und der Abriss eines Carports, wenn sämtliche sondernutzungsberechtigten Stellplatznutzer einen Carport errichtet haben.201 Sondernutzungen können durch Vereinbarung nach h.M. auch die Nutzung von Sondereigentum regeln; Bedeutung hat dies für im Bruchteilseigentum stehende Mehrfachparker und Parkpaletten.202 Die Sondernutzungsbefugnis kann mit der Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung, zur Instandsetzung und Instandhaltung der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teile des Gemeinschaftseigentums und der Kostentragung verbunden werden.203 Fehlt eine diesbezügliche Regelung, können sich die entsprechenden Pflichten durch eine Auslegung der Gemeinschaftsordnung ergeben.204 Allerdings ist dies nicht zwingend, da es im Rahmen des Wohnungseigentumsrechts keinen Grundsatz gibt, dass jemand, der ein bestimmtes Gemeinschaftseigentum nicht nutzt oder nicht nutzen darf, auch von der Kostentragungspflicht ausgeschlossen sein muss. Dies zeigen die Beispiele des Treppenhauses und des Aufzugs bei Erdgeschosswohnungen und des autolosen Wohnungseigentümers hinsichtlich der gemeinschaftlich genutzten Parkplätze.205 Ergibt die Auslegung keine Kostentragungspflicht des Sondernutzungsberechtigten, so verbleibt es beim Grundsatz des § 16 Abs. 2 Satz 1.206 Eine diesbezügliche Beschlussfassung ist nur im Rahmen des § 16 Abs. 2 Satz 2 zulässig.207 57 Aus dem Wesen des Sondernutzungsrechts als interne Vereinbarung der Wohnungs- und
Teileigentümer über ein grundsätzlich gemeinschaftsbezogenes Nutzungsrecht ergibt sich, dass Berechtigter eines Sondernutzungsrechtes nur ein Wohnungs- und Teileigentümer sein kann, kein außenstehender Dritter.208 Gleichzeitig folgt daraus, dass Sondernutzungsrechte auch für mehrere Wohnungs- und Teileigentümer gemeinsam bestellt werden können.209 Dies erfolgt häufig für einzelne Gebäude und die dazugehörigen Außenflächen bei Mehrhausanlagen, hinsichtlich gemeinschaftlicher Eingangsflure und für Kfz-Stellplätze, Lager200 BayObLG v. 27.7.2000 – 2Z BR 112/99, NZM 2001, 672 = ZMR 2000, 846 = ZWE 2001, 22. Anders LG Hamburg v. 10.9.2010 – 318 S 24/09, NZM 2011, 590 zur üblichen gärtnerischen Pflege. Vgl. Schmid, ZAP Fach 7, 2011, 1137. 201 S. einerseits BayObLG v. 22.3.2001 – 2Z BR 20/01, NZM 2002, 259 = ZMR 2001, 819 = ZWE 2001, 612 und andererseits OLG Düsseldorf v. 6.4.1994 – 3 Wx 534/93, NJW-RR 1994, 1167 = WE 1994, 374. 202 BGH v. 20.2.2014 – V ZB 116/13, MDR 2014, 520 = NJW 2014, 1879 = DNotZ 2014, 448 = MietRB 2014, 172 = MittBayNot 2014, 442 = NotBZ 2014, 217 = NZG 2014, 576 = NZM 2014, 395 = Rpfleger 2014, 362 = ZfIR 2014, 441 = ZMR 2015, 232 = ZWE 2014, 211 und AG Düsseldorf v. 8.7.2020 – 291a C 69/19, ZMR 2020, 891 (aber kein Sondernutzungsrecht an den technischen Vorrichtungen zur Bewegung der Palette auf der Schienenkonstruktion bei Erforderlichkeit für Erreichbarkeit dahinter liegender Tiefgaragenplätze); s. dazu Hügel/Elzer, DNotZ 2014, 403 ff. 203 BGH v. 28.10.2016 – V ZR 91/16, MDR 2017, 567 = NZM 2017, 602 = WuM 2017, 168 = ZfIR 2017, 242 = ZMR 2017, 256 = ZWE 2017, 180; BayObLG v. 18.12.2003 – 2Z BR 203/03, ZMR 2004, 357. Vgl. auch BayObLG v. 27.4.2001 – 2Z BR 70/00, NZM 2001, 1138 = ZMR 2001, 829 = ZWE 2001, 424. 204 BGH v. 22.3.2019 – V ZR 145/18, ZMR 2019, 625 = ZNotP 2020, 33 = ZWE 2019, 322 und LG Stuttgart v. 13.7.2020 – 2 S 3/20, ZWE 2021, 93. Zur Auslegung beim Sondernutzungsrecht an einem Raum LG Berlin v. 3.6.2021 – 55 S 115/20 MDR 2021, 1525 = ZMR 2022, 143 = ZWE 2022, 54 (Kosten für Wand nicht allein der Sondernutzungsberechtigte). 205 Vgl. BGH v. 28.6.1984 – VII ZB 15/83, BGHZ 92, 18 = MDR 1984, 928 = NJW 1984, 2576; s. dazu Drasdo, RNotZ 2018, 94, 95. 206 KG v. 7.2.2005 – 24 W 81/03, MietRB 2005, 267 = ZMR 2005, 569. 207 Zur Unzulässigkeit einer Beschlussfassung bis 1.12.2020 s. BayObLG v. 4.3.2004 – 2Z BR 244/03, MietRB 2004, 238 = NZM 2004, 659 = WuM 2004, 425 = ZMR 2004, 605. 208 Pfälz. OLG v. 5.6.1986 – 3 W 96/86, NJW-RR 1986, 1338. Die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist kein außenstehender Dritter; insofern dürfte nichts entgegenstehen, zu ihren Gunsten ein Sondernutzungsrecht zu begründen, das beispielsweise durch Vermietung genutzt werden kann. 209 Vgl. OLG Düsseldorf v. 18.6.2012 – 9 U 228/11, IMR 2012, 380 und Lutz, NotBZ 2014, 209, 210.
92 | Grziwotz
IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 59 § 5 WEG
räume sowie Saunen. Wird diesbezüglich kein Berechtigungsverhältnis geregelt, so kommt es auf die Art des Sondernutzungsrechtes hinsichtlich des Verhältnisses mehrerer Sondernutzungsberechtigter an. In einem Gebäude in einer Mehrhausanlage dürften die Miteigentumsanteile der in diesem Haus befindlichen Sondereigentumseinheiten maßgeblich sein. Anders ist dies, wenn Stellplätze oder Lagerräume gemeinschaftlich genutzt werden dürfen. In diesem Fall wird man eher davon ausgehen können, dass es auf die Zahl der Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten ankommt und auf jede ein gleicher Nutzanteil entfällt. Nach h.M. kann ein Sondernutzungsrecht auch dem Bruchteil eines Wohnungs- oder Teileigentums zugeordnet werden; auch die entsprechende Regelungsmöglichkeit beim Miteigentum spricht dafür.210 Umstritten ist, ob an denjenigen Teilen des zwingenden Gemeinschaftseigentums gem. 58 Abs. 2, 2. Alt., an denen kein Sondereigentum begründet werden kann, ein Sondernutzungsrecht zulässig ist. Bedeutung hat dies insbesondere im Hinblick auf moderne Formen der Beheizung von Wohnanlagen. Hierzu steht die herrschende Meinung auf dem Standpunkt, dass an der gemeinsamen Heizanlage auch kein Sondernutzungsrecht begründet werden kann. Sie macht allerdings Ausnahmen, wenn mittels der gemeinsamen Heizungsanlage nicht nur die Wohnungs- und Teileigentümer des betroffenen Grundstücks, sondern auch externe Dritte versorgt werden (vgl. Rz. 30). Dies ist allerdings inkonsequent. Der Umstand, dass zusätzlich Dritte versorgt werden, ändert nichts daran, dass das gemeinschaftliche Eigentum insoweit dem gemeinschaftlichen Gebrauch dient. Die Mitversorgung Dritter hebt nicht die Notwendigkeit auf, dass die Wohnungs- und Teileigentümer des betroffenen Objektes auf die Heizung angewiesen sind. Nach der hier (vgl. Rz. 31) vertretenen Ansicht schließt die Notwendigkeit des gemeinsamen Gebrauchs ein Sondernutzungsrecht jedoch nicht aus, da dieses, selbst wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart ist, nur in dem Umfang besteht, als der sondernutzungsberechtigte Wohnungs- oder Teileigentümer die Versorgung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentumseinheiten im Rahmen der in der betreffenden Gemeinde üblichen Versorgungsbedingungen, insbesondere auch zu dem diesbezüglichen Preis, durchführt. Der gemeinschaftliche Gebrauch der Heizungsanlage, der für die Wohnungs- und Teileigentümer notwendig ist und deshalb diese grundsätzlich zum zwingenden Gemeinschaftseigentum macht, besteht nämlich in der Nutzung dieser Anlage durch den Bezug von Wärme, nicht jedoch in der Möglichkeit, selbst „die Kohlen einzulegen“. Demzufolge kann die Wohnungseigentümergemeinschaft mit einem sondernutzungsberechtigten Wohnungs- und Teileigentümer einen Liefervertrag abschließen, ebenso wie dies mit einem außenstehenden Dritten möglich ist. Aus der Einschränkung des Kreises der Berechtigten ergibt sich, dass auch eine Übertragung 59 von Sondernutzungsrechten nur innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft möglich ist.211 Besteht für das Sondereigentum eine Veräußerungsbeschränkung nach § 12, gilt diese 210 Ebenso BGH v. 10.5.2012 – V ZB 279/11, MDR 2012, 1024 = MietRB 2012, 238 = DNotZ 2012, 769 = FGPrax 2012, 188 = MittBayNot 2013, 133 = NJW-RR 2012, 1157 = NZM 2012, 837 = notar 2012, 290 = Rpfleger 2012, 512 = WuM 2012, 462 = ZfIR 2012, 752 = ZMR 2012, 795; BGH v. 20.2.2014 – V ZB 116/13, MDR 2014, 520 = NJW 2014, 1879 = DNotZ 2014, 448 = MietRB 2014, 172 = MittBayNot 2014, 442 = NotBZ 2014, 217 = NZG 2014, 576 = NZM 2014, 395 = Rpfleger 2014, 362 = ZfIR 2014, 441 = ZMR 2015, 232 = ZWE 2014, 211; OLG Nürnberg v. 3.8.2011 – 10 W 302/11, MDR 2011, 1227 = MietRB 2011, 382 = DNotZ 2012, 144 = MittBayNot 2012, 42; a.A. KG v. 30.12.2003 – 1 W 64/03, 1 W 65/03, MietRB 2004, 235 und OLG München v. 21.11.2011 – 34 Wx 357/11, MietRB 2012, 16 = NotBZ 2012, 55. S. dazu Falkner in Weber (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 2017, 85, 89. 211 S. nur BGH v. 3.7.2008 – V ZR 20/07, NZM 2008, 732; OLG München v. 11.5.2012 – 34 Wx 137/ 12, NJW-RR 2013, 135 = MietRB 2012, 267; OLG München v. 18.4.2013 – 34 Wx 363/12, NotBZ 2013, 318 = NJOZ 2013, 1484 = Rpfleger 2013, 514 = ZMR 2013, 845 = ZWE 2013, 357 = MietRB 2013, 242; OLG München v. 4.7.2014 – 34 Wx 153/14, MittBayNot 2015, 36, 37 = ZWE 2014, 401 Grziwotz | 93
§ 5 WEG Rz. 59 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums nicht automatisch auch bei der bloßen Veräußerung eines Sondernutzungsrechtes. Allerdings kann die Einräumung des Sondernutzungsrechtes auch dahingehend beschränkt werden, dass seine Übertragung nur mit Zustimmung entsprechend § 12 möglich ist. Da das im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht verdinglicht ist, ist zur Übertragung eine Einigung bzw. eine einseitige Bewilligung, wenn Eigentümer beider betroffenen Einheiten dieselbe Person ist, und die Eintragung im Grundbuch erforderlich.212 Grundbuchrechtlich ist für die Einigung die Beurkundung oder die öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben (§ 29 GBO). Die Übertragung kann durch eine Vormerkung auf Erwerb des Nutzungsrechtes gesichert werden.213 Ein Sondernutzungsrecht kann auch geteilt und nur teilweise übertragen werden.214 Ein gutgläubiger Erwerb ist möglich.215 Da es sich nur um eine Gebrauchsregelung handelt, kann das Sondernutzungsrecht nicht belastet werden, insbesondere nicht mit dinglichen Rechten. Umstritten ist, ob eine Belastung des Wohnungs- und Teileigentums, mit dem das Sondernutzungsrecht verbunden ist, mit einer Dienstbarkeit möglich ist, wenn der Ausübungsbereich der Dienstbarkeit ausschließlich das Sondernutzungsrecht betrifft. Dies wird von der h.M. verneint.216 Mit einer Dienstbarkeit kann nämlich nur Eigentum, nicht jedoch eine verdinglichte Gebrauchsbefugnis belastet werden. Hiervon zu unterscheiden ist die Berechtigung eines Dienstbarkeitsberechtigten, dessen Recht das Wohnungs- oder Teileigentum betrifft (z.B. Wohnungsrecht, Mitbenutzungsrecht, Nießbrauchsrecht), im Rahmen der eingeräumten Nutzungsbefugnis auch die entsprechende Gebrauchsregelung (z.B. Kfz-Stellplatz) mitzunutzen.217 Besteht an einer Fläche eine Dienstbarkeit, hindert dies nicht die Einräumung eines Sondernutzungsrechts;218 allerdings kann die Dienstbarkeit der Nutzung durch den Sondernutzungsberechtigten entgegenstehen.
212 213
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217 218
= NotBZ 2014, 472; Drasdo, NJW-Spezial 2014, 353; Falkner, ZNotP 2017, 251, 252; LehmannRichter, ZWE 2018, 385, 389. Zur Notwendigkeit der Voreintragung bei der Übertragung s. OLG München v. 13.10.2016 – 34 Wx 185/15, MietRB 2016, 355 = Rpfleger 2017, 144 = ZfIR 2016, 806 = ZMR 2016, 896 = ZWE 2017, 32. BGH v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145 = MDR 1979, 299 = MittBayNot 1978, 206 = NJW 1979, 548. Zur bloßen obligatorischen Nutzungseinräumung s. Schl.-Holst. OLG v. 12.9.2001 – 4 U 110/00, ZWE 2002, 427. BayObLG v. 22.1.1979 – 2 Z 77/77, DNotZ 1979, 307. Umstr., aber wohl zu bejahen ist, ob für die Verjährung des Anspruchs auf Bestellung eines Sondernutzungsrechts statt der Regelverjährung nach § 195 BGB die verlängerte Verjährungsfrist für dingliche Rechte an einem Grundstück (§ 196 BGB) entsprechend gilt. BayObLG v. 6.3.1986 – BReg. 2 Z 76/85, DNotZ 1988, 30; OLG Köln v. 28.5.1993 – 2 Wx 11/93, ZMR 1993, 428; DNotI-Report 2014, 66. BGH v. 20.3.2020 – V ZR 317/18, BGHZ 225, 136 = MDR 2020, 783 = DNotZ 2021, 37 = RNotZ 2020, 447 = ZfIR 2020, 533 = ZWE 2020, 328; OLG Hamm v. 21.10.2008 – I-15 Wx 140/08, MietRB 2009, 138; LG München I v. 14.2.2011 – 1 S 15864/10, MietRB 2011, 217 = IMR 2011, 201 = ZWE 2011, 232; LG München I v. 19.12.2018 – 1 S 391/18, MietRB 2019, 276 = ZMR 2019, 382; LG München I v. 19.12.2018 – 1 S 390/18, ZWE 2019, 316 und Böttcher, ZNotP 2013, 162, 163; vgl. Pfälz. OLG v. 5.11.2012 – 3 W 127/12, MietRB 2013, 47 = FGPrax 2013, 25 = NJW-RR 2013, 85 = MittBayNot 2014, 56 = RNotZ 2013, 301; Spielbauer, ZWE 2017, 19, 21. Str., s. BayObLG v. 30.4.1997 – 2Z BR 5/97, DNotZ 1998, 125 = MittBayNot 1997, 292 = NJW-RR 1997, 1236 = WuM 1997, 386 = ZfIR 1997, 546; BayObLG v. 11.9.1997 – 2Z BR 120/97, BayObLGZ 1997, 282 = DNotZ 1998, 384 = MittBayNot 1998, 34, 35; Schl.-Holst. OLG v. 3.8.2011 – 2 W 2/ 11, MietRB 2012, 112 = NotBZ 2011, 408 = FGPrax 2011, 283 = DNotZ 2012, 359; OLG Düsseldorf v. 20.2.2019 – I-3 Wx 191/17, DNotZ 2020, 44, 46 = NotBZ 2020, 50. Nicht allerdings mit dem ausschließlichen Inhalt der Nutzung des Ausübungsbereichs des Sondernutzungsrechts (Pfälz. OLG v. 22.12.1998 – 3 W 232/98, MittBayNot 1999, 378 = MittRhNotK 1999, 240 = NJW-RR 1999, 1389 = NZM 1999, 771 = ZfIR 1999, 524). OLG München v. 12.4.2013 – 34 Wx 124/13, MDR 2013, 1156 = MietRB 2013, 272 = NJW-RR 2013, 1483 = NotBZ 2013, 320. Zur umgekehrten Zuordnung der Ausübungsbefugnis einer Dienstbarkeit an einem fremden Grundstück als Sondernutzungsrecht s. DNotI-Report 2016, 64 f.
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IV. Inhalt des Sondereigentums (Abs. 4) | Rz. 60b § 5 WEG
Die Löschung eines eingetragenen Sondernutzungsrechts bedarf grundbuchrechtlich ledig- 60 lich der Bewilligung des betreffenden Wohnungs- und Teileigentümers gemäß § 29 GBO.219 Ggf. müssen die an dem betreffenden Wohnungs- und Teileigentum dinglich Berechtigten der Aufhebung zustimmen.220 Dies gilt auch bei einer Aufhebung und anschließenden Neubegründung.221 Materiell-rechtlich bedarf die Aufhebung der Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer und der Eintragung im Grundbuch.222 Sie bedarf – anders als die Bewilligung der Löschung (§ 29 GBO) – keiner Form. Ein Aufhebungsbeschluss ist nicht ausreichend.223 Die Aufhebung darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob das dann unbeschränkte Gemeinschaftseigentum allen Wohnungseigentümern zugänglich ist.224 Von der Löschung ist der teilweise Entzug eines Sondernutzungsrechts zu unterscheiden. Es 60a handelt sich um den Fall, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten (z.B. Stellplatznachweis, Kinderspielplatz, Besucherparkplätze) einen Teil des Sondernutzungsbereichs benötigt. Ist der betroffene Eigentümer nach Treu und Glauben bzw. nach Maßgabe von § 10 Abs. 2 zur Zustimmung verpflichtet, steht ihm ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs zu.225 Allerdings kommt es hinsichtlich der Höhe des Geldausgleichs auf den Zweck der Nutzung (z.B. Gartenfläche) und nicht die allgemeine baurechtliche Qualität des Grundstücks an.226 Soll an der Fläche eines Sondernutzungsrechts (z.B. Stellplatz im Freien oder erbenerdige 60b Terrasse bzw. Gartenfläche) nunmehr Sondereigentum begründet werden, sind hierzu neben dem Aufteilungsplan und der Abgeschlossenheitsbescheingung die Einigung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentümer sowie die Zustimmung der an einzelenen Einheiten eingetragenen Berechtigten erforderlich. 227 Auch an Stellplätzen wandelt sich ds bisherige Sondernutzungsrecht trotz der Fiktion des § 3 Abs. 1 S. 2 nicht automatisch in Sondreigentum 219 BGH v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133 = MDR 2001, 80 = DNotZ 2001, 381 = NJW 2000, 3644 = NZM 2000, 1187 = ZfIR 2000, 884 = ZMR 2001, 119 = ZWE 2001, 63; BayObLG v. 30.3.2000 – 2Z BR 18/00, BayObLGZ 2000, 96 = MDR 2000, 757 = MittBayNot 2000, 318 = ZfIR 2000, 401; vgl. auch Röll, ZWE 2000, 343 ff. Eine Verwirkung tritt nicht ein (Hans. OLG Hamburg v. 12.2.2003 – 2 Wx 41/01, ZMR 2003, 522). Zur Amtslöschung s. OLG München v. 8.2.2013 – 34 Wx 305/12, MietRB 2013, 331 = NotBZ 2013, 326. 220 BGH v. 15.6.2023 – V ZB 5/22: nicht die Berechtigten eines dinglichen Vorkaufsrecht an einem Wohnungseigentum. 221 OLG München v. 4.2.2014 – 34 Wx 434/13, MietRB 2014, 145 = IMR 2014, 220 = MittBayNot 2014, 244 = NotBZ 2014, 232 = RNotZ 2014, 232 = ZWE 2014, 164; OLG Köln v. 7.2.2018 – 2 Wx 5/18, 2 Wx 10-29/18, FGPrax 2018, 62 = Rpfleger 2018, 446 = ZfIR 2018, 622 = ZWE 2018, 317. 222 BGH v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133 = MDR 2001, 80 = DNotZ 2001, 381 = NJW 2000, 3644 = NZM 2000, 1187 = ZfIR 2000, 884 = ZMR 2001, 119 = ZWE 2001, 63; Ott, NZM 2017, 1, 6; Tank, 2016, 275, 279; a.A. BayObLG v. 30.3.2000 – 2Z BR 18/00, BayObLGZ 2000, 96 = MDR 2000, 757 = MittBayNot 2000, 318 = ZfIR 2000, 401 und Streblow, MittRhNotK 1987, 141, 157. 223 AG Wiesbaden v. 6.9.2013 – 92 C 2186/13, MietRB 2014, 109. 224 OLG Düsseldorf v. 22.3.2013 – I-3 Wx 8/13, MDR 2013, 771 = MietRB 2013, 177 = NJW-RR 2013, 1239 = NZM 2014, 136 = RNotZ 2013, 356 = WuM 2013, 314. 225 BGH v. 23.3.2018 – V ZR 65/17, MDR 2018, 857 = MietRB 2018, 237 = MittBayNot 2019, 41 = NJW-RR 2018, 776 = NZM 2018, 568 = NotBZ 2018, 371 = RNotZ 2019, 19 = WuM 2018, 442 = ZfIR 2018, 521 = ZMR 2018, 681; KG v. 25.1.1999 – 24 W 1354/98, ZMR 1999, 356 = ZWE 2000, 138; BayObLG v. 5.12.2001 – 2Z BR 126/01, NZM 2002, 259 = ZMR 2002, 368 = ZWE 2002, 270. Vgl. auch BGH v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, MDR 2019, 928 = DNotZ 2019, 927 = MittBayNot 2020, 45 = NZM 2019, 592 = NJW 2019, 3716 = ZfIR 2019, 405 = ZWE 2019, 318 und LG Itzehoe v. 21.12.2018 – 11 S 85/16, ZWE 2019, 276. 226 BGH v. 25.1.1999 – 24 W 1394/98, WuM 1999, 714 = ZMR 1999, 356 = ZWE 2000, 138; KG v. 21.5.2001 – 24 W 6221/00, MDR 2001, 1109 = WuM 2001, 352 = NZM 2001, 1138 = ZMR 2001, 847 = ZfIR 2001, 482. 227 OlG Köln v. 11.7.2022 – 2 Wx 138/22, DNotZ 2023, 152 = NotBZ 2023, 231 = Rpfleger 2023, 25 = RNotZ 2022, 542 = ZWE 2023, 78. Vgl. auch Minwegen, WuM 2021, 532f. Grziwotz | 95
§ 5 WEG Rz. 60b | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums um.228 Dies gilt auch, wenn eine entsprechende Verpflichtung in der Teilungserklärung für den Fall einer Gesetztesänderung bereits vorgesehen war.
V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum 61 Die nachfolgende Übersicht folgt der h.M. zur Abgrenzung von Sonder- und Gemein-
schaftseigentum. Sofern man mit der neueren Literatur (vgl. Rz. 48 ff.) die Unterscheidungen von Nachbarwänden, Mit-Sondereigentum und abgesondertem Gemeinschaftseigentum, der Sondereigentumsfähigkeit von Mehrhausanlagen, der Behandlung der Spitzböden und der Sondereigentumsfähigkeit von Versorgungseinrichtungen für wenig schlüssig hält, ergeben sich Abweichungen, die bei besonders wichtigen Beispielen kurz erwähnt werden. 62 – Eine Abwasserhebeanlage, die mehreren Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten dient,
ist Gemeinschaftseigentum. Ein Mit-Sondereigentum der nutzenden Eigentümer wird hieran nicht anerkannt.229 Sondereigentum ist sie, wenn sie nur der Abwasserentsorgung einer einzelnen Einheit dient und zusätzlich zu dieser gehört bzw. deren Bestandteil i.S.d. Abs. 1230 ist. 63 – Eine Abwasserleitung zweier benachbarter Eigentumswohnungen als gemeinsame Lei-
tung, die zur Hauptleitung führt, steht im Nachbareigentum der benachbarten Wohnungs- und Teileigentümer.231 Auf wessen Wandseite die gemeinsam benutzte Rohrleitung verlegt ist, soll unerheblich sein.232 Leitungen, die sich lediglich im Bereich einer Wohnungs-/Teileigentumseinheit befinden und diese versorgen, sind nicht von vornherein Sondereigentum dieser Einheit. Zu dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Versorgungsnetz gehören die Leitungen nämlich nicht nur bis zu ihrem Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums, sondern jedenfalls bis zu der ersten für die Handhabung durch den Wohnungs- und Teileigentümer vorgesehenen Absperrmöglichkeit (Abs. 1).233 Nicht durch Ventile, Eckverbindungen und ähnliche Zwischenstücke unterteilte Leitungen sind danach ohnehin eine einheitliche Sache, an der nur einheitliches 228 AG Karlsruhe v. 23.8.2022 – 6 C 1041/22 WEG, MietRB 2022, 327. 229 Schl.-Holst. OLG v. 29.9.2006 – 2 W 108/06, MietRB 2007, 149 = DNotZ 2007, 620 = FGPrax 2007, 169 = RNotZ 2007, 279 = ZMR 2007, 726; OLG Hamm v. 23.12.2004 – 15 W 107/04, MietRB 2006, 42 = ZMR 2005, 806; OLG Düsseldorf v. 30.10.2000 – 3 Wx 276/00, NZM 2001, 752 = ZMR 2001, 216 = ZWE 2001, 223 und LG Itzehoe v. 20.9.2011 – 11 S 66/10, MietRB 2012, 301. 230 BayObLG v. 15.1.2003 – 2Z BR 101/02, NJW-RR 2003, 587 = NZM 2003, 239 = WuM 2003, 292 = ZMR 2003, 433, 434; weitergehend Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 50, wonach ein funktionaler Zusammenhang für die Bejahung von Sondereigentum genügen soll, auch wenn sich die Anlage im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums befindet. 231 Pfälz. OLG v. 7.11.1986 – 3 W 152/86, NJW-RR 1987, 332. 232 Pfälz. OLG v. 7.11.1986 – 3 W 152/86, NJW-RR 1987, 332. Zu einem Lüftungsrohr s. Hans. OLG Hamburg v. 14.3.2003 – 2 Wx 2/00, ZMR 2003, 527. 233 BGH v. 26.10.2012 – V ZR 57/12, MDR 2013, 456 = MietRB 2013, 147 = DNotZ 2013, 522 = MittBayNot 2013, 304 = NJW 2013, 1154 = NZM 2013, 272 = Rpfleger 2013, 318 = WuM 2013, 244 = ZfIR 2013, 377 = ZMR 2013, 454; vgl. auch BayObLG v. 12.11.1992 – 2Z BR 96/92, WuM 1993, 79; BayObLG v. 31.10.2001 – 2Z BR 68/01, NJOZ 2002, 568; LG Saarbrücken v. 18.12.2015 – 5 S 17/15, ZWE 2016, 187; LG Waldshut-Tiengen v. 8.9.2017 – 2 O 129/16, ZMR 2018, 78; AG Hannover v. 23.4.2007 – 72 II 89/07, ZMR 2008, 670; AG Bremen-Blumenthal v. 20.12.2017 – 44 C 2004/17, ZMR 2018, 370; a.A. noch Dickersbach in 1. Aufl., § 5 WEG Rz. 33. Teilw. einschränkend Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 L (nur soweit Verlegung ohne Eingriff in Gemeinschaftseigentum möglich ist). Zur Zuordnung zum Gemeinschaftseigentum s. OLG Düsseldorf v. 25.5.1998 – 3 Wx 29/98, NJW-RR 1999, 94 = NZM 1998, 864 = WuM 1998, 737 = ZMR 1998, 652. Zur Leitung, die allein einer Einheit dient, s. BGH v. 18.12.2020 – V ZR 193/19 NZM 567, 568 = NJW-RR 2021, 610 = ZMR 2021, 372 = ZWE 2022, 41.
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V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum | Rz. 66 § 5 WEG
Eigentum bestehen kann. Maßgebend ist jedoch, dass Wasser- und Heizungsleitungen erst von dem Punkt an ihre Zugehörigkeit zu dem Gesamtnetz verlieren, an dem sie sich durch eine im räumlichen Bereich des Sondereigentums befindlichen Absperrvorrichtung hiervon trennen lassen.234 (Haupt-)Versorgungsleitungen sind Gemeinschaftseigentum, auch wenn sie sich in einer Wohnung befinden (Abs. 2).235 Rückstausicherungen (Ventile) von Waschmaschinen gehören zum Gemeinschaftseigentum, sofern sie sich im gemeinsamen Waschmaschinenkeller befinden.236 Diese Unterscheidung gilt entsprechend auch für andere Leitungen (wie z.B. Wasser-, Strom-, Lüftungs-, Heizungsleitungen) sowie für Kabel (z.B. Telefonkabel).237 Steckdosen und Lichtschalter sind innerhalb der Wohnung Sondereigentum. Demgegenüber sind sie als Außenanschlüsse (z.B. Außenzapfstelle) Gemeinschaftseigentum, sofern sie nicht funktionell zu einer Einheit gehören.238 – Eine Alarmanlage, die mehreren Einheiten dient, ist Gemeinschaftseigentum. Eine Aus- 64 nahme gilt, wenn sie nur eine Wohnungs- oder Teileigentumseinheit sichert und Bestandteil i.S.d. Abs. 1 ist, also insbesondere auch die äußere Gestalt des Gebäudes nicht berührt wird.239 – Beim Anstrich ist wie beim Putz zwischen Außen- und Innenanstrich zu unterscheiden. 65 Der Außenanstrich betrifft die äußere Gestaltung und ist deshalb Gemeinschaftseigentum (Abs. 1). Dagegen ist der Innenanstrich als Bestandteil von Räumen des Sondereigentums auch selbst Sondereigentum (Abs. 1). – Für Antennenanlagen gelten nach h.M. dieselben Grundsätze wie zu Heizungsanlagen, 66 die allerdings auch hier wenig konsequent sind. Im Sondereigentum kann eine Anlage deshalb nur stehen, wenn sie nur einer Einheit dient und ferner Bestandteil i.S.v. Abs. 1 ist, was regelmäßig wegen der Beeinträchtigung der äußeren Gestalt des Gebäudes nicht der Fall sein wird. Sondereigentum soll sie ferner dann sein können, wenn sie auch der „Versorgung“ benachbarter Häuser dient; auch hier müssen aber die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, so dass auch insoweit wegen der Beeinträchtigung der äußeren Gestalt kaum Sondereigentum anzunehmen sein wird.240 Eine mehrere Einheiten des Gebäudes versorgende Antennenanlage, an die nicht auch Nachbargrundstücke angeschlossen sind, steht nach h.M. im Gemeinschaftseigentum. Gleiches gilt für andere Anlagen des Rundfunk- und Fernsehempfangs. 234 BGH v. 26.10.2012 – V ZR 57/12, MDR 2013, 456 = MietRB 2013, 147 = DNotZ 2013, 522 = MittBayNot 2013, 304 = NJW 2013, 1154 = NZM 2013, 272 = Rpfleger 2013, 318 = WuM 2013, 244 = ZfIR 2013, 377 = ZMR 2013, 454 in Abweichung zu BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, MDR 2011, 1095 = MietRB 2011, 318 f. = DNotZ 2012, 58 = NJW 2011, 2958 = NZM 2011, 750 = WuM 2011, 648 = ZfIR 2011, 833 = ZMR 2011, 971; LG Köln v. 21.4.2016 – 29 S 158/15, juris = NRWE; AG Köln v. 30.6.2015 – 215 C 38/15; teilw. abw. AG Hamburg-St. Georg v. 28.4.2017 – 80b 69/16, ZWE 2018, 140. S. dazu Hügel/Elzer, DNotZ 2013, 487 ff. 235 BayObLG v. 12.11.1992 – 2Z BR 96/92, WuM 1993, 79; Hans. OLG Hamburg v. 14.3.2003 – 2 Wx 2/00, ZMR 2003, 527; VG Magdeburg v. 15.6.2017 – 7 A 213/16, ZWE 2018, 229; LG Dortmund v. 23.6.2017 – 17 S 226/16, ZMR 2020, 218; LG Dortmund v. 30.6.2017 – 17 S 232/16, ZWE 2017, 455; LG Krefeld v. 29.11.2017 – 2 O 143/17, juris = NRWE; noch enger LG München I v. 8.11.2010 – 1 S 10608/10, ZfIR 2011, 114. 236 OLG Köln v. 19.12.1997 – 16 Wx 293/97, WuM 1998, 308; a.A. AG Hannover v. 20.4.2004 – 7 T II 548/03, ZMR 2004, 786. 237 LG Berlin v. 21.8.2018 – 15 O 355/17, ZfIR 2020, 479; AG Nagold v. 22.10.2018 – 3 C 225/18, IMR 2019, 32. 238 Vgl. AG Hamburg-Blankenese v. 18.3.2020 – 539 C 19/19, Juris = Justiz Hamburg. 239 Wohl weitergehend Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 A, der wiederum einen funktionalen Zusammenhang ausreichen lässt. 240 Weitergehend Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 A; enger BGH v. 8.11.1974 – V ZR 120/ 73, NJW 1975, 688. Grziwotz | 97
§ 5 WEG Rz. 67 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums 67 – Aufzugsanlagen sind nach h.M. grundsätzlich Gemeinschaftseigentum, und zwar auch
dann, wenn jedes Haus über eine eigene Aufzugsanlage verfügt. Eine Abweichung soll dann gelten, wenn der Aufzug nur einer einzigen Wohnungs- oder Teileigentumseinheit dient. In diesem Fall können der Raum (Aufzugskabine) sowie die ihm zugeordneten Bestandteile sondereigentumsfähig sein.241 Nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 7) ist Sondereigentum bei Mehrhausanlagen jeweils getrennt möglich. 68 – Umstritten ist die Zuordnung von Balkonen. Teilweise242 wird die Sondereigentumsfähig-
keit von Balkonen generell verneint. Die h.M. geht davon aus, dass Teile der Balkone sondereigentumsfähig sind.243 Allerdings setzt das Vorliegen von Sondereigentum voraus, dass es gemäß Abs. 1 begründet wird.244 Selbst wenn Gemeinschaftseigentum vorliegt, soll kein Mitgebrauch der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer bestehen,245 da ein faktisches oder stillschweigendes Sondernutzungsrecht desjenigen Eigentümers anzunehmen wäre, der die alleinige Zugangsmöglichkeit zu dem Balkon über sein Sondereigentum hat.246 Die konstruktiven Teile des Balkons, zu denen die Bodenplatte, die Isolierschicht,
241 Zur Auslegung einer diesbezüglichen Vereinbarung vgl. Dt. SchiedsG WEG Berlin, Beschl. v. 16.7.2003 – Sch/S/VIII, ZWE 2004, 186. 242 Vgl. Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 7 f. Vgl. auch BGH v. 25.1.2001 – VII ZR 193/99, NJW-RR 2001, 800 = NZM 2001, 435 = BauR 2001, 798. Nach LG Wuppertal v. 28.10.2008 – 6 T 223, 225-241/08, RNotZ 2009, 48 besteht bei fehlender Zuordnung Gemeinschaftseigentum. Zur Umdeutung in eine Kostentragungsregelung s. LG Düsseldorf v. 18.5.2001 – 19 T 81/01, NZM 2002, 126. Zur Auslegung einer Kostentragungsregel s. BGH v. 16.11.2012 – V ZR 9/12, MDR 2013, 22 = MietRB 2013, 13 = MittBayNot 2013, 128 = NJW 2013, 681 = NZM 2013, 88 = WuM 2013, 57 = ZMR 2013, 290 = ZWE 2013, 29 und AG Kiel v. 7.7.2011 – 108 C 341/10, IMR 2011, 509. Zur Begründung von Wohnungseigentum bei überhängenden Balkonen und Erkern s. KG v. 23.7.2015 – 1 W 759/15, MDR 2015, 999 = MittBayNot 2016, 31 = NotBZ 2016, 43 = NJOZ 2015, 1833 = Rpfleger 2016, 23 = ZMR 2015, 882 = ZWE 2015, 361 und LG Hamburg v. 21.7.2021 – 318 S 77/20, ZMR 2021, 924. Zu den Voraussetzungen der Umdeutung einer unzulässigen Erklärung der Balkone zu Sondereigentum in eine Kostentragungsregelung s. AG Hamburg-St.-Georg v. 11.9.2020 – 980a C 7/20, IMR 2021, 168 = MietRB 2021, 20 und AG Köln v. 18.7.2022 – 215 C 60/21, IMR 2023, 2106. 243 KG v. 8.11.2016 – 1 W 493/16, MDR 2017, 203 = DNotZ 2017, 119 = FGPrax 2017, 3 = MittBayNot 2017, 572 (LS) = NJW 2017, 1546 = NotBZ 2017, 36 (LS) = NZM 2017, 371 = RNotZ 2017, 95 = Rpfleger 2017, 133 = WuM 2017, 54 = ZfBR 2017, 136 = ZfIR 2017, 113 = ZWE 2017, 84 (LS); AG Berlin-Spandau v. 7.11.2017 – 70 C 55/17, ZMR 2018, 638. Für zwingendes Sondereigentum OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 247/11, MietRB 2011, 382 = DNotZ 2012, 364 = FGPrax 2011, 281 = MittBayNot 2012, 215 = RNotZ 2012, 41 = ZfIR 2011, 881 = ZMR 2012, 118; aber nunmehr offen gelassen von OLG München v. 25.6.2020 – 34 Wx 327/19, FGPrax 2020, 206, 207 = Rpfleger 2021, 92. Zum Ganzen Steiner/Steiner, NZM 2020, 578, 580 und Kümmel, NotBZ 2022, 441, 445. 244 Wie hier LG Itzehoe v. 19.7.2016 – 11 S 113/15, ZWE 2017, 279, 280 und LG Itzehoe v. 6.5.2020 – 11 S 46/19, IMR 2020, 464 = ZMR 2020, 683. A.A. Sondereigentum kraft Zuordnung zur betreffenden Wohnungs- und Teileigentumseinheit, vgl. OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 247/11, MietRB 2011, 382 = DNotZ 2012, 364 = FGPrax 2011, 281 = MittBayNot 2012, 215 = RNotZ 2012, 41 = ZfIR 2011, 881 = ZMR 2012, 118 und Schmidt, MittBayNot 2001, 442, 446. Dagegen spricht, dass eine diesbezügliche Vermutung nur für Bestandteile besteht, die nicht Räume sind (so Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 B). Allerdings kann hiergegen wiederum eingewandt werden, dass einzelne Teile des Balkons durchaus Bestandteile der angrenzenden Wohnungs- und Teileigentumseinheit sind und die Frage des Vorliegens eines Raumes streitig ist. 245 S. nur Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55B. 246 BayObLG v. 17.9.2003 – 2Z BR 179/03, MietRB 2004, 79 = NJW-RR 2004, 1240 = NZM 2004, 384 = ZMR 2004, 132 und OLG München v. 25.6.2020 – 34 Wx 327/19, FGPrax 2020, 206 = Rpfleger 2021, 32. Vgl. Häublein, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, 2003, S. 27. Anders für eine Dachfläche BayObLG v. 23.11.1999 – 2Z BR 142/99, NZM 2000, 504 = ZWE 2000, 78.
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V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum | Rz. 70 § 5 WEG
die Balkonbrüstung und die Decke gehören, stehen im Gemeinschaftseigentum.247 Dies gilt auch für Balkontüren und die Türschwellen.248 Dagegen können der Innenputz und der Balkonbelag, sofern es sich nicht um die Isolierschicht handelt, Sondereigentum sein.249 Die Balkontrennwand wird teilweise für gemeinschaftliches Eigentum gehalten;250 allerdings ist unklar, welcher Unterschied zur Nachbarwand besteht. – Der Bodenbelag (Fliesen, Linoleum, Parkett, Teppich) in einem im Sondereigentum ste- 69 henden Raum gehört ebenfalls als Bestandteil zum Sondereigentum.251 Eine Isolierung gegen Schall, Feuchtigkeit und Wärmeverlust gehört dagegen zum Gemeinschaftseigentum (Abs. 2).252 Zum Estrich s. dort. – Ein Carport (auch Remise), also eine Holz-, Stahl-, Aluminium- oder Kunststoffkon- 70 struktion mit einem Dach, die meist nach allen Seiten offen ist, bei der aber auch die Seiten bis auf die Einfahrt geschlossen sein können,253 ist weder Raum noch Gebäude und kann deshalb nicht als solcher, sondern nur als Bestandteil eines Stellplatzes bzw. einer Grundstückssondereigentumsfläche (Abs. 1 Satz 2) sondereigentumsfähig sein. In der
247 BayObLG v. 27.7.1989 – BReg. 2 Z 68/89, NJW-RR 1989, 1293; OLG Düsseldorf v. 12.1.1998 – 3 Wx 546/97, NJW-RR 1998, 515 = NZM 1998, 269 = ZMR 1998, 304; OLG Hamm v. 16.9.1988 – 26 U 57/88, ZMR 1989, 98; BayObLG v. 1.10.1998 – 2Z BR 144/98, NZM 1999, 27 = ZMR 1999, 59 = MittBayNot 1999, 288 = ZfIR 1999, 197; OLG Düsseldorf v. 21.12.1998 – 3 Wx 418/98, NZM 1999, 507 = ZMR 1999, 350; Hans. OLG Hamburg v. 19.9.2000 – 2 Wx 35/96, ZMR 2001, 133; OLG Düsseldorf v. 25.7.2003 – 23 U 78/02, BauR 2004, 514; OLG München v. 30.1.2007 – 34 Wx 116/06, DNotZ 2007, 690 = NZM 2007, 369; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 247/11, MietRB 2011, 382 = DNotZ 2012, 364 = MittBayNot 2012, 215 = RNotZ 2012, 41 = ZMR 2012, 118 = ZWE 2012, 37; LG Itzehoe v. 22.6.2018 – 11 S 31/17, IMR 2019, 25; AG Frankenthal v. 30.11.2016 – 3a C 315/16, juris = Justiz Rheinland-Pfalz; AG Würzburg v. 15.11.2018 – 30 C 2358/17, ZMR 2019, 379; Greiner, ZMR 2022, 530. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 9.8.1991 – 22 U 20/91, ZMR 1991, 486, das dies auch auf den Anstrich dieser Teile, insbesondere auch der Innenseiten der Balkonbrüstung, annimmt. S. ferner LG Düsseldorf v. 18.5.2001 – 19 T 81/01, NZM 2002, 126 und BayObLG v. 4.9.2003 – 2Z BR 114/03, NJW-RR 2004, 375 = NZM 2004, 106 zu einer Umdeutung bzw. Auslegung. Ausführlich Bielefeld, DWE 1982, 72 ff. Zur Gestaltung der Verglasung s. OLG Düsseldorf v. 20.9.1999 – 3 Wx 230/99, ZWE 2001, 79. 248 OLG Karlsruhe v. 29.5.2009 – 4 U 160/08, IMR 2012, 163; BGH v. 22.12.2011 – VII ZR 120/09, IMR 2012, 162. 249 Vgl. BayObLG v. 20.3.1991 – 2 Z 8/91, BayObLG v. 20.3.1991 – BReg. 2 Z 8/91, NJW-RR 1991, 976; BayObLG v. 5.5.1993 – 2Z BR 29/93, WuM 1993, 488; LG Köln v. 11.10.2018 – 29 S 56/18, ZWE 2019, 219. Vgl. zum Problem J. Steiner/J.-M. Steiner, NZM 2020, 578, 579. 250 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 195/11, MDR 2012, 898 = NJW 2012, 2725 = BauR 2012, 1641 = NZM 2012, 611 = WM 2013, 660 = ZfIR 2012, 641 = MietRB 2012, 233; BayObLG v. 15.2.1984 – BReg. 2 Z 111/83, WuM 1985, 31 und Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 B. 251 BayObLG v. 16.12.1993 – 2Z BR 113/93, NJW-RR 1994, 598 = ZMR 1994, 167; OLG Düsseldorf v. 27.2.2002 – 3 Wx 348/01, NJW-RR 2002, 805 = NZM 2002, 443 = WuM 2002, 276 = ZMR 2002, 613, 614 = ZWE 2002, 420; LG Hamburg v. 12.7.2017 – 318 S 31/16, NJOZ 2018, 1051 = ZWE 2018, 28; AG Hamburg-Altona v. 23.2.2016 – 303c C 4/14; AG Köln v. 16.10.2018 – 215 C 44/18, ZMR 2019, 153. 252 OLG Hamm v. 25.1.2018 – 10 U 111/16, NZM 2018, 914 = ZWE 2018, 265; OLG Köln v. 21.9.2001 – 16 Wx 153/01, NZM 2002, 125 = ZMR 2002, 377 und OLG Düsseldorf v. 7.6.1999 – 3 Wx 131/ 99, NZM 1999, 1860 = ZfIR 1995, 854; OLG Hamm v. 13.8.1996 – 15 W 115/96, NJWE-MietR 1997, 114 = ZMR 1997, 193; OLG Köln v. 21.9.2001 – 16 Wx 153/01, NZM 2002, 125 = ZMR 2002, 377; BayObLG v. 16.12.1993 – 2Z BR 113/93, NJW-RR 1994, 598 = ZMR 1994, 167; BayObLG v. 30.4.1982 – BReg. 2 Z 67/81, MDR 1982, 757 = Rpfleger 1982, 278; LG Karslruhe v. 16.12.2014 – 11 S 14/14, ZWE 2015, 421. Vgl. OLG München v. 30.6.2015 – 9 U 1755/14, juris und Agatsy, MietRB 2020, 155, 158. 253 Vgl. Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55C. Grziwotz | 99
§ 5 WEG Rz. 70 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums Praxis wurden bisher meist Sondernutzungsrechte, welche die Fläche und den Aufbau betreffen, begründet. 71 – Das Dach ist gemäß Abs. 2 gemeinschaftliches Eigentum, und zwar unabhängig von der
Dachform.254 Auch ein Flachdach ist deshalb Gemeinschaftseigentum. Zum Dach gehören die konstruktiven Teile, aber auch die Dachabdeckung, wie z.B. Ziegel, Platten, Blech etc., jedenfalls soweit sie Schutz- bzw. Isolierungsfunktion hat.255
72 – Bei Dachterrassen ist umstritten, ob diese sondereigentumsfähig sind. Dies lässt sich nur
bejahen, wenn man auf eine feste allseitige Abgrenzung für einen Raum verzichtet.256 Allerdings ist es dann wenig konsequent, beim Carport die Raumeigenschaft mangels eines Gebäudes zu verneinen.257 Jedenfalls gehören der Abdichtungsanschluss zwischen Dachterrasse und Gebäude sowie die Isolierschicht zum Gemeinschaftseigentum;258 Gleiches gilt für ein Eisenrohr der Brüstung.259 Anders ist dies hinsichtlich des Terrassenbelags.260
73 – Dielen, Eingangsräume, Korridore, Flure sind nach h.M., auch wenn sie nur zwei Woh-
nungs- oder Teileigentumseinheiten dienen (Vorflur), Gemeinschaftseigentum.261 Gleiches gilt nach h.M. für Flure, die die einzige Verbindung zu zentralen Versorgungseinrichtungen darstellen (vgl. Rz. 32).262
73a – Bei Doppelstock-/Duplex- und Mehrfachgaragen war es bis zur WEG-Reform 2020 um-
stritten, ob jeder einzelne Stellplatz einzeln oder nur die Garage insgesamt sondereigentumsfähig sein kann. Die h.M.263 ging davon aus, dass nur die „Garage“ insgesamt Teil254 BGH v. 25.1.2001 – VII ZR 193/99, BauR 2001, 798 = MittBayNot 2001, 479 = NJW-RR 2001, 800 = NZBau 2001, 265 = NZM 2001, 435; BayObLG v. 30.3.2000 – 2Z BR 2/00, NJW-RR 2000, 1179 = NZM 2000, 674 = WuM 2001, 89 = ZfIR 2000, 376 = ZMR 2000, 471 = ZWE 2000, 308; BFH v. 10.10.2017 – XR 6/16, BFHE 260, 55 = DB 2018, 679 = DStRE 2018, 335 = NZM 2018, 882; AG Wilhelmshaven v. 8.4.2014 – 6 C 331/12, ZMR 2014, 684 = ZWE 2014, 449; Heinemann, ZMR 2017, 716 ff. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 11.4.2003 – 3 Wx 254/07, ZMR 2009, 53 und LG Regensburg v. 25.2.2015 – 1 O 108/14 (2) (4) (Hofüberdachung). 255 OLG Frankfurt v. 9.7.1986 – 20 W 357/85, OLGZ 1987, 23. 256 So OLG Frankfurt v. 9.1.1975 – 20 W 561/74, Rpfleger 1975, 178 und wohl auch LG Köln v. 10.10.2001 – 29 T 321/00, ZMR 2003, 66; Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 D und Krafka in MünchKomm/BGB, § 5 WEG Rz. 12. 257 Gegen die Raumeigenschaft von Dachterrassen OLG Köln v. 21.4.1982 – 2 Wx 13/82, MDR 1982, 757 = OLGZ 1982, 413; Rapp in Staudinger, BGB, § 5 WEG Rz. 7 und Briesemeister in Weitnauer, § 5 WEG Rz. 10. Abw. Kümmel, NotBZ 2022, 441, 446. 258 BGH v. 18.11.2016 – V ZR 49/46, MDR 2017, 696 = NZM 2017, 328 = NJW 2017, 2184 = ZfBR 2017, 446 = ZWE 2017, 266; BGH v. 4.5.2018 – V ZR 163/17, MDR 2018, 986 = NJW-RR 2018, 1419 = NZM 2018, 953 = NotBZ 2018, 459 = Rpfleger 2018, 532; BayObLG v. 27.7.1989 – BReg. 2 Z 68/89, NJW-RR 1989, 1293; BayObLG v. 20.3.1991 – BReg. 2 Z 8/91, NJW-RR 1991, 976; BayObLG v. 17.12.1993 – 2Z BR 105/93, WuM 1994, 152; BayObLG v. 27.4.2000 – 2Z BR 7/00, NJW-RR 2001, 305 = NZM 2000, 867 = ZWE 2001, 31. Zu „Abgrenzungspflanztrögen“ s. BayObLG v. 4.6.1998 – 2Z BR 170/97, NZM 1998, 818. 259 LG Stuttgart v. 8.5.2003 – 10 T 495/02, NJOZ 2004, 61. 260 OLG Celle v. 10.10.2006 – 4 W 136/06, ZMR 2007, 55. 261 BayObLG v. 1.10.1980 – BReg. 2 Z 43/79, MDR 1981, 145 und OLG Hamm v. 11.6.1986 – 15 W 452/85, MDR 1986, 939 = NJW-RR 1986, 1275 = DNotZ 1987, 228. 262 BGH v. 5.7.1991 – V ZR 222/90, MDR 1992, 50 = NJW 1991, 2909 und BayObLG v. 6.2.1986 – BReg. 2 Z 12/85, MDR 1986, 590 = MittBayNot 1986, 78 = DNotZ 1986, 494; BayObLG v. 30.10.2003 – 2Z BR 184/03, DNotZ 2004, 386 = MittBayNot 2004, 192 = RNotZ 2004, 34. Vgl. auch OLG Frankfurt v. 4.4.2011 – 20 W 75/08, MietRB 2011, 350 = ZWE 2011, 414 für einen Durchgang zu einem Gebäude. S. dazu auch Röll, DNotZ 1986, 706 ff. 263 So BayObLG v. 9.2.1995 – 2Z BR 4/95, BayObLGZ 1995, 53 = MDR 1995, 568 = DNotZ 1995, 622 = NJW-RR 1995, 783; OLG Düsseldorf v. 22.3.1999 – 3 Wx 14/99, NZM 1999, 571 = MittBayNot
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V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum | Rz. 74 § 5 WEG
eigentum sein konnte, nicht jedoch der einzelne Stellplatz in Ermangelung der erforderlichen Raumeigenschaft. Von der h.M. wurde die Raumeigenschaft hinsichtlich der gesamten Doppelstock- bzw. Mehrfachgarage bejaht264 bzw. gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 a.F. fingiert.265 Hat man Sondereigentum an der Doppel- bzw. Mehrfachgarage zugelassen, bestand an der Hebebühne und den weiteren konstruktiven Teilen der Doppel- bzw. Mehrfachgarage ebenfalls Sondereigentum und nicht, wovon die früher überwiegende Auffassung ausging, Gemeinschaftseigentum gemäß Abs. 2 als Gebäudebestandteil.266 Strittig war bisher, ob bei Sondereigentum an der ganzen „Garage“, die im Bruchteilseigentum mehrerer Wohnungs- bzw. Miteigentümer steht, Nutzungsrechte an den Einzelstellplätzen begründet werden können.267 Diese vom BGH268 bejahte Lösung hat den Vorteil, dass sie „versteigerungsfest“ ist. Demgegenüber kann bei einer im Grundbuch der Doppelstockgarage eingetragenen Miteigentümervereinbarung mit einer Nutzungsregelung, die auch einen Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich des Miteigentumsanteils bindet (§ 1010 BGB), die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung aus wichtigem Grund nicht ausgeschlossen werden (§ 749 Abs. 2 BGB). Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 können nunmehr die einzelnen Stellplätze Sondereigentum sein, die technische Anlage (Hebebühne und die weiteren konstruktiven Teile) nach h.M. nicht, wenn sie zumindest zwei Teileigentümern von Stellplätzen dienen.269 – Einbaumöbel und Einbauküchen sind nur dann sondereigentumsfähig, wenn sie wesent- 74 liche Bestandteile des Gebäudes und damit des entsprechenden Wohnungs- oder Teileigentums sind; handelt es sich nur um Zubehör, liegt gewöhnliches Eigentum vor.
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2000, 110 = WuM 1999, 426 = ZMR 1999, 500; Thür. OLG v. 20.12.2004 – 9 W 654/03, NotBZ 2005, 219 = Rpfleger 2005, 309. Offen gelassen von BGH v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MDR 2012, 17 = MietRB 2012, 13 = BWNotZ 2011, 212 = NJW-RR 2012, 85 = NZM 2012, 422 = ZWE 2012, 81. Armbrüster in Bärmann, § 3 WEG Rz. 56. M. Müller in Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl. 2021, § 1 Rz. 64 und Rapp in Staudinger, BGB, § 3 WEG Rz. 8. So BGH v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MDR 2012, 17 = MietRB 2012, 13 = NJW-RR 2012, 85 = NZM 2012, 422 = BWNotZ 2011, 212 = ZMR 2012, 377; für Gemeinschaftseigentum noch OLG Celle v. 19.8.2005 – 4 W 162/05, NJW-RR 2005, 1682 = NZM 2005, 871; OLG Düsseldorf v. 22.3.1999 – 3 Wx 14/99, MittBayNot 2000, 110 = NZM 1999, 571 = WuM 1999, 426 = ZMR 1999, 500; BayObLG v. 29.11.1974 – 2 Z 54/74, NJW 1975, 740; LG Dresden v. 24.6.2010 – 2 T 715/08, IMR 2011, 370; LG Stuttgart v. 19.11.2014 – 10 S 4/14, ZWE 2016, 44 und differenzierend Krafka in MünchKomm/BGB, § 5 WEG Rz. 17; für Sondereigentum Häublein, MittBayNot 2000, 112; anders Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 M (Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum oder gewöhnliches Alleineigentum). Zum Gemeinschaftseigentum der Hydraulikanlage, wenn sie für den Betrieb mehrerer Garageneinheiten erforderlich ist s. LG München I v. 5.11.2012 – 1 S 1504/ 12, MietRB 2013, 84 = RNotZ 2013, 177 = ZMR 2013, 308. Bejahend bereits Thür. OLG v. 24.11.1999 – 6 W 715/99, MittBayNot 2000, 443 = MittRhNotK 2000, 71 = ZWE 2000, 232 und BayObLG v. 21.7.1994 – 2Z BR 56/94, NJW-RR 1994, 1427 = DNotZ 1995, 70; a.A. Schöner, Rpfleger 1997, 416 ff.; s. auch Hügel, NotBZ 2000, 349 ff. BGH v. 20.2.2014 – V ZB 116/13, MDR 2014, 520 = NJW 2014, 1879 = DNotZ 2014, 448 = MietRB 2014, 172 = MittBayNot 2014, 442 = NotBZ 2014, 217 = NZG 2014, 576 = NZM 2014, 395 = Rpfleger 2014, 362 = ZfIR 2014, 441 = ZMR 2015, 232 = ZWE 2014, 211, vgl. auch BGH v. 10.5.2012 – V ZB 279/11, MDR 2012, 1024 = MietRB 2012, 238 = DNotZ 2012, 769 = FGPrax 2012, 188 = MittBayNot 2013, 133 = NJW-RR 2012, 1157 = NZM 2012, 837 = Rpfleger 2012, 512 = WuM 2012, 462 = ZfIR 2012, 752 = ZMR 2012, 795; s. dazu Hügel/Elzer, DNotZ 2014, 403 ff. S. nur Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1668 ff.; Müller, ZWE 2020, 445, 446; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 1 Rz. 6. Grziwotz | 101
§ 5 WEG Rz. 75 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums 75 – Der Estrich ist, da er regelmäßig der Trittschall- und sonstigen Geräuschdämmung sowie
als Isolierung dient, Gemeinschaftseigentum.270
76 – Farbe s. Anstrich. 77 – Fenster stehen wie Außenmauern grundsätzlich im Gemeinschaftseigentum.271 Inwieweit
einzelne Teile dem Sondereigentum zugeordnet werden können oder eine einheitliche Betrachtung erfolgen muss, ist umstritten. Jedenfalls bei echten Doppelfenstern (Zweifachfenster) mit zwei Rahmen, die sich öffnen lassen, kann der Innenflügel zum Sondereigentum erklärt werden; automatisches Sondereigentum besteht hieran nicht.272 Bei Einfachfenstern, insb. Isolier- bzw. Verbundglasfenstern und thermoverglasten Fenstern, sind die Fenster insgesamt Gemeinschaftseigentum.273 Ob beim Fensterrahmen hinsichtlich „innen“ und „außen“ in Sonder- und Gemeinschaftseigentum getrennt werden kann, ist fraglich; die wohl h.M. lehnt dies zu Recht ab.274 Außenfensterbänke-, -simse, -bretter stehen im Gemeinschaftseigentum, da sie die äußere Gestaltung des Gebäudes betreffen; an270 BGH v. 22.11.2013 – V ZR 46/13, MietRB 2014, 79 = MittBayNot 2014, 328 = NJW-RR 2014, 527 = NZM 2014, 396; BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16, MDR 2018, 657 = BauR 2018, 1110 = NJW 2018, 2123 = NZM 2018, 626 = MittBayNot 2018, 435 = ZWE 2018, 204; OLG Düsseldorf v. 4.7.2001 – 3 Wx 120/01, NJW-RR 2001, 1594 = NZM 2001, 958 = ZWE 2001, 616 = ZMR 2002, 69; OLG München v. 12.3.1985 – 9 U 4773/84, Rpfleger 1985, 437; LG Arnsberg v. 23.11.2016 – 2 O 265/14, juris = NRWE; LG Düsseldorf v. 29.3.2017 – 25 S 55/16, ZWE 2017, 370; AG Hamburg-Altona v. 23.2.2016 – 303c C 4/14; AG Köln v. 16.10.2018 – 215 C 44/18, ZMR 2019, 153; teilw. abw. Happ, WE 2001, 47 ff. Abw. zur Dämmfolie OLG Hamm v. 25.1.2018 – 10 U 111/16, MietRB 2018, 205 = NZM 2018, 914 = ZWE 2018, 265. 271 BGH v. 22.11.2013 – V ZR 46/13, MietRB 2014, 79 = NJW-RR 2014, 527 = NZM 2014, 396 = WuM 2014, 159 = ZWE 2014, 125; BGH v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, BGHZ 222, 187 = NJW 2019, 3780 = NZM 2019, 624 = MittBayNot 2020, 42 = ZfIR 2019, 721 = ZWE 2019, 484; OLG Karlsruhe v. 5.5.2000 – 11 Wx 71/99, NZM 2002, 220; OLG Hamm v. 22.8.1991 – 15 W 166/91, MDR 1992, 258 = NJW-RR 1992, 148; OLG Düsseldorf v. 12.1.1998 – 3 Wx 546/97, NJW-RR 1998, 515 = ZMR 1998, 304; LG Bamberg v. 17.3.2015 – 11 S 18/14, ZWE 2015, 367 = MietRB 2016, 79; LG Hamburg v. 9.4.2014 – 318 S 133/13, ZWE 2014, 410, 411; LG Bamberg v. 17.3.2015 – 11 S 18/14, ZWE 2016, 31; LG Berlin v. 16.12.2015 – 85 S 293/14, GE 2016, 1515; LG Dortmund v. 24.4.2018 – 1 S 109/17, ZWE 2018, 363; LG Köln v. 11.10.2018 – 29 S 56/18, ZWE 2019, 219; LG Köln v. 11.10.2018 – 29 S 66/18, ZMR 2019, 17; AG München v. 7.11.2014 – 481 C 1279/14, ZMR 2016, 737; AG Rosenheim v. 21.6.2017 – 8 C 35/16, WEG, NJOZ 2018, 861 = ZMR 2017, 847; AG Rheinbach v. 28.7.2017 – 5 C 158/16, ZMR 2017, 936. Zur Instandhaltung s. BayObLG v. 4.9.2003 – 2Z BR 145/03, ZfIR 2004, 23; LG Dortmund v. 1.4.2014 – 1 S 178/13, ZWE 2015, 40; LG Bamberg v. 17.3.2015 – 11 S 18/14, ZWE 2015, 367 = MietRB 2016, 79; LG Koblenz v. 3.7.2014 – 2 S 36/14, IMR 2014, 476 = ZMR 2015, 57; LG Hamburg v. 23.12.2015 – 318 T 61/15, NJOZ 2017, 466 = ZMR 2016, 307; AG Berlin Charlottenburg v. 1.8.2014 – 232 C 315/13, GE 2014, 1599; AG BerlinWedding v. 25.8.2011 – 9 C 221/11, Ge 2011, 1320; AG Berlin-Mitte v. 9.6.2016 – 29 C 53/15, GE 2016, 923 und AG Rheinbach v. 28.7.2017 – 5 O 158/16, ZMR 2017, 936. Vgl. zu Abdichtungen AG Rosenheim v. 21.6.2017 – 8 C 34/16, NJOZ 2018, 861 = ZMR 2017, 847. 272 BayObLG v. 21.12.1999 – 2Z BR 115/99, ZWE 2000, 177, 178 = ZfIR 2000, 132 und OLG Hamm v. 22.8.1991 – 15 W 166/91, NJW-RR 1992, 148 = MDR 1992, 258; Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 F. 273 BayObLG v. 3.8.2000 – 2Z BR 184/99, NZM 2001, 1081 = WuM 2000, 560; BayObLG v. 14.8.2003 – 2Z BR 112/03, MietRB 2004, 12 f. = ZMR 2003, 951 = ZWE 2004, 171 und OLG Karlsruhe v. 7.7.2010 – 11 Wx 115/08, MietRB 2011, 123 = ZWE 2011, 38. Zur Regelung der Kostentragungspflicht s. BGH v. 2.3.2012 – V ZR 174/11, MDR 2012, 702 = MietRB 2012, 172 = NJW 2012, 1722 = NZM 2012, 419 = WuM 2012, 395 = ZMR 2012, 641 und BGH V. 22.11.2013 – V ZR 46/13, MietRB 2014, 79 = MittBayNot 2014, 328 = NJW-RR 2014, 527 = NZM 2014, 396 = ZMR 2014, 899 = ZWE 2014, 125. 274 S. nur OLG Düsseldorf v. 12.1.1998 – 3 Wx 546/97, NJW-RR 1998, 515 = NZM 1998, 269 = ZMR 1998, 304; LG Lübeck v. 1.7.1985 – 7 T 365/85, NJW 1986, 2514; LG Berlin v. 18.12.2018 – 55 S
102 | Grziwotz
V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum | Rz. 83 § 5 WEG
ders ist dies bei Innenfensterbänken-, -simsen, -brettern. Fenstergitter, die außen vor dem Fenster als Ein- oder Ausbruchsschutz angebracht werden, sind ebenfalls Gemeinschaftseigentum. – Flure s. Dielen.
78
– Das Fundament eines in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Gebäudes ist Ge- 79 meinschaftseigentum (Abs. 2), anders das Fundament eines Gebäudes, das auf einer Sondereigentumsfläche bzw. einem Stellplatz im Freien steht (Abs. 1 Satz 2). – Fußboden s. Bodenbelag.
80
– An Garagen kann Sondereigentum begründet werden. Sie können aber auch im Gemein- 81 schaftseigentum verbleiben. Bei Stellplätzen wird die Raumeigenschaft fingiert (§ 3 Abs. 1 Satz 2); dies gilt auch für Einzelgaragen (vgl. Rz. 89). Stellplätze in einer Sammelgarage können nunmehr problemlos Sondereigentum sein, ohne dass es auf die Bejahung der Raumeigenschaft ankäme.275 Die Nutzung einer Sammelgarage kann aber auch durch eine im Grundbuch eingetragene Miteigentümervereinbarung (§ 1010 BGB), durch Dienstbarkeiten, wenn die Garage eine Teileigentumseinheit bildet, und entsprechend der Regelung von Doppelparkern wohl auch durch eine Gebrauchsregelung mit bestimmten Nutzungsrechten geregelt werden. Dies ist entbehrlich, wenn nach neuer Rechtslage einzelne Teileigentumseinheiten an den Stellplätzen begründet werden (vgl. §§ 3 Abs. 3, 7 Abs. 4). Die Zufahrtswege und das Tor einer Sammelgarage, in der sich Teileigentumseinheiten befinden, sind nach h.M. auch bei einem eigenen Gebäude Gemeinschaftseigentum.276 – Zwingendes Gemeinschaftseigentum sind Geschoss- und Zwischendecken einschließlich 82 der Isolierschichten gegen Trittschall und Feuchtigkeit, auch wenn sich diese zwischen zwei Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten befinden.277 – Das Grundstück und einzelne Grundstücksflächen sind Gemeinschaftseigentum, wenn 83 daran kein Sondereigentum nach § 3 Abs. 1 Satz 2 an Stellplätzen oder nach § 3 Abs. 2 an Annexgrundstücksflächen gebildet wird (§ 1 Abs. 5).278 Dies gilt auch für ebenerdige Terrassen.279
275 276
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278 279
86/18, ZMR 2019, 536; LG Stuttgart v. 13.7.2020 – 2 S 3/20, ZWE 2021, 93; AG Hannover v. 25.11.2003 – 71 II 302/03, ZMR 2004, 383. BayObLG v. 4.4.2001 – 2Z BR 141/00, NZM 2001, 893 = ZMR 2001, 820 = ZWE 2001, 372. BayObLG v. 30.3.1993 – 2Z BR 11/93, NJW-RR 1993, 1039; OLG München v. 13.8.2007 – 34 Wx 75/07, ZMR 2008, 232 = NZM 2008, 493; OLG Frankfurt v. 19.12.1994 – 20 W 313/93, ZMR 1995, 166; AG Recklinghausen v. 15.2.2019 – 91 C 21/18, ZMR 2019, 815. Vgl. auch OLG Hamm v. 20.5.1976 – 15 W 255/72, NJW 1976, 1752. BGH v. 9.12.2016 – V ZR 124/16, MDR 2017, 449 = NZM 2017, 604 = NJW-RR 2017, 527 = ZWE 2017, 216; OLG Hamm v. 13.8.1996 – 15 W 115/96, NJWE-MietR 1997, 114 = ZMR 1997, 193; OLG Köln v. 18.5.2001 – 16 Wx 68/01, ZMR 2002, 77; AG Wilhelmshaven v. 8.4.2014 – 6 C 331/12, ZWE 2014, 449; vgl. auch zur Geschossdecke einer Tiefgarage OLG München v. 13.8.2007 – 34 Wx 75/07, NZM 2008, 493 = ZMR 2008, 232. Zum Durchbruch einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Trennwand s. BGH v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241 = MDR 2001, 497 = DNotZ 2002, 127 = NJW 2001, 1212 = NotBZ 2001, 105 = NZM 2001, 196 = ZfIR 2001, 209 = ZMR 2001, 289 = ZWE 2001, 314. Vgl. BayObLG v. 30.4.1987 – BReg. 2 Z 30/87, ZMR 1987, 310 und Augustin in BGB/RGRK, § 5 WEG Rz. 22. OLG Köln v. 21.4.1982 – 2 Wx 13/82, MDR 1982, 757; LG Frankfurt/M v. 4.3.1992 – 2/9 T 142/ 92, ZMR 1993, 184; AG Hannover v. 14.3.2006 – 71 II 55/06, ZMR 2007, 152. Grziwotz | 103
§ 5 WEG Rz. 84 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums 84 – Der Grundstücks- bzw. Hausanschluss, der die Verbindung der öffentlichen Anschluss-
stelle zu den einzelnen Versorgungsleitungen darstellt, steht im gemeinschaftlichen Eigentum. Eine Ausnahme gilt nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 7) bei Mehrhausanlagen, wenn jedes Haus über einen eigenen Grundstücks- bzw. Hausanschluss verfügt; die h.M. nimmt auch hier zwingendes Gemeinschaftseigentum an. 85 – Die Heizungsanlage, die mehrere Einheiten versorgt, ist nach h.M. Gemeinschaftseigen-
tum; zu Sondereigentum kann sie danach nur erklärt werden, wenn sie auch fremde Eigentümer versorgt.280 Sondereigentum ist ferner an einer Anlage möglich, die nur einer Einheit dient (z.B. Etagenheizung für eine Einheit; s. Rz. 30). Auch wenn die Heizungsanlage im Gemeinschaftseigentum steht, bedeutet dies nach der Rechtsprechung des BGH nicht, dass nicht einzelne Teile Sondereigentum sein können. So können danach die Heizkörper in einer Einheit samt den Zuleitungen ab der Absperreinrichtung wohl dem Sondereigentum zugeordnet werden.281 Gleiches soll für das Rohrsystem der Fußbodenheizung gelten.282 Auch die Heizungs- und Thermostatventile an den Heizkörpern, die zur Erfassung des Verbrauchs dienen, sind Gemeinschaftseigentum, da ihr Einbau vorgeschrieben ist (§§ 61 ff. GEG) und sie für die Funktionstüchtigkeit der Anlage erforderlich sind;283 nach der Klarstellung des BGH284 können sie durch die Teilungserklärung oder durch nachträgliche Vereinbarung nicht dem Sondereigentum zugeordnet werden.285 Auch ein Kamin soll grundsätzlich selbst dann im Gemeinschaftseigentum stehen, wenn er nur von einer Einheit genutzt wird;286 dies ist allerdings nur dann richtig, wenn der Kamin von weiteren Einheiten genutzt werden kann. Gegen die Ansicht, die die dingliche Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum hinsichtlich der gesamten Heizungsanlage von wechselnden Benutzungsrechten abhängig macht, bestehen Bedenken. Sie ist in sich nicht schlüssig. Ist die Heizung Gemeinschaftseigentum, müsste dies für die gesamte Anlage gelten. Bei Heizungsrohren und Warmwasserleitungen kann insoweit auf 280 Zum Blockheizkraftwerk Suilmann, ZWE 2016, 302 ff. u. Suilmann in Grziwotz, Notarielle Vertragsgestaltung im Immobilienrecht, 2014, 139. Zur Frage, ob sich die Heizungsanlage in einem im Sondereigentum stehenden Raum befinden kann, nunmehr Hans. OLG Bremen v. 28.4.2016 – 3 W 28/15, MietRB 2016, 262 = MDR 2016, 1258 = ZWE 2016, 324. Zu den Besonderheiten der Fußbodenheizung s. Häublein, ZMR 2016, 935 ff. 281 BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, MDR 2011, 1095 = MietRB 2011, 313 = DNotZ 2012, 58 MittBayNot 2012, 212 = NZM 2011, 750 = ZfIR 2011, 893; abw. AG Hamburg v. 18.3.2020 – 539 C 19/19, juris = M Justiz Hamburg. Vgl. auch LG Frankfurt v. 1.3.1989 – 2/9 T 1212/88, MDR 1990, 57; AG Würzburg v. 20.1.2015 – 30 C 444/14, ZMR 2015, 647; Schmid, MietRB 2011, 362 ff.; Hügel/Elzer, DNotZ 2012, 4 ff. und Schmitz, MittBayNot 2012, 180, 181 f. 282 AG Mettmann v. 30.6.2005 – 7 II a 20/05 WE, ZMR 2006, 240. S. dazu Häublein, ZMR 2016, 935 ff. 283 So OLG Hamm v. 6.3.2001 – 15 W 320/00, NJW-RR 2002, 156 = NZM 2001, 1130 = ZMR 2001, 839 = ZWE 2001, 393; OLG Stuttgart v. 13.11.2007 – 8 W 404/07, ZMR 2008, 243 = NJOZ 2008, 1075; Riecke, BTR 2003, 11, 13; Wanderer, ZMR 2015, 438 ff.; a.A. Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 H. Vgl. Schlüter, ZMR 2011, 935 ff. Zur Einbaupflicht von Wärmezählern s. Pfeifer, MietRB 2013, 157 ff. 284 BGH v. 26.10.2012 – V ZR 57/12, MDR 2013, 456 = MietRB 2013, 147 = DNotZ 2013, 522 = MittBayNot 2013, 304 = NJW 2013, 1154 = NZM 2013, 272 = Rpfleger 2013, 318 = WuM 2013, 244 = ZfIR 2013, 377 = ZMR 2013, 454. 285 Missverständlich BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, MDR 2011, 1095 = MietRB 2011, 319 = DNotZ 2012, 58 = MittBayNot 2012, 2121 = NZM 2011, 750 = ZfIR 2011, 893. S. auch Hügel/Elzer, DNotZ 2012, 4 ff.; Grziwotz, MietRB 2010, 152 ff. und Schmid, MDR 2011, 1081 f. vor der Klarstellung des BGH. 286 BayObLG v. 20.8.1998 – 2Z BR 44/98, NZM 1999, 28 = ZMR 1999, 50; LG München I v. 13.11.2014 – 36 S 28109/13, ZMR 2015, 149 und ihm folgend Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55K; abw. AG Hamburg-St. Georg v. 28.4.2017 – 980b C 69/16 WEG, ZMR 2017, 679 = ZWE 2018, 140.
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V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum | Rz. 88 § 5 WEG
die §§ 61 ff. GEG und das Veränderungsverbot (§ 57 GEG) verwiesen werden, wonach „Rohrleitungszubehör“ ebenso zur Heizungs- bzw. Warmwasseranlage selbst gehört wie andere im funktionalen Zusammenhang stehende Bauteile. Daher erstrecken sich die Betreiberpflichten auch auf die Heizungsrohre und Warmwasserleitungen. Diesen Verpflichtungen kann die Eigentümergemeinschaft, sofern sie diese selbst übernimmt, aber nur nachkommen, wenn die Rohre im Gemeinschaftseigentum stehen. Zudem ist schwer nachvollziehbar, aus welchem Grund sowohl die Heizungsanlage selbst als auch die Heizkörper und die Thermostatventile nach der Ansicht des BGH, nicht aber die dazwischengeschalteten Heizungsrohre, im Gemeinschaftseigentum stehen sollen. Hierdurch würde die Heizungsanlage als einheitliche Versorgungsanlage unnatürlicherweise aufgespalten. Dies hätte überdies die Konsequenz, dass ein Wohnungseigentümer zwar nicht den Heizkörper, aber die Heizungsrohre entfernen dürfte und auf diese Weise unter Umständen eine Beeinträchtigung des Heizungskreislaufs sowie der Thermostatventile herbeiführen könnte. Steht die Heizungsanlage im Gemeinschaftseigentum, was sie nach der hier vertretenen Auffassung nicht muss, ist es inkonsequent, einzelne Bestandteile zum Sondereigentum zu erklären.287 – Ein Innenhof ist, auch wenn er von Mauern umgeben ist, nicht Sondereigentum.288 Auch 86 hier tritt wieder ein Widerspruch auf, wenn man an einer Dachterrasse Sondereigentum zulässt. Sondereigentum ist der Innenhof unstreitig, wenn er allseits von Mauern umfasst und überdacht ist; in diesem Fall liegt ein sondereigentumsfähiger Raum vor. Ein Innenhof kann aber auch Sondereigentum einer Wohnungs- und Teileigentumseinheit als Flächenannexeigentum (§ 3 Abs. 2) oder flächenmäßig aufgeteilt von mehreren Wohnungsund Teileigentumseinheiten sein, und zwar unabhängig von seiner Raumeigenschaft. – Isolierung s. Bodenbelag.
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– Bei Jalousien ist zu unterscheiden, ob es sich um Außen- oder Innenjalousien handelt. 88 Außenjalousien stehen im Gemeinschaftseigentum, da sie die äußere Gestaltung des Gebäudes betreffen.289 Dies gilt nicht für Innenjalousien, selbst wenn sie am Fenster innen angebracht und nach außen sichtbar sind. Bei ihnen gilt nichts anderes als bei Vorhängen. Sie sind regelmäßig nicht einmal Bestandteil und stehen deshalb außerhalb der Zuordnung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum, nämlich in gewöhnlichem Allein- bzw. Miteigentum. Jalousienkästen stehen, wenn sie außen angebracht sind, im Gemeinschaftseigentum (Abs. 2).290 Dies gilt dann auch für die Gurtführung, wobei nach Ansicht des BGH291 wohl an ihr Sondereigentum begründet werden könnte.
287 So auch Dickersbach, 1. Aufl., § 5 WEG Rz. 33 und Jennißen, ZMR 2011, 974 f.; vgl. auch Schmid, MDR 2011, 1081 ff. sowie nunmehr BGH v. 26.10.2012 – V ZR 57/12, MDR 2013, 456 = MietRB 2013, 147 = DNotZ 2013, 522 = MittBayNot 2013, 304 = NJW 2013, 1154 = NZM 2013, 272 = Rpfleger 2013, 318 = WuM 2013, 244 = ZfIR 2013, 377 = ZMR 2013, 454. 288 Armbrüster in Bärmann, § 5 WEG Rz. 55 I und Schneider in Riecke/Schmid, § 5 WEG Rz. 54; a.A. OLG Hamm v. 5.1.2016 – 1 W 398/15, RNotZ 2016, 166 = ZMR 2016, 300 = ZWE 2016, 167, zu einem Innenhof, der nur durch eine Einheit betreten werden kann. 289 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, MDR 2018, 1366 = MittBayNot 2019, 444 = NZM 2018, 794 = ZfIR 2018, 695 = ZWE 2018, 395; KG v. 19.6.1985 – 24 W 4020/84, ZMR 1985, 344, 345; AG Würzburg v. 22.1.2015 – 30 C 1212/14, ZMR 2015, 420. 290 Saarl. OLG v. 4.10.1996 – 5 W 286/95-50, FGPrax 1997, 56 = ZMR 1997, 31; AG Würzburg v. 12.4.2016 – 30 C 820/15, IMR 2017, 110 = ZMR 2016, 818. Vgl. LG Köln v. 11.10.2018 – 29 S 56/ 18, ZWE 2019, 219. 291 BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, MDR 2011, 1095 = MietRB 2011, 319 = DNotZ 2012, 58 = ZfIR 2011, 893. Zur Kritik s. Rz. 85; abw. OLG Frankfurt v. 12.6.2003 – 20 W 558/00, Justiz Hessen, wonach der Rolladengurt und die –scheibe Sondereigentum sind; AG Würzburg v. 12.4.2016 – 30 C 820/15, IMR 2017, 110. Grziwotz | 105
§ 5 WEG Rz. 89 | Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums 89 – Kfz-Stellplätze im Freien konnten bis zum 1.12.2020 nicht Sondereigentum sein;292 Son-
dernutzungsrechte waren hingegen möglich und üblich; sie können auch weiterhin, z.B. beim Fehlen exakter Maßangaben, begrünet werden.293 Für Stellplätze auf dem Dach eines Gebäudes (z.B. Garagenhaus) bejahte die h.M.294 bereits bisher die Sondereigentumsfähigkeit. § 3 Abs. 1 Satz 2 fingiert für alle Arten von Stellplätzen,295 nicht nur für Garagenstellplätze wie früher (§ 3 Abs. 2 Satz 2 a.F.), die Raumeigenschaft.296 Dies gilt somit für Stellplätze im Freien ebenso wie für Stellplätze in Tiefgaragen, Parkhäusern und Carports und ferner für Stellplätze von Mehrfachparkern und Parkpaletten.297 Auch wenn es bei Einzelgaragen der Fiktion der Raumeigenschaft nicht bedarf, gilt sie auch für sie; praktisch bedeutet das, dass nur die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2, 2. Alt. vorliegen müssen, also keine zusätzlichen Bauzeichnungen der Garage erforderlich sind.298 Betroffen sind Stellplätze für Fortbewegungsmittel bzw. Fahrzeuge, d.h. Autos, Fahrräder, Motorroller, Motorräder, Roller, Rollstühle, aber wohl auch Wohnwägen und Anhänger. Ein Mülltonnen- oder Containerstellplatz fällt damit nach dieser Ansicht nicht unter die gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2.299 Maßgeblich soll die tatsächliche Eignung des Stellplatzes sein, nicht die tatsächliche Nutzung (z.B. Lagerung von Gartengeräten und Reifen in einer Garage). 90 – Leitungen s. Abwasserleitung. 91 – Loggia s. Balkon. 92 – Eine Markise, die die Außenfront des Gebäudes kennzeichnet, gehört als fassadengestal-
tendes Element zum Gemeinschaftseigentum (Abs. 1), und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt und von wem sie angebracht wurde, sowie ferner, ob sie im Zusammenhang mit einem Sondereigentum (Balkon, Dachterrassenwohnung) steht.300 93 – Mülltonnen sind Gemeinschaftseigentum (Abs. 2), wenn sie sämtlichen Einheiten dienen.
Die Mülltonne, die lediglich eine Einheit nutzt (z.B. zusätzliche Papiertonne für Büroeinheit), ist deren gewöhnliches Alleineigentum. Für Sondereigentum fehlt die Bestandteilseigenschaft. Ein im Gebäude eingebauter Müllschlucker ist nach h.M. Gemeinschaftseigentum (Abs. 2), auch wenn er nur ein Gebäude „entsorgt“.
292 S. nur BayObLG v. 30.4.1987 – BReg. 2 Z 30/87, ZMR 1987, 310 und Agatsy, MietRB 2020, 155, 158. 293 Von einer weitgehenden Verdrängung durch das Sondereigentum geht Köther, RNotZ 2021, 377, 379 aus. 294 OLG Hamm v. 26.10.1998 – 15 W 502/97, NJW-RR 1998, 516 = NZM 1998, 267 = DNotZ 1999, 216 = MittBayNot 1998, 186 = MittRhNotK 1998, 241 und Merle, Rpfleger 1977, 196, 197; a.A. KG v. 18.12.1995 – 24 W 7497/94, NJW-RR 1996, 587 = NJWE-MietR 1996, 132 = ZMR 1996, 216. 295 Vgl. BT-Drucks. 19/1879, 39; Müller, ZWE 2020, 445, 446; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1664; Blankenstein, WEG-Reform 2020, S. 96; Dressler-Berlin, Rpfleger 2021, 193, 195. 296 Eigentlich handelt es sich dogmatisch um eine unwiderlegliche Vermutung, zutreffend LehmannRichter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1666. Vgl. auch Jacoby in Forschner (Hrsg), Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 23, 25 f. 297 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1665 und Jacoby in Forschner (Hrsg), Aktuelle Herausforderungen im Immobilienrecht, 23, 25 f. (Hochregalsystem). 298 Ähnlich Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1666; abw. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 1 Rz. 9 (in Abgrenzung zu einem Carport). 299 Müller, ZWE 2020, 445, 446; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 1 Rz. 5; weitergehend wohl Becker/Schneider, ZfIR 2020, 281, 284 und Grziwotz in Erman § 3 Rz. XX. 300 OLG Frankfurt v. 17.8.2006 – 20 W 205/05, NJW-RR 2007, 807 = DNotZ 2007, 469 = NZM 2007, 523.
106 | Grziwotz
V. Übersicht zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum | Rz. 99 § 5 WEG
– Pflanzen stehen, auch wenn sie im Bereich von Sondernutzungsflächen in das Erdreich 93a eingepflanzt sind, im Gemeinschaftseigentum.301 Anders ist dies, wenn sie auf Stellplätzen im Freien (§ 3 Abs. 1 Satz 2) oder auf Grundstücksannexflächen (§ 3 Abs. 2) wachsen; dann sind sie Sondereigentum (§ 5 Abs. 1 Satz 2), sofern sie nicht Scheinbestandteil (zB Eigentum des Mieters) sind.302 – Beim Putz gilt Gleiches wie bei Außen- und Innenwänden. S. Wände.
93b
– Rauchwarnmelder sind für die Sicherheit des Gebäudes erforderlich, deshalb handelt es 94 sich nach h.M. um Gemeinschaftseigentum.303 – Räume können nach Abs. 1 Sondereigentum sein. Dies gilt auch für Nebenräume (z.B. 95 Keller, Speicher, Abstellkammer, Geräteraum, Garage), die nicht in der abgeschlossenen Einheit liegen.304 Umgekehrt soll der Umstand, dass ein Raum nur über eine Wohnungs-/ Teileigentumseinheit zugänglich ist, dem Bestehen von Gemeinschaftseigentum nach h.M. nicht entgegenstehen (vgl. Rz. 29, 101 zu Spitzböden). Inwieweit Räume, in denen sich Gemeinschaftseinrichtungen befinden (z.B. Heizung, Messgeräte) und die Zugänge zwingendes Gemeinschaftseigentum sind, ist umstritten (vgl. Rz. 28 ff., 32). – Rohre s. Abwasserleitung.
96
– Restaurant in Hotelanlage s. Sauna
96a
– Rollläden s. Jalousien.
97
– Grundsätzlich handelt es sich bei Sanitärgegenständen, nämlich WC, Waschbecken, Bi- 98 det, Duschwanne, Badewanne etc., häufig um Zubehör, so dass gewöhnliches Eigentum vorliegt. Sind diese Gegenstände wesentliche Bestandteile, gehören sie zum Sondereigentum der jeweiligen Wohnungs- oder Teileigentumseinheit. – Satellitenanlage s. Antennenanlage.
99
301 LG Landau v. 15.4.2011 – 3 S 4/11, NZM 2011, 554 = NJW-RR 2011, 1029; LG Landau v. 23.3.2011 – 3 S 4/11, 10680; AG München v. 8.2.2017 – 482 C 13922/16 WEG, GE 2017, 1564 = ZWE 2017, 463; AG Mettmann v. 14.2.2017 – 26 C 3/16, ein wichtiger Grund vorliegt, muss die Abberufung zeitnah betrieben werden, 192 § 314 Abs. 3 BGB.432 Die Zeitnähe ist nach dem Kenntnisstand der Eigentümerversammlung zu bewerten.433 Allerdings ist die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht an428 Jacoby in Staudinger, BGB, 2018, § 26 WEG Rz. 199; eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende annehmend KG v. 20.3.1989 – 24 W 5478/86, WE 1989, 132. 429 LG Düsseldorf v. 28.2.2005 – 25 T 195/04, ZMR 2005, 740. 430 Die Regelung im Verwaltervertrag, dass nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, auch auf die Abberufung übertragend, OLG Düsseldorf v. 18.8.2005 – I-3 Wx 89/05, NZM 2005, 828. 431 BGH v. 25.2.2022 – V ZR 65/21, ZWE 2022, 220 = MDR 2022, 689. 432 BayObLG v. 17.1.2000 – 2Z BR 120/99, ZWE 2000, 185 = WuM 2000, 266; LG Düsseldorf v. 27.1.2010 – 16 S 45/09, ZWE 2011, 49, wonach bei 2,5-jähriger Untätigkeit bei der Verfolgung von Mängelrügen diese Pflichtverletzung des Verwalters nicht mehr „zeitnah“ abgemahnt werden kann; ebenso AG München v. 17.12.2015 – 484 C 6219/15, ZMR 2016, 659 bei einer zwei Jahre bekannten Pflichtverletzung. 433 So auch BayObLG v. 30.4.1999 – 2Z BR 3/99, NZM 1999, 844; v. 17.1.2000 – 2Z BR 120/99, ZWE 2000, 185 = ZMR 2000, 321 = NZM 2000, 341; KG WE 1986, 140; OLG Hamm v. 27.11.2001 – 15 W 326/01, ZWE 2002, 234; OLG Karlsruhe v. 17.1.2003 – 10 U 143/02, ZMR 2004, 55; OLG Köln Jennißen | 1293
§ 26 WEG Rz. 192 | Bestellung und Abberufung des Verwalters wendbar.434 Bei der Angemessenheit (Zeitnähe) ist zu berücksichtigen, dass es nicht auf das Wissen des einzelnen Wohnungseigentümers und auch nicht des Beirats ankommt.435 Der Beirat ist nicht Erfüllungsgehilfe oder Vertreter der Wohnungseigentümer.436 Dem Verband können nur Kenntnisse zugerechnet werden, die mindestens bei einer Mehrheit der Wohnungsmiteigentümer vorhanden sind, oder die Kenntnis über Vorgänge, die im Rahmen einer Eigentümerversammlung thematisiert wurden.437 Der Einzelne ist kein Organ des Verbandes, so dass sein Wissen auch dem Verband nicht zugerechnet werden kann. Die wichtigen Gründe, die eine Abberufung rechtfertigen könnten, müssen der Eigentümerversammlung vorgestellt werden. Ist die mögliche Abberufung nicht Gegenstand dieser Eigentümerversammlung, muss erst beschlossen werden, den Verwalter zur kurzfristigen Einladung einer weiteren Eigentümerversammlung aufzufordern. Ein solcher Beschluss ist als Organisationsakt auch ohne entsprechende Ankündigung in der Tagesordnung möglich, da er selbst keinen materiellen Inhalt hat. Reagiert die Eigentümerversammlung hingegen nicht und beschließt keine Einberufung einer neuen Versammlung, kann der Abberufungsgrund verwirken.438 193 Teilweise wird gefordert, dass einer wirksamen Abberufung aus wichtigem Grund eine Ab-
mahnung vorausgehen müsse.439 Diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Abberufung aus wichtigem Grund meistens mit einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses begründet wird. In solchen Fällen ist eine Abmahnung entbehrlich, da sich auch durch Abmahnung ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis nicht wieder herstellen lässt.440 Allerdings genügt es nicht, die Zerrüttung zu behaupten. Sie muss sich durch objektive Tatbestände nachvollziehen lassen, was meistens besonders schwere Pflichtverletzungen erfordert. Den Wohnungseigentümern darf die Wiederholungsgefahr erst gar nicht mehr zumutbar sein. Wenn die Abberufung mit „einfachen“ Schlechtleistungen begründet werden soll, die Fehler im Tagesgeschäft betreffen, kann auf eine vorherige Abmahnung nicht verzichtet werden. Dann stellt am Ende nicht die einzelne Schlechtleistung den Abberufungsgrund dar, sondern ihre Gesamtbetrachtung, die das Vertrauensverhältnis entfallen lässt. Aber auch die Abmahnung muss von den Wohnungseigentümern zuvor mehrheitlich beschlossen werden. Ein einzelner Wohnungseigentümer kann nicht wirksam abmahnen,441 es sei denn, er wurde durch Mehrheitsbeschluss hierzu ermächtigt, § 9b Abs. 2. Abmahnungen können dann von Bedeutung sein, wenn sie Fehlverhalten des Verwalters kritisieren, das selbst noch nicht gewichtig genug ist, die Anforderungen an einen wichtigen Grund zu erfüllen. Mehrere Abmahnungen kleinerer Pflichtverletzungen können in ihrer Summe den wichtigen Grund ergeben.
434 435 436 437 438 439 440 441
v. 15.3.2004 – 16 Wx 245/03, MietRB 2004, 240 = NZM 2004, 305; OLG Hamburg v. 15.8.2005 – 2 Wx 22/99, ZMR 2005, 974. So auch LG Hamburg v. 20.10.2010 – 318 S 59/10, ZMR 2014, 313; LG Frankfurt/M v. 20.9.2017 – 2-13 S 9/15, ZWE 2018, 82. Ebenso Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 169. A.A. OLG Köln v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, NZM 2001, 862 = ZMR 2001, 862; Gottschalg, Haftung von Verwalter und Beirat, 3. Aufl., Rz. 501. Greiner in BeckOGK, 1.12.2020, § 26 WEG Rz. 261. BayObLG v. 17.1.2000 – 2Z BR 120/99, ZWE 2000, 185 für eine Abberufung nach Ablauf von zwei Monaten seit Kenntnisnahme. BGH v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, MDR 2002, 1427 = NZM 2002, 788 = NJW 2003, 3240 = ZMR 2002, 766; .; verneinend Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., § 10 Rz. 80. S.a. LG Hamburg v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, § 10 Rz. 80; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 150, der grundsätzlich auf eine Abmahnung verzichtet. KG v. 12.5.2003 – 24 W 279/02, MietRB 2003, 75; LG Hamburg v. 15.2.2018 – 318 S 76/16, ZMR 2018, 623.
1294 | Jennißen
V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 196 § 26 WEG
Soweit vertreten wird, dass die Abmahnung aufgrund der Regelung in Abs. 3 entbehrlich 193a geworden sei, weil der Verwalter jederzeit abberufen werden könne und sein Vertrag spätestens 6 Monate später endet, ist zuzubilligen, dass deshalb die Abmahnung ebenso wie die Kündigung aus wichtigem Grund an Bedeutung verloren haben. Sie ist aber nicht überflüssig geworden. Die sechsmonatige Fortzahlung der Vergütung entfällt, wenn wirksam aus wichtigem Grund gekündigt wurde. Dazu zählt neben dem Vorliegen eines wichtigen Grundes die Abmahnung,442 soweit sie gem. vorstehender Rz. nicht ausnahmsweise gänzlich entbehrlich ist. Bei der Abberufung aus wichtigem Grund hat der Verwalter kein Stimmrecht (s. Rz. 184).443 194 Er kann auch von Stimmrechtsvollmachten keinen Gebrauch machen.444 Andernfalls könnte der Verwalter selbst darüber entscheiden, ob die Wohnungseigentümer einen Vertrauensbruch empfinden oder nicht. Auch könnte der Verwalter im Extremfall eine strafbare Handlung begehen und dann mit den eigenen Stimmen seine Abberufung verhindern. Er kann aber Stimmrechtsvollmachten weiterreichen, also Untervollmacht erteilen. Diese darf er aber wiederum nicht mit Weisungen versehen.445 Im Kern laufen die meisten Abberufungsgründe auf eine Zerrüttung des Vertrauensverhält- 195 nisses446 bzw. auf fehlende Zumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit hinaus.447 Daraus folgt auch das Erfordernis der zeitnahen Kündigung, nachdem ein wichtiger Grund festgestellt wurde (Rz.192). Ein längeres Abwarten legt die Vermutung nahe, dass es den Wohnungseigentümern doch noch zumutbar erschien, das Vertragsverhältnis fortsetzen zu können.448 Dann kann dieser Kündigungsgrund aber später beim Vorliegen neuer Gründe mit herangezogen werden, um den Vertrauensbruch in seiner Entwicklung zu begründen. Diese Zerrüttung muss vom Verwalter verschuldet sein.449 Eine von den Wohnungseigentümern und insbesondere vom Beirat verursachte Zerrüttung kann nicht genügen, da es andernfalls die Wohnungseigentümer in der Hand hätten, den Abberufungsgrund selbst zu schaffen. Andererseits kann sich die Zerrüttung auch aus einer Summe kleinerer Pflichtverletzungen ergeben.450 Die Schwelle generell herabzusetzen, wenn der Verwalter vom Bauträger eingesetzt wurde,451 überzeugt jedoch nicht. Die Bewertung eines wichtigen Grundes setzt immer eine sorgfältige Interessenabwägung 196 voraus. Es bietet sich ebenso wenig an, den Verwalter im Amt zu belassen, obwohl er erhebliche Interessen der Wohnungseigentümer verletzt oder nicht befolgt hat, wie ihm andererseits die zum Teil unklare gesetzliche Aufgabenstellung anzulasten. Die Pflichtverletzung ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Eigentümerversammlung zu bewerten (s.u. Rz. 199).452
442 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 309. 443 LG Köln v. 7.7.2016 – 29 S 180/15, ZWE 2017, 145. 444 BGH v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, MDR 2002, 1424 = NJW 2002, 3704; Merle in Bärmann, 15. Aufl., § 25 WEG Rz. 142; Jennißen in Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2. Aufl., Rz. 829 f.; a.A. OLG München v. 15.9.2010 – 32 Wx 16/10, MDR 2011, 21 = MietRB 2010, 362 = ZWE 2010, 461 = ZMR 2011, 148, wonach Vollmachten wahrgenommen werden dürfen, da für die Wirksamkeit der Stimmrechtsausübung auf die Person des Vollmachtgebers und nicht des Vertreters abzustellen sein. 445 OLG Zweibrücken v. 14.5.1998 – 4 W 40/98, WE 1998, 504 = NZM 1998, 671; BayObLG v. 21.4.1998 – 2Z BR 36/98 u. 43/98, DWE 1999, 29 = NZM 1998, 668. 446 Vgl. AG Hannover v. 30.10.2003 – 71 II 376/03, ZMR 2005, 581; BayObLG v. 21.10.1999 – 2Z BR 97/99, WuM 2000, 268; OLG Köln v. 22.1.1999 – 16 Wx 218/98, WuM 1999, 299. 447 OLG Celle v. 25.6.2003 – 4 W 64/03, MietRB 2003, 74. 448 Letzner, ZWE 2022, 202,203. 449 A.A. LG Frankfurt/O v. 2.10.2012 – 16 S 11/12, ZMR 2013, 978. 450 LG Hamburg v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465. 451 So LG Hamburg v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465. 452 LG Frankfurt/O v. 2.10.2012 – 16 S 11/12, ZMR 2013, 978. Jennißen | 1295
§ 26 WEG Rz. 197 | Bestellung und Abberufung des Verwalters 197 Ficht ein Wohnungseigentümer den Abberufungsbeschluss an, ist die Pflichtverletzung im
Zeitpunkt des Abberufungsbeschlusses zu bewerten.453. Dem Wohnungseigentümer gegenüber, der an dem Verwalter festhalten will, können keine Gründe nachgeschoben werden. Die Anfechtung stellt die Beschlussfassung selbst zur Überprüfung. Nach der Abberufung hinzukommende Gründe rechtfertigen die Abberufung nicht,454 sie können nicht kausal gewesen sein. Es kommt auf den Wissensstand der Wohnungseigentümer im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung an.455 Spätere Gründe sind noch berücksichtigungsfähig, wenn es sich um schwerwiegende neue Gründe handelt, die das Ermessen der Wohnungseigentümer zur Abberufung reduzieren oder es sich bei diesem Grund um einen Tatbestand im Fortsetzungszusammenhang handelt, der das bereits ausgeübte Ermessen nur bestätigt. 198 Anders verhält es sich, wenn in einer Klage des Verwalters auf Zahlung einer Entschädi-
gung wegen unberechtigter Abberufung inzidenter geprüft wird, ob ein wichtiger Kündigungsgrund besteht. Da die Abberufung selbst nach Abs. 3 grundlos möglich ist, geht es in einem solchen Verfahren nur um die Wirksamkeit der Kündigungserklärung bzw. um die Frage, ob die sechsmonatige Frist des Abs. 3 einzuhalten ist. Der Verwalter kann nicht die Unwirksamkeit der zugrundeliegenden Beschlussfassung reklamieren und auch nicht hinsichtlich etwaiger Kündigungsgründe auf die Vorbefassungspflicht der Eigentümerversammlung verweisen. Dies alles sind interne Kriterien, die die Wohnungseigentümer untereinander, nicht aber im Verhältnis zum Verwalter zu beachten haben. 199 Die GdWE kann die fristlose Kündigung gegenüber dem Verwalter auch ohne Benennung
der wichtigen Kündigungsgründe aussprechen. Die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung setzt lediglich voraus, dass wichtige Gründe hierzu vorliegen, nicht aber, dass sie dem Verwalter bekannt gegeben wurden.456 Spätestens in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren müssen aber die Gründe offenbart werden. Dann muss es zulässig sein, weitere Gründe, die erst nach der Eigentümerversammlung bekannt geworden sind, nachzuschieben.457 Die Wohnungseigentümer sprechen mit dem Beschluss über die fristlose Abberufung/Kündigung einen Vertrauensentzug aus. Sie müssen bei der Beschlussfassung die wichtigen Gründe kennen, die die fristlose Kündigung rechtfertigen sollen. Werden dann nachträglich weitere Tatsachen bekannt, kann hierauf die Abberufung/Kündigung ohne weiteren Beschluss der Eigentümerversammlung gestützt werden, da anzunehmen ist, dass ein weiterer Grund erst recht das Vertrauensverhältnis zerstört und nicht die bereits bekannten Gründe neutralisiert.458 Diese neuen Gründe erfordern auch nicht die (zeitnahe) Wiederholung der Kündigungserklärung. Die Problematik erfordert eine großzügige Wertung zu Gunsten der Wohnungseigentümer, da der Verwalter keinen Vorteil daraus ziehen darf, dass er Abberufungs-/Kündigungsgründe erfolgreich verschleiert hat, sodass sie der GdWE erst nach Übernahme der Verwalterakten bekannt geworden sind.
453 So auch Becker in Bärmann,15. Aufl., § 26 WEG Rz. 305; OLG Hamburg v. 15.8.2005 – 2 Wx 22/ 99, ZMR 2005, 974; a.A. LG Hamburg v. 13.11.2013 – 318S 23/13, ZMR 2014, 310. 454 BayObLG v. 20.10.2000 – 2Z BR 77/00, NJW-RR 2001, 446; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 301. 455 BayObLG v. 20.10.2000 – 2Z BR 77/00, NZM 2001, 104; OLG Hamburg v. 15.8.2005 – 2 Wx 22/ 99, ZMR 2005, 974; Chr. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 26 WEG Rz. 22; a.A. AG Hamburg-Blankenese v. 301.2013 – 539 C 18/12, ZMR 2013, 316, wonach Gründe noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeschoben werden können. 456 LG Frankfurt/M v. 20.9.2017 – 2-13 S 9/15, ZWE 2018, 82. 457 Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 103; A.A. Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 305. 458 LG Frankfurt/M v. 20.9.2017 – 2-13 S 9/15, ZWE 2018, 82; a.A. Sommer in der Anmerkung zu dieser Entscheidung, ZWE 2018, 85, 87.
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V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 202 § 26 WEG
Allerdings kann die Kündigung des Verwalters aus wichtigem Grund nicht auf Tatsachen ge- 200 stützt werden, die vor dessen Bestellung lagen und der GdWE vor der Verwalterwahl bekannt waren459 oder zumindest von ihr grob fahrlässig nicht zur Kenntnis genommen wurden. Die sechsmonatige Kündigungswirkung kann nicht durch Gründe unterschritten werden, die bei der vorhergehenden Wiederwahl hätten berücksichtigt werden können.460 Ebenso sind alle Gründe nicht mehr von Bedeutung, die zeitlich vor einem Entlastungsbeschluss lagen.461 Etwaige Fehler des Verwalters, die zu bestandskräftigen Beschlüssen geführt haben, sind unerheblich. Wenn die Wohnungseigentümer beispielsweise in Kenntnis eines formalen Ladungsmangels dennoch Beschlüsse fassen und diese nicht angefochten werden, kann durch die eintretende Bestandskraft aus dem Ladungsmangel kein Kündigungsgrund mehr abgeleitet werden.462 Richtig ist die Entscheidung der Mehrheit auf Nicht-Abberufung dann, wenn erwartet wer- 201 den kann, dass der Verwalter einsichtig und lernfähig ist und die in der Vergangenheit begangenen Fehler nicht wiederholen wird (sog. Verzeihungsermessen).463 Nicht akzeptabel ist es aber, wenn die Mehrheit die erheblichen Fehler des Verwalters nur aus Bequemlichkeit toleriert und aus objektiver Sicht gegen ihre eigenen Interessen handelt.464 Ein gerichtlicher Antrag auf Abberufung setzt voraus, dass sich die Eigentümerversamm- 202 lung mit der Thematik beschäftigt hat (Vorbefassungspflicht).465 Dies ist nur dann entbehrlich, wenn die Anrufung der Eigentümerversammlung dem Wohnungseigentümer nicht zumutbar oder sein Versuch, diesbezüglich eine Eigentümerversammlung herbeizuführen, gescheitert ist.466 An der Zumutbarkeit fehlt es, wenn die Mehrheitsverhältnisse die Anrufung der Eigentümerversammlung als überflüssigen Formalismus erscheinen lassen.467 Es genügt nicht allein die vergebliche Aufforderung zur Einberufung, vor allem dann nicht, wenn die übrigen Wohnungseigentümer auf das Aufforderungsschreiben hin zu erkennen geben, dass sie an der außerordentlichen Eigentümerversammlung zwecks Abberufung des Verwalters nicht interessiert sind.468 Dann muss das Recht auf Durchführung einer Eigentümerversammlung bzw. die Aufnahme dieses Tagesordnungspunktes erst gerichtlich geltend gemacht werden.469 Ein Anspruch auf Verwalterabberufung besteht ohne Vorbefassung seitens der Wohnungseigentümer nur im Ausnahmefall, wenn das Ermessen der Wohnungseigentümer objektiv auf Null reduziert ist.470 459 BayObLG v. 5.5.2004 – 2Z BR 066/04, ZMR 2004, 840. 460 OLG Frankfurt v. 26.4.2005 – 20 W 279/03, juris; OLG Köln v. 22.11.2002 – 16 Wx 153/02, juris; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 137; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 306; Bärmann/Pick, 20. Aufl., § 26 WEG Rz. 36; Chr. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 26 WEG Rz. 22. 461 OLG Düsseldorf v. 3.5.2000 – 3 Wx 9/00, NZM 2000, 1019; OLG Köln v. 22.11.2002 – 16 Wx 153/ 02, ZMR 2003, 703; Bärmann/Pick, § 26 WEG Rz. 38; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 306; Chr. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 26 WEG Rz. 51. 462 OLG Köln v. 22.11.2002 – 16 Wx 153/02, ZMR 2003, 703. 463 LG Köln v. 20.2.2014 – 29 S 181/13, ZMR 2014, 745; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/ Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 25. 464 BGH v. 10.2.2012 – V ZR 105,11, NZM 2012, 347 = MDR 2012, 574; LG Frankfurt/M v. 12.12.2019 – 2-13 S 143/18, ZWE 2020, 196. 465 BayObLG v. 17.7.2003 – 2Z BR 108/03, NJW-RR 2004, 89 = NZM 2004, 110; AG München v. 17.12.2015 – 484 C 6219/15, ZMR 2016, 659. 466 OLG Celle v. 19.5.1999 – 4 W 49/99, NZM 1999, 841. 467 BayObLG v. 5.5.2004 – 2Z BR 066/04, ZMR 2004, 840. 468 BGH v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = MietRB 2012, 142 = NZM 2012, 347 = NJW 2012, 1884. 469 AG Saarbrücken v. 12.5.2009 – 1 WEG II 124/05, ZMR 2009, 961. 470 BGH v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = MietRB 2012, 142 = NZM 2012, 347 = NJW 2012, 1884. Jennißen | 1297
§ 26 WEG Rz. 203 | Bestellung und Abberufung des Verwalters 203 Die Weigerung des Verwalters dem entsprechenden Begehren auf eine entsprechende Ei-
gentümerversammlung nachzukommen, kann dann schon für sich gesehen die Abberufung rechtfertigen (s. Rz. 204). Würde damit aber schon die Vorbefassungspflicht und das Vorbefassungsrecht der Wohnungseigentümer entfallen, hätte die Weigerungshaltung des Verwalters Auswirkungen auf das Selbstbestimmungsrecht der Wohnungseigentümer, was nicht vertretbar ist. b) Einzelne Abberufungsgründe 204 Wichtige Abberufungsgründe im Einzelnen:
– Beleidigung eines Wohnungseigentümers;471 – Strafanzeigen gegen Wohnungseigentümer, die jeglicher Grundlage entbehren;472 – Führung eines Prozesses für einen Wohnungseigentümer innerhalb einer Zweier-Gemeinschaft (Verletzung der Neutralitätspflicht);473 – Betreiben der Abwahl des Beirats ohne triftigen Grund;474 – zerrüttetes Verhältnis zum Beirat, es sei denn, der Beirat hat das Zerwürfnis herbeigeführt;475 – verbale Angriffe auf den Beirat;476 – Aufforderung eines Beiratsmitglieds zum Rücktritt,477 was als Abberufungsgrund aber voraussetzt, dass das Beiratsmitglied keine Veranlassung für diese Aufforderung (z.B. durch sein querulatorisches Verhalten) gegeben hat. – Provozieren von Rechtsstreitigkeiten;478 – Missachtung der Wünsche zahlreicher Wohnungseigentümer;479 – offenkundige Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber den Wohnungseigentümern durch fehlerhafte Beschlussvorlagen und fehlenden Hinweis auf Risiken und Gefahren;480 – Weitergabe von Angelegenheiten der Wohnungseigentümer an die Tagespresse;481 – Verweigerung, einem Wohnungseigentümer oder dem Beirat Belegeinsicht zu gewähren;482 – schlechte Vermögensverhältnisse des Verwalters (Haftbefehl in der Zwangsvollstreckung,483 fehlendes pfändbares Vermögen)484;
471 BayObLG v. 15.1.2004 – 2Z BR 240/03, ZMR 2004, 923, in dem der Verwalter den Beiratsvorsetzenden als klassisch-psychologischen Fall bezeichnet; LG Lüneburg v. 29.1.2015 – 1 S 45/14, ZMR 2015, 486 für Bezeichnung der Wohnungseigentümer als Sauhaufen. 472 OLG Düsseldorf v. 2.2.1998 – 3 Wx 349/97, NZM 1998, 517. 473 BayObLG v. 2.3.2001 – 2Z BR 16/01, ZMR 2001, 721. 474 BayObLG v. 27.11.1998 – 2Z BR 150/98, NZM 1999, 283; OLG Frankfurt v. 19.5.1988 – 20 W 206/87, MDR 1988, 780 = NJW-RR 1988, 1169. 475 BayObLG v. 27.11.1998 – 2Z BR 150/98, WuM 1999, 354 = NZM 1999, 283. 476 OLG Köln v. 30.3.2007 – 16 Wx 37/07, ZMR 2007, 717. 477 LG Frankfurt/O v. 2.10.2012 – 16 S 11/12, ZMR 2013, 978. 478 OLG Frankfurt v. 18.8.2003 – 20 W 302/2001, ZfIR 2004, 444; OLG Rostock v. 20.5.2009 – 3 W 181/08, MietRB 2009, 325 = ZMR 2010, 223. 479 BayObLG v. 17.1.2000 – 2Z BR 120/99, NZM 2000, 342. 480 OLG Oldenburg v. 21.12.2006 – 5 W 9/06, ZMR 2007, 306. 481 AG Kassel v. 7.12.2005 – 800 II 74/05, ZMR 2006, 322. 482 BayObLG v. 9.8.1990 – BReg.1b Z 25/89, WuM 1990, 464. 483 OLG Oldenburg v. 21.12.2006 – 5 W 9/06, ZMR 2007, 306. 484 AG Wedding v. 13.2.2009 – 15a C 147/08, ZMR 2009, 881.
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V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 204 § 26 WEG
– Verurteilung des Verwalters wegen Vermögensdelikten; im Einzelfall ist aber zu untersuchen, ob das Vermögensdelikt in einem Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit steht oder aber zumindest befürchten lässt, dass der Verwalter auch in den Vermögensangelegenheiten der Eigentümergemeinschaft nicht ordentlich agieren wird; die Vorstrafen dürfen auch noch nicht getilgt sein;485 – der Verwalter beantwortet Fragen der Wohnungseigentümer nach nicht getilgten Vorstrafen falsch, ausweichend oder bagatellisierend;486 – Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Einstellung mangels Masse gegen den Verwalter;487 – Eröffnung des Insolvenzverfahrens über Unternehmen, die mit dem Verwalter verflochten sind, und Weigerung des Verwalters, seine finanziellen Verhältnisse transparent zu machen;488 – keine getrennte Vermögensführung;489 die Führung eines offenen Treuhandkontos anstelle eines Fremdkontos, zumindest dann, wenn weiteres Fehlverhalten hinzukommt490 oder eine diesbezügliche Abmahnung nicht berücksichtigt wird;491 – eigenmächtige Abänderung des Verteilungsschlüssels zugunsten eines Wohnungseigentümers;492 – unvollständige Ausgabendarstellung in der Jahresabrechnung;493 – fehlende oder wiederholt verspätete Aufstellung der Jahresabrechnung;494 wurden die Jahresabrechnungen wiederholt erfolgreich angefochten, kann dies die Abberufung rechtfertigen. Allerdings sind dem Verwalter Fehler in der Heizkostenabrechnung nicht ohne weiteres zuzuweisen, insbesondere wenn er die notwendigen Daten ordnungsgemäß gemeldet hat und die Fehler entweder bei der zur Abrechnung beauftragten Gesellschaft verursacht wurden oder die Wohnungseigentümer selbst die Mängel der Abrechnung zu vertreten haben;495 liegen die Jahresabrechnungen bei der Wiederwahl des Verwalters noch nicht vor, kann dies dennoch später seine Abberufung rechtfertigen, wenn sie nach einem weiteren Zeitablauf immer noch nicht erstellt wurden.496 – Nichtverfolgung von Beitragsrückständen und Verursachung von Liquiditätsengpässen der Eigentümergemeinschaft;497
485 BayObLG v. 12.3.1998 – 2Z BR 8/98, NJW-RR 1998, 1022; v. 21.10.1999 – 2Z BR 97/99, ZWE 2000, 77; KG v. 20.3.1989 – 24 W 4238/88, WuM 1989, 347; v. 6.9.1993 – 24 W 5948/92, WE 1994, 50; OLG Hamm v. 15.1.1999 – 15 W 444/97, NZM 1999, 229. 486 KG v. 6.9.1993 – 24 W 5948/92, WE 1994, 50. 487 BayObLG v. 3.11.2004 – 2Z BR 102/04, MietRB 2005, 238. 488 BayObLG v. 3.11.2004 – 2Z BR 102/04, MietRB 2005, 238. 489 OLG Rostock v. 20.5.2009 – 3 W 181/08, MietRB 2009, 325 = ZMR 2010, 223; LG Itzehoe v. 12.7.2013 – 11 S 39/12, ZMR 2014, 665. 490 LG Frankfurt/M v. 20.9.2017 – 2-13 S 9/15, ZWE 2018, 82; AG Essen v. 26.8.2015 – 196 C 37/15, ZMR 2016, 147; a.A. Jacoby in Staudinger, BGB, 2018, § 26 WEG Rz. 88.1. 491 LG Berlin v. 15.2.2022 – 55 S 25/21, ZMR 2022, 576. 492 OLG Köln v. 25.11.1998 – 16 Wx 156/98, NZM 1999, 126; BayObLG v. 2.3.2001 – 2Z BR 16/01, ZMR 2001, 721. 493 BayObLG v. 16.11.1995 – 2Z BR 108/95, WE 1996, 237. 494 BayObLG v. 3.12.2003 – 2Z BR 202/03, DWE 2004, 90; v. 7.10.1999 – 2Z BR 76/99, NZM 2000, 343. 495 S.a. LG Nürnberg-Fürth v. 17.3.2010 – 14 S 5126/09, ZWE 2010, 233. 496 OLG Düsseldorf v. 17.4.2002 – 3 Wx 8/02, NZM 2002, 487. 497 OLG Karlsruhe v. 10.9.1997 – 4 W 71/97, WE 1998, 189 = NZM 1998, 768. Jennißen | 1299
§ 26 WEG Rz. 204 | Bestellung und Abberufung des Verwalters – Auflaufenlassen von erheblichen Schulden der Gemeinschaft, ohne für eine rechtzeitige Bereitstellung der erforderlichen Mittel durch ausreichend kalkulierten Wirtschaftsplan zu sorgen;498 – Entnahme einer überhöhten Verwaltervergütung;499 Entnahme von nicht berechtigten Sondervergütungen;500 allerdings ist auch hier im Einzelfall zu prüfen, ob der Verwalter davon ausgehen durfte, dass ihm diese Vergütungsansprüche zustehen. Ein Streit über eine Zusatzvergütung kann nicht ohne weiteres zur Folge haben, dass der Verwalter auch abberufen werden kann. Anders liegt der Fall, wenn es evident ist, dass dem Verwalter dieses Geld nicht zusteht; – Entnahme von zweckgebundenen Geldern aus Instandhaltungsrücklage zur Befriedigung eigener Honoraransprüche.501 Dies soll die Abberufung rechtfertigen, weil die Verletzung der Zweckgebundenheit eine besondere Pflichtverletzung darstellt; – Jede Form der Veruntreuung. In diesem Fall ist der Eigentümergemeinschaft ein längeres Abwarten nicht zumutbar, sodass ausnahmsweise auch eine Abberufung durch einstweilige Verfügung in Betracht kommen kann.502 – Einsatz von Personal der Eigentümergemeinschaft (z.B. Hausmeister) für Renovierung eigener Wohnung des Verwalters, wenn dafür kein Kostenausgleich stattfindet;503 – Abschluss von Gebäudeversicherungen ohne Eigentümerbeschluss;504 – mehrmonatiger Nichtabschluss notwendiger Gebäudeversicherungen;505 – ungenehmigte Darlehensaufnahme;506 – Vermittlung eines Wohnungsverkaufs als Makler bei gleichzeitigem Zustimmungsvorbehalt nach § 12 WEG;507 – keine Einberufung einer Eigentümerversammlung;508 – Einladung der Versammlung zu unvertretbarer Zeit und an unvertretbarem Ort;509 – pflichtwidrige Verzögerung der Einberufung einer Eigentümerversammlung mit dem Ziel der sofortigen Abberufung des Verwalters;510 eine Verzögerung liegt nicht schon dann vor, wenn der Verwalter dem Wunschtermin des Beirats nicht folgt. Er hat ein eigenes Ermessen, das durch die Aufforderung nur eingeschränkt wird. Teilweise wird daher eine Einberufung innerhalb von 2,5 Monaten nicht als Weigerung gedeutet;511 – Verlassen der Eigentümerversammlung ohne triftigen Grund, insbesondere dann, wenn hierdurch die Beschlussunfähigkeit herbeigeführt wird;512
498 OLG Köln v. 7.5.1999 – 16 Wx 21/99, ZMR 1999, 789 = WuM 2000, 269. 499 OLG Köln v. 18.2.2008 – 16 Wx 219/07, MDR 2008, 967 = MietRB 2008, 369 = ZMR 2008, 904. 500 LG Berlin v. 2.10.2015 – 55 S 206/14 WEG, ZWE 2017, 95; OLG Köln v. 18.2.2008 – 16 Wx 219/ 07, MDR 2008, 967 = MietRB 2008, 369 = ZMR 2008, 904; AG Essen v. 26.8.2015 – 196 C 37/15, ZMR 2016, 148. 501 OLG Düsseldorf v. 4.6.1997 – 3 Wx 569/96, WE 1997, 426. 502 LG Frankfurt/M v. 20.3.2014 – 2-13 S 165/13, ZMR 2014, 904. 503 LG Braunschweig v. 24.2.2015 – 6 S 293/14, ZMR 2015, 474. 504 BayObLG v. 9.8.1990 – 1b Z 25/89, WE 1991, 358. 505 OLG Düsseldorf v. 18.8.2005 – I-3 Wx 89/05, NJW-RR 2005, 1606 = NZM 2005, 828. 506 OLG Karlsruhe v. 10.9.1997 – 4 W 71/97, NZM 1998, 769. 507 BayObLG v. 7.5.1997 – 2Z BR 135/96, WuM 1997, 397. 508 BayObLG v. 30.4.1999 – 2Z BR 3/99, NZM 1999, 844. 509 OLG Hamm v. 12.12.2000 – 15 W 109/00, NZM 2001, 297. 510 OLG Düsseldorf v. 25.8.2003 – I-3 Wx 217/02, MietRB 2004, 45 = ZMR 2004, 692. 511 LG München I v. 28.6.2012 – 36 S 17241/11, ZMR 2012, 819. 512 BayObLG Rpfleger 1965, 224; LG Freiburg Rpfleger 1968, 93.
1300 | Jennißen
V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 204 § 26 WEG
– Weigerung, Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen, es sei denn, der Beschluss wurde angefochten513 oder Maßnahmen gegen den erklärten Willen der Wohnungseigentümer ergreifen.514 – Nichtbeachtung rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen;515 – Nichterfüllung einer gerichtlich festgestellten Verpflichtung, eine Eigentümerversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „Abwahl des Verwalters“ einzuberufen;516 – manipulierte Protokollführung;517 – erhebliche Verzögerung der Protokollversendung;518 – Verweigerung der Einsichtnahme in die Versammlungsniederschrift bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist;519 – willkürliches Abschneiden des Rederechts der Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung;520 – Auftragsvergabe erheblichen Umfangs ohne Beschluss der Wohnungseigentümer;521 – Nichtfeststellung des Instandsetzungsbedarfs;522 – wirtschaftliche Identität mit dem Bauträger, sodass Interessenkollision bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen besteht;523 – unterlassene Feststellung von Mängeln und Herbeiführung einer Entscheidung durch die Eigentümerversammlung;524 – Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, indem der Verwalter einen Gaswartungsvertrag trotz entsprechender Beschlussfassung nicht abschließt525 oder Handläufe nicht anbringen lässt.526 – unterlassene Unterrichtung der Wohnungseigentümer über ein gerichtliches Verfahren gem. § 43 WEG, namentlich über eine Klage eines Dritten;527 – Verletzung der Objektivitäts- und Neutralitätspflicht;528 Der Verwalter muss die Wohnungseigentümer grundsätzlich gleich behandeln. Er darf sich nicht in das Lager einer Eigentümergruppe schlagen oder einzelne Wohnungseigentümer privilegieren oder benachteiligen.529 Allerdings muss der Verwalter auch nicht jedem Begehren Folge leisten und sich auch nicht jeden verbalen Angriff eines unbeherrschten Wohnungseigentümers gefallen lassen. Er verletzt somit die Neutralitätspflicht noch nicht, wenn die Gesamtwür513 BayObLG WE 1986, 65; OLG Düsseldorf v. 21.1.1998 – 3 Wx 492/97, NZM 1998, 487; AG Hamburg v. 7.11.2002 – 102a II 252/02, ZMR 2003, 301. 514 LG Frankfurt/O v. 2.10.2012 – 16 S 11/12, ZMR 2013, 978. 515 OLG Oldenburg v. 21.12.2006 – 5 W 9/06, ZMR 2007, 306. 516 AG Hannover v. 7.11.2005 – 70 II 242/05, ZMR 2007, 151. 517 BayObLG, WM 1980, 125. 518 BayObLG, WM 1980, 125. 519 LG Frankfurt/M, Rpfleger 1968, 93. 520 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 135. 521 BayObLG v. 29.1.2004 – 2Z BR 181/03, MietRB 2004, 175; LG Itzehoe v. 12.7.2013 – 11 S 39/12, ZMR 2014, 665; AG Schwarzenbeck v. 2.11.2021 – 2C 54/19, ZWE 2022, 289; AG Offenbach v. 10.12.2021 – 310 C 43/21, ZMR 2022, 333. 522 LG Düsseldorf v. 13.12.2000 – 19 T 442/00, ZWE 2001, 501. 523 OLG Hamm v. 8.4.2004 – 15 W 17/04, ZMR 2004, 702 = MietRB 2004, 296 = NZM 2004, 744. 524 LG Düsseldorf v. 27.1.2010 – 16 S 45/09, ZWE 2011, 49; LG Frankfurt/O v. 2.10.2012 – 16 S 11/ 12, ZWE 2013, 219. 525 BayObLG WE 1986, 65. 526 LG Frankfurt/O v. 2.10.2012 – 16 S 11/12, ZMR 2013, 978. 527 AG Bonn v. 3.11.2009 – 27 C 44/09, ZWE 2010, 292. 528 OLG Rostock v. 20.5.2009 – 3 W 181/08, MietRB 2009, 325 = ZMR 2010, 223. 529 LG Hamburg v. 6.11.2019 – 318 S 48/18, ZWE 2020, 194. Jennißen | 1301
§ 26 WEG Rz. 204 | Bestellung und Abberufung des Verwalters digung der Umstände sein Verhalten als verständlich erscheinen lassen. Nicht jede menschliche Reaktion ist schon eine Verletzung der Neutralitätspflicht. – Übertragung der Verwaltungstätigkeit auf eine andere Person ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer;530 – unzumutbare Selbstherrlichkeit des Verwalters,531 – Abbuchung von Verwalterhonorar für andere Eigentümergemeinschaften.532 205 Die Aufzählung der vorstehenden Abberufungsbeispiele verdeutlicht, dass die überwiegende
Anzahl der Abberufungsgründe abmahnfeindlich ist. Wenn beispielsweise über mehrere Monate kein Versicherungsschutz für das Gebäude bestand, erfahren die Wohnungseigentümer hiervon im Zweifel erst im Nachhinein, sodass für eine Abmahnung kein Raum ist. Durch den zeitweise fehlenden Versicherungsschutz ist aber eine erhebliche Vermögensgefährdung der Wohnungseigentümer eingetreten, die das Vertrauensverhältnis belastet und die Abberufung rechtfertigt. Hat der Verwalter irrtümlich die Gebäudeversicherung nicht nahtlos abgeschlossen, reicht dieser schwere Verwaltungsfehler nicht für eine Abberufung aus wichtigem Grund aus, wenn es insoweit am Vorsatz fehlt.533 206 Kein wichtiger Grund ist es nach der Rechtsprechung, wenn der Verwalter Beiratsaufgaben
an sich zieht, zumal wenn im Verhalten des Beirats eine Duldung gesehen werden kann;534 auch die nicht ständige Erreichbarkeit des Verwalters, z.B. an Sonntagen, rechtfertigt seine Abberufung nicht.535 207 Die Anlage der Instandhaltungsrücklage in Form eines Bausparvertrags reicht für die Abbe-
rufung des Verwalters ebenfalls nicht aus, selbst wenn sie ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht.536 Zudem genügt für eine fristlose Abberufung eine fehlerhafte Information des Verwalters zur Höhe der Instandhaltungsrücklage und ihrer Einlagensicherung nicht.537 207a Wenn ein Verwalter gleichzeitig Rechtsanwalt ist, darf er die GdWE auch anwaltlich vertre-
ten. Dass er dadurch Mehreinnahmen erzielt, rechtfertigt keine fristlose Kündigung.538 Eine Interessenkollision ist erst anzunehmen, wenn er gerichtliche Verfahren provoziert, um Anwaltshonorare zu generieren. c) Fehlende Beschlusssammlung 208 § 26 Abs. 1 Satz 4 a.F. kannte als einzigen gesetzlich normierten Abberufungsgrund die nicht
ordnungsgemäße Führung der Beschlusssammlung. Sie ist nach § 24 Abs. 8 vom Verwalter zu führen. Das WEMoG enthält diesen besonderen Kündigungsgrund nicht mehr. 209 Im Gesetzgebungsverfahren zum WEMoG war umstritten, ob die Beschlusssammlung nicht
gänzlich aus dem Gesetz entfernt werden sollte. Davon wurde schließlich abgesehen. Es wurde aber der in § 26 Abs. 1 Satz 4 a.F. enthaltene besondere Kündigungsgrund des Verwalters 530 OLG Hamm v. 3.5.1990 – 15 W 8/90, WuM 1991, 218; BayObLG v. 19.6.1998 – 2Z BR 35/97, ZMR 1998, 174. 531 BayObLG v. 8.8.1985 – 2Z 21/85, DWE 1985, 126 LS; v. 27.11.1998 – 2Z BR 150/98, NZM 1999, 283; v. 17.1.2000 – 2Z BR 120/99, NZM 2000, 341. 532 LG Frankfurt/M v. 12.12.2019 – 2-13 S 143/18, ZWE 2020, 196. 533 AG Neuss v. 8.9.2006 – 72 II 124/06, ZMR 2007, 575. 534 OLG Hamburg v. 15.8.2005 – 2 Wx 22/99, ZMR 2005, 974. 535 AG Hannover v. 30.10.2003 – 71 II 376/03, ZMR 2005, 581. 536 BGH v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, MDR 2002, 1427 = NZM 2002, 788 = NJW 2002, 3240 = ZMR 2002, 766. 537 OLG München v. 22.2.2006 – 34 Wx 118/05, MietRB 2006, 171 = NZM 2006, 593 = DWE 2006, 75. 538 LG Karlsruhe v. 3.12.2021 – 11 S 210/19, ZWE 2022, 224.
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V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 212 § 26 WEG
ersatzlos gestrichen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass das Nichtführen der Beschlusssammlung nunmehr ohne Konsequenzen bleibt. Allerdings handelt es sich jetzt um einen Kündigungsgrund mit normaler Bedeutung, der also vom Gesetzgeber nicht mehr als von überragender Wichtigkeit hervorgehoben wird. Die alte Fassung befremdete an dieser Stelle, da der Gesetzgeber andere wichtige Abberufungsgründe, wie z.B. die Veruntreuung von Gemeinschaftsvermögen, nicht nannte, dafür aber eine in erster Linie formale Pflichtverletzung in den Vordergrund stellte. Ein wichtiger Abberufungsgrund liegt vor, wenn die Beschlusssammlung gar nicht geführt 210 oder nicht alle Beschlüsse der Eigentümerversammlung aufgenommen worden sind, ebenso bei Aufnahme tatsächlich nicht gefasster539 oder nicht vollständig zitierter Beschlüsse.540 Auch muss der Versammlungsort enthalten sein,541 weil dies dem Wortlaut von § 24 Abs. 7 entspricht, obschon ein späterer Erwerber aus dem Versammlungsort nichts ableiten kann. Andere unwichtige Fehler sind ebenfalls darauf zu prüfen, ob sie von den gesetzlichen Mindestvorgaben der Beschlusssammlung erfasst sind.542 Von einer nicht ordnungsmäßigen Führung ist auch dann auszugehen, wenn der Verwalter die Beschlusssammlung nicht unverzüglich führt. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, was Elzer543 im Zweifel noch als gegeben ansieht, wenn zwischen der Eigentümerversammlung und der Eintragung nicht mehr als drei Werktage vergangen sind. Teilweise wird sogar eine Woche als ausreichend angesehen (s.a. § 24 Rz. 194),544 oder nach der Größe der Wohnanlage bzw. der Anzahl der gefassten Beschlüsse differenziert.545 Ob allerdings eine so großzügige Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ angezeigt ist, muss bezweifelt werden. Im Einzelfall wird der Verwalter kaum Gründe vortragen können, die es rechtfertigen, dass er die Eintragung in die Beschlusssammlung nicht am nächsten Werktag vorgenommen hat. Der Verwalter sollte in der Eigentümerversammlung die Beschlüsse wörtlich protokollie- 211 ren. Er darf sie nicht im Nachhinein abändern. Protokolliert er wörtlich, dürfte er nicht daran gehindert sein, am nächsten Werktag nach der Eigentümerversammlung die Eintragung vorzunehmen. Der Gesetzgeber will mit der Beschlusssammlung erreichen, dass sich die Wohnungseigentümer und auch potenzielle Erwerber jederzeit einen Überblick über den Beschlussstand verschaffen können.546 Dieser jederzeitige Überblick ist aber nur möglich, wenn die Eintragungen kurzfristig erfolgen, sodass eine Eintragung am nächsten Werktag zu verlangen ist. Eine nicht ordnungsmäßig geführte Sammlung lässt generell negative Rückschlüsse auf die 212 Art der Verwaltung zu.547 Auch wenn geringste Fehler bei der Führung der Beschlusssammlung nicht ausreichen, um die Abberufung zu rechtfertigen, so kann doch nicht über bedeutende Fehler durch Abwägung aller Umstände hinweggesehen werden. Dass Beschlussanfechtungen in der Beschlusssammlung nicht vermerkt werden, ist stets ein schwerer Feh-
539 Z.B. über die eigene Entlastung AG Berlin-Charlottenburg v. 18.1.2013 – 73 C 98/12, MietRB 2013, 216 f. = ZWE 2013, 274. 540 LG Berlin v. 2.10.2015 – 55 S 206/14 WEG, ZWE 2017, 95. 541 LG Berlin v. 2.10.2015 – 55 S 206/14 WEG, ZWE 2017, 95. 542 Nicht jeden Fehler beim Führen einer Beschlusssammlung als Abberufungsgrund anerkennend: LG München I v. 11.10.2017 – 1 T 475/16, ZMR 2018, 72. 543 Elzer in Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 8 Rz. 35; ebenso LG Karlsruhe v. 21.2.2012 – 11 S 46/11, ZWE 2013, 36; einen Zeitraum von wenigen Tagen zulassend, Abramenko, Das neue WEG, § 2 Rz. 48; LG München v. 6.2.2008 – 1 T 22613/07, MietRB 2008, 146 = NZM 2008, 410 hält einen Zeitraum von einer Woche für zu lang. 544 LG Berlin v. 7.10.2009 – 85 S 101/08, ZWE 2010, 224. 545 Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 24 Rz. 188. 546 BT-Drucks. 16/887, 33. 547 BT-Drucks. 16/887, 35. Jennißen | 1303
§ 26 WEG Rz. 212 | Bestellung und Abberufung des Verwalters ler.548 Insgesamt ist eine umfassende Abwägung aller Umstände geboten549 und die Abberufung dann in Betracht zu ziehen, wenn ein weiterer Abberufungsgrund hinzukommt.550 Wie bei allen Abberufungsgründen steht zwar den Wohnungseigentümern ein Ermessen zu, ob sie hierüber hinwegsehen wollen.551 Der gesetzgeberische Wille darf aber nicht einfach ignoriert und auf die Führung der Beschlusssammlung mehr oder weniger verzichtet werden. Auch lässt sich die fehlerhafte Beschlusssammlung nicht mit dem Hinweis abtun, die Beschlusssammlung habe in der Praxis keine Bedeutung erlangt. EDV-technische Probleme scheiden als Rechtfertigungsgrund ebenfalls aus.552 Eine verspätete Ergänzung der Beschlusssammlung rechtfertigt auch nicht den Fehler des Verwalters.553 213 Nunmehr ist anzunehmen, dass die nicht ordnungsgemäße Führung der Beschlusssammlung
aber nur dann als Kündigungsgrund herangezogen werden kann, wenn die GdWE den Verwalter zuvor abgemahnt hat. Dies ist kein Kündigungsgrund mehr, der so schwer wiegt, dass die Kündigung unverzüglich und ohne jede Abmahnung ausgesprochen werden könnte. Der Gesetzgeber führte zwar selbst in der Begründung zum 2007 in das Gesetz eingeführten § 26 Abs. 1 Satz 4 a.F. aus, dass ein wichtiger Abberufungsgrund in der Regel schon bei einer einmaligen Verletzung der Erfordernisse des § 24 Abs. 7 vorliegt.554 Indem § 26 Abs. 1 Satz 4 a.F. aber gestrichen wurde, sind diese strengen Anforderungen nur noch gerechtfertigt, wenn sie fruchtlos abgemahnt wurden. Dabei kann die Abmahnung auch auf eine Fülle kleinerer Mängel der Beschusssammlung gestützt werden.555 Allerdings kann der einmalige Fehler bei der Führung der Beschlusssammlung dann einen wichtigen Grund zur Abberufung des Verwalters darstellen, wenn er neben weiteren Gründen besteht und sich der Verwalter deshalb insgesamt als unzuverlässig erweist. Die Abmahnung muss nicht sämtliche Gründe der fristlosen Abberufung erfasst haben. d) Verfahrensfragen aa) Klage auf Abberufung des Verwalters 214 Will ein Wohnungseigentümer die gerichtliche Abberufung des Verwalters betreiben, hat er
grundsätzlich zuvor die Eigentümerversammlung anzurufen (sog. Vorbefassungsgebot). Dies ist nur dann entbehrlich, wenn ihm die Herbeiführung einer Eigentümerversammlung unzumutbar ist, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Mehrheitsverhältnisse die Abberufung des Verwalters nicht erwarten lassen. Bei extrem schwerwiegenden Verfehlungen kommt ausnahmsweise eine einstweilige Verfügung gegen die GdWE auf das Ruhen der Amtsführung durch den Verwalter in Betracht.556 215 Stimmen die Wohnungseigentümer über die Abberufung und Kündigung des Verwalters ab
und entscheiden sich negativ, d.h. lehnen sie mehrheitlich das Abberufungsbegehren ab, so kann dieser Beschluss von einem Wohnungseigentümer grundsätzlich innerhalb der Anfech548 AG Wiesbaden v. 7.10.2011 – 92 C 2445/11, ZMR 2012, 66. 549 So aber LG Berlin v. 7.10.2009 – 85 S 101/08, ZWE 2010, 224; Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 26 WEG Rz. 24; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 309; a.A. Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 138, der ebenfalls nur eine Widerlegung im Ausnahmefall zulässt. 550 AG München v. 28.7.2008 – 485 C 602/07, ZMR 2009, 645. 551 Von einem „Verzeihungsermessen“ sprechend: LG Hamburg v. 25.5.2011 – 318 S 208/09, ZMR 2012, 290; AG Hamburg-Blankenese v. 30.1.2013 – 539 C 18/12, ZMR 2013, 316. 552 Anders noch BGH v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = MietRB 2012, 142 = NZM 2012, 347 für eine im Jahr 2009 fehlerhaft geführte Beschlusssammlung. 553 LG Karlsruhe v. 21.2.2012 – 11 S 46/11, ZWE 2013, 36. 554 BT-Drucks. 16/887, 35; gleichermaßen LG Karlsruhe v. 21.2.2012 – 11 S 46/11, ZWE 2013, 36. 555 AG Wiesbaden v. 7.10.2011 – 92 C 2445/11, ZMR 2012, 66. 556 LG Frankfurt/M. v. 28.12.2021 – 2-13 S 96/21, ZMR 2022, 239.
1304 | Jennißen
V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 217 § 26 WEG
tungsfrist des § 45 angefochten werden. Die Anfechtungsklage kann mit einer Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 verbunden werden, was aber nicht zwingend erforderlich ist.557 Das Gericht kann die Abberufung aber nur dann aussprechen, wenn die Nichtabberufung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nicht mehr vereinbar ist. Dazu wird teilweise verlangt, dass besonders schwere Fehler des Verwalters festgestellt werden müssten, die eine Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit nicht mehr vertretbar erscheinen ließen.558 Das Gericht habe die demokratische Entscheidung der Wohnungseigentümer zu berücksichtigen, den Verwalter nicht abberufen zu wollen. Aber auch der Schutz der Minderheit darf nicht unberücksichtigt bleiben.559 Ohne Bedenken dürfen die Wohnungseigentümer großzügig sein und über leichte Fehler hinwegsehen. Nicht überzeugend ist es aber, dass besonders schwere Fehler angeführt werden müssten, um den Negativbeschluss rechtswidrig erscheinen zu lassen. Richtigerweise muss die Forderung nach Abberufung in ihrer Wertung objektiv richtig sein, aber nicht unbedingt die Ultima Ratio darstellen. Was objektiv falsch ist, kann nicht anders beurteilt werden, nur weil die Mehrheit dies nicht für ausreichend hält. Nach den gegebenen Umständen darf eine Qualitätsverbesserung der Verwalterleistungen nicht zu erwarten sein. Es ist abzuwägen zwischen dem „Verzeihungsrecht“ der Wohnungseigentümer560 und der nicht zu rechtfertigenden Konsequenz, einen Verwalter weiterbeschäftigen zu müssen, der die Gemeinschaft dauerhaft belasten würde. Dazu sind die Gesamtumstände zu werten. Auch ältere Fehler können bei der Beurteilung herangezogen werden, wenn sie zusammen mit neuen Fehlern „das Fass zum Überlaufen bringen“.561 Auch die Summe von kleinen Fehlern kann das Vertrauensverhältnis sprengen. Dabei sind wiederum kleinere Fehler aus der Anfangszeit nach Übernahme des Verwalteramts eher unerheblich, weil jedem Verwalter eine Einarbeitungszeit zugebilligt werden muss.562 Wenn die Eigentümerversammlung keinen Negativbeschluss gefasst hat, weil sie eine Befas- 216 sung mit dieser Problematik von vornherein ablehnt, kommt keine Beschlussersetzungsklage, sondern nur ein Verpflichtungsantrag in Betracht, dass sich die GdWE mit dem Beschlussantrag des Wohnungseigentümers in einer Eigentümerversammlung beschäftigen muss. Das Vorbefassungsgebot darf nicht umgangen werden. Auf jegliche Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung kann nur dann verzichtet und 217 das Gericht unmittelbar angerufen werden, wenn die Mehrheitsverhältnisse die Abberufung des Verwalters nicht erwarten lassen. Weigert sich der Verwalter hingegen, die Abberufung zum Gegenstand der nächsten Eigentümerversammlung zu machen, muss der Wohnungseigentümer erst die GdWE verklagen, den Verwalter zur Aufnahme des Tagesordnungspunktes zu verpflichten.563 In einem solchen Fall kann dem Verwalter der Streit verkündet werden. Die GdWE kann hinsichtlich der entstehenden Verfahrenskosten beim Verwalter Regress nehmen. Die Weigerungshaltung des Verwalters selbst kann dann den Abberufungsgrund zusätzlich rechtfertigen.
557 BGH v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, MDR 2010, 399 = MietRB 2010, 73 f. = ZMR 2010, 542. 558 OLG Schleswig v. 8.11.2006 – 2 W 137/06, MietRB 2007, 179 = WuM 2007, 216 = ZMR 2007, 485; LG Bamberg v. 13.10.2015 – 11 S 9/15, ZMR 2017, 81. 559 Siehe hierzu BGH v. 10.2.2012 – V ZR 105/11, MDR 2012, 574 = MietRB 2012, 142 = NZM 2012, 347 = NJW 2012, 1884. 560 So AG Hannover v. 2.5.2017 – 484 C 11037/16, ZMR 2018, 455. 561 BGH v. 25.2.2022 – V ZR 65/21, ZWE 2022, 220 = MDR 2022, 689; LG Hamburg v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465. 562 LG Hamburg v. 8.6.2011 – 318 S 149/10, ZMR 2012, 465. 563 Siehe zur alten Rechtslage: BayObLG v. 4.7.2002 – 2Z BR 139/01, ZWE 2002, 577; OLG Köln v. 7.9.1998 – 16 Wx 73/98 u. 125/98, NZM 1998, 959; OLG Düsseldorf v. 2.2.1998 – 3 Wx 345/91, NZM 1998, 517. Jennißen | 1305
§ 26 WEG Rz. 218 | Bestellung und Abberufung des Verwalters 218 Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren, mit dem die Abberufung des Verwalters betrie-
ben wird, geht verloren, wenn während des Verfahrens der Bestellungszeitraum abläuft. Dies folgt daraus, dass die Ungültigkeitserklärung des Bestellungs- bzw. des Beschlusses mit dem die Abberufung negativ beschieden wurde nur ex nunc wirkt.564 Das Rechtsschutzinteresse geht ebenfalls verloren, wenn während des Verfahrens die Eigentümerversammlung den Verwalter erneut wählt. Dann ist der Wiederwahlbeschluss anzufechten. Für das bereits rechtshängige Verfahren entfällt das Rechtsschutzinteresse.565 bb) Anfechtung des Abberufungsbeschlusses durch einen Wohnungseigentümer 219 Ein Wohnungseigentümer kann den Abberufungsbeschluss grundsätzlich anfechten. Die Kla-
ge ist gegen die GdWE zu richten. Der Verwalter wird an diesem Verfahren nicht beteiligt. Da der Verwalter aber nach § 26 Abs. 3 Satz 1 jederzeit und ohne Grund abberufen werden kann, sind die eine solche Klage stützenden Argumente von vornherein eingeschränkt. Das Rechtsschutzinteresse für die Beschlussanfechtung durch einen Wohnungseigentümer fehlt i.d.R. bei einem positiven Abberufungsbeschluss. Kein Wohnungseigentümer hat Anspruch auf einen bestimmten Verwalter. Wenn die Wohnungseigentümer mit dem Abberufungsbeschluss gleichzeitig einen neuen Verwalter gewählt haben, würde eine erfolgreiche Anfechtung des Abberufungsbeschlusses nur bewirken, dass die GdWE in der Zwischenzeit zwei Verwalter zu bezahlen hätte. Auch dieses Risiko kann der Wohnungseigentümer nicht durch eine eigene Anfechtungsklage weiter zu reduzieren suchen. Zur Begründung des Rechtsschutzinteresses genügt es nicht, dass der anfechtende Wohnungseigentümer den abberufenen Verwalter für geeigneter hält als den neuen. Wenn der neue Verwalter objektiv für das Verwalteramt ungeeignet ist oder ein Mehrheitseigentümer die Neuwahl aus sachfremden Motiven initiiert hat, ist das Rechtsschutzinteresse zu bejahen. Ebenfalls kann die Klage erfolgreich sein, wenn Mitgliedschaftsrechte des Klägers übergangen wurden. 220 Die Anfechtung kann somit darauf gestützt werden, dass bei der Einladung und Durchfüh-
rung der Versammlung formelle Fehler begangen wurden. Insbesondere kann das Argument vorgetragen werden, dass der Wohnungseigentümer nicht zur Eigentümerversammlung eingeladen wurde. Relevant kann es ebenfalls sein, ob der bisherige Verwalter aus sachfremden Gründen abberufen wurde. Als Beispiel kommt das Betreiben der Abberufung durch den säumigen Mehrheitseigentümer in Betracht, der vom Verwalter deshalb rechtlich verfolgt wird. Sieht der anfechtende Wohnungseigentümer die Gefahr, dass der Verwalter auf diese Fortzahlung der Vergütung klagen wird und deshalb für die GdWE eine zeitlich befristete Doppelbelastung eintreten könnte, ist dies für sich genommen nicht ausreichend, die Anfechtung zu stützen. Der anfechtende Wohnungseigentümer ist nicht dazu berufen, mit der Anfechtungsklage die Zahlungsansprüche des Verwalters vorzubereiten. Der Schadensersatzanspruch des Verwalters ist ohnehin auf sechs Monate limitiert. Andernfalls würde das Recht der Wohnungseigentümereingeschränkt, den Verwalter jederzeit abberufen zu können. Ein ordnungsgemäßer Beschluss setzt dennoch voraus, dass die Wohnungseigentümer in Kenntnis dieses Fortzahlungsrisikos den Verwalter abberufen, also die Doppelzahlung inkaufnehmen oder davon überzeugt sind, dass ein wichtiger Abberufungsgrund vorliegt.566 Aber auch hier ist darauf hinzuweisen, dass für eine solche Klage das Rechtsschutzinteresse verloren gehen kann, weil rein finanzielle Erwägungen des Risikos der Doppelzahlung nach sechs Mo-
564 OLG Düsseldorf v. 7.3.2006 – I-3 Wx 107/05, ZMR 2006, 544; LG Köln v. 24.4.2006 – 29 T 124/ 05, ZMR 2007, 403. 565 OLG Düsseldorf v. 7.3.2006 – I-3 Wx 107/05, MietRB 2006, 272 = ZWE 2006, 246. 566 So auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 9 Rz. 50; ablehnend Greiner in BeckOGK, § 26 Rz. 245.
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V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 223 § 26 WEG
naten enden. Findet die mündliche Verhandlung zur Anfechtungsklage erst nach diesem Zeitpunkt statt, sind die finanziellen Nachteile nicht mehr verhinderbar. Da der Kläger keinen Anspruch auf einen bestimmten Verwalter hat, kann er also mit dem Hinweis auf die finanziellen Risiken das Verfahren nicht mehr gewinnen.567 cc) Anfechtung des Abberufungsbeschlusses durch den Verwalter Nach alter Rechtslage konnte der Verwalter den Abberufungsbeschluss selbständig anfech- 221 ten, § 46 Abs. 1 Satz 1 a.F. Nicht anfechten konnte er hingegen den Beschluss über die Bestellung eines neuen Verwalters, da ihn die Neubestellung nicht unmittelbar in seinen Rechten betraf. Der abberufene Verwalter konnte nicht gegen die Person des neuen Verwalters vorgehen, selbst wenn seine Wahl zur Folge hatte, dass der bisherige Verwalter seine Tätigkeiten nicht mehr ausüben konnte. Diese Möglichkeit ist durch das WEMoG ersatzlos entfallen. Durch die Neuregelung in § 26 Abs. 3 besitzt er jetzt kein subjektives Recht mehr auf Fortbestand seiner Organstellung.568 Er hat damit weder ein Recht aus dem Amt noch ein Recht auf das Amt.569 Ebenso wenig konnte nach alter Rechtslage der Verwalter den Kündigungsbeschluss anfech- 222 ten. Nach Auffassung des BGH konnte der Verwalter nur eine Feststellungsklage gegen die Kündigung erheben, um ihre Unwirksamkeit feststellen zu lassen.570 Das ist nach neuer Rechtslage nur noch eingeschränkt möglich. Greift die auflösende Bedingung des § 26 Abs. 3 Satz 2 ist in erster Linie eine Zahlungsklage möglich. Soll hingegen eine kürzere Kündigungsfrist gelten, weil der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde (s. Rz. 189), könnte Streit über die wirksame Geltung der Kündigungsfrist entstehen. Aber auch in diesem Fall wird der Verwalter auf die Zahlungsklage zu verweisen sein, weil schon rein praktisch die in Betracht kommenden Fristen allesamt vor dem Datum der mündlichen Verhandlung liegen dürften. Der vor dem Inkrafttreten des WEMoG mögliche Feststellungsantrag war nur dann im Einzelfall sinnvoll, wenn das Vertragsende erst geraume Zeit nach der mündlichen Verhandlung eintrat. Sprechen die Wohnungseigentümer eine fristlose Abberufung aus wichtigem Grund aus und 223 bezweifelt der Verwalter den wichtigen Grund, kann er auf Zahlung der sechs Monatshonorare gemäß § 26 Abs. 3 klagen. Dann wird inzidenter geprüft, ob ein wichtiger Grund zur Abberufung vorlag, der diesem Zahlungsanspruch entgegenstehen würde. Demgegenüber kommt eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung nicht in Betracht. Diese ist stets Folge der Abberufung. Da auch bei einer fristgemäßen Abberufung und Kündigung der Fortzahlungszeitraum limitiert ist, wird es in diesen Fällen ebenfalls an einem Feststellungsinteresse des Verwalters fehlen. Allerdings kann der Verwalter einen höheren Zahlungsanspruch als sechs Monatsbeträge geltend machen, wenn die Abberufungserklärung ihm nicht oder verspätet zugestellt wurde oder die GdWE die Abberufung erst für einen Zeitpunkt ausspricht, der nach den gesetzlich verankerten 6 Monaten liegt.
567 A.A. Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 173; Zschieschack in MünchKomm/ BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 56. 568 Siehe zur alten Rechtslage: BGH v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1087; v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, MDR 2002, 1427 = NJW 2002, 3240 = ZMR 2002, 766 = NZM 2002, 788; ebenso Wenzel, ZWE 2001, 510; a.A. Suilmann, ZWE 2000, 106, 111; Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 26 WEG Rz. 268. 569 So schon Becker zur alten Rechtslage in Bärmann, 14. Aufl., § 26 WEG Rz. 268. 570 BGH v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, MDR 2002, 1427 = NJW 2002, 3240 = ZMR 2002, 766 = NZM 2002, 788. Jennißen | 1307
§ 26 WEG Rz. 224 | Bestellung und Abberufung des Verwalters
5. Folgen von Abberufung und Kündigung a) Herausgabe der Verwaltungsunterlagen 224 Mit der Beendigung des Verwalteramts ist der Verwalter verpflichtet, alles, was er zur Aus-
führung der Verwaltertätigkeit erhalten oder in Folge seiner Geschäftsbesorgung erlangt hat, gem. § 667 BGB herauszugeben. Dieser Herausgabeanspruch steht der rechtsfähigen Eigentümergemeinschaft zu.571 Herauszugeben sind alle Unterlagen, die der Verwalter im Zuge seiner Tätigkeit erhalten hat572 und die objektiv zur Fortführung des Verwalteramts erforderlich sind. Persönliche Aufzeichnungen des Verwalters zählen i.d.R. nicht dazu. Zwar sind Versammlungsprotokolle in diesem Sinne keine persönlichen Aufzeichnungen. Sofern original unterzeichnete Exemplare vorhanden sind, sind sie herauszugeben. Sie sind aber auch nicht Eigentum der GdWE. Der Herausgabeanspruch verjährt in drei Jahren nach Beendigung des Verwalteramts. Die Schuld ist eine Holschuld,573 so dass im Zweifel der neue Verwalter die Unterlagen bei seinem Vorgänger abholen muss. 225 Der Herausgabeanspruch bezüglich von Abrechnungsunterlagen besteht unabhängig davon,
ob die Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnungsergebnisse bereits beschlossen haben. Der Beschluss ist nicht vorrangig.574 Allerdings setzt die gerichtliche Geltendmachung einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer voraus.575 In diesem Verfahren wird die GdWE durch den Beiratsvorsitzenden vertreten, § 9b Abs. 2. Kommt der Verwalter mit der Herausgabe in Verzug, hat er die Kosten eines daraufhin eingeleiteten Verfahrens zu tragen.576 226 Bestehen Zweifel an der Vollständigkeit der herausgegebenen Unterlagen oder der abgegebe-
nen Informationen, kann vom ausgeschiedenen Verwalter die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gem. §§ 260 Abs. 2 BGB, 889 ZPO verlangt werden. Diese kann im Wege der Stufenklage eingefordert werden. 227 Im Klageantrag müssen die einzelnen herauszugebenden Unterlagen nicht zwingend auf-
gezählt werden.577 Es genügt, „alle“ Unterlagen zu fordern. Eine Konkretisierung ist erforderlich, wenn nicht alle Unterlagen verlangt werden, weil beispielsweise der neue Verwalter oder der Beirat schon im Besitz von Unterlagen ist.578 Sinnvoll ist die Konkretisierung aber für die Zwangsvollstreckung. Diese folgt zunächst aus § 883 ZPO und schlägt diese fehl, ist sie als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO durchzuführen.579 Gibt der Verwalter die Verwaltungsunterlagen verspätet heraus, kann er sich schadensersatzpflichtig machen.580 Dem Verwalter steht kein Zurückbehaltungsrecht zu, selbst dann nicht, wenn er noch offene Vergütungsansprüche besitzt.581
571 OLG München v. 21.2.2006 – 32 Wx 014/06, NZM 2006, 349 = DWE 2006, 74; OLG Hamburg v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148. 572 LG Itzehoe v. 22.7.2014 – 11 S 62/13, ZWE 2015, 414. 573 Ebenso Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 194. 574 BGH v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = DWE 1997, 72. 575 OLG Hamburg v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148. 576 LG Mainz v. 8.9.2005 – 3 T 211/04, MietRB 2006, 46 einen Fall vor der WEG-Novelle betreffend. 577 OLG Hamburg v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148. 578 OLG Hamburg v. 20.8.2007 – 2 Wx 117/06, ZMR 2008, 148; OLG Frankfurt v. 2.9.1998 – 20 W 49/97, WuM 1999, 6. 579 OLG Frankfurt v. 2.9.1988 – 20 W 49/97, WuM 1999, 61; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 162. 580 LG Mainz v. 8.9.2005 – 3 T 211/04, MietRB 2006, 46. 581 Allgemeine Meinung, s.a. OLG Hamm v. 22.2.2007 – 15 W 181/06, ZMR 2007, 982; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 26 WEG Rz. 364; Sauren, 6. Aufl., § 26 WEG Rz. 44; Niedenführ in Niedenführ/ Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 162.
1308 | Jennißen
V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 233 § 26 WEG
Mit der Herausgabe der Verwaltungsunterlagen endet die Auskunftspflicht des Verwalters 228 gegenüber der Eigentümergemeinschaft nicht. Wird der Verwalter auf Auskunftserteilung verklagt und erteilt er eine möglicherweise unvollständige Auskunft, ist dennoch der Auskunftsantrag erledigt. Die Auskunftserteilung erledigt das Verfahren und nicht erst die Richtigkeit der Auskunft. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft, kann nur Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit der gemachten Angaben gem. § 259 Abs. 2 BGB gefordert werden. Auch eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe der Verwaltungsunterlagen kommt ein- 229 geschränkt in Betracht. Sie kann sich i.d.R. auf befristete Einsichtnahme durch den neuen Verwalter beziehen582 und setzt eine besondere Eilbedürftigkeit voraus. Ausnahmsweise kann sich der Herausgabeanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren auch auf die Herausgabe besonders wichtiger Unterlagen beziehen.583 b) Rechenschaftspflicht Die Wohnungseigentümer können vom ausgeschiedenen Verwalter Rechnungslegung for- 230 dern, obschon § 28 Abs.4 a.F. ersatzlos gestrichen wurde. Es gelten jetzt nur noch die allgemeinen Vorschriften der §§ 666, 259 BGB. Diese sehen eine Rechenschaftspflicht nach Ausführung des Auftrags vor, was der Beendigung des Verwalteramtes gleichzusetzen ist. Diese Verpflichtung entsteht aber erst dann, wenn die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss diese Forderung aufstellen und dem ausgeschiedenen Verwalter übermitteln. Ohne Mehrheitsbeschluss fehlt es an der Rechtsgrundlage für diese Forderung (vgl. § 28 Rz. 17 ff.). Der Pflicht zur Erstellung eines Rechenschaftsberichts steht es nicht entgegen, dass über das Verwaltungskonto auch Gelder Dritter geflossen sind.584 Der Rechenschaftsbericht hat ähnlich einem Status das Vermögen der GdWE widerzuspie- 231 geln und auch Forderungen und Verbindlichkeiten der Gemeinschaft zu enthalten (siehe hierzu im Einzelnen § 28 Rz. 13 ff.). Er dient nicht nur der Kontrolle durch die Wohnungseigentümer, sondern muss auch so gestaltet werden, dass der Nachfolgeverwalter seine Buchführung hieran anknüpfen kann. c) Erstellung der Jahresabrechnung Nach herrschender Auffassung muss der Verwalter, wenn während des Kalenderjahres seine 232 Verwaltertätigkeit endet, für das vorangegangene Kalenderjahr die Abrechnung erstellen, und zwar unabhängig davon, in welchem Monat sich der Verwalterwechsel vollzog. Endet hingegen zum Ende des Kalenderjahres (31.12.) sein Verwalteramt, sei die Jahresabrechnung für das ablaufende Jahr vom neuen Verwalter zu fertigen.585 Diese Auffassung wurde zwischenzeitlich dahingehend modifiziert, dass die Abrechnungs- 233 pflicht des abberufenen Verwalters für das abgelaufene Kalenderjahr nur dann entstehe, wenn sein Amt erst nach dem 30.4. des Folgejahres oder später endet.586 Diese Auffassung 582 LG Itzehoe v. 22.7.2014 – 11 S 62/13, ZWE 2015, 414; AG Kelheim v. 19.10.2007 – 5 C 0965/07, ZMR 2008, 83; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 201. 583 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 201. 584 OLG Hamm v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, MietRB 2008, 144 = ZMR 2008, 400. 585 OLG Köln v. 30.10.1985 – 16 Wx 88/05, NJW 1986, 328; OLG Hamburg v. 18.11.1986 – 2 W 61/ 86, WE 1987, 83; OLG Celle v. 8.6.2005 – 4 W 107/05, ZMR 2005, 718; LG Frankfurt/M v. 8.6.1984 – 2/9 T 586/83, MDR 1985, 59. 586 OLG Zweibrücken v. 11.5.2007 – 3 W 153/06, MDR 2007, 1067 = MietRB 2008, 82 = ZMR 2007, 887; ebenso Müller, Praktische Fragen, 6. Aufl., 9. Teil Rz. 283; Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 26 WEG Rz. 81. Jennißen | 1309
§ 26 WEG Rz. 233 | Bestellung und Abberufung des Verwalters stellt auf den Fälligkeitsaspekt ab und berücksichtigt, dass die Abrechnung tatsächlich noch nicht am 1.1. des Folgejahres erstellt werden kann und daher zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig ist. Diese Fälligkeit sei auch unter Berücksichtigung der Heizkostenabrechnung erst drei bis vier Monate nach dem Jahreswechsel gegeben, so dass im Zweifel das alte Jahr derjenige abzurechnen habe, der am 1.5. des Folgejahres Verwalter sei. 234 Diese Auffassung überzeugt nicht (siehe hierzu § 28 Rz. 201 ff.), da der Verwalter für die
Erstellung der Abrechnung bereits bezahlt wurde. Wie er kalenderjährig eine Eigentümerversammlung durchzuführen hat, muss er auch jährlich eine Abrechnung erstellen, was mit seiner Grundvergütung abgegolten ist. Wer zur Erstellung der Jahresabrechnung verpflichtet ist, richtet sich auch dogmatisch nicht danach, wann Fälligkeit eintritt. Denn die Fälligkeit bestimmt nicht den Schuldner, sondern den Zeitpunkt, in dem die Verpflichtung zu erfüllen ist. Ist die Verpflichtung für den Vorverwalter entstanden, geht sie nicht unter oder über, nur weil noch keine Fälligkeit eingetreten ist. Dem ist der BGH gefolgt und lässt lediglich die Frage noch offen, ob die Abrechnungsverpflichtung am 31.12. oder erst am 1.1. entsteht.587 235 Unabhängig vom Fälligkeitszeitpunkt ist deshalb nicht zu erkennen, warum der Verwalter
die Jahresabrechnung, die gleichzeitig den Rechenschaftsbericht über seine wirtschaftliche Verwaltungstätigkeit darstellt, nicht mehr nach Beendigung des Verwalteramts erstellen muss.588 Es handelt sich nach Vertragsablauf auch nicht lediglich um eine nachvertragliche Pflicht. Die Pflicht zur Erstellung einer Jahresabrechnung entsteht mit dem 31.12., auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Fälligkeit dieser Verpflichtung begründet wird.589 Die Verpflichtung ist also schon gegenüber dem am 1.1. des Folgejahres ausscheidenden Verwalter entstanden. Hinsichtlich der Jahresabrechnung hat der Verwaltervertrag Werkvertragscharakter. Der Verwalter ist für die Erstellung des Werks bezahlt worden und hat noch nicht erfüllt. Dieser Teil des Vertrages ist somit noch nicht abgeschlossen. Lediglich der Dienstvertrag ist beendet. Die Ansprüche der GdWE lauten daher primär noch auf Erfüllung und nicht lediglich auf Schadensersatz.590 Dem steht auch nicht der Wortlaut des § 28 Abs. 2 entgegen. Dieser will mit den Worten „nach Ablauf eines Kalenderjahres“ einmal sicherstellen, dass vom Verwalter keine Zwischenabschlüsse verlangt werden können und zum anderen regelt die Vorschrift die Fälligkeit der Verpflichtung. Da die Abrechnung eine kalenderjahresbezogene Einnahmen- und Ausgabenrechnung darstellt, hat der Verwalter grundsätzlich keine wirtschaftlichen Vorgänge ab dem 1.1. des Folgejahres in dieser Abrechnung zu berücksichtigen. 236 Der während des Kalenderjahres ausscheidende Verwalter hat nach h.M. über das laufende
Kalenderjahr nicht abzurechnen, da dieser Anspruch erst im nächsten Jahr entsteht und er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Amt ist. Für das laufende Kalenderjahr ist dem zu folgen. Allerdings ist die bessere Begründung darin zu sehen, dass nur eine Jahresabrechnung zu erstellen ist, die zum Jahresende der neue Verwalter schuldet. Schon rein faktisch lässt sich vor dem Jahresende keine Jahresabrechnung erstellen und ist somit noch keine Verpflichtung zur Erstellung des Werks entstanden. d) Kontoausgleich 237 Wie mit dem Verwaltungskonto bei Verwalterwechsel zu verfahren ist, ist davon abhängig,
ob es sich um ein Treuhandkonto oder ein Fremdkonto handelt. Bei Letzterem ist die Eigen587 BGH v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515. 588 Vgl. zur Gesamtproblematik § 28 Rz. 201 ff.; Jennißen in Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2. Aufl., Rz. 863 ff. 589 A.A. LG Düsseldorf v. 1.6.2017 – 19 S 125/16, ZWE 2017, 456, wonach der 1.1. maßgebend sein soll. 590 A.A. Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 11 Rz. 197.
1310 | Jennißen
V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 241 § 26 WEG
tümergemeinschaft Kontoinhaberin, sodass der Verwalter mit Beendigung seiner Organstellung die Kontoführungsbefugnis verliert. Treuhandkonten bei denen hingegen der Verwalter Kontoinhaber ist und lediglich durch einen Zusatz verdeutlicht wird, dass dort fremdes Geld verwaltet wird, durfte es schon nach § 27 Abs. 5 a.F. eigentlich nicht mehr geben. Die Konten sind im Namen der GdWE anzulegen. Nur so ist das Geld juristisch unbedenklich vom Vermögen des Verwalters getrennt. Dennoch sind solche Konten immer wieder in der Praxis vorzufinden. Bei einem echten Fremdkonto müssen Guthaben oder Fehlbeträge nicht auf die Eigentümer- 238 gemeinschaft übertragen werden, da sie sich bereits in ihrem Vermögen befinden.591 Der neue Verwalter kann durch Vorlage einer Vollmacht der GdWE die Kontoführung gegenüber der Bank beanspruchen. Wurde hingegen fälschlicherweise ein Treuhandkonto angelegt, ist das Konto nicht auf den neuen Verwalter übertragbar. Daher sind etwaige Guthabenbeträge auf das neue Verwaltungskonto zu überweisen.592 Die Herausgabe der gemeinschaftlichen Gelder setzt nicht voraus, dass die Wohnungseigen- 239 tümer zuvor über die Jahresabrechnung oder über die Forderung nach Rechnungslegung abgestimmt haben.593 Weist das Treuhandkonto hingegen einen Soll-Saldo auf, kann der Verwalter einen Erstattungsanspruch gegen die Eigentümergemeinschaft geltend machen, wenn die Kontoüberziehung aus der ordnungsmäßigen Bewirtschaftung des Objektes resultiert, was der Verwalter zu beweisen hat.594 Dies gilt auch dann, wenn der Verwalter zur Kontoüberziehung nicht legitimiert wurde. Dann kann allenfalls die Eigentümergemeinschaft die Ausgleichung der entstandenen Bankzinsen verweigern, wenn die Kontoüberziehung nicht vom mutmaßlichen Willen der Wohnungseigentümer gedeckt war. Der Ausgleichsanspruch setzt voraus, dass der Verwalter das Treuhandkonto aus eigenen Mitteln glattstellt.595 Geschieht dies nicht, steht dem Verwalter nur ein Freistellungsanspruch zu. Die Ersatzansprüche des Verwalters verjähren in drei Jahren ab dem Jahresende, in dem das Verwalteramt endete.596 e) Vergütungsansprüche, Abs. 3 Satz 2 Grundsätzlich entfallen mit der Beendigung des Verwaltervertrages auch die Vergütungs- 240 ansprüche des Verwalters, sofern die Kündigung sofort, also fristlos wirkt. Handelt es sich nicht um eine fristlose Kündigung, hat § 26 Abs. 3 Satz 2 wirtschaftlich zur Folge, dass eine sechsmonatige Kündigungsfrist als gesetzlich geregelt gilt.597 Gleichzeitig bewirkt diese Frist aber auch, dass die Ersatzansprüche des Verwalters beschränkt sind. Insoweit wird in die Vertragsfreiheit eingegriffen. Verfassungsrechtliche Bedenken sind daher nicht abwegig. Eine besondere Situation entsteht, wenn der Bestellungsbeschluss auf entsprechende Anfech- 241 tung gerichtlich aufgehoben wird. Nach der hier vertretenen Auffassung hat dies keine Auswirkungen auf die Vergütungsansprüche, da der Verwalter in der Zwischenzeit die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat und dann auch als Geschäftsführer ohne Auftrag Anspruch auf die übliche Vergütung besitzt, die im Zweifel der im gescheiterten Vertrag zugrunde gelegten entspricht.
591 592 593 594 595
Vgl. zu dieser Problematik auch Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 41 ff. Hierzu s.a. BayObLG v. 26.8.1999 – 2Z BR 53/99, NZM 1999, 1148. BGH v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106. Hierzu s.a. BayObLG v. 26.8.1999 – 2Z BR 53/99, NZM 1999, 1148. OLG Hamburg v. 16.8.2004 – 2 Wx 55/02, ZMR 2004, 932; AG Hamburg-Blankenese v. 24.7.2002 – 506 II 10/02, ZMR 2003, 71. 596 Vgl. OLG Zweibrücken v. 26.1.2007 – 3 W 206/06, MDR 2007, 512 = MietRB 2007, 101 = ZMR 2007, 489. 597 So Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 544. Jennißen | 1311
§ 26 WEG Rz. 242 | Bestellung und Abberufung des Verwalters 242 Die Aussage, dass der Verwalter bis zur Beendigung seines Amtes grundsätzlich Anspruch
auf sein Verwalterhonorar hat, findet dann eine Ausnahme, wenn es der Verwalter pflichtwidrig unterlässt, eine Eigentümerversammlung mit dem Ziel seiner sofortigen Abberufung anzuberaumen.598 Dann soll ihm für die Zwischenzeit, die zu dieser Verzögerung geführt hat, kein Anspruch auf das Verwalterhonorar zustehen. 243 Wurde der Verwalter abberufen und der Beschluss erfolgreich angefochten, steht fest, dass
die Abberufung rechtswidrig war. Liegen dann keine besonderen Gründe vor, die dennoch die Unwirksamkeit des Verwaltervertrags zur Folge hätten, behält der Verwalter bis zur ordentlichen Beendigung seines Verwalteramts den Vergütungsanspruch. Da er in der Zwischenzeit bis zur Aufhebung des Beschlusses daran gehindert war, seine Tätigkeit auszuüben, hat er auch für diese Zeit einen Vergütungsanspruch nach § 615 BGB. Hierbei handelt es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, der auf den entgangenen Gewinn beschränkt wäre, sondern weiterhin um einen Erfüllungsanspruch. Er muss sich allerdings die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, § 615 Satz 2 BGB. Bei den ersparten Aufwendungen ist zu prüfen, ob durch den Wegfall des Objektes der Verwalter in der Lage war, fixe Kosten und insbesondere Personal einzusparen. Ist dies nicht der Fall, wird von der Rechtsprechung eine pauschale Ersparnis der variablen Kosten von lediglich 20 % angenommen, so dass der Vergütungsanspruch i.H.v. 80 % erhalten bleibt.599 244 Die gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Monaten führt dazu, dass die Ansprüche auf
6 × 80 % und somit in der Summe auf 4,8 Monatsbeträge beschränkt sind, sofern nicht größere Ersparnisse nachgewiesen werden können. Hat der Verwalter sein Honorar im Baukastensystem berechnet, das sich aus einer Fest- und einer variablen Vergütung zusammensetzt, kann er den Festvergütungsanteil verlangen. Hinsichtlich des variablen Teils, der aufwandsbezogen berechnet wird, kommt eine Vergütung nur für noch nicht abgerechnete halbfertige Arbeiten in Betracht. Hat er beispielsweise Anspruch auf eine variable Vergütung für die Begleitung größerer Instandsetzungsarbeiten und sind diese im Abberufungszeitpunkt noch nicht vollständig erledigt, kann er seinen bis dahin angefallenen Aufwand berechnen. Dieser ist selbstverständlich nicht zu kürzen, weil es sich dabei um einen schon verdienten Anspruch handelt. Demgegenüber ist es aber unzulässig einen Durchschnittswert seiner variablen Vergütungen aus der Vergangenheit dafür zu verwenden, einen entsprechenden Wert auch für die sechsmonatige Kündigungsdauer zu fordern. 245 Ist für den Verwalter die Kappung seiner Erfüllungsansprüche auf max. 6 Monatsbeträge
schon ein erheblicher Eingriff in seine vertraglichen Rechte, wird eine entsprechende Zahlungsklage in der Praxis noch bedenklicher, wenn über die Vorlage eines wichtigen Abberufungsgrundes gestritten wird. Müsste das Gericht dann Beweis erheben, ob der wichtige Grund tatsächlich vorliegt, wird es zur Vermeidung einer längeren Beweisaufnahme anregen, dass sich die Parteien auf 50 % der Klageforderung vergleichen. Würden auf diesem Weg dem Verwalter dann nur 2,4 Monatsbeträge seiner Festvergütung zugebilligt, wird dieser Betrag nur bei größeren Eigentümergemeinschaft den Klageaufwand überhaupt rechtfertigen. 246 Durch Verwaltervertrag können die Parteien eine kürzere Kündigungsfrist vereinbaren
oder sogar Bestellungsdauer und Vertragsdauer so eng aneinanderkoppeln, dass der Vertrag durch die Abberufung im Sinne einer auflösenden Bedingung sofort endet. Ebenfalls endet
598 OLG München v. 21.6.2006 – 34 Wx 028/06, ZMR 2006, 719. 599 OLG Hamburg v. 15.8.2005 – 2 Wx 22/99, ZMR 2005, 974; OLG Köln v. 9.3.1994 – 16 Wx 201/ 93, DWE 1994, 110; v. 9.8.2000 – 16 Wx 67/00, NZM 2001, 429; BayObLG v. 29.9.1999 – 2Z BR 29/99, NZM 2000, 48; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 140; a.A. KG v. 20.9.1993 – 24 W 188/93, ZMR 1994, 579, wonach 45 % Ersparnis pauschal anzurechnen seien; 20 bis 45 % annehmend: Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz, 62.
1312 | Jennißen
V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 249 § 26 WEG
der Vertrag, wenn er auf eine bestimmte Dauer abgeschlossen wurde und das Ende vor der Sechsmonatsfrist liegt. Dann entfällt entsprechend der Vergütungsanspruch. Bei einer Abberufung beginnt der sechsmonatige Zeitraum grundsätzlich mit dem Datum 247 des Abberufungsbeschlusses bzw. dem Zugang der Kündigungserklärung. Wählen die Wohnungseigentümer als milderes Mittel nicht die sofortige Abberufung, sondern beschließen die Beendigung des Verwalteramts erst in zwei Monaten, endet der Verwaltervertrag spätestens in 8 Monaten. Dann ist nicht der Zeitpunkt der Beschlussfassung, sondern der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Abberufung wirken soll.600 Soll die Abberufung erst in 8 Monaten wirken, endet der Vertrag spätestens in 14 Monaten. Ein überzeugender Grund, warum das Datum der Beschlussfassung stets maßgebend sein soll, ist nicht erkennbar. Dann müsste der Verwalter nach 6 Monaten für zwei weitere Monate unentgeltlich und vertragslos arbeiten. Um dies zu vermeiden, schlagen die Vertreter dieser Auffassung vor, dass der Verwalter sein Amt niederlegen könne, wenn er diese Konsequenz vermeiden wolle.601 Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht, da sie weder vom Sinn und Zweck noch vom Wortlaut der Regelung gedeckt ist. Die Vorschrift will der GdWE in erster Linie die Möglichkeit verschaffen, sich jederzeit vom Verwalter trennen zu können. Lediglich als geringen Ausgleich dafür, dass die GdWE dadurch in anderslautende Vereinbarungen mit dem Verwalter einseitig eingreift, erhält dieser einen maximalen Fortzahlungsanspruch für 6 Monate. Zudem wird die GdWE weiterhin geschützt, indem der Verwalter gegenüber der bis zum 1.12.2020 geltenden Regelung einen Abberufungsbeschluss nicht mehr anfechten kann. Eine längere Hängepartie als 6 Monate wird also vermieden. Dass die GdWE weiter privilegiert werden soll, indem diese den Verwalter durch eine lange Abberufungsfrist in einen vertragslosen Zustand bringen könnte, ist nicht anzunehmen.602 Die sechsmonatige Frist ist auch dann zu berücksichtigen, wenn die Kündigung noch vor 247a dem Inkrafttreten des WEMoG ausgesprochen wurde und sich dann im Prozess als haltlos dargestellt hat. Dann ist für den Vergütungsanspruch des Verwalters die Zeit von der grundlosen Kündigung bis zum 1.12.2020 zuzüglich (ab dann) 6 Monate zu berücksichtigen.603 Der Wortlaut spricht von einem Vertragsende spätestens 6 Monate nach der Abberufung 248 und nicht 6 Monate nach dem Abberufungsbeschluss. Somit ist es auch nicht möglich die Abberufung mit der Vertragsbeendigung gleichzuziehen, also beides zusammen in 6 Monaten enden zu lassen. Eine Verlängerung der Kündigungsfristen über 6 Monate hinaus oder die Festlegung einer 249 Art Vertragsstrafe für den Kündigungsfall verstoßen gegen die gesetzliche Regelung des § 26 Abs. 3 und wären demnach nichtig, § 26 Abs. 5 (s. Rz. 267). Hat der Vertrag keine Mindestlaufzeit und wird er auch nicht aus wichtigem Grund gekündigt, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen gemäß § 621 Nr. 3 BGB. Da die Vergütung in der Regel nach Monaten bemessen ist, kann die Kündigung bis zum 15. des Monats für den Schluss des Kalendermonats ausgesprochen werden. Wurde der Termin verpasst, verlängert sich die Kündigungsfrist auf den Schluss des nächsten Kalendermonats, sodass die Kündigungsfrist max. 6 Wochen beträgt.
600 So auch Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 26 Rz. 171; Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 61. 601 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 547 ff.; ebenso Wicke in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 26 WEG Rz. 17. 602 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 294; Bachmann, ZWE 2022, 246, 248; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 75; Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 60 603 LG Köln v. 9.6.2022 – 29 S 151/21, ZMR 2022, 922. Jennißen | 1313
§ 26 WEG Rz. 250 | Bestellung und Abberufung des Verwalters 250 Der Verwalter muss seine Leistungen auch nicht ausdrücklich anbieten.604 Mit der Regelung
des § 26 Abs. 3 schafft der Gesetzgeber klare Verhältnisse, indem der Verwalter nicht mehr ins Amt zurückkommen kann, sondern nur ein Recht auf Vergütungszahlung für eine maximal sechsmonatige Frist hat. 251 Der Verwalter kann nach seiner Abberufung offene Vergütungsansprüche nicht mehr vom
Konto der Gemeinschaft abbuchen.605 Wenn sein Amt endet, ist er auch nicht mehr verfügungsberechtigt, unabhängig davon, ob es sich um ein Treuhandkonto oder ein offenes Fremdkonto handelt. Erst recht kann er nicht mit Beträgen der Instandhaltungsrücklage aufrechnen, selbst wenn die Rücklage auf einem offenen Treuhandkonto geführt wurde.606 An die Zweckbindung dieser Beträge ist auch der abberufene Verwalter gebunden.
6. Niederlegung des Verwalteramts/Kündigung durch den Verwalter 252 Auch der Verwalter kann den Verwaltervertrag kündigen. Eine fristlose Kündigung kommt
in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der ihm ein Festhalten am Verwaltervertrag unzumutbar macht.607 Auch der Verwalter kann sich darauf berufen, dass das Vertrauensverhältnis ihm gegenüber durch Handlungen oder Äußerungen der Wohnungseigentümer oder wegen erheblicher Honorarforderungen gestört wurde. 253 Ist eine Kündigungsfrist nicht vereinbart worden, gilt auch hier die Frist des § 621 Nr. 3
BGB. 254 Gleichermaßen kann der Verwalter sein Amt niederlegen, womit seine Organstellung endet.
Ein Verwalter soll nicht gegen seinen Willen im Amt gehalten werden.608 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist dazu eine ausdrückliche Erklärung erforderlich. Die bloße Einstellung der Tätigkeit genügt nicht, die Erklärung „sofort zurückzutreten“ jedoch wohl.609 Je nach Erklärungsinhalt kann die Niederlegung sofort mit ihrem Zugang wirksam werden.610 Sie muss nicht fristlos ausgesprochen werden. Auch bei einer Abberufung aus wichtigem Grund kann es in engen Grenzen zulässig sein (s. Rz. 179), diese zeitverzögert auszusprechen, um weitere Nachteile abzuwenden.611 Damit korrespondiert die Möglichkeit der Niederlegung zu einem in der Erklärung genannten Datum. Die zeitliche Verzögerung kann allenfalls ein Beleg dafür sein, dass kein wichtiger Grund vorliegt. Andererseits muss es dem Verwalter möglich sein, durch Wahl des Niederlegungszeitpunkts den Schaden der Wohnungseigentümer oder der Gemeinschaft zu reduzieren und ihr die Möglichkeit zu geben, die Nachfolge zu regeln. 255 Die Wirksamkeit der Niederlegung ist nicht von einem Kündigungsgrund abhängig. Der
Grund hat nur Auswirkungen auf die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung (s. nachfolgende Rz. 256 f.).612 Hat der Verwalter einen wichtigen Grund zur Niederlegung, entfällt die 604 Siehe zur alten Rechtslage Kümmel, Anm. zu OLG Düsseldorf v. 13.8.2003 – 3 Wx 181/03, MietRB 2004, 80 f. 605 AG Neustadt a. Rbge. v. 2.3.2012 – 20 C 236/11, ZMR 2013, 78. 606 A.A. OLG Hamm v. 5.6.2007 – 15 W 239/06, MietRB 2008, 180 = ZMR 2008, 64. 607 BayObLG v. 29.9.1999 – 2Z BR 29/99, NZM 2000, 48. 608 A.A. Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 187, der darauf hinweist, dass für eine Niederlegung eine gesetzliche Grundlage fehle. 609 LG Frankfurt/M v. 31.8.2020 – 2-13 S 87/19, ZMR 2021, 58. 610 AG Hamburg-Blankenese v. 5.1.2016 – 539 C 47/15, ZMR 2016, 314; Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 11 Rz. 70; Sauren, 6. Aufl., § 26 WEG Rz. 41; Bogen, ZWE 2002, 153; a.A. Reichert, ZWE 2002, 438. 611 Ebenso Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 Rz. 344. 612 LG Frankfurt/M v. 31.8.2020 – 2-13 S 87/19, ZMR 2021, 58.
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V. Abberufung und Kündigung des Verwalters, Abs. 3 | Rz. 257 § 26 WEG
Schadensersatzpflicht. Der wichtige Grund ist dann gegeben, wenn die Fortsetzung der Tätigkeit für die Eigentümergemeinschaft dem Verwalter nicht mehr zumutbar ist. Dieser Schadensersatzanspruch kann entstehen, wenn der Verwalter ohne wichtigen Grund 256 niederlegt.613 Schäden können sich u.a. dadurch ergeben, dass Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft nicht rechtzeitig umgesetzt werden, ein neuer Verwalter gesucht oder eine zusätzliche Eigentümerversammlung einberufen werden muss. Umgekehrt kann auch ein Schadensersatzanspruch des Verwalters entstehen, wenn die Wohnungseigentümer die Niederlegung im Sinne einer schuldhaften Pflichtverletzung provoziert haben.614 Unter objektiver Betrachtungsweise muss die Niederlegung/Kündigung durch den Verwalter die Ultima Ratio darstellen. Das Verhalten einzelner Wohnungseigentümer kann dazu maßgebend sein. Die Eigentümergemeinschaft muss sich das Verhalten des Einzelnen zurechnen lassen. Teilweise wird die Zurechnung verneint und dafür ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch des Verwalters gegen den einzelnen Wohnungseigentümer angenommen, was aber abzulehnen ist, weil der Verwalter zu dem einzelnen Wohnungseigentümer in keinem direkten Rechtsverhältnis (mehr) steht. Deliktische Ansprüche nach § 826 BGB bleiben gegen den einzelnen Wohnungseigentümer unbenommen.615 Auch ist nicht überzeugend, wenn neben dem wichtigen Grund für den Schadensersatzanspruch des Verwalters gefordert wird, dass er sich bei Abgabe der Niederlegungserklärung die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs (Vergütungsanspruchs) ausdrücklich vorbehalten müsse.616 Für eine solche Vorbehaltspflicht sind dem Gesetz aber keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Teilweise wird auch hier entsprechend der Trennungstheorie zwischen Niederlegung des 257 Verwalteramts und Beendigung des Verwaltervertrags differenziert. Die Niederlegung soll nicht die Beendigung des Verwaltervertrags zum Gegenstand haben und damit grundsätzlich dem Verwalter die Vergütungsansprüche erhalten.617 Der Verwaltervertrag können nur durch Kündigung beendet werden. Dies überzeugt nicht. Warum sollte der Verwalter, der sein Amt nicht mehr ausüben will und deshalb das Verwalteramt niederlegt, ohne Kündigungserklärung noch Vergütungsansprüche besitzen?618 Denkbar wäre dies nur, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen wichtigen Grund zu verantworten hätte, weshalb dem Verwalter die Fortsetzung der Verwaltertätigkeit nicht mehr zumutbar ist und er deshalb einen Schadensersatzanspruch besitzt.619 Dann muss sich der Verwalter bei der Niederlegungserklärung solche Ansprüche aber vorbehalten. Geschieht dies nicht, kann seine Niederlegungserklärung dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch die Kündigung des Verwaltervertrags umfasst. Das gleiche Ergebnis ist durch Auslegung zu erzielen, wenn nur die fristlose Kündigung durch den Verwalter erklärt wird.620 Andererseits ist es nicht notwendig, dass die Wohnungseigentümer den Verwaltervertrag fristlos aufgrund der Amtsniederlegung kündigen müssten.621 Es wäre unbillig, die Eigentümer in Zugzwang zu bringen und ihnen das Risiko einer unterlassenen Kündigung anzutragen.
613 Vgl. auch hierzu die weiteren Ausführungen von Jennißen in Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2. Aufl., Rz. 847 ff. 614 Ebenso Jacoby in Staudinger, BGB, 2018, § 26 WEG Rz. 113. 615 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 154. 616 So aber BayObLG v. 29.9.1999 – 2Z BR 29/99, ZWE 2000, 72; Chr. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 26 WEG Rz. 51; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 153. 617 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 Rz. 346; Bogen, ZWE 2002, 153; Sauren, 6. Aufl., § 26 WEG Rz. 39; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 153. 618 Kritisch auch Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., § 10 Rz. 122. 619 Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 112. 620 BayObLG v. 29.9.1999 – 2Z BR 29/99, ZWE 2000, 72. 621 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 346; Müller, Praktische Fragen, 6. Aufl., 9. Teil Rz. 124. Jennißen | 1315
§ 26 WEG Rz. 258 | Bestellung und Abberufung des Verwalters 258 In der Rechtsprechung und in der Literatur wurde die Auffassung vertreten, dass der Verwal-
ter seine Niederlegungserklärung allerdings allen Wohnungseigentümern zustellen müsste.622 Diese Auffassung hätte zur Folge, dass der Verwalter sein Amt nicht niederlegen könnte, wenn ein Wohnungseigentümer nicht auffindbar ist und ihm deshalb nicht zugestellt wird. Teilweise wurde auch angenommen, dass jeder Wohnungseigentümer eine passive Gesamtvertretungsbefugnis besitze.623 259 Durch das WEMoG hat sich dieser Meinungsstreit teilweise erledigt. Die Erklärung ist nun-
mehr gemäß § 9b Abs. 2 gegenüber dem Beiratsvorsitzenden oder dem Eigentümer abzugeben, der durch Beschluss für die Vertretung gegenüber dem Verwalter bestimmt wurde. Nur dann, wenn weder ein Beirat noch ein Wohnungseigentümer ermächtigt wurde, die Niederlegungserklärung in Empfang zu nehmen, stellt sich die Problematik erneut. Nach § 9b wird die Gemeinschaft nur dann, wenn kein Verwalter existiert, von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich vertreten. In Relation zum Verwalter stellt aber § 9b Abs. 2 klar, dass die Wohnungseigentümer auch einen Wohnungseigentümer zur Vertretung ermächtigen können. Deshalb müsste in einer Eigentümerversammlung ein Wohnungseigentümer gewählt werden, demgegenüber der Verwalter die Niederlegung erklären könnte. Dies ist aber ein vermeidbarer Formalismus, sodass die Niederlegungserklärung weiterhin innerhalb der Eigentümerversammlung genügt,624 alternativ aber auch gegenüber allen Wohnungseigentümern erklärt werden kann.625
VI. Nachweis der Verwaltereigenschaft, Abs. 4 260 Abs. 4 sieht für den Nachweis der Verwaltereigenschaft eine öffentlich beglaubigte Urkunde
vor. Die öffentliche Beglaubigung ist aber nur in Grundbuchangelegenheiten notwendig. Solche Grundbuchangelegenheiten hat der Verwalter dann zu erledigen, wenn die Gemeinschaftsordnung einen Zustimmungsvorbehalt für die Veräußerung i.S.v. § 12 Abs. 1 vorsieht oder der Verwalter eine Löschungsbewilligung für eine zugunsten der Eigentümergemeinschaft eingetragene Zwangssicherungshypothek erteilen muss. 261 Für die öffentliche Beglaubigung des Verwalternachweises genügt die Vorlage des Versamm-
lungsprotokolls nebst Unterschriften der in § 24 Abs. 6 bezeichneten Personen. Dies bedeutet, dass das Protokoll vom Versammlungsleiter und einem Wohnungseigentümer zu unterzeichnen ist. Ist ein Verwaltungsbeirat bestellt, hat zusätzlich noch der Beiratsvorsitzende oder sein Vertreter zu unterschreiben. Die Unterschrift eines Beirats kann nicht zugleich die als Wohnungseigentümer sein.626 Ist ein Wohnungseigentümer auch der Versammlungsleiter kann er ebenfalls das Protokoll nur einmal unterzeichnen. Der werdende Wohnungseigentümer im Sinne von § 8 Abs. 3 ist ebenfalls zur Protokollunterzeichnung berechtigt.627 Sein 622 So OLG München v. 6.9.2005 – 32 Wx 060/05, MietRB 2006, 106; LG Frankfurt/M v. 31.8.2020 – 2-13 S 87/19, ZMR 2021, 58; Jacoby in Staudinger, BGB, 2018, § 26 WEG Rz. 108; Gottschalg in FS Wenzel, 2005, S. 159, 162; so noch Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 26 WEG Rz. 273 (im Gegensatz zur 15. Aufl.). 623 So LG Karlsruhe v. 11.12.2012 – 11 S 231/11, ZWE 2013, 180; Becker/Ott/Suilmann, Wohnungseigentum, 3. Aufl., Rz. 619; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 26 WEG Rz. 152. 624 Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 113. 625 LG Frankfurt/M. v. 27.10.2020 – 2-13 S 87/19, NZM 2020, 1117; Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 11 Rz. 70; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 WEG Rz. 343; a.A. Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 188, der die Erklärung gegenüber einem beliebigen Miteigentümer ausreichen lässt. 626 OLG Düsseldorf v. 22.2.2010 – I-3 Wx 263/09, ZMR 2010, 548. 627 Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 116.
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VII. Unzulässige Abweichungen, Abs. 5 | Rz. 265 § 26 WEG
Status ist durch die Eintragung der Vormerkung erkennbar. Diese Unterschriften sind öffentlich zu beglaubigen. Allerdings sind Vereinbarungen, die eine von § 24 Abs. 6 abweichende Regelung treffen und eine Reduzierung oder Erweiterung der Anzahl der Unterschriften vorsehen, wirksam.628 Wurde der Verwalter im schriftlichen Umlaufverfahren bestellt, müssen alle Unterschriften 262 der Wohnungseigentümer öffentlich beglaubigt werden.629 Die öffentliche Beglaubigung der Unterschriften des Initiators, eines Wohnungseigentümers und des Beiratsvorsitzenden oder seines Vertreters genügen nicht.630 Wurde der Verwalter durch Gerichtsbeschluss bestellt, sind Unterschriften i.S.v. § 24 Abs. 6 nicht nötig. Die Ausfertigung des Gerichtsbeschlusses ist öffentliche Urkunde. Hat der Bauträger den Verwalter bestellt, als er noch alleiniges Mitglied der Gemeinschaft war, genügt die Beglaubigung seiner Unterschrift.631 Eine notariell beglaubigte Abschrift der Teilungserklärung genügt, wenn der Verwalter dort 263 namentlich bestellt wurde. Ist in der Vollmachtsurkunde die Bestellungsdauer vermerkt, gilt die Vermutung, dass der Verwalter für diese beschlossene Dauer das Verwalteramt fortdauernd innehat. Während dieses Zeitraums muss der Verwalter seine Verwaltereigenschaft nicht für jede Eintragungsbewilligung i.S.v. § 12 Abs. 1 erneut nachweisen.632 Wenn der Verwalter auf unbestimmte Zeit bestellt worden ist, dann kann ebenfalls bis zum Ablauf der Höchstdauer von fünf Jahren bzw. drei Jahren für den Erstverwalter ab Beginn der Bestellung vermutet werden, dass seine Verwalterbestellung fortdauert.633 Nur wenn die konkrete und nicht lediglich die abstrakte Möglichkeit besteht, dass das Verwalteramt in der Person des Zustimmenden schon beendet ist, hat das Grundbuchamt dieser Frage von Amts wegen nachzugehen.634 Die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses hat das Grundbuchamt nur dann zu werten, wenn die Bestellung nichtig sein könnte. Rechtswidrigkeitsaspekte sind für das Grundbuchamt hingegen unerheblich, sodass auch dann von dem Bestand der Verwalterbestellung auszugehen ist.635 Außerhalb von Grundbuchangelegenheiten kann sich der Verwalter auch durch das Bestel- 264 lungsprotokoll, den Verwaltervertrag, eine privatschriftliche Vollmachtsurkunde oder im Falle gerichtlicher Bestellung durch Vorlage des Gerichtsurteils legitimieren.
VII. Unzulässige Abweichungen, Abs. 5 Abs. 5 lässt keine Abweichungen von den Regeln der Abs. 1–3 zu. Daher ist es unzulässig, 265 durch Beschlüsse oder Vereinbarungen andere Regelungen zu schaffen. Auch der Verwalter vermag nicht durch seinen Verwaltervertrag die gesetzlichen Vorgaben zu umgehen. Eine Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall der vorzeitigen Abberufung ist unwirksam.636
628 BayObLG v. 9.8.1989 – BReg. 2 Z 60/89, WuM 1989, 534 = NJW-RR 1989, 1168 = MDR 1989, 1106. 629 BGH v. 19.7.2021 – NotSt (Brfg) 1/21, ZMR 2022, 735 = MDR 2022, 63; BayObLG v. 23.1.1986 – BReg. 2 Z 14/85, NJW-RR 1986, 565; Zschieschack in MünchKomm, 8. Aufl., § 26 Rz. 118. 630 A.A. Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26 Rz. 358; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 653. 631 Zschieschack in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 26 WEG Rz. 118. 632 BayObLG v. 16.4.1991 – BReg. 2 Z 25/91, NJW-RR 1991, 978; Abramenko in Riecke/Schmid, 6. Aufl., § 26 WEG Rz. 98. 633 BayObLG v. 16.4.1991 – BReg. 2 Z 25/91, NJW-RR 1991, 978. 634 BayObLG v. 16.4.1991 – BReg. 2 Z 25/91, NJW-RR 1991, 978. 635 OLG München v. 26.1.2018 – 34 Wx 304/17, ZMR 2018, 534. 636 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 9, Rz. 77. Jennißen | 1317
§ 26 WEG Rz. 266 | Bestellung und Abberufung des Verwalters 266 Regelungen, die die Abberufungsmöglichkeit einschränken, sind unwirksam, die die Kündi-
gungsmöglichkeit einschränken jedoch nicht. So kann weiterhin vereinbart werden, dass die Kündigung nur aus wichtigem Grund zulässig ist, was aber schon automatisch dann gilt, wenn der Vertrag auf eine bestimmte Dauer eingegangen wurde. Dennoch kann die Höchstfrist von 6 Monaten gem. Abs. 3 S. 2 nicht verlängert werden. 267 Die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit gemäß Abs. 3 kann für den Verwalter bewirken,
dass dann, wenn er kurz nach Übernahme der Verwaltung wieder abberufen wird, seine Kalkulation nicht aufgeht. Die Übernahme eines Objektes ist aufwendig und amortisiert sich für den Verwalter erst mit zunehmender Vertragsdauer. Da der Verwalter nunmehr diese Vertragsdauer nicht mehr sicher einkalkulieren kann, wird er dies über eine besondere Vergütungsstruktur, z.B. erhöhte Verwaltervergütung im ersten Vertragsjahr, zu lösen suchen (s. Rz. 172). Dies stellt aber noch keine Umgehung von Abs. 3 da und kann, soweit diese Vergütungsvereinbarung transparent ist, wirksam sein. Ob für Altverträge noch eine Anpassung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt,637 ist eher zu bezweifeln.
§ 26a Zertifizierter Verwalter I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zertifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Schrifttum: Hogenschurz, Der zertifizierte Wohnungseigentumsverwalter, MietRB 2022, 214 ff.; Kaßler, Zertifizierter-Verwalter-Prüfungsverordnung: Was erwartet Verwalterinnen und Verwalter, ZWE 2022, 146–148; Osthus, Die Zertifizierung des Wohnungseigentumsverwalters, ZWE 2022, 156 ff.; Zschieschack, Die Zertifizierter-Verwalter-Prüfungsverordnung, NZM 2022, 193 ff.
I. Überblick 1 Mit dem WEMoG hat der Gesetzgeber die Zertifizierung des Verwalters eingeführt. Hier-
durch findet eine Tendenz ihren vorläufigen Abschluss, die die Anforderungen an das Berufsbild des Verwalters und seine Qualifikation sukzessive erhöht hat. Zunächst hat der Verwalter nach § 34c Abs. 2 Ziff. 3 GewO eine Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen. Nach § 34c Abs. 2a Satz 1 GewO muss er dann 20 Stunden Weiterbildung innerhalb von drei Jahren absolvieren. Jetzt bewirkt die Zertifizierung, dass er sich nicht nur weiterbilden, sondern eine Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer ablegen muss. 2 § 26a bestimmt die Voraussetzungen, unter denen er sich als zertifizierter Verwalter bezeich-
nen darf. Neben der Vorschrift des § 26a enthält das Gesetz weitere Regelungen zum zertifizierten Verwalter, und zwar in § 19 Abs. 2 Ziff. 6 und in § 48 Abs. 4. Nach § 19 Abs. 2 Ziff. 6 gehört die Bestellung eines zertifizierten Verwalters zu den Regeln ordnungsmäßiger Verwaltung, sofern das Objekt nicht aus mindestens neun Sondereigentumsrechte (Einheiten) besteht. Nur bei kleineren Objekten kann auf die Bestellung eines zertifizierten Verwalters verzichtet werden, sofern dies nicht dennoch mindestens ein Drittel der Wohnungseigentümer
637 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 9, Rz. 71.
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II. Zertifizierung | Rz. 6 § 26a WEG
verlangen. Dann darf aber kein professioneller Verwalter gewählt werden, der zwangsweise zertifiziert sein muss, sondern für diese kleinen Anlagen ist es ausnahmsweise möglich, dass ein Wohnungseigentümer die Verwaltung übernimmt. Die Vorschrift will eine gewisse Form der Selbstverwaltung ermöglichen, aber nicht dazu führen, dass ein Verwalter, nur weil er in der gleichen Wohnanlage Miteigentümer ist, die Zertifizierung nicht mehr benötigt. Die Vorschriften des § 19 Abs. 2 Ziff. 6 und des § 26a sind abdingbar, weshalb die Woh- 3 nungseigentümer abweichende Vereinbarungen treffen können, § 10 Abs. 1 Satz 2.1 Durch Vereinbarung können die Wohnungseigentümer auf einen zertifizierten Verwalter verzichten. Solch eine Vereinbarung hat zur Folge, dass die Bestellung eines nicht zertifizierten Verwalters ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und kein Wohnungseigentümer die Bestellung eines zertifizierten Verwalters verlangen kann.2 Nicht abdingbar sind jedoch die für die Bezeichnung als zertifizierter Verwalter nach § 26a Abs. 1 geregelten gesetzlichen Voraussetzungen.3 Die Zertifizierung muss spätestens bis zum 1.12.2023 erfolgt sein. Ab dann gilt die Wahl ei- 4 nes nicht zertifizierten (neuen) Verwalters als nicht ordnungsgemäß. § 48 Abs. 4 Satz 2 sieht eine Übergangsfrist für bereits bestellte Verwalter vor. Verwalter, die bereits am 1.12.2020 zum Verwalter einer Gemeinschaft bestellt waren, gelten demnach gegenüber dieser Gemeinschaft bis zum 1.6.2024 als zertifizierter Verwalter.
II. Zertifizierung Die Zertifizierung erfolgt durch Ablegung einer Prüfung vor der Industrie- und Handels- 5 kammer, die die rechtlichen, kaufmännischen und technischen Kenntnisse des Verwalters abfragen muss. Nähere Einzelheiten regelt die Verordnung über die Prüfung zum zertifizierten Verwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz (Zertifizierter-Verwalter-Prüfungsordnung – ZertVerwV). § 3 Abs. 1 ZertVerwV regelt, dass sowohl eine schriftliche als auch eine mündliche Prüfung abgelegt werden muss. Die Teilnahme an der mündlichen Prüfung setzt das Bestehen der schriftlichen Prüfung voraus.4 Für juristische Personen und Personengesellschaften gilt diese Prüfungspflicht grundsätzlich für alle Personen im Unternehmen, die unmittelbar Aufgaben der Wohnungsverwaltung erfüllen. Parallel zu der bereits bestehenden Verpflichtung zum Nachweis von Fortbildungsstunden gilt dies nicht für solche Mitarbeiter im Verwaltungsunternehmen, die lediglich mit Hilfsaufgaben oder reinen Personalangelegenheiten beschäftigt sind. Dabei kommt es nicht auf die Art der Sachbearbeitung an, sodass die Prüfungspflicht für Objektbuchhalter, technische oder kaufmännische Mitarbeiter ebenso gilt, wie für die Personen, die Eigentümerversammlungen leiten oder außerhalb von Eigentümerversammlungen Entscheidungen als Verwalter treffen, vgl. § 27.5 Die Prüfung muss nur bestanden werden. Ein Notensystem ist nicht vorgesehen. Die Prüfung kann beliebig oft wiederholt werden, § 6 Abs. 1 ZertVerwV. § 8 Abs. 1 ZertVerwV sieht vor, dass sich Juristische Personen und Personengesellschaften 6 als zertifizierter Verwalter bezeichnen dürfen, wenn von denjenigen bei ihnen Beschäftigten, die unmittelbar mit Aufgaben der Wohnungseigentumsverwaltung betraut sind, alle die Prü-
1 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26a WEG Rz. 4; a.A. Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 26a WEG Rz. 11 sowie Hogenschurz in Hogenschurz, 3. Aufl., § 26a WEG Rz. 2. 2 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26a WEG Rz. 4. 3 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26a WEG Rz. 5. 4 Kaßler, ZWE 2022, 146-148. 5 Füllbeck in Fuhrländer/Füllbeck, Praxishandbuch WEG-Verwaltung, § 2 Rz. 621; Hogenschurz in Hogenschurz, 3. Aufl., § 26a WEG Rz. 14; Osthus, ZWE 2022, 156-160. Jennißen | 1319
§ 26a WEG Rz. 6 | Zertifizierter Verwalter fung zum zertifizierten Verwalter bestanden haben oder die anderen nach § 7 ZertVerwV einem zertifizierten Verwalter gleichgestellt sind. „Gleichgestellt“ im Sinne einer Prüfungsbefreiung sind in erster Linie Hochschulabsolventen und Immobilienkaufleute. Kritisch merkt Elzer an, dass der Geschäftsführer danach nicht zertifiziert sein muss, wenn er nicht selbst unmittelbar mit Aufgaben der Wohnungseigentumsverwaltung betraut ist,6 was allerdings die seltene Ausnahme sein dürfte. Ein Geschäftsführer, der mit dem operativen Geschäft nicht betraut ist, ist allenfalls bei größeren Firmengruppen denkbar. Im Streitfall kann es notwendig werden, die Betriebsorganisation offen zu legen.7 7 § 7 ZertVerwV regelt im Einzelnen, welche Personen von der Prüfung befreit werden können.
Erfasst sind Personen die eine Befähigung zum Richteramt (Zweites juristisches Staatsexamen), eine abgeschlossene Berufsausbildung zur Immobilienkauffrau oder zum Immobilienkaufmann, zur Kauffrau oder zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, einen anerkannten Abschluss Geprüfter Immobilienfachwirt/Geprüfte Immobilienfachwirtin oder einen Hochschulabschluss mit immobilienwirtschaftlichem Schwerpunkt besitzen. Eine Regelung über im EU-Ausland erworbene Abschlüsse gibt es in der Prüfungsverordnung nicht.8 Auf die Berufserfahrung kommt es nicht an. Auch schon seit vielen Jahren tätige Verwalter müssen sich dieser Prüfung unterziehen, sofern sie nicht die besondere Qualifizierung nach § 7 ZertVerwV vorweisen können. 8 Bis auf die befreiten Personengruppen müssen sich grundsätzlich alle Verwalter zertifizie-
ren lassen, sodass es kein Wettbewerbsvorteil darstellen kann, mit der Zertifizierung zu werben. Die von der Prüfung Befreiten dürfen sich nach § 7 Satz 2 ZertVerwV ebenfalls als zertifizierter Verwalter bezeichnen.9
III. Rechtsfolgen 9 Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 dürfen ab dem 1.12.2023 nur noch zertifizierte Verwalter bestellt
werden, wenn nicht die in § 19 Abs. 2 Ziff. 6 genannten Ausnahmen vorliegen.10 Ist der Verwalter nicht zertifiziert, kann die Wahl angefochten werden. Sie ist aber nicht nichtig.11 Ist über den 1.6.2024 hinaus ein nicht zertifizierter Verwalter in der Wohnanlage tätig, hat dies keine Auswirkungen auf die Abberufungsmöglichkeit, da diese ohnehin nach § 26 Abs. 3 Satz 1 jederzeit grundlos möglich ist (s. § 26 Rz. 178 ff.). Erst recht besteht kein Anspruch auf Abberufung des Verwalters, nur weil er nach dem 1.6.2024 immer noch nicht zertifiziert ist.12 Die fehlende Zertifizierung stellt auch keinen fristlosen Kündigungsgrund dar. Ein fristloser Kündigungsgrund könnte nur vorliegen, wenn der Verwalter vorgegeben hat, zertifiziert zu sein, wenn er es aber nicht ist. Für die Rechtfertigung einer solchen fristlosen Kündigung sind die Umstände des Einzelfalls zu beachten.13
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Elzer, Der Fisch stinkt vom Kopf!, https://community.beck.de/2021/06/08/der-fisch-stinkt-vom-kopf. Hogenschurz, MietRB 2022, 214-220; Osthus, ZWE 2022, 156. Osthus, ZWE 2022, 156-160. Füllbeck in Fuhrländer/Füllbeck, Praxishandbuch WEG-Verwaltung, § 2 Rz. 620. Hogenschurz, 3. Aufl., § 26a WEG Rz. 6; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26a WEG Rz. 2. Hogenschurz, 3. Aufl., § 26a WEG Rz. 8; Hogenschurz, MietRB 2022, 214-220. So auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 9 Rz. 38; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 563. 13 Osthus, ZWE 2022, 156-160; Zschieschack, NZM 2022, 193-199.
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IV. Übergangsregelung | Rz. 13 § 26a WEG
Wird ein unter Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 6 gefasster Beschluss bestandskräftig, hindert 10 die Bestandskraft im Rahmen von späteren Beschlussanfechtungsklagen den Einwand, dass der angefochtene Beschluss wegen der fehlenden Zertifizierung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen habe, und schließt Schadensersatzansprüche aus.14 Da der BGH15 bereits entschieden hat, dass vor einer Verwalterbestellung zu prüfen ist, ob 10a der Verwalter die inhaltlichen Anforderungen hinsichtlich seiner Bonität erfüllt, ist davon auszugehen, dass die Gemeinschaft ebenfalls im Vorfeld einer Verwalterbestellung die Prüfung des Zertifizierungsnachweises vorzunehmen hat.16 Es besteht hierbei ein weiter Beurteilungsspielraum der Gemeinschaft, welcher aber überschritten wird, wenn die Verwalterbestellung auf einer ungenügend gesicherten Tatsachengrundlage erfolgt. Es sind daher im Vorfeld einer Verwalterbestellung entsprechende Unterlagen oder Auskünfte über die Zertifizierung einzuholen.17 Wenn die Voraussetzungen der Zertifizierung zu einem späteren Zeitpunkt verloren gehen, 11 muss der Verwalter nicht notwendig (sofort) abberufen werden. Die Gemeinschaft hat insoweit einen Ermessensspielraum, der nach den Umständen des Einzelfalls sachgerecht zu beurteilen ist. Ein Ermessensspielraum besteht bspw., wenn in absehbarer Zeit ein neuer qualifizierter Mitarbeiter eintritt oder das Ende der Verwalterbestellung bevorsteht. Für die Wiederbestellung hat der spätere Verlust der Voraussetzungen der Zertifizierung Auswirkung, da in diesem Fall kein Verzeihungsermessen der Gemeinschaft besteht, welches die Wiederbestellung zu einer Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung machen könnte.18 Die Zertifizierung stellt keine gewerberechtliche Voraussetzung für die Erteilung der Gewer- 12 beerlaubnis nach § 34c Abs. 1 Nr. 4 GewO dar.19 Die Zertifizierungsanforderungen sind rein zivilrechtlicher Natur, sodass bei fehlender Zertifizierung die Gewerbeerlaubnis nicht entzogen werden kann.
IV. Übergangsregelung Nach § 48 Abs. 4 muss der Verwalter spätestens am 1.6.2024 zertifiziert sein. Bis zum 13 1.12.2023 ist eine Zertifizierung nicht erforderlich. Über letzteres Datum hinaus darf nur ein Verwalter ohne Zertifikat gewählt werden, der schon am 1.12.2020 im Amt war. Bei diesem entspricht es noch ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er zwischen dem 1.12.2023 und dem 1.6.2024 ohne Zertifikat wiedergewählt wird.20 Da nach dem 1.6.2024 kein Anspruch eines Wohnungseigentümers darauf besteht, einen nicht zertifizierten Verwalter abberufen bzw. kündigen zu müssen, können auch nach diesem Datum noch Verwalter tätig sein, die nicht zertifiziert wurden. Eine Wahl eines neuen Verwalters nach dem 1.12.2023, der nicht zertifiziert ist, entspricht keiner ordnungsmäßigen Verwaltung, wird aber dennoch mangels Anfechtung bestandskräftig. Für diesen stellt der 1.6.2024 keine auflösende Bedingung dar. Auch nach diesem Stichtag gewählte Verwalter kommen in ihr Amt, wenn die Wahl nicht angefochten wurde, obschon der Kandidat keine Zertifizierung besitzt.
14 15 16 17 18 19 20
Hogenschurz, MietRB 2022, 214-220. BGH v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, NZM 2012, 656 Rz. 19 ff. Zschieschack, NZM 2022, 193-199. BGH v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, NZM 2012, 656 Rz. 19 ff.; Zschieschack, NZM 2022, 193-199. Hogenschurz, MietRB 2022, 214-220. Kaßler, ZWE 2022, 146-148; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 26a WEG Rz. 24. Jennißen | 1321
§ 27 WEG | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters
§ 27 Aufgaben und Befugnisse des Verwalters (1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die 1. untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder 2. zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. (2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern. I. Norminhalt, Entwicklung, WEG-Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Organpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tätigkeiten im Zusammenhang mit Beschlüssen der Eigentümer . . . . . . . . . a) Beschlussvorbereitung . . . . . . . . . . . . b) Beschlussdurchführung aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zeitpunkt der Vollziehung . . . . . . cc) Vollziehung nichtiger Beschlüsse dd) Vollziehung anfechtbarer Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Geltendmachung des Anspruchs auf Beschlussdurchführung . . . . . 2. Sonstige Organpflichten . . . . . . . . . . . . IV. Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßnahmen untergeordneter Bedeutung ohne erhebliche Verpflichtung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) unerhebliche Verpflichtung . . . . . . . . b) untergeordnete Bedeutung . . . . . . . . . 3. Maßnahmen zur Wahrung einer Frist oder Nachteilsabwendung (§ 27 Abs. 1 Nr. 2) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abwendung eines Nachteils für das Gemeinschaftseigentum . . . . . . . . . . . aa) Eilbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umfang der Notmaßnahmen . . . cc) Abwehr von Schäden des Sondereigentums . . . . . . . . . . . . . dd) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fristwahrung aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Passivprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fristwahrung, Aktivprozesse . . . . dd) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 3 6 7 8 9 12 14 18 21 26
27
29 30 32
35 37 39 44 47 49 52 53 55 59
V. Erweiterung oder Einschränkung der Entscheidungsmacht durch Beschluss 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschluss über Erweiterungen und Beschränkungen a) Beschluss oder Vertrag? . . . . . . . . . . . b) Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlusseinholung in Zweifelsfällen VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erhaltungsmaßnahmen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigenständige Maßnahmen des Verwalters zur Instandhaltung und Instandsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erhaltung des Sondereigentums . . . . d) Vorbereitung und Umsetzung einer Beschlussfassung der Eigentümer über Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . aa) Feststellung von Instandhaltungsund Instandsetzungsbedarf . . . . . bb) Unterrichtung der Wohnungseigentümer und Beschlussvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vollziehung der beschlossenen Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . e) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hausordnung, Einhaltung des Binnenrechts a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hausordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einhaltung des Binnenrechts . . . . . . . d) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
65 69 74 78 81
83 84 86 94 97 99 105 109
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124 125 128 135
Aufgaben und Befugnisse des Verwalters | § 27 WEG 4. Gemeinschaftsvermögen und Hausgeldinkasso a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lasten- und Kostenbeiträge, Tilgungsbeträge und Hypothekenzinsen (Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 a.F.) . . . . . . b) Empfangszuständigkeit . . . . . . . . . . . . c) Beitreiben von Forderungen – Hausgeldinkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfügungsbefugnis des Verwalters . . e) Keine Befugnis zur Kreditaufnahme . f) Geldverwaltung aa) Pflicht zur Vermögenstrennung . bb) Kein Eigenkonto . . . . . . . . . . . . . . cc) Offenes Fremdkonto . . . . . . . . . . . dd) Kein Treuhandkonto . . . . . . . . . . . ee) Schutz des Verbandes bei Treuhandkonten . . . . . . . . . . . . . . ff) Art und Weise der Geldanlage . . g) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsstreitigkeiten a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aktivklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Passivprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . f) Anwaltsbeauftragung und Honorarvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . h) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Haftung des Verwalters 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung des Verwalters gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft a) Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . b) Anspruchsberechtigter grundsätzlich Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
137
138 146 149 153 155 157 158 161 163 167 169 172 175 176 182 185 186 187 191 192 195
197
c) Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Beschlüssen . . . . . . . . . . bb) Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Pflichtverletzungen . . . . dd) Maßstab der Pflichtverletzung . . d) Verschulden des Verwalters . . . . . . . . e) Haftungsbegründende Kausalität . . . f) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . g) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Mitverschulden, Vorteilsausgleich . . i) Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . j) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Prozessuale Anspruchsdurchsetzung 3. Entlastung a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen und Rechtsnatur der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entlastung als negatives Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entlastung nur als Genehmigung des Verwalterhandelns . . . . . . . . . c) Beschluss über die Entlastung . . . . . . d) Ordnungsgemäßheit des Entlastungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung des Verwalters gegenüber den Wohnungseigentümern a) Allgemeines, Entwicklung . . . . . . . . . b) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung aus dem Verwaltervertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . 5. Haftung des Verwalters gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftung der Gemeinschaft für den Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Strafbarkeit/Ordnungswidrigkeit . . . .
200 201 204 206 207 209 218 220 221 226 234 237 239 242 246 250 251 257 260 263
269 272
274 279 282 284
199
Literatur: Zum alten Recht: Abramenko, Die Eigentümergemeinschaft als Darlehensnehmerin, ZMR 2011, 173; Armbrüster, Der Verwalter als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Vertreter ohne Vertretungsmacht, ZWE 2002, 548; Armbrüster, Der Verwalter als Organ der Gemeinschaft und Vertreter der Wohnungseigentümer, ZWE 2006, 470; Armbrüster, Aufgaben des Verwalters beim Abschluss von Versicherungsverträgen für die Gemeinschaft und bei der Abwicklung von Verträgen, ZWE 2012, 201; Armbrüster, Versicherungsschutz für WEG-Verwalter, ZMR 2018, 107; Brandau/Rütten, Verlagerung von Verwalterkompetenzen von den Wohnungseigentümern auf Dritte, ZfIR 2017, 770; Briesemeister, Nochmals: WEG-Verwalter als Hilfssheriff der Ordnungsbehörde, ZWE 2011, 163; Casser, Nachwirkende Pflichten des ausgeschiedenen Verwalters, ZWE 2014, 157; Claussen, Die Haftung des WEG-Verwalters für die Beschluss-Sammlung, ZMR 2007, 711; Daute, Die Anlage der gemeinschaftlichen Gelder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, NZM 2006, 86; Deckert, Zur Führung der Konten einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Wer ist Inhaber des Kontos? Bedarf es der Aushändigung von Eigentümerlisten?), ZMR 2007, 251; Dötsch, Der Vergleich in WEG-Sachen, NZM 2013, 625; Dötsch, Gebäudeversicherung der Zschieschack | 1323
§ 27 WEG | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters Wohnungseigentümer, ZMR 2014, 169; Dötsch, Informationspflichten des Verwalters über Fördermöglichkeiten?, ZWE 2015, 193; Dötsch, Abnahme des Gemeinschaftseigentums, NZM 2017, 832; Dötsch, Grenzen der Instandsetzungspflicht – Bildet § 22 IV WEG eine allgemeine „Opfergrenze“ bei Baumängeln?, ZfIR 2018, 577; Dötsch/Greiner, Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht, ZWE 2014, 343; Donath, Compliance im Rahmen des WEG am Beispiel der Verkehrssicherungspflicht – Möglichkeiten für die Wohnungseigentümergemeinschaft und den Hausverwalter, ZWE 2013, 199; Drasdo, Zustellungsvollmacht des Verwalters im Zivilprozess gegenüber ausgeschiedenen Wohnungseigentümern, NZM 2003, 793; Drasdo, Die Kontoführung in der Wohnungseigentümergemeinschaft, NJW-Spezial 2011, 609; Drasdo, Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für die Wohnungseigentümergemeinschaft, ZWE 2011, 115; Drasdo, Die Anlage der Instandhaltungsrücklage, ZWE 2011, 388; Drasdo, Die Informationspflichten des Wohnungseigentumsverwalters, ZMR 2013, 81; Elzer, Welche Auswirkungen hat § 79 ZPO auf Wohnungseigentumsverwalter?, ZMR 2008, 772; Elzer, Kreditaufnahme durch den Verband Wohnungseigentümergemeinschaft, NZM 2009, 57; Elzer, Die Genehmigung eines Prozessvergleichs im Wohnungseigentumsrecht, ZMR 2009, 649; Elzer, Der Verband „Wohnungseigentümergemeinschaft“ als Verbraucher, MietRB 2009, 308; Elzer, Pflichten des Verwalters bei Beschädigung des gemeinschaftlichen Eigentums, ZWE 2012, 163; Elzer, Informationspflichten des Verwalters, MietRB 2013, 193; Elzer, Die Wahrnehmung von Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ZWE 2014, 195; Elzer, Sondervergütung des Verwalters für eine Prozessführung: Was ist erstattungsfähig?, NZM 2014, 695; Elzer, Verwalter und Wissenszurechnung – erste Überlegungen, MietRB 2014, 312; Elzer, Duldung von Anschlüssen – die Aufgaben des Verwalters, ZWE 2014, 394; Elzer, Anspruch eines Sondereigentümers auf Beschlussdurchführung gegen den Verwalter, ZMR 2017, 459; Elzer, Die Aufgaben des Verwalters bei einer Anfechtungsklage, MietRB 2017, 239; Göhmann, Der WEG-Verwalter in der notariellen Praxis, RNotZ 2012, 251; Gottschalg, Verkehrssicherungspflichten des Wohnungseigentumsverwalters, NZM 2002, 590; Gottschalg, Notwendige Änderungen der Verwalterverträge als Folge des neuen AGBRechts, WE 2003, 41; Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 3. 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Geburtstag, 2007, S. 113; Gottschalg, Inhaltliche Gestaltung von Verwalterverträgen nach der WEG-Novelle, NZM 2009, 217; Greiner, Der Leitungswasserschaden in der Verwaltungspraxis, NZM 2013, 481; Greiner, Die Änderung der Gemeinschaftsordnung mit prozessualen Tricks, ZMR 2014, 430; Hadding, Die Rechtsstellung des Verwalters zwischen Verband und Wohnungseigentümern, ZWE 2012, 61; Häublein, Wohnungseigentum, quo vadis?, ZMR 2006, 1; Häublein, Anspruch des veräußernden Wohnungseigentümers auf Erteilung einer Hausgeldschuldenfreiheitsbescheinigung, ZMR 2011, 848; Heinemann, Verwalterverträge – Inhaltskontrolle einzelner Klauseln (Teil 2), MietRB 2008, 348; Heinemann, Das Recht des Miteigentümers auf Verwalterbestellung, MietRB 2013, 224; Heinemann, Vor- und Nachteile der Verwaltervollmacht, MietRB 2014, 188; Heinemann, Berufszulassungsregelungen für gewerbliche Wohnungseigentumsverwalter, MietRB 2016, 117; Hoeck-Eisenbach, Fehler bei der Verwalterbestellung und ihre Folgen (Teil II), MietRB 2015, 347; Hogenschurz, Die Aufgaben des Verwalters bei Vermietung und Verkauf von Eigentumswohnungen, MietRB 2011, 269; Hogenschurz, Wohnungseigentumsverwalter und Belegeinsicht, MietRB 2015, 125; Hogenschurz, Die WEG als Verbraucher, ZfIR 2017, 96; Horst, Wohnungs- und nachbarrechtliche Folgefragen des Energiepasses, NZM 2008, 145; Hügel, Das neue Wohnungseigentumsrecht, DNotZ 2007, 326; Hügel, Der Rest vom Schützenfest, ZMR 2011, 182; Hügel/Elzer, Zwei Jahre WEG – oder: Das Wohnungseigentum auf dem Weg vom Immobiliareigentum zur gesellschaftsrechtlichen Beteiligung?, NZM 2009, 457; Jacoby, Aufgaben/Befugnisse des Verwalters – § 27 Abs. 1 bis 3 WEG, ZWE 2012, 418; Jacoby, Zwangsvollstreckung in die Immobilie – aktuelle Entwicklungen und praktische Konsequenzen, ZWE 2015, 297; Jennißen, Die Auswirkungen der Rechtsfähigkeit auf die innergemeinschaftlichen Beziehungen der Wohnungseigentümer, NZM 2006, 203; Jennißen, Pflicht zur Ansammlung einer Instandhaltungsrückstellung, ZWE 2014, 199; Kappus, Kummerkasten, Kontrollorgan, Friedensstifter: Der Verwaltungsbeirat, NZM 2017, 663; Keuter, Vorbereitung der Beschlussfassung über größere Sanierungsmaßnahmen, ZWE 2010, 381; Lehmann-Richter, Verantwortlichkeit des Verbandes Wohnungseigentümergemeinschaft für Fehlverhalten des Verwaltungsbeirats, ZWE 2011, 439; LehmannRichter, Öffentlich-rechtliche Verantwortung für den Zustand des Gemeinschafts- und Sondereigentums unter besonderer Berücksichtigung des Verwalters, ZWE 2012, 105; Lehmann-Richter, Ahndung des WEG-Verwalters wegen Ordnungswidrigkeiten – TrinkwV, EnEV und EichG, ZWE 2013, 341; LehmannRichter, Die Übertragung von Entscheidungskompetenzen im Verwaltervertrag am Beispiel der Vermögensverwaltung, ZWE 2015, 193; Lindner, Die Neuregelungen im Mess- und Eichwesen und die Verwaltung von Wohnungseigentum, ZWE 2015, 442; Mansel, Zustellung an den Verwalter, FS Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 471; Merle, Gemeinschaftsordnung und Rechtsstellung des Verwalters, ZWE 2001, 145; Merle, Zur Vertretungsmacht des Verwalters nach § 27 RegE-WEG, ZWE 2006, 365; Merle, Ge-
1324 | Zschieschack
Aufgaben und Befugnisse des Verwalters | § 27 WEG schäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Verwalters bei laufenden Maßnahmen, ZWE 2010, 2; Monschau, WEG-Verwalter – Anwaltliche Beratung bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum, MietRB 2009, 207; Müller, Die Vertragspartner des Verwalters, in Festschrift für Seuß zum 80. Geburtstag, 2007, S. 211; Niedenführ, Zahlungsanspruch der Wohnungseigentümer gegen den früheren Verwalter bei ungeklärten Abhebungen vom Treuhandkonto, NZM 2000, 270; Ott, Die Abnahme des Werkes bei Gemeinschaftseigentum, ZWE 2010, 157; Pauli/Dimsic, Die Begründung und Kündigung von Arbeitsverhältnissen der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter, ZMR 2016, 89; Pauly, Zur Notwendigkeit rechtsgeschäftlichen Erklärungsbewusstseins bei der Abnahme von Gemeinschaftseigentum, ZWE 2011, 349; Reichert, Der Wohnungseigentümer als Zustellungsvertreter nach dem RegE-WEG, ZWE 2006, 477; Röll, Der Nachweis von Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlung gegenüber dem Grundbuchamt, Rpfleger 1986, 4; Sauren, Verwaltung unter dem Rechtsberatungsgesetz – Rechtsberatung bei WEG-, Sondermiet- und Hausverwalter, NZM 2003, 966; Sauren, Die WEG-Novelle 2007, DStR 2007, 1307; Sauren, Haushaltsnahe (Dienst-)Leistungen in der Wohnungseigentümergemeinschaft – eine „Revolution“ für den Verwalter, NZM 2007, 23; Sauren, Sondermietverwaltervertrag, ZMR 2011, 349; Scheuer, Aufgaben des neuen Verwalters nach Übernahme einer Verwaltung, ZWE 2014, 152; Schmid, Prozessführung durch den Wohnungseigentumsverwalter, ZWE 2010, 305; Schmid, Kann der Verwalter durch einstweilige Verfügung die Durchführung eines Wohnungseigentümerbeschlusses stoppen?, WE 2010, 6; Schmid, Zur Haftung für Schäden wegen verzögerter Reparatur des Gemeinschaftseigentums, ZWE 2011, 202; Schmid, Vertretung der Wohnungseigentümer bei Instandsetzungsaufträgen, NJW 2012, 2545; Schmid, Müssen Wohnungseigentümerbeschlüsse wirklich sofort durchgeführt werden?, ZMR 2013, 93; Schmid, Beschluss über Baumaßnahmen – nach Ausführung für ungültig erklärt. Was dann?, ZWE 2013, 111; Schmid, Was hat der Immobilienverwalter mit dem Mieter eines Wohnungseigentümers zu tun?, ZfIR 2013, 718; Schmid, Die Hausordnung in Miete und Wohnungseigentum, NJW 2013, 2145; Schmid, Die Verstrickung des Wohnungseigentümers durch den Verwalter bei der Geltendmachung von Ansprüchen, ZfIR 2014, 589; Schmid, Folgerungen aus dem Sanierungsurteil des BGH, ZfIR 2015, 189; Schmidt, Die Durchsetzung der WEG-Hausordnung gegenüber dem Mieter und dem Eigentümer durch den WEG-Verwalter, ZMR 2009, 325; Schmidt, Fördermittelberatung durch den WEG-Verwalter, ZWE 2014, 440; Schreiner, Der Ausschluss des Verwalters als Zustellungsvertreter, NZM 2013, 64; Schultzky, Die Vermietung von Gemeinschaftseigentum, MietRB 2012, 61; Schuschke, Ausgewählte Probleme zur Anwendbarkeit der §§ 43 ff. WEG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, NZM 2017, 673; Slomian, Verwaltervertrag und Beschluss der Eigentümerversammlung – welche Regelungen sind wo zu treffen?, ZfIR 2012, 732; Suilmann, Vertretungsbefugnis des Verwalters in WEG-Verfahren, MietRB 2014, 156; Tank/ Bringewat, Der Verwalter als Adressat einer bauordnungsrechtlichen Verfügung, ZWE 2012, 306; Vandenhouten, Die Haftung des Verwalters für unterlassene Erhaltungsmaßnahmen, ZWE 2012, 237; Vogel, Haftungsbegrenzungsklauseln im Verwaltervertrag, ZWE 2015, 15; Wenderoth, Die Beschlussfassung der WEG über Instandsetzungsmaßnahmen, ZMR 2011, 851; Wenzel, Die Wohnungseigentümergemeinschaft – ein janusköpfiges Gebilde aus Rechtssubjekt und Miteigentümergemeinschaft?, NZM 2006, 321; Wenzel, Die Teilrechtsfähigkeit und die Haftungsverfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft – eine Zwischenbilanz, ZWE 2006, 2; Zieschang, Haftung für Verwalter wegen Untreue, NZM 1999, 393. Unter Berücksichtigung des WEMoG: Abramenko, Die Entscheidungsmacht des Verwalters aus § 27 I WEG, ZWE 2023, 105; Becker, Rechtsfähige Gemeinschaft: Wahrnehmung von Pflichten der Wohnungseigentümer, ZWE 2020, 209; Becker/Schneider, WEG-Reform 2020: Anmerkungen zum Regierungsentwurf des WEMoG, ZfIR 2020, 209; Bruns, Die neuen Befugnisse des Verwalters nach § 27 I Nr. 1 WEG: Freiraum oder Kleinkram?, NZM 2022, 153; Bergmann, Der weisungswidrig handelnde Verwalter „Nam qui fines mandati excessit, aliud quid facere videtur“, ZWE 2023, 112; Casser, Verknappte und verteuerte Ressourcen als Herausforderung für den Verwalter, ZWE 2023, 117; Drasdo, Rechtsanwaltsgebühren im WEG-Passivprozess neuen Rechts, NZM 2020, 953; Forschner, Der Verwalter als Gestalter – Gestaltungsbefugnisse aus der Gemeinschaftsordnung, ZWE 2022, 193; Greiner, Das Verhältnis des Verwalters zur rechtsfähigen Gemeinschaft und zu den Wohnungseigentümern, ZWE 2020, 260; Jacoby, Zur Zuständigkeit von rechtsfähiger Gemeinschaft und Wohnungseigentum, FS Riecke, 2019, 247; Lehmann-Richter/ Wobst, Die Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEMoG, NJW 2021, 662; Schultzky, Der Verwalter als Gemeinschaftsorgan – Neue Rechte und neue Pflichten, ZWE 2021, 62; Skauradszun, Das Verhältnis der rechtsfähigen Gemeinschaft zu den Wohnungseigentümern und die Nadelöhrdoktrin, ZWE 2020, 105; Skauradszun, Neuausrichtung der Verwaltung in der vollrechtsfähigen WEG, ZRP 2020, 34; Wobst, Die neue Struktur der Rechtsbeziehungen in der Gemeinschaft, ZWE 2021, 17; Sommer, „Wer kann, der kann“: Der (eigen-)mächtige Verwalter, NZM 2022, 740; Wobst, Zur Reichweite der Gestaltungsmacht des Verwaltervertrags, ZWE 2022, 15; Zschieschack, Die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Beschlussanfechtung, FS Riecke, 2019, 477 = ZMR 2020, 387 Zschieschack | 1325
§ 27 WEG Rz. 1 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters
I. Norminhalt, Entwicklung, WEG-Reform 1 § 27 regelte ursprünglich die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters. Nach der WEG-Re-
form 2007 versuchte die Norm sowohl die Rechtsbeziehungen des Verwalters zum zwischenzeitlich als teilrechtsfähig erkannten Verband und zu den Eigentümern zu strukturieren, was allerdings zu einer komplexen und kaum handhabbaren Norm führte, die sich in der Praxis so nicht bewährt hat.1 § 27 a.F. trennte zwischen den Aufgaben des Verwalters (Abs. 1 a.F.), also dem Innenverhältnis zwischen ihm und den Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft, und den Befugnissen des Verwalters (Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 a.F.), die ihm Vertretungsmacht nach außen verlieh.2 Eine Einschränkung seiner Aufgaben und Befugnisse war grundsätzlich nicht möglich (Abs. 4 a.F.). Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 a.F. ermöglichte es, den Verwalter durch Beschluss oder Vereinbarung (auch in der Gemeinschaftsordnung oder Teilungserklärung), als umfassenden Vertreter der Gemeinschaft zu installieren. Abs. 5 a.F. ordnete zum Schutz der gemeinschaftlichen Gelder an, dass der Verwalter diese getrennt von seinem Vermögen zu verwalten hat. Aus Abs. 6 folgte schließlich das Recht des Verwalters, von den Eigentümern die Ausstellung einer Urkunde verlangen zu können, die er und Dritte benötigen, um auf seine Vertretungsmacht auch vertrauen zu dürfen. 2 Die WEG-Reform-2020 verabschiedet sich komplett von dieser Gestaltung und gleicht das
System dem sonstigen Verbandsrecht an.3 Die bisherigen Regelungen zur Vertretungsmacht finden sich neu strukturiert und erweitert in § 9b Abs. 1 WEG. Aufgaben in Bezug auf die Wohnungseigentümer enthält das neue Recht nicht mehr, denn mit der Verlagerung der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums von den Eigentümern auf den Verband ist die Bruchteilsgemeinschaft funktionslos geworden.4 § 27 betrifft ausschließlich das Innenverhältnis des Verwalters zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Anders als das bisherige Recht befasst sich die Norm aber alleine mit dem Aspekt der Entscheidungsmacht des Verwalters, ohne dass die Aufgaben näher geregelt werden. Dies betrifft insbesondere die Aufgaben, die ihm aufgrund seiner Organstellung zukommen. Der Umfang der Entscheidungsbefugnis des Verwalters in § 27 Abs. 1 Nr. 1 war eine der umstrittensten Punkte der WEGReform, was sich bereits daran zeigt, dass der Text der Norm mehrfach verändert und angepasst wurde. Während der Referentenentwurf hier noch auf „die gewöhnliche Verwaltung“5 abstellte, sollte nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung der Verwalter zuständig sein, soweit eine „Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer nicht geboten“6 war. Die jetzige Fassung erhielt die Norm erst im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages.7 Unumstritten war demgegenüber die Eilkompetenz in Abs. 1 Nr. 2 und die Möglichkeit der Eigentümer durch Beschluss die Entscheidungsmacht des Verwalters im Innenverhältnis zu erweitern oder zu begrenzen.
II. Allgemeines 3 Obgleich durch die WEG-Reform die in § 27 WEG beschriebenen Aufgaben sich verringert
haben, gilt dies für das Tätigkeitsfeld des Verwalters nicht. Aus seiner Stellung als Organ der
1 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2019, 429, 440. 2 LG Düsseldorf v. 2.10.2013 – 25 S 53/13, ZMR 2014, 389, 390. 3 Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 1 spricht von einem dreifachen Systemwechsel. 4 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rz. 29 ff. 5 Dokumentiert in NZM 2020, 161. 6 BT-Drucks. 19/18791. 7 BT-Drucks. 19/22634, 47.
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III. Organpflichten | Rz. 7 § 27 WEG
Wohnungseigentümergemeinschaft folgt im Grundsatz eine Allzuständigkeit8 für den Verband, dessen Hauptaufgabe nach neuem Recht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 18 Abs. 1) ist. Gemäß § 9a Abs. 3 gilt dies auch für die Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens. § 27 Abs. 1 Abs. 1 regelt in diesem Zusammenhang, in welchen Bereichen der Verwalter eine Entscheidungskompetenz ohne Hinzuziehung der Eigentümer durch eine Beschlussfassung auf der Eigentümerversammlung hat.9 Das Konzept entspricht dem des übrigen Gesellschaftsrechts und führt de facto zu einer An- 4 näherung der Stellung des Verwalters an die eines Geschäftsführers einer GmbH. Im Innenverhältnis besteht allerdings für die Eigentümer, als „Herren der WEG“, die Möglichkeit, dem Verwalter bindende Vorgaben zu machen. Bezüglich der Aufgaben, die aus seiner Organstellung folgen, besteht die Möglichkeit durch Vereinbarungen hierauf bereits im Kern einzuwirken oder durch Beschlüsse auszugestalten. § 27 Abs. 2 gibt zudem die Möglichkeit, die Entscheidungsbefugnisse des Verwalters zu erweitern, einzuschränken oder zu konkretisieren. Seine Aufgaben nimmt der Verwalter als Organ des rechtsfähigen Verbandes wahr, mit dem 5 ihn auch der Verwaltervertrag verbindet. Eine Rechtsbeziehung zu den Eigentümern ist nach neuem Recht nicht mehr vorgesehen. Die Bruchteilsgemeinschaft der Eigentümer hat in der neuen Struktur keine Relevanz mehr. Folglich vertritt der Verwalter die Eigentümer auch nicht mehr (s. § 9b Rz. 6). Konsequenz daraus ist, dass unter Aufgabe des bisherigen Systems Leistungsansprüche gegen den Verwalter nur noch der Gemeinschaft und nicht mehr den Eigentümern zustehen, was in der praktischen Umsetzung allerdings nicht unproblematisch ist (s. Rz. 21). Im Grundsatz gilt dies nach dem im Verbandsrecht herrschenden Grundsatz der Haftungskonzentration10 auch für Schadensersatzansprüche. Streitig ist, inwieweit allerdings dem Verwaltervertrag weiterhin Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer zukommt und diese daher begrenzt weiter Direktansprüche gegen den Verwalter haben (s. Rz. 274 ff.).
III. Organpflichten Nicht mehr in § 27 geregelt, sind die Organpflichten des Verwalters, diese finden sich teilwei- 6 se in anderen Vorschriften des WEG. Weitgehend sind die Aufgaben allerdings auch nicht kodifiziert, was der Gesetzgeber nicht für nötig erachtet hat, da dies auch im Gesellschaftsrecht nicht üblich sei.11 Sinnvoll wäre eine Regelung gleichwohl gewesen, denn nicht von jedem Wohnungseigentümer kann erwartet werden, dass er rechtskundig ist, so dass hier unnötige Streitigkeiten hätten vermieden werden können.12
1. Tätigkeiten im Zusammenhang mit Beschlüssen der Eigentümer Die Kernaufgabe des Verwalters ist die Beschlussfassung der Eigentümer auf der Eigentümer- 7 versammlung vorzubereiten und gefasste Beschlüsse umzusetzen. Zu den insoweit im Gesetz genannten Pflichten des Verwalters gehören zunächst Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Vor- und Nachbereitung der Eigentümerversammlung, als dem zentralen Ort der Entscheidungsfindung der Wohnungseigentümer stehen. Hierzu gehört neben der Einberufung 8 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 2; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rz. 47. 9 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 472 ff. 10 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rz. 50. 11 BT-Drucks. 19/18791, 72 f.; Wobst, ZWE 2021, 17, 18. 12 Schultzky, ZWE 2021, 383, 385. Zschieschack | 1327
§ 27 WEG Rz. 7 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters der Versammlung (§ 24 Abs. 1 bis 4; § 23 Abs. 2), deren Leitung (§ 24 Abs. 5), das Erstellen des Protokolls (§ 24 Abs. 6) und das Führen der Beschluss-Sammlung (§ 24 Abs. 7 bis 8). a) Beschlussvorbereitung 8 Zu den Hauptaufgaben des Verwalters in diesem Zusammenhang gehört auch weiterhin die
Beschlussvorbereitung.13 Besondere Relevanz hatte diese Aufgabe bisher vor allem im Bereich der Erhaltung (s. Rz. 84), sie wird aber in Zukunft auch bei der Verfolgung von Ansprüchen auf Einhaltung des Binnenrechts (§ 14 Abs. 1 Nr. 1; dazu s. Rz. 128) Bedeutung erlangen. Beschränkt auf diese Bereiche ist diese Pflicht aber nicht, sie gilt umfassend.14 Zumindest ein gewerblich tätiger Verwalter muss die Beschlussfassung der Eigentümer sachgerecht vorbereiten.15 Für den zertifizierten Verwalter (§26a WEG) werden diese Anforderungen ebenso gelten. Zur Vorbereitung gehört zunächst eine umfassende Analyse der Sachund Rechtslage, eine darauf fußende Information der Eigentümer, die auch Aufklärungsund Hinweispflichten (etwa über besondere Anfechtungsrisiken) enthalten kann16 und eine Vorbereitung eine Beschlusstextes. In welchem Umfang hier Besonderheiten bestehen, wird bei einzelnen typischen Bereichen näher erläutert (s. Rz. 83 ff.) b) Beschlussdurchführung aa) Allgemeines 9 Ist ein Beschluss gefasst, ist es trotz des Wegfalls des § 27 Abs. 1 Nr. 1 a.F. Kernaufgabe des
Verwalters, Beschlüsse durchzuführen. Der Gesetzgeber hielt dies für so selbstverständlich, dass er eine gesetzliche Regelung für unnötig ansah.17 Für Vereinbarungen gilt nichts anderes.18 Einem Verwalter steht es nicht frei, es zu unterlassen, Beschlüsse auszuführen; er kann nicht selbst bestimmen, ob er einen Beschluss ausführt oder nicht; eine Abweichung von Beschlüssen ohne vorherige Rücksprache ist allenfalls bei Gefahr in Verzug möglich.19 Die Wohnungseigentümer bleiben deshalb auch über eine Beschlussfassung hinaus berechtigt, dem Verwalter Weisungen und Richtlinien zu erteilen (s. Rz. 81),20 es sei denn, der zugrunde liegende Beschluss ist nichtig.21 10 Die Vollzugshandlung kann entweder in der Vornahme einer tatsächlichen Maßnahme (z.B.
Reparatur einer Sache, Schneeräumung),22 in der Vornahme einer geschäftsähnlichen Handlung (z.B. der Abmahnung nach § 18 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1) oder in der Vornahme eines Rechtsgeschäfts (z.B. Vertragsabschluss) liegen. 11 Ist nach § 5 Abs. 4 die Eintragung des Beschlusses ins Grundbuch zur Umsetzung erforder-
lich, gehört auch dies zur Beschlussumsetzung und der Verwalter ist hierzu berechtigt und verpflichtet, ohne dass dieses etwa eines Begleitbeschlusses bedürfte.23 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Zur Herleitung der Pflicht Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 13. Zutreffend Wobst, ZWE 2020, 379. BGH v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, NZM 2020, 801 Rz. 27 = ZWE 2020, 379 (m Anm Wobst). BGH v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, NZM 2020, 801 Rz. 27 f. = ZWE 2020, 379 (m Anm Wobst). BT-Drucks. 19/18791, 75; 19/22634, 47. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 67; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 12; Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 Rz. 14. LG Hamburg v. 15.11.2012 – 318 S 225/10, ZWE 2013, 221 f.; AG Hamburg-St. Georg v. 2.10.2012 – 980 C 61/11, ZWE 2013, 276. BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, ZfIR 2016, 276, 279. AG Berlin-Neukölln v. 27.12.2001 – 70 II 161/01, ZMR 2002, 474 f. (m Anm Häublein); AG Halle v. 24.3.2015 – 120 C 3378/14, ZMR 2015, 574, 575. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 68. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 106.
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III. Organpflichten | Rz. 14 § 27 WEG
bb) Zeitpunkt der Vollziehung Die Beschlüsse sind sofort (§ 271 Abs. 1 BGB), d.h. unverzüglich,24 also ohne schuldhaftes 12 Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), auszuführen, sofern die Wohnungseigentümer nicht eine Vollziehungsfrist gesetzt haben25 oder sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass eine sofortige Durchführung nicht möglich oder nicht gewollt ist.26 Ein Ermessen hat der Verwalter insoweit nicht.27 Ob der Beschluss angefochten ist, ist für die Vollziehung ohne Relevanz (§ 23 Abs. 4 Satz 2). Wollen die Eigentümer eine Vollziehung erst, wenn der Beschluss bestandskräftig geworden ist, müssen sie dieses beschließen.28 In allen anderen Fällen muss der Verwalter den Beschluss vollziehen, was in der Praxis häufig nicht geschieht. Konsequenz ist, dass bei Beachtung der Vollziehungspflicht im Regelfall zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Ungültigerklärung des Beschlusses, dieser bereits vollzogen ist, und allenfalls ein (zumeist theoretischer) Anspruch auf Folgenbeseitigung besteht. Setzt der Verwalter den Beschluss nicht um, handelt er pflichtwidrig. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass der Verwalter neben Verzögerungsschäden für Mehrkosten in Folge von Preissteigerungen Schadensersatz leisten muss, selbst wenn der ursprüngliche Beschluss später rechtskräftig – etwa wegen formeller Fehler oder fehlender Alternativangebote – für ungültig erklärt wird. Um Ersatzansprüche zu vermeiden, muss der Verwalter, will er den Beschluss im Hinblick auf die laufende Anfechtung nicht vollziehen, eine außerordentliche Eigentümerversammlung einberufen, um über die Aussetzung der Beschlussvollziehung zu beschließen. Ergebnis eines derartigen Beschlusses ist dann allerdings, dass bereits die Anfechtung idR zur Unmöglichkeit der Beschlussumsetzung führt, da sich etwa ein Handwerker an sein Angebot nicht mehr gebunden fühlen wird, wenn nach Jahren gerichtlich bestätigt wird, dass der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Ebenso darf der Verwalter nicht von der Beschlussdurchführung absehen, wenn ihn Eigentümer darum bitten, selbst dann nicht, wenn insoweit das Quorum des § 24 Abs. 2 erreicht ist oder gar ein Mehrheitswechsel stattgefunden hat.29 Die Beschlüsse sind mit der dem Verwalter auch sonst gebotenen Sorgfalt eines vernünfti- 13 gen Eigentümers auszuführen.30 Ist der Verwalter Kaufmann, hat er sie sogar mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu besorgen.31 Spätestens mit Bestandskraft des Beschlusses befindet sich der Verwalter im Verzug, ohne dass es einer gesonderten Mahnung oder Fristsetzung bedürfte.32 cc) Vollziehung nichtiger Beschlüsse Nichtige Beschlüsse sind von Anfang an und, ohne dass es einer gerichtlichen Feststellung 14 bedürfte, unwirksam. Zur Durchführung nichtiger Beschlüsse ist der Verwalter nicht ver24 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = NJW 2018, 3305 Rz. 31; v. 18.2.2011 – V ZR 197/ 10, NZM 2011, 454 Rz. 15. 25 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 75; Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 28. 26 Vgl. BayObLG v. 29.1.2004 – 2Z BR 181/03, BayObLGZ 2004, 15 = ZMR 2004, 601 = ZWE 2005, 81. 27 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = NJW 2018, 3305 Rz. 31. 28 Formulierungsvorschlag bei Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 23. 29 Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 28. 30 KG v. 10.3.1993 – 24 W 5506/92, WuM 1993, 306 f.; OLG Düsseldorf v. 2.6.1997 – 3 Wx 231/96, ZMR 1997, 490 f. = WE 1997, 424 f.; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 11. 31 BGH v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, BGHZ 131, 347 = MDR 1996, 787 = NJW 1996, 1217; BayObLG v. 11.4.2002 – 2Z BR 85/01, NZM 2002, 564 f.; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 11; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 29. 32 BGH v. 13.7.2012 – V ZR 94/11, NJW 2012, 2955, 2957 = NZM 2012, 685, 687; LG München I v. 7.11.2013 – 36 S 16560/12 WEG, ZWE 2014, 280, 281. Zschieschack | 1329
§ 27 WEG Rz. 14 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters pflichtet, sondern hat deren Umsetzung zu unterlassen.33 Dies gilt auch, wenn die Eigentümerversammlung den Verwalter durch Beschluss anweist, einen nichtigen Beschluss dennoch auszuführen (sog. Anwendungsbeschluss).34 15 In der Instanzrechtsprechung wird allerdings teilweise unter Ablehnung einer Differenzie-
rung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen in jedem Fall eine Vollziehungspflicht angenommen.35 Begründet wird dies damit, dass der Verwalter häufig erst im Nachhinein nach einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung beurteilen kann, ob der Beschluss nichtig war.36 Diese Auffassung verkennt, dass nichtige Beschlüsse keine Rechtswirkungen entfalten (§§ 134, 242, 275 BGB) und es daher nichts gibt, was vollzogen werden könnte.37 Mit diesem Argument hat der Reformgesetzgeber auch ein diesbezügliches Anfechtungsrecht des Verwalters für entbehrlich gehalten.38 Soweit gegen eine Unterscheidung angeführt wird, für den Verwalter sei die Unterscheidung nicht immer zu erkennen,39 zumal die Grenzen einer Nichtigkeit und einer bloßen Anfechtbarkeit fließend seien, beruht dies im Zweifel darauf, dass bei dem insoweit praxisrelevanten Kriterium der Unbestimmtheit die gerichtliche Praxis zu leicht zur Annahme der Nichtigkeit von Beschlüssen neigt.40 Unzuträglichkeiten können im Bereich des Schadensersatzrechtes gelöst werden. Erfasst werden im Bereich der nichtigen Beschlüsse im Übrigen insbesondere Beschlüsse, die unzulässigerweise in den Rechtskreis Dritter eingreifen, oder gegen §§ 134, 138 BGB verstoßen.41 16 Vollzieht der Verwalter einen evident nichtigen Beschluss, ist er (anders als bei der Durch-
führung anfechtbarer Beschlüsse) sogar zu Schadensersatz verpflichtet.42 War die Nichtigkeit hingegen für den Verwalter nicht erkennbar, so scheidet ein Verschulden des Verwalters aus.43 Unterlässt er die Vollziehung, weil er irrtümlicherweise von der Nichtigkeit des Beschlusses ausgegangen war, macht er sich ebenfalls schadensersatzpflichtig,44 es sei denn, er befand sich in einem beachtlichen Rechtsirrtum. 17 Die Beurteilung, ob ein Beschluss nichtig ist, hat der Verwalter zunächst in eigener Verant-
wortung zu prüfen, notfalls unter Inanspruchnahme von Rechtsrat.45 Soweit der Verwalter danach weiter Zweifel an der Wirksamkeit eines Beschlusses hat, kann er nun jedenfalls unzweifelhaft selbst keine Anfechtungsklage mehr erheben (§ 44 Abs. 1 Satz 1).46 Da es der klare gesetzgeberische Wille war, den Verwalter als Kläger bei Streitigkeiten über die Gültigkeit von Beschlüssen herauszuhalten, steht ihm auch nicht die Möglichkeit zu, etwa im Wege
33 LG München I v. 16.2.2022 – 36 T 1514/22, ZWE 2022, 280; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 71; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 16; Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 25; Gottschalg in FS Seuß, S. 113, 120; zweifelnd Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 WEG Rz. 17. 34 AG Berlin-Neukölln v. 27.12.2001 – 70 II 161/01, ZMR 2002, 474 f. (Häublein); Geiben in jurisPK/ BGB, § 27 WEG Rz. 6. 35 LG Dortmund v. 24.4.2017 – 1 S 53/17, ZMR 2017, 910, 911; zustimmend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 28. 36 LG Dortmund v. 24.4.2017 – 1 S 53/17, ZMR 2017, 910, 911; abl. zu Recht Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 25.1. 37 BGH v. 22.7.2011 – V ZR 245/09, NJW-RR 2011, 1383 Rz. 52; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 16. 38 BT-Drucks. 19/18791, 82. 39 Vgl. dazu auch Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 28. 40 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 8 Rz. 42 f.; Kap. 9 Rz. 107. 41 Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 38 f. 42 LG München I v. 16.2.2022 – 36 T 1514/22, ZWE 2022, 280; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 72. 43 Vgl. LG Dortmund v. 24.4.2017 – 1 S 53/17, ZMR 2017, 910, 911. 44 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 72. 45 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 72; Zander in Soergel, § 27 WEG Rz. 8. 46 Zu den Möglichkeiten im alten Recht Heinemann in Jennißen, 6. Aufl., § 27 Rz. 10a.
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III. Organpflichten | Rz. 19 § 27 WEG
der Feststellungsklage (§ 256 ZPO) die Nichtigkeit gerichtlich prüfen zu lassen.47 Ebenso kann der Verwalter nicht im Namen des Verbandes eine derartige Klage erheben. Besteht die Gemeinschaft auf einem Vollzug, fürchtet aber der Verwalter andererseits Konsequenzen, verbleibt als letzter Ausweg nur eine Amtsniederlegung.48 dd) Vollziehung anfechtbarer Beschlüsse Fehlerhafte Beschlüsse sind anfechtbar, bis zu ihrer Ungültigerklärung durch das Gericht 18 aber voll wirksam (§ 23 Abs. 4). Der Verwalter ist verpflichtet, fehlerhafte Beschlüsse durchzuführen.49 Da die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, hat er auch angefochtene Beschlüsse zu vollziehen,50 es sei denn, das Gericht hat die Vollziehung im Wege der einstweiligen Verfügung ausgesetzt.51 Nach ganz überwiegender Auffassung kann eine solche Aussetzung grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn das Recht des Anfechtenden ohne die einstweilige Verfügung dauerhaft vereitelt oder wesentlich erschwert wäre. Allein der Umstand, dass durch die unverzügliche Umsetzung des Beschlusses Folgekosten bei dessen erfolgreicher Anfechtung entstehen, genügt nicht für dessen Außerkraftsetzung.52 Da der Verwalter auch anfechtbare Beschlüsse unverzüglich (s. Rz. 12) auszuführen hat, kann er nicht nach eigenem Ermessen die Bestandskraft des Beschlusses abwarten.53 Er haftet vielmehr auf Schadensersatz, wenn er den Beschluss nicht unverzüglich oder nicht ordnungsgemäß ausführt.54 Bestandskräftige und nicht nichtige Beschlüsse muss er in jedem Fall durchführen.55 Möglichkeiten selbst Klage zu erheben, hat er nach neuem Recht nicht mehr, daher kann er natürlich auch nicht die Aussetzung des Beschlusses beantragen.56 Ebensowenig kann dies die Gemeinschaft. Zwar vernichtet die erfolgreiche Anfechtung eines Wohnungseigentümers den Beschluss 19 nach hM mit anfänglicher Wirkung (ex tunc), die Durchführungspflicht des Verwalters entfällt aber erst mit Rechtskraft der Entscheidung.57 Die sich im alten Recht häufig stellende Frage, inwieweit durch die Ungültigerklärung auch die in dem Beschluss liegende Vertre47 A.A. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 72. 48 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 26. 49 BayObLG v. 7.7.1972 – BReg. 2 Z 16/72, BayObLGZ 1972, 246 = MDR 1972, 950; LG Frankfurt/M v. 17.3.2010 – 13 S 32/09, ZWE 2010, 279 f.; LG Itzehoe v. 12.4.2012 – 11 S 50/10, ZMR 2012, 724 f.; LG München I v. 9.12.2013 – 1 T 25152/13, ZMR 2014, 396, 397; LG Nürnberg-Fürth v. 18.3.2009 – 14 S 8312/08, ZMR 2009, 483 f.; Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 25; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 75; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 13. 50 LG Dortmund v. 24.4.2017 – 1 S 53/17, ZMR 2017, 910, 911; LG Frankfurt/M v. 17.3.2010 – 13 S 32/09, ZWE 2010, 279, 280; LG München I v. 9.12.2013 – 1 T 25152/13, ZMR 2014, 396, 397; AG Rosenheim v. 14.3.2017 – 8 C 574/17, ZMR 2017, 439, 440; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 75.. 51 LG Frankfurt/M v. 17.3.2010 – 13 S 32/09, ZWE 2010, 279 f.; vgl. AG Bonn v. 22.5.2012 – 27 C 86/ 12, ZMR 2012, 735. 52 LG Frankfurt/M v. 17.12.2020 – 2-13 S 108/20, 2/13 S 108/20, NZM 2021, 45 Rz. 12; LG Itzehoe v. 11.4.2017 – 11 T 20/17, ZMR 2017, 581; LG München I v. 8.8.2008 – 1 T 13169/08, ZWE 2008, 490 (Reichert); kritisch zu den teils sehr hohen Anforderungen der Rechtsprechung Göbel in Bärmann, § 44 WEG Rz. 197 ff.; Dötsch in Bärmann/Pick, § 46 Rz. 154 ff. 53 LG München I v. 9.12.2013 – 1 T 25152/13, ZMR 2014, 396, 397; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 75 f.; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 17; Wenzel, WE 1998, 455 f.; a.A. Müller, Praktische Fragen, Rz. 997; Bub, WE 1988, 184; Deckert, PiG 30, 37, 46; Ganten, WE 1992, 126. 54 BayObLG v. 9.5.1997 – 2Z BR 18/97, WuM 1997, 577 = ZfIR 1997, 552; v. 5.1.2000 – 2Z BR 85/99, ZWE 2000, 179. 55 AG Hamburg-St. Georg v. 11.11.2016 – 980b C 23/16, ZMR 2017, 514, 515. 56 AA aber Becker in Bärmann, § 27 Rz. 75. 57 BayObLG v. 27.7.1976 – BReg. 2 Z 21/76, BayObLGZ 1976, 211, 213 = MDR 1976, 1023 f. = ZMR 1977, 345 = Rpfleger 1976, 364 (bzgl. der Anfechtung der Verwalterbestellung); Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 75. Zschieschack | 1331
§ 27 WEG Rz. 19 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters tungsmacht des Verwalters entfällt, welche die hM über eine analoge Anwendung des § 47 FamFG löste,58 stellt sich nach neuem Recht in dieser Schärfe nicht mehr, da die Vertretungsmacht des Verwalters in § 9b Abs. 1 gesetzlich umfassend geregelt ist. Die Problematik stellt sich daher nur dann noch, wenn der Bestellungsbeschluss erfolgreich angefochten wurde. 20 Jeder Wohnungseigentümer hat gegen die Gemeinschaft einen Anspruch auf Beseitigung
der durch den unwirksamen Beschluss eingetretenen Folgen.59 Dies bedarf aber einer erneuten Beschlussfassung durch die Gemeinschaft, so dass der Verwalter hier im Regelfall nicht selbst tätig werden muss. Da der Verwalter selbst bei Anfechtbarkeit oder gar erfolgter Anfechtung zur Ausführung des Beschlusses verpflichtet ist (s. Rz. 18), schuldet er den Eigentümern und der Gemeinschaft keinen Schadensersatz, wenn der Beschluss nach Vollzug der Maßnahme für ungültig erklärt wird.60 Vollzieht er einen bestandskräftigen Beschluss, so handelt er nicht pflichtwidrig.61 ee) Geltendmachung des Anspruchs auf Beschlussdurchführung 21 Klar ist nach der Neuausrichtung des WEG durch das WEMoG, dass es kein subjektives
Recht des einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Verwalter auf Vollziehung des Beschlusses (mehr) gibt.62 Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ist Aufgabe der Gemeinschaft (§ 18 Abs. 1), so dass der Verwalter die Beschlüsse als Organ vollzieht und daher auch nur dem Verband und nicht der einzelne Eigentümer insoweit Ansprüche gegen den Verwalter auf Beschlussumsetzung geltend machen kann.63 Diese Auffassung hatte der BGH bereits zunächst zum alten Recht vertreten,64 sie dann allerdings aufgegeben und betont, dass der Verband in die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht eingebunden ist.65 Er hielt dies zur effektiven Rechtsdurchsetzung und zu einer Vermeidung einer Umgestaltung des Haftungssystems innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft für erforderlich.66 Diese Auffassung ist durch die Reform nunmehr überholt. Dies ist auch vom BGH anerkannt worden.67 22 Ansprüche gegen den Verwalter auf Durchführung von Beschlüssen hat nach neuem Recht
nur noch der Verband. Unabhängig von der Frage, ob der Vertrag des Verbandes mit dem Verwalter Schutzwirkung zugunsten der Eigentümer entfaltet, ist nach neuem Recht daher klar, dass Leistungsansprüche von Eigentümern gegen den Verwalter nicht bestehen.68 23 Zur Geltendmachung dieser Ansprüche ist alleine der Verband befugt. Vertreten wird er da-
bei, da ein Anspruch gegen den Verwalter geltend gemacht wird, gem. § 9b Abs. 2 vom Vor58 BGH v. 5.7.2019 – V ZR 278/17, NJW 2020, 988 Rz. 8 ff.; zum Problem näher Heinemann in Jennißen, 6. Aufl., § 27 Rz. 15; Zschieschack in FS Riecke, 2019, S. 477 = ZMR 2020, 387. 59 Dötsch in Bärmann, § 23 WEG Rz. 353 f. 60 LG Dortmund v. 24.4.2017 – 1 S 53/17, ZMR 2017, 910, 911; BayObLG WE 1991, 198, 199; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 83. 61 BGH v. 3.2.2012 – V ZR 83/11, ZWE 2012, 218 f. 62 BGH v.16.12.2022 – V ZR 263/21, juris. 63 BT-Drucks. 19/18791, 58. 64 BGH v. 25.9.2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 = NJW 2016, 1310 Rz. 15; v. 13.7.2012 – V ZR 94/ 11, NZM 2012, 685 Rz. 19. 65 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = NZM 2018, 719, 722 = ZMR 2018, 777, 780 = ZfIR 2018, 666, 670; ebenso Elzer, ZMR 2017, 459. 66 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, NZM 2018, 719, 722 = ZMR 2018, 777, 780 = ZfIR 2018, 666, 670. 67 BGH v. 16.12.2022 – V ZR 263/21, juris. 68 BT-Drucks. 19/18791, 58; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 108; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 56; Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 50.
1332 | Zschieschack
III. Organpflichten | Rz. 26 § 27 WEG
sitzenden des Verwaltungsbeirats oder einem durch Beschluss bestellten Vertreter. Ob dies praktische Relevanz haben wird, erscheint fraglich. Im Zweifel wird ein Verwalter, der sich pflichtwidrig weigert, einen Beschluss zu vollziehen, abberufen werden,69 wenn die Mehrheit dafür ist, den Verwalter auf Durchführung des Beschlusses zu verklagen. Überwiegend wird es jedoch so sein, dass gerade bei unbestimmten Beschlüssen Zweifel bestehen, wie der Beschluss zu vollziehen ist. Hier bietet die Neuregelung die Möglichkeit, durch eine erneute Beschlussfassung zu konkretisieren, wie der Beschluss zu vollziehen ist. Dies vermeidet, dass durch Klagen verschiedener Eigentümer am Ende unterschiedliche Arten der Vollziehung durch Gerichte entschieden werden.70 Bestehen hier Zweifel, kann der Verwalter sich auch eine Weisung (s. Rz. 81) durch die Eigentümer im Beschlusswege holen, wie er den Beschluss auszulegen hat,71 wobei flankierend durch einen Zweitbeschluss Abänderungen bis hin zur Aufhebung möglich sind. Wird tatsächlich ein Verwalter gerichtlich in Anspruch genommen, kann sich ein Vollstre- 24 ckungsproblem stellen. Unproblematisch ist die Vollstreckung, wenn es um eine vertretbare Handlung geht, hier erfolgt die Vollstreckung durch eine Ersatzvornahme (§ 887 ZPO). Bei unvertretbaren Handlungen, wozu vor allem die Eingehung von Vertragsbeziehungen der WEG wegen der alleinigen Vertretungsmacht des Verwalters (§ 9b Abs. 1) gehören, muss die Vollstreckung nach § 888 ZPO erfolgen. Da der Verwaltervertrag im Kern ein Dienstvertrag ist, könnte der Vollstreckung § 888 Abs. 3 ZPO entgegenstehen.72 Hiergegen mag man ins Feld führen, dass die Handlungspflicht nicht aus dem Vertrag, sondern aus der Organstellung folgt, dies ist aber wohl kein durchschlagendes Argument, denn für den Parallelfall der Vertretung einer GmbH durch den Geschäftsführer hat der BGH ebenfalls auf § 888 Abs. 3 ZPO verwiesen.73 Bereits dies dürfte für eine Abberufung sprechen. Einzelnen Eigentümern verbleibt in den praktisch bedeutsamen Fällen, dass aus Sicht des Ei- 25 gentümers der Verwalter den Beschluss nicht zutreffend umsetzt, die Möglichkeit über eine Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2) darauf hinzuwirken, dass ein konkretisierender Beschluss gefasst wird, insbesondere wenn Zweifel an der Beschlussauslegung bestehen.74 Dies wird in der Regel zu einer effektiveren Lösung führen, als die nach altem Recht mögliche Klage einer Vielzahl von Eigentümern mit unterschiedlicher Intention gegen den Verwalter.75 Nimmt der Eigentümer hingegen, was rechtlich möglich ist, den Verband im Wege der Leistungsklage auf Beschlussumsetzung in Anspruch, stellt sich das Problem, wie derartige Ansprüche zu vollstrecken sind, da der Verband insoweit nur durch den Verwalter als Vollzugsorgan handeln kann.
2. Sonstige Organpflichten Dem Verwalter kommen eine Vielzahl weiterer Organpflichten zu. Zu den im Gesetz ge- 26 nannten Aufgaben gehören das Aufstellen der Jahresabrechnung, des Wirtschaftsplans und die Vorlage des Vermögensberichts (§ 28). Auch die Gewährung von Einsicht in die Verwaltungsunterlagen (§ 18 Abs. 4) ist durch den Verwalter zu erfüllen.
69 Ebenso Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 11. 70 Dazu schon LG Frankfurt/M v. 15.2.2017 – 2-13 S 128/16, ZWE 2017, 232 (Reichert). 71 BGH v. vom 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = NZM 2018, 719, 722 = ZMR 2018, 777, 780 = ZfIR 2018, 666, 670. 72 Becker in Bärmann, § 27 Rz. 86; Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 50. 73 BGH v. 14.7.1980 – II ZR 161/79, BGHZ 78, 82 = NJW 1980, 2415, 2416; van Venrooy, GmbHR 2011, 283, 284. 74 BGH v. 16.12.2022 – V ZR 263/21 Rz. 31 ff. 75 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 109. Zschieschack | 1333
§ 27 WEG Rz. 27 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters
IV. Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 1. Allgemeines 27 § 27 Abs. 1 regelt im Innenverhältnis die Aufgaben, die der Verwalter wahrnehmen kann,
ohne eine Beschlussfassung der Eigentümer herbeizuführen. Teils wird die Norm als reine Regelung der Entscheidungskompetenz angesehen.76 Allerdings dürften wohl auch Durchführungs- und Organisationspflichten77 betroffen sein, wenn man diese Bereiche überhaupt klar trennen kann. Derartige Kompetenzen kamen dem Verwalter vor der WEG-Reform 2020 nur in Ausnahmefällen zu.78 Nunmehr ist der eigenständige Handlungsspielraum des Verwalters erheblich erweitert worden. Er umfasst zunächst Maßnahmen, welche aus der Sicht eines durchschnittlichen Wohnungseigentümers unter Berücksichtigung der konkreten Anlage79 ein Verwalter ohne Beschlussfassung der Eigentümer treffen kann (Nr. 1) und Eilfälle (Nr. 2), in denen die Eilbedürftigkeit den Maßstab vorgibt. 28 Da § 27 Abs. 1 alleine die Handlungsfähigkeit des Verwalters regelt, folgt aus der Norm keine
Regelung im Hinblick auf das „ob“ des Tätigwerdens, dies folgt aus den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, hieran ist auch der Verwalter gebunden.80 § 27 Abs. 1 gibt allerdings nicht nur vor, in welchen Bereichen der Verwalter tätig werden kann, sondern bestimmt insoweit auch eine Handlungspflicht, wenn ein Handeln geboten ist.81 Wenn in diesen Fällen der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist, muss der Verwalter tätig werden. Dann kommt ihm allenfalls ein Auswahlermessen bezüglich der vorzunehmenden Maßnahmen zu, wobei er insoweit das Ermessen des Verbandes ausübt.82 In den seltensten Fällen wird es ermessensfehlerhaft sein, eine Weisung der Eigentümerversammlung einzuholen (s. Rz. 81 ff.).
2. Maßnahmen untergeordneter Bedeutung ohne erhebliche Verpflichtung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1) 29 Hauptanwendungsfall des § 27 Abs. 1 wird nach neuem Recht die Nr. 1 sein, die kumulativ
voraussetzt, dass die Maßnahme des Verwalters untergeordnete Bedeutung hat und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führt. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen einen Katalog von Einzelmaßnahmen entschieden, da er dies im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Anlagen und der unterschiedlichen Anforderungen nicht für zielführend erachtete,83 zumal auch in der Arbeitsgruppe zur WEG-Reform sich keine Einigkeit dahingehend erzielen ließ, welche Aufgaben genau und wie abgegrenzt dem Verwalter zu übertragen sind.84 Die Schwierigkeit der Kodifizierung zeigt sich in dem Wechsel des Wortlautes des § 27 Abs. 1 Nr. 1 im Gesetzgebungsverfahren (s. Rz. 2).
76 Lehmann-Richter/Wobst, Weg-Reform 2020, Rz. 472 in Anlehnung an Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 20. 77 Dazu Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 16 ff. 78 Dazu Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 20. 79 BT-Drucks. 19/22634, 47. 80 Skauradszun in MüKomm/BGB, 9. Aufl., § 27 Rz. 30; zutreffend Abramenko, ZWE 2023, 105, 110. 81 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 125. 82 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 30. 83 BT-Drucks. 19/18791, 75. 84 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2019, 429, 440 f.
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IV. Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 | Rz. 31 § 27 WEG
a) unerhebliche Verpflichtung Als vergleichsweise hartes Kriterium ist durch den Rechtsausschuss des Bundestages die un- 30 erhebliche Verpflichtung eingeführt worden, wobei hier nicht auf die Verpflichtung des Verbandes sondern der einzelnen Eigentümer abgestellt werden soll, wobei maßgeblich der Anteil sein soll, der auf die Eigentümer im Rahmen der quotalen Außenhaftung nach § 9a Abs. 4 entfällt.85 Dies überzeugt schon systematisch nicht, denn § 27 WEG steht im Abschnitt über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und regelt die Rechtsbeziehungen des Verwalters zur Gemeinschaft.86 Auch in der Sache dürfte das Abstellen auf die Außenhaftung der Eigentümer kaum zielführend sein, denn ein Handeln des Verwalters setzt ohnehin voraus, dass die Gemeinschaft über die erforderlichen Mittel verfügt, so dass eine Inananspruchnahme der Eigentümer bei einem Verwalterhandeln nicht drohen darf. Letztlich fragt sich, auf welche Eigentümer bei unterschiedlicher Beteiligung abzustellen ist.87 Im Ergebnis kann die Frage aber dahinstehen, denn die Frage der Erheblichkeit wird sich 31 ohnehin nur relativ bemessen lassen.88 Ein Kriterium mag die Größe der Anlage sein,89 wobei keineswegs sicher ist, dass nicht auch in kleinen Anlagen, in denen erhebliche Investitionen vorgenommen werden, nicht sogar höhere Beträge unerheblich sein können, als in größeren Anlagen, ohne derartige Investitionen. Feste Beträge in Relation zu der Zahl der Wohnungseigentümer,90 erscheinen demzufolge wenig praktikabel. Zielführender dürfte es sein, am Wirtschaftsplan anzuknüpfen,91 wobei sich damit auch der Streit auflöst, ob es auf die Belastung des Verbandes oder der Eigentümer ankommt, denn relativ betrachtet ist der Anteil stets gleich.92 Diskutiert werden hier Sätze von 2 %93 bis 5 %.94 Für letzteren Wert mag sprechen, dass bei einer derartigen Größenordnung auch Alternativangebote als verzichtbar angesehen werden,95 was dafür sprechen könnte, insofern eine Beteiligung der Eigentümer für entbehrlich zu halten. Für einen eher niedrigen Ansatz spricht indes die Gefahr der Addition durch mehrfaches Tätigwerden des Verwalters im Bereich der Höchstwerte der Grenze.96 Wenig sinnvoll wäre sicher, wenn neben der Einzelgrenze noch eine Höchstgrenze zu beachten wäre, da dann nach Ausschöpfen des Höchstbetrages auch ein geringfügiges Verwalterhandeln (Kauf neuer Glühlampen) eine Eigentümerversammlung erforderte. Näher dürfte es hier liegen, bei Verpflichtungen nahe an der Erheblichkeitsgrenze, zumal im Wiederholungsfall, die Frage der untergeordneten Bedeutung besonders aufmerksam zu betrachten. Diskutiert wird auch, einen längeren Vergleichszeitraum zu betrachten, um Schwankungen zB wegen größerer Baumaßnahmen nicht berücksichtigen zu müssen.97 Allerdings kann dagegen angeführt werden, dass gerade in dem Jahr, indem eine teure Baumaßnahme durchgeführt wird, zB ein etwaiger Folgeauftrag für die Eigentümer auch finanziell nicht so ins 85 BT-Drucks. 19/18791, 47. 86 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 17; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 99. 87 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 99. 88 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 19; Hügel/Elzer, § 27 Rz. 19; Dötsch/Schultzky/ Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 99. 89 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 19 f. 90 So der Vorschlag von Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 19 f.; Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 71 ff. 91 Hügel/Elzer, § 27 Rz. 19; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 99 f.; für eine Einzelfallbetrachtung Abramenko ZWE 2023, 105, 107. 92 Dazu näher Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 100. 93 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 477. 94 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 101 unter Verweis auf die Verwendung des Begriffs der untergeordneten Bedeutung in anderen Rechtsgebieten. 95 LG Frankfurt/M v. 17.5.2018 – 2-13 S 26/17, ZMR 2018, 788. 96 Zutreffend Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 21; Abramenko, ZWE 2023, 105, 108. 97 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 21; Schultzky ZWE 2021, 62, 64. Zschieschack | 1335
§ 27 WEG Rz. 31 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters Gewicht fällt, wie dies in anderen Jahren der Fall ist, so dass der Verwalter hierüber ohne erneute Eigentümerversammlung entscheiden soll. b) untergeordnete Bedeutung 32 Schwieriger zu beurteilen sein, wird die Frage der untergeordneten Bedeutung, wobei auch
dies stets in Relation zu der konkreten Anlage zu analysieren ist. Zutreffend ist zweifelsohne die Einschätzung des Gesetzgebers, dass mit der Größe der Anlage der Kreis der Aufgaben wächst, die der Verwalter eigenverantwortlich entscheiden kann.98 Für die Praxis hätte es sich wohl doch angeboten, hier einen Katalog zumindest von Regelbeispielen zu benennen, um Unsicherheiten in der Rechtsauslegung vorzubeugen. 33 Die Gesetzesbegründung nennt die bisherigen Tätigkeiten des Verwalters nach § 27 Abs. 1
Nr. 2, 4, 5 und 6 a.F. als typische Beispiele, deren Erledigung von § 27 Abs. 1 Nr. 1 erfasst sind.99 34 Ob eine Maßnahme untergeordnete Bedeutung hat, ist eine Einzelfallfrage, wobei sich für
typische Fallgruppen, Linien vorzeichnen lassen. Ein brauchbares Abgrenzungskriterium für diesen Aspekt ist die im Regierungsentwurf enthaltene Formulierung, der Entbehrlichkeit der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer auf einer Eigentümerversammlung.100 Je mehr eine Maßnahme im Bagatellbereich anzusiedeln ist, bei der eine Belastung der Eigentümer mit einer außerordentlichen Eigentümerversammlung oder ein Zuwarten bis zu der nächsten ordentlichen Versammlung für einen durchschnittlichen Eigentümer unverständlich erscheint, umso eher wird eine untergeordnete Bedeutung zu bejahen sein. Da auf die konkrete Gemeinschaft abzustellen ist, kommt es auch auf die konkreten Eigentümer an, so dass etwa bei Gemeinschaften, in denen auch über vermeintliche Belanglosigkeiten intensiv gestritten wird, der Kreis der untergeordneten Maßnahmen klein sein wird. Denkbar ist insoweit auch auf den konkreten Aufwand für eine Eigentümerversammlung abzustellen, so dass etwa ein verfügbarer Versammlungsraum oder die Präsenz der Eigentümer vor Ort eher gegen eine untergeordnete Bedeutung herangezogen werden kann.101 Der verständige Wohnungseigentümer, so es ihn denn in der Praxis gibt, kann jedenfalls nicht als Maßstab gelten. Je untypischer und seltener eine Maßnahme ist, umso weniger wird von einer untergeordneten Bedeutung ausgegangen werden können.
3. Maßnahmen zur Wahrung einer Frist oder Nachteilsabwendung (§ 27 Abs. 1 Nr. 2) a) Allgemeines 35 Nach der WEG-Reform 2020 sind die auch schon bisher in § 27 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 2 a.F.
geregelten Not- und Eilkompetenzen des Verwalters in § 27 Abs. 1 Nr. 2 gestrafft zusammengefasst worden. Entfallen ist die Möglichkeit der Vertretung der Eigentümer (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 a.F.), was allerdings dadurch an Bedeutung verloren hat, da die Beschlussklagen nunmehr als Verbandsprozess geführt werden. Da der Verwalter ebenfalls nunmehr mit umfassender Vertretungsmacht ausgestattet ist, bedarf es insoweit auch keiner besonderen Vertretungsmacht mehr, was eines der Hauptanwendungsfälle der Notkompetenzen nach altem Recht war.
98 99 100 101
BT-Drucks. 19/18791, 75. BT-Drucks. 19/18791, 75; 19/22634, 47. BT-Drucks. 19/18791. Abramenko, ZWE 2023, 105, 108.
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IV. Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 | Rz. 41 § 27 WEG
Die Norm ist als Ergänzung zu § 27 Abs. 1 Nr. 1 konstruiert, was sich aus dem Wort „oder“ 36 ergibt.102 Der Anwendungsbereich wird gering sein, weil in vielen Fällen nunmehr eine Entscheidungsbefugnis bereits aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 folgt. In den verbleibenden Fällen wird sich die Frage stellen, ob wirklich keine Eigentümerversammlung unter Abkürzung der Einladungsfrist einberufen werden kann.103 b) Abwendung eines Nachteils für das Gemeinschaftseigentum Der Verwalter ist berechtigt, in dringenden Fällen die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen 37 Eigentums erforderlichen Maßnahmen ohne vorherigen Beschluss der Eigentümer zu treffen. Diese Berechtigung zu Notmaßnahmen ähnelt § 18 Abs. 3, setzt jedoch im Unterschied zur Notgeschäftsführungsbefugnis der Eigentümer keinen unmittelbar drohenden Schaden voraus.104 Es genügt vielmehr, dass das Abwarten einer Entscheidung durch die Eigentümerversammlung zu einer Gefahr für das Gemeinschaftseigentum führen würde.105 Gemäß § 9a Abs. 3 sind die vorstehenden Ausführungen für Schäden am Gemeinschaftsver- 38 mögen entsprechend anwendbar, allerdings erscheint ein Notfall hier kaum denkbar. aa) Eilbedürfnis Eine Notmaßnahme liegt dann nicht vor, wenn den Eigentümern Zeit genug verbleibt, vor 39 Durchführung der Maßnahme eine Versammlung einzuberufen.106 Maßgeblich ist die objektive Sachlage und nicht die Einschätzung des Verwalters.107 Die entscheidende Frage ist daher stets: War eine Handeln ohne Eigentümerversammlung 40 wirklich nötig?108 Ist die Notgeschäftsführung nicht gerechtfertigt, verbleibt es bei der alleinigen Entscheidungszuständigkeit der Eigentümerversammlung. Keine Notmaßnahme liegt vor, wenn ein Gefahrenzustand schon längere Zeit bekannt war, 41 die Eigentümer aber davon nicht tätig geworden sind und sich nunmehr die Situation verschärft, so dass ein Schadenseintritt droht. In diesen Fällen wird ein derartiger Dauerzustand nunmehr nicht zu einer Notsituation, die ein Eingreifen des Verwalters rechtfertigt und damit durch ein Zuwarten und Erdulden letztlich die Beschlussfassung auf einer Eigentümerversammlung umgangen wird.109 Erst Recht gilt dies natürlich, wenn die Eigentümer sogar
102 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rz. 141. 103 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 9. 104 OLG Düsseldorf v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, NJW-RR 1998, 13; AG München v. 25.3.2010 – 483 C 2/10, ZMR 2011, 760, 761; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 32; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 39. 105 BayObLG v. 26.2.2004 – 2Z BR 266/03, ZMR 2004, 604; v. 27.3.1997 – 2Z BR 11/97, ZMR 1997, 325, 326; OLG Celle v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, NJW-RR 2002, 303; OLG Düsseldorf v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, NJW-RR 1998, 13; OLG Hamm v. 9.12.1988 – 15 W 119/86, OLGZ 1989, 54, 56 = NJW-RR 1989, 331; LG Hamburg v. 18.1.2012 – 318 S 164/11, ZMR 2012, 388, 389 = ZWE 2012, 285, 286; LG Frankfurt/M v. 12.4.2016 – 2-09 S 26/14, ZWE 2016, 275, 276 = MietRB 2016, 167; LG Hamburg v. 11.8.2017 – 322 O 102/16, ZMR 2017, 918, 919; LG München I v. 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 39; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 52. 106 LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874, 875; LG Itzehoe v. 19.1.2016 – 11 S 29/ 15, ZMR 2016, 568, 569; AG Schöneberg v. 14.6.2018 – 772 C 73/17, ZMR 2018, 870, 871. 107 Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 70; Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 50. 108 So zu Recht Skauradszun, ZWE 2020, 105, 106. 109 LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZMR 2019, 630; LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, ZWE 2018, 325; Zschieschack in Schmidt, COVID-19, § 4 Rz. 111; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 27; weiter Zander in Soergel, § 27 WEG Rz. 23. Zschieschack | 1337
§ 27 WEG Rz. 41 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters eine Maßnahme abgelehnt haben.110 Auch wenn diese Entscheidung falsch und vielleicht sogar unvertretbar war, darf der Verwalter den dadurch drohenden Schaden nicht durch eine Eilmaßnahme nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 abwenden, denn die Eigentümer und nicht der Verwalter haben das Recht zur Letztentscheidung.111 42 Bei Vorliegen einer Notlage ist der Verwalter zur Notgeschäftsführung verpflichtet.112 In die-
sem Zusammenhang kann er dann auch Adressat einer ordnungs- oder sicherheitsrechtlichen Anordnung sein.113 Verletzt der Verwalter seine Pflicht bei der Übernahme oder Ausführung der Notgeschäftsführung, so ist er der Gemeinschaft zum Schadensersatz nach § 280 BGB verpflichtet. 43 Die Befugnisse des Verwalters nach Abs. 1 Nr. 2 und die jedes Eigentümers nach § 18 Abs. 3
schließen sich nicht aus,114 jedoch wird die Erforderlichkeit eines Tätigwerdens des einen entfallen, wenn der andere bereits tätig geworden ist und die geeignete Maßnahme ergriffen hat. Dem Verwalter kommt dabei ein Primat zu, so dass der Eigentümer erst dann handeln darf, wenn durch die Einschaltung des Verwalters eine Beseitigung der Notlage nicht erreicht werden kann.115 Ein Selbsthilferecht folgt aus der Vorschrift nicht, sondern allenfalls aus § 229 BGB.116 bb) Umfang der Notmaßnahmen 44 Liegt eine Notmaßnahme vor, ist der Verwalter nur berechtigt, die akute Gefahrensituation
zu beseitigen. Eine Berechtigung die Ursache der Gefahr zu beseitigen, besteht hingegen nicht.117 Von der Notgeschäftsführung sind daher nur die zwingend erforderlichen Maßnahmen erfasst, die nötig sind, um Schaden vom gemeinschaftlichen Eigentum abzuwenden, bis die an sich zur Entscheidung berufene Eigentümerversammlung die erforderlichen Maßnahmen beschließen kann. Insoweit lautet die Kontrollfrage: Ist tatsächlich nur das Nötigste getan worden?118 Die sich im alten Recht häufig stellende Frage, ob nicht in Ausnahmefällen, in denen eine Notreparatur völlig unwirtschaftlich ist, was sich häufig bei Kleinstreparaturen stellte, eine endgültige Schadensbehebung möglich ist,119 hat sich im neuen Recht entspannt. Zu derartigen Maßnahmen wird der Verwalter in aller Regel schon nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 berechtigt sein.120 45 Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Verwalter zur Erhaltung des Gemeinschafts-
eigentums auch Maßnahmen treffen, die keine ordnungsgemäße Erhaltung i.S.d. § 19 Abs. 2
110 LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZMR 2019, 630; Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 75. 111 Ebenso Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 27. 112 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 38; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 43. 113 OVG Saarlouis v. 3.9.2014 – 2 B 318/14, NZM 2014, 913, 916 f. = ZMR 2015, 501, 503 f. 114 Vgl. BGH v. 21.10.1976 – VII ZR 193/75, BGHZ 67, 232, 240 = MDR 1977, 217 ff. = NJW 1977, 44, 46; LG Berlin v. 25.9.2018 – 55 S 235/17 WEG, BeckRS 2018, 24090 = MietRB 2018, 369 (Becker). 115 BGH v. 25.9.2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 = NJW 2016, 1310 Rz. 7 (Skauradszun). 116 LG Karlsruhe v. 27.9.2011 – 11 S 219/09, ZWE 2012, 103. 117 BGH v. 25.9.2015 – V ZR 246/14, NZM 2016, 169, 170 = MietRB 2016, 75; BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454 Rz. 27 = MietRB 2011, 147 f. (krit. Heinemann); LG Frankfurt/M v. 17.5.2018 – 2/13 S 168/15, ZMR 2018, 791; LG München I v. 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42; Zschieschack in Schmidt, COVID-19, § 4 Rz. 108. 118 So zu Recht Skauradszun, ZWE 2020, 105, 106. 119 Zum alten Recht Skauradszun, ZWE 2020, 105, 106 dort Fn. 12; Zschieschack in Schmidt, COVID-19, § 4 Rz. 109. 120 Abramenko, ZWE 2023, 105, 108.
1338 | Zschieschack
IV. Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 | Rz. 50 § 27 WEG
Nr. 2 darstellen, z.B. den Abbruch einer Wand bei Einsturz- oder Brandgefahr.121 Auch Eingriffe in das Sondereigentum sind zur Abwehr von Gefahren statthaft (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2), soweit dies zur Erhaltung des Gemeinschaftseigentums erforderlich ist, wie beispielsweise bei Wasserrohrbrüchen während Abwesenheit des Eigentümers122 oder Leckagen einer Gasleitung im Bereich des Sondereigentums.123 Probleme, inwieweit der Verwalter Rechtsgeschäfte abschließen kann, stellen sich nicht mehr, 46 denn insoweit greift die Vertretungsmacht des § 9b Abs. 1. Im eigenen Namen muss er daher keine Verträge mehr abschließen.124 cc) Abwehr von Schäden des Sondereigentums Eine Gefährdung von Sondereigentum genügt nicht, auch wenn sich dies anders als früher 47 aus dem Wortlaut nicht ergibt. Es folgt allerdings daraus, dass der Verwalter als Organ des Verbandes nur für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zuständig ist.125 Ein Schaden im Sondereigentum kann aber eine Notgeschäftsführung nach § 683 BGB rechtfertigen.126 Über die in Abs. 1 Nr. 2 bestimmte Befugnis hinausgehend ist der Verwalter nach § 683 Satz 1, § 680 BGB zum Schutz des von ihm verwalteten Vermögens und zur Wahrung der Interessen der Wohnungseigentümer berechtigt, die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwehr eines durch Arbeiten am Gemeinschaftseigentum unmittelbar drohenden Schadens am Sondereigentum notwendig sind.127 Nach neuem Recht hat der Verwalter die Möglichkeit als Organ des Verbandes für diesen die Geschäftsführung ohne Auftrag vorzunehmen, was es ermöglicht, dass er entsprechende Aufträge zu Lasten des Verbandes erteilt (§ 9b Abs. 1), so dass er die Ausgaben über das Verbandsvermögen abrechnen kann und die Gemeinschaft einen Erstattungsanspruch gegen den Sondereigentümer hat.128 In vielen Fällen wird aber ein Schaden am Sondereigentum – etwa ein Leitungsbruch – auch 48 zumindest eine Gefahr für das gemeinschaftliche Eigentum beinhalten.129 dd) Beispiele Beispiele für dringende Fälle sind (Rechtsprechung noch zum alten Recht):
49
– Zufall oder höhere Gewalt, wie Großbrand, Explosion oder Überschwemmung, Hei- 50 zungsausfall (BayObLG v. 27.3.1997 – 2Z BR 11/97, ZMR 1997, 325 [326]; LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874, 875; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 34); – Wasserrohrbruch, Leitungsverstopfungen (OLG Hamm v. 9.12.1988 – 15 W 119/86, MDR 1989, 456 = OLGZ 1989, 54, 56 = NJW-RR 1989, 331; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 34; 121 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 35. 122 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 35; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 53. 123 LG Frankfurt/M v. 12.4.2016 – 2-09 S 26/14, WuM 2016, 384. 124 Dazu Heinemann in Jennißen, 6. Aufl., § 27 Rz. 33. 125 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 26; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 147. 126 BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, MietRB 2011, 147 = NZM 2011, 454 f.; LG München I v. 1.2.2016 – 1 S 12786/15, ZMR 2016, 571, 572 = MietRB 2016, 230 (Elzer); a.A. LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/09, ZWE 2011, 45 f. 127 BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, MietRB 2011, 147 f. (krit. Heinemann) = NZM 2011, 454 f.; a.A. LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/09, ZWE 2011, 45 f. 128 Becker in Bärmann § 27 Rz. 36; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 147; zu den Schwierigkeiten der Abrechnung im alten Recht Zschieschack in Schmidt, COVID-19, 2. Aufl., § 4 Rz. 114. 129 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 26. Zschieschack | 1339
§ 27 WEG Rz. 50 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 53); wird sich zumeist nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 beurteilen lassen; – Reparatur eines Lecks in der Gasleitung (LG Frankfurt v. 12.4.2016 – 2-09 S 26/14, ZWE 2016, 275, 276) = MietRB 2016, 167; fällt ebenfalls unter § 27 Abs. 1 Nr. 1; – gefährliche Abnutzung der Stahlseile eines Aufzugs (Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 34); – Wetterschäden am Dach, an den Außenmauern, etwa bei Feuchtigkeitsschäden infolge Starkregens (AG Hamburg-Wandsbek v. 3.2.2015 – 750 C 16/14, ZMR 2015, 583, 584 f.); – Reparatur und Untersuchung von beschädigten Fenstertürelementen (LG München I v. 12.5.2016 – 36 S 8135/15, ZMR 2016, 804, 805,) – Kündigung der Feuerversicherung und Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags, wenn der bisherige Versicherer die Kündigung angedroht hat und die Teilungserklärung zum Abschluss von Versicherungsverträgen ermächtigt (so wohl AG Offenbach v. 17.8.2011 – 310 C 106/10, ZMR 2013, 149, allerdings ohne eindeutige Klarstellung der Ermächtigungsgrundlage); heute wohl § 27 Abs. 1 Nr. 1; – Herstellung des brandschutzgerechten Zustands (Becker, ZfIR 2011, 205 ff.; vgl. auch OVG Münster v. 28.1.2011 – 2 B 1495/10, ZMR 2011, 425 (abl. Hogenschurz)); insbesondere die Überbrückung erheblicher Gefährdungen aufgrund eines jederzeit denkbaren Brandes (OVG Saarlouis v. 3.9.2014 – 2 B 318/14, NZM 2014, 913, 916 f.); – Errichtung eines zweiten Rettungswegs und einer provisorischen Feuertreppe, wenn die Baubehörde eine Nutzungsuntersagung angekündigt hat (LG Bonn v. 19.5.2016 – 29 S 219/15, ZMR 2016, 794); allerdings zweifelhaft, ob hier nicht Beschlussfassung in der Vergangenheit möglich war; – Abschluss eines Vertrags über die Anmietung und den Einbau von Messgeräten, wenn sich das Gebäude noch im Bau befindet und die Messgeräte bei Nutzung der Wohnungen durch Mieter gesetzlich vorgeschrieben sind (LG Hamburg v. 11.8.2017 – 322 O 102/16, ZMR 2017, 918, 919); – Erhebung einer fristgebundenen verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage (VG München v. 12.2.2008 – M 8 SN 08211; teilweise einschränkend VG Freiburg v. 19.3.2013 – 4 K 184/13, ZWE 2013, 294, 295). Beispiele für keine dringenden Fälle sind: 51 – Normale Unterhaltungsarbeiten, wie Beleuchtung oder Reinigung des Aufzugs, Kamin-
– – – –
kehren, Tünchen usw. (Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 68); fallen heute unter § 27 Abs. 1 Nr. 1; Weitergehender Reparaturbedarf im Rahmen einer Dachsanierung (KG v. 4.2.1998 – 24 U 8280/96, ZWE 2001, 278, 279) oder im Rahmen von Pflasterarbeiten (LG NürnbergFürth v. 1.12.2010 – 14 S 828/10, ZMR 2011, 327, 328); Ausfall der Warmwasserversorgung (Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 34); zweifelhaft, dürfte jetzt aber unter § 27 Abs. 1 Nr. 1 fallen; Langjähriger (Feuchtigkeits-)Schaden ohne akute Gefährdung des Gemeinschaftseigentums (OLG Celle v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, NZM 2002, 169; LG München I v. 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42); Langjähriger Feuchtigkeitsschaden durch gebrochene 40 Jahre alte Tonrohre berechtigt nicht dazu, an der Baustelle einen Auftrag zur Legung einer Drainage und einer Außenisolierung zu vergeben, wenn eine kurzfristige Einberufung der Eigentümerversammlung und die Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich erscheinen (OLG Hamm v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, WM 2011, 594, 595 f.);
1340 | Zschieschack
IV. Pflichten des Verwalters nach § 27 Abs. 1 | Rz. 54 § 27 WEG
– Eigentümerversammlung steht unmittelbar bevor (konkret 11 Tage nach Eintritt von Regenwasser über ein undichtes Dach) oder hätte kurzfristig einberufen werden können (LG Hamburg v. 18.1.2012 – 318 S 164/11, ZMR 2012, 388, 389 = ZWE 2012, 285, 286). c) Fristwahrung aa) Allgemeines Im Bereich der Fristwahrung kommen alle prozessualen und materiellen Fristen in Be- 52 tracht.130 Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Handeln des Verwalters erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn sie bei objektiver Betrachtung zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die Gemeinschaft geboten ist.131 Erforderlich ist die Maßnahme nur dann, wenn keine vorherige Beschlussfassung der Wohnungseigentümer in dieser Sache möglich ist.132 Hieran dürfte in vielen Fällen ein Handlungsbedürfnis scheitern. Dass der Verwalter den drohenden Eintritt des Nachteils verursacht oder gar verschuldet hat, steht der Erforderlichkeit seines Tätigwerdens nicht entgegen. bb) Passivprozesse Eine Vermutung für ein Eilbedürfnis für das Führen von Passivprozessen enthält das Gesetz, 53 anders als das alte Recht,133 nicht mehr. Allerdings werden dies häufig objektiv erforderliche Maßnahmen zur Nachteilsabwehr sein.134 Dies umfasst neben der Abwehr von Beschlussklagen135 auch die Verteidigung gegen Klagen Dritter. Erfasst ist nicht nur die erste Instanz, sondern auch die Einlegung von Rechtsmitteln. Die sich im alten Recht stellende Frage der Vertretungsbefugnis136 ist durch § 9b Abs. 1 geklärt. In Frage steht alleine, ob innerhalb der Rechtsmittelfrist eine Versammlung durchzuführen ist. In vielen Fällen, wird die Handlungsbefugnis des Verwalters im Innenverhältnis aber schon aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 folgen (s. Rz. 27 ff.). Auch im Vollstreckungsverfahren erlangt die Vorschrift Bedeutung, wenn der Verband Vollstreckungsschuldner ist. Klagen Dritter gegen einzelne Wohnungseigentümer in Bezug auf deren Sondereigentum 54 (z.B. Klage des Werkunternehmers oder Bauträgers gegen einen einzelnen Auftraggeber/Erwerber) erfasst die Norm nicht (mehr). Hier kann der Verwalter auch nicht mehr tätig werden, da er keine entsprechende Vertretungsmacht mehr hat.
130 Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 57. 131 BayObLG WE 1994, 375; OLG Düsseldorf v. 6.7.1994 – 3 Wx 456/92, ZMR 1994, 520 = WuM 1994, 717; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 27. 132 OLG Düsseldorf v. 6.7.1994 – 3 Wx 456/92, ZMR 1994, 520 = WuM 1994, 717; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 27; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 90; Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 56. 133 BT-Drucks. 16/887, 70. 134 Zum alten Recht: BGH v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = MietRB 2013, 264 (Elzer) = NJW 2013, 3098 f. = NZM 2013, 653 f. = ZWE 2013, 368, 370 (krit. Bonifacio) = ZfIR 2013, 730 ff. (zust. Hogenschurz); LG Düsseldorf v. 18.5.2010 – 16 S 26/09, ZMR 2013, 459 f.; LG Dortmund v. 10.9.2013 – 1 S 416/12, ZMR 2014, 386; LG Karlsruhe v. 11.5.2010 – 11 S 9/08, ZMR 2011, 588 f.; LG Karlsruhe v. 7.8.2012 – 11 S 180/11, MietRB 2012, 358 (Heinemann) = ZMR 2013, 376 f. 135 Zum alten Recht: BT-Drucks. 16/3843, 27; BGH v. 20.4.2018 – V ZR 202/16, ZMR 2018, 685, 687; BGH v. 27.9.2007 – V ZB 83/07, MDR 2007, 1413 = NZM 2007, 886; LG Karlsruhe v. 11.5.2010 – 11 S 9/08, ZMR 2011, 588 f.; LG Hamburg v. 20.9.2017 – 318 S 92/16, ZMR 2018, 64, 65; LG München II v. 30.6.2017 – 6 T 2303/17, ZMR 2017, 834, 835. 136 Dazu bejahend zum alten Recht LG Frankfurt/M v. 2.5.2019 – 2/13 S 127/17, ZMR 2019, 715; LG Berlin v. 19.4.2013 – 55 S 170/12, ZMR 2013, 735; LG Dortmund v. 10.9.2013 – 1 S 416/12, ZMR 2014, 386; LG Frankfurt/M v. 17.12.2015 – 2-13 S 222/13, ZMR 2016, 557 = WuM 2016, 248 = MietRB 2016, 169 (Reichert); a.A. LG Düsseldorf v. 13.4.2016 – 25 S 123/14, ZMR 2016, 796, 797. Zschieschack | 1341
§ 27 WEG Rz. 55 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters cc) Fristwahrung, Aktivprozesse 55 Als weitere Maßnahme kommt die Wahrung von Fristen in Betracht. Dies ermöglicht nicht
nur die Einhaltung oder Geltendmachung von materiellen (Verjährungsfristen,137 Anfechtungsfristen,138 Mängelrüge- und Gewährleistungsfristen,139 materiell-rechtliche Ausschlussfristen),140 sondern auch von prozessualen Fristen (Klagefristen).141 56 Hier ist aber zu prüfen, ob dies wirklich erforderlich ist und ob nicht eine vorherige Be-
schlussfassung der Wohnungseigentümer möglich wäre.142 Hieran wird in vielen Fällen eine Eilmaßnahme scheitern. Gerade der Ablauf einer Verjährungsfrist kommt nie so überraschend, dass eine Eilmaßnahme vorliegt, gleiches gilt für andere Gewährleistungsfristen.143 Haben die Wohnungseigentümer die Gelegenheit verstreichen lassen, innerhalb des ihnen zur Verfügung stehenden Zeitraums auf einer Versammlung einen Beschluss zu fassen, wird die Maßnahme nicht dadurch zur Notmaßnahme, dass nun ein endgültiger Rechtsverlust droht, wenn nicht schnell gehandelt wird. 57 Eine Eilmaßnahme ist daher nur dann denkbar, wenn sich plötzlich und unerwartet kurz vor
Ablauf der Verjährung ein neuer Mangel zeigt,144 oder etwa zur Beweissicherung sofortiges Handeln geboten ist. Anwendungsfälle werden vor allem im Verwaltungsrecht liegen, wenn der Verwalter gegen einen an die Gemeinschaft gerichteten Bescheid Widerspruch einlegt oder mangels Widerspruchsmöglichkeit Anfechtungsklage erhebt.145 Erfasst sind auch Meldungen an die Versicherung, vor allem die Gebäudeversicherung. Denkbar sind auch Maßnahmen gegen den Vorverwalter, insbesondere auf Herausgabe von Unterlagen, wenn der Verwalter hierauf dringend (etwa zur Erstellung der Abrechnungen) angewiesen ist. Mit der Durchführung der Maßnahmen kann er auch einen Rechtsanwalt beauftragen, wenn dies erforderlich ist.146 58 Wie immer gilt, dass aus der Handlungsmöglichkeit eine Handlungspflicht folgt.147 Handelt
der Verwalter nicht, ist er der Gemeinschaft zum Schadensersatz verpflichtet. Wird er hingegen tätig, obwohl kein Eilfall vorlag und er – insbesondere durch die Beschlusslage – auch erkennen konnte, dass die Gemeinschaft nicht handeln wollte, muss er der Gemeinschaft den Schaden (etwa Prozesskosten) der aus seinem Handeln entstanden ist, ersetzen.148
137 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 29. 138 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 29. 139 KG WE 1992, 197; OLG Düsseldorf v. 6.12.1991 – 22 U 114/91, NJW-RR 1993, 470; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 29. 140 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 29; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 87. 141 Saarl. OLG v. 12.1.1998 – 5 W 9/97-8, ZMR 1998, 310; LG Karlsruhe v. 11.5.2010 – 11 S 9/08, ZMR 2011, 588; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 29. 142 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 29. 143 LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZMR 2019, 630; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 30. 144 Vgl. LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZMR 2019, 630. 145 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 148. 146 OLG Düsseldorf v. 6.7.1994 – 3 Wx 456/92, ZMR 1994, 520 = WuM 1994, 717; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 28. 147 BGH v. 22.9.2011 – I ZB 61/10, NJW-RR 2012, 460 Rz. 22. 148 LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZMR 2019, 630.
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V. Erweiterung oder Einschränkung der Entscheidungsmacht | Rz. 61 § 27 WEG
dd) Beispiele Als Maßnahmen zur Abwendung sonstiger Rechtsnachteile kommen außerdem in Betracht: 59 – Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Beweissicherung (BGH v. 25.9.1980 – VII ZR 276/79, BGHZ 78, 166 = MDR 1981, 220 = NJW 1981, 282; BayObLGZ 1976, 211, 213 = ZMR 1977, 345) und Verjährungshemmung (vgl. BGH v. 20.6.2103 – VII ZR 71/11, MDR 2013, 1155 = NZM 2013, 652, 653); aber nur wenn ein wirklicher Eilfall, was im Regelfall nicht gegeben ist (LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZMR 2019, 630; zutreffend Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 59); – Inanspruchnahme eines Gewährleistungsbürgen (OLG Düsseldorf v. 6.12.1991 – 22 U 114/91, NJW-RR 1993, 470); ebenfalls kaum Eilfall (zutreffend Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 59); – Betreiben der Zwangsverwaltung zur Sicherung des künftigen Hausgeldeingangs (Hans. OLG Hamburg v. 20.1.1993 – 2 Wx 53/91, ZMR 1993, 342 = OLGZ 1993, 431); auch hier eher kaum ein Eilfall, eher § 27 Abs. 1 Nr. 1 (zutreffend Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 59); – Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen den alten Verwalter auf Herausgabe der Verwaltungsunterlagen (LG Itzehoe v. 22.7.2014 – 11 S 62/13, ZMR 2015, 54, 56; AG Wiesloch v. 25.3.2011 – 5 C 4/11, ZWE 2011, 290); – Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO (OVG Lüneburg v. 17.1.1986 – 6 B 1/86, OVG Nds. v. 17.1.1986 – 6 B 1/86, BauR 1986, 684 = OVGE 39, 375; a.A. VG Freiburg v. 19.3.2013 – 4 K 184/13, ZWE 2013, 294 f.) und Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage (VG München v. 12.2.2008 – M 8 SN 08 211).
V. Erweiterung oder Einschränkung der Entscheidungsmacht durch Beschluss 1. Allgemeines § 27 Abs. 2 bietet den Eigentümern die Möglichkeit, den Handlungsspielraum des Verwalters 60 einzuschränken oder zu erweitern. Praktische Relevanz kommt dem nur in den Fällen des § 27 Abs. 1 Nr. 1 zu, es erscheint aber auch nicht ausgeschlossen, den Spielraum für Eilfälle (§ 27 Abs. 2 Nr. 2) einzuschränken, etwa indem der Verwalter angewiesen wird, stets mit sehr kurzer Frist zu einer außerordentlichen Versammlung zu laden oder budgetmäßig auch für Eilfälle dem Verwalter Vorgaben gemacht werden. Ob ein derartiger Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist eine Frage des Einzelfalls, dürfte aber idR zu verneinen sein, wenn bei der gebotenen objektiv-normativen Auslegung endgültige Rechtsverluste größeren Ausmaßes für die Gemeinschaft drohen.149 Erweitert oder eingeschränkt werden können nur die Berechtigungen nach § 27 Abs. 1.150 61 Soweit Organkompetenzen des Verwalters betroffen sind, richtet sich die Möglichkeit hierüber durch Beschluss zu entscheiden nach den Regeln der jeweiligen Kompetenz.151 Dies wird in vielen Fällen eine Beschlussmöglichkeit ausschließen, weil Änderungen, welche die Organfunktion betreffen – wenn überhaupt – nur vereinbart werden können.
149 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 492; Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/ Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 77. 150 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 487; Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 70. 151 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 489. Zschieschack | 1343
§ 27 WEG Rz. 62 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters 62 Bei der wichtigsten Funktion, der Beschlussumsetzung stellt sich die Frage ohnehin nicht,
dies bleibt eine unentziehbare Aufgabe des Verwalters, allerdings kann die Art und Weise der Umsetzung mitbeschlossen werden.152 63 Erweiterungen oder Einschränkungen können generell oder in Einzelfällen erteilt werden.
Sie können dem konkreten Verwalter oder dem jeweils bestellten Verwalter erteilt werden. Durch die Möglichkeit der Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 haben die Eigentümer auch die Möglichkeit, die Grenzen des § 27 Abs. 1 Nr. 1 zu definieren. Sie können also etwa durch einen Katalog Maßnahmen festlegen, die für sie untergeordnete Bedeutung haben oder denen aus ihrer Sicht diese nicht zukommt.153 64 Ob der Ermächtigungsbeschluss seinerseits ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, kann
im Rahmen einer Anfechtungsklage überprüft werden. Der Verwalter ist jedoch bis zu einer Ungültigerklärung zur Vollziehung verpflichtet.154 Notfalls muss im Wege der einstweiligen Verfügung die weitere Vollziehung untersagt werden, wobei sich auch diese einstweilige Verfügung gegen den Verband richtet (§ 44 Abs. 2 Satz 1).155 Ein nichtiger Ermächtigungsbeschluss ist dagegen von Anfang an unwirksam und nicht zu vollziehen. Nichtig ist insbesondere ein Beschluss, der die Kompetenz des § 27 Abs. 2 überschreitet und den Organbereich betrifft.
2. Beschluss über Erweiterungen und Beschränkungen a) Beschluss oder Vertrag? 65 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 2 ist über Erweiterungen oder Einschränkun-
gen zu beschließen. Erforderlich ist daher ein Beschluss der Eigentümerversammlung. Möglich ist auch eine Vereinbarung, also etwa bereits in der Teilungserklärung, in der Gemeinschaftsordnung. Dann gilt die Regelung für sämtliche Verwalter.156 Ein späterer Beschluss nach § 27 Abs. 2 ist dadurch nicht gesperrt,157 wenn die Vereinbarung dies nicht (etwa für einen Teilbereich) ausschließt. 66 Im Verwaltervertrag kann eine Regelung nach § 27 Abs. 2 nicht getroffen werden, allenfalls
kann sie dort dokumentiert werden.158 Die Frage war schon im alten Recht umstritten.159 Allerdings hat sich nun das Problem dahin verlagert, dass es nicht mehr um die Frage der Vertretungsmacht, sondern alleine um die Entscheidungsmacht des Verwalters geht. Der Verwaltervertrag regelt indes alleine die Vertragsbeziehungen des Verwalters zum Verband, dieser kann indes die Entscheidungsmacht des Verwalters nicht beschränken oder erweitern. Dies ist nur durch eine Beschlussfassung der Eigentümer möglich. Diskutabel ist allenfalls, in einem Beschluss über die Genehmigung des Verwaltervertrages zugleich ein Beschluss
152 153 154 155 156 157 158
Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 489. BT-Drucks. 19/22634, 47; Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 73. Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 44. Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 44 f. Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 76. Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 76. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 503; Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 79; Dötsch/ Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 150; Zschieschack in MünchKomm/BGB, § 26 WEG Rz. 91; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 32; Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 75; Wobst, ZWE 2022, 15, 16; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 71; Becker in Bärmann, § 27 Rz. 59; zum alten Recht ebenso allerdings ohne Problembewusstsein BGH 30.3.2006 – V ZB 17/06, NZM 2006, 465 Rz. 13. 159 Vgl. umfassend Jacoby in Staudinger, 2018, § 26 Rz. 161 ff.; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 Rz. 157 ff.
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V. Erweiterung oder Einschränkung der Entscheidungsmacht | Rz. 72 § 27 WEG
nach § 27 Abs. 2 zu sehen. Dies wird im Regelfall aber bereits deshalb abzulehnen sein, weil es an der gebotenen Eindeutigkeit des Beschlusses fehlt.160 Erforderlich wäre insoweit eine transparente Beschlussfassung über Erweiterungen und Einschränkungen nach § 27 Abs. 2, die sich auch aus der Beschlussankündigung ergeben müsste.161 Auch wenn eine Verschiebung der Regeln des § 27 Abs. 1 im Verwaltervertrag nicht wirk- 67 sam ist, wird eine solche Regelung doch Ersatzansprüche gegen den Verwalter ausschließen, wenn dieser im Rahmen der ihm im Vertrag zugewiesenen Pflichten und Rechten handelte. Denn derartige Ersatzansprüche bestehen nach neuem Recht in diesem Zusammenhang ausschließlich zwischen dem Verband und dem Verwalter. Hier stehen die Vertragsklauseln einem Vorwurf des Fehlverhaltens entgegen, denn der Verband als Vertragspartner des Verwalters wird schwerlich diesem einen Vorwurf der Kompetenzüberschreitung machen können, wenn der Verwalter sich an die Aufgabenverteilung des Vertrages gehalten hat.162 Enthält der Verwaltervertrag jedoch eine derartige Kompetenzverlagerung, kann der Be- 68 schluss über seine Genehmigung erfolgreich angefochten werden.163 Ist eine Anfechtung nicht erfolgt, können die Eigentümer auch dem Verband gegenüber die Kompetenzverlagerung nicht mehr als nicht ordnungsgemäß rügen, da insoweit der Vorrang der Anfechtungsklage gilt.164 b) Einschränkungen Beschränkungen der Aufgaben des Verwalters nach § 27 Abs. 2 gelten nur im Innenverhält- 69 nis. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Verwalters ist mit einem derartigen Beschluss nie verbunden.165 Die Eigentümer, als die „Herren im Haus“ können in allen Bereichen, die unter § 27 Abs. 1 70 Nr. 1 fallen, sich eine Entscheidung vorbehalten. Beschränkungen können bezogen auf bestimmte Arten von Entscheidungen generell oder im Einzelfall getroffen werden. Möglich ist etwa, dass im Rahmen von Erhaltungsmaßnahmen dem Verwalter Vorgaben ge- 71 macht werden, bis zu welchem Budget er eigenverantwortlich entscheiden kann. Die Budgetgrenzen können hier deutlich niedriger liegen, als die des § 27 Abs. 1 Nr. 1. Denkbar und vielfach sinnvoll ist auch nicht nur eine Budgetobergrenze im Einzelfall sondern auch in der Kumulation mehrerer Erhaltungsmaßnahmen festzulegen. Denkbar sind ebenso inhaltliche Vorgaben, etwa indem ein Pool von Handwerkern vorgegeben wird oder für gewisse Erhaltungsmaßnahmen inhaltliche Vorgaben gemacht werden (etwa Verwendung bestimmter Bauteile). Bereits die Gesetzesbegründung verwies darauf, dass die Möglichkeit besteht, die Entschei- 72 dung des Verwalters an die Zustimmung eines Wohnungseigentümers, eines Dritten oder des Verwaltungsbeirats zu koppeln.166 Derartigen Delegationsbeschlüssen stand die hM
160 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 504; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 151; Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 80; Zschieschack in MünchKomm/BGB, § 26 WEG Rz. 91; Schultzky, ZWE 2021, 62, 65; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 Rz. 160. 161 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 504; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 151; Wobst, ZWE 2022, 15, 20; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 Rz. 160; Becker in Bärmann, § 27 Rz. 59. 162 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 20; zustimmend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 Rz. 161. 163 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 20. 164 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 20. 165 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 488. 166 BT-Drucks. 19/22634, 47. Zschieschack | 1345
§ 27 WEG Rz. 72 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters bisher sehr skeptisch gegenüber.167 Jedenfalls für den Bereich der Einschränkung der Entscheidungsmacht des Verwalters wird man dies nunmehr großzügiger sehen können. Geblieben ist aber das Problem der Bestimmtheit des Delegationsbeschlusses, vor allem bei der verbreiteten Formulierung „in Abstimmung mit dem Beirat“.168 Aus dem Beschluss muss hinreichend deutlich werden, ob beispielsweise dem Beirat nur ein Anhörungsrecht „nach Information des Beirats“ oder ein Letztentscheidungsrecht „nach Freigabe durch den Beirat“ zukommt.169 Ebenfalls muss der Entscheidungsmaßstab klar sein. Hier wird im Regelfall die Benennung von Entscheidungskriterien erforderlich sein (Preis, Ortsnähe, Subunternehmer etc.). Ausreichend dürfte aber sein, die Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen zu übertragen, denn damit ist ein rechtlich anerkannter Maßstab vorgegeben.170 73 Theoretisch möglich wäre es auch, die Entscheidungsmacht des Verwalters vollständig ein-
zugrenzen, etwa dass jede Entscheidung des Verwalters im Rahmen von § 27 Abs. 1 der Zustimmung der Eigentümer bedarf. Eine Beschlusskompetenz hierzu besteht, denn die dem bisher entgegenstehende Regelung in § 27 Abs. 4 a.F. ist entfallen. Organfunktionen betrifft dies jedoch nicht, denn diese sind von § 27 Abs. 1 nicht erfasst.171 Ordnungsmäßiger Verwaltung dürfte ein derartiger Beschluss aber nur in Ausnahmefällen entsprechen, denn ein hieraus resultierendes Misstrauen gegen den Verwalter dürfte eher zeigen, dass die Wahl nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach.172 Diskutabel erscheint dies allenfalls in Fällen der Verwaltung durch einen Eigentümer, bei dem die Verwalterbestellung letztlich nur die Vertretung nach außen ermöglichen soll (dazu § 9b Rz. 77). c) Erweiterungen 74 Kompetenzerweiterungen bieten sich vor allem in größeren Gemeinschaften an, um die
Handlungsmacht des Verwalters zu erweitern. Die Beschlusskompetenz betrifft alleine die Entscheidungsmacht nach § 27 Abs. 1 und keine organschaftlichen Aufgaben des Verwalters. Eine Kompetenz, dass dem Verwalter durch einen derartigen Beschluss eine Entscheidungsmacht über eine Maßnahme eingeräumt wird, die alleine den Eigentümern auf der Versammlung zugewiesen ist, besteht nicht.173 Daher ist es ausgeschlossen, dass der Verwalter über seine Amtsstellung oder seinen Vertrag disponieren darf, oder in die Zusammensetzung anderer Organe (Verwaltungsbeirat) eingreifen darf.174 Auch Entscheidungen mit vereinbarungsänderndem Charakter dürfen ihm nicht übertragen werden.175 Bereiche, über welche selbst die Eigentümer nicht beschließen können, etwa Sondereigentum176, sind ebenso von Vorneherein einer Beschlussfassung entzogen. Ebenso ist eine Erweiterung der Entscheidungsmacht ausgeschlossen, wenn das Gesetz einen Beschluss der Eigentümer erfor-
167 Vgl. zusammenfassend zum alten Recht LG Frankfurt/M v. 7.6.2018 – 2-13 S 88/17, NZM 2018, 871 = ZWE 2018, 366 (Elzer); Emmerich in Bärmann/Pick, § 21 WEG Rz. 104. 168 Zum Streitstand LG Frankfurt/v. 7.6.2018 – 2-13 S 88/17, NZM 2018, 871 = ZWE 2018, 366 (Elzer); Nichtigkeit annehmend AG Hamburg-Blankenese v. 20.12.2017 – 539 C 17/17, ZMR 2018, 266; zum neuen Recht Pramataroff ZWE 2023, 139 (143). 169 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 156. 170 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 156. 171 Schultzky, ZWE 2021, 62, 65; wohl großzügiger Greiner in BeckOGK, 1.3.2023, § 27 Rz. 74. 172 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 153. 173 Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 76. 174 Ebenso Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 50; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 495. 175 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 50; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 495. 176 Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 75.
1346 | Zschieschack
V. Erweiterung oder Einschränkung der Entscheidungsmacht | Rz. 77 § 27 WEG
dert. Dies ist etwa bei Jahresabrechnungen und Wirtschaftsplänen (§ 28) der Fall,177 betrifft aber auch bauliche Veränderungen (§ 20) oder Änderungen von Kostenverteilungsschlüsseln (§ 16 Abs. 2 Satz 2). Praxisrelevant werden für Erweiterungen vor allem Fälle im Rahmen des Erhaltungsma- 75 nagements sein (s. Rz. 84 ff.), etwa indem das Aufgabengebiet des Verwalters auch auf bestimmte bedeutende Maßnahmen erweitert werden (etwa Budgetgrenzen jenseits der Beschränkungen des § 27 Abs. 1 Nr. 1), oder in gewissen Einzelfällen – etwa Folgeaufträge – der Bereich der erheblichen Verpflichtung verlassen wird. Möglich sind ist eine Erweiterung der Entscheidungsmöglichkeiten auch in anderen Bereichen. So ist es möglich, dem Verwalter für bestimmte Konstellationen (Verstöße gegen Vereinbarungen und Beschlüsse) eine allgemeine Klagebefugnis zu erteilen. Der Beschluss muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Besonderer Bedeutung 76 kommt dabei der Bestimmtheit und Transparenz der Erweiterung zu, die sich klar und eindeutig aus dem Beschluss ergeben muss.178 Zudem muss aus dem Beschluss der Entscheidungsmaßstab hervorgehen.179 Soll beispielsweise der Verwalter aus einem Pool von Bewerbern einen Auftragnehmer bestimmen, muss klar sein, nach welchen Kriterien er zu entscheiden hat.180 Unzureichend ist insoweit etwa die Vorgabe, der Verwalter solle das „günstigste“ Angebot nehmen, da dies nicht das „billigste“ Angebot sein muss, so dass die Kriterien unklar sind.181 Die Vorgabe das „billigste“ Angebot auszuwählen, ist zwar präzise, dürfte aber jedenfalls bei größeren Gewerken kaum ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend, jedenfalls wenn der Kreis der Anbieter nicht beschränkt ist. Bei objektiv-normativer Betrachtung besteht nämlich so die Gefahr, dass ein Anbieter den Zuschlag erhalten muss, bei dem objektiv Zweifel bestehen, ob Gewährleistungsansprüche realisiert werden können. Soll die Anfrage hingegen etwa nur an Fachfirmen vor Ort gehen, oder handelt es sich um einen überschaubaren Auftrag, bei dem größere Mängel nicht zu erwarten sind, bestehen gegen die Vorgabe, den Zuschlag alleine nach dem Preis zu erteilen, hingegen keine Bedenken. Möglich – wenngleich streitanfällig – ist aber auch insoweit die Übertragung der Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (s. Rz. 72). Inhaltlich wird man den Eigentümern ein weites Ermessen einzuräumen haben, welche Auf- 77 gaben sie auf den Verwalter übertragen.182 Es dürfte im Regelfall aber nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn wesentliche, vor allem kostenintensive Maßnahmen komplett oder im Kernbereich auf den Verwalter übertragen werden. Insoweit wird es dabei bleiben, dass über wesentliche Maßnahmen die Eigentümer entscheiden müssen.183 Schon um der klaren Abgrenzbarkeit zur Nichtigkeit willen, wird eine Überschreitung in diesem Bereich, auch wenn sie dazu führt, dass Erhaltungsmaßnahmen komplett dem Verwalter zugewiesen werden, nur zur Anfechtbarkeit der Beschlussfassung führen.184
177 178 179 180 181 182 183 184
Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 495. Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 75. Skeptisch Casser, ZWE 2023, 117 (120 f.). Zum Streitstand im alten Recht LG Frankfurt/M v. 7.6.2018 – 2-13 S 88/17, NZM 2018, 871 = ZWE 2018, 366 (Elzer); Nichtigkeit bei Beschlüssen ohne Kriteriennennung annehmend AG Hamburg-Blankenese v. 20.12.2017 – 539 C 17/17, ZMR 2018, 266. AG Hamburg-Blankenese v. 20.12.2017 – 539 C 17/17, ZMR 2018, 266; zum neuen Recht Pramataroff, ZWE 2023, 139 (143). Zutreffend Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 498 ff. Ebenso Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 500; zum alten Recht vgl. zum Streitstand LG Frankfurt/M v. 7.6.2018 – 2-13 S 88/17, ZWE 2018, 366 Rz. 24 (Elzer). A.A. Nichtigkeit hier Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 76. Zschieschack | 1347
§ 27 WEG Rz. 78 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters d) Keine Annahme 78 Eine Annahme des Verwalters sieht das Gesetz nicht vor.185 Dies betrifft sowohl Erweiterun-
gen als auch Einschränkungen seiner Entscheidungsmacht. Eine solche ist auch nicht erforderlich, denn es geht nicht um die Einräumung der Organstellung, die er nicht ohne seine Zustimmung erlangen kann,186 sondern um die Erweiterung von Entscheidungskompetenzen im Rahmen einer bereits erfolgten Verwalterstellung. Hier muss der Verwalter keine Annahmeerklärung abgeben, ebenso wie er auch Beschlüsse unabhängig von seinem Willen zu vollziehen hat.187 Mit derartigen Erweiterungen muss der Verwalter rechnen, denn § 27 Abs. 2 ist eine der Kernvorschriften, die sein Aufgabenfeld beschreibt.188 79 Demzufolge hat ein Beschluss nach § 27 Abs. 2 auch keine Auswirkungen auf den Verwal-
tervertrag, insbesondere berechtigt er nicht zu einer Anpassung der Vergütung. Sieht der Verwaltervertrag für die nun übertragenen Tätigkeiten keine Vergütungsklausel vor, etwa eine Stundenvergütungen für nicht im Vertrag erfasste Aufgaben, wird eine Anpassung des Verwaltervertrages nach § 313 BGB kaum je in Betracht kommen, denn bei Vertragsschluss muss dem Verwalter ebenso wie der Gemeinschaft bekannt gewesen sein, dass über § 27 Abs. 2 die Aufgaben des Verwalters erweitert werden können.189 Denkbar ist eine derartige Vertragsanpassung allenfalls in Altfällen, wenn der Verwaltervertrag vor dem Inkrafttreten des WEMoG geschlossen wurde und bei Vertragsschluss die Möglichkeit des § 27 Abs. 2 daher noch nicht bestand. 80 Will der Verwalter der Aufgabenerweiterung nicht nachkommen, hat er nur die Möglichkeit
der Amtsniederlegung. Eine solche ist – mit Ausnahme der Unzeit – grundsätzlich möglich.190 Wenn der Verwalter nicht selbst der Verwaltervertrag kündigt, kann dies nach der Amtsniederlegung der Verband tun, da der Verwalter seiner Hauptflicht nicht mehr nachkommt.191 Diese Möglichkeit kann der Verwalter auch in Betracht ziehen, wenn seine Aufgaben nicht erweitert, sondern durch Beschluss stark eingeschränkt werden und er sich so seiner Kernaufgabe, der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, beraubt sieht.192 e) Beschlusseinholung in Zweifelsfällen
81 Der Verwalter kann einen Beschluss nach § 27 Abs. 2 insbesondere dann anregen, wenn er
Zweifel hat, ob eine Aufgabe in den Bereich des § 27 Abs. 1 Nr. 1 fällt. Insoweit entspricht es gefestigter Rechtsprechung des BGH, dass der Verwalter jederzeit eine für ihn bindende Weisung (§ 655 BGB) einholen kann, wie er sich in Zweifelsfällen verhalten soll.193 Möglich ist eine derartige Weisung auch in Fällen, in denen die Rechtslage umstritten oder unklar ist. Nach einer Klärung der Rechtslage besteht ein Anspruch auf Zweitbeschluss. Auf entspre185 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 506; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 37; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 55; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 72. 186 Dazu Skauradszun, Der Beschluss als Rechtsgeschäft, S. 266 ff. 187 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 506; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 37. 188 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 37. 189 Ausf. Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 38 ff.; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 56. 190 Vgl. nur LG Frankfurt aM v. 31.08.2020 – 2-13 S 87/19, NJW-RR 2021, 331. 191 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 88. 192 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 88; Becker/Schneider, ZfIR 2020, 281, 304. 193 BGH v. 16.9.2021 – V ZR 69/21, NZM 2022, 974 mit Anm. Kappus; v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, ZWE 2020, 370 Rz. 31 mit Anm. Wobst; v. 18.10.2019 – V ZR 188/18, ZWE 2020, 188 Rz. 15 (Sommer); 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 = NJW 2018, 3305; Dötsch ZfIR 2018, 577, 580.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 85 § 27 WEG
chende Beschlüsse haben die Eigentümer nach neuerer Rechtsprechung sogar einen Anspruch, der mit einer Beschlussersetzungsklage erzwungen werden kann.194 Erforderlich ist dabei, dass die Eigentümer zu einer Beschlussfassung auf der Versammlung vorbereitet werden, der Verwalter sie also umfassend über die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen aufklärt, so dass eine sachgerechte Entscheidung möglich wird.195 Auf diesem Wege ist es möglich, dass der Verwalter in Grenzfällen sich für den Einzelfall 82 eine Weisung holt, ob er eine Entscheidung selbst treffen kann. In diesen Fällen wird aber häufig die Versammlung gleich selbst die anstehende Entscheidung treffen. Praktikabler dürfte es sein, aus Anlass dieser Entscheidung für Folgeentscheidungen festzulegen, ob der Verwalter eines Votums der Eigentümer bedarf oder nicht.196 Damit wird in aller Regel eine Entscheidung nach § 27 Abs. 2 getroffen sein und die Verwaltungspraxis in der Gemeinschaft geregelt sein.
VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen 1. Allgemeines Für typische Maßnahmen des Verwalters ist stets zu prüfen, in welchem Umfang sich eine 83 Entscheidungsmacht nach neuen Recht aus § 27 Abs. 1 ergibt oder inwieweit eine Beschlussfassung erforderlich ist, bzw. welche besonderen Anforderungen an eine Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 zu stellen sind.
2. Erhaltungsmaßnahmen a) Allgemeines Hauptanwendungsbereich des § 27 Abs. 1 Nr. 1 werden Erhaltungsmaßnahmen sein, unter 84 welche das Gesetz nunmehr (§ 13 Abs. 2) Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen fasst. Der Verwalter war bisher nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 a.F. verpflichtet, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Allerdings war dies in der Sache nicht richtig, denn zuständig für die Instandhaltung- und Instandsetzung waren die Wohnungseigentümer. Die Aufgabe des Verwalters bestand bisher vor allem darin, den Zustand des Gemeinschaftseigentums zu kontrollieren, die Eigentümer zu informieren und in die Lage zu versetzen sachgerechte Beschlüsse zu fassen und diese umzusetzen. Zu selbständigen Maßnahmen war der Verwalter nur berechtigt, wenn dies beschlossen wurde oder nach zweifelhafter Ansicht ihm so im Verwaltervertrag übertragen war. Nunmehr kann der Verwalter in den Grenzen des § 27 Abs. 1 Nr. 1 selbständig Erhaltungs- 85 maßnahmen vornehmen, was eines der zentralen Anliegen der Änderung der Zuständigkeiten des Verwalters war.197 Der Streit im alten Recht, ob und aus welchem Grund Kleinreparaturen durch den Verwalter selbständig vorgenommen werden konnten oder nicht, ist daher nun obsolet.198
194 195 196 197 198
BGH v. 16.9.2021 – V ZR 69/21, NZM 2022, 974 Rz. 15 mit Anm. Kappus. BGH v. 18.10.2019 – V ZR 188/18, ZWE 2020, 188 Rz. 15 (Sommer). Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 103. Vgl. bereits Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2019, 429, 440. Zum alten Recht Heinemann in Jennißen, 6. Aufl., § 27 Rz. 25; zu Übertragungen durch Beschluss BGH v. 11.6.2021 – V ZR 215/20, NJW-RR 2021, 1595 Rz. 6 ff. Zschieschack | 1349
§ 27 WEG Rz. 86 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters b) Eigenständige Maßnahmen des Verwalters zur Instandhaltung und Instandsetzung 86 Unproblematisch in den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 1 Nr. 1 fallen Bagatellmaßnah-
men sofern diese laufende Erhaltung darstellen und nur mit geringem finanziellem Aufwand erfolgen. 87 Beispiele für solche Kleinmaßnahme, die schon bisher anerkannt waren:
– Kleinreparaturen, z.B. der Dachrinne (Sauren, § 27 WEG Rz. 26); Einbau einer Doppeltür im Treppenhaus zum Schallschutz (BayObLG v. 11.5.1978 – BReg. 2 Z 29/77, BayObLGZ 1978, 117, 120 = ZMR 1979, 56; Sauren, § 27 WEG Rz. 26); Versiegelung von Treppenhausfenstern in Gesamthöhe von 107 Euro (AG Stade v. 16.1.2014 – 64 C 632/13, ZMR 2014, 494); – Auswechseln von Glühbirnen, gesprungenen Fensterscheiben oder defekten Heizungsteilen (Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 101); – Beschaffung von Ersatzteilen und Ersatzgeräten (BayObLG v. 15.7.1975 – BReg. 2 Z 34/ 75, Rpfleger 1975, 349 LS; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 43; a.A. Hans. OLG Hamburg v. 20.2.2006 – 2 Wx 131/02, ZMR 2006, 546); wenn sich dies im Rahmen der Unerheblichkeit hält und keine erheblichen Verpflichtungen begründet – Reparatur und Untersuchung von beschädigten Fenstertürelementen (LG München I v. 12.5.2016 – 36 S 8135/15, ZMR 2016, 804, 805); 88 Der Handlungsspielraum ist durch die Reform aber deutlich erweitert worden, gerade bei
größeren Gemeinschaften wird hier der Bereich der Bagatellmaßnahmen schnell verlassen sein. 89 Typische Verträge, die mit der Erhaltung verbunden sind, werden vom Verwalter abge-
schlossen werden können, wenn sich das Volumen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle bewegt, etwa ein Schneeräumdienst im Winter, ein Gärtner oder die Beauftragung von Reinigungsfirmen.199 Langfristige Verträge, insbesondere Versicherungsverträge,200 Fernwärmelieferungsverträge,201 Mietverträge über Rauchwarnmelder,202 Wartungsverträge oder Arbeitsverträge,203 insbesondere Hausmeisterverträge,204 gehören demgegenüber nicht zu den unerheblichen Maßnahmen der Erhaltung, so dass der Verwalter ohne entsprechenden Beschluss zu deren Abschluss weder berechtigt noch verpflichtet ist.205 Für die meisten Verträge
199 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 118; Greiner in BeckOGK, Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 27 Rn. 55, § 27 Rz. 6; Elzer in BeckOK WEG, 1.1.2023, § 27 Rz. 23 ff. 200 Becker in Bärmann § 27 WEG Rz. 118; zum alten Recht Armbrüster, ZWE 2012, 201, 202; Dötsch, ZMR 2013, 785; Dötsch, ZMR 2014, 169, 170. 201 Vgl. zum alten Recht KG v. 31.3.2009 – 24 W 183/07, MietRB 2009, 326 = GE 2009, 1053; KG v. 7.7.2010 – 24 W 25/09, MietRB 2011, 122 (Drabek) = ZMR 2010, 974; offen gelassen von BGH v. 7.3.2007 – VIII ZR 125/06, MDR 2007, 899 = NJW 2007, 2987. 202 AG Herne v. 17.8.2017 – 28 C 52/16, ZMR 2017, 1014, 1015 zum alten Recht. 203 Hierzu zum alten Recht Pauli/Dimsic, ZMR 2016, 89 ff. 204 Zum alten Recht OLG München v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, NZM 2009, 548, 550; Bdb. OLG v. 19.3.2009 – 5 U 109/07, ZMR 2010, 213, 214; LG Frankfurt/M v. 27.9.2017 – 2-13 S 49/16, ZMR 2018, 62, 63 = ZWE 2018, 38, 39 = MietRB 2018, 112 (Becker); LG Koblenz v. 21.7.2014 – 2 S 72/ 13, ZMR 2015, 59, 60 = MietRB 2015, 242; a.A. zum neuen Recht Elzer in BeckOK WEG, 1.1.2023, § 27 Rz. 27. 205 OLG München v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, NZM 2009, 548, 550; OLG Köln v. 26.11.2004 – 16 Wx 184/04, NZM 2005, 345; BayObLG v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, NZM 1999, 840; Pfälz. OLG v. 14.6.1991 – 3 W 203/90, NJW-RR 1991, 1301; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 118.
1350 | Zschieschack
VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 93 § 27 WEG
wird sich das Problem aber dadurch entspannen, dass die WEG üblicherweise Verbraucher ist und daher viele Verträge nicht mit einer längeren Laufzeit als zwei Jahren wirksam abgeschlossen werden können (§ 309 Nr. 9a BGB), perspektivisch sogar nur für ein Jahr (§ 309 Nr. 9a BGB-E)206. Eine derartige Laufzeit dürfte auch in anderen Fällen eine denkbare Grenze für die Entscheidungsmacht des Verwalters sein.207 Soweit aber die Verträge darüber hinaus gehen, zu denken ist vor allem an Contractingverträge,208 Fernwärmelieferverträge (§ 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV) oder Arbeitsverträge, ist eine Alleinentscheidung durch den Verwalter nicht möglich. Gegen den Abschluss eines üblichen Strom- oder Gaslieferungsvertrags oder eines Versicherungsvertrages ohne Befassung der Eigentümer dürfte demgegenüber nichts einzuwenden sein, da die Preisunterschiede und die Laufzeiten gering sind.209 Auf dieser Ebene wird sich auch entscheiden lassen, inwieweit Wartungsverträge selbständig 90 abgeschlossen werden können, wobei sich auch hier Höchstlaufzeit nach § 309 Nr. 9 BGB richtet.210 Entscheidend ist die Belastung der Gemeinschaft durch den Abschluss und die Typizität, die bei Wartungsverträge für Brandmelder, Heizungsanlagen oder die Trinkwasserversorgung zu bejahen ist.211 Zu außergewöhnlichen Maßnahmen ist der Verwalter weiterhin nicht ermächtigt, sofern 91 nicht die Notzuständigkeit nach Abs. 1 Nr. 2 gegeben ist.212 Ein maßgebliches Kriterium, was gegen eine untergeordnete Bedeutung spricht, wird eine Untypizität einer Maßnahme sein. Je außergewöhnlicher eine durchzuführende Maßnahme ist und je seltener die Gemeinschaft damit konfrontiert ist, umso weniger wird von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen sein. Voraussetzung ist aber stets, dass der Vertrag inhaltlich untergeordnete Bedeutung hat, was bei Hausmeisterverträgen jedenfalls in kleineren Einheiten ohnehin abzulehnen ist und sich die jährliche Belastung in den Grenzen der Unerheblichkeit hält. Größere Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum, insbesondere am Dach, der Fassade, der 92 Heizung213 oder des Kellers214 aber auch bezüglich prägender Merkmale der Außenanlage darf der Verwalter daher ohne Beschluss nicht vornehmen. Zu baulichen Maßnahmen nach § 20, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und 93 Instandsetzung hinausgehen, ist der Verwalter ebenfalls nur aufgrund einer Beschlussfassung befugt.215 Auch die Geltendmachung von Mängel- und Gewährleistungsansprüchen, bedarf eines Beschlusses der Gemeinschaft.216
206 BT-Drs. 19/26915, 7; dazu Zschieschack in BeckOGK, 1.12.2022, BGB § 307 Laufzeitklauseln Rz. 24. 207 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 Rz. 6; zu Energielieferverträgen LG Frankfurt/M v. 25.2.2021 – 2-13 S 146/19, juris Rz. 7. 208 Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 31. 209 LG Frankfurt/M v. 25.2.2021 – 2-13 S 146/19, juris Rz. 8; vgl. bereits BT-Drucks. 19/18791, 73; 19/22634, 47. 210 Zschieschack in BeckOGK, 1.12.2022, § 307 BGB Wartungsklausel Rz. 32. 211 Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 29. 212 Schl.-Holst. OLG v. 31.5.2018 – 7 U 40/18, ZMR 2018, 693, 694; LG München I v. 12.5.2016 – 36 S 8135/15, ZMR 2016, 804, 805. 213 Elzer in BeckOK WEG, 1.1.2023, § 27 Rz. 24. 214 Zum alten Recht BGH v. 21.10.1976 – VII ZR 193/75, BGHZ 67, 232 = MDR 1977, 217 ff.; Schl.Holst. OLG v. 31.5.2018 – 7 U 40/18, ZMR 2018, 693, 694. 215 Elzer in BeckOK WEG, 1.1.2023, § 27 Rz. 25. 216 Becker in Bärmann § 27 WEG Rz. 115; a.A. BGH v. 20.3.1986 – VII ZR 81/85, MDR 1986, 841 = ZMR 1986, 245 = NJW-RR 1986, 755; KG v. 30.11.1992 – 24 W 1188/92, NJW-RR 1993, 404. Zschieschack | 1351
§ 27 WEG Rz. 94 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters c) Erhaltung des Sondereigentums 94 Die Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums ist Sache des jeweiligen Woh-
nungseigentümers (vgl. § 13 Abs. 2).217 Auch wenn der Verwalter zur Durchführung von Notmaßnahmen nach Abs. 1 Nr. 2 berechtigterweise in das Sondereigentum eingegriffen hat (s. Rz. 45), ist er zu weitergehenden Maßnahmen am Sondereigentum weder befugt noch verpflichtet.218 Eine Haftung des Verwalters scheidet also aus, wenn am Sondereigentum Schäden entstehen, die aufgrund der Maßnahme am Gemeinschaftseigentum offenbar werden oder die von einem anderen Sondereigentum ausgehen.219 Aus seiner Organstellung und dem Verwaltervertrag ergibt sich allenfalls die Nebenpflicht, den Wohnungseigentümer über etwaige Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungserfordernisse zu unterrichten.220 Dabei kann auch die Information des Mieters genügen, da dieser aufgrund des Mietvertrags verpflichtet ist, den Vermieter zu benachrichtigen.221 Ist die Abgrenzung zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum fragwürdig bzw. unmittelbar ineinander übergehend, darf der Verwalter zwar auf den Grundbuchinhalt vertrauen,222 muss aber die Miteigentümer dennoch über für ihn ohne weiteres ersichtlichen Instandsetzungsbedarf des Sondereigentums unterrichten.223 95 Erstreckt sich eine Versicherung, wie die Gebäudeversicherung, nicht nur auf das gemein-
schaftliche Eigentum, sondern auch auf Sondereigentum, so folgt hieraus keine Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht des Verwalters bezüglich des mitversicherten Sondereigentums, sondern nur eine Informations- und Unterstützungspflicht zur Durchsetzung der Ansprüche aus der Versicherung.224 96 Geht ein Schaden allerdings, wenn auch nur möglicherweise, unmittelbar vom Gemein-
schaftseigentum aus, so muss der Verwalter alles Erforderliche unternehmen, um die Ursache des Schadens unverzüglich festzustellen225 und ggf. zu beheben, soweit ihm dies unter Berücksichtigung der Mitwirkungspflicht des Sondereigentümers möglich ist.226
217 BayObLG v. 29.3.2000 – 2Z BR 6/00, WuM 2001, 208 = NZM 2000, 555; v. 3.4.1996 – 2Z BR 5/96, BayObLGZ 1996, 84, 86 f. = NJW-RR 1996, 1298. 218 BayObLG v. 29.3.2000 – 2Z BR 6/00, WuM 2001, 208 = NZM 2000, 555; LG Saarbrücken v. 1.10.2008 – 5 S 10/08, ZMR 2009, 641; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 120. 219 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 120. 220 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 120; Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 50. 221 BayObLG v. 3.4.1996 – 2Z BR 5/96, BayObLGZ 1996, 84, 88 = NJW-RR 1996, 1298; v. 29.3.2000 – 2Z BR 6/00, WuM 2001, 208 = NZM 2000, 555; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 120. 222 Unzutreffend insoweit AG Dippoldiswalde v. 25.4.2013 – 2 C 804/12, ZMR 2013, 837 f., das einen Vertrauensschutz in die notariell beurkundete Teilungserklärung annimmt; insoweit besteht kein gesetzlicher Gutglaubensschutz, dieser kann allein auf § 891 BGB gestützt werden. 223 A.A. AG Dippoldiswalde v. 25.4.2013 – 2 C 804/12, ZMR 2013, 837 f. 224 BayObLG v. 3.4.1996 – 2Z BR 5/96, BayObLGZ 1996, 84, 88 = NJW-RR 1996, 1298; v. 29.1.1998 – 2Z BR 53/97, NZM 1998, 583 = ZMR 1998, 356, 359; KG v. 9.10.1991 – 24 W 1484/91, OLGZ 1992, 318 f. = NJW-RR 1992, 150; Dötsch, NZM 2018, 354, 357; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 28. 225 BayObLG v. 29.1.1998 – 2Z BR 53/97, NZM 1998, 583 = ZMR 1998, 356, 359; OLG München v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/05, ZWE 2007, 100 f. = ZMR 2006, 716 f.; LG München I v. 15.10.2012 – 1 S 26801/11, MietRB 2013, 179 (Heinemann) = ZWE 2013, 270 f. = NZM 2013, 517 f.; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 28; a.A. AG Hamburg-Blankenese v. 12.8.2009 – 539 C 50/08, ZMR 2011, 331 f. 226 AG Neustadt v. 11.2.2011 – 20 C 576/10, ZMR 2011, 517 f.
1352 | Zschieschack
VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 99 § 27 WEG
d) Vorbereitung und Umsetzung einer Beschlussfassung der Eigentümer über Erhaltungsmaßnahmen Gehen die erforderlichen Maßnahmen über die hinaus, welche der Verwalter selbständig vor- 97 nehmen kann, bleibt es bei dem bisherigen Regime. Die Eigentümer müssen die Maßnahme beschließen. Dem Verwalter obliegt die Vorbereitung und Durchführung dieser Maßnahmen.227 Die Wohnungseigentümer oder der Verwalter sind nicht befugt, eigenmächtig Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, so ist der Verwalter an ein beschlossenes Sanierungskonzept gebunden,228 auch wenn ihm dieses unzweckmäßig erscheint.229 Aus der Aufgabenteilung folgt nunmehr eindeutig, dass nicht der Verwalter, sondern die Gemeinschaft, welcher die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt (§ 18 Abs. 1), richtiger Anspruchsgegner ist, wenn es um die Entscheidung über Verwaltungsmaßnahmen geht. Liegt kein Fall von § 27 Abs. 1 Nr. 1 vor, beschränkt sich die Verpflichtung des Verwalters 98 grundsätzlich darauf, im Rahmen einer regelmäßigen Überprüfung festzustellen (Rz. 99), ob und welche Mängel behoben werden müssen, die Wohnungseigentümer hierüber zu unterrichten (Rz. 105) und eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen vorzubereiten (Rz. 108) sowie schließlich die Ausführung dieser Maßnahmen zu überwachen (Rz. 114). Den Verwalter treffen insoweit Kontroll-, Hinweis- und Organisationspflichten. Diese Pflichten treffen ihn als Organ der Gemeinschaft. aa) Feststellung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf Um etwaige Mängel des Gemeinschaftseigentums feststellen zu können, hat der Verwalter 99 dieses regelmäßig auf seinen ordnungsgemäßen Zustand hin zu kontrollieren.230 Zu diesem Zweck darf der Verwalter Fotografien anfertigen, auch vom Sondereigentum, sofern dieses ursächlich für eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums ist; auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Wohnungseigentümers ist allerdings Rücksicht zu nehmen.231 Er muss Hinweisen der Eigentümer und Dritter (Mieter, Hausmeister, Handwerker etc.) auf etwaige Mängel nachgehen.232 Dies gilt auch für Mängel, die im Bereich des Sondereigentums auftreten, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie ihre Ursache im Gemeinschaftseigentum haben.233 Einem Verdacht auf einem Mangel muss er nachgehen, dieser kann sich auch daraus ergeben, dass eine Häufung von Schäden darauf schließen lässt, dass diese eine tiefere Ursache haben.234 227 BGH v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, NZM 2018, 615, 621; LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874; LG Dortmund v. 24.4.2018 – 1 S 109/17, ZWE 2018, 363, 364. 228 Vgl. KG v. 1.10.1990 – 24 W 2161/90, NJW-RR 1991, 273 f. = ZMR 1991, 114. 229 BayObLG v. 4.4.2001 – 2Z BR 13/01, NJW-RR 2001, 1020 = ZMR 2001, 822 f.; OLG Celle v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, NJW-RR 2002, 303 f. = NZM 2002, 169. 230 BayObLG v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, ZMR 1999, 654 = NZM 1999, 840; LG Düsseldorf v. 22.10.2014 – 25 S 34/14, ZMR 2016, 795; LG Hamburg v. 10.4.2013 – 318 S 91/12, ZMR 2013, 922; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 104; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 22; Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 WEG Rz. 26; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 31. 231 LG Köln v. 8.1.2009 – 29 S 67/08, NJW 2009, 1825, 1826. 232 BayObLG v. 29.1.1998 – 2Z BR 53/97, NZM 1998, 583 = ZMR 1998, 356, 357; Bdb. OLG v. 22.7.2010 – 5 Wx 27/09, BeckRS 2010, 21102; OLG München v. 25.9.2008 – 32 Wx 79/08, NZM 2008, 895; LG Berlin v. 21.2.2014 – 55 S 365/12, ZWE 2015, 39; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/ 10, ZMR 2011, 502; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 104; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 31. 233 LG Hamburg v. 8.6.2016 – 318 S 18/15, ZMR 2016, 725, 726 = MietRB 2016, 356 (Heinemann); v. 8.4.2014 – 318 S 70/13, ZMR 2014, 664; LG München I v. 15.10.2012 – 1 S 26801/11, MietRB 2013, 179 (Heinemann) = ZWE 2013, 270, 271 = NZM 2013, 517, 518. 234 BGH v. 21.11.2019 – V ZR 101/19, NZM 2020, 376 Rz. 23; Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 59. Zschieschack | 1353
§ 27 WEG Rz. 100 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters 100 Vor allem aber hat der Verwalter die Gebäudeteile, insbesondere die konstruktiven Bauele-
mente, regelmäßig durch Begehungen zu untersuchen235 und diese zu seinem eigenen Schutz zu protokollieren, damit er den von der Rechtsprechung entwickelten Anscheinsbeweis einer Pflichtverletzung236 entkräften kann. Diese müssen mindestens einmal jährlich stattfinden, sofern nicht aufgrund besonderer Umstände (z.B. bei einer besonders alten Anlage, nach einem schweren Unwetter usw.) eine unterjährige Begehung angezeigt ist.237 Diese Untersuchungspflicht findet aber dort ihre Grenze, wo sie dem durchschnittlichen Verwalter unter Berücksichtigung seiner eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht mehr zuzumuten ist.238 Allerdings kann der Verwalter gehalten sein, sachverständigen Rat einzuholen.239 Die kostenpflichtige Beauftragung eines Sachverständigen ist nunmehr in den Grenzen des § 27 Abs. 1 Nr. 1 oder der Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 durch den Verwalter möglich.240 101 So ist der Verwalter nicht zur persönlichen Begehung des Daches verpflichtet, wenn er hierzu
nicht in der Lage ist.241 Kann er die Kontrollbegehungen nicht selbst oder durch Hilfskräfte, die er jederzeit einschalten darf,242 erledigen, so hat er die Wohnungseigentümer hierauf und auf deren eigene Verantwortung für das Gemeinschaftseigentum hinzuweisen243 und anzuregen, dass sie den Abschluss eines Wartungsvertrags mit einer Fachfirma beschließen.244 Im Namen der Gemeinschaft kann er einen solchen Vertrag ohne Eigentümerbeschluss nur dann abschließen, wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Nr. 1 vorliegen (s. Rz. 27 ff.). 102 Zu berücksichtigen sind auch Besonderheiten der Wohnanlage245 sowie die Erfahrung und
eine besondere Sachkunde des Verwalters246 oder Kenntnisse, die sich aus der Dauer der Verwaltertätigkeit ergeben.247 Jedenfalls nach Inkrafttreten des § 19 Abs. 2 Nr. 6 werden aber die an einen zertifizierten Verwalter anzulegenden Anforderungen maßgeblich sein. 103 Sind die Kontrollen regel- und ordnungsgemäß durchgeführt worden, so besteht ohne be-
sonderen Anlass keine Verpflichtung zu weitergehenden Untersuchungen (z.B. der Regen235 BGH v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, MDR 1994, 45 = NJW 1993, 1782; OLG München v. 25.9.2008 – 32 Wx 79/08, NZM 2008, 895; OLG München v. 20.3.2008 – 34 Wx 46/07, NZM 2009, 548, 550 f.; Pfälz. OLG v. 14.6.1991 – 3 W 203/90, NJW-RR 1991, 1301; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 104, Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 31. 236 Vgl. BGH v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, MDR 1994, 45 = NJW 1993, 1782; a.A. Pfälz. OLG v. 29.1.2002 – 3 W 11/02, NJW-RR 2002, 749 = ZMR 2002, 783 (zumindest bei einem Orkan). 237 Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 57; Kappus, NZM 2017, 663, 666. 238 LG Hamburg v. 10.4.2013 – 318 S 91/12, ZMR 2013, 922; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 22. 239 Zum alten Recht LG Berlin v. 21.2.2014 – 55 S 365/12, ZWE 2015, 39; a.A. OLG Frankfurt v. 28.5.2009 – 20 W 115/06, NZM 2010, 367. 240 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 39. 241 Pfälz. OLG v. 14.6.1991 – 3 W 203/90, NJW-RR 1991, 1301. 242 BayObLG v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, NZM 1999, 840 = ZMR 1999, 655; KG v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, ZMR 1999, 207 = NZM 1999, 131; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 31. 243 LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502; LG München I v. 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42, 43; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 105. 244 BayObLG v. 2.6.1999 – 2Z BR 40/99, NZM 1999, 840 = ZMR 1999, 655; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502; LG München I v. 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42, 43; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 22. 245 BayObLG WE 1988, 31; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502, 503; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 105. 246 BayObLG v. 30.8.1989 – BReg. 2 Z 40/89, MDR 1990, 157 = WE 1991, 22 = ZMR 1990, 65; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502, 503; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 105. 247 BGH v. 21.11.2019 – V ZR 101/19, NZM 2020, 376 Rz. 24, bezüglich eines seit 30 Jahren tätigen Verwalters und der typischen Bauweise der 1960er Jahre.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 106 § 27 WEG
wasserfallrohre auf mögliche Verstopfungen248 oder des Gebäudes auf möglichen Schwammbefall).249 Hat der Verwalter den Hausmeister sowie Fachunternehmen mit einer Fehlerermittlung beauftragt, kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, wenn sich die nicht ohne weiteres erkennbare Ursache erst Monate später finden und beheben lässt.250 Daneben bestehen vielfältige öffentlich-rechtliche Überwachungspflichten, die insb. aus dem Ordnungsund Sicherheitsrecht der Länder folgen, die jedoch in erster Linie die Wohnungseigentümer treffen und nur ausnahmsweise drittschützend sind. Bei einer neu errichteten Wohnungseigentumsanlage muss der Verwalter die Vertrags- und 104 Bauunterlagen einsehen, um sich einen Überblick über die noch unerfüllten Ansprüche auf erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu verschaffen.251 Hier muss er auch die Mängelgewährleistungsansprüche und deren Verjährung prüfen.252 Dass die Gewährleistungsrechte dem Verband idR erst nach Vergemeinschaftung zustehen, was auch nach neuem Recht fortgelten soll,253 ändert hieran nichts, da die gemeinsame Geltendmachung der Mängel üblicherweise ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.254 Eine Identität des Verwalters mit dem Bauträger, ändert nichts, auch wenn dies dazu führt, dass er auf Ansprüche gegen sich selbst hinweisen muss.255 Da der Bauträgerverwalter besonders fachkundig ist, dürfen die Eigentümer von ihm sogar eine besonders umfassende Information erwarten.256 Allerdings wird die hier bestehende Interessenkollision häufig ein Grund für eine Abberufung des Bauträgerverwalters sein, zumal nunmehr das Erfordernis eines wichtigen Grundes entfallen ist.257 bb) Unterrichtung der Wohnungseigentümer und Beschlussvorbereitung Die Anforderungen an die Unterrichtungs- und Beschlussvorbereitungspflichten des Verwal- 105 ters hat der BGH beständig gesteigert. Hier dürfte zu erwarten sein, dass sich das Pflichtenprogramm des Verwalters durch die Reform noch erhöht. Hat der Verwalter Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsbedarf festgestellt, so muss er die 106 Wohnungseigentümer hiervon unterrichten.258 Diese Pflicht entfällt nur dann, wenn alle Eigentümer den Mangel kennen.259 Dies ist aber nicht schon dann der Fall ist, wenn einzelne Wohnungseigentümer über eine besondere Fachkunde verfügen oder der Verwaltungsbeirat
248 KG v. 19.10.1998 – 24 W 4300/98, ZMR 1999, 207 = NZM 1999, 131; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 105; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 22. 249 LG Hamburg v. 29.12.2010 – 318 S 120/10, ZMR 2011, 497, 498 f. 250 LG Hamburg v. 8.4.2014 – 318 S 70/13, ZMR 2014, 664, 665; AG Hamburg-St. Georg v. 26.2.2008 – 980 II 124/06, ZMR 2009, 322. 251 AG Lüneburg v. 1.2.2017 – 53 C 48/15, ZMR 2017, 340, 341. 252 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 10. 253 BT-Druck. 19/18791, 47. 254 Zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 38. 255 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 11. 256 OLG Stuttgart v. 18.11.2010 – 13 U 198/09, juris; OLG München v. 25.9.2008 – 32 Wx 79/08, NZM 2008, 895; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 38. 257 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 38; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 52. 258 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 10; v. 21.11.2019 – V ZR 101/19, NZM 2020, 376 Rz. 20; LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874; LG Hamburg v. 10.4.2013 – 318 S 91/12, ZMR 2013, 922; LG Hamburg v. 7.6.2010 – 318 T 12/08, ZMR 2011, 499, 501; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502. 259 BayObLG WE 1991, 22; Pfälz. OLG v. 14.6.1991 – 3 W 203/90, NJW-RR 1991, 1301, 1302; LG Hamburg v. 8.6.2016 – 318 S 18/15, ZMR 2016, 725, 726 = MietRB 2016, 356 (Heinemann). Zschieschack | 1355
§ 27 WEG Rz. 106 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters das Vorgehen des Verwalters gebilligt hat.260 Es ist Aufgabe des Verwalters und nicht der Wohnungseigentümer zu informieren.261 Alleine aus den Kostenansätzen in Jahresabrechnungen und Wirtschaftsplänen müssen die Eigentümer nicht auf einen Instandsetzungsbedarf schließen.262 107 Der Verwalter muss auch auf den drohenden Ablauf von Mängelrüge- und Gewährleis-
tungsfristen hinweisen, auch auf Ansprüche gegen sich selbst als Bauträgerverwalter.263 Zur selbständigen Geltendmachung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 ist er jedoch nicht berechtigt, denn derartige Verfahren werden nie von untergeordneter Bedeutung sein.264 108 Zu seinen Hinweispflichten gehört es, für eine rechtzeitige, in dringenden Fällen (z.B. bei
starken Feuchtigkeitsschäden) sogar eine beschleunigte Beschlussfassung der Wohnungseigentümer (ggf. durch Einberufung einer außerordentlichen Versammlung) über das weitere Vorgehen zu sorgen.265 Dabei muss er den Beschluss vorbereiten. Der Verwalter hat auf eine Entscheidung der Eigentümer hinzuwirken, die ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.266 Dies erfordert, der Eigentümerversammlung eine sachgerechte Grundlage für die in den meisten Fällen zu treffende Ermessensentscheidung zu geben. Dies bedeutet etwa, dass der Verwalter umfassend über die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen aufklären muss.267 Die Informationspflichten des Verwalters gegenüber den Wohnungseigentümern beschränken sich auch nicht auf den von ihm festgestellten Bedarf für eine Baumaßnahme, vielmehr hat er auch Möglichkeiten aufzuzeigen, diesen Bedarf zu erfüllen.268 Er hat die Eigentümer über die gesetzlichen Anforderungen an die Maßnahme sowie über die Voraussetzungen der Beschlussfassung aufzuklären.269 Aufgrund der Informationen des Verwalters müssen sich die Eigentümer ein umfassendes Bild von dem Instandsetzungs-/-haltungsbedarf machen (z.B. durch Aufstellung eines Sanierungsplans)270 und über die erforderlichen Maßnahmen (z.B. Beauftragung eines Sachverständigen)271 entscheiden können. Zu diesem Zweck hat er sich über die voraussichtlichen Kosten durch Einholung von Angeboten und Kostenanschlägen zu erkundigen.272 Diese Aufgabe kann nicht auf einen Dritten (z.B. einen Architekten) delegiert werden273, dieser kann aber zur Vorbereitung konsultiert werden.
260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272
273
BGH v. 21.11.2019 – V ZR 101/19, NZM 2020, 376 Rz. 21 f. BGH v. 21.11.2019 – V ZR 101/19, NZM 2020, 376 Rz. 21 f. BGH v. 21.11.2019 – V ZR 101/19, NZM 2020, 376 Rz. 25 f. BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 10 f. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 115; zum alten Recht BayObLG v. 17.10.2002 – 2Z BR 82/02, NJW-RR 2003, 78 = ZMR 2003, 216; BayObLG WE 1988, 31; BayObLG WE 1991, 23. BayObLG WE 1988, 74, 75; LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874; LG Hamburg v. 8.6.2016 – 318 S 18/15, ZMR 2016, 725, 726 = MietRB 2016, 356 (Heinemann). LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874; Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 62. BGH v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, NZM 2020, 801 Rz. 27 = ZWE 2020, 379 (Wobst). LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874. LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874. BGH v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 = NZM 2012, 421. BayObLG WE 1988, 31. OLG Celle v. 12.3.2001 – 4 W 199/00, NJW-RR 2002, 303, 304 = ZMR 2001, 643; BayObLG v. 11.4.2002 – 2Z BR 85/01, NZM 2002, 564 = ZMR 2002, 691; OLG Köln v. 2.4.2003 – 16 Wx 50/ 03, ZMR 2004, 148; LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874; LG Berlin v. 21.2.2014 – 55 S 365/12, ZWE 2015, 39; AG Stade v. 16.1.2014 – 64 C 632/13, ZMR 2014, 494, 495; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 108. AG Hannover v. 2.9.2008 – 483 C 9794/07, ZMR 2009, 151; Schmid, NJW 2012, 2545, 2546.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 113 § 27 WEG
cc) Vollziehung der beschlossenen Erhaltungsmaßnahmen Haben die Wohnungseigentümer eine Maßnahme beschlossen, hat der Verwalter diese un- 109 verzüglich durchzuführen (s. Rz. 12).274 Voraussetzung ist natürlich, dass die erforderlichen Mittel entweder aus der Instandsetzungsrücklage oder aus einer zu beschließenden Sonderumlage bereitgestellt sind.275 Die sich hier im alten Recht stellende Frage des Umfangs der Vertretungsmacht, stellt sich 110 im neuen Recht nicht mehr, denn der Verwalter ist insoweit umfassend bevollmächtigt (§ 9b Abs. 1). Die Auswahl des Handwerkers, der die Erhaltungsmaßnahme vorzunehmen hat, ist Aufgabe 111 der Gemeinschaft. Nach altem Recht entsprach ein Beschluss, der die Auswahl des Handwerkers vollständig auf den Verwalter – ggf. unter Beteiligung des Beirates – verlagerte nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.276 Teils wurde sogar Nichtigkeit unter dem Aspekt der unzulässigen Kompetenzverlagerung angenommen,277 andererseits wurde hierfür die mangelnde Bestimmtheit angeführt, wenn unklar blieb, nach welchen Kriterien der Verwalter seine Entscheidung treffen sollte.278 Die Bedenken gegen die Kompetenzübertragung auf den Verwalter werden sich nach neuem Recht nicht mehr vollständig aufrecht erhalten lassen, denn § 27 Abs. 2 ermöglicht es den Eigentümern, insoweit durch Beschluss den Handlungsspielraum des Verwalters zu erweitern. Erforderlich ist allerdings weiterhin eine Beschlussfassung, die den Anforderungen an die Bestimmtheit genügt. Wünschen die Eigentümer also etwa Kriterien bei der Auswahl der Handwerker, sind diese klar zu benennen. Ausreichend, da ein anerkannter Rechtsbegriff, dürfte es sein, die Auswahl an die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu knüpfen.279 Dann muss der Verwalter die entsprechenden Fachleute sorgfältig auszuwählen. Bei der Auswahl des Werkunternehmers braucht der Verwalter dessen wirtschaftliche Leis- 112 tungsfähigkeit grundsätzlich nicht gesondert zu prüfen, es sei denn, der Einzelfall gebietet gerade dies.280 Dann genügt aber eine Überprüfung durch Einholung branchenüblicher Kreditauskünfte, zur laufenden Prüfung der Insolvenzbekanntmachungen besteht kein Anlass. Bei Abschluss des Vertrags steht dem Verwalter ein Auswahlermessen hinsichtlich des genauen Vertragsinhalts zu, wobei aber die Vorgaben des Eigentümerbeschlusses zu beachten sind, insbesondere dort festgelegte Kostenobergrenzen.281 Ordnungsgemäß ist es, den Abschluss eines Vertrags vom Nachweis eines ausreichenden Versicherungsschutzes abhängen zu lassen.282 Das beauftragte Unternehmen ist kein Erfüllungsgehilfe des Verwalters (§ 278 BGB). Dies 113 entsprach schon nach altem Recht der h.M.,283 nach neuem Recht ist klar, dass die Umset274 BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, MietRB 2011, 147 f. = NZM 2011, 454 f.; BayObLG v. 4.1.1996 – 2Z BR 120/95, NJW-RR 1996, 657 = WuM 1996, 498; v. 5.1.2000 – 2Z BR 85/99, ZMR 2000, 314 f. = NZM 2000, 501 f. 275 BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, MietRB 2011, 147 f. = NZM 2011, 454 f. 276 Dazu LG Frankfurt/M v. 7.6.2018 – 2-13 S 88/17, NZM 2018, 871 Rz. 25. 277 LG Dortmund v. 24.4.2018 – 1 S 109/17, ZMR 2018, 615, 616; AG Stade v. 16.1.2014 – 64 C 632/ 13, ZMR 2014, 494, 495; dazu Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 21 WEG Rz. 74; Emmerich in Bärmann/Pick, § 21 WEG Rz. 104; großzügiger OLG Köln v. 20.9.2002 – 16 Wx 135/02, NZM 2002, 1002. 278 AG Hamburg-Blankenese v. 20.12.20017 – 539 C 17/17, ZMR 2018, 266. 279 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 156. 280 OLG Düsseldorf v. 2.6.1997 – 3 Wx 231/96, ZMR 1997, 490, 491 = WE 1997, 424, 425; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 110. 281 LG München I v. 31.3.2016 – 1 S 19002/11 WEG, ZWE 2016, 282, 285. 282 LG München I v. 31.3.2016 – 1 S 19002/11 WEG, ZWE 2016, 282, 285. 283 BayObLG v. 21.5.1992 – 2Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146, 150 f. = NJW-RR 1992, 1102; v. 11.4.2002 – 2Z BR 85/01, ZMR 2002, 689 = NZM 2002, 564; OLG Frankfurt v. 28.5.2009 – 20 W Zschieschack | 1357
§ 27 WEG Rz. 113 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters zung des Beschlusses durch den Verband erfolgt, so dass handelnde Unternehmen dessen Erfüllungsgehilfen sind.284 114 Bei der Durchführung von Baumaßnahmen gehört die Bauleitung nicht zu seinen Auf-
gaben; vielmehr kann von ihm nur die Betreuung des Bauvorhabens verlangt werden, die der eines sonstigen Bauherrn entspricht.285 Dies umfasst insbesondere die Überwachungspflichten, ob die Arbeiten ordnungsgemäß ausgeführt worden sind.286 Er kann für diese Tätigkeit regelmäßig keine Sondervergütung beanspruchen.287 Soweit der Verwalter die Bauleitung übernimmt, kann er hierfür eine angemessene Vergütung beanspruchen.288 115 Der Verwalter muss vor Zahlung des Werklohns oder von Abschlägen hierauf die ordnungs-
gemäße Ausführung der Arbeiten, insbesondere deren Vollständigkeit sorgfältig prüfen,289 etwaige Mängel rügen290 und die Abnahme erklären.291 Dabei hat er auch die Rechnungen zu prüfen und die Einhaltung eines etwa beschlossenen Kostenrahmens zu überwachen.292 Der Verwalter hat für die unverzügliche und vollständige Ausführung der Arbeiten zu sorgen.293 Bei einem Verstoß hiergegen kann er sich schadensersatzpflichtig machen.294 Der Verband ist den einzelnen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, den Verwalter zur Durchführung der gefassten Beschlüsse anzuhalten.295 Soweit für einen durchschnittlichen Bauherrn ersichtlich ist, dass die beauftragten Arbeiten nicht vollständig oder möglicherweise mangelhaft ausgeführt wurden, muss der Verwalter für eine vollständige Durchführung der Maßnahme sorgen.296 In Zweifelsfällen hat er die Eigentümer hierüber zu unterrichten und auf einen weiteren Beschluss hinzuwirken, im Zweifel dürfte die Zuziehung eines Sachverständigen anzuregen sein.297 Wird aufgrund eines Sachverständigengutachtens eine Erhaltungsmaßnahme vorgenommen, ist es insoweit auch Aufgabe des Verwalters zu prüfen, ob sämtlich dort vorgesehenen Maßnahmen ergriffen worden sind.298
284 285 286 287
288 289
290 291 292 293 294 295 296 297 298
115/06, MietRB 2009, 297 (Heinemann) = ZMR 2009, 861; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 32. BT-Drucks. 19/18791, 59. BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454, 456.. BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 16. BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, NZM 2011, 454, 456; anders, wenn im Verwaltervertrag eine entsprechende Sondervergütung vereinbart worden ist; Greiner, NZM 2013, 481, 490 f.; umfassend dazu Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 221 ff.; vgl. auch Zschieschack in MünchKomm/BGB, § 26 Rz. 82 f. OLG Frankfurt v. 10.11.2010 – 20 W 309/07, MietRB 2011, 352 (Grziwotz) = ZWE 2011, 361. BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 16; OLG Frankfurt v. 10.2.2009 – 20 W 356/ 07, ZMR 2009, 620; OLG Düsseldorf v. 2.6.1997 – 3 Wx 231/96, ZMR 1997, 490 = WE 1997, 424, 425; KG v. 10.3.1993 – 24 W 5506/92, WuM 1993, 306 = OLGZ 1994, 35; LG Hamburg v. 9.4.2013 – 318 T 17/12, ZMR 2013, 988, 989; LG München I v. 31.3.2016 – 1 S 19002/11 WEG, ZWE 2016, 282, 283. BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 16; OLG Frankfurt v. 10.2.2009 – 20 W 356/ 07, ZMR 2009, 620; OLG München BeckRS 2018, 23495 = NZM 2019, 146 (LS.); Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 109; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 33. BGH v. 9.12.2010 – V ZB 190/10, NZM 2011, 409, 410; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 109; a.A. Dötsch, NZM 2017, 832, 835; Ott, ZWE 2010, 157, 159; Pauly, ZWE 2011, 349, 352: Verwalter benötigt zur Abnahme einen weiteren Beschluss der Eigentümer. LG München I v. 31.3.2016 – 1 S 19002/11 WEG, ZWE 2016, 282, 283. BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, NZM 2018, 719, 720 = ZMR 2018, 777, 780 = ZfIR 2018, 666, 667; BayObLG v. 4.1.1996 – 2Z BR 120/95, NJW-RR 1996, 657. LG München I v. 7.11.2013 – 36 S 16560/12 WEG, ZWE 2014, 280, 281. BGH v. 13.7.2012 – V ZR 94/11, NJW 2012, 2955, 2957 = NZM 2012, 685, 687. BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 16. BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 17; LG Hamburg v. 9.4.2013 – 318 T 17/12, ZMR 2013, 988, 989. BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 22.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 121 § 27 WEG
Informationspflichten gelten auch, wenn ein festgelegter Kostenrahmen überschritten wird.299 116 Haben die Wohnungseigentümer dem Verwalter zwar keine Kostenobergrenze gesetzt, aber im Sanierungsbeschluss eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sich die Instandsetzung in einem bestimmten Kostenrahmen bewegen soll, so darf der Verwalter nicht eigenmächtig darüber hinaus gehende Zusatzaufträge vergeben.300 Es genügt nicht, den Eigentümern die erforderlichen Zusatzarbeiten mitzuteilen, diese müssen über die weiter gehenden Maßnahmen entsprechend beschließen.301 e) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 Im Bereich der Erhaltungsmaßnahmen wird Beschlüssen nach § 27 Abs. 2 besondere Bedeu- 117 tung zukommen. In vielen Fällen werden die bisher im Verwaltervertrag üblichen Regelungen, bis zu welcher Höhe der Verwalter selbsttätig Maßnahmen vornehmen kann, nun über eine Beschlussfassung die Grenzen des § 27 Abs. 1 Nr. 1 definiert werden. Im alten Recht war hoch umstritten, inwieweit durch einen Beschluss hier eine Aufgabenver- 118 lagerung auf den Verwalter zulässig war. Der BGH hat die Frage erst bejaht, nachdem das neue Recht in Kraft getreten ist.302 Nunmehr sind entsprechende Aufgabenübertragungen auf den Verwalter unproblematisch zulässig. Gleichwohl werden die bisherigen Beschränkungen weiter heranzuziehen sein, um die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung prüfen zu können. Erforderlich wird weiter sein, dass das finanzielle Risiko beschränkt ist (z.B. durch ein festes Jahresbudget) und die grundsätzliche Entscheidungsbefugnis bei den Eigentümern verbleibt.303 Jedenfalls muss dies nun im Rahmen der Transparenz erkennbar sein. Soll ein selbständiger Abschluss von Verträgen möglich sein, so müssen im Delegations- 119 beschluss allerdings wohl nicht mehr die wesentlichen Vertragsinhalte (Laufzeit des Vertrags, Aufgabenbeschreibung, Vergütung) genau festgelegt sein.304 Erforderlich ist aber, dass diese Risiken bei Beschlussfassung überschaubar sind, also etwa eine Matrix der Aufgaben, der Vergütung und der Laufzeit vorgegeben wird. Nach neuem Recht ist es möglich, dass ab einer bestimmten Summe die Zustimmung oder 120 Beteiligung des Verwaltungsbeirats vorgesehen ist (s. Rz. 72).305 Nicht ausreichend wird es aber weiter sein, wenn jeder Eigentümer für sich den erforderlichen Sanierungsbedarf des gemeinschaftlichen Eigentums seiner Einheit mit der Verwaltung abstimmen soll, weil dann ein unvorhersehbares Auftragsvolumen durch die Verwaltung bestimmt würde.306 Ebenfalls möglich ist nun ein Beschluss, der den Verwalter ermächtigt, Nachtragsarbeiten 121 zu einem Werkvertrag bis zu einem bestimmten Volumen Gesamtvolumens in Auftrag zu
LG München I v. 31.3.2016 – 1 S 19002/11 WEG, ZWE 2016, 282, 283. BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, MietRB 2011, 147 = NZM 2011, 454, 455. BGH v. 18.2.2011 – V ZR 197/10, MietRB 2011, 147 = NZM 2011, 454, 455. BGH v. 11.6.2021 – V ZR 215/20, NJW-RR 2021, 1595 Rz. 6 ff. Zum alten Recht BGH v. 11.6.2021 – V ZR 215/20, NJW-RR 2021, 1595 Rz. 14; OLG Düsseldorf v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, NJW-RR 1998, 13; v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NJW-RR 2001, 660 = ZMR 2001, 304; LG Dortmund v. 21.4.2015 – 1 S 445/14, ZWE 2015, 374; LG Hamburg v. 18.1.2012 – 318 S 164/11, ZMR 2012, 388, 389 = ZWE 2012, 285, 286; LG München I v. 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42, 43; AG München v. 6.9.2017 – 481 C 7764/17 WEG, ZMR 2018, 274 = NZM 2018, 758 = MietRB 2018, 145 (Sommer). 304 Zum alten Recht: LG Koblenz v. 21.7.2014 – 2 S 72/13, ZMR 2015, 59, 60 = MietRB 2015, 242. 305 Zum alten Recht: OLG Düsseldorf v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, NJW-RR 1998, 13. 306 LG Dortmund v. 21.4.2015 – 1 S 445/14, ZWE 2015, 374; LG München I v. 17.3.2017 – 36 S 22212/15, ZMR 2017, 504, 505; AG Hamburg-Blankenese v. 20.12.2017 – 539 C 17/17, ZMR 2018, 266, 267; AG Hamburg-Blankenese v. 7.6.2017 – 539 C 33/16, ZMR 2018, 675, 677; AG Hamburg-Blankenese v. 24.2.2010 – 539 C 43/09, ZMR 2010, 563. 299 300 301 302 303
Zschieschack | 1359
§ 27 WEG Rz. 121 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters geben. Ein derartiger Beschluss kann sich gerade bei größeren Sanierungsarbeiten anbieten, wo es im Rahmen des üblichen liegt, dass sich bei den Arbeiten ein Bedarf an Nachtragsaufträgen zeigt. 122 Möglich ist es auch weiter, die Entscheidung von Detailfragen auf den Verwalter zu delegie-
ren, sofern der Beschluss – was für die Frage der Bestimmtheit (s. Rz. 76) erforderlich ist – die wesentlichen Entscheidungskriterien vorgibt.307
123 Umgekehrt können die Wohnungseigentümer die Entscheidungsbefugnis durch Verein-
barung oder Beschluss an sich ziehen. Zu einer eigenmächtigen Entscheidung ist der Verwalter nicht befugt, wenn die Wohnungseigentümer die Vornahme bzw. Nichtvornahme einer bestimmten Maßnahme beschlossen haben oder dem Verwalter Weisungen erteilt haben.308 Insoweit können die Eigentümer sich auch Einzelentscheidungen in vermeintlich geringfügigen Angelegenheiten vorbehalten, wenn ihnen dies erforderlich erscheint. Ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht aber nur ein Beschluss, der die Entscheidung über durchzuführende Maßnahmen der Versammlung vorbehält. Die Ermittlung des Erhaltungsbedarfs kann aber wirksam nicht eingeschränkt werden.
3. Hausordnung, Einhaltung des Binnenrechts a) Allgemeines 124 Zu den Aufgaben, die dem Verwalter bereits seit 1951 zukamen, gehörte die „Durchführung
der Hausordnung“ (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 a.F.). Auch wenn dies auf den ersten Blick nach einer wesentlichen Aufgabe klang, waren die Rechte des Verwalters im alten Recht stark beschränkt, denn Möglichkeiten gegen störendes Verhalten effektiv gerichtlich vorzugehen, hatte der Verwalter nicht.309 Erforderlich war stets eine Vergemeinschaftung der Ansprüche. Hier hat sich durch das neue Recht die Grundlage geändert. Dem Verband gegenüber und nicht mehr den einzelnen Eigentümern ist das Binnenrecht einzuhalten (§ 14 Abs. 1 Nr. 1), was dazu führt, dass Verletzungen des Binnenrechts vom Verband abzuwehren sind. Auch soweit zugleich eine Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgt, ist für diese Ansprüche nunmehr (nur) der Verband prozessführungsbefugt (§ 9a Abs. 2). Dies betrifft neben klassischen Hausordnungsverstößen (Ruhezeiten etc.) allem die Abwehr von Nutzungsbeeinträchtigungen und unzulässigen baulichen Veränderungen. b) Hausordnung 125 Bezüglich der Hausordnung gilt weiterhin, dass der Verwalter die Ausführung und Einhal-
tung der Hausordnung (s. dazu § 19 Abs. 2 Nr. 1) zu überwachen hat.310 Dies kann durch rein tatsächliche Maßnahmen, wie Ermahnungen und Verbote,311 Aushänge etc. geschehen.312 Der Verwalter ist zum Aufstellen von Verbots- und Warnschildern verpflichtet.313 Er darf diese nicht ohne entsprechenden Beschluss der Eigentümer entfernen.314 Er hat die Einhaltung der Hausordnung stichprobenartig zu untersuchen.315 307 LG Hamburg v. 12.11.2014 – 318 S 74/14, ZMR 2015, 143, 145 = MietRB 2015, 240. 308 Merle, ZWE 2010, 2, 3. 309 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 132; zu den prozessualen Möglichkeiten nach altem Recht Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 27 WEG Rz. 34 ff. 310 AG Wiesbaden v. 16.12.2016 – 92 C 3022/16, ZMR 2017, 204. 311 Vgl. BayObLGZ v. 7.3.1972 – BReg. 2 Z 59/71, BayObLGZ 1972, 90 f. = MDR 1972, 516 f. 312 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 89; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 20. 313 BayObLG v. 2.6.1981 – BReg. 2 Z 46/80, MDR 1981, 937 f.; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 90. 314 AG Rostock v. 30.11.2016 – 54 C 27/16, ZMR 2017, 348, 349. 315 Schmid, NJW 2013, 2145 f.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 128 § 27 WEG
Einen eigenen Anspruch auf Durchsetzung der Hausordnung bzw. auf Unterlassung etwaiger Verstöße gegen die Hausordnung hatte der Verwalter nach altem Recht bereits nicht,316 nun ist klar, dass er auch insoweit als Organ des Verbandes handelt. Welche Aktivitäten der Verwalter ohne eine Beteiligung der Eigentümer entfalten kann, rich- 126 tet sich nach § 27 Abs. 1. Klar ist jedenfalls, dass er nun unproblematisch Vertretungsmacht für den Verband hat, außergerichtlich und gerichtlich gegen einen Störenfried vorzugehen (§ 9b Abs. 1). Jedenfalls bei eindeutigen Verstößen, wird er eine Abmahnung aussprechen können.317 Die Androhung einer Entziehung (§ 17 WEG) wird er damit aber wohl nicht verbinden können, denn dies dürfte keine Maßnahme untergeordneter Bedeutung sein.318 Eine Klage gegen einen Eigentümer wird hingegen im Regelfall einen Beschluss der Gemeinschaft erfordern. Auch wenn die Prozesskosten keine erhebliche Verpflichtung darstellen, ist in den wenigsten Fällen ein Prozess gegen einen Eigentümer auf Einhaltung der Hausordnung eine Maßnahme untergeordneter Bedeutung. Schon um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, sich in Streitigkeiten der Eigentümer einzumischen, ist der Verwalter jedenfalls gut beraten, hier einen Beschluss der Versammlung einzuholen.319 Nach altem Recht bestand eine Befugnis auf Dritten, insbesondere Mieter, einzuwirken 127 nicht.320 Der Verwalter konnte höchstens auf Eigentümer einwirken, damit diese darauf hinwirken, dass Störungen durch Mieter unterbleiben. Zwar besteht auch nach neuem Recht kein Anspruch gegenüber der Gemeinschaft, dass sich etwa der Mieter an die Hausordnung hält, ein derartiges Verhalten kann aber einen Anspruch der Eigentümer aus § 1004 BGB begründen.321 Auch für diese Ansprüche liegt nach neuem Recht gem. § 9a Abs. 2 die Ausübungsbefugnis alleine beim Verband.322 Daher besteht nun auch hier eine Handlungsmöglichkeit des Verwalters als Handlungsorgan, so dass auch hier die Ausführungen bezüglich von Verstößen durch Eigentümer entsprechend gelten.323 c) Einhaltung des Binnenrechts Neu sind nach der WEG-Reform die Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Einhaltung 128 des Binnenrechts bestehen und vor allem die Aspekte der baulichen Veränderung und der Nutzungen betreffen. Da die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums die zentrale Aufgabe des Verbandes ist, gehört neben der Erhaltung (s. Rz. 84) die Einhaltung des Binnenrechts zu den Kernaufgaben der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hierfür 316 Schmid, NJW 2013, 2145, 2147; Suilmann, MietRB 2014, 60, 62; a.A. BayObLG v. 7.3.1972 – BReg. 2 Z 59/71, BayObLGZ 1972, 90, 93 = MDR 1972, 516 f.; OLG Hamm v. 15.12.1969 – 15 W 322/ 69, OLGZ 1970, 399 f.; LG Hamburg v. 15.4.2015 – 318 S 125/14, ZMR 2015, 572, 573 = MietRB 2015, 370; Zander in Soergel, § 27 WEG Rz. 11. 317 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 91; Zum alten Recht: Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 20 (jedenfalls, soweit die Hausordnung durch Beschluss genehmigt wurde); Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 19; Suilmann, MietRB 2014, 60, 62; Zander in Soergel, § 27 WEG Rz. 11. 318 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rz. 136; weiter Becker in Bärmann, § 27 Rz. 90. 319 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rz. 138; Becker in Bärmann, § 27 Rz. 92; zum alten Recht Jacoby in Staudinger, § 27 WEG Rz. 25. 320 BGH v. 25.10.2019 – V ZR 271/18, NJW 2020, 921 Rz. 18; v. 24.1.2020 – V ZR 295/16, NZM 2020, 664 Rz. 20; Schmidt, ZMR 2009, 325, 327; Zander in Soergel, § 27 WEG Rz. 11; a.A. Schmid, ZfIR 2013, 718 f. 321 Vgl. BGH v. 24.1.2020 – V ZR 295/16, NZM 2020, 664 Rz. 12; umfassend zum Problem Zschieschack in FS Börstinghaus, 2020, S. 453 ff. 322 Ausf. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 15 Rz. 12. 323 Becker in Bärmann, § 27 Rz. 90; a.A. keine Maßnahmen gegen Mieter Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 74; ähnlich Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 98. Zschieschack | 1361
§ 27 WEG Rz. 128 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters hat der Verband Sorge zu tragen, zumal anders als nach altem Recht dem Einzeleigentümer eine Befugnis hier Störungen abzuwenden, entzogen ist. 129 Ebenso wie im Rahmen des Erhaltungsmanagements gehört daher die Feststellung von Ver-
stößen zu den Aufgaben des Verwalters.324 Genauso wie bei Erhaltungsmaßnahmen, wird man hier gewisse regelmäßige Kontrollen durch den Verwalter fordern, etwa indem er bei den ohnehin für die Ermittlung des Erhaltungsbedarfs notwendigen Kontrollgängen zugleich auf sichtbare unzulässige bauliche Veränderungen oder offensichtliche unzulässige Nutzungen achtet, etwa neu angebaute Markisen, Briefkästen für Kellerwohnungen, bzw. Änderungen der Nutzung von Teileigentum durch Auslagen, Schaufenster oder dergleichen. Überspannen darf man die Anforderungen – zumindest was nicht eindeutig erkennbare Nutzungsänderungen angeht – jedoch nicht. Auch hier gilt aber, dass der Verwalter Informationen der Eigentümer aufnehmen muss und diesen nachzugehen hat. Für den Verwalter wird dies eine der unangenehmsten Folgen der Reform sein, weil er hier schnell in Streitigkeiten der Eigentümer hineingezogen wird, die nach altem Recht die Eigentümer untereinander klären mussten, insbesondere wenn es um Vorwürfe der unzulässigen gewerblichen Nutzung von Wohnungen (etwa im Bereich der Prostitution etc.) geht. 130 Stellt er einen Verstoß fest, muss er prüfen, inwieweit er selbständig handeln kann/muss.
Hier gelten die gleichen Maßstäbe, wie bei der Einhaltung der Hausordnung (s. Rz. 125 ff.), wobei sich hier schon bei der Frage der Abmahnung Fälle ergeben können, in denen dieses keine Maßnahme untergeordneter Bedeutung ist, etwa wenn ersichtlich ist, dass diese zu einer erheblichen Störung des Friedens in der Gemeinschaft führt. Ohne einen Beschluss nach § 27 Abs. 2 erscheint kaum ein Fall denkbar, indem der Verwalter gerichtliche Schritte einleiten müsste. 131 Hat eine Abmahnung nicht zum Erfolg geführt, besteht aber eine Pflicht, die Eigentümer
über den festgestellten oder behaupteten Verstoß zu informieren, damit diese im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung die nächsten Schritte beschließen können. Ebenso wie bei Mängeln an der Bausubstanz besteht insoweit kein Ermessen.325 Dem Verband kommt der Anspruch auf Einhaltung des Binnenrechts zu, hieraus folgt im Regelfall auch ein Anspruch darauf, dass dieser durchgesetzt wird. Inwieweit in Einzelfällen hiervon abgesehen werden kann,326 ist eine Frage, welcher die Eigentümer auf einer Versammlung entscheiden müssen. Der Verwalter ist jedenfalls nicht berechtigt, zu entscheiden, welche Störungen er der Versammlung meldet und welche nicht.327 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass sich Eigentümer häufig mit unzulässigen baulichen Veränderungen abfinden.328 Nach altem Recht war dies möglich, da natürlich keine Verpflichtung bestand, dass einzelne Eigentümer andere auf Beseitigung verklagen. Nach neuem Recht liegt diese Aufgabe alleine beim Verband, der darüber nur im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung entscheiden kann, wobei aus dem Recht auch eine Pflicht folgt, sich mit dem Verstoß zu befassen. 132 Bei baulichen Veränderungen wird dies im Regelfall bedeuten, dass entweder der vorhande-
ne Zustand durch Beschluss (§ 20 Abs. 1) genehmigt wird, was auch Klarheit über die Kosten- und Nutzungsregelungen schafft (§ 21 WEG)329 oder aber hiergegen eingeschritten wird. Möglich ist hier allerdings auch, dass eine Rückermächtigung eines Eigentümers, der 324 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rz. 134. 325 A.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 32. 326 Zum Ermessen bei dem Rückbau baulicher Veränderungen BGH v. 5.7.2019 – V ZR 149/18, NZM 2019, 788; zu den Anforderungen an die Ermessensausübung insoweit LG Frankfurt/M v. 14.1.2021 – 2-13 S 26/20, NJW 2021, 1105. 327 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rz. 136 ff.; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 32. 328 So aber Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 32. 329 LG Frankfurt/M v. 14.1.2021 – 2-13 S 26/20, NJW 2021, 1105 Rz. 9.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 137 § 27 WEG
sich etwa besonders gestört fühlt, zur Prozessführung erfolgt, was aber dessen Einverständnis alleine gegen den Störer vorzugehen, voraussetzt.330 Bei Verstößen gegen vereinbarte Nutzungsbeschränkungen im Sondereigentum besteht eine Legalisierungsmöglichkeit nicht. Hier muss gehandelt werden. Eine Nichtinformation kann schnell zu Haftungsansprüchen führen,331 wenn etwa Beseiti- 133 gungsansprüche deshalb verjährt sind oder aber im Beseitigungsprozess der Verband sich entgegenhalten lassen muss, dass er nach § 254 BGB einen Teil der Beseitigungskosten zu tragen hat,332 weil er nicht früh genug eingeschritten ist. Das Wissen des Verwalters muss sich der Verband jedenfalls zurechnen lassen. Zur Vorbereitung der Versammlung muss der Verwalter die Handlungsoptionen aufzeigen. 134 Dazu gehört neben der Geltendmachung des Anspruchs, bei baulichen Veränderungen deren Genehmigung sowie die Möglichkeit der Rückermächtigung.333 Wie stets sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Risiken und Folgen für die Eigentümer darzustellen, also bei der gerichtlichen Geltendmachung die Prozessrisiken, bei der Genehmigung die Möglichkeit anderer Eigentümer im Wege des Gleichbehandlungsgrundsatzes vergleichbare bauliche Veränderungen genehmigen zu müssen. In komplexeren Fällen kann es sich anbieten, zunächst eine weitere Aufklärung, etwa durch eine anwaltliche Beratung, zu empfehlen. d) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 Da die Handlungsmöglichkeiten des Verwalters im Bereich der Störungsabwehr im Regelfall 135 auf eine Sachverhaltsermittlung und eine Information der Eigentümerversammlung beschränkt sind, kommt zunächst in Betracht, dass durch Beschluss gerade in großen Gemeinschaften, der Verwalter gem. § 27 Abs. 2 generell oder beschränkt für bestimmte Arten von Verstößen durch Beschluss im Wege der Erweiterung seiner Aufgaben ermächtigt wird, diese gerichtlich zu ahnden. In Betracht kommt dies vor allem bei Verstößen gegen die Hausordnung (Müllordnung, Lärmbelästigungen etc.), möglich ist es aber auch bei einem Verstoß gegen eine Beschlussfassung (Tierhaltungsverbot) oder Nutzungsüberschreitungen (Prostitution). Erforderlich ist für die Bestimmtheit, dass der Beschluss klar umschreibt, in welchen Fällen der Verwalter wie handeln kann. Bei Gerichtsverfahren wird auch erforderlich sein, dass die Mittelaufbringung (Gerichts- und Anwaltskosten) gesichert ist. Beschränkungen werden nur insoweit ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, als die Ei- 136 gentümer sich vorbehalten, auch über Abmahnungen selbst zu beschließen. Einschränkungen dahingehend, dass der Verwalter Verstößen nicht nachgehen soll oder gar ohne Wunsch anderer Eigentümer eine Information der Versammlung zu unterlassen hat, entsprechen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
4. Gemeinschaftsvermögen und Hausgeldinkasso a) Allgemeines Regelungen über die Verwaltung gemeinschaftlicher Gelder enthält das neue Recht nicht. 137 Der Gesetzgeber ging allerdings zu Recht davon aus, dass die umständlichen und verstreu-
330 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 191 ff. 331 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rz. 137. 332 LG Frankfurt/M v. 14.12.2017 – 2-13 S 133/15, ZMR 2018, 621; zweifelnd Müller in BeckOK WEG, 1.1.2023, § 14 Rz. 46; vgl. aber grdl. BGH v. 18.4.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235 = NJW 1997, 2234, 2235. 333 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 32. Zschieschack | 1363
§ 27 WEG Rz. 137 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters ten334 Kompetenzen aus § 27 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6; Abs. 3 Nr. 5 a.F. auch im neuen Recht bestehen.335 Einigkeit bestand auch bereits in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur WEG-Reform, dass auch das Hausgeldinkasso eine Aufgabe des Verwalters sein soll, die keiner besonderen Beschlussfassung bedarf.336 b) Lasten- und Kostenbeiträge, Tilgungsbeträge und Hypothekenzinsen (Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 a.F.) 138 Der Verwalter ist wie bisher berechtigt und verpflichtet, im Namen der Gemeinschaft Lasten-
und Kostenbeiträge anzufordern, in Empfang zu nehmen und abzuführen. 139 Die Befugnis des Verwalters erfasst nur Forderungen, die sich auf eine gemeinschaftliche
Angelegenheit beziehen. Die in § 27 Abs.1 Nr. 4 aF gesondert genannten Tilgungsbeträge und Hypothekenzinsen, wozu auch Grundschuldzinsen und alle sonstigen wiederkehrenden Leistungen zählten, hatten keine nennenswerte praktische Relevanz, denn sie mussten aus Verbindlichkeiten der Gemeinschaft herrühren. Wenn dies der Fall ist, zählt es weiter zu den Aufgaben der Gemeinschaft. Zu den Aufgaben der Verwaltung der gemeinschaftlichen Gelder zählen beispielsweise: – Lasten- und Kostenbeiträge i.S.d. § 16 Abs. 2 bis 4; von seiner Pflicht umfasst ist auch die Umstellung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auf das SEPA-Verfahren, so dass er hierfür keine Sondervergütung beanspruchen darf (LG Dortmund v. 19.4.2016 – 1 S 437/ 15, ZMR 2016, 642, 644; AG Heilbad Heiligenstadt v. 18.6.2014 – 6 C 53/14, MietRB 2014, 241); – Vorschüsse zur Erfüllung des Wirtschaftsplans (§ 28 Abs. 2; BGH v. 29.1.2016 – V ZR 97/ 15, NZM 2016, 445, 446 = MietRB 2016, 166; AG Köln v. 8.3.2016 – 215 C 146/15, ZMR 2016, 496) und Sonderumlagen; – Verbindlichkeiten der Gemeinschaft, die durch Grundpfandrechte (in der Regel Gesamtrechte) abgesichert sind (KG v. 29.3.1974 – 1 W 811/72, OLGZ 1974, 411 = NJW 1975, 318 = MittBayNot 1975, 100; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 129); befriedigt ein Wohnungseigentümer wegen Zahlungsunfähigkeit des persönlichen Schuldners zur Abwendung einer Zwangsversteigerung den Gläubiger einer solchen Gesamtgrundschuld, so können die erbrachten Zahlungen ausgleichspflichtige Lasten i.S.d. § 16 Abs. 2 sein, zu deren Einziehung der Verwalter berechtigt ist (vgl. BayObLG v. 28.5.1973 – BReg. 2 Z 14/ 73, BayObLGZ 1973, 142; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 56); – Auch für Erbbauzinsreallasten gilt, dass der Verwalter für deren Einziehung zuständig ist, wenn diese als Gesamtrecht an allen Wohnungserbbaurechten (was möglich ist)337 besteht (OLG Karlsruhe Justiz 1962, 89 [90]; a.A. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 129; Müller, Praktische Fragen, Rz. 1017); jedenfalls kann in der Gemeinschaftsordnung eine entsprechende Vereinbarung getroffen und im Grundbuch eingetragen werden (OLG München v. 23.7.2015 – 34 Wx 139/15, NZM 2016, 554, 556 = ZWE 2016, 18, 19 = NotBZ 2016, 269).
334 335 336 337
Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 46. BT-Drucks. 19/18791, 75. Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2019, 429, 467. BayObLG v. 22.6.1978 – BReg. 2 Z 31/77, BayObLGZ 1978, 157 = Rpfleger 1978, 375 = DNotZ 1978, 626.
1364 | Zschieschack
VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 145 § 27 WEG
Keine gemeinschaftlichen Angelegenheiten stellen beispielsweise dar: 140 – die Grundsteuer (OVG Magdeburg v. 16.2.2009 – 4 L 344/08, NVwZ-RR 2009, 577 f.; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 129), denn sie wird von jedem Wohnungseigentümer einzeln geschuldet (vgl. § 2 Nr. 2 GrStG i.V.m. §§ 68 Abs. 1 Nr. 3, 93 Abs. 1 Satz 1 BewG); – Zahlungsverpflichtungen einzelner Wohnungseigentümer, auch wenn sie durch Hypotheken oder Grundschulden abgesichert sind (BayObLG v. 8.2.1978 – 2Z 50/77, Rpfleger 1978, 256, 257; KG v. 29.3.1974 – 1 W 811/72, OLGZ 1974, 411 = NJW 1975, 318 = MittBayNot 1975, 100; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 129); – eine in mehrere Einzelreallasten aufgeteilte Erbbauzinsreallast. Anders als nach altem Recht besteht keine Beschlusskompetenz mehr, den Verwalter auch 141 bezüglich Verpflichtungen einzelner Eigentümer zu beauftragen und zu bevollmächtigen.338 Eine Vertretung der Eigentümer erfolgt durch den Verwalter nicht. Ebenfalls ist der Verwalter – wie bisher – berechtigt und verpflichtet zur Erfüllung der ge- 142 meinschaftlichen Verbindlichkeiten alle diesbezüglichen Zahlungen und Leistungen zu bewirken. Beispiele für Leistungspflichten der Gemeinschaft, die mit der laufenden Verwaltung des ge- 143 meinschaftlichen Eigentums zusammenhängen, sind: – Versicherungsbeiträge (LG München I v. 16.9.2013 – 1 S 21191/12, ZMR 2014, 145, 146; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 139; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 50); – Entgelt für Hausmeister und Reinigungspersonal (LG München I v. 16.9.2013 – 1 S 21191/12, ZMR 2014, 145, 146; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 139); – Kosten für Beleuchtung, Strom, Gas, Wasser und Lieferung von Heizmaterial (LG München I v. 16.9.2013 – 1 S 21191/12, ZMR 2014, 145, 146; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 139); – öffentliche Gebühren, z.B. für Müllabfuhr und Schornsteinfeger (vgl. § 25 Abs. 4 Satz 1 SchfG und VG Darmstadt v. 7.12.2006 – 9 G 1892/06, NZM 2007, 417, 418; BVerwG v. 11.11.2005 – 10 B 65/05, NJW 2006, 146, 147 = ZMR 2006, 242, 243; VG Stuttgart v. 20.6.2007 – 2 K 3733/07, ZMR 2007, 738: Abfall-, Entwässerungs- und Straßenreinigungsgebühren; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 139; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 57); – Werklohn für Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten (Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 139); Hauptanwendungsfall insoweit werden Zahlungen für Verträge sein, die zur Durchführung 144 von Beschlüssen der Wohnungseigentümer abgeschlossen wurden. Hier ergibt sich die Berechtigung im Innenverhältnis aus der Organpflicht Beschlüsse umzusetzen, ob die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 vorliegen, ist insoweit ohne Relevanz. Bewirken der Leistung bedeutet, dass der Verwalter diese gemeinschaftlichen Verbindlich- 145 keiten durch Verfügung über die von ihm verwalteten Gelder der Gemeinschaft erfüllen darf.
338 Zum alten Recht: BayObLG v. 8.2.1978 – 2Z 50/77, Rpfleger 1978, 256, 257; Schl.-Holst. OLG v. 19.4.1961 – 2 W 17/61, NJW 1961, 1870, 1872; umfassend Heinemann in Jennißen, 6. Aufl. § 27 WEG Rz. 39. Zschieschack | 1365
§ 27 WEG Rz. 146 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters b) Empfangszuständigkeit 146 Als Vertreter der Gemeinschaft ist der Verwalter ebenfalls wie im alten Recht alleine befugt
Zahlungen und Leistungen von Schuldnern des Verbandes entgegenzunehmen. Das Recht zur Entgegennahme von Zahlungen und Leistungen bedeutet, dass Schuldner der Gemeinschaft nur mit schuldbefreiender Wirkung an den Verwalter leisten können. 147 Beispiele für Ansprüche der Gemeinschaft, die mit der laufenden Verwaltung des gemein-
schaftlichen Eigentums zusammenhängen, sind: – Einziehung von Miet- und Pachtzins aus Nutzungsüberlassung des Gemeinschaftseigentums (OLG Köln DWE 1988, 106; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 141); – Entgegennahme eines Erstattungsbetrags, den ein Wohnungseigentümer der Gemeinschaft aufgrund eines Kostenfestsetzungsbeschlusses zu leisten hat (BayObLG v. 23.2.1995 – 2Z BR 113/94, NJW-RR 1995, 852; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 139; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 48); – Einziehung von Versicherungsforderungen, die der Gemeinschaft zustehen (LG Köln RuS 1984, 200 Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 50); – Erteilung von Quittungen (BayObLG v. 23.2.1995 – 2Z BR 113/94, NJW-RR 1995, 852: löschungsfähige Quittung zur Löschung einer Zwangssicherungshypothek; Sauren, § 27 WEG Rz. 45); zur Erteilung einer Löschungsbewilligung ist der Verwalter jedoch nicht berechtigt (OLG München v. 16.2.2011 – 34 Wx 156/10, NZM 2011, 282, 283 = MietRB 2011, 182 (Heinemann); LG Köln v. 18.10.2010 – 11 T 196/09, ZWE 2011, 289, 290); – Entgegennahme von Lieferungen (Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 59); – Abnahme von Werkleistungen (§ 640 BGB) (KG v. 10.3.1993 – 24 W 5506/92, WuM 1993, 306 = OLGZ 1994, 35; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 142; Hügel in BeckOKBGB, 1.2.2023, § 27 WEG Rz. 14); – Fristsetzung, Erhebung von Mängelrügen (KG v. 10.3.1993 – 24 W 5506/92, WuM 1993, 306 = OLGZ 1994, 35; BayObLG WE 1988, 31; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 142; Hügel in BeckOKBGB, 1.2.2023, BGB, § 27 WEG Rz. 13; Niedenführ in Niedenführ/ Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 59). 148 Wegen dessen ausschließlicher Empfangszuständigkeit kann Zahlung der Beiträge nur an
den Verwalter verlangt werden. Eine unmittelbare Zahlung an einen Drittgläubiger befreit den Wohnungseigentümer nicht von seiner Beitragspflicht gegenüber der Gemeinschaft.339 Durch Leistung an den Verwalter erlischt die Beitragspflicht,340 auch wenn die Einzahlung nicht auf ein Konto der Gemeinschaft, sondern auf ein Eigenkonto des Verwalters erfolgt.341 c) Beitreiben von Forderungen – Hausgeldinkasso 149 Die Verwaltungsbefugnis erschöpfte sich schon bislang nicht in der passiven Entgegennah-
me der Lasten- und Kostenbeiträge, sondern ermöglicht durch das „Anfordern“ dieser Beträge auch ein aktives Handeln des Verwalters, insbesondere eine Anmahnung ausstehender
339 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 128. 340 OLG Köln v. 7.5.2007 – 16 Wx 244/06, ZMR 2008, 71. 341 OLG München v. 26.7.2007 – 32 Wx 73/07, ZMR 2007, 815, 816; OLG Köln v. 24.11.1997 – 16 Wx 297/97, WE 1998, 193 = WuM 1998, 249; Saarl. OLG v. 12.10.1987 – 5 W 157/87, OLGZ 1988, 45; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 128; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 55.
1366 | Zschieschack
VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 153 § 27 WEG
Beträge.342 Allerdings bestand darüber hinaus keine Möglichkeit, dass der Verwalter etwa gerichtlich die Hausgeldforderungen beitreibt, hierzu war ein ermächtigender Beschluss erforderlich. Dies hat sich grundlegend geändert. Nunmehr ist der Verwalter im Regelfall auch für das 150 Hausgeldinkasso zuständig.343 Die Vertretungsmacht im Außenverhältnis ergibt sich aus § 9b Abs. 1, im Innenverhältnis folgt die Befugnis aus § 27 Abs. 1 Nr. 1,344 wenn man dies nicht sogar als Umsetzung der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung ansehen will. Ein Votum der Eigentümerversammlung hat der Verwalter aber einzuholen, wenn die Durchsetzung der Forderung mit einem außergewöhnlichen Prozessoder Vollstreckungsrisiko verbunden ist oder bei einer sehr hohen Forderung Prozesskosten drohen, die den Rahmen der unerheblichen Verpflichtung übersteigen.345 Beispielhaft sind Forderungen gegen einen von Insolvenz bedrohten Schuldner, Forderungen mit einem Verjährungsrisiko oder erhebliche Rückstände zu nennen. Die Inkassoberechtigung betrifft nicht nur das Erkenntnisverfahren, sondern auch das Voll- 151 streckungsverfahren.346 Der Verwalter hat daher die üblichen Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Verwalter ist außerdem verpflichtet, in der Zwangsversteigerung eines Sondereigentums nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigte Hausgeldansprüche im Versteigerungsverfahren anzumelden.347 Eine eigene Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 15 ZVG, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 ZVG für einen Antrag der Gemeinschaft vorliegen,348 wird wegen der damit verbundenen Kosten weiterhin keine Maßnahme sein, die der Verwalter ohne Beschluss vornehmen kann.349 Für den Antrag auf Zwangsverwaltung mag dies anders liegen.350 Zum Hausgeldinkasso ist der Verwalter nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ausstehen- 152 de Forderungen zeitnah zu titulieren.351 Setzt er eine Forderung nicht durch und ist deren Beitreibung nicht mehr möglich, etwa weil Verjährung eingetreten ist, macht sich der Verwalter schadenersatzpflichtig.352 Erforderlich ist hier aber der Nachweis, dass der Schaden bei einem pflichtgemäßen Handeln des Verwalters beigetrieben worden wäre. d) Verfügungsbefugnis des Verwalters Bislang war gesichert, dass die Einziehungsbefugnis des § 27 Abs. 1 Nr. 4 a.F. für den Ver- 153 walter keine Befugnis geschaffen hatte, die dort genannten Forderungen zu begründen353 342 AG Reutlingen v. 13.5.2016 – 11 C 105/16, ZMR 2016, 915, 916. 343 Bund-Länder-Arbeitsgruppe ZWE 2019, 429, 467; Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 74. 344 BT-Drucks. 19/22634, 47. 345 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 123. 346 Vgl. dazu Bruns/Hintzen, ZWE 20198, 73, 77 ff. 347 BGH v. 8.12.2017 – V ZR 82/17, NZM 2018, 403 = ZfIR 2018, 232, 233 = MietRB 2018, 107 (Heinemann). 348 BT-Drucks. 16/887, 45; dazu BGH v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rz. 11. 349 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 124; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 134; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 57.1; zum alten Recht BGH v. 8.12.2017 – V ZR 82/17, NZM 2018, 403 Rz. 11 = ZfIR 2018, 232, 33 = MietRB 2018, 107 (Heinemann). 350 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 124. 351 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 50. 352 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 125 auch zu den Risiken einer Beantragung eines Mahnbescheids. 353 OLG Hamm v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, ZMR 1997, 377, 378 = WE 1997, 314, 315; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 47. Zschieschack | 1367
§ 27 WEG Rz. 153 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters oder durch Anerkenntnis oder Verzicht über diese zu verfügen.354 Er konnte also weder Gestaltungsrechte (z.B. Rücktritt oder Kündigung) ausüben,355 noch Mängelansprüche geltend machen oder ein Zurückbehaltungsrecht erklären.356 Er war auch nicht zur Einräumung einer Stundung oder Ratenzahlung berechtigt.357 154 Nunmehr ergibt sich die Möglichkeit im Außenverhältnis aus § 9b Abs. 1, im Innenverhält-
nis stellt sich die Frage, inwieweit ein Beschluss der Gemeinschaft erforderlich ist. Gerade bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um derartige Ansprüche, insbesondere Hausgelder wird sich schnell die Frage stellen, ob der Verwalter im Wege eines Vergleiches auf einen Teil der Forderung verzichten kann. Selbst wenn der Betrag unerheblich ist, wird hierin aber im Regelfall keine Maßnahme untergeordneter Bedeutung liegen, so dass ein Votum der Versammlung erforderlich ist.358 Anders wird es bei Stundungen oder Ratenzahlungen liegen. Die Ausübung von Gestaltungsrechten wird ebenfalls kaum eine Maßnahme untergeordneter Bedeutung sein und bedarf daher auch weiter eines Beschlusses.359 e) Keine Befugnis zur Kreditaufnahme 155 Zu einer Kreditaufnahme, auch in der Form der Inanspruchnahme einer Kreditlinie (sog.
Dispositionskredit), ist der Verwalter weiterhin weder berechtigt noch verpflichtet.360 Er hat auch keine entsprechende Vertretungsmacht (§ 9b Abs. 1 Satz 1, s. § 9 Rz. 23). Die Wohnungseigentümer können den Verwalter allerdings zur Kreditaufnahme ermächtigen. Wie bisher entspricht ein solcher Ermächtigungsbeschluss aber nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn der Darlehensvertrag von kurzer Dauer ist und in geringem Umfang zur Abdeckung kurzfristiger Liquiditätsengpässe dient.361 Als oberste Betragsgrenze wurde bisher dabei die Summe aller Hausgeldvorauszahlungen für 3 Monate angenommen.362
354 BayObLG v. 27.3.1997 – 2Z BR 11/97, ZMR 1997, 325 = WuM 1997, 398, 399; v. 5.5.2004 – 2Z BR 66/04, ZMR 2004, 839, 840; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 47 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 83. 355 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 42; Armbrüster, ZWE 2012, 201, 205; Pauli/Dimsic, ZMR 2016, 89, 91; vgl. zu einer vom Verwalter ausgesprochenen Kündigung eines Hausmeistervertrags BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11, NJW 2013, 1692, 1694 = ZWE 2013, 289, 290. 356 BGH v. 10.6.2005 – V ZR 235/04, MDR 2005, 1279 = NJW 2005, 2622 = NZM 2005, 626; a.A. KG v. 10.3.1993 – 24 W 5506/92, WuM 1993, 306 = OLGZ 1994, 35; OLG Düsseldorf v. 10.3.1997 – 3 Wx 186/95, ZMR 1997, 380; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 50. 357 Bärmann/Pick, 19. Aufl., § 27 WEG Rz. 29. 358 Becker in Bärmann, § 27 Rz. 138. 359 Becker in Bärmann, § 27 Rz. 142. 360 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 53. 361 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 160; zum alten Recht: BayObLG WE 1991, 111 f.; OLG Hamm v. 28.11.1991 – 15 W 169/91, OLGZ 1992, 313 = MDR 1992, 772 = NJW-RR 1992, 403; KG v. 21.5.1997 – 24 W 8575/96, ZMR 1997, 539; LG Bielefeld v. 14.12.2010, ZMR 2011, 317; v. 15.6.2011 – 23 T 442/10, ZMR 2011, 894 ff. (Abramenko); LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/09, ZWE 2011, 45; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 66; Jennißen, NZM 2006, 203, 207; (teilweise) a.A. AG Ettlingen v. 23.4.2010 – 4 C 17/09, BeckRS 2010, 24837; Abramenko, ZMR 2011, 173 ff.; Feuerborn, ZIP 1988, 146, 150. 362 BayObLG WE 1991, 111 f.; OLG Hamm v. 28.11.1991 – 15 W 169/91, OLGZ 1992, 313 = MDR 1992, 772 = NJW-RR 1992, 403; LG Bielefeld v. 15.6.2011 – 23 T 442/10, ZMR 2011, 894 ff. mit Anm. Abramenko; LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/09, ZWE 2011, 45; Sittmann/Dietrich, WM 1998, 1615, 1620; zu einer möglichen Änderung dieser restriktiven Rechtsprechung vgl. Jennißen, NZM 2006, 203, 207.
1368 | Zschieschack
VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 158 § 27 WEG
Der ohne Beschluss aufgenommene Kreditvertrag ist schwebend unwirksam,363 kann aber 156 nach § 177 BGB genehmigt werden. Soweit früher eine stillschweigende Genehmigung durch einen Beschluss über die Jahresabrechnung angenommen wurde, ist dies nicht mehr haltbar, denn mit dem Beschluss nach § 28 Abs. 2 wird nunmehr lediglich noch über Zahlungspflichten beschlossen.364 Wird der Vertrag nicht genehmigt oder entspricht der Ermächtigungs-/ Genehmigungsbeschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, so haftet der Verwalter dem Kreditgeber als vollmachtloser Vertreter nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz, § 179 BGB.365 Von den Wohnungseigentümern kann der Verwalter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Kreditaufnahme ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, §§ 675, 670 BGB.366 Ansonsten kann er nur unter den Voraussetzungen der §§ 677, 683 BGB bzw. §§ 684, 812 ff. BGB Regress nehmen.367 Ersatz für Überziehungszinsen kann er nicht verlangen.368 f) Geldverwaltung aa) Pflicht zur Vermögenstrennung Der Verwalter hat Vermögen der Gemeinschaft von seinem eigenen Vermögen „gesondert 157 zu halten“. Dies war in § 27 Abs. 5 Satz 1 a.F. noch kodifiziert. Trotz gegenteiligem Votum der Bund-Länder-Arbeitsgruppe369 hat der Gesetzgeber dies offenbar für so selbstverständlich gehalten, dass er eine weitere gesetzliche Regelung nicht als notwendig ansah. Sinn und Zweck dieser Vermögenstrennung ist der Schutz der Gemeinschaft vor Eigengläubigern des Verwalters, die auf die gemeinschaftlichen Gelder zugreifen könnten, z.B. durch Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten, durch Aufrechnung, im Wege der Pfändung oder bei Insolvenz des Verwalters.370 Die Pflicht zur getrennten Vermögensverwaltung ist nicht schon dann verletzt, wenn der Verwalter als Organ der Gemeinschaft auf die Gelder Zugriff hat, denn er ist hierzu schon kraft Gesetzes ermächtigt und bedarf keiner besonderen Ermächtigung.371 bb) Kein Eigenkonto In Bezug auf die Kontenführung bedeutet dies, dass der Verwalter (sofern er nicht durch Ver- 158 einbarung hierzu ermächtigt ist) nicht berechtigt ist, eingenommene Gelder auf einem Eigenkonto (also einem auf seinen Namen lautenden Konto ohne Offenlegung seiner Treuhandstellung) zu führen,372 was bei einem „Hauskonto“ auf den Namen des Verwalters der 363 BGH v. 28.4.1993 – VIII ZR 109/92, NJW-RR 1993, 1227; OLG Hamm v. 10.2.1997 – 15 W 197/ 96, ZMR 1997, 377, 379 = WE 1997, 314, 315; Sittmann/Dietrich, WM 1998, 1615, 1621 f. 364 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 168; aA zum alten Recht: OLG Hamm v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, ZMR 1997, 377, 379 = WE 1997, 314, 315. 365 BGH v. 28.4.1993 – VIII ZR 109/92, NJW-RR 1993, 1227, 1228; LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/ 09, ZWE 2011, 45. 366 BGH v. 28.4.1993 – VIII ZR 109/92, NJW-RR 1993, 1227, 1228; OLG Hamm v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, ZMR 1997, 377, 379 = WE 1997, 314, 315; LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/09, ZWE 2011, 45; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 66. 367 OLG Hamm v. 10.2.1997 – 15 W 197/96, ZMR 1997, 377, 379 = WE 1997, 314, 315; LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/09, ZWE 2011, 45, 46. 368 Schl.-Holst. OLG v. 16.1.2002 – 2 W 84/01, ZMR 2002, 468, 469; LG Köln v. 26.8.2010 – 29 S 177/ 09, ZWE 2011, 45. 369 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2020, 429, 467. 370 LG Itzehoe v. 12.7.2013 – 11 S 39/12, ZMR 2014, 665, 666 f.. 371 LG Frankfurt/M v. 29.1.2018 – 2-13 S 72/17, ZMR 2018, 617, 619. 372 LG Frankfurt/M v. 11.12.2013 – 2-13 S 6/11, ZWE 2014, 183, 184; LG Hamburg v. 28.11.2013 – 318 T 30/13, ZWE 2014, 413; AG Siegburg v. 18.12.2013 – 150 C 40/13, BeckRS 2014, 08580; Zschieschack | 1369
§ 27 WEG Rz. 158 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters Fall wäre.373 Allerdings haben Zahlungen auf ein solches Privatkonto des Verwalters zumindest für Wohngeldzahlungen der Eigentümer Erfüllungswirkung.374 Empfangene Gelder sind unverzüglich auf ein Konto der Gemeinschaft einzuzahlen. Die Eigentümer sind berechtigt, Zahlungen auf ein Eigenkonto des Verwalters zu verweigern.375 Im Wege einer einstweiligen Verfügung kann zur Sicherung der Auszahlung solcher Gelder ein dinglicher Arrest gegen einen bisherigen Verwalter erwirkt werden.376 159 Aus dem Gebot der getrennten Vermögensverwaltung folgt auch, dass der Verwalter, sofern
er für mehrere Gemeinschaften fungiert, deren Konten voneinander getrennt anlegen muss.377 Dasselbe gilt für Trennung der Wohnungsverwaltungs- von den Mietverwaltungskonten.378 Die Gefahr von unrechtmäßigen Zugriffen Dritter auf das Konto der jeweils anderen Gemeinschaft besteht bei Sammelkonten für mehrere Gemeinschaften in gleichem Maße wie bei einem Zugriff von Eigengläubigern des Verwalters.379 160 Hingegen ist der Verwalter nicht verpflichtet, sofern keine anders lautende Vereinbarung
bzw. kein anders lautender Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer vorliegt, getrennte Konten für den laufenden Zahlungsverkehr und für die Instandhaltungsrückstellung zu führen.380 Schon aus buchhalterischen Gründen, aber auch aus dem Erfordernis, die eingenommenen Gelder ordnungsgemäß anzulegen (s. Rz. 169 ff.), empfiehlt sich jedoch die Anlegung von mehreren Unterkonten.381 cc) Offenes Fremdkonto 161 Den besten Schutz der gemeinschaftlichen Gelder vor einem Zugriff von Eigengläubigern
des Verwalters bietet ein sog. offenes Fremdkonto.382 Inhaber dieses Kontos ist die Wohnungseigentümergemeinschaft.383 Das Konto ist gem. § 9a Abs. 1 Satz 3 auf die „Wohnungseigentümergemeinschaft“ oder die „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks zu führen. 162 Die Arbeitsgruppe zur WEG-Reform hatte vorgeschlagen eine Verpflichtung für eine derarti-
ge Art der Geldverwaltung zu kodifizieren.384 Dass es hierzu nicht gekommen ist, ändert allerdings nicht an der Notwendigkeit ein derartiges Konto einzurichten.385 Ob der Verwalter zur Eröffnung eines derartigen Kontos, dass auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Dispokredites ohne einen Beschluss der Eigentümer im Außenverhältnis bevollmächtigt ist, hängt von der Auslegung des Begriffs des Darlehens in § 9b Abs. 1 Satz 1 ab (s. § 9b
373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383 384 385
Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 151; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 55. BayObLG v. 5.4.1972 – BReg. 2 Z 95/71, BayObLGZ 1972, 139, 144. OLG Köln v. 27.11.1997 – 16 Wx 297/97, WE 1998, 193; Saarl. OLG v. 12.10.1987 – 5 W 157/87, OLGZ 1988, 45; Grziwotz in Erman, BGB, § 27 WEG Rz. 5, 24. LG Hamburg v. 28.11.2013 – 318 T 30/13, ZWE 2014, 413. AG Siegburg v. 18.12.2013 – 150 C 40/13, BeckRS 2014, 08580. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 153; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 57. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 153. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 153; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 57. KG v. 13.4.1987 – 24 W 5174/86, MDR 1987, 938 = ZMR 1988, 108 = NJW-RR 1987, 1160; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 56. Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 56. OLG Frankfurt v. 5.3.1980 – 20 W 791/79, OLGZ 1980, 413; OLG München v. 25.7.2000 – 18 U 6003/99, NJW-RR 2000, 1682; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 155 m.w.N.. Vgl. BT-Drucks. 16/887, 70; LG Frankfurt/O v. 14.7.2014 – 16 S 46/14, NZM 2015, 309, 310 = ZMR 2014, 1007, 1008 = MietRB 2015, 274 (Heinemann). Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2019, 429, 467. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 121.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 165 § 27 WEG
Rz. 24). Im Innenverhältnis fällt die Kontoeröffnung stets unter § 27 Abs. 1, wenn die Eigentümer etwa bei der Wahl der Bank ein Mitspracherecht haben wollen, müssen sie hierüber nach § 27 Abs. 2 beschließen. Da allein die Gemeinschaft Gläubiger des Kreditinstituts ist, bestehen keine Aufrechnungs-, Zurückbehaltungs- oder Pfandrechte des Kreditinstituts aus Forderungen gegen den Verwalter.386 Auch vor Zugriffen anderer Gläubiger ist die Gemeinschaft durch die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO bzw. das Aussonderungsrecht nach § 47 InsO geschützt. dd) Kein Treuhandkonto Auch ein sog. offenes (unechtes) Treuhandkonto ist nicht zulässig.387 Nur das offene 163 Fremdkonto gewährleistet eine echte Vermögenstrennung und stellt daher den erforderlichen Schutz des Vermögens der Gemeinschaft sicher. Hatte bisher schon die die Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft die Führung von Fremdkonten erleichtert,388 ist dies durch nunmehr bestehende Vollrechtsfähigkeit (§ 9a Abs. 1) unproblematisch. Einen sachlichen Grund für Treuhandkonten gibt es daher nicht mehr, dass diese vor der WEG-Reform 2007 üblich waren, ist nunmehr sicherlich nicht mehr ins Feld zu führen. Sollten immer noch Treuhandkonten geführt werden, besteht ein Anspruch gegen den Ver- 164 band, dass bislang als Treuhandkonten geführte Bankguthaben auf ein Eigenkonto des Verbandes umzustellen.389 Vor einer entsprechenden Klageerhebung muss jedoch eine Beschlussfassung der Gemeinschaft herbeigeführt werden.390 Der Verwalter der immer noch ein entsprechendes Konto führt, begeht eine schwere Pflichtverletzung.391 Weigert sich der Verband, das Konto auf den Namen der Gemeinschaft umzustellen, so wird 165 vertreten, dass die Wohnungseigentümer ausnahmsweise berechtigt sind, die Zahlung von Wohngeldern auf das Treuhandkonto zu verweigern, wenn die Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft auf andere Weise (z.B. durch Zahlungen auf ein vom Verwaltungsbeirat angelegtes Konto der Gemeinschaft) gewährleistet ist.392 Auch wenn dies als Druckmittel praktikable 386 Hans. OLG Hamburg v. 24.9.1970 – 6 U 78/70, MDR 1970, 1008, 1009; vgl. BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, BGHZ 61, 72 ff. = NJW 1973, 1754; v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, MDR 1985, 739 = NJW 1985, 1954. 387 Ebenso LG Berlin v. 15.2.2022 – 55 S 25/21, ZMR 2022, 415; LG Frankfurt/M v. 20.9.2017 – 2-13 S 9/15, NZM 2018, 825, 827 = ZMR 2018, 250, 251; LG Frankfurt/O v. 14.7.2014 – 16 S 46/14, NZM 2015, 309, 310 = ZMR 2014, 1007, 1008 = MietRB 2015, 274 (Heinemann); LG Hamburg v. 28.1.2015 – 318 S 118/14, ZWE 2016, 38, 40 = MietRB 2016, 143 (Heinemann); LG Hamburg v. 19.12.2014 – 318 S 5/14, ZMR 2016, 223, 224; LG Itzehoe v. 12.7.2013 – 11 S 39/12, ZMR 2014, 665 666 f.; LG Saarbrücken v. 4.5.2018 – 5 S 44/17, NZM 2018, 518, 519 = ZMR 2018, 699, 700 = MietRB 2018, 336 (Heinemann); Casser, ZWE 2014, 157, 158; Deckert, ZMR 2007, 251; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 54; Geiben in jurisPK/BGB, § 27 WEG, Rz. 26; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 70; Müller, Praktische Fragen, Rz. 1011. 388 Vgl. Hans. OLG Hamburg v. 26.9.2006 – 2 Wx 78/05, ZMR 2007, 59 f.; Merle, ZWE 2006, 365, 369. 389 Vgl. LG Frankfurt/O v. 14.7.2014 – 16 S 46/14, NZM 2015, 309 = ZMR 2014, 1007, 1008 = MietRB 2015, 274 (Heinemann); anders AG Kassel v. 16.11.2010 – 803 C 4530/10, ZMR 2012, 230, 231. 390 LG Berlin v. 8.12.2009 – 85 T 124/08, ZMR 2010, 470. 391 LG Frankfurt/M v. 20.9.2017 – 2-13 S 9/15, NZM 2018, 825, 827 = ZMR 2018, 250, 251; LG Hamburg v. 28.1.2015 – 318 S 118/14, ZWE 2016, 38, 40 = MietRB 2016, 143 (Heinemann); großzügiger LG Berlin v. 15.2.2022 – 55 S 25/21, ZMR 2022, 415 – Abmahnung erforderlich. 392 LG Hamburg v. 28.1.2015 – 318 S 118/14, ZWE 2016, 38 = MietRB 2016, 143 (Heinemann); LG Saarbrücken v. 4.5.2018 – 5 S 44/17, NZM 2018, 518, 519 = ZMR 2018, 699, 700 = MietRB 2018, 336 (Heinemann); AG Hamburg v. 25.7.2014 – 10 C 24/14, ZWE 2015, 53 a.A. zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 47.1. Zschieschack | 1371
§ 27 WEG Rz. 165 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters erscheint, überzeugt es letztlich nicht.393 Ein Zurückbehaltungsrecht für Hausgeldforderungen besteht nicht.394 Auch mit einer fehlenden Fälligkeit des Anspruchs kann nicht argumentiert werden,395 denn eine Zahlung auf das Konto wirkt schuldbefreiend, mehr kann ein Schuldner nicht verlangen. 166 Aus den genannten Gründen kommt auch die Führung eines Anderkontos (echten Treu-
handkontos) auf den Namen des Verwalters nicht in Betracht.396 Da ein solches Konto nur von bestimmten Berufsgruppen zu bestimmten Zwecken geführt werden darf (vgl. § 57 Abs. 1, 2; § 58 BeurkG; § 43a Abs. 5 Satz 2 BRAO, § 4 BORA) scheidet die Nutzung eines Anderkontos aber ohnehin aus. Die Eigentümer können aber beschließen, dass die Zahlung eines Wohnungseigentümers auf das Konto des Prozessbevollmächtigten der Gemeinschaft zu leisten ist, wenn dadurch lediglich der Zahlungsweg abgekürzt werden soll.397 ee) Schutz des Verbandes bei Treuhandkonten 167 Wird entgegen der Verpflichtung zum Führen eines Fremdkontos ein Treuhandkonto ge-
führt, so ist Folgendes zu beachten: Beim Treuhandkonto ist der Verwalter Inhaber des Kontos, allerdings als Treuhänder der Gemeinschaft. Dies ist für die Identifizierungspflicht und die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten nach § 154 AO und §§ 2, 8 GwG zu beachten.398 Verfügungs- und Auszahlungsberechtigter ist nur der Verwalter. Bei einem Verwalterwechsel darf der neue Verwalter erst dann über das Treuhandkonto verfügen, wenn es vom alten Verwalter auf diesen übertragen worden ist.399 Wegen der erheblichen Nachteile, die das Treuhandkonto für die Gemeinschaft birgt, ist eine deutliche Bezeichnung („Verwaltungskonto Eigentumswohnanlage X, Verwalter Y“ genügt nicht;400 „Verwalter Y, Hausgemeinschaft X-Str. Nr.“ und „Schlüssel-Nr. 09 Vermögens- und Verwaltungskosten“ genügt)401 als Treuhandkonto erforderlich, beispielsweise: „Treuhandkonto Wohnungseigentümergemeinschaft X-Straße Nr. Y“.402 168 Das Treuhandkonto unterliegt zwar nicht dem Zugriff des Kreditinstituts wegen dessen For-
derungen gegen den Verwalter,403 wohl aber dem der Gläubiger des Verwalters. Hiergegen kann sich die Gemeinschaft nur mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO)404 oder der Aussonderung nach § 47 InsO wehren.405 Da das Kreditinstitut jedoch nicht zur Informati-
393 Zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 47.1. 394 Zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 47.1. 395 So aber LG Saarbrücken v. 4.5.2018 – 5 S 44/17, NZM 2018, 518, 519 = ZMR 2018, 699, 700 = MietRB 2018, 336 (Heinemann). 396 Ebenso Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 155; Merle, ZWE 2006, 365, 369. 397 LG Hamburg v. 30.5.2018 – 318 S 70/16, ZMR 2018, 793, 794. 398 Ausführlich Sittmann/Dietrich, WM 1998, 1615, 1617 ff.; Bielefeld, DWE 2002, 50. 399 Sittmann/Dietrich, WM 1998, 1615, 1616. 400 Vgl. BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, BGHZ 61, 72 = NJW 1973, 1754. 401 BayObLG v. 11.4.1979 – 2Z 44/78, Rpfleger 1979, 266, 267. 402 Sittmann/Dietrich, WM 1998, 1615, 1616. 403 Vgl. BGH v. 5.11.1953 – IV ZR 95/53, BGHZ 11, 37 = NJW 1954, 190; BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, BGHZ 61, 72 = NJW 1973, 1754; Hans. OLG Hamburg v. 24.9.1970 – 6 U 78/70, MDR 1970, 1008, 1009. 404 LG Bonn v. 30.4.2015 – 15 O 351/14, ZMR 2015, 649, 650 f.; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 54; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 70; Sittmann/Dietrich, WM 1998, 1615, 1616. 405 OLG Hamm v. 11.2.1999 – 27 U 283/98, NZM 1999, 1152 = ZIP 1999, 765 = EWiR 1999, 803 (Smid); AG Kassel v. 16.11.2010 – 803 C 4530/10, ZMR 2012, 230, 231; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 54; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 70.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 170 § 27 WEG
on der Gemeinschaft über erfolgte Pfändungen406 und auch nicht zur Offenlegung des Treuhandkontos gegenüber Dritten verpflichtet ist, wird die Geltendmachung dieser Rechte beim Treuhandkonto erheblich erschwert,407 insbesondere deshalb weil die Wohnungseigentümer beweispflichtig sind.408 Die Eigenschaft als Treuhandkonto entfällt, wenn der Verwalter die treuhänderisch vereinnahmten Gelder mit eigenen Geldern oder denjenigen anderer Gemeinschaften vermischt, wofür allerdings das Kreditinstitut darlegungs- und beweispflichtig ist.409 Dem Verwalter ist zu empfehlen, das Treuhandkonto nach dem Vorbild des § 6 Abs. 2 MaBV einzurichten, so dass das Kreditinstitut unter anderem zur Offenlegung von Pfändungen und Insolvenzen verpflichtet wird.410 ff) Art und Weise der Geldanlage Da die Geldverwaltung auch die Anlage der eingenommenen Gelder umfasst, hat der Ver- 169 walter auch hierüber mit der gebotenen Sorgfalt zu entscheiden.411 Vorrangig sind jedoch die Vereinbarungen oder Mehrheitsbeschlüsse der Wohnungseigentümer zu beachten. Der Verwalter bleibt aber auch bei einem Beschluss der Wohnungseigentümer verpflichtet, die Wohnungseigentümer auf erkennbare Risiken der von ihnen beabsichtigten Anlageform hinzuweisen.412 Im Regelfall wird der Verwalter (mindestens) zwei Konten anlegen müssen, eines für die lau- 170 fenden Ein- und Ausgaben und eines für die Instandhaltungsrückstellung.413 Zwingend ist die getrennte Kontoverwaltung aber nicht, daher kann der buchhalterische Gesamtbestand der Instandhaltungsrücklage nicht mit dem Stand des für die Wohnungseigentümergemeinschaft insoweit geführten Kontos gleichgesetzt werden.414 Es ist auch zulässig, auf dem Konto der Instandhaltungsrücklage kurzfristig überschüssige Liquidität zu parken.415 Die laufenden Einnahmen und Ausgaben sind über ein Girokonto abzuwickeln. Die Gelder der Instandhaltungsrückstellung können in der Regel langfristig und idealerweise verzinslich angelegt werden,416 wobei sich hier Sparkonten, Festgeldkonten oder Bundesschatzbriefe anbieten.417 Ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen allerdings riskante und unsachgemäße
406 Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 54. 407 Dazu OLG Hamm v. 11.2.1999 – 27 U 283/98, NZM 1999, 1152 = ZIP 1999, 765 = EWiR 1999, 803 (Smid). 408 Thür. OLG v. 1.2.2006 – 4 U 851/05, ZMR 2007, 486 (abl. von Münchhausen). 409 LG Bonn v. 30.4.2015 – 15 O 351/14, ZMR 2015, 649, 651 f. 410 Ausführlich zu den Pflichten des Kreditinstituts nach § 6 Abs. 2 MaBV, Heinemann in Grziwotz, MaBV, § 6 Rz. 11 ff. 411 BayObLG v. 20.12.1994 – 2Z BR 106/94, NJW-RR 1995, 530; AG Köln v. 22.2.2001 – 202 II 252/ 00, ZMR 2001, 748; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 149. 412 OLG Celle v. 14.4.2004 – 4 W 7/04, NZM 2004, 426 = ZMR 2004, 845. 413 LG Berlin v. 26.11.2013 – 55 S 69/11, ZMR 2014, 383, 384; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 20.4.2007 – 3 Wx 127/06, NZM 2007, 569, 570; Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 56; offen gelassen von BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = NJW 2010, 2127, 2128 = NZM 2010, 243, 245; a.A. Jennißen, ZWE 2014, 199, 201. 414 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, ZWE 2021, 37 Rz. 30. 415 BGH v. v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, ZWE 2021, 37 Rz. 30. 416 LG Berlin v. 26.11.2013 – 55 S 69/11, ZMR 2014, 383, 384. 417 Vgl. BayObLG v. 20.12.1994 – 2Z BR 106/94, NJW-RR 1995, 530; Jennißen, ZWE 2014, 199, 201; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 149; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 63; a.A. LG Bonn DWE 1985, 127; AG Hamburg DWE 1989, 76; differenzierend Daute, NZM 2006, 86, 90; unklar KG v. 13.4.1987 – 24 W 5174/86, MDR 1987, 938 f. = NJW-RR 1987, 1160. Zschieschack | 1373
§ 27 WEG Rz. 170 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters Anlageformen, wie spekulative Anlagen (also Aktien, Aktienfonds etc.)418 oder Bausparverträge419, selbst wenn dadurch Negativzinsen vermieden werden können. 171 Aus der Zweckgebundenheit der Instandhaltungsrückstellung folgt außerdem, dass der
Verwalter Gelder, die für die Instandhaltungsrücklage bestimmt sind, auch nicht zur Vermeidung von Schuldzinsen auf dem Girokonto belassen420 oder zur Schließung von anderweitigen Deckungslücken verwenden darf,421 sondern diese spätestens zum Quartalsende auf geeignete verzinsliche Anlagekonten zu überweisen hat422, so es derartige verzinste Konten gibt. Er darf diese Gelder auch nicht zur Befriedigung seiner eigenen Vergütungsansprüche verwenden.423 Dies gilt auch für den abberufenen Verwalter.424 Soweit der Gemeinschaft hieraus ein Schaden entstanden ist, hat ihn der Verwalter zu ersetzen.425 g) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 172 Erweiterungen und Beschränkungen der Entscheidungsbefugnis sind auch in diesem Bereich
möglich. Dies betrifft vor allem den Bereich des Hausgeldinkassos, indem die Eigentümer Vorgaben machen können, wann und wie der Verwalter tätig werden soll oder wann eine Klage eine Vorbefassung der Versammlung bedarf. 173 Ebenso können die Eigentümer durch Beschluss sich im Bereich der Geldanlage ein Ent-
scheidungsrecht vorbehalten. 174 Nach altem Recht konnte als Schutzmaßnahme der Gemeinschaft vor unrechtmäßigen Ver-
fügungen des Verwalters über die eingenommenen Gelder kann dessen Verfügungsbefugnis nach § 27 Abs. 5 Satz 2 a.F. eingeschränkt werden. Diese Möglichkeit besteht auch weiterhin, sie wirkt allerdings nur intern, da eine Beschränkung der Vertretungsmacht nicht möglich ist.426 Eine gleichwohl vorgenommene Verfügung kann dann lediglich Schadensersatzansprüche oder eine Kündigungsrecht des Verwaltervertrages begründen. Die Gemeinschaft kann daher intern Verfügungen über Gelder von der Zustimmung eines/mehrerer Wohnungseigentümer, des Verwaltungsbeirats oder eines Dritten abhängig machen. Denkbar ist auch, die Verfügung von einer mehrheitlichen Zustimmung abhängen zu lassen.427 Möglich ist die Beschränkung der Verfügungsbefugnis für Verfügungen, die einen bestimmten Betrag (z.B. 2.000 Euro) übersteigen428 oder bei Festgeldkonten (z.B. dem Rücklagenkonto). 418 OLG Celle v. 14.4.2004 – 4 W 7/04, NZM 2004, 426 = ZMR 2004, 845; Daute, NZM 2006, 86, 88, 90; Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 WEG Rz. 56. 419 OLG Düsseldorf v. 1.12.1995 – 3 Wx 322/95 u. 3 Wx 342/95, WE 1996, 275 = WuM 1996, 112 = FGPrax 1996, 51; Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 WEG Rz. 56; differenzierend Jennißen, ZWE 2014, 199, 201; a.A. Daute, NZM 2006, 86, 89 f. 420 BayObLG v. 20.12.1994 – 2Z BR 106/94, NJW-RR 1995, 530; LG Berlin v. 26.11.2013 – 55 S 69/11, ZMR 2014, 383, 384. 421 LG Berlin v. 26.11.2013 – 55 S 69/11, ZMR 2014, 383, 385; AG München v. 13.9.2017 – 481 C 7072/17, ZMR 2018, 85, 86; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 148; Drasdo, ZWE 2011, 388, 389. 422 LG Berlin v. 26.11.2013 – 55 S 69/11, ZMR 2014, 383, 384 f.; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 149; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 63; unklar Drasdo, ZWE 2011, 388, 390: „zeitnahe“ Anlage. 423 OLG Düsseldorf v. 25.1.2005 – 3 Wx 326/04, NZM 2005, 628 = ZMR 2005, 468; LG Berlin v. 26.11.2013 – 55 S 69/11, ZMR 2014, 383, 385; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 148. 424 Heinemann, MietRB 2008, 180; a.A. OLG Hamm v. 5.6.2007 – 15 W 239/06, ZMR 2008, 64; BayObLG v. 23.6.1976 – BReg. 2 Z 81/75, ZMR 1977, 85 = BB 1977, 31; OLG Stuttgart v. 1.6.1983 – 8 W 446/82, ZMR 1983, 422 = GE 1983, 661. 425 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 148; vgl. aber OLG Hamm DWE 1986, 30. 426 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 501. 427 A.A. LG Berlin v. 8.5.2015 – 55 S 123/14, ZWE 2016, 465 = MietRB 2016, 107 (Elzer). 428 LG Berlin v. 8.5.2015 – 55 S 123/14, ZWE 2016, 465 = MietRB 2016, 107 (Elzer); Drasdo, NJWSpezial 2011, 609, 610.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 177 § 27 WEG
5. Rechtsstreitigkeiten a) Allgemeines Grundlegende Änderungen bringt die WEG-Reform im Bereich der Rechtsstreitigkeiten. 175 Dies folgt zunächst aus der umfassenden Vertretungsbefugnis des Verwalters im Außenverhältnis (§ 9b Abs. 1), für die Praxis aber noch bedeutender aus der Einführung des Verbandsprozesses für Beschlussklagen (§ 44 Abs. 2 Satz 1). Zahlreiche unlösbare Probleme des alten Rechts sind so entfallen. Während bisher hier vor allem in Frage stand, inwieweit der Verwalter überhaupt zur Prozessvertretung im Außenverhältnis berechtigt ist, verlagert sich die Fragestellung ins Innenverhältnis, inwieweit der Verwalter ohne einen Beschluss der Eigentümer handeln darf. b) Beschlussklagen Die Vertretungsbefugnis des Verwalters in Beschlussklagen für den Verband ist grundsätzlich 176 umfassend zu verstehen, der Verwalter ist zustellungsbevollmächtigt und berechtigt, die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsstreit zu vertreten sowie befugt, einen Rechtsanwalt als Prozessvertreter zu beauftragen und zu bevollmächtigen. Diese bereits im alten Recht anerkannte Befugnis,429 folgt im Außenverhältnis aus § 9b Abs. 1. Von der Vertretung ausgeschlossen, ist der Verwalter nur noch, wenn er selbst als Eigentümer Klage erhebt, da er im Übrigen nicht mehr zur Beschlussanfechtung berechtigt ist. Dann regelt sich die Vertretung nach § 9b Abs. 2.430 Gleiches gilt, wenn der Verwalter dem Rechtsstreit als Streithelfer beitritt, wozu er nicht nur berechtigt ist, wenn ihm zuvor der Streit verkündet wurde.431 Im Innenverhältnis wird man sich an der bisherigen Rechtsprechung orientieren können. 177 Einer Beschlussfassung über die Verteidigung wird es im Regelfall nicht bedürfen. Sowohl in der Beschlussfassung, im Falle der Anfechtungsklage, als auch in deren Ablehnung, bei einer Beschlussersetzungsklage, ist von der Entscheidung der Eigentümer auch die Abwehr einer Beschlussklage erfasst.432 In Ausnahmefällen, etwa bei offensichtlichem Erfolg der Klage, mag dies anders liegen.433 Es stellt sich dann aber die Frage, ob hier nicht eine außergewöhnliche Situation vorliegt, die es erforderlich macht, die Eigentümer zu befragen, was es im Zweifel erfordern dürfte, zunächst Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen oder einen Rechtsanwalt hiermit zu beauftragen. Um eine effektive Verteidigung durch Anfechtungsklage angegriffener Beschlüsse gewährleisten zu können, kann der Verwalter jetzt jedenfalls in den Grenzen des § 27 Abs. 1 auf Gemeinschaftsmittel zurückgreifen, um einen Rechtsanwalt hie-
429 BGH v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, MDR 2013, 1212 = NJW 2013, 3098 f. = NZM 2013, 653 f. = ZWE 2013, 368, 370 (krit. Bonifacio); BGH v. 14.5.2009 – V ZB 172/08, MDR 2009, 858 = NJW 2009, 2135; v. 15.9.2011 – V ZB 39/11, NZM 2012, 31 = MietRB 2012, 15 (Ott); LG Dortmund v. 10.9.2013 – 1 S 416/12, ZMR 2014, 386; LG Düsseldorf v. 26.10.2018 – 18a O 7/18, ZMR 2019, 58; LG Düsseldorf v. 16.3.2011 – 25 S 56/10, ZWE 2012, 44; LG Frankfurt/M v. 4.12.2013 – 2-13 S 94/ 12, ZMR 2014, 305; LG Frankfurt/M v. 26.2.2014 – 2-13 S 142/12, ZMR 2014, 476; LG Frankfurt/ M v. 5.8.2015 – 2-13 S 32/13, ZWE 2016, 223, 224 = MietRB 2015, 335; LG München II v. 30.6.2017 – 6 T 2303/17, ZMR 2017, 834, 835; LG Stuttgart v. 18.11.2015 – 19 S 41/14, ZWE 2016, 185, 186 = MietRB 2016, 288 (Dötsch); Abramenko in Riecke/Schmid, § 27 WEG Rz. 82; Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 11 WEG Rz. 66; Köhler, Das neue WEG, Rz. 515. 430 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 51 ff. 431 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 122 ff. 432 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 58; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 174; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 127. 433 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 58. Zschieschack | 1375
§ 27 WEG Rz. 177 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters raus zu beauftragen,434 denn der Prozess trifft nun den Verband und ist daher auch mit dessen Mitteln zu führen. 178 Der Verwalter kann nicht nur den Prozess in erster Instanz für den Verband führen, sondern
auch Rechtsmittel einlegen.435 Im Außenverhältnisfolgt dies aus § 9b Abs. 1. Auch hier gilt im Innenverhältnis jedenfalls für die Berufung oder sofortige Beschwerden, dass auch dies von dem Interesse des Verbandes an der Verteidigung gefasster Beschlüsse gedeckt ist, zudem wäre es in der verlängerten Einberufungsfrist (§ 24 Abs. 4 WEG) kaum möglich, insoweit Eigentümerversammlungen durchzuführen.436 Bei einer Revision, Rechtsbeschwerde oder Nichtzulassungsbeschwerde mag man dies ggf. anders beurteilen, zumal diese weniger der Korrektur eines fehlerhaften Urteils im Einzelfall, als vielmehr der Rechtsfortbildung dienen. Ob die Gemeinschaft bereit ist, zu diesem Zwecke den BGH anzurufen, mag durchaus als Entscheidung angesehen werden, die den Eigentümern vorbehalten ist. 179 Allgemein gilt, liegt eine außergewöhnliche Prozesssituation vor, wird eine Beschlussfassung
der Eigentümer erforderlich sein. Dies betrifft zunächst allerdings nur das Innenverhältnis. Im Regelfall wird dies etwa erforderlich sein, wenn ein Anerkenntnis abgegeben werden soll.437 180 Problematisch bleibt auch im neuen Recht der Prozessvergleich. Hier stellt sich die Frage,
ob der Verband überhaupt befugt ist, über einen Beschluss der Eigentümerversammlung zu disponieren.438 Selbst wenn man aber eine Verfügungsbefugnis bejaht, ist ein Vergleich eine außergewöhnliche Situation, so dass der Verwalter keine alleinige Entscheidungsmacht hat und ein Votum der Eigentümerversammlung einholen muss.439 Dabei lässt sich aber auch sogleich ein Zweitbeschluss fassen, mit dem der Beschlussklage der Grund entzogen werden kann und – wie im Gesellschaftsrecht – letztlich ein Vergleich nur über die Kostentragung getroffen werden kann.440 181 Die Wohnungseigentümer sind allerdings nicht gehindert, bezüglich der Prozessführung die
Einberufung einer Eigentümerversammlung zu verlangen und dem Verwalter Weisungen zu erteilen. Diese schon zum alten Recht anerkannte Möglichkeit,441 ergibt sich zwanglos aus dem Verbandsprozess. Bei der Beschlussfassung sind die Eigentümer, die dem Verband im
434 Zum alten Recht BGH v. 17.10.2014 – V ZR 26/14, NZM 2015, 135, 137 = MDR 2015, 146 = MietRB 2015, 16; AG Hamburg v. 7.4.2014 – 102c C 50/13, ZMR 2015, 72 = ZWE 2015, 277; zusammenfassend Zschieschack, ZMR 2019, 184. 435 Zum alten Recht LG Frankfurt/M v. 2.5.2019 – 2/13 S 127/17, ZMR 2019, 715; LG Berlin v. 19.4.2013 – 55 S 170/12, ZMR 2013, 735; LG Dortmund v. 10.9.2013 – 1 S 416/12, ZMR 2014, 386; LG Frankfurt/M v. 17.12.2015 – 2-13 S 222/13, ZMR 2016, 557 = WuM 2016, 248 = MietRB 2016, 169 (Reichert); LG Hamburg v. 12.7.2017 – 318 S 1/17, ZMR 2017, 915, 916; LG Koblenz v. 30.4.2018 – 2 S 67/16, ZMR 2018, 795, 796; LG München I v. 11.5.2017 – 36 S 11050/16, ZMR 2017, 925; a.A. LG Düsseldorf v. 13.4.2016 – 25 S 123/14, ZMR 2016, 796, 797. 436 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 127. 437 Großzügiger Greiner in BeckOGK, 1.3.2023, § 27 WEG Rz. 63; ebenso Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 175. 438 Verneinend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 57.1; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 158 ff.; a.A. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1948 ff. 439 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 128. 440 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 63.1; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 176; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 158 ff. 441 BGH v. 18.10.2019 – V ZR 286/18, NJW 2020, 1134 Rz. 10; v. 6.12.2013 – V ZR 85/13, MDR 2014, 399 ff. = MietRB 2014, 108 f. = NZM 2014, 275, 278; a.A. AG Berlin-Charlottenburg v. 11.9.2015 – 73 C 17/15, ZfIR 2016, 37 (Ls.) = BeckRS 2015, 19584.
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VI. Aufgaben des Verwalters bei typischen Verwaltungsmaßnahmen | Rz. 187 § 27 WEG
Prozess gegenüberstehen vom Stimmrecht nach § 25 Abs. 4 ausgeschlossen.442 Zwar sind die einzelnen Wohnungseigentümer nicht mehr Partei des Rechtsstreits, sie können – mit dem Kostenrisiko des §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO – dem Prozess als streitgenössische Nebenintervenienten beitreten und so in gewissem Umfang auch weiterhin die von der Mehrheit gewünschte Prozessführung unterlaufen.443 c) Aktivklagen Ist eine Klage des Verbandes erforderlich, bedarf der Verwalter für die üblichen Klagen gegen 182 Miteigentümer bezüglich des Hausgeldes keines Beschlusses (s. Rz. 149 ff.). Anders liegt es, wenn Klagen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 erhoben werden müssen oder die Ge- 183 meinschaft Ansprüche der Eigentümer aus § 1004 BGB durchsetzt. Hier handelt es sich nicht um eine Maßnahme untergeordneter Bedeutung, so dass eine Beschlussfassung erforderlich ist (s. Rz. 128 ff.).444 Gleiches wird im Regelfall gelten, wenn Klagen gegen Dritte erhoben werden sollen. Zu den- 184 ken ist hier etwa an Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums, Prozesse gegen den Bauträger, den ehemaligen Verwalter oder verwaltungsrechtliche Streitigkeiten. d) Passivprozesse Bezüglich Passivprozessen kann im Grundsatz auf die Ausführungen zu Beschlussklagen ver- 185 wiesen werden. Die Abwehr wird im Regelfall keinen Beschluss voraussetzen.445 Liegt jedoch eine außergewöhnliche Situation vor, kann das Votum der Eigentümer erforderlich werden. Dies kann auch schon im Rahmen der normalen Prozessführung erforderlich werden, wenn die Forderung sehr hoch ist oder die Verteidigung mit außergewöhnlichen Risiken verbunden ist. e) Informationspflicht Die im alten Recht in § 27 Abs. 1 Nr. 7 a.F. enthaltene Informationspflicht über jegliche Pro- 186 zesse ist entfallen. Sie besteht wegen der Rechtskrafterstreckung nur noch bei Beschlussklagen in § 44 Abs. 1 fort. Die Information wird sich jetzt idR aus dem Vermögensbericht § 28 Abs. 4 ergeben, ob der Verwalter darüber hinaus gehalten ist, die Eigentümer unterjährig zu informieren, dürfte vom Gegenstand des Verfahrens abhängen, jedenfalls bei den üblichen Hausgeldklagen dürfte hierzu kein Anlass bestehen.446 f) Anwaltsbeauftragung und Honorarvereinbarung Der Verwalter darf zur Prozessführung einen Rechtsanwalt für die Gemeinschaft beauftra- 187 gen. Dies war schon zum alten Recht anerkannt447 und gilt fort. Wenn eine Konstellation
442 BGH v. 6.12.2013 – V ZR 85/13, NZM 2014, 275; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 62. 443 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 14 Rz. 89 ff.; zum alten Recht BGH v. 18.10.2019 – V ZR 286/18, NJW 2020, 1134; Zschieschack, ZWE 2018, 391. 444 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 57; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 179. 445 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 58; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 171. 446 Enger Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 59.1. 447 BGH v. 20.4.2018 – V ZR 202/16, NJW-RR 2018, 970 Rz. 29; v. 23.10.2015 – V ZR 76/14, NZM 2016, 101 Rz. 9 (Schuschke); v. 5.7.2013 – V ZR 241/12, NJW 2013, 3098 Rz. 7 ff. Zschieschack | 1377
§ 27 WEG Rz. 187 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters gegeben ist, in welcher der Verwalter ohne Beschlussfassung der Eigentümer tätig werden darf, benötigt er auch für die Mandatierung eines Anwaltes keinen Beschluss. 188 Nach altem Recht konnte der Verwalter mit dem Rechtsanwalt nach § 27 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3
Satz1 Nr. 6 a.F. eine Streitwertvereinbarung schließen. Die Norm sollte trotz der in § 49a GKG a.F. enthaltene Streitwertbegrenzung, die den Übergang von der preiswerten und bürgernahen freiwilligen Gerichtsbarkeit zum teuren Zivilprozess abmildern sollte, sicherstellen, dass die Wohnungseigentümer einen zu ihrer Vertretung willigen Rechtsanwalt fanden.448 Daher wurde dem Verwalter in Abs. 2 Nr. 4 a.F. die gesetzliche Vertretungsmacht eingeräumt, mit einem Rechtsanwalt einen höheren als den gesetzlichen Streitwert zu vereinbaren, wofür er keine vorherige Ermächtigung durch Vereinbarung oder Beschluss, benötigte.449 Die praktische Relevanz der Norm war gering, der Gesetzgeber hat sie daher zu Recht nicht fortgeführt. 189 Der Bedarf nach einer Vergütungsvereinbarung mit Rechtsanwälten ist durch die WEG-Re-
form 2020 sicher nicht kleiner geworden.450 Gleichwohl wird im Regelfall auch weiterhin eine Vergütungsvereinbarung nicht von § 27 Abs. 1 gedeckt sein.451 Etwas anderes mag gelten, wenn es sich um tatsächlich geringfügige Beträge etwa in einer sehr großen Gemeinschaft handelt. Im Zweifel wird aber – wie bisher – ein Beschluss erforderlich sein.452 190 Auch eine Haftungsbeschränkung gem. § 52 BRAO kann der Verwalter nur aufgrund eines
Beschlusses vereinbaren.453 Für die bisher ohne Beschlussfassung möglichen Streitwertvereinbarungen, wenn sie denn noch eine praktische Relevanz haben sollten, gelten die Ausführungen zu Honorarvereinbarungen entsprechend, denn auch diese führen letztlich dazu, dass auch im Falle des Obsiegens der Gemeinschaft Prozesskosten von der Gegenseite nicht erstattet werden.454 g) Vollstreckungsverfahren 191 Die Vertretung des Verwalters betrifft auch das Vollstreckungsverfahren. Neben Fällen, in
denen der Verwalter einen für den Verband erstrittenen Titel vollstrecken muss, gilt dies auch, wenn die Gemeinschaft Schuldnerin ist. Dies führt dazu, dass der Verwalter zur Abgabe der Vermögensauskunft und ggf. eidesstattlicher Versicherungen verpflichtet ist.455 Dies betrifft auch die Frage der Zwangshaft (§ 888 ZPO), nach hier vertretener Auffassung auch das Zwangsgeld456. h) Erweiterung oder Beschränkung durch Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2 192 Gerade der Bereich der Rechtsstreitigkeiten wird in der Praxis wesentlich durch Beschlüsse
nach § 27 Abs. 2 geprägt werden. Dies wird vor allem die Frage betreffen, welche Aktivklagen der Verwalter ohne eine Beschlussfassung erheben kann, wobei hier je nach Struktur der Gemeinschaft Erweiterungen oder Beschränkungen möglich sind.
448 449 450 451 452 453 454 455 456
BT-Drucks. 16/887, 42, 54, 77. BT-Drucks. 16/887, 77; Elzer, MietRB 2017, 239, 242. Vgl. die Berechnungsbeispiele der Vergütung bei Drasdo, NZM 2020, 953. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 130; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 180; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 67. Zum alten Recht Abramenko, Das neue WEG, § 7 Rz. 67, 68; Köhler, Das neue WEG, Rz. 517. Köhler, Das neue WEG, Rz. 516. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 131. Zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 66. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rz. 154.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 196 § 27 WEG
Möglich ist zudem eine Beschlussfassung nach § 27 Abs. 2, die den Verwalter befähigt, eine 193 Vergütungsvereinbarung zu schließen.457 In der Rechtsprechung wird insoweit bisher verlangt, dass der Beschluss, damit er ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, angibt, welcher Anwalt aufgrund besonderer Umstände zu einem von den gesetzlichen Gebühren abweichenden Satz beauftragt wird.458 Eine Bindung an einen oder mehrere Anwälte ist sicher erforderlich, da es hier allerdings auf das besondere Vertrauen ankommt, sind Konkurrenzangebote nicht erforderlich.459 Ob eine Begründung im Beschluss angegeben werden muss, erscheint demgegenüber eher zweifelhaft. Dies ist eine Frage der sachgerechten Ermessensausübung. Ob der Beschluss dem gerecht wird, wird auch vom lokalen Anwaltsmarkt abhängen.460 Näher dürfte es bei generellen Beschlüssen nach § 27 Abs. 2 liegen, zu fragen, ob eine Eingrenzung des Tätigkeitskreises nötig ist (z.B. andere Sätze für Hausgeldklagen als für Beschlussanfechtungen oder verwaltungsrechtliche Streitigkeiten). Eine absolute Honorarobergrenze kann beschlossen werden, ist aber nicht nötig und wird auch häufig nicht sinnvoll sein, da im Vorhinein oft nicht absehbar sein wird, welcher Aufwand für einen Prozess erforderlich ist,461 zumal unklar ist, was zu passieren hat, wenn die Grenze in einem laufenden Prozess überschritten wird. Beschränkungen im Bereich der Beschlussklagen, die eine effektive Verteidigung verhin- 194 dern, werden demgegenüber nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, etwa wenn auch vor der Verteidigungsanzeige ein Votum der Eigentümerversammlung einzuholen ist.
VII. Haftung des Verwalters 1. Allgemeines Durch die WEG-Reform 2020 haben sich die Grundlagen des Haftungssystems innerhalb 195 des Verbandes grundlegend verschoben. Nach der Systematik des Gesetzes hat die Abwicklung von Haftungsfällen grundsätzlich „über Eck“ zu erfolgen. Ansprüche bestehen daher zunächst nur zwischen dem Geschädigten und dem Verband, der im Innenverhältnis Ausgleich verlangen kann. Demzufolge sollen Direktansprüche zwischen einzelnen Wohnungseigentümern ebenso ausgeschlossen sein, wie solche zwischen Wohnungseigentümern und Verwalter.462 Unproblematisch ist, dass nach neuem Recht der Verwalter als Organ handelt, so dass dem Verband seine Pflichtverletzung zuzurechnen ist. Wie der gesamte Bereich der Verwaltung war auch dieser Aspekt in den politischen Beratun- 196 gen zum WeMoG hoch umstritten, wobei sich letztlich die Frage darauf zuspitzte, inwieweit Eigentümer Direktansprüche gegen den Verwalter haben. Diese Frage bleibt trotz Kodifizierungsversuchen ungelöst (s. Rz. 274 ff.).
457 Muster bei Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 68. 458 LG München I v. 12.7.2017 – 1 S 15254/16 WEG, NZM 2018, 804 = ZMR 2017, 1008, 1009 = MietRB 2018, 47 (Heinemann); ebenso AG München v. 30.8.2018 – 484 C 22173/17, ZMR 2018, 1034, 1037 zu einem Stundenhonorar von 250 Euro; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 181; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 69.1. 459 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 130; a.A. AG Berlin-Charlottenburg v. 3.5.2018 – 72 C 15/18, ZMR 2018, 873 Rz. 28. 460 Vgl. zum Anwaltsmarkt in München LG München I v. 12.7.2017 – 1 S 15254/16 WEG, NZM 2018, 804 Rz. 17; für einen weiten Beurteilungsspielraum Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 27 WEG Rz. 69.1. 461 LG München I v. 12.7.2017 – 1 S 15254/16 WEG, NZM 2018, 804 Rz. 16. 462 Zum Ganzen BT-Drucks. 19/18791, 58 f.; umfassend zum neuen Haftungssystem Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 1 ff.; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 519 ff. Zschieschack | 1379
§ 27 WEG Rz. 197 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters
2. Haftung des Verwalters gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft a) Anspruchsgrundlagen 197 Der Verwalter haftet der Wohnungseigentümergemeinschaft für eine Verletzung seiner ge-
setzlichen oder im Verwaltervertrag festgelegten vertraglichen Pflichten. Anspruchsgrundlage ist in beiden Fällen §§ 280, 286 BGB.463 Soweit ein wirksamer Verwaltervertrag besteht und eine darin enthalten Pflicht verletzt wird, ergibt sich diese Haftung aus einer Schlechterfüllung des Verwaltervertrags.464 Das Bestellungsrechtsverhältnis begründet zudem eine Haftung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis, das aufgrund der organschaftlichen Stellung des Verwalters entsteht.465 Hierauf beschränkt sich die Haftung, wenn es an einem Vertragsverhältnis fehlt. Dies ist der Fall bei Verwaltern, deren Amtsstellung durch § 6 Abs. 2 COVMG verlängert wurde.466 Fehlt es an einem (wirksamen) Bestellungsbeschluss bildet die Verletzung des Verwaltervertrags die Haftungsgrundlage. 198 Umstritten ist, auf welcher Grundlage sich eine Haftung des Verwalters begründen lässt,
wenn sowohl der Bestellungsakt als auch der Verwaltervertrag keine Wirkung entfalten. In dieser Konstellation wird teils eine Haftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. BGB) oder aus Delikt (§§ 823 ff. BGB) in Betracht gezogen.467 Andererseits wird ein gesetzliches Schuldverhältnis kraft faktischer Amtsübernahme bejaht.468 Angesichts der Annäherung des WEG-Rechts an das Gesellschaftsrecht werden die Grundsätze des fehlerhaften Anstellungsvertrages zu übernehmen sein und von einem gesetzlichen Schuldverhältnis auszugehen sein, wenn der Verwalter seine Tätigkeit aufgenommen hat und dies mit Wissen und Wollen des Verbandes, als seinem Vertragspartner geschah.469 b) Anspruchsberechtigter grundsätzlich Verband 199 Die Ansprüche aus der Verletzung des Verwaltervertrags stehen im Grundsatz nur der Ge-
meinschaft der Wohnungseigentümer zu.470 Ob in Einzelfällen auch weiterhin ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer in Betracht kommt, ist hoch umstritten (s. Rz. 274 ff.). c) Pflichtverletzung 200 Eine Haftung des Verwalters setzt eine Verletzung der ihm obliegenden Pflichten voraus.
Diese kann sich aus seiner Organstellung aber auch aus dem Verwaltervertrag ergeben.
463 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 52; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1921. 464 LG Berlin v. 2.2.2018 – 85 S 98/16 WEG, NZM 2018, 874; LG München I v. 7.11.2013 – 36 S 16560/12 WEG, ZWE 2014, 280, 281; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 186; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 109; Vandenhouten, ZWE 2012, 237. 465 LG Nürnberg-Fürth v. 1.12.2010 – 14 S 828/10, ZMR 2011, 327; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 188; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 145. 466 Ausf. auch zum Streitstand Zschieschack in Schmidt, Covid-19, § 4 Rz. 92 ff.; i.E. wie hier Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 243. 467 Ähnlich BGH v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106 f. = ZMR 1997, 308. 468 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 145; Greiner in BeckOGK, 1.3.2023, § 26 WEG Rz. 229; Bub, PiG 30, S. 13, 29 f. 469 Umfassend dazu Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 243 ff.; zur Rechtslage bei der GmbH BGH v. 16.1.1995 – II ZR 290/93; WM 1995, 614. 470 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 52; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1921; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 43.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 205 § 27 WEG
aa) Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Beschlüssen An einer solchen Pflichtverletzung fehlt es, wenn der Verwalter einen bestandskräftigen Be- 201 schluss der Wohnungseigentümer, der nicht nichtig ist, vollzieht. Gleiches gilt aber auch, wenn ein Beschluss anfechtbar ist, selbst wenn er angefochten wurde (s. Rz. 18 ff.).471 Im Gesellschaftsrecht wird dies allerdings überwiegend anders gesehen.472 Angesichts des klaren Wortlauts des § 23 Abs. 4 ist jedoch an der bisherigen Vollziehungspflicht festzuhalten.473 Die Situation unterscheidet sich auch deutlich vom Aktienrecht, wo dem Vorstand in § 245 Nr. 5 AktG ein eigenes Anfechtungsrecht zugebilligt wird, so dass dort die Auffassung, es bestehe vor Ausführung eines Beschlusses eine Amtspflicht zur Rechtmäßigkeitskontrolle,474 im Gesetz angelegt ist. Das System des WEG beschränkt die Möglichkeit der Rechtmäßigkeitskontrolle auf die Wohnungseigentümer. Der Verwalter hat nach Beschlussfassung diesen lediglich zu vollziehen. Vollzieht der Verwalter hingegen einen nichtigen Beschluss, begeht er eine Pflichtverletzung, 202 denn dieser Beschluss entfaltet keine Rechtswirkung (s. Rz. 14 ff.). Erhebliche Pflichten hat der Verwalter im Rahmen der Beschlussvorbereitung (s. Rz. 8). 203 Verletzt der Verwalter diese, handelt er pflichtwidrig. Dies kann sowohl darin liegen, dass er die Eigentümer nicht hinreichend auf eine erforderliche Beschlussfassung vorbereitet, diese also einen gebotenen Beschluss nicht fassen. Möglich ist aber auch, dass der Verwalter über bestehende Anfechtungsrisiken nicht aufklärt.475 Diese Risikoaufklärung gehört zum Kerngeschäft des Verwalters und stellt eine nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 RDG erlaubte Rechtsdienstleistung dar.476 bb) Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 Aus der Erweiterung des Tätigkeitsfeldes in § 27 Abs. 1 folgen vielfältige Haftungsrisken für 204 den Verwalter. Zunächst liegt eine Pflichtwidrigkeit vor, wenn der Verwalter eine in seinen Aufgabenbereich fallende Maßnahme unterlässt, also beispielsweise notwendige Erhaltungsmaßnahmen weder selbst vornimmt, noch den Erhaltungsbedarf ermittelt und/oder die Eigentümer informiert. Nach neuem Recht wird nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen sein, wenn Verstößen gegen die Hausordnung oder das Binnenrecht nicht nachgegangen wird und dadurch Schäden entstehen, etwa indem baulich Maßnahmen in die Bausubstanz engreifen oder Ansprüche zu verjähren drohen. Der Verlust von Ansprüchen ist im Bereich des Hausgeldinkassos vom Verwalter zu verhindern. Pflichtwidrig handelt der Verwalter zudem, wenn er die ihm durch § 27 Abs. 1 zugewiesenen 205 Kompetenzen im Innenverhältnis überschreitet. In diesen Fällen wird sich aber stets die Frage stellen, ob die Kompetenzüberschreitung pflichtwidrig war (s. Rz. 208), denn hier besteht für den Verwalter häufig eine Dilemmasituation477, in der für ihn kaum vermeidbar ist, dass ihm entweder aus dem Handeln oder dem Nichthandeln ein Vorwurf gemacht wird. Eine Verpflichtung in Zweifelsfällen das Votum der Eigentümerversammlung einzuholen, de471 BGH v. 3.2.2012 – V ZR 83/11, ZWE 2012, 218, 219; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/ Vandenhouten, § 23 WEG Rz. 90; Emmerich in Bärmann/Pick, § 23 WEG Rz. 83; Zschieschack, ZMR 2020, 387. 472 Dauner-Lieb in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 83 AktG Rz. 6; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, § 83 AktG Rnz 9. 473 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 46. 474 Dazu Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, § 83 AktG Rz. 9 m.w.N. 475 BGH v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, NZM 2020, 801 Rz. 29 = ZWE 2020, 379 (Wobst). 476 BGH v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, NZM 2020, 801 Rz. 29 = ZWE 2020, 379 (Wobst unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/3655. 56). 477 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 55. Zschieschack | 1381
§ 27 WEG Rz. 205 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters ren Unterlassung ihrerseits eine Pflichtverletzung darstellen würde, hat der BGH zu Recht abgelehnt.478 Liegt eine Pflichtverletzung vor, stellt sich die Frage, ob dem Verband dadurch ein Schaden entstanden ist (s. Rz. 228 ff.). Im Regelfall keine Pflichtwidrigkeit stellt es dar, wenn der Verwalter von seinem Recht Gebrauch macht, eine Weisung der Eigentümer auf einer Versammlung einzuholen, auch wenn hierin im Einzelfall eine Kompetenzunterschreitung liegt.479 Die GdWE hat eine entsprechende Beschlusskompetenz in zweifelhaften Fällen, dem Verwalter eine Weisung zu erteilen.480 In eindeutigen Fällen mag man allerdings überlegen können, ob die Kosten der Versammlung nötig waren, wenn zweifelsfrei erkennbar war, dass der Verwalter ohne Beschluss nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 handeln durfte. Eine Haftung kann eher in den Fällen des § 27 Abs. 1 Nr. 2 bestehen, wenn die abzuwendende Gefahr ein Abwarten bis zu einer Versammlung nicht gestattet. Dann muss der Verwalter unverzüglich handeln. Ebenfalls kann hier eine Pflichtverletzung darin liegen, dass der Verwalter nicht unter Abkürzung der Ladungsfristen zu einer Versammlung lädt oder gar bis zur regulären nächsten Versammlung wartet, wenn dadurch eine Schadensvertiefung droht.481 cc) Sonstige Pflichtverletzungen 206 Pflichtverletzungen können vorliegen, wenn der Verwalter seinen im WEG bestimmten
Pflichten nicht nachkommt, also etwa nicht zu einer Versammlung einberuft, keine Abrechnungen und Wirtschaftspläne vorlegt. Ein wesentlicher Anwendungsfall wird sich aus der Kombination der weitgehend unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht im Außenverhältnis und der Möglichkeit von engen Beschränkungen im Innenverhältnis ergeben. Überschreitet der Verwalter – im Außenverhältnis für den Verband bindend – die Vorgaben im Innenverhältnis begeht er eine Pflichtverletzung.482 dd) Maßstab der Pflichtverletzung 207 In vielen Fällen hat der Verwalter einen Ermessensspielraum, wie er handelt. Insoweit liegt
keine Pflichtverletzung vor, wenn sich seine Maßnahme in diesem Spielraum bewegt.483 Anzuwenden sind auch hier die Grundsätze der Ermessensfehlerlehre. Hierzu gehört insbesondere eine sachgerechte Ermittlung der Grundlagen der Ermessensentscheidung, also die Klärung der Tatsachengrundlage. Dazu gehört in Fällen, in denen der Verwalter selbsttätig über eine Auftragsvergabe entscheiden kann, dass das Spektrum des Marktes ermittelt wird, wobei hier – ebenso wie bei Entscheidungen der Eigentümer – üblicherweise ausreichen dürfte, wenn drei Angebote eingeholt werden oder aber dem Verwalter – etwa aufgrund seiner Erfahrungen aus der Vergangenheit oder anderweitiger Tätigkeit – der übliche Preis bekannt ist. 208 Kommt dem Verwalter zwar kein Ermessen zu, muss er bei der Frage, ob und wie er tätig
wird, aber einen unbestimmten Rechtsbegriff auslegen, etwa bezüglich der Aufgaben des § 27 Abs. 1 Nr. 1, wird man dem Verwalter einen Beurteilungsspielraum einräumen müs-
478 BGH v. 18.10.2019 – V ZR 188/18 – NZM 2020, 330 Rz. 15 = ZWE 2020, 188 (Sommer). 479 Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 53 unter Verweis auf § 119 Abs. 2 AktG; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 58; anders kein Verschulden Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 509a. 480 BGH v. 16.9.2022 – V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rz. 15 ff. 481 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 58. 482 Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 12. 483 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 517.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 211 § 27 WEG
sen. Die vom BGH für den Fall einer Veräußerungszustimmung (§ 12) entwickelten Grundsätze wird man hier zu übertragen haben.484 Demnach setzt eine Haftung voraus, dass die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten sind, was erst dann der Fall ist, wenn die Entscheidung offensichtlich unvertretbar und nicht mehr nachvollziehbar ist.485 Hier und nicht wie im sonstigen Verbandsrecht auf der Ebene des Verschuldens liegt für den Verwalter die nötige Haftungsprivilegierung. Für eine Übernahme der im Gesellschaftsrecht anerkannten Buisiness Judgment Rule, die unternehmerische Entscheidungen in weitem Umfang vom Vorwurf einer Pflichtverletzung ausnimmt und in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifiziert wurde486, besteht kein Anlass. Die Tätigkeit eines Verwalters unterscheidet sich grundlegend von der eines unternehmerisch tätigen Geschäftsführers oder Vorstandes. Risikoreiche unternehmerische Entscheidungen liegen nicht in der Kompetenz des Verwalters.487 d) Verschulden des Verwalters Der Verwalter hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Da insoweit § 280 Abs. 1 Satz 2 209 BGB gilt, ist es Aufgabe des Verwalters, sich zu entlasten.488 Dabei sind hohe Anforderungen zu stellen. Die dem Verwalter im Rahmen des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegende erforderliche Sorgfalt 210 bemisst sich nach der Sorgfalt eines durchschnittlichen und gewissenhaften Verwalters.489 Soweit er über besondere Sachkunde verfügt, hat er sich daran messen zu lassen.490 Ist der Verwalter Kaufmann, so hat er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB) zu beachten.491 Ist er der teilende Bauträger, so hat er auch die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Bauträgers anzuwenden.492 Einem gewerblichen Verwalter müssen seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten be- 211 kannt sein.493 Man wird für ihn den in der Anlage 1 der MaBV Teil B. enthaltenen Weiterbildungskatalog als objektiven Maßstab seiner berufsspezifischen Sorgfaltspflichten ansehen dürfen und entsprechende Grundkenntnisse auf den dort genannten Gebieten voraussetzen können. In den in Anlage 1 der MaBV Teil B. 3.2. (Rechnungslegung des WEG-Verwalters) und 4. (Verwaltung von Wohnungseigentumsobjekten) bezeichneten Materien wird man sogar vertiefte Kenntnisse verlangen müssen. Nach Inkrafttreten des § 26a werden die Anforde-
484 BGH v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, NZM 2020, 801 Rz. 29 = ZWE 2020, 379 (Wobst); Dötsch/ Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 56; Hügel/Elzer, § 27 WEG Rz. 12. 485 BGH v. 18.10.2019 – V ZR 188/18 – NZM 2020, 330 Rz. 14 = ZWE 2020, 188 (Sommer). 486 Vgl. für den Geschäftsführer der GmbH Beurskens in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rz. 33 ff.; für die Ag Dauner-Lieb in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 93 AktG Rz. 17 ff.; jew. m.w.N. 487 Dötsch in Bärmann, § 18 Rz. 212; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 59. 488 LG München I v. 16.9.2013 – 1 S 21191/12 WEG, ZWE 2014, 185, 186. 489 BayObLG WE 1988, 31; LG Hamburg v. 15.11.2012 – 318 S 225/10, ZWE 2013, 221, 222; LG München I v. 16.9.2013 – 1 S 21191/12, ZMR 2014, 145, 147; großzügiger auf den konkreten Verwalter abstellend Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 525. 490 BayObLG WE 1991, 22, 23 = ZMR 1990, 65, 67; LG Köln v. 27.1.2011 – 29 S 121/10, ZMR 2011, 502, 503. 491 BGH v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, MDR 1996, 787 = NJW 1996, 1216 f.; LG Berlin v. 22.6.2018 – 85 S 23/17, ZMR 2018, 843, 844; LG Hamburg v. 9.4.2013 – 318 T 17/12, ZMR 2013, 988 f.; LG München I v. 31.3.2016 – 1 S 19002/11 WEG, ZWE 2016, 282, 283. 492 OLG München v. 25.9.2008 – 32 Wx 79/08, NZM 2008, 895. 493 OLG Frankfurt v. 20.12.2004 – 20 W 209/04, NZM 2005, 951; LG Berlin v. 22.6.2018 – 85 S 23/17, ZMR 2018, 843, 845; LG Hamburg v. 8.6.2016 – 318 S 18/15, ZMR 2016, 725, 726 = MietRB 2016, 356 (Heinemann); LG München I v. 16.9.2013 – 1 S 21191/12, ZMR 2014, 145, 147. Zschieschack | 1383
§ 27 WEG Rz. 211 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters rungen an einen zertifizierten Verwalter bzw. Verwaltern, die dem gleichgestellt sind (§ 26a Abs. 2), steigen.494 212 Bislang wurden für Amateurverwalter geringere Haftungsanforderungen gestellt,495 wobei
allerdings nicht alleine die Unentgeltlichkeit zur Haftungsreduzierung führen sollte.496 Hieran wird nicht mehr festzuhalten sein.497 Durch die WEG-Reform 2020 ist die Stellung des Verwalters deutlich gestärkt worden, was mit einer grundsätzlichen Verpflichtung zur Zertifizierung einherging. Für eine Haftungsmilderung im Bereich einer nicht professionellen Verwaltung ist daher kein Raum mehr.498 Gegen derartige Überlegungen spricht zudem, dass der Gesetzgeber für den ehrenamtlichen Beirat eine entsprechende Haftungsprivilegierung in § 29 Abs. 3 geregelt hat, für einen entsprechend tätigen Verwalter aber keinen Anlass sah. Damit entspricht auch insoweit das WEG-Recht dem übrigen Verbandsrecht, wo Haftungsmilderungen, wenn sie nicht im Gesetz begründet werden (§ 31a BGB für den Verein) für eine unentgeltliche Tätigkeit abgelehnt werden.499 213 Auf Empfehlungen und Ratschläge eines Fachmanns darf der Verwalter grundsätzlich ver-
trauen,500 nicht jedoch auf Auskünfte eines Mieters.501 Soweit Wartungsarbeiten des beauftragten Handwerksbetriebs abgeschlossen sind und etwa der Hausmeister die Erledigung eines erbetenen Dichtigkeitstests mitgeteilt hat, darf der Verwalter davon ausgehen, dass keine weiteren Maßnahmen bzgl. eines Wassereintritts eingeleitet werden müssen.502 Die Entscheidung, ob ein Beschluss vollständig ausgeführt wurde oder nicht, darf der Verwalter aber nicht Dritten überlassen.503 214 Auch Rechtsirrtümer, die auf einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage beruhen, können
entschuldigend wirken. Ob eine Weisung der Wohnungseigentümer das Verschulden des Verwalters entfallen lässt, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere davon, ob der Verwalter gewerblich tätig ist oder in Zukunft ein zertifizierter Verwalter ist, ggf. auch ob er für die in Frage stehende Tätigkeit eine Sondervergütung erhält und ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt.504 Es besteht kein Vertrauensschutz auf den Inhalt einer notariell beurkundeten Teilungserklärung, allenfalls auf den Inhalt des Grundbuchs (§ 891 BGB). Den beurkundenden Notar treffen gegenüber dem nicht an der Urkunde beteiligten Verwalter keine Beratungs-, Belehrungs- oder Hinweispflichten, selbst wenn er Miteigentümer der Wohnanlage ist.505
494 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 61; Lehmann-Richter/Wobst, WEGReform 2020, Rz. 525. 495 BGH v. 7.7.2016 – V ZB 15/14, NZM 2017, 42 Rz. 23; OLG München v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/ 05, ZWE 2007, 100, 102; LG München I, Beschluss v. 29.4.2014 – 1 T 18206/12, ZWE 2015, 57, 58; LG Stuttgart v. 7.4.2015 – 19 T 54/15, ZWE 2016, 50; Hügel/Elzer, § 26 WEG Rz. 387. 496 OLG München v. 15.5.2006 – 34 Wx 156/05, ZWE 2007, 100, 103; Hügel/Elzer, § 26 WEG Rz. 387; Schultz, ZWE 2009, 161, 163. 497 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 62; Wobst, ZWE 2020, 383, 385; großzügiger weiterhin Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 54; Hügel/Elzer, § 26 WEG Rz. 387. 498 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 62; Wobst, ZWE 2020, 383, 385. 499 Für den GmbH Geschäftsführer Ziemons/Pöschke, BeckOK GmbHG, 1.11.2022, § 43 GmbHG Rz. 297. 500 OLG Düsseldorf v. 29.6.1998 – 3 Wx 190/98, ZMR 1998, 654 = NZM 1998, 721 = WuM 1998, 683, 684. 501 AG Hamburg-Wandsbek v. 3.2.2015 – 750 C 16/14, ZMR 2015, 583, 584. 502 LG Lüneburg v. 3.11.2011 – 9 S 16/11, BeckRS 2012, 02781; v. 8.12.2011 – 9 S 16/11, ZMR 2012, 392. 503 LG Hamburg v. 15.11.2012 – 318 S 225/10, ZWE 2013, 221, 222. 504 Vgl. BGH v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, MDR 1996, 1216 ff. = NJW 1996, 1216. 505 A.A. AG Dippoldiswalde v. 25.4.2013 – 2 C 804/12, ZMR 2013, 837, 838.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 218 § 27 WEG
Auch gegen den Geschäftsführer einer Verwalter-GmbH kommt eine Durchgriffshaftung in 215 Betracht, wenn der Geschäftsführer in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (§ 311 Abs. 2 BGB),506 ansonsten ist sein Verhalten der GmbH entsprechend § 31 BGB zuzurechnen.507 Für ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen hat der Verwalter nach § 278 BGB einzuste- 216 hen.508 Dies betrifft insbesondere Mitarbeiter des Verwalters oder Dritte, die er etwa zur Vorbereitung der Jahresabrechnung heranzieht.509 Die Eigentümer waren schon bisher keine Erfüllungsgehilfen des Verwalters.510 Beauftragt der Verwalter, wie in einem Beschluss vorgesehen, einen Dritten, ist dieser kein 217 Erfüllungsgehilfe.511 Diese schon bisher herrschende Auffassung gilt im neuen Recht fort, denn nun ist es Aufgabe des Verbandes, die Beschlüsse zu vollziehen (§ 18 Abs. 1). Auch vom Verwalter beauftragte Rechtsanwälte sind nicht dessen Erfüllungsgehilfen, ihn treffen auch keine Überwachungspflichten, so dass er für deren Pflichtverletzungen nicht einstehen muss.512 Die zur Durchführung von beschlossenen Instandsetzungsarbeiten beauftragten Unternehmen oder Architekten gehören ebenfalls nicht zu seinen Erfüllungsgehilfen.513 Anders liegt es, wenn der Verwalter im Beschluss selbst mit der Durchführung einer Maßnahme – etwa Bauüberwachung oder Prozessführung – beauftragt wird, dann muss er sich das Fehlverhalten eines von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.514 e) Haftungsbegründende Kausalität Für den konkreten Schadenseintritt muss die Pflichtverletzung des Verwalters ursächlich ge- 218 wesen sein. In vielen Fällen wird hier die vom BGH bereits in anderen Bereichen der Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Beratungs- und Aufklärungspflichten übernommene Kausalitätsvermutung515 anzuwenden sein. Demnach besteht immer dann, wenn dem Verwalter Überwachungs-, Kontroll- und Unterrichtungspflichten zukommen, eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Pflichtverletzung für den Schaden kausal war, denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass sachgerechte Beschlüsse gefasst werden, wenn diese zutreffend vorbereitet worden sein, auch wenn ein Ermessensspielraum bezüglich der konkreten Vorgehensweise besteht.516 Diese zwar noch zum alten WEG-Recht ergangene Rechtsprechung des BGH ist auch weiterhin anzuwenden, denn die Verlagerung der Verwaltungsbefugnis von den Eigentümern auf den Verband hat an den Kausalitätsanforderungen nichts geändert, da auch weiterhin die Beschlüsse auf der Eigentümerversammlung zu fassen sind.517 Anders als der II. Zivilsenat des BGH im Kapitalanlagerecht518 führt nach der Recht-
506 LG Krefeld v. 2.5.2006 – 5 O 233/05, ZMR 2007, 72, 73 f. 507 LG München I v. 16.9.2013 – 1 S 21191/12, ZMR 2014, 145, 147 f. 508 OLG München v. 24.7.2006 – 32 Wx 77/06, ZMR 2006, 883, 884; Niedenführ in Niedenführ/ Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 147. 509 Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 Rz. 134; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 351. 510 AG München v. 28.4.2011 – 483 C 31891/10, ZMR 2012, 232, 233. 511 Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 Rz. 134. 512 Vgl. LG München I v. 5.6.2014 – 36 S 6718/13, ZMR 2014, 918, 919. 513 BayObLG v. 21.5.1992 – 2Z BR 6/92, BayObLGZ 1992, 146 = NJW-RR 1992, 1102; v. 11.4.2002 – 2Z BR 85/01, ZMR 2002, 689 = NZM 2002, 564, 567; OLG Düsseldorf v. 29.6.1998 – 3 Wx 190/ 98, ZMR 1998, 654 = NZM 1998, 721; LG Hamburg v. 7.6.2010 – 318 T 12/08, ZMR 2011, 499, 501. 514 Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 Rz. 134. 515 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 39. 516 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 39. 517 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 49. 518 Vgl. nur BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 = NJW 2012, 2427 Rz. 29. Zschieschack | 1385
§ 27 WEG Rz. 218 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters sprechung des V. Zivilsenats des BGH diese Kausalitätsvermutung aber nicht zu einer Beweislastumkehr sondern nur zu einer Beweiserleichterung wie bei einem Anscheinsbeweis. Daher muss der Verwalter nicht den Gegenbeweis führen, ausreichend ist, wenn er die Vermutung erschüttert.519 Daher genügt es, wenn der Verwalter ein atypisches Geschehen vorträgt, dass den Schluss zulässt, auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Verwalters wäre der Schaden eingetreten.520 219 Steht allerdings sogar fest, dass die Wohnungseigentümer auch bei einem rechtzeitigen Hin-
weis des Verwalters auf eine drohende Verjährung von Mängelansprüchen nicht gegen den Bauträger vorgegangen wären, fehlt es an der Kausalität der Pflichtverletzung.521 An der Kausalität kann es zudem fehlen, wenn die Gemeinschaft keine klare Entscheidung trifft und deshalb weitere Maßnahmen verzögert.522 Trifft die Gemeinschaft einen rechtswidrigen Beschluss, so ist der Verwalter dennoch verpflichtet, diesen umzusetzen; in diesem Fall kann es der Kausalität seines Handelns bzw. Unterlassens fehlen, z.B. entfällt ab diesem Zeitpunkt seine Haftung wegen einer zu Unrecht verweigerten Zustimmung i.S. des § 12.523 Die Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Anzeigepflicht ist nicht ursächlich für eine bestandskräftig beschlossene und öffentlich-rechtlich genehmigte Maßnahme.524 Zugerechnet werden können dem Verwalter keine Schäden, die außerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. So soll die Anmeldung von Wohngeldforderungen im Zwangsversteigerungsverfahren den säumigen Wohnungseigentümer nicht davor schützen, wegen an sich vorrangiger Forderungen außerhalb des Verfahrens in Anspruch genommen werden zu können.525 f) Deliktische Haftung 220 Daneben haftet der Verwalter auch aus unerlaubter Handlung, insbesondere aus § 823
Abs. 1 BGB wegen einer der dort genannten Rechtsgutsverletzungen (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum) oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz, beispielsweise einer Straftat aus § 266 StGB wegen Veruntreuung gemeinschaftlicher Gelder (s. Rz. 284 ff.)526 oder aus § 263a StGB wegen Kreditkartenmissbrauchs.527 Weitere Schutzgesetze können sich auch aus dem öffentlichen Recht (z.B. dem Bauordnungsrecht) ergeben.528 g) Schaden 221 Der entstandene Schaden ist nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu ersetzen. Es gilt der
Grundsatz der Naturalrestitution. Zu beachten ist, dass der Schaden im Verbandsvermögen entstanden sein muss. Hier ist allerdings genau danach zu differenzieren, ob der Schaden bei 519 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 40; zweifelnd noch BGH v. 15.7.2016 – V ZR 168/15, NZM 2017, 483 Rz. 21. 520 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 49. 521 OLG Düsseldorf v. 27.5.2002 – 3 Wx 148/01, NJW-RR 2002, 1592 = ZMR 2002, 857 = NZM 2002, 707. 522 AG Hamburg-Blankenese v. 12.8.2009 – 539 C 50/08, ZMR 2011, 331. 523 AG Pinneberg v. 26.1.2016 – 60 C 67/14, ZMR 2016, 497. 524 BGH v. 3.2.2012 – V ZR 83/11, ZWE 2012, 218, 219. 525 LG Köln v. 5.9.2013 – 29 S 40/13, ZWE 2014, 135, 136. 526 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224 = MDR 1996, 86 = NJW 1996, 65; BayObLG v. 19.9.2001 – 2Z BR 98/01, ZMR 2002, 141; OLG Köln v. 22.4.2002 – 16 Wx 55/02, MDR 2003, 111; LG Krefeld v. 8.12.2006 – 5 O 491/04, ZMR 2007, 311 f.; AG Hannover v. 21.4.2006 – 70 II 169/06, ZMR 2007, 75 (Haftung des veruntreuenden Geschäftsführers der Verwalter-GmbH); Emmerich in Bärmann/Pick, § 27 Rz. 141. 527 OLG München v. 24.7.2006 – 32 Wx 77/06, ZMR 2006, 883, 884: Haftung für Angestellte, die Kreditkarte der Gemeinschaft missbräuchlich verwendet hat. 528 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 210.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 224 § 27 WEG
der Gemeinschaft entstanden ist, es muss also eine Schmälerung des Gemeinschaftsvermögens eingetreten sein.529 Rechtsprechung aus der Zeit vor 2020 ist daher nur noch mit Vorsicht anzuwenden. Entsteht durch ein Handeln des Verwalters ein Schaden am Sondereigentum liegt der Scha- 222 den des Verbandes in dem Erstattungsanspruch, der dem Eigentümer gegen den Verband für das Handeln des Verwalters als Verbandsorgan zusteht.530 Führt ein vom Verwalter nicht rechtzeitig angezeigter Mangel zu einer Mietminderung oder einer Kündigung des Mietverhältnisses, so ist der Mietausfall zu ersetzen, allerdings erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Gemeinschaft über eine Mängelbeseitigung bei rechtzeitiger Unterrichtung durch den Verwalter beschlossen hätte.531 Dabei muss ein angemessener Zeitraum für die einzelnen Sanierungsschritte einkalkuliert werden.532 Liegt der Schaden im gemeinschaftlichen Eigentum, etwa weil Beschlüsse nicht umgesetzt 223 werden oder der Verwalter Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 entgegen seiner Handlungspflicht nicht vorgenommen hat, entsteht dadurch allerdings noch kein unmittelbarer Schaden des Verbandes, denn dieser ist nicht Eigentümer. Allerdings hat die Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Verwaltung nun gegenüber den Eigentümern die Wohnungseigentümergemeinschaft (§§ 18, 19) zu erfüllen, so dass insoweit ebenfalls durch eine Pflichtverletzung ein Regressschaden entsteht.533 Zudem hat die Gemeinschaft nach § 9a Abs. 2 die alleinige Ausübungsbefugnis für Schadensersatzansprüche betreffend das Gemeinschaftsvermögen, worunter vor allem deliktische Ansprüche fallen.534 Typische Beispiele sind hier etwa unterlassene Erhaltungsmaßnahmen, die auf ein Verschulden des Verwalters zurückzuführen sind.535 Ebenso in Folge des Fehlverhaltens des Verwalters verjährte Mängelrechte aus dem Bauträgervertrag.536 Ist das Verbandsvermögen unmittelbar geschädigt, etwa durch unberechtigte Ausgaben des 224 Verwalters oder von ihm verschuldeter Prozesskosten, ist ein originärer Schaden der Gemeinschaft entstanden. Entgegen einer früher vertretenen Auffassung entfällt der Schaden nicht dadurch, dass er auf die Eigentümer in der Jahresabrechnung umgelegt wird,537 denn durch einen derartigen Ausgleich entfällt ein Schaden, der einmal im Verbandsvermögen eingetreten ist, nicht.538 Dieser Auffassung folgt nunmehr auch der BGH.539 Die Eigentümer kommen nur ihrer Verpflichtung nach, den Verband mit den erforderlichen Mitteln zur Erfüllung des Verbandszwecks auszustatten.
529 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 527; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 65. 530 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 527; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 65. 531 LG München I v. 15.10.2012 – 1 S 26801/11, ZWE 2013, 270, 272 = MietRB 2013, 179 (Heinemann). 532 AG Hamburg v. 18.6.2013 – 102d C 74/12, ZMR 2013, 839: ein Zeitraum von mehr als 1,5 Monaten kann hierfür durchaus erforderlich sein. 533 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 527. 534 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 527. 535 Einzelbeispiele bei Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 359. 536 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60. 537 Vgl. BGH v. 8.2.2019 – V ZR 153/18, ZWE 2019, 367 Rz. 10; noch deutlicher Drasdo, NZM 2019, 132, 133. 538 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 65, Kap. 7, Rz. 41; Dötsch, ZWE 2020, 113, 119; i.E. ebenso Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 532; zum alten Recht schon ebenso KG v. 28.1.2010 – 24 W 43/09, ZMR 2010, 467; vgl. auch Jacoby, FS Riecke, 2019, S. 247, 261. 539 BGH v. 21.4.2023 – V ZB 86/22, juris Rn. 31. Zschieschack | 1387
§ 27 WEG Rz. 225 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters 225 Ersatzfähige Aufwendungen für eine unnötige Eigentümerversammlung sind anfallende
Raumkosten, nicht jedoch etwaige Verpflegungskosten.540 Bei Abschluss eines für die Gemeinschaft wirtschaftlich nachteiligen Vertrags schuldet der Verwalter die Mehrkosten (z.B. die überhöhte Versicherungsprämie).541 Haben Fehler des Verwalters zum Verlust einer Beschlussklage geführt, sind die Prozesskosten erstattungsfähig.542 Ein Schadensersatzanspruch lässt nicht etwa den Vergütungsanspruch des Verwalters entfallen, sondern ermöglicht den Wohnungseigentümern die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten und eine Aufrechnung.543 h) Mitverschulden, Vorteilsausgleich 226 Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) kann den Ersatzanspruch im Grundsatz mindern oder aus-
schließen. In Betracht käme insoweit jedoch allenfalls ein Mitverschulden des Verbandes oder eines ihm zuzurechnenden Organes. Ein derartiger Einwand dürfte dem Verwalter indes im Regelfall nicht zustehen.544 Der BGH hat für das Gesellschaftsrecht bei einer Organhaftung für das Organ den Einwand ausgeschlossen, dass für den Schaden ein anderes Organ – etwa aufgrund mangelhafter Überwachung – mitverantwortlich ist. Die Organe stehen nebeneinander und erfüllen ihre Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, so dass sie auch dieser gegenüber für einen entstandenen Schaden vollumfänglich haften.545 Dies gilt auch für ein eventuelles Mitverschulden des Aufsichtsrates bei der Haftung eines Vorstandsmitglieds.546 Diese Rechtsprechung wird man in der neuen Struktur auch auf die GdWE zu übertragen haben. Bisherige entgegenstehende Rechtsprechung547 ist überholt. In vielen Fällen wird es allerdings bereits an einem Verschulden des Verwalters fehlen, so dass es auf ein Mitverschulden nicht (mehr) ankommt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Verwalter einen fehlerhaften Beschluss ausführt, obwohl er vor Beschlussfassung seiner Hinweispflicht nachgekommen ist. Die fehlende Möglichkeit sich im Verhältnis zur GdWE auf ein Mitverschulden zu berufen, schließt es allerdings im Grundsatz nicht aus, dass bei einem ebenfalls vorliegenden Verschulden eines anderen Organs – in der Praxis vor allem des Verwaltungsbeirats – bei diesem gem. § 426 BGB Regress zu nehmen.548 Im Regelfall wird aber eine Mithaftung des Beirats wegen eines Überwachungsverschuldens nicht zu einem Ausgleichsanspruch führen, wenn der Verwalter den Schaden verursacht hat. In diesen Fällen hat der unmittelbar Verantwortliche den Schaden alleine zu tragen.549 227 Ein Mitverschulden einzelner Wohnungseigentümer kommt im Grundsatz nicht mehr in
Betracht, denn den Eigentümern ist nach neuem Recht die Verwaltung des gemeinschaftli540 AG Bremen-Blumenthal v. 8.3.2013 – 44 C 2032/12, ZMR 2013, 663. 541 LG Frankfurt/M v. 24.11.2015 – 2-09 S 62/13, ZMR 2016, 981, 982. 542 Ausf. mit umfassender Übersicht einzelner Fallkonstellationen Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 358. 543 BayObLG v. 13.2.1997 – 2Z BR 132/96, FGPrax 1997, 136. 544 Überzeugend Dötsch in Bärmann, § 18 Rz. 201; anders noch 7. Aufl. Rz. 226; ebenso Hogenschurz in Jennißen § 29 Rz. 54. 545 BGH v. 20.11.2014 – III ZR 509/13, NZG 2015, 38 – für Stiftungen; BGH v. 26.11.2007 – II ZR 161/06, NZG 2008, 104 – für GmbH Geschäftsführer; BGH v. 14.2.1985 – IX ZR 145/83 – Geschäftsführer eines Sozialversicherungsträges. 546 BGH v. 20.11.2014 – III ZR 509/13, NZG 2015, 38 Rz. 22 unter Bezugnahme auf RG JW 1920, 1032; Koch, AktG § 48 Rz. 5. 547 LG Köln v. 18.12.2014 – 29 S 75/14, ZWE 2015, 418 = MietRB 2015, 272; allerdings kann bei einem überwiegenden Verschulden des gewerbsmäßig und langjährig tätigen Verwalters der Mitverschuldenseinwand unberücksichtigt bleiben: LG Berlin v. 22.6.2018 – 85 S 23/17, ZMR 2018, 843, 846; aA Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 213. 548 Zum Gesellschaftsrecht Fleischer in MüKoGmbHG, 4. Aufl., § 43 GmbHG Rz. 388. 549 Näher Fleischer in MüKoGmbHG, 4. Aufl., § 43 GmbHG Rz. 388 auch zu Gegenauffassungen.
1388 | Zschieschack
VII. Haftung des Verwalters | Rz. 229a § 27 WEG
chen Eigentums entzogen. Lediglich in den Fällen, in denen der Regressschaden eines Eigentümers den vom Verband zu ersetzenden Schaden darstellt, ist auf der Ebene des Anspruchs des Eigentümers gegen den Verband zu prüfen, inwieweit ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung der Schadensentstehung vorliegt.550 Auf dieser Ebene – und nicht bei dem Mitverschuldenseinwand – kann ein Verhalten einzelner Eigentümer auch bei einem Ersatzanspruch gegen den Verwalter relevant werden.551 Im Bereich der Kompetenzüberschreitung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 stellt sich die Frage, ob ein 228 Vorteilsausgleich vorzunehmen ist, wenn sich die Maßnahme letztlich auf das gemeinschaftliche Eigentum positiv ausgewirkt hat. Diese Frage stellte sich bislang kaum. Zwar wurde vereinzelt vertreten, dass wenn die schädigende Handlung des Verwalters zu einem materiellen Vorteil der Gemeinschaft geführt hat, dieser im Rahmen einer Vergleichsbetrachtung auszugleichen war.552 Häufig kam es aber nicht dazu, weil es an einer Vertretungsbefugnis des Verwalters fehlte, und dann ein Fall aufgedrängter Bereicherung vorlag.553 Hier haben sich die Paradigmen verschoben, denn nunmehr kann im Außenverhältnis der 229 Verwalter nahezu unbeschränkt handeln, während sein Handlungsspielraum im Innenverhältnis beschränkt ist. Im Gesellschaftsrecht ist anerkannt, dass alleine die Kompetenzüberschreitung nicht zu einem Schaden führt, sondern die Möglichkeit besteht, darzulegen und zu beweisen, dass durch das Handeln der Gesellschaft kein Schaden entstanden ist.554 Allerdings muss die – etwa für den GmbH-Geschäftsführer – dahinter liegende Argumentation, dass ein Verstoß gegen die Kompetenzregelung des § 43 Abs. 2 GmbHG nicht automatisch zu einem Schaden führt,555 nicht zwingend auf das Wohnungseigentumsrecht zu übertagen sein, denn der Geschäftsführer ist zu unternehmerischen Entscheidungen befugt, demgegenüber sieht das WEG klare Kompetenzabgrenzungen vor, die häufig gefahrlos unterlaufen werden könnten, wenn es letztlich auf eine ex post Betrachtung ankommt, ob durch die Kompetenzüberschreitung ein Schaden entstanden ist oder nicht.556 Zum alten Recht hat der BGH dem Entscheidungsspielraum der Eigentümer stets besondere Bedeutung beigemessen und demzufolge etwa Erstattungsansprüche einzelner Eigentümer für Erhaltungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Eigentums auch dann abgelehnt, wenn diese dringend durchzuführen waren.557 Die Interessenlage ist bei einem eigenmächtigen Handeln des Verwalters an sich identisch. Eine Verpflichtung der Eigentümer, über die Umlage in der Jahresabrechnung ohne eine vorherige Entscheidungsmöglichkeit durch Beschluss für derartige Maßnahmen – endgültig und ohne Regressmöglichkeit – einstehen zu müssen, widerspricht dem System der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Wohnungseigentumsrecht.558 Der BGH hat sich gleichwohl zu Gunsten der Verwalter positioniert und überträgt im We- 229a sentlichen die Grundsätze der Rechtsprechung aus dem Gesellschaftsrecht. Der BGH, der sich auf die Prüfung vertraglicher Ansprüche beschränkte,559 gestattet dem Verwalter für weisungswidrig verwendete Gemeinschaftsgelder gegen den Anspruch der Gemeinschaft aus 550 551 552 553 554 555 556 557 558 559
Umfassend dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 20 ff. Zum alten Recht BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, ZWE 2020, 44 Rz. 41 mwN. LG Nürnberg-Fürth v. 1.12.2010 – 14 S 828/10, ZMR 2011, 327, 328. AG Calw v. 21.10.2011 – 9 C 825/10, juris. BGH v. 2.6.2008 – II ZR 67/07, NJW-RR 2008, 1252 Rz. 8; v. 13.3.2012 – II ZR 50/09, NZG 2012, 795 Rz. 27; v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, NJW 2013, 3636 Rz. 44 (Bryant). BGH v. 13.3.2012 – II ZR 50/09, NZG 2012, 795 Rz. 27; v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, NJW 2013, 3636 Rz. 44 (Bryant). Näher dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 67 ff. BGH v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, NJW 2019, 3780 Rz. 21 – Fensteraustausch. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 68; zum alten Recht BGH v. 14.6.2019 – V ZR 254/17, NJW 2019, 3780 Rz. 21; dazu die sog. „Nadelöhrdoktrin“ von Skauradszun, ZWE 2020, 105 ff. BGH v. 10.12.2021 – V ZR 32/21, NZM 2022, 337. Zschieschack | 1389
§ 27 WEG Rz. 229a | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters §§ 675 Abs. 1, 667 Alt. 1 BGB einen Gegenanspruch nach §§ 684 S. 1, 812 BGB. Denn anders als die Eigentümer sei der Verwalter zur Einwirkung auf das Gemeinschaftseigentum berechtigt. Er habe nach dem Leitbild des Gesetzes „Handlungs- und Entscheidungskompetenz“ für Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung. Daher könne er einen Ausgleich für Werterhöhungen verlangen. Entsprach die Maßnahme den Planungen, habe er sogar Anspruch auf die ersparten Aufwendungen. Setzt sich Verwalter jedoch – wie im vom BGH zu entscheidenden Fall – über Beschluss zur Beauftragung hinweg, können von dem Anspruch bis zu 20 % abgezogen werden. 229b Die Entscheidung ist auf das Schadensersatzrecht zu übertragen, denn die sich stellenden
Fragen sind identisch. Tatsächlich dürfte wohl insgesamt nur ein Schadenersatzanspruch in Betracht kommen, denn der vom BGH angenommenen Anwendung des § 667 BGB dürfte entgegenstehen, dass der Verwalter die Gelder der Gemeinschaft nicht „erhalten“ hat, sondern es sich um Gelder der WEG handelte, auf die der Verwalter lediglich Zugriff hatte, so dass der Verwalter auch keine Gelder herauszugeben hat, da diese im Vermögen der Gemeinschaft standen, auch wenn der Verwalter über das Konto verfügungsberechtigt war. 229c Ob mit der BGH-Entscheidung die Diskussion verstummt, ist zu bezweifeln, zumal sie An-
lass für praktische Unwägbarkeiten bietet, die vor allem auch in dem wenig greifbaren – und dogmatisch kaum zu begründenden – Abschlag für Eigenmächtigkeiten liegt.560
230 Unzweifelhaft besteht jedoch kein Schaden durch ein eigenmächtiges Handeln des Verwalters
in den extrem seltenen Fällen, in denen eine Ermessensreduktion auf Null vorlag und nur die vom Verwalter durchgeführte Maßnahme im Falle einer Beschlussfassung durch die Eigentümer auch hätte beschlossen werden dürfen.561 Da nunmehr der Verband für die Verwaltung und Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verantwortlich ist (§§ 18, 19), scheidet bei einer Handlungspflicht ein Schaden aus. Denn wenn die vom Verwalter durchgeführte Maßnahme im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zwingend hätte beschlossen werden müssen, ist ein Schaden durch die Durchführung der geschuldeten Maßnahme nicht denkbar.562 231 Liegt eine Ermessensreduzierung nur insoweit vor, als eine Verpflichtung zum Handeln be-
stand, den Eigentümern aber bezüglich der Maßnahme ein Ermessensspielraum zustand, dürfte nach hier vertretener Auffassung viel dafür sprechen, auch dies bei der Schadensbemessung berücksichtigt werden. Ein Schaden ist jedenfalls ausgeschlossen, soweit die vom Verwalter verursachten Kosten in jedem Fall der Beschlussfassung als Sowieso-Kosten angefallen wären.563 Konsequenz wäre im Übrigen aber, dass bei einer Verletzung des Gestaltungsspielraum der Eigentümer kein Vorteilsausgleich stattfindet. Dies beachtet das Entscheidungsprimat der Eigentümer aus § 27 WEG und führt dazu, dass diese eine Maßnahme nicht deshalb zahlen müssen, weil sie objektiv betrachtet ggf. sinnvoll und nützlich wäre.564 232 Die Auffassung des BGH verschiebt demgegenüber die Verwaltung weit in den Bereich des
Verwalters, praktisch begrenzt allerdings durch den Abzug der 20 %. Gleichwohl fragt sich, ob es richtig sein, kann, dass der Verwalter auf diese Weise – ggf. gutmeinend – Erhaltungsmaßnahmen durchführt, welche die Gemeinschaft etwa aus finanziellen Erwägungen abgelehnt hat. Wenn hier eine derart weitgehende Verlagerung von faktischen Entscheidungsbefugnissen auf den Verwalter erfolgen soll, müssen zumindest Grenzen für Exzesse eingezogen werden.565 Insoweit dürfen die Möglichkeiten des Verwalters nicht weitergehen, als 560 561 562 563 564 565
Kritisch bereits Bergmann, ZWE 2023, 112; Abramenko ZWE 2022, 317; Sommer; NZM 2022, 740. Ebenso Dötsch in Bärmann, § 18 WEG Rz. 215. Näher Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 71 ff. Näher Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 75 f. Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 76. Näher Sommer NZM 2022, 740 (744).
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 235 § 27 WEG
dies nach der business judgement rule für den Geschäftsführer anerkannt ist. Unternehmerische Entscheidungen sind hier einer gerichtlichen Kontrolle entzogen, wenn die Maßnahme das Gesellschaftswohl verfolgt, ex-ante auf einer angemessenen Tatsachengrundlage erfolgt, keine sachfremden (insbesondere eigene) Interessen verfolgt werden und die Maßnahme letztlich nicht unvertretbar ist.566 Zumindest finanzielle Eigeninteressen des Verwalters dürften dann einem Vorteilsausgleich entgegenstehen.567 Ebenso erscheint wenig überzeugend, den Schaden zu vermeiden, wenn sich über klare Weisungen der Gemeinschaft hinweggesetzt wird.568 Insoweit muss nicht auf die reine Verletzung der Entscheidungszuständigkeit der Versammlung abgestellt werden, entscheidend dürfte sein, ob schadensrechtlich beachtliche Gründe vorliegen, wie im BGH-Fall, wo die Gemeinschaft nun mit dem Risiko der fehlenden Durchsetzbarkeit von Gewährleistungsansprüchen allein gelassen war. Im Übrigen wird man hinsichtlich der Tatsachengrundlage eine Vorbereitung verlangen müssen, wie sie auch der GdWE zukommt. Es ist jedenfalls nicht angängig auf diesem Wege, die von manchem Verwalter als schwerfällig empfundene Beschlussvorbereitung „abzukürzen“.569 Besteht etwa Streit über einen Feuchtigkeitsschaden ist es nach hier vertretener Auffassung nicht denkbar, dass der Verwalter ohne die Ursache zu ermitteln, eine aus seiner Sicht ohnehin nötige Fassadensanierung beauftragt, mit welcher das Feuchtigkeitsproblem gelöst wird und die Gemeinschaft eine den aktuellen Anforderungen genügende Dämmung erhält, diese aber von den Eigentümern weder gewünscht, noch vielleicht finanziell zu stemmen ist. Führt eine eigenmächtige Überschreitung eines Kostenrahmens hingegen dazu, dass die be- 233 zahlten Werkleistungen hinter dem objektiven Wert der Bauleistung zurückbleiben, so scheidet ein Vorteilsausgleich von Vornherein aus.570 Die Gemeinschaft muss sich nicht auf mögliche Ansprüche gegenüber Dritten (z.B. einen Werkunternehmer) verweisen lassen, wenn der Verwalter in pflichtwidriger Weise einen Vertrag mit diesem abgeschlossen hat und in ungesicherter Weise völlig untypisch Vorleistungen aus den gemeinschaftlichen Geldern erbracht hat.571 Hieran dürfte sich auch nach der Entscheidung des BGH nichts ändern. i) Haftungsbeschränkung Eine Haftungsbegrenzung bzw. ein Haftungsausschluss ist im Individualvertrag nur für 234 fahrlässiges Verhalten möglich, da die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden kann, §§ 276 Abs. 3, 278 Satz 2 BGB.572 Im Formular- und Verbrauchervertrag werden derartige Klauseln kaum einer Prüfung an 235 den Vorschriften der §§ 307 ff. BGB standhalten.573 Insbesondere kann eine Freizeichnungsklausel für grob fahrlässiges Verhalten und für Verletzungen des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit nicht wirksam vereinbart werden (§ 309 Nr. 7a, b BGB).574 Unwirksam
566 Spindler in MüKoAktG, 5. Aufl., § 93 Rz. 43 ff. mwN. 567 Nach den Feststellungen des Amtsgerichts in dem Fall BGH v. 10.12.2021 – V ZR 32/21, NZM 2022, 337; dürften hieran Zweifel bestehen; AG Achim ZWE 2021, 218 Rz. 15 mAnm Leidner. 568 Ebenso aus grundsätzlichen Erwägungen Bergmann, ZWE 2023, 112. 569 Dazu Näher Sommer NZM 2022, 740 (746). 570 LG München I v. 31.3.2016 – 1 S 19002/11 WEG, ZWE 2016, 282, 284. 571 AG Dortmund v. 3.3.2015 – 512 C 53/14, ZWE 2015, 275. 572 Vogel, ZWE 2015, 15, 17. 573 Näher Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 185; Zschieschack in MünchKomm/BGB, § 26 WEG Rz. 95; Zander in Soergel, § 27 WEG Rz. 120. 574 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 29; OLG Frankfurt v. 19.5.2008 – 20 W 169/ 07, ZMR 2008, 985, 988; LG Hamburg v. 29.12.2010 – 318 S 120/10, ZMR 2011, 497, 499; LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZWE 2019, 377 Rz. 7; Gottschalg, NZM 2009, 217, 219 f.; Vogel, ZWE 2015, 15, 18, 20; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 204; Niedenführ in Niedenführ/ Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 148. Zschieschack | 1391
§ 27 WEG Rz. 235 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters ist eine summenmäßige Haftungsbeschränkung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten. In Betracht kommt eine Haftsummenbegrenzung allenfalls für fahrlässiges Verhalten für reine Vermögensschäden in Höhe einer angemessenen Deckungssumme der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung.575 Auch für einfache Fahrlässigkeit darf sich der Verwalter hinsichtlich seiner Kardinalpflichten im Formularvertrag nicht freizeichnen, weil eine solche Klausel als unangemessen nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen ist.576 Unzulässig ist auch eine Verjährungsverkürzung (§ 309 Nr. 7 BGB), die zudem §§ 307 Abs. 1, 202 Abs.1 BGB unterfällt, wenn auch vorsätzliche Pflichtverletzungen erfasst sind.577 Klauseln, in denen das Wort „nachweislich“ enthalten sind, verstoßen gegen das Verbot der Beweislastumkehr.578 Freizeichnungsklauseln sind auch an dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen.579 236 Ob die Gewährung einer Haftungsbeschränkung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht,
ist im Rahmen der Anfechtung des gefassten Beschlusses zu prüfen, wobei bei der Genehmigung eines Formularvertrages die Wirksamkeit einzelner Klauseln auf diesem Wege nicht der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können.580 Eine Haftungsbeschränkung widerspricht bei einem gewerblich tätigen Verwalter dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung, denn hier verzichtet die Gemeinschaft auf mögliche Ersatzansprüche, die zudem versicherbar sind, zumal eine Versicherungspflicht besteht.581 Anders mag es bei einem Laienverwalter liegen, jedenfalls wenn es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft i.S.v. § 19 Abs. 2 Nr. 6 handelt, bei der kein Anspruch auf einen zertifizierten Verwalter besteht. j) Verjährung 237 Die Verjährung für vertragliche und gesetzliche Haftungsansprüche beträgt nach § 195 BGB
regelmäßig drei Jahre, beginnt jedoch erst zu laufen, wenn der Gläubiger Kenntnis vom Anspruch und vom Schädiger hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Unabhängig davon verjähren Ansprüche spätestens nach 10 bzw. 30 Jahren (§ 199 Abs. 2, 3 BGB).582 Eine Vereinbarung über die Verjährung, insbesondere deren Verkürzung ist nach Maßgabe von § 202 Abs. 1 BGB möglich, darf jedoch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führen583 und insbesondere nicht die Wertungen der § 307 und § 309 Nr. 7 BGB vereiteln.584 238 Droht in Fällen, in denen der Schaden der Gemeinschaft darin besteht, dass sie einem Eigen-
tümer wegen eines pflichtwidrigen Handeln des Verwalters zum Schadensersatz verpflichtet 575 Greiner in BeckOGK, 1.1.12.2022, § 26 WEG Rz. 186; Heinemann, MietRB 2008, 348, 351; vgl. aber BayObLG v. 23.12.2002 – 2Z BR 89/02, NZM 2003, 204, 205. 576 OLG Frankfurt v. 19.5.2008 – 20 W 169/07, ZMR 2008, 985, 987; Heinemann, MietRB 2008, 348, 351; Vogel, ZWE 2015, 15, 18, 20. 577 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 33. 578 LG Frankfurt/M v. 18.4.2019 – 2-13 S 55/18, ZWE 2019, 377 Rz. 9. 579 Ausführlich hierzu Vogel, ZWE 2015, 15, 19 f. 580 BGH v. 5.7.2019 – V ZR 278/17, NJW 2020, 988 Rz. 23 ff. 581 Zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 185; Zschieschack in MünchKomm/ BGB, § 26 WEG Rz. 95 vgl. auch OLG Hamm v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49, 53 (Klausel aber wegen der auf zwei Jahre verkürzten Verjährungsfrist unangemessen); OLG Frankfurt v. 25.4.1997 – 20 W 433/96, ZMR 1997, 609 (Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit); großzügiger für leichte Fahrlässigkeit Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 203. 582 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 154. 583 OLG München v. 8.11.2006 – 34 Wx 45/06, NZM 2007, 92, 93 = ZMR 2007, 220, 221: Verkürzung der früheren 30-jährigen Verjährungsfrist auf drei Jahre, unabhängig von einer Kenntnis des Geschädigten von der Anspruchsentstehung. 584 Vogel, ZWE 2015, 15, 21; zu einer unangemessenen Verjährungsverkürzung s. BayObLG v. 23.12.2002 – 2Z BR 89/02, NZM 2003, 204, 205; OLG Hamm v. 19.10.2000 – 15 W 133/00, NZM 2001, 49, 53; OLG Hamm v. 19.7.2011 – 15 Wx 120/10, WM 2011, 594, 596 f.
1392 | Zschieschack
VII. Haftung des Verwalters | Rz. 242 § 27 WEG
ist, eine Verjährung, ohne dass der Ersatzanspruch bezifferbar ist, etwa weil der Prozess mit dem Eigentümer noch andauert, besteht neben der Streitverkündung, die Möglichkeit der Geltendmachung eines Freistellungsanspruchs oder der Erhebung einer Feststellungsklage.585 k) Beweislast Für das Vorliegen einer Pflicht-/Rechtsgutsverletzung und die Kausalität zwischen Verlet- 239 zungshandlung und Schadenseintritt trägt der Anspruchsteller die Beweislast.586 Die Rechtsprechung gewährt dem Anspruchsteller jedoch einen Anscheinsbeweis, wenn eine Schadensfolge typischerweise durch eine bestimmte Pflichtverletzung hervorgerufen wird oder sich das Schadensereignis ausschließlich im Herrschaftsbereich des Verwalters abgespielt hat.587 Die Vermutung des aufklärungsgerechten Verhalten gilt auch für die haftungsbegründende Kausalität (s. Rz. 218).588 Die Pflicht- und Rechtswidrigkeit wird hingegen durch die Verletzungshandlung indiziert 240 und für Ansprüche aus Schuldverhältnissen folgt aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, das der Verwalter die objektive Beweislast dafür trägt, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat.589 Für deliktische Ansprüche trägt allerdings der Geschädigte die Beweislast. Eine mögliche Exkulpation nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB hat hingegen der Verwalter zu führen. Für die Höhe des eingetretenen Schadens erleichtert § 287 ZPO die Beurteilung durch das 241 Gericht.590 Allerdings trägt der Geschädigte die Beweislast dafür, zu welchem Zeitpunkt der Verwalter hätte tätig werden müssen, um einen Schaden effektiv abzuwenden.591 Die Beweislast für ein Mitverschulden des Geschädigten, eine mögliche Haftungsbegrenzung oder einen Haftungsausschluss (z.B. durch Erteilung einer Entlastung)592 sowie für die Verjährung trägt der Verwalter. l) Prozessuale Anspruchsdurchsetzung Haftungsansprüche der Gemeinschaft gegen den Verwalter fallen in die Zuständigkeit des 242 Wohnungseigentumsgerichts nach § 43 Abs. 2 Nr.3, unabhängig davon, ob sie auf Vertrag oder Delikt beruhen.593 Die Klarstellung insoweit durch den Rechtsausschuss des Deutschen 585 Näher Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 66. 586 BGH v. 8.12.2017 – V ZR 82/17, NZM 2018, 403 = ZfIR 2018, 232, 235 = MietRB 2018, 107 (Heinemann); OLG München v. 24.10.2005 – 34 Wx 82/05, NJW 2006, 1293, 1296. 587 OLG München v. 13.1.2011 – 32 Wx 32/10, ZMR 2011, 406; OLG Düsseldorf v. 21.4.1997 – 3 Wx 31/96, ZMR 1997, 432, 433; BayObLG v. 5.1.2000 – 2Z BR 85/99, NJW-RR 2000, 1033 = ZMR 2000, 314 = NZM 2000, 501, 502; AG Hamburg-Wandsbek v. 3.2.2015 – 750 C 16/14, ZMR 2015, 583, 585; Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 193; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 150. 588 BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rz. 39. 589 LG Hamburg v. 8.6.2016 – 318 S 18/15, ZMR 2016, 725, 726 = MietRB 2016, 356 (Heinemann); LG Krefeld v. 3.5.2017 – 7 O 20/16, ZMR 2018, 365, 365; LG München I v. 15.10.2012 – 1 S 26801/11, MietRB 2013, 179 (Heinemann) = ZWE 2013, 270 f. = NZM 2013, 517 f.; AG BremenBlumenthal v. 8.3.2013 – 44 C 2032/12, ZMR 2013, 663. 590 OLG Düsseldorf v. 29.9.2006 – I-3 Wx 281/05, ZWE 2007, 92, 99 = NZM 2007, 137 f.; LG Frankfurt/M v. 24.11.2015 – 2-09 S 62/13, ZMR 2016, 981, 982; LG Hamburg v. 15.11.2012 – 318 S 225/ 10, ZWE 2013, 221, 223; LG München I v. 15.10.2012 – 1 S 26801/11, MietRB 2013, 179 (Heinemann) = ZWE 2013, 270 f. = NZM 2013, 517 f.; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § WEG Rz. 354. 591 AG Hamburg v. 18.6.2013 – 102d C 74/12, ZMR 2013, 839. 592 LG Hamburg v. 30.1.2013 – 318 S 127/11, ZMR 2013, 984, 987 f. mit Ausführungen zur Beweiskraft des Versammlungsprotokolls. 593 BGH v. 1.8.2011 – V ZR 259/10, GE 2011, 1317; BGH v. 9.12.2010 – V ZB 190/10, NZM 2011, 409, 410. Zschieschack | 1393
§ 27 WEG Rz. 242 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters Bundestages594 bedurfte es nicht. Dies gilt auch für die Durchsetzung eines Haftungsanspruchs gegen den mittlerweile ausgeschiedenen oder abberufenen Verwalter.595 243 Der Verwalter kann die Gemeinschaft wegen Interessenkollision nicht vertreten (vgl. § 178
Abs. 2 ZPO und s. § 9b Rz. 86). Vertreten wird der Verband in diesen Fällen vom Beiratsvorsitzenden oder einem ermächtigten Wohnungseigentümer (s. § 9b Rz. 92). Im Außenverhältnis ist für die Anspruchsdurchsetzung ein Beschluss der Wohnungseigentümer nicht erforderlich. Im Innenverhältnis wird dies jedoch im Regelfall erforderlich sein, auch wenn unklar ist, wie weit die Überwachungspflichten des Beirats insoweit gehen (s. § 29 Rz. 42 ff.).596 244 Ob die Vertretungsbefugnis des § 9b Abs. 2 auch gegenüber dem ausgeschiedenen Verwalter
greift, ist nicht gesichert (s. § 9b Rz. 88). 245 Sinnvoll ist es dem Verwalter im Ersatzprozess gegen die Gemeinschaft den Streit zu ver-
künden (§ 72 ZPO).597 Dies setzt allerdings voraus, dass der Verwalter als Organ tauglicher Streitverkündungsempfänger ist598 und wirft die Frage auf, inwieweit hier der Beiratsvorsitzende, der dazu im Außenverhältnis vertretungsberechtigt ist (§ 9b Abs. 2) ohne eine Beschlussfassung befähigt ist.599 Zu überlegen wird sein, ob vor allem auch aus Sicht des Verwalters eine ggf. mit einer Beschlussersetzungsklage erzwungene Streitverkündung und dem damit geweckten Interesse der Eigentümer an einer Haftung nicht eine vertragliche Vereinbarung über die Urteilsbindung nicht als geräuschlosere und kostengünstigere Lösung vorzuziehen ist.600
3. Entlastung a) Allgemeines 246 Die Möglichkeit den Verwalter zu entlasten, ist vom BGH anerkannt.601 Diese Situation ent-
spricht dem sonstigen Verbandsrecht, wo allerdings etwa in § 120 Abs. 2 S. 2 AktG oder § 46 Nr. 5 GmbHG ausdrückliche Kodifikationen erfolgt sind. 247 Wirkung der Entlastung ist zunächst eine Billigung des Verwalterhandelns, verbunden mit
einer Vertrauenskundgabe.602 Darüber hinaus kommt der Entlastung nach überwiegender Auffassung die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses zu (s. Rz. 251). In der Praxis ist die Entlastung, bislang typischerweise einhergehend mit dem Beschluss über die Jahresabrechnung weit verbreitet. Rechtstatsächlich hat die Entlastung für die Gemeinschaft nur Nachteile, da sie hierdurch berechtigte Ansprüche gegen den Verwalter verlieren kann, letztlich ist es de facto ein Beschluss zu Gunsten der hinter dem Verwalter stehenden Haft594 BT-Drucks. 19/22634. 595 BGH v. 1.8.2011 – V ZR 259/10, GE 2011, 1317; BGH v. 9.12.2010 – V ZB 190/10, NZM 2011, 409, 410. 596 Vgl. für den Aufsichtsrat der AG BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926; zur Übernahme auf das WEG-Recht ausf. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 48 ff. 597 Zutreffend Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 57. 598 Dazu ausf. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rz. 122; bejahend ebenso Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 57. 599 Dazu ausf. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 54 ff. 600 Näher dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 57 mit Verweisen auf die Praxis im Gesellschaftsrecht. 601 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124, 3125. 602 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124, 312; v. 17.3.2016 – V ZB 166/ 13, NZM 2016, 472.
1394 | Zschieschack
VII. Haftung des Verwalters | Rz. 251 § 27 WEG
pflichtversicherung.603 Der BGH sieht dies aber durch die Kundgabe des Vertrauens, welche die weitere Grundlage für die Zusammenarbeit schaffe, als kompensiert an, da dieses Vertrauen bei der Vermögensverwaltung wesentlich sei.604 Erstaunlicherweise gilt dies sogar dann, wenn der Verwalter ausscheidet.605 Ein legitimer Grund für eine Entlastung ist zumindest in dieser Konstellation allerdings nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Entlastung besteht für den Verwalter im Grundsatz nicht.606 Etwas ande- 248 res mag dann gelten, wenn dieser in der Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag vorgesehen ist.607 Im Übrigen kann der Verwalter nach teils vertretener Auffassung dann Entlastung begehren, wenn er von den Wohnungseigentümern zu Unrecht belastet wird.608 Näher dürfte es in diesem Fall allerdings liegen, den Verwalter, wenn derartige Ansprüche im Streit stehen, auf eine negative Feststellungsklage zu verweisen.609 Die im Formular- oder Verbrauchervertrag enthaltene Genehmigungs-/Entlastungsfiktion 249 des Verwalterhandelns, wenn gegen dieses nicht binnen einer bestimmten Frist Einwendungen erhoben werden, ist nach §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 308 Nr. 5 BGB unwirksam.610 b) Wirkungen und Rechtsnatur der Entlastung Die Rechtsnatur und damit verbunden die Wirkung der Entlastung sind umstritten611 und 250 auch im Gesellschaftsrecht letztlich nicht geklärt.612 aa) Entlastung als negatives Schuldanerkenntnis Nach der im WEG-Recht noch hM kommt ihr die Wirkung eines negativen Schuldaner- 251 kenntnisses i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB zu. Wie ein damit verbundener Vertrag jedoch zustande kommt, ist schon zum alten Recht nie wirklich geklärt worden. Erforderlich für den Vertrag wären zwei korrespondierende Willenserklärungen. Dabei liegt die Erklärung des Verbandes nicht in dem Beschluss, denn dieser betrifft lediglich die interne Willensbildung.613 Zwar hat man bisher die Beschlussverkündung üblicherweise als Willenserklärung des Verbandes angesehen,614 dies ist mit dem strengen Regime des § 9b Abs. 2 (s. § 9b Rz. 85 ff.) allerdings nun nicht mehr einfach zu begründen, denn gegenüber dem Verwalter kann nur der Beiratsvorsitzende oder ein durch Beschluss ermächtigter Wohnungseigentümer noch eine Willenserklärung abgebeben. Diese werden aber selten den Entlastungsbeschluss verkünden, sondern zumeist wird dies der Verwalter als Versammlungsleiter tun. An der Abgabe einer der-
603 Deutlich AG Hamburg-Blankenese v. 17.6.2015 – 539 C 44/14, ZMR 2017, 101; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 Rz. 365; kritisch auch Zander in Soergel, § 28 WEG Rz. 153. 604 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124, 3126. 605 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124, 3126; insoweit zweifelnd AG Heidelberg ZMR 2011, 74; Abramenko in Riecke/Schmid, § 28 WEG Rz. 183. 606 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124, 3125. 607 AG Köln v. 19.3.2002 – 202 II 132/01, ZMR 2002, 793; Abramenko in Riecke/Schmid, § 28 WEG Rz. 185. 608 OLG Düsseldorf v. 19.8.1996 – 3 Wx 581/94, NJW-RR 1997, 525. 609 Wie hier Abramenko in Riecke/Schmid, § 28 WEG Rz. 185; Zander in Soergel, § 28 WEG Rz. 152. 610 OLG München v. 25.9.2008 – 32 Wx 118/08, NJW 2008, 3574; Jacoby in Staudinger, § 26 WEG Rz. 220. 611 Ausf. dazu Abramenko in Riecke/Schmid, § 28 WEG Rz. 173 ff. 612 Vgl. nur Schindler in BeckOK GmbHG, 1.11.2022, § 46 GmbHG Rz. 66. 613 Zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 368.1; zum Problem bei der Verwalterbestellung vgl. etwa Zschieschack in MünchKomm/BGB, § 26 WEG Rz. 17 m.w.N. 614 Dazu Abramenko in Riecke/Schmid § 28 WEG Rz. 180; vgl. auch Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 368.1. Zschieschack | 1395
§ 27 WEG Rz. 251 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters artigen Erklärung für den Verband ist er aber nach § 181 BGB gehindert. Bereits dies dürfte dafür sprechen, die Entlastungswirkungen auf die Genehmigung des Verwalterhandelns zu beschränken. 252 Durch die Erteilung der Entlastung sind nach hM alle Schadensersatzansprüche des Ver-
bands gegen den Verwalter aus Sachverhalten ausgeschlossen, die zum Zeitpunkt der Entlastung bekannt waren, wobei dem gleichgestellt wird, wenn die Schäden bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren.615 Weder der Maßstab der Erkennbarkeit noch die Zurechnung sind sicher geklärt. Einerseits wird gefordert, dass an die Erkennbarkeit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden,616 andererseits wird den Eigentümern zugutegehalten, dass sie die Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine Jahresabrechnung nicht kennen müssen.617 Was nur bei sorgfältigster Prüfung, insbesondere durch Fachleute, hätte entdeckt werden können, wird vom Entlastungsbeschluss nicht umfasst.618 253 Nach neuem Recht wird in diesem Zusammenhang dem Vermögensbericht des Verwalters
besondere Bedeutung zukommen, in den sämtliche Ansprüche der WEG gegen Dritte und damit natürlich auch Ersatzansprüche gegen den Verwalter aufzunehmen sind.619 Ist ein derartiger Anspruch dort erwähnt, ist eine Erkennbarkeit sicher gegeben. Fehlt er, wird im Zweifel nicht davon ausgegangen werden können, dass er bei der Abstimmung bekannt war.620 Dass damit in der Praxis in den meisten Fällen ein wirksamer Verzicht auf Ansprüche mit der Entlastung nicht verbunden ist, steht dem nicht entgegen621, sondern zeigt vielmehr, dass in der Regel den Eigentümern bei Beschlussfassung über die Entlastung eben gerade nicht klar ist, dass sie auf Ansprüche gegen den Verwalter verzichten. Dies kann allenfalls dann ordnungsgemäß sein, wenn die Ansprüche bekannt sind. Die Vertrauenskundgabe ist davon unberührt, was auch materiell dafür spricht, die Entlastung nur als Genehmigung des Verwalterhandelns anzusehen (s. Rz. 257). 254 Die Kenntnis einzelner Wohnungseigentümer sollte schon nach altem Recht nicht genü-
gen.622 Das Wissen des Beirats wurde nach überwiegender Auffassung zugerechnet,623 teils wurde dies aber auch verneint.624 An der herrschenden Auffassung wird auch nach neuem Recht festzuhalten sein.625 Dabei kann neben der bisherigen Begründung, die vor allem auf die Prüfung der Jahresabrechnung durch den Beirat abstellt (§ 29 Abs. 2 Satz 2) maßgeblich auch die Überwachungspflicht in § 29 Abs. 2 Satz 1 herangezogen werden, wobei es jetzt
615 KG v. 30.11.1992 – 24 W 1188/92, WuM 1993, 140 = NJW-RR 1993, 404; OLG Karlsruhe v. 3.12.1999 – 11 Wx 76/99, ZWE 2000, 426; LG Krefeld v. 3.5.2017 – 7 O 20/16, ZMR 2018, 364 für eine erkennbare Fehlbuchung über 3.000 Euro. 616 Jennißen in Jennißen, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 617 BayObLG v. 17.6.2003 – 2Z BR 110/02, ZWE 2004, 372, 374; KG v. 30.11.1992 – 24 W 1188/92, NJW-RR 1993, 404; Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 293; in diese Richtung auch Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 381. 618 So auch Bartholome in BeckOK WEG, 1.1.2023, § 28 WEG Rz. 159. 619 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 10 Rz. 148, 153. 620 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 162. 621 Zweifelnd Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 Rz. 362. 622 BayObLG v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NZM 2001, 388 „Kenntnis aller Wohnungseigentümer“; großzügiger LG Krefeld v. 3.5.2017 – 7 O 20/16, ZMR 2018, 364; vgl. auch zum Erfordernis der Kenntnis aller Eigentümer bei Sanierungen BGH v. 21.11.2019 – V ZR 110/19, NZM 20020, 376 Rz. 22. 623 OLG Düsseldorf v. 30.10.2000 – 3 Wx 92/00, NJW-RR 2001, 949; Abramenko in Riecke/Schmid, § 28 WEG Rz. 180; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 381. 624 Jennißen in Jennißen, 6. Aufl., § 28 Rz. 187; auch Schmid, ZWE 2010, 8 ff.; Bartholome in BeckOK, 1.1.2023, § 28 WEG Rz. 159. 625 Becker in Bärmann, § 28 WEG Rz. 198; a.A. Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 362.3; Bartholome in BeckOK, 1.1.2023, § 28 WEG Rz. 159.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 257 § 27 WEG
nicht mehr um die Zurechnung des Wissens auf die Eigentümer, sondern auf den Verband ankommt.626 Durch den bestandskräftigen Beschluss scheiden auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Be- 255 reicherung627 oder Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Verwalter aus, es sei denn, der die Rückzahlung begründende Sachverhalt ist nicht erkennbar gewesen.628 Allerdings sollen trotz Bestandskraft des Entlastungsbeschlusses Ansprüche aus strafbaren Handlungen weiterhin geltend gemacht werden können,629 insbesondere dann, wenn der Tatbestand bei sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war und nicht anzunehmen ist, dass die Wohnungseigentümer eine Entlastung „im weitesten Sinne“ aussprechen wollten.630 Eine dogmatische Begründung für dieses offensichtlich rechtspraktisch erforderliche Ergebnis ist nicht ersichtlich.631 Begrenzt man die Entlastung auf eine Genehmigung, ist klar, dass die Eigentümer strafbares Verhalten – natürlich – nicht genehmigen wollen (s. Rz. 259). Eine Beschlusskompetenz, dass der Verband auf Ansprüche der Eigentümer verzichtet, be- 256 stand nie.632 Die insoweit teils angenommenen Ausnahmen633 haben überwiegend ihre Ursache darin, dass nach altem Recht selten danach unterschieden wurde, ob ein Schaden bei dem Verband oder den einzelnen Eigentümern eintritt (s. Rz. 221). An dem Grundsatz hat sich nach neuem Recht nichts geändert. Da nun aber die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Aufgabe des Verbandes ist (§ 18 Abs. 1), betreffen Pflichtverstöße des Verwalters die in diesem Zusammenhang gemacht werden, nahezu immer (nur) das Verbandsvermögen, so dass sie nur zu Ansprüchen des Verbandes führen können und diese Frage in der Praxis weitgehend ihre Bedeutung verloren hat (zu bestehenden Ansprüchen der Eigentümer gegen den Verwalter s. Rz. 274).634 bb) Entlastung nur als Genehmigung des Verwalterhandelns Die schuldrechtliche Wirkung eines Erlassvertrages durch die Entlastung wird zunehmend 257 in Frage gestellt. Im Gesellschaftsrecht ist diese These weitgehend überholt, hier dürfte es der inzwischen hM entsprechen, dass die Entlastung ein spezielles gesellschaftsrechtliches Institut ist und sich auf die Billigung der Geschäftsführung während der Entlastungsperiode und die Vertrauenskundgabe für künftiges Verwaltungshandeln beschränkt.635 Für das Aktienrecht regelt § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG ausdrücklich, dass mit der Entlastung kein Verzicht auf Schadensersatzansprüche verbunden ist. Für das GmbH-Recht wird eine Auswirkung der Entlastung auf Schadensersatzansprüche zwar angenommen, überwiegend wird die Präklusionswirkung mit § 242 BGB begründet, da es treuwidrig sei, einerseits das Handeln zu genehmigen und andererseits Ansprüche geltend zu machen.636
626 Wie hier Hügel/Elzer, § 29 Rz. 8. 627 Für das Gesellschaftsrecht BGH v. 21.4.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382 = NJW 1986, 2250, 2251. 628 OLG Düsseldorf v. 30.10.2000 – 3 Wx 92/00, ZWE 2001, 270 = WuM 2001, 149 = ZMR 2001, 301. 629 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124, 3125; OLG Celle v. 20.3.1991 – 4 W 335/90, DWE 1992, 84. 630 LG Hamburg v. 30.1.2013 – 318 S 127/11, ZMR 2013, 984. 631 Kritisch auch Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 Rz. 362.2. 632 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 379; ebenso für den Beirat BGH v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, NZM 2018, 615 Rz. 65. 633 Dazu näher Abramenko in Riecke/Schmid, § 28 WEG Rz. 181 m.w.N. 634 Vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht, 2021 Kap. 9 Rz. 160. 635 Vgl. nur Kubis in MünchKomm/AktG, § 120 AktG Rz. 14; Schindler in BeckOK GmbHG, 1.11.2022, § 46 GmbHG Rz. 66.1; jew. m.w.N; grundlegend K. Schmidt, ZGR 1978, 425. 636 Näher Schindler in BeckOK GmbHG, 1.11.2022, § 46 GmbHG Rz. 67 m.w.N. Zschieschack | 1397
§ 27 WEG Rz. 258 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters 258 Teils wird auch im Wohnungseigentumsrecht die Wirkung der Entlastung auf die Genehmi-
gungswirkung des Verwalterhandelns beschränkt, die dahin geht, dass mit dem Handeln des Verwalters im von der Entlastung erfassten Zeitraum Einverständnis besteht.637 Schadensersatzansprüche die mit dem von der Genehmigung umfassten Handeln zusammenhängen, sind auch nach dieser Auffassung allerdings ausgeschlossen, wobei dies entweder unmittelbar aus der Genehmigung hergeleitet wird638 oder § 242 BGB herangezogen wird.639 Diese Auffassung kommt ohne die Friktionen aus, die mit dem Erlassvertrag einhergehen und entspricht auch eher der Auffassung der Wohnungseigentümer, die mit der Entlastung kaum auf Ansprüche rechtsgeschäftlich verzichten wollen, sondern allenfalls das Handeln des Verwalters billigen wollen.640 Dies lässt sich auch mit Ansicht des BGH in Übereinstimmung bringen, dass die Entlastung vor allem eine Vertrauenskundgabe ist.641 Diese Auffassung ist daher vorzugswürdig. 259 Die praktischen Auswirkungen des Streits werden allerdings gering sein. Soweit den Eigentü-
mern eine Pflichtverletzung bekannt war, oder sie sich das Verhalten des Beirats zurechnen lassen müssen, ist es nach beiden Auffassungen ausgeschlossen, dass Ersatzansprüche des Verbandes gegen den Verwalter durchgesetzt werden können. Gleiches gilt, wenn die Ansprüche bei Beschlussfassung erkennbar waren, denn auch dann muss objektiv-normativ der Entlastungsbeschluss dahingehend verstanden werden, dass das Verwalterhandeln trotz der erkennbaren Ansprüche gebilligt wird, was Ersatzansprüche ausschließt.642 Da auch insoweit im Gesellschaftsrecht an die Berichterstattung im Vorfeld der Beschlussfassung angeknüpft wird,643 liegt hier die Verknüpfung mit dem Vermögensbericht (s. Rz. 253) noch näher. Schlüssiger lässt sich mit dem Konzept der reinen Genehmigung auch erklären, warum Ansprüche aus strafbarem Handeln bestehen bleiben, denn auf diese kann und wird sich eine Genehmigung nicht beziehen. c) Beschluss über die Entlastung 260 Über die Entlastung können die Eigentümer auf der Eigentümerversammlung im Rahmen
ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen. Da die Entlastung unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung erhebliche Bedeutung hat, gebietet es die Warnfunktion, dass die Wohnungseigentümer ausdrücklich über die Entlastung abstimmen. Es war schon zum alten Recht nicht von einer konkludenten Entlastung durch Abstimmung über die Jahresabrechnung auszugehen.644 Nach neuem Recht verbietet sich eine derartige Auffassung, denn Elemente der Rechnungslegung, die insoweit erforderlich wären, hat der Beschluss über die Jahresabrechnung nicht mehr.645
637 Jacoby in Staudinger, § 26 WEG Rz. 222; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 377; in diese Richtung auch Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 362 ff. 638 Jacoby in Staudinger, § 26 WEG Rz. 222. 639 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 377. 640 So zu Recht Jacoby in Staudinger, § 26 WEG Rz. 222; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 377; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 368.1. 641 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19 = NJW 2003, 3124, 3126. 642 Vgl. zu diesem Maßstab im Gesellschaftsrecht BGH v. 21.4.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382 = NJW 1986, 2250, 2251. 643 Vgl. nur Schindler in BeckOK GmbHG, 1.11.2022, § 46 GmbHG Rz. 68. 644 S. hierzu LG München I v. 11.9.2014 – 1 T 15087/14, ZMR 2015, 146 = MietRB 2014, 332 Jennißen in Jennißen, 6. Aufl. § 28 Rz. 186 Emmerich in Bärmann/Pick, § 28 Rz. 243; vgl. auch BGH v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, NJW 2011, 1346 Rz. 6; anders aber OLG Düsseldorf v. 30.10.2000 – 3 Wx 92/00, ZWE 2001, 270 = WuM 2001, 149 = ZMR 2001, 301. 645 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rz. 161.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 265 § 27 WEG
Die Wohnungseigentümer können über die Entlastung des Verwalters mit Mehrheit be- 261 schließen. Enthält der Beschluss keine anderslautende Feststellung, betrifft die Entlastung immer nur das zurückliegende Kalenderjahr.646 Im Zweifel bezieht sie sich auf das wirtschaftliche Verwalterhandeln und dies auch nur auf Tatbestände, die erkennbar waren (s. Rz. 259). Auf ein strafbares Verhalten bezieht sich die Entlastung nicht (s. Rz. 259). Der Verwalter darf bei seiner Entlastung nicht mit abstimmen.647 Dies gilt sowohl für ein 262 eigenes Stimmrecht, wenn er gleichzeitig Wohnungseigentümer ist, als auch für ein durch Vollmacht auszuübendes fremdes Stimmrecht. Hat der vollmachtgebende Wohnungseigentümer aber die Weisung erteilt, für die Entlastung zu stimmen, kann der Verwalter diese Stimme entsprechend abgeben, da kein eigener Entscheidungsspielraum besteht. Der Verwalter übermittelt dann wie ein Bote eine fremde Willenserklärung. Der Verwalter kann auch die ihm erteilten Vollmachten weiter übertragen. Dann kann die dritte Person bei der Entlastung mit abstimmen, wenn der Verwalter die Übertragung des Stimmrechts nicht mit Weisungen versieht. d) Ordnungsgemäßheit des Entlastungsbeschlusses Der Beschluss über die Entlastung muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Die 263 zum Teil geäußerte Auffassung,648 ein Entlastungsbeschluss sei stets rechtswidrig, hat sich jedenfalls nicht durchgesetzt. Deshalb entspricht ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer, der die Entlastung des Verwalters ausspricht, dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch oder andere Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar sind.649 Die Entlastung ist daher immer dann zu verweigern, wenn noch Ansprüche gegen den Ver- 264 walter bestehen. Anlass auf bestehende und bekannte Ansprüche gegen den Verwalter zu verzichten, besteht in aller Regel nicht.650 Eine Entlastung widerspricht daher schon dann dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwal- 265 tung, wenn dieser eine fehlerhafte Jahresabrechnung oder einen mangelhaften Wirtschaftsplan vorgelegt hat, da dann zumindest noch auf die Korrektur ein Anspruch gegen den Verwalter besteht.651 Solange die Jahresabrechnung nicht beschlossen wurde, ist der Entlastungsbeschluss rechtswidrig.652 Da die Bestandskraft des Abrechnungsbeschlusses die Fehler der Jahresabrechnung heilt, kann allenfalls dann der Entlastungsbeschluss risikolos gefasst werden, wobei zu beachten ist, dass nach neuem Recht Gegenstand der Beschlussfassung nur noch die Zahlungspflichten sind, so dass das Zahlenwerk als solches nicht in Bestandskraft erwächst653, so dass der Anspruch auf Vorlage einer fehlerfreien Abrechnung gegen den Ver646 Zander in Soergel, § 28 WEG Rz. 152. 647 BayObLG v. 18.12.1986 – BReg. 2 Z 81/85, MDR 1987, 410 = WuM 1987, 101; KG v. 12.9.1988 – 24 W 5887/87, WE 1989, 134. 648 BayObLG v. 19.12.2002 – 2Z BR 104/02, ZMR 2003, 280 = NZM 2003, 154; AG Kerpen v. 20.5.2010 – 26 C 52/09, ZMR 2010, 724. 649 OLG Frankfurt v. 7.4.2003 – 20 W 209/2001, ZMR 2003, 594; BayObLG v. 7.3.2005 – 2Z BR 182/ 04, ZMR 2006, 137. 650 LG Frankfurt/M v. 2.9.2019 – 2-09 S 51/18, ZWE 2020, 49 Rz. 4; v. 20.2.2020 – 2-13 S 94/19, ZWE 2020, 430 Rz. 5; Abramenko in Riecke/Schmid, § 28 WEG Rz. 184; weiter Becker in Bärmann § 28 Rz. 294 – einstimmiger Beschluss erforderlich. 651 BGH v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, NJW 2010, 2654, 2655 = MDR 2010, 1243 = MietRB 2010, 300 = MietRB 2010, 301; LG Dortmund v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, ZMR 2016, 640, 642; AG München v. 21.12.2016 – 485 C 9796/16, ZMR 2017, 343, 345. 652 LG Berlin v. 20.11.2009 – 85 S 5/09 WEG, ZMR 2010, 710; LG Dortmund v. 30.6.2017 – 17 S 232/ 16, ZWE 2017, 455. 653 Zutreffend Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 28 Rn. 369. Zschieschack | 1399
§ 27 WEG Rz. 265 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters walter bestehen bleibt. Da es für die Ordnungsgemäßheit eines Beschlusses auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt, wird die Entlastung nicht dadurch ordnungsgemäß, dass der Beschluss über die Abrechnung nicht angefochten wird.654 266 Ebenfalls ist die Entlastung aufzuheben, wenn Regressansprüche gegen den Verwalter in Be-
tracht kommen,655 ohne dass diese im Anfechtungsverfahren schon bewiesen werden müssten. Die Entlastung wird generell zu verweigern sein, wenn noch Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse, die im von der Entlastung betroffenen Zeit gefasst wurden, anhängig sind, da nie auszuschließen ist, dass bei einem Erfolg der Anfechtungsklage Regressansprüche gegen den Verwalter – etwa wegen mangelhafter Beschlussvorbereitung oder Aufklärung (s. Rz. 8) – in Betracht kommen.656 Unterrichtet der Verwalter die Eigentümer entgegen § 44 Abs. 2 S. 2 WEG nicht über Beschlussklagen, soll eine Entlastung wegen möglicher Ersatzansprüche ebenfalls nicht in Betracht kommen.657 267 Da nach der Entlastung der Verwalter auch keine Auskünfte oder Erklärungen zu seinem
Handeln mehr schuldet658, muss vor allem sichergestellt sein, dass der Vermögensbericht (§ 28 Abs. 4) umfassend und zutreffend erstellt ist. Angesichts der Schwierigkeiten einen umfassenden Vermögensbericht zu erstellen, bietet sich eine darauf gestützte Anfechtung derzeit als Joker an. Da sich nach neuem Recht Leistungsansprüche der Eigentümer nicht mehr gegen den Verwalter direkt richten, sondern gegen den Verband, ist dunkel, wie mit Ansprüchen von Eigentümern gegen den Verband auf Ergänzung des Vermögensberichtes umzugehen ist, wenn eine Entlastung erteilt ist. Denn der Anspruch des Eigentümers gegen den Verband auf Erstellung eines Vermögensberichts (§ 28 Abs. 4 WEG) ist von der Entlastung nicht tangiert. Da gegenüber dem Verband der Verwalter zu einem Tätigwerden aber nicht mehr verpflichtet ist, wird sich die Gemeinschaft nicht in der Lage sehen, den Anspruch zu erfüllen. Ob sie hier dem klagenden Eigentümer entgegenhalten kann, dass dieser es versäumt hat, den Entlastungbeschluss anzufechten, ist offen.659 268 Ein bestandskräftiger Entlastungsbeschluss kann nicht durch einen Zweitbeschluss der Woh-
nungseigentümer widerrufen werden.660 Ein solcher Zweitbeschluss würde in die Rechte des Verwalters eingreifen, die sich durch den Erstbeschluss bereits manifestiert haben. Zu beachten ist allerdings, dass der Verwalter zur Beschlussanfechtung nicht mehr berechtigt ist (§ 44 Abs. 1 WEG).
4. Haftung des Verwalters gegenüber den Wohnungseigentümern a) Allgemeines, Entwicklung 269 Ob den Eigentümern unmittelbar gegenüber dem Verwalter auch nach der WEG-Reform 2020
noch Ansprüche zustehen, war – auch politisch – eine der umstrittensten Fragen des Reformprozesses. Inwieweit derartige Ansprüche geblieben sind und was die Änderung des § 43 Abs. 2 Nr. 3 im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages661 bedeuten soll, ist ungelöst. 654 LG Frankfurt aM v. 22.12.2022 – 2-13 S 77/21, WuM 2023, 110. 655 OLG Düsseldorf v. 2.1.1995 – 3 Wx 195/92, WE 1995, 278; LG Köln v. 8.1.2013 – 29 S 183/12, ZWE 2013, 412. 656 LG Frankfurt/M v. 20.2.2020 – 2-13 S 94/19, ZWE 2020, 430; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 365; Becker in Bärmann, § 28 Rz. 295. 657 AG Hamburg-St. Georg v. 20.8.2021 – 980a C 3/21 WEG, ZMR 2021, 929. 658 Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 363; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/ Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 380. 659 Dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rz. 161. 660 OLG Köln v. 3.11.1999 – 16 Wx 144/99, ZMR 2000, 485. 661 BT-Drucks. 19/22634, 23.
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VII. Haftung des Verwalters | Rz. 271 § 27 WEG
Seit der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft stellte sich die Frage, ob 270 neben der Gemeinschaft auch die einzelnen Wohnungseigentümer Partner des Verwaltervertrags mit der Gemeinschaft oder gar Partner eines eigenen Verwaltervertrags waren.662 Teilweise wurde auch vertreten, dass der Verwaltervertrag einen Vertrag zugunsten Dritter,663 nämlich zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer, darstellt. Andere sahen nur die Gemeinschaft als Vertragspartner.664 Für eine Haftung des Verwalters kam daher eine Verletzung eines Verwaltervertrags mit den Wohnungseigentümern oder eine Verletzung des Verwaltervertrags mit der Gemeinschaft, der entweder auch zugunsten der Eigentümer abgeschlossen ist oder zumindest Schutzwirkung zugunsten der Eigentümer entfaltet,665 in Betracht. In jedem Fall ergaben sich aus der Organstellung des Verwalters gesetzliche Pflichten gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern (§ 27 Abs. 1 a.F.), die eine Haftung aus §§ 280 ff. BGB (auch gegenüber ausgeschiedenen Wohnungseigentümern)666 begründen konnten. Der BGH hatte die Haftung des Verwalters für die unterbliebene, unzureichende oder fehlerhafte Durchführung von Beschlüssen der Gemeinschaft ausdrücklich hervorgehoben.667 Eine Zurechnung seiner Pflichtverletzung an den Verband und eine Eigenhaftung des Verbands gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer fand hingegen nicht statt.668 Daneben kam auch eine Haftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) und aus Delikt (§§ 823 ff. BGB) in Betracht, insbesondere aus Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder wegen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Klar ist nach neuem Recht, dass der Verwalter als Organ des Verbandes tätig wird. Der Re- 271 gierungsentwurf zur WEG-Reform 2020 betont ausdrücklich, dass eine Benennung des Verwalters für Plichten im Gesetz nur bedeuten soll, dass ihn diese Pflicht als Organ trifft.669 Ausgeschlossen ist daher, dass die Wohnungseigentümer noch in den Verwaltervertrag einbezogen sind,670 so dass jedenfalls Leistungsansprüche gegenüber dem Verwalter nicht mehr in Betracht kommen.671
662 Vgl. Armbrüster, ZWE 2006, 470, 475; Briesemeister, ZWE 2007, 96; Müller in FS Seuß, S. 219 ff. 663 OLG München v. 8.11.2006 – 34 Wx 45/06, NZM 2007, 92 = NJW 2007, 227, 228; LG Hamburg v. 25.2.2015 – 318 S 110/14, ZWE 2016, 24, 25; Abramenko, ZMR 2006, 6, 8; Abramenko, Das neue WEG, § 2 Rz. 58, 85. 664 Armbrüster, ZWE 2006, 470, 475. 665 BGH v. 13.7.2012 – V ZR 94/11, MDR 2012, 1276 f. = NJW 2012, 2955, 2957 = NZM 2012, 685 ff.; OLG Düsseldorf v. 29.9.2006 – I-3 Wx 281/05, ZWE 2007, 92, 99 = NZM 2007, 137 f.; OLG Koblenz v. 25.2.2010 – 2 U 781/09, MietRB 2010, 235 (Heinemann); LG Hamburg v. 15.2.2018 – 318 S 76/16, ZMR 2018, 623, 624; LG Hamburg v. 8.6.2016 – 318 S 18/15, ZMR 2016, 725, 726 = MietRB 2016, 356 (Heinemann); v. 2.3.2016 – 318 S 22/15, ZMR 2016, 393, 394 = ZWE 2016, 278, 279 = MietRB 2016, 291 (Schultzky); v. 8.4.2014 – 318 S 70/13, ZMR 2014, 664; Becker in Bärmann, 14. Aufl., § 27 WEG Rz. 345; vgl. Wenzel, NZM 2006, 321, 322; Vandenhouten, ZWE 2012, 237; offen gelassen für einen Betreuungsvertrag mit einem Hausmeister von OLG München v. 24.10.2005 – 34 Wx 82/05, NJW 2006, 1293, 1295. 666 AG Bonn v. 7.6.2013 – 27 C 43/13, ZMR 2014, 316 = BeckRS 2014, 01677. 667 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, NZM 2018, 719, 720 = ZMR 2018, 777, 779 = ZfIR 2018, 666, 667. 668 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, NZM 2018, 719 = ZMR 2018, 777 = ZfIR 2018, 666. 669 BT-Drucks. 19/18791, 56. 670 A.A. aber weiterhin Elzer in BeckOK WEG, Stand 1.1.2023, § 26 Rz. 208. 671 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 87; Lehmann-Richter/Wobst, WEGReform 2020, Rz. 55; Skauradszun in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rz. 66; Skauradszun, ZRP 2020, 34, 35; Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 33. Zschieschack | 1401
§ 27 WEG Rz. 272 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters b) Deliktische Haftung 272 Keine Änderungen gibt es, soweit deliktische Ansprüche der Wohnungseigentümer betroffen
sind, etwa wenn Sondereigentum beschädigt wird.672 Hier liegt der Rechtsgrund außerhalb des Wohnungseigentumsrechts.673 In Betracht kommen etwa Fälle, in denen der Verwalter bei Besichtigung des Sondereigentums Beschädigungen des Sondereigentums vornimmt oder strafbare Handlungen (Diebstähle) begeht. Denkbar sind aber auch Ehrverletzungen durch den Verwalter. 273 In Ausnahmefällen kann hier sogar Schmerzensgeld für eine Verletzung des Körpers, der
Gesundheit, des Lebens und der sexuellen Selbstbestimmung gefordert werden, § 253 Abs. 2 BGB.674 Bei Persönlichkeitsverletzungen durch den Verwalter kann eine billige Entschädigung in Geld verlangt werden (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG).675 c) Haftung aus dem Verwaltervertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer 274 Die praktisch größte Relevanz im Zusammenhang mit Haftungsansprüchen der Wohnungs-
eigentümer hat aber die Frage, ob der Verwaltervertrag weiter Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer hat. 275 Teils wird dies in Übereinstimmung mit der Gesetzgebungsbegründung des Regierungsent-
wurfes zur WEG-Reform 2020676 verneint.677 Andererseits wird jedoch an der bisherigen Auffassung festgehalten, dass dem Verwaltervertrag weiterhin Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer zukommt.678 Teilweise wird auch diskutiert, ob die Drittwirkung aus den Amtspflichten folgt.679 Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wollte ersichtlich an dem bisherigen Konzept festhalten.680 Eine Kodifizierung ist ihm allerdings nicht gelungen, denn aus der insoweit in das Gesetz aufgenommenen Zuständigkeitsvorschrift des § 43 Abs. 2 Nr. 3 kann ein materieller Anspruch nicht hergeleitet werden.681 276 An der Leistungsnähe der Wohnungseigentümer in Bezug auf den Verwaltervertrag, dem
Interesse der Gemeinschaft an der Einbeziehung der Wohnungseigentümer (Gläubigernähe) und der Erkennbarkeit dieser Gegebenheiten für den Verwalter hat sich nichts geändert.682 Entscheidend ist daher, ob eine Schutzbedürftigkeit der Wohnungseigentümer weiter bejaht 672 Dötsch in Bärmann, § 18 Rz. 218; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 88; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 57. 673 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 57. 674 BGH v. 17.1.1989 – VI ZR 186/88, MDR 1989, 532 = NJW-RR 1989, 394 f.; BayObLG v. 9.11.1995 – 2Z BR 106/95, WE 1996, 159 = FGPrax 1996, 20. 675 Vgl. Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 224. 676 BT-Drucks. 19/18791, 56. 677 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 57; Wicke in Grüneberg, § 27 WEG Rz. 1; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 56; Greiner in BeckOGK, 1.12.2022, § 26 WEG Rz. 348.1; Wobst, ZWE 2021, 17, 19 f.; Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 33; ebenso jetzt auch Dötsch in Bärmann, § 18 WEG Rz. 219; Skauradszun, ZRP 2020, 905, 908. 678 Becker in Bärmann, § 27 WEG Rz. 218; Elzer in BeckOK WEG, Stand 1.1.2023, § 26 Rz. 207; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 90 ff.; offengelassen von LG München I v. 16.2.2022 – 36 T 1514/22, ZWE 2022, 280 Rz. 16. 679 Elzer in BeckOK WEG, Stand 1.1.2023, § 26 Rz. 207, 308. 680 BT-Drucks. 19/22634, 47. 681 Vgl. bereits für eine identische Konstellation BGH v. 15.12.1988 – V ZR 9/88, BGHZ 106, 222 = NJW 1989, 1091, 1092. 682 Elzer in BeckOK WEG, Stand 1.1.2023, § 26 Rz. 207; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 90 f.; dies räumen auch Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 60 ein.
1402 | Zschieschack
VII. Haftung des Verwalters | Rz. 278 § 27 WEG
werden kann. Teils wird dies mit Blick auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Gemeinschaft verneint, da nunmehr für jeden Fall der Pflichtverletzung ein Anspruch gegen den Verband besteht, der sich das Fehlverhalten des Verwalterhandelns über § 31 BGB analog zurechnen lassen muss.683 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Abwicklung eines Schadens im Verhältnis zum Verband mit einem anschließenden Regress des Verbandes gegen den Verwalter zunächst prozessunökonomisch ist. Erforderlich wäre hier nämlich eine weitere Klage des Verbandes gegen den Verwalter, die häufig der geschädigte Eigentümer noch über eine Beschlussersetzungsklage erzwingen muss, wobei ein nicht unerhebliches Verjährungsproblem besteht.684 Aber auch in der Sache führt ein Anspruch gegen den Verband letztlich dazu, dass der geschädigte Eigentümer, bis ein Regress gegen den Verwalter durchgesetzt werden kann, über die Umlage in der Jahresabrechnung seinen Anteil an dem Schaden selber trägt. Eine Gleichwertigkeit dieses Anspruches zu dem Direktanspruch gegen den Verwalter ist daher nicht gegeben.685 Zudem erscheint zweifelhaft, ob das System der gesellschaftsrechtlichen Haftungskonzentration, welches im WEG keinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, sachgerecht zu übertragen ist, denn die im Gesellschaftsrecht gegebene Grundvoraussetzung, der klaren Trennung der Vermögenswerte der Gesellschaft und der Gesellschafter, fehlt im Wohnungseigentumsrecht. Hier bleibt es fremdes Vermögen – nämlich das Eigentum der Wohnungseigentümer – welches der Verband verwaltet, so dass von Fehlern der Organe bei ihrer Tätigkeit – anders als im Gesellschaftsrecht – unmittelbar die Wohnungseigentümer betroffen sind.686 Nach hier vertretener Auffassung ist daher weiter an dem bewährten Konzept des Verwalter- 277 vertrages mit Schutzwirkung zugunsten der Eigentümer festzuhalten. Allerdings ist erforderlich, dass der Schaden durch das Verwalterhandeln wirklich unmittelbar im Vermögen des geschädigten Wohnungseigentümers eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn nur mittelbar eine Betroffenheit besteht, weil über die Jahresabrechnung eine Umlage erfolgt687 (s. Rz. 224). Denkbar sind etwa Fälle, in denen einem Eigentümer durch eine vom Verwalter verspätet vorgelegte Abrechnung ein Steuerschaden oder ein Ausfall bei der Nebenkostenabrechnung entsteht. Dass in die Abwicklung dieser Schäden der Verband einbezogen werden soll, erschließt sich nicht. Zu erfassen sind hier ebenfalls Fälle, in denen dem Verwalter Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Sanierungen vorgeworfen werden können, die zu Schäden am Sondereigentum führen.688 Hierunter werden Fallgruppen zu erfassen sein, in denen der Verwalter sich pflichtwidrig weigert, Ursachen einer Mängelanzeige – etwa Feuchtigkeitsschäden im Sondereigentum – nachzugehen und die Eigentümer hiermit zu befassen. Ebenso kann eine Pflichtverletzung mit Auswirkungen auf das Sondereigentum vorliegen, wenn ein Beschluss vom Verwalter nicht (vollständig) umgesetzt wird und es hierdurch zu (weiteren) Schäden des Sondereigentümers kommt.689 Bejaht man einen Direktanspruch gegen den Verwalter, stellt sich das Problem der An- 278 spruchskonkurrenz dieses Anspruchs mit dem Erstattungsanspruch gegen den Verband. Hier folgt aus der Treuepflicht eine Verpflichtung zunächst den Verwalter direkt in Anspruch zu nehmen und den Anspruch gegen den Verband nur bei drohendem Forderungs-
683 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 57; Wicke in Grüneberg, § 27 WEG Rz. 1; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 56; Wobst, ZWE 2021, 17, 19 f.; Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 33; Skauradszun, ZRP 2020, 905, 908. 684 Näher Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 95. 685 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 95. 686 Näher Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 91. 687 BGH v. 21.4.2023 – V ZB 86/22, juris Rn. 31. 688 Vgl. zum alten Recht BGH v. 19.7.2019 – V ZR 75/18, NJW-RR 2020, 68; dazu Dötsch/Schultzky/ Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 97. 689 Becker in Bärmann, § 27 Rz. 223. Zschieschack | 1403
§ 27 WEG Rz. 278 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters ausfall geltend zu machen.690 Dieser Weg ist zudem prozessökonomischer und für den Eigentümer wirtschaftlich sinnvoller, da er eine de facto Mithaftung über die Umlage der Jahresabrechnung vermeidet.691
5. Haftung des Verwalters gegenüber Dritten 279 Dritten gegenüber haftet der Verwalter nicht vertraglich und auch nicht aus seiner Organ-
stellung, hier bleibt die Haftung auf den Verband begrenzt, der sich allerdings das Handeln des Verwalters über § 31 BGB analog zurechnen lassen muss.692 280 Für Direktansprüche spielt die deliktische Haftung eine überragende Rolle. Dies ist dann
der Fall, wenn der Verwalter selbst deliktisch tätig wird, etwa fremdes Eigentum verletzt. Ohne Belang ist insoweit, dass der Verwalter dabei für den Verband handelt, denn wie der BGH bereits für den Geschäftsführer einer GmbH entschieden hat, treffen hier die Haftung der Gesellschaft und des Geschäftsführers zusammen.693 Für die GdWE gilt nichts anderes.694 Insbesondere kommt eine derartige Haftung wegen einer Verletzung hinsichtlich einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Betracht.695 Die bisherige Rechtsprechung, wonach der Verwalter auch die Verkehrssicherungspflicht (also ausreichende Beleuchtung, Räumung von Schnee und Unrat, Sicherung von Baustellen etc.) für das Gemeinschaftseigentum (aber auch für einen öffentlichen Weg)696 tragen kann,697 dürfte iE weiter Bestand haben.698 Allerdings hat der Verwalter nun keine eigene Verkehrssicherungspflicht mehr, diese liegt bei der Gemeinschaft. In welchem Umfang der Verwalter tätig werden muss oder die Eigentümer nur informieren muss, richtet sich nach § 27 Nr. 1. Dritten gegenüber wird er – weiterhin – insoweit haften, als er diesen Pflichten nicht nachgekommen ist.699 Ist die Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten delegiert worden, beschränkt sich auch hier die Verpflichtung auf eine Überwachungs- und Kontrollpflicht.700 Gleiches gilt für die Haftung für Grundstück und Gebäude (§§ 836, 837 BGB). Unstreitig ist dies, wenn der Verwalter die Gebäudeunterhaltungspflicht vertraglich übernommen hat701, was allerdings in der Praxis die Ausnahme sein dürfte. Im Übrigen nimmt nun nach § 9a Abs. 2 WEG die GdWE die Pflichten aus dem Gemeinschaftseigentum wahr, wozu neben
690 Zum vergleichbaren Problem der Inanspruchnahme von Handwerkern nach altem Recht LG Stuttgart v. 1.6.2016 – 10 S 2/16, ZWE 2016, 415; Suilmann in Bärmann, 14. Aufl., § 10 WEG Rz. 47. 691 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 98; vgl. zum alten Recht bereits LG Stuttgart v. 1.6.2016 – 10 S 2/16, ZWE 2016, 415. 692 BGH v. 16.12.2022 – V ZR 263/21, NJW-RR 2023, 226; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 83. 693 BGH v. 12.3.1996 – VI ZR 90/95, NJW 1996, 1535. 694 BGH v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, NJW 2018, 2550 Rz. 122. 695 Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 122; a.A. Hügel/Elzer, NZM 2009, 457, 469. 696 VGH München v. 11.5.2006 – 8 ZB 06485, NZM 2006, 596 = ZMR 2006, 729, 730. 697 BGH v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, NJW 1993, 1782. 698 Becker in Bärmann, § 27 Rz. 231; Elzer in BeckOK WEG/Elzer, 1.1.2023, § 26 WEG Rz. 328; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 84. 699 Zum alten Recht Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 27 WEG Rz. 157; Dötsch/Greiner, ZWE 2014, 343/347; vgl. auch LG Saarbrücken v. 16.9.2016 – 13 S 73/16, ZWE 2017, 51; einschränkend Wenzel, ZWE 2019, 57, 59 f.; a.A. Hügel/Elzer, NZM 2009, 457, 469. 700 BGH v. 13.12.2019 – V ZR 43/19, NJW 2020, 1789 Rz. 9. 701 BGH v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, NJW 1993, 1782; BGH v. 19.6.1990 – VI ZR 197/89, NJW-RR 1990, 1423, 1424.
1404 | Zschieschack
VII. Haftung des Verwalters | Rz. 284 § 27 WEG
der Verkehrssicherungspflicht auch die Pflichten aus §§ 836, 837 BGB gehören.702 Für beide Bereiche obliegt dem Verwalter aber eine umfassende Verpflichtung zur Feststellung von Baumängeln und zur Vorbereitung der Beschlussfassung (Rz. 97 ff.). Verletzt er diese, haftet er weiter auch Dritten gegenüber.703 Gemeinschaft und Verwalter haften Dritten gegenüber als Gesamtschuldner nach § 840 281 Abs. 1 BGB; für das interne Ausgleichsschuldverhältnis gilt § 426 BGB, wobei insbesondere auf die jeweiligen Verursachungsbeiträge und das Mitverschulden abzustellen ist.704 Liegt das Verschulden beim Verwalter, weil er seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, haftet er alleine; lehnt die GdWE eine Beschlussfassung ab, haftet sie.705
6. Haftung der Gemeinschaft für den Verwalter Die im alten Recht hoch umstrittene Frage, inwieweit sich der Verband das Handeln des Ver- 282 walters zurechnen lassen muss, löst das neue Recht dahingehend auf, dass sie sich sein Handeln analog § 31 BGB zurechnen lassen muss.706 Dies war auch bisher nicht streitig, problematisch war aber die Abgrenzung der Aufgaben des Verwalters und des Verbandes. Nunmehr ist es Aufgabe des Verbandes das gemeinschaftliche Eigentum zu verwalten (§ 18 Abs. 1), so dass – worauf bereits die Gesetzesbegründung abstellt707 – ein Fehler, der dem Verwalter dabei unterläuft, dem Verband zugerechnet wird und zu einem Haftungsanspruch führen kann. Dabei ist das Spektrum des Verwalterhandelns weit zu ziehen. Ob der Verwalter im Innen- 283 verhältnis berechtigt war, die Maßnahme vorzunehmen, ist nicht entscheidend.708 Dies gilt auch dann, wenn vorsätzlich die Kompetenz überschritten wurde.709 Maßgeblich ist, ob der Wirkungskreis noch gegeben ist, oder sich das Handeln des Verwalters so sehr außerhalb des Aufgabenkreises bewegt, dass es an einem inneren Zusammenhang zwischen dem Handeln und seinen Obliegenheiten nicht mehr besteht.710 Dies wird vor allem bei deliktischem Handeln in Gelegenheit der Verwaltertätigkeit der Fall sein, etwa wenn er seine Tätigkeit zu Diebstählen nutzt.711
7. Strafbarkeit/Ordnungswidrigkeit Der Wohnungseigentumsverwalter ist kraft des Bestellungsaktes befugt, über fremde Ver- 284 mögenswerte, nämlich über das Verbandsvermögen, zu verfügen. Er kann sich deshalb bei einer Benachteiligung der Eigentümergemeinschaft der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB
702 Bernau in Staudinger, Neubearb. 2022, § 838 BGB Rz. 11. 703 Bernau in Staudinger, Neubearb. 2022, § 838 BGB Rz. 11; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEGRecht 2021, Kap. 13 Rz. 84; Jahnke/Burmann/Müller, Hdb Personenschadensrecht, 2022, Kap. 2 Rz. 387; Dötsch in Bärmann, § 18 Rz. 218; aA Becker in Bärmann, § 27 Rz. 232. 704 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 530. 705 Bernau in Staudinger, Neubearb. 2022, § 838 BGB Rz. 12. 706 BGH v. 16.12.2022 – V ZR 263/21, juris Rn. 26; Wicke in Grüneberg, § 27 WEG Rz. 1; Skauradszun in MünchKomm/BGB, § 27 WEG Rz. 51. 707 BT-Drucks. 19/818791, 58. 708 BGH v. 8.7.1986 – VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148 = NJW 1986, 2941, 2942; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 9. 709 BGH v. 8.7.1986 – VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148 = NJW 1986, 2941, 2942. 710 BGH v. 8.7.1986 – VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148 = NJW 1986, 2941, 2942. 711 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 13 Rz. 9. Zschieschack | 1405
§ 27 WEG Rz. 284 | Aufgaben und Befugnisse des Verwalters strafbar machen.712 Weitere denkbare Straftatbestände, die der Verwalter im Rahmen seiner Tätigkeit verwirklichen kann sind Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Beleidigungen (§§ 185 ff. StGB), Unterschlagungen (§ 246 StGB), Betrug (§§ 263, 263a StGB)713 und Urkundenfälschung (§ 267 StGB).714 285 Nur soweit der Verwalter Adressat einer bußgeldbewehrten Handlungs- bzw. Unterlassungs-
pflicht ist, kann er als Täter einer Ordnungswidrigkeit in Frage kommen. Im Regelfall wird der Verwalter als Beteiligter einer fremden Ordnungswidrigkeit (§ 14 OWiG) oder als Vertreter der Gemeinschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 OWiG) belangt werden können.715 Verstoßen die Eigentümer vorsätzlich gegen die nach bestimmten öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z.B. der EnEV oder dem EichG) aufgestellten Pflichten, so kann der Verwalter als Beteiligter belangt werden, z.B. weil er eine gebotene Beschlussfassung der Gemeinschaft nicht herbeigeführt hat.716 Ordnungswidrig handelt der Verwalter selbst, wenn er die nach § 16 Abs. 7 TrinkwV vorgeschriebene Gefährdungsanalyse nicht von der Eigentümergemeinschaft beschließen lässt.717
§ 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht (1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält. (2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält. (3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind. (4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.
712 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224 = MDR 1996, 86 = NJW 1996, 65; BayObLG v. 19.9.2001 – 2Z BR 98/01, ZMR 2002, 141; OLG Köln v. 22.4.2002 – 16 Wx 55/02, MDR 2003, 111; LG Krefeld v. 21.5.1999 – 26 StK 197/98, NZM 2000, 200; AG Öhringen v. 4.12.2015 – 3 Ls 52 Js 9294/14, ZMR 2016, 251, 252. 713 OLG Celle v. 20.3.1991 – 4 W 335/90, OLGZ 1991, 309, 311; OLG München v. 24.7.2006 – 32 Wx 77/06, ZMR 2006, 883, 884; AG Neumarkt i.d.OPf. v. 30.9.2008 – 20 Ds 305 Js 15651/07, ZMR 2009, 487; AG Öhringen v. 4.12.2015 – 3 Ls 52 Js 9294/14, ZMR 2016, 251, 252. 714 OLG Celle v. 20.3.1991 – 4 W 335/90, OLGZ 1991, 309, 311. 715 Lehmann-Richter, ZWE 2013, 341, 342 f.; näher Becker in Bärmann, § 27 Rz. 238. 716 OVG Münster v. 25.7.2016 – 4 A 1150/15, NZM 2016, 773, 774 = ZMR 2016, 821; VG Köln v. 26.3.2015 – 1 K 4535/14, ZWE 2016, 101; Lehmann-Richter, ZWE 2013, 341, 344 ff.; Lindner, ZWE 2015, 442, 445. 717 Lehmann-Richter, ZWE 2013, 341, 343 f.
1406 | Zschieschack und Jennißen
Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht | § 28 WEG I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis von Wirtschaftsplan zur Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis von Jahresabrechnung zum Rechenschaftsbericht . . . . . . . . . IV. Verhältnis von Wirtschaftsplan zur Sonderumlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verhältnis von Jahresabrechnung zur Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verhältnis von Jahresabrechnung zur Betriebskostenabrechnung 1. Unterschiedliche Zielrichtungen . . . 2. Umlage- und nicht umlagefähige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abrechnungszeitraum . . . . . . . . . . . . 4. Vorlagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 1. Plicht zur Aufstellung . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitraum des Wirtschaftsplans . . . . . 4. Fehlender Wirtschaftsplan . . . . . . . . 5. Abweichen vom Wirtschaftsplan . . . 6. Sonderumlage a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verteilungsschlüssel . . . . . . . . . . . . . e) Darstellung in der Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beschluss über die Vorschüsse, Abs. 1 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beschluss über die Rücklagen, Abs. 1 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Geltungsdauer des Beschlusses über die Vorschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Gerichtliche Bestimmung der Vorschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Anfechtung der Vorschusshöhe a) Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtungsmöglichkeit nach neuem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der Anfechtung . . . . . . . . . . VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 1. Inhalt a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlüsse zum Inhalt der Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abrechnung über den Wirtschaftsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesamtabrechnung aa) Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben . . . . . . . . . . . .
1 5 12 24 29
34 35 38 39 44 52 69 72 75 77 81 83 85
2. 3. 4. 5. 6. IX. 1. 2. 3. 4.
86 88 96 99 101
5. X. XI. 1. 2.
103
3. 4.
108 117
5.
123 134 136
6. 7. XII. 1. 2. 3. 4.
bb) Bankkontenentwicklung . . . . . cc) Abgrenzungspositionen . . . . . . e) Einzelabrechnungen aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kostenverteilung . . . . . . . . . . . . cc) Heizkostenabrechnung . . . . . . . dd) Abrechnungsergebnisse (1) Rechtsentwicklung . . . . . . . (2) Berechnung der Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse . ee) Umsatzsteuerausweis . . . . . . . . ff) Haushaltsnahe Dienstleistungen f) Mehrhausanlage . . . . . . . . . . . . . . . Pflicht zur Aufstellung der Jahresabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflicht zur Aufstellung bei Verwalterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzwingung der Jahresabrechnung . Prüfung der Jahresabrechnung . . . . . Abrechnungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . Beschluss über die Abrechnungsergebnisse Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Saldenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweitbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussanfechtung a) Materielle Begründung . . . . . . . . . . b) Folgen erfolgreicher Beschlussanfechtung/Umfang der Ungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussersetzungsklage . . . . . . . . . Fälligkeit von Forderungen, Abs. 3 . Schuldner der Abrechnungsergebnisse Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . Veräußerung der Eigentumswohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersteher in der Zwangsversteigerung Vereinbarungen zur Haftung des Erwerbers/Erstehers . . . . . . . . . . . . . . Beschlüsse zur Haftung des Erwerbers/Erstehers . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Zwangsverwalters . . . . . Haftung des Insolvenzverwalters . . . Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge Vollmacht zur Geltendmachung . . . Materielle Voraussetzungen . . . . . . . Art der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . .
140 148 162 165 167 173 177 180 185 186 192 201 204 211 212
217 223 225 228 242 244 251 253
259 263 273 275 277 280 285
290 296 304 306
137 Jennißen | 1407
§ 28 WEG | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 5. Einwendungen/Einreden des Zahlungspflichtigen a) Unwirksamkeit des Erwerbsvertrags b) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . d) Verjährungseinrede . . . . . . . . . . . . . e) Sonstige Einwendungen . . . . . . . . . 6. Zwangsvollstreckung a) Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . b) Immobiliarvollstreckung aa) Zwangsversteigerung . . . . . . . . bb) Zwangssicherungshypothek . . . cc) Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . dd) Insolvenzverwaltung . . . . . . . . . ee) Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Versorgungssperre . . . . . . . . . . . . . . . .
310 311 316 320 323a 324 327 342 344 348 349 350
XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 1. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt der Aufstellung . . . . . . . . . 3. Art der Präsentation . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rücklagen a) Erhaltungsrücklagen . . . . . . . . . . . . b) Liquiditätsrücklage (durch Beschluss vorgesehene Rücklage) . c) Rücklagendarstellung . . . . . . . . . . . d) Soll- und Ist-Rücklage . . . . . . . . . . e) Zuführung zur Rücklage . . . . . . . . f) Entnahme aus der Rücklage . . . . . . 6. Fehlender oder fehlerhafter Vermögensbericht . . . . . . . . . . . . . . . .
354 355 356 359 375 382 383 386 391 396 401
Schrifttum: Abramenko, Zur Abgrenzung zwischen teilweiser und gänzlicher Ungültigkeitserklärung von Jahresabrechnungen, ZMR 2003, 402; Alff, Zwangsvollstreckung in Wohnungseigentum, ZWE 2010, 105; Armbrüster, Beschlüsse über die Abrechnung, ZWE 2005, 267; Becker, Beschluss der Jahresabrechnung – feststellende oder anspruchsbegründende Wirkung? ZWE 2016, 361; Casser/Schultheis, Musterabrechnung für Wohnungseigentümergemeinschaften, ZMR 2011, 85 ff.; Casser/Schultheis, Musterabrechnung 2.0 für Wohnungseigentümergemeinschaften, ZMR Sonderheft 1/2017; Casser/Schultheis, Musterabrechnung 3.0 für Wohnungseigentümergemeinschaften, ZMR 2021, 788; Drasdo, Neues zu Darstellung und Behandlung der Instandhaltungsrücklage in der Jahresabrechnung, NZM 2010, 217; Drasdo, Die innere und äußere Abrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft, ZWE 2016, 238; Elzer, Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung und Verteilung der Verwaltungskosten, ZWE 2021, 297; Gaier, Versorgungssperre bei Beitragsrückständen des vermietenden Wohnungseigentümers, ZWE 2004, 109; Gottschalg, Verwalterentlastung im Wohnungseigentumsrecht, NJW 2003, 1293; Haarmeyer/Hintzen, Handbuch zur Zwangsverwaltung, 7. Aufl. 2021; Häublein, Schutz der Gemeinschaft vor zahlungsunfähigen Miteigentümern, ZWE 2004, 48; Häublein, Von Abrechnungsspitzen und Soll-Rücklagen, ZWE 2010, 237; Häublein, Darstellung rücklagenfinanzierter Baumaßnahmen in der Jahresabrechnung, ZMR 2010, 577; Hogenschurz, Verwalterentlastung aus Sicht einzelner Wohnungseigentümer, NZM 2003, 630; Hollinger/Schade, Mess- und Eichgesetz, Kommentar, 1. Aufl., München 2015; Jacoby, Unberücksichtigte Beitragszahlungen und berücksichtigte Nichtzahlungen in der Abrechnung, ZWE 2011, 61; Jacoby, Zwangsvollstreckung in die Immobilie – aktuelle Entwicklungen und praktische Konsequenzen, ZWE 2015, 297; Jennißen, Leitet die Rechtsprechung zu fehlerhafter Erstellung wohnungseigentumsrechtlicher Jahresabrechnungen an?, MietRB 2004, 307; Jennißen, Die Verwalterabrechnung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (Verwalterabrechnung), 7. Aufl. 2013; Jennißen, Rechnungsabgrenzungen in der Verwalterabrechnung, ZWE 2002, 19; Jennißen, Rechtsprechungsüberblick zur Verwalterentlastung im Wohnungseigentumsrecht, MietRB 2003, 91; Jennißen, Abhängigkeit der mietrechtlichen Betriebskostenabrechnung von der wohnungseigentumsrechtlichen Jahresabrechnung, NZM 2002, 236; Jennißen, Erstellung einer wohnungseigentumsrechtlichen Jahresabrechnung nach dem Abflussprinzip, MietRB 2006, 203; Jennißen, Die Einführung einer verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung bei Eigentümergemeinschaften, MietRB 2005, 21; Jennißen, Aufstellen der Abrechnung durch den Verwalter, ZWE 2018, 18; Jennißen, Verwalterwechsel: Wer schuldet die Abrechnung? NZM 2017, 659; Jennißen/Kemm, Die Auswirkungen des neuen Mess- und Eichrechts auf die Jahresabrechnung von Wohnungseigentümergemeinschaften, ZWE 2017, 390; Jennißen/Kümmel/Schmidt, Einzel- und Gesamtabrechnung in der Wohnungseigentümergemeinschaft, ZMR 2012, 758; Lammel, Heizkostenverordnung (HeizkV), Kommentar, 4. Aufl. 2015; Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Aufl. 2019; Niedenführ, Verwalterentlastung niemals ordnungsgemäße Verwaltung?, NZM 2003, 305; Niedenführ, Jahresabgrenzungen in der Jahresabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft?, DWE 2005, 58; Rühlicke, Die Entlastung des Verwalters, ZWE 2003, 54; Sauren, Die Jahresabrechnung des Wohnungseigentumsverwalters: Vom Ende der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung, NZM 2017, 667; Schmidberger/ Slomian, Die Dinglichkeit des Hausgeldes, ZMR 2010, 579; Schneider, Anordnung der Zwangsverwaltung gegen den werdenden Wohnungseigentümer wegen rückständiger Hausgelder, ZWE 2010, 204;
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I. Überblick | Rz. 2 § 28 WEG Schultheis, Die Erläuterung der Differenz zwischen der ausgewiesenen Instandhaltungsrückstellung und dem verfügbaren Geldvermögen – eine Alternative zum Vermögensstatus? ZWE 2016, 247; Schultzky, Das Verhältnis von Wirtschaftsplan, Sonderumlage und Jahresabrechnung, ZMR 2008, 757; Stähling/ Jennißen, Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage in der Jahresabrechnung, MietRB 2005, 27; Volpp, Wird bald alles wirklich leichter? Abrechnung, Wirtschaftsplan und Vermögensbericht nach der WEG-Novelle 2020, ZWE 2020, 412; Wenzel, Die Zahlungspflichten des Zwangsverwalters gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft, ZWE 2005, 277; Westphal, Selbstvornahme bei Verletzung der Abrechnungspflicht aus § 28 II 2 WEG, ZWE 2021, 395.
I. Überblick Die Finanzverfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft basiert auf Wirtschaftsplan 1 (Abs. 1) und Jahresabrechnung (Abs. 2). Zudem spricht das Gesetz in Abs. 4 von einem Vermögensbericht, den der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres zu erstellen hat. Darüber hinaus ist anerkannt, dass die Wohnungseigentümer auch eine Sonderumlage beschließen können,1 obschon diese nicht im Gesetz erwähnt wird. Unter Einbeziehung der Sonderumlage sind Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung als abschließende Mechanismen des wohnungseigentumsrechtlichen Finanzsystems zu verstehen. Daraus folgen die Beschlüsse über die Vorschüsse oder ihre Anpassung. Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung bereiten diese Beschlüsse vor.2 Andere Finanzierungs- und Berechnungsgrundlagen, auf die die Umlagebeschlüsse aufbauen, können die Wohnungseigentümer nicht beschließen.3 Andererseits haben Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung durch das WEMoG an Bedeutung verloren, weil ihre Existenz zumindest für Beschlüsse über die Vorschüsse nicht mehr zwingend erforderlich ist. Durch den Beschluss über die Abrechnungsergebnisse rückt die Zahllast des Wohnungseigentümers in den zentralen Mittelpunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der Weg dorthin, die Jahresabrechnung, wird nur noch oberflächlich betrachtet. Das Gesetz enthält selbst keine Hinweise, wie Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung und Ver- 2 mögensbericht zu gestalten sind. Auch hier ist auf den unbestimmten Rechtsbegriff der ordnungsmäßigen Verwaltung gem. § 19 Abs. 1 in der besonderen Form der ordnungsgemäßen Abrechnung zurückzugreifen. Rechtsprechung und Literatur haben in den zurückliegenden Jahren die inhaltlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung deutlich erhöht. Es wurde erkannt, dass nur ein komplexes Zahlenwerk Auskunft über das Vermögen der Eigentümergemeinschaft geben kann und erst dann eine qualifizierte Kontrolle des Verwalters und seines wirtschaftlichen Handelns möglich ist. Demgegenüber ist der Gesetzgeber der Meinung, dass durch das WEMoG zum 1.12.2020 eine „deutliche Vereinfachung“ der rechtlichen Vorgaben für Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung gesetzlich erstrebenswert sei, um die vergleichsweise häufigen gerichtlichen Auseinandersetzungen zu Fragen der wirtschaftlichen Verwaltung zu reduzieren.4 So wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung insbesondere von § 28 Abs. 2 die Bestandteile der Jahresabrechnung näher definieren.5 Dass dieses Ziel erfolgreich umgesetzt worden wäre, kann schon heute bezweifelt werden. Weder gibt der Gesetzeswortlaut tatsächlich Anhaltspunkte für eine vereinfachte Jahresabrechnung her, noch kann es eine sinnvolle gesetzgeberische Strategie sein, die Anforderungen an eine Jahresabrechnung zurückschrauben zu wollen, damit Streitigkeiten vermieden werden. Nicht 1 BGH v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NZM 2012, 275 = ZMR 2012, 380. 2 Allgemeine Meinung: Siehe u.a. Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 2; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 742 f.; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 26. 3 BGH v. 22.7.2011 – V ZR 249/09, ZMR 2011, 981 = NZM 2012, 30. 4 Siehe hierzu die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/18791, S. 29. 5 BT-Drucks. 19/18791, S. 29. Jennißen | 1409
§ 28 WEG Rz. 2 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht die bisher hohen Anforderungen sind das Problem, sondern die unzureichenden Abrechnungskenntnisse mancher Verwalter und Wohnungseigentümer. „Die Konkretisierung der früheren Abrechnungsvorschriften“, wie der Gesetzgeber meint,6 ist in der neuen Regelung des Abs. 2 gerade nicht zu finden. 3 Beschlüsse gem. § 28 Abs. 1 und Abs. 2 lösen die Zahlungsverpflichtungen des Wohnungs-
eigentümers aus und ihre Fälligkeit kann gem. Abs. 3 besonders beschlossen werden. Es gilt der Grundsatz „ohne Beschluss keine Zahlungsverpflichtung“. Dies gilt auch für Zweiergemeinschaften. Streckt ein Wohnungseigentümer gemeinschaftliche Kosten vor, kann er die anteilige Kostenerstattung nicht unmittelbar von seinem Miteigentümer verlangen. Er hat einen Bereicherungsanspruch gegen die GdWE, die dann ihrerseits durch Beschluss über entsprechende Vorschüsse eine fällige Forderung gegen den zweiten Wohnungseigentümer begründen kann.7 § 9a Abs. 4 WEG ist nicht im Innenverhältnis anzuwenden. Demgegenüber regelt § 16 Abs. 2 nur die grundsätzliche Verpflichtung zur Übernahme anteiliger Kosten und die Frage des Verteilungsschlüssels. 4 Auf Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung soll durch Vereinbarung verzichtet werden kön-
nen.8 Ist dies der Fall, kann der Verwalter die Ausgaben nur durch Einzelumlage nach entsprechender Beschlussfassung decken. Dies kann in der Praxis nur bei Kleinstgemeinschaften (z.B. Zweiergemeinschaften) in Betracht kommen. Bei Gemeinschaften, die über Kleinstgemeinschaften hinausgehen, ist eine solche Vereinbarung nichtig. Wenn die Jahresabrechnung für entbehrlich erklärt wird, würde dies bedeuten, dass die Wohnungseigentümer auf eine Kontrolle des Verwalters verzichten, was der Aufgabe von elementaren Mitgliedschaftsrechten gleichkommt. Zudem ist die verbrauchsabhängige Abrechnung bei Heiz- und Warmwasserkosten nach der Heizkostenverordnung i.d.R. Pflicht,9 so dass auch aus diesem Grund schon von einer Abrechnungspflicht auszugehen ist. Würde auf den Wirtschaftsplan verzichtet, wäre die Finanzierung der Eigentümergemeinschaft nicht sichergestellt. Jeder Wohnungseigentümer hat im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung Anspruch darauf, dass die Gemeinschaft ausreichend mit Finanzmitteln ausgestattet wird, um das gemeinsame Objekt bewirtschaften zu können. Ein Verzicht auf die Erstellung von Jahresabrechnungen durch Vereinbarung würde Wohnungseigentümer in ihrem Recht auf Vermietung einschränkten, da dann die Betriebskosten nur noch eingeschränkt weiterbelastet werden könnten.
II. Verhältnis von Wirtschaftsplan zur Jahresabrechnung 5 Der Wirtschaftsplan stellt die Kostenkalkulation dar. Der Verwalter hat hierzu eine Jahres-
planung aufzustellen und anhand dieser die zur Kostendeckung notwendigen Einnahmen zu kalkulieren. Der Geldbedarf für die laufende Bewirtschaftung und Instandhaltung der Wohnanlage wird durch die so berechneten Vorschüsse gedeckt. Mittelfristig anstehende Erhaltungskosten sollen durch die Ansammlung einer Rücklage nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 aufgebracht werden.10 Nach Ablauf des Kalenderjahrs hat der Verwalter dann die tatsächlichen Kosten und Einnahmen in der Jahresabrechnung nachzuweisen. Wirtschaftsplan und Jahres6 BT-Drucks. 19/18791, 29. 7 Allgemeine Meinung, siehe u.a. BGH v. 25.3.2022 – V ZR 92/21, MDR 2022, 814 = ZMR 2022, 569; v. 25.9.2020 – V ZR 288/19, MDR 2021, 159 = ZMR 2021, 255; LG Frankfurt/M. v. 17.5.2022 – 2-13 T 27/22, ZMR 2022, 737. 8 H.M. KG v. 4.3.1998 – 24 W 6949/97, MDR 1998, 1218 = NZM 1998, 520; BayObLG v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NJW-RR 2006, 20; Becker in Bärmann, WEG 15. Aufl. § 28 Rz. 13; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 6; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 8; Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 28 WEG Rz. 3. 9 BGH v. 3.6.2016 – V ZR 166/15, ZWE 2017, 43 = MDR 2016, 1375. 10 S. hierzu BGH v. 25.9.2015 – V ZR 244/14, MDR 2015, 1355 = ZMR 2016, 49.
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II. Verhältnis von Wirtschaftsplan zur Jahresabrechnung | Rz. 7 § 28 WEG
abrechnung sind Bestandteile eines einheitlichen Abrechnungssystems.11 Deshalb spricht das Gesetz von einer Abrechnung über den Wirtschaftsplan, § 28 Abs. 2 Satz 2,12 was keine neue Formulierung ist, sondern bisher etwas unsystematisch unter § 29 Abs. 3 a.F. zu finden war. Der Wirtschaftsplan ist Durchgangsstadium. Er dient zunächst der Liquiditätserhaltung und stellt den finanziellen Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung fest. Die Jahresabrechnung ist gleichzeitig der wirtschaftliche Rechenschaftsbericht des Verwalters.13 Sie dient der Kontrolle des Verwalters und der Nachweisführung, wie der Verwalter die gezahlten Vorschüsse tatsächlich verwendet hat. Die Jahresabrechnung in der Form des Vermögensberichts soll darüber hinaus auch die Vermögenssituation der Gemeinschaft verdeutlichen, wovon beim Wirtschaftsplan keine Rede sein kann. Schon alleine deshalb weichen Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung in ihrer Struktur erheblich voneinander ab.14 Frühere Rechtslage: Der BGH15 hatte zu dem Verhältnis von Wirtschaftsplan zur Jahresabrechnung 6 nach alter Rechtslage die Feststellung getroffen, dass der Beschluss über die Jahresabrechnung lediglich die Wirkung des Beschlusses über den Wirtschaftsplan verstärke und für die darüber hinausgehende Abrechnungsspitze eine neue Rechtsgrundlage darstelle. Eine Schuldumschaffung im Sinne einer Novation sei mit dem Beschluss über die Jahresabrechnung nicht verbunden, d.h. der Wirtschaftsplan wird nicht vollständig durch die Jahresabrechnung ersetzt. Diese Klarstellung war notwendig, um schon nach alter Rechtslage gegen einen ausgeschiedenen Wohnungseigentümer, der mit Wohngeldbeträgen säumig geblieben ist, auch dann weiterhin vorgehen zu können, wenn die Jahresabrechnung beschlossen wurde. Würde der Wirtschaftsplan seine Wirkung verlieren, wäre auch der Veräußerer von seiner Zahlungspflicht befreit worden. Das gleiche Problem trat auch auf, wenn über die Wohnung die Zwangsverwaltung oder über das Vermögen des Wohnungseigentümers die Insolvenzverwaltung eröffnet wurde. Die Jahresabrechnung sollte nur insoweit eine neue Anspruchsgrundlage begründen, soweit über die Sollstellungen laut Wirtschaftsplan hinaus weitere Forderungen der Gemeinschaft durch Kostenüberschreitungen entstanden.16 Gab die Gemeinschaft also mehr aus als im Wirtschaftsplan kalkuliert wurde, entstand in Höhe des Mehrbetrages eine neue Forderung der Gemeinschaft gegen ihre Mitglieder. Dieser Mehrbetrag wird als Abrechnungsspitze bezeichnet,17 die auch positiv (Guthaben der Eigentümer) sein kann, wenn weniger ausgegeben wurde als kalkuliert war.
Bis zum WEMoG entsprach es zwar h.M., dass die Einzelabrechnung mit der Abrechnungs- 7 spitze enden sollte. Unklar war dabei aber, ob eine Abrechnung auf tatsächlicher Zahlungsbasis (sog. Abrechnungssaldo) des einzelnen Wohnungseigentümers dennoch zulässig sein konnte18 oder gar zur Nichtigkeit der Beschlussfassung über die Einzelabrechnung führte.19 Diese Thematik stellt sich jetzt nicht mehr, da der Gesetzgeber in Abs. 2 die Formulierung verwendet, dass die Wohnungseigentümer über die Anpassung der beschlossenen Vor11 A.A. Hügel/Elzer, 2. Aufl., § 28 WEG Rz. 69. 12 Siehe zur alten Rechtslage: Becker, ZWE 2016, 361. 13 Vgl. hierzu auch Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 514 ff.; Jacoby, ZWE 2011, 61; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 12. 14 So auch Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 9; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 3 und Rz. 145. 15 BGH v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, MDR 2000, 21 m. Anm. Riecke = NZM 1999, 1101 = DWE 1999, 164 = ZMR 1999, 834; so auch Bdb. OLG v. 27.11.2007 – 13 Wx 9/07, MietRB 2008, 174 = ZMR 2008, 386; OLG Hamm v. 29.5.2008 – 15 Wx 43/08, ZMR 2009, 61; AG Brake v. 29.10.2014 – 3 C 210/14, ZWE 2015, 188. 16 Zur Unzulässigkeit der Sollstellung s. LG Dortmund v. 24.6.2014 – 1 S 18/13, ZWE 2014, 365 = MietRB 2015, 49; v. 5.10.2016 – 1 S 205/16, ZWE 2017, 183; LG Frankfurt/M v. 31.5.2017 – 2-13 S 135/16, NZM 2017, 570; LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236 = ZMR 2007, 652. 17 BGH v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, MDR 2000, 21 = NZM 1999, 1101 = ZMR 1999, 834. 18 Den Ansatz der Abrechnungsspitze für unzulässig ansehend: LG München I v. 8.10.2015 – 36 S 16283/14, ZMR 2016, 62 = MietRB 2016, 203; AG München v. 17.3.2016 – 483 C 16880/15, ZMR 2016, 407. 19 LG Dortmund v. 24.6.2014 – 1 S 18/13, ZWE 2014, 365 = MietRB 2015, 49.; v. 5.10.2016 – 1 S 205/ 16; ZWE 2017, 183; LG Frankfurt/M v. 31.5.2017 – 2-13 S 135/16, NZM 2017, 570. Jennißen | 1411
§ 28 WEG Rz. 7 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht schüsse beschließen (s. Rz. 177). Sie beschließen also nach dem eindeutigen Wortlaut nicht über die gezahlten Vorschüsse, sondern über die geschuldeten in Relation zu den tatsächlichen Kosten.20 8 Es kommt durch den Beschluss über das Abrechnungsergebnis zur Anpassung der beschlos-
senen Vorschüsse. Hierdurch werden also die Ansprüche, die auf Basis des Wirtschaftsplans berechnet wurden, in Höhe des Abrechnungsguthabens vernichtet (s. Rz. 218),21 und zwar ex nunc. Sind die tatsächlichen Kosten niedriger als die im Wirtschaftsplan kalkulierten, muss die Eigentümergemeinschaft in einem Wohngeldverfahren hinsichtlich der Differenz den Rechtsstreit für erledigt erklären. Führt hingegen die Jahresabrechnung zu einer höheren Zahllast, als dies auf Basis der Wirtschaftspläne beschlossen wurde, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft im Verfahren ihre Ansprüche erhöhen. Allerdings wird ein weiterhin auf den Beschluss über die Vorschüsse gestützter nunmehr reduzierter Anspruch nicht unzulässig oder unbegründet. 9 Unzulässig ist es, wenn Beträge gemäß Wirtschaftsplan ausgegeben wurden, über diese in
der Jahresabrechnung dann keine Rechenschaft abzulegen. In der Jahresabrechnung müssen alle Einnahmen und Ausgaben (Kosten) erscheinen. Andernfalls würde die Jahresabrechnung nicht der umfassende Rechenschaftsbericht des Verwalters sein und die wirtschaftliche Situation der Eigentümergemeinschaft richtig wiedergeben. Im Wirtschaftsplan können keine Beträge „hängen“ bleiben. Das einheitliche Abrechnungssystem, bei dem der Wirtschaftsplan nur ein Durchgangsstadium der Jahresabrechnung ist, würde in zwei selbständige Teile zerschlagen. Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung würden nicht miteinander vergleichbar sein. Dies entspräche nicht dem System des § 28. Wenn die Jahresabrechnung nicht alle Beträge enthielte, die der Verwalter vereinnahmt oder verausgabt hat, entstünde eine unzulässige Schattenwirtschaft. 10 Der Wirtschaftsplan ist hinsichtlich der Kosten nur Durchgangsstadium zur Jahresabrech-
nung. Die Planung verliert ihre Bedeutung, wenn die tatsächlichen Jahreskosten feststehen. Deshalb war es schon immer eine Überbewertung, den Wirtschaftsplan als das zentrale Finanzierungsinstrument der Eigentümergemeinschaft anzusehen.22 Die Eigentümergemeinschaft finanziert sich letztendlich immer über die konkrete Kostenverteilung, sodass der Wirtschaftsplan schon nach alter Rechtslage nur als das zentrale Vorfinanzierungsinstrument bezeichnet werden konnte. Durch die Neufassung der Abs. 1 und 2 zum 1.12.2020 ist die Bedeutung des Wirtschaftsplans weiter gesunken. Die Wohnungseigentümer beschließen nur noch über die Vorschüsse, die bis zur Feststellung der tatsächlichen Kosten die Liquidität der GdWE sichern sollen. Ein Beschluss über die Vorschüsse nach Abs. 1 kann ausnahmsweise auch dann rechtmäßig sein, wenn ein Wirtschaftsplan nicht aufgestellt wurde (s. Rz. 50).23 Hingegen ist ein Beschluss nach Abs. 2 rechtswidrig, der die Anpassung der Vorschüsse ohne Vorlage einer Jahresabrechnung vornehmen will (s. Rz. 230). 11 Ist im Wirtschaftsplan ein unzutreffender Verteilungsschlüssel enthalten, so hat dies keine
Bindungswirkungen auf die Jahresabrechnung. Dieser schon für die alte Rechtslage geltende
20 Die Neuregelung auch nur noch im Sinne der Abrechnungsspitze verstehend: Lehmann-Richter/ Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 856. 21 Hügel/Elzer sprechen von einer Beschränkung des Anspruchs, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 203; von Begrenzung des Anspruchs sprechend: LG Frankfurt/M v. 13.9.2018 – 2-13 S 92/17, ZMR 2019, 63; Wegfall des Anspruchs verwendend: Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 860; von einer rechtsvernichtenden Einwendung sprechend: Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 Rz. 226. 22 So aber BGH NJW 2012, 2797; Schultzky, ZMR 2008, 757; Häublein, ZWE 2010, 237, 240; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 9; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 12. 23 BT-Drucks. 19/18791, 75; Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 10.
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II. Verhältnis von Jahresabrechnung zum Rechenschaftsbericht | Rz. 13 § 28 WEG
Grundsatz gilt nunmehr erst recht, da nicht mehr über den Wirtschaftsplan beschlossen wird und dem Beschluss über die Vorschüsse eine solche Reichweite nicht zukommen kann. Auch können die Wohnungseigentümer die Zuführungsbeträge zur Rücklage in der Jahresabrechnung gegenüber dem Wirtschaftsplan verändern. Die Rücklagenzuführung ist wie alle anderen Positionen des Wirtschaftsplans nur ein Vorschlag, der in der Jahresabrechnung angepasst werden kann. Neue Vorschüsse können auch dann beschlossen werden, wenn die Jahresabrechnung des Vorjahres noch nicht vorliegt.24
II. Verhältnis von Jahresabrechnung zum Rechenschaftsbericht Bis zum WEMoG regelte § 28 Abs. 4 a.F., dass die Wohnungseigentümer vom Verwalter 12 durch Mehrheitsbeschluss Rechnungslegung verlangen können. Auch wenn der Wortlaut von „den Wohnungseigentümern“ sprach, so wurde doch die Auffassung vertreten, dass Anspruchsinhaber die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer war.25 Neben dem Begriff der Jahresabrechnung verwendete also der Gesetzgeber einen weiteren, der die wirtschaftlichen Aufgaben des Verwalters umschrieb. Diese Vorschrift ist nun ersatzlos entfallen. Es gelten jetzt nur noch die allgemeinen Vorschriften der §§ 666, 259 BGB.26 Diese sehen aber eine Rechenschaftspflicht erst nach Ausführung des Auftrags vor, sodass die Wohnungseigentümer eine solche Art der Rechnungslegung vom Verwalter grundsätzlich erst nach Beendigung des Verwalteramts verlangen können.27 Ist der Verwalter noch im Amt, hat er die Jahresabrechnung und den Vermögensbericht vorzulegen, was einer umfassenden Rechnungslegung entspricht28 und somit während der Auftragsdurchführung letztere i.d.R. obsolet macht. „Rechnungslegung“ und „Rechenschaft ablegen“ sind unterschiedliche Worte für die gleiche 13 Tätigkeit.29 Deshalb kann auch weiterhin von Rechnungslegung gesprochen werden. Diese dient der Kontrolle der Zahlungsvorgänge. Dazu muss der Verwalter keine Abrechnungsergebnisse liefern und keine Heizkosten ermitteln. Die Rechnungslegung lässt dennoch eine umfassende Kontrolle des wirtschaftlichen Handelns des Verwalters zu. Sie ist weitgehend mit der Gesamtabrechnung identisch.30 Dabei sind die Einnahmen und Ausgaben zu präsentieren, was sich wiederum vom Vermögensbericht nach neuem Abs. 4 als Bestandteil der Jahresabrechnung insoweit unterscheidet, als dort nur die Vermögensentwicklung präsentiert wird. Beim Rechenschaftsbericht sind hingegen alle Kontenbewegungen darzustellen,31 so dass dies dem Ausdruck des Buchungskontos (Bankkontos) des Verwalters gleichkommt. Auch sind beim Rechenschaftsbericht Forderungen und Verbindlichkeiten aufzuführen.32 Der Rechenschaftsbericht muss einem Nachfolgeverwalter die Möglichkeit verschaffen, seine eigene Buchführung daran anknüpfen zu können.
24 Ebenso Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 13. 25 OLG München v. 20.7.2007 – 32 Wx 93/07, ZMR 2007, 814; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 297; s. auch die Ausführungen in der 6. Auflage § 28 Rz. 197. 26 So auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 161. 27 A.A. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 950. 28 Ebenso Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 102; AG Hamburg-Blankenese v. 21.12.2022 – 539 C 2/ 22, ZMR 2023, 326. 29 So auch Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 102. 30 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz.3; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 91. 31 Ebenso Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 276. 32 So auch OLG München v. 20.7.2008 – 32 Wx 93/07, NJW-RR 2008, 322; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 205; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 91. Jennißen | 1413
§ 28 WEG Rz. 14 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 14 Die Rechnungslegung enthält eine Aneinanderreihung sämtlicher Zahlungseingänge und
-ausgänge im Sinne einer chronologisch geordneten Gegenüberstellung.33 Sie spiegelt alle Buchungen wider, die über das Bankkonto oder bar bezahlt wurden. Alle Bewegungen sind fortlaufend wiederzugeben. Die Rechnungslegung ist somit eine reine Einzahlungs-/Auszahlungsrechnung. Sie ist eine verlängerte Bankkontenentwicklung und ist in diesem Teilbereich mit der Gesamtabrechnung vergleichbar.34 Demgegenüber hat die Jahresabrechnung keine Rechtsgrundlage in § 259 Abs. 1 BGB.35 Indem die Jahresabrechnung ein umfassender Wirtschaftsbericht des Verwalters ist, der dazu dienen soll, über die Ermittlung der Abrechnungsergebnisse für einen ausgeglichenen Jahreshaushalt zu sorgen, kann sich die Jahresabrechnung nicht auf ein Aneinanderreihen von baren und unbaren Zahlungsvorgängen beschränken. Gleichermaßen ist dies auch nicht erforderlich, da es für die Jahresabrechnung ausreichend ist, die Zahlungsvorgänge zusammenzufassen und nur so überblickartig darzustellen, dass eine Schlüssigkeitsprüfung möglich ist. 15 Die Jahresabrechnung hat die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eigentümergemeinschaft
wiederzugeben, wozu ebenfalls die Darstellung der Forderungen und Verbindlichkeiten in dem zu erstellenden Vermögensbericht gehört, selbst wenn diese nicht in der eigentlichen Jahresabrechnung als Kosten verteilt, sondern allenfalls im Wirtschaftsplan des nächsten Jahres berücksichtigt werden. 16 Die Jahresabrechnung setzt voraus, dass das Kalenderjahr abgeschlossen ist. Wird die Jah-
resabrechnung vom Verwalter erstellt, ist für diesen Zeitraum kein Rechnungslegungsanspruch mehr begründbar,36 selbst wenn das Verwalteramt inzwischen endete. Die Gemeinschaft der Eigentümer kann vom Verwalter in der Regel nur noch Rechnungslegung verlangen, wenn das Verwalteramt innerjährlich endet und der Verwalter für den Zeitraum seit dem letzten 1. Januar bis zum Abberufungsstichtag nicht abrechnungspflichtig ist 17 Ob ausnahmsweise, wenn Anlass besteht, dem Verwalter zu misstrauen, ein Mehrheits-
beschluss auf Rechnungslegung auch ohne Beendigung des Verwalteramts ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, ist zweifelhaft. Dagegen spricht die ersatzlose Streichung von § 28 Abs. 4 a.F.37 Eine periodische Rechnungslegung kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil dafür die Jahresabrechnung zur Verfügung steht.38 Kann die Jahresabrechnung ohne weiteres erstellt werden, ist die Forderung nach Rechnungslegung für den gleichen Zeitraum überflüssig und im Zweifel schikanös. Bei einem begründeten Misstrauen gegen den Verwalter kann es den Wohnungseigentümern im Einzelfall nicht zumutbar sein, auf die Erstellung der Jahresabrechnung zu warten, zumal der Verwalter über die Unterlagen zur Rechnungslegung bei zeitnaher Buchführung jederzeit verfügen können muss.39 Nach einem Mehrheitsbeschluss kann dann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vom Verwaltung diese Auskunft über die wirtschaftlichen Vorgänge verlangen. Der Verwalter kann den Rechnungslegungsanspruch zurückweisen, wenn – ohne dass sein Amt endete – kein triftiger Grund erkennbar ist. Darin liegt der wesentliche Unterschied zwischen §§ 675, 666 BGB und 33 BGH v. 4.7.1985 – III ZR 144/84, MDR 1986, 32 = NJW 1985, 2699. 34 OLG Düsseldorf v. 4.11.2002 – 3 Wx 194/02, WuM 2003, 112; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 91. 35 A.A. Armbrüster, ZWE 2005, 267, der unzutreffend für den Inhalt der Jahresabrechnung auf § 259 BGB verweist. 36 Ebenso Wicke in Grüneberg, BGB 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 25. 37 So Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 162; a.A. Lehmann-Richter/ Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 950, wonach die Streichung von § 28 Abs. 4 a.F. konsequenzlos bleibe. 38 A.A. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 950. 39 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 274 lässt für den Rechnungslegungsanspruch gegen den amtierenden Verwalter einen Beschluss, der ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, genügen.
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II. Verhältnis von Jahresabrechnung zum Rechenschaftsbericht | Rz. 22 § 28 WEG
§ 28 Abs. 4 a.F. Durch die Streichung letzterer Norm ist die Regel („jederzeit“) zur Ausnahme geworden. Diese Einschränkung gilt für den ausgeschiedenen Verwalter nicht, von dem neben der Erstellung der Jahresabrechnung für eine abgeschlossenen Periode auch stets die Rechnungslegung verlangt werden kann, da nur diese dem Nachfolgeverwalter die nahtlose Fortsetzung der wirtschaftlichen Verwaltungstätigkeit ermöglicht.40 Lehnen die Wohnungseigentümer einen Rechnungslegungsantrag durch Beschluss ab, kann 18 ein Wohnungseigentümer Beschlussersetzungsklage erheben, wenn die Ablehnung ordnungsmäßiger Verwaltung widersprach. Dies erfordert die Darlegung, warum der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht und eine Rechnungslegung vom Verwalter jetzt zu fordern ist. Der Anspruch auf Rechnungslegung ist nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt, wenn über 19 das Konto des Verwalters nicht nur Gelder der Eigentümergemeinschaft, sondern auch Dritter geflossen sind.41 In der Regel wird die Vorlage von Belegen bei der Rechnungslegung nicht erforderlich sein, 20 da die Rechnungslegung den Auskunfts- und Einsichtsanspruch der Wohnungseigentümer unberührt lässt. Ist das Verwalteramt beendet, folgt der Belegherausgabeanspruch daraus, dass die Verwaltungsunterlagen zum Vermögen des rechtsfähigen Verbands gehören.42 Ist das Organverhältnis mit dem Verwalter noch nicht beendet, benötigt der Verwalter die Belege zur Ausübung seiner Tätigkeit. In diesem Fall sind die Belege nicht herauszugeben, sondern die Ansprüche beschränken sich auf Einsichtnahme. Dieser Anspruch kann nach § 18 Abs. 4 allerdings auch von jedem Wohnungseigentümer geltend gemacht werden, allerdings nur gegen die GdWE, die dann wiederum den Anspruch gegen den Verwalter weiterreicht. Gläubiger des Rechnungslegungsanspruchs ist der Verband der Wohnungseigentümer,43 21 und zwar nicht nur weil es um den Verwendungsnachweis über das Geldvermögen des Verbands geht, sondern auch weil der Verwalter nur noch der Gemeinschaft gegenüber verpflichtet ist, § 27 Abs. 1. Eine direkte Rechtsbeziehung zwischen Verwalter und den Wohnungseigentümern existiert nicht (mehr). So sind auch die Wohnungseigentümer nicht mehr Gläubiger des Anspruchs auf Erstellung der Jahresabrechnung, sondern auch hier nur noch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Um die Zwangsvollstreckung auf Rechnungslegung gegen den Verwalter betreiben zu kön- 22 nen, ist ein Titel erforderlich. Der einzelne Wohnungseigentümer kann diesen Titel nicht mehr beantragen, da er auch durch Beschluss nicht mehr bevollmächtigt werden kann. Eine Einzelvertretungsmacht sieht das Gesetz nicht mehr vor. Allerdings ist der Beiratsvorsitzende nach § 9b Abs. 2 ermächtigt, die GdWE gegenüber dem Verwalter zu vertreten. Der Titel ermöglicht eine Vollstreckung gem. § 887 ZPO für vertretbare Handlungen.44 Da die Rech40 Ebenso T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 90. 41 OLG Hamm v. 20.12.2007 – 15 W 41/07, MietRB 2008, 144 = ZMR 2008, 399. 42 S. zur Herausgabe von Belegen im Rahmen der Rechnungslegung auch OLG München v. 20.7.2007 – 32 Wx 93/07, NJW-RR 2008, 322. 43 Ebenso Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 205; von einem Anspruch der Gesamtheit der Wohnungseigentümer ausgehend: T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 89; Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 28 WEG Rz. 191. 44 OLG Düsseldorf v. 8.3.1999 – 3 Wx 33/99, ZMR 1999, 425; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 292; Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 74b; Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 28 WEG Rz. 195; eine Vollstreckung nach § 888 ZPO für nicht vertretbare Handlungen annehmend: BGH v. 11.5.2006 – I ZB 94/05, MDR 2007, 81 = MietRB 2006, 261 = ZMR 2006, 608 (Mietrecht); OLG Köln v. 2.3.1998 – 2 W 201/97, WuM 1998, 375; BayObLG v. 18.4.2002 – 2Z BR 9/02, MDR 2002, 1028 = NZM 2002, 489; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 372; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 142. Wicke in Grüneberg, BGB 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 25 Jennißen | 1415
§ 28 WEG Rz. 22 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht nungslegung eine Gesamtschau aller Einnahmen und Ausgaben des laufenden Wirtschaftsjahres enthält,45 kann diese auch von einem Dritten erstellt werden. Dafür sind nur die Kontenbewegungen und nicht privates Wissen des Verwalters maßgebend. 23 Nach § 259 Abs. 2 BGB kann die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom Verwalter
gefordert werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die in der Rechnungslegung enthaltenen Angaben nicht sorgfältig erstellt wurden, sie also zumindest unvollständig sein können. Soweit angenommen wird, dass diese Versicherung nur von dem amtierenden Verwalter und nicht von einem die Rechnungslegung vornehmenden Dritten verlangt werden könne, wird übersehen, dass der Dritte auch die Vollständigkeit der Belege prüfen und versichern kann. Die Rechnungslegung sagt nichts über die hinter den Belegen stehenden Lebenssachverhalte aus, so dass ein Dritter hierzu auch keine Aussagen treffen kann bzw. muss.
IV. Verhältnis von Wirtschaftsplan zur Sonderumlage 24 § 28 spricht hinsichtlich des Finanzsystems der Eigentümergemeinschaft von Wirtschafts-
plan und Jahresabrechnung. Der Begriff der Sonderumlage (s. hierzu auch Rz. 77 ff.) ist im WEG nicht geregelt. Dennoch ist allgemein anerkannt, dass die Wohnungseigentümer Sonderumlagen beschließen können.46 Einer gesetzlichen Regelung zur Sonderumlage bedarf es deshalb nicht, weil die Sonderumlage ein unselbständiger Bestandteil des Wirtschaftsplans ist. Sie wird als nachgeschobene Ergänzung des Wirtschaftsplans gewertet.47 Stellt sich während des Kalenderjahres heraus, dass der bereits beschlossene Wirtschaftsplan unzureichend ist, weil einige Kosten höher ausfallen als geplant sind48 oder Wohngeldausfall zu verzeichnen ist, muss der Verwalter versuchen, kurzfristig diese Finanzlücke zu schließen. Dazu kann er eine Sonderumlage berechnen und den Wohnungseigentümern zur Beschlussfassung präsentieren. 25 Nach seit 1.12.2020 geltender Regelung ist die Differenzierung zwischen laufendem Wohn-
geld („Vorschuss“) und Sonderumlage geringer geworden. Die Wohnungseigentümer beschließen nicht mehr über das Rechenwerk, sondern nur noch über die Vorschüsse, zu denen auch Sonderumlagen gehören. Beide müssen beschlossen werden, da sonst keine Fälligkeit ausgelöst wird. Es würde keiner ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen, wenn keine laufenden Vorschüsse für die Bewirtschaftung, sondern nur unregelmäßige Sonderumlagen beschlossen würden.49 26 Es kann kritisch zu betrachten sein, wenn der Verwalter in ein und derselben Eigentümerver-
sammlung über Vorschüsse auf Basis des Wirtschaftsplans und auf Basis einer berechneten Sonderumlage beschließen lässt.50 Da die Sonderumlage ein nachgeschobener Wirtschafts-
45 So Wolicki in Abramenko, Handbuch WEG, 2. Aufl., § 7 Rz. 395. 46 BGH v. 15.6.1989 – V ZB 22/88, MDR 1989, 898 = NJW 1989, 3018; BayObLG v. 11.3.1998 – 2Z BR 7/98, NJW-RR 1998, 1386 = NZM 1998, 337; BayObLG v. 23.4.1998 – 2Z BR 162/97, NZM 1998, 918; Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 28 WEG Rz. 52 ff.; Niedenführ in Niedenführ/ Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 49; Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 28 WEG Rz. 5; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 95. 47 LG Saarbrücken v. 21.6.2013 – 5 S 141/12, MietRB 2013, 301 = ZWE 2013, 37; KG Berlin v. 22.11.2004 – 24 W 233/03, WuM 2005, 145; ebenso T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 24. 48 LG Wuppertal v. 25.11.2002 – 6 T 781/99, ZMR 2003, 298; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 49. 49 BGH v. 22.7.2011 – V ZR 245/09, NZM 2012, 30 = MietRB 2012, 16. 50 A.A. BayObLG v. 18.3.1993 – 2Z BR 108/92, WuM 1993, 486.
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IV. Verhältnis von Wirtschaftsplan zur Sonderumlage | Rz. 28 § 28 WEG
plan ist, ist es grundsätzlich widersprüchlich, in der gleichen Versammlung Wirtschaftsplan und Sonderumlage zu behandeln. Dies würde verdeutlichen, dass der Wirtschaftsplan nicht ausreichend bemessen ist. Etwas anderes kann aber gelten, wenn die Fälligkeit der Sonderumlage bereits für einen Zeitpunkt beschlossen werden soll, der vor oder nach dem Zeitraum des Wirtschaftsplans liegt, wenn also der Betrag sofort benötigt wird oder erst später angefordert werden soll. Unabhängig hiervon ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Wohnungseigentümer die laufenden Bewirtschaftungskosten als monatlich gleichbleibende Zahlungen erheben und die Beiträge zur Deckung einer größeren Instandsetzungsmaßnahme als Einmalbetrag. Die Praxis erfordert eine großzügige und flexible Handhabung.51 Da die Sonderumlage unselbständiger Bestandteil des Wirtschaftsplans ist, müssen ihre Vor- 27 schusszahlungen ebenso in der Jahresabrechnung Berücksichtigung finden.52 Wirtschaftsplan und Sonderumlage gehen in der Jahresabrechnung auf. Unzutreffend ist daher die Auffassung, dass die Umlage von Wohngeldrückständen nicht in die Jahresabrechnung eingestellt werden dürfe, sondern per Sonderumlage erhoben werden müsse.53 Diese Auffassung geht von dem Irrtum aus, dass in der Jahresabrechnung nur Einnahmen und Ausgaben dargestellt werden dürften. Zuzubilligen ist, dass ein Wohngeldausfall keine Ausgabe, sondern eine Forderung darstellt, also eine bislang fehlende Einnahme. Einigkeit besteht auch darin, dass solche Fehlbeträge umgelegt werden können und müssen, um einen ausgeglichenen Etat herzustellen. Wenn sie per Sonderumlage erhoben werden dürfen, könnten sie alternativ auch in den Wirtschaftsplan eingestellt werden, da die Sonderumlage unselbständiger Bestandteil des Wirtschaftsplans ist. Der Wirtschaftsplan geht wiederum in der Jahresabrechnung auf. Der Wirtschaftsplan ist gegenüber der Jahresabrechnung Durchgangsstation. Dies macht deutlich, dass Wohngeldausfall gleichermaßen per Sonderumlage, per Wirtschaftsplan oder per Jahresabrechnung gedeckt werden kann. Andernfalls würde über die Einnahmen der Sonderumlage nicht abgerechnet. Die Jahresabrechnung muss einen umfassenden Rechenschaftsbericht über die wirtschaftliche Lage der Eigentümergemeinschaft abgeben. Daneben kann keine „Schattenwirtschaft“ in Form von Sonderumlagen bestehen, die in der Jahresabrechnung keinen Niederschlag finden.54 Wichtig ist, dass die Verteilung des ausfallenden Wohngeldes nicht als Kosten in der Einzelabrechnung bezeichnet wird (ähnlich wie bei der Zuführung zur Instandsetzungsrücklage), um die Wohnungseigentümer nicht zu verwirren. Weitergehende Konsequenzen gibt es aber nicht. Alles, was im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vorschüsse auf Basis des Wirtschafts- 28 plans erkennbar ist, muss auch in diesem berücksichtigt werden. Der Beschluss über die Vorschüsse entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn wesentliche Ausgaben, mit denen zu rechnen ist, nicht einkalkuliert werden. Wenn die Wohnungseigentümer einen kurzfristigen Finanzbedarf sehen, der eben nicht, wie beim Wirtschaftsplan üblich, über 12 Monatsraten zu verteilen ist, können sie eine entsprechend anderslautende Fälligkeitsregelung treffen, wie es Abs. 3 ermöglicht. So wäre es beispielsweise zulässig, den Wirtschaftsplan mit der Maßgabe zu beschließen, dass vom Jahreswohngeld ein anteiliger Betrag sofort fällig und das restliche Wohngeld in 12 gleichen Monatsraten angefordert wird. Es bedarf dann keiner separaten Sonderumlage.
51 So auch LG Köln v. 5.5.2011 – 29 S 222/10, juris; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 24. 52 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 175. 53 So aber BayObLG v. 10.4.2002 – 2Z BR 70/01, MietRB 2003, 42 = NZM 2002, 531 = NJW-RR 2002, 1093; AG Bonn v. 11.7.2003 – 28 II 126/02, ZMR 2004, 303; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 55. 54 Im Ergebnis ebenso Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 167 u. 168. Jennißen | 1417
§ 28 WEG Rz. 29 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht
V. Verhältnis von Jahresabrechnung zur Entlastung 29 Die Entlastung des Verwalters (s. auch § 27 Rz. 246 ff.) ist ebenfalls im WEG nicht erwähnt.
Sprechen die Wohnungseigentümer mit einem Entlastungsbeschluss dem Verwalter das Vertrauen aus,55 hat dies die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB.56 30 Bis zum WEMoG bestand in der Praxis ein enger Zusammenhang zwischen Entlastung und Beschluss über die Jahresabrechnung. Teilweise wurde angenommen, dass der Beschluss über die Gesamtabrechnung gleichzeitig konkludent die Beschlussfassung über die Entlastung enthalte.57 Wurden lediglich die Einzelabrechnungen beschlossen, sollte hieraus allerdings keine Entlastung herzuleiten sein.58 Andere schränkten ein, dass sich die Entlastung nur auf Tätigkeiten bezieht, die in der Jahresabrechnung ihren Niederschlag gefunden haben.59 Der Entlastungsbeschluss sollte anfechtbar sein, wenn nicht vollständig auszuschließen war, dass Ansprüche gegen den Verwalter geltend gemacht werden können,60 insbesondere wenn die Jahresabrechnung fehlerhaft ist.61
31 Dabei wurde übersehen, dass Entlastung und Jahresabrechnung vollkommen unterschiedliche Ausrichtungen haben. Der Verwalter ist nach herrschender Auffassung verpflichtet, in die Jahresabrechnung auch solche Beträge einzustellen und ggf. zur Verteilung zu bringen, über die er nicht verfügen durfte. Die Abrechnung hat über alle Ausgaben vollständig zu berichten, unabhängig von ihrer Rechtfertigung.62 Somit konnte die Entlastung nicht mit dem Beschluss über die Jahresabrechnung identisch sein.63 Wenn der Verwalter unberechtigte Ausgaben in die Jahresabrechnung eingestellt hat, ist die Jahresabrechnung richtig (s. Rz. 127).64 Dem Verwalter ist in diesem Fall aber keine Entlastung zu erteilen.65 Somit ist es auch denkbar, dass die Abrechnung nach alter Rechtslage bestandskräftig wurde, der Entlastungsbeschluss dennoch für ungültig zu erklären war.66
55 Von einer Vertrauenskundgabe sprechend: BGH v. 17.3.2016 – V ZB 166/13, NZM 2016, 472. 56 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, MDR 2003, 1222 = MietRB 2003, 74 = NZM 2003, 764. 57 OLG Düsseldorf v. 9.11.2001 – 3 Wx 13/01, ZWE 2002, 82; OLG Düsseldorf v. 30.10.2000 – 3 Wx 92/00, NZM 2001, 537; BayObLG v. 1.2.2001 – 2Z BR 122/00, NZM 2001, 388; KG v. 15.10.1986 – 24 W 910/86, MDR 1987, 237 = NJW-RR 1987, 79; Hans. OLG Hamburg v. 25.6.2003 – 2 Wx 138/ 99, ZMR 2003, 772; OLG Köln v. 27.6.2001 – 16 Wx 87/01, NZM 2001, 862; OLG München v. 7.2.2007 – 34 Wx 147/06, MDR 2007, 828 = MietRB 2007, 98 = wonach auf eine Genehmigung der Jahresabrechnung nicht zu schließen sei, wenn lediglich der Beirat entlastet wurde; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 77; Hogenschurz, NZM 2003, 630; Wicke in Grüneberg, BGB 81. Aufl., § 26 WEG Rz. 26, der auf die Auslegung des Beschlusses abstellt. 58 OLG Düsseldorf v. 22.12.2000 – 3 Wx 378/00, ZMR 2001, 375 = NZM 2001, 546. 59 So Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 26 WEG Rz. 25. 60 BGH v. 17.7.2003 – V ZB 11/03, MDR 2003, 1222 = MietRB 2003, 74 = NJW 2003, 3124 = NZM 2003, 764 = ZMR 2003, 750; AG Hannover v. 5.6.2003 – 71 II 154/03, ZMR 2004, 947. 61 Wegen fehlerhafter Jahresabrechnung schon die Entlastung des Beirats als rechtswidrig ansehend: BGH 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = ZMR 2010, 300. 62 BGH v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, MDR 2011, 534 = MietRB 2011, 146 = NZM 2011, 366 = ZWE 2011, 256; BayObLG v. 25.5.2001 – 2Z BR 133/00, NJW-RR 2001, 1231; BayObLG v. 10.4.2002 – 2Z BR 70/01, MietRB 2003, 42 = NJW-RR 2002, 1093; Hans. OLG Hamburg v. 21.10.2002 – 2 Wx 71/02, MietRB 2003, 45 = WuM 2003, 104; BGH v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106, 2108 = WuM 1997, 294; BayObLG v. 10.1.1997 – 2Z BR 35/96, NJW-RR 1997, 715 = WuM 1997, 234. 63 So im Ergebnis auch OLG München v. 7.2.2007 – 34 Wx 147/06, MDR 2007, 828 = MietRB 2007, 98 = NJW-RR 2007, 1094 = ZMR 2007, 988; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 359; Bartholome in Hogenschurz, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 161; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 337; Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 28 WEG Rz. 31; a.A. AG Hannover v. 5.6.2003 – 71 II 154/03, ZMR 2004, 947. 64 So auch BGH v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, MDR 2011, 534 = MietRB 2011, 146 = NZM 2011, 366 = ZWE 2011, 256; LG Hamburg v. 13.9.2017 – 318 S 66/16, ZMR 2018, 66. 65 So auch BayObLG v. 31.10.1989 – BReg. 2 Z 93/89, WuM 1990, 175. 66 LG Fankfurt/M. v. 22.12.2022 – 2-13 S 77/21, WuM 2023, 110.
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VI. Verhältnis von Jahresabrechnung zur Betriebskostenabrechnung | Rz. 34 § 28 WEG
Die Bedeutung der Thematik ist seit dem WEMoG nur noch gering, weil Abs. 2 keine Be- 32 schlussfassung über die eigentliche Jahresabrechnung mehr vorsieht, sondern nur noch über die Abrechnungsergebnisse. Indem ein Wohnungseigentümer seine Verpflichtung zur Zahlung von Nachschüssen oder seinen Anspruch auf Anpassung der beschlossenen Vorschüsse durch Beschluss im Sinne von Abs. 2 mitbegründet, hat er keinen Erklärungswillen, den Verwalter zu entlasten. Die Vorlage der Jahresabrechnung dient nur noch der Vorbereitung der Beschlussfassung über die Abrechnungsergebnisse.67 Da die Abrechnung selbst an der Beschlussfassung nicht teilnimmt, wird sie weder bestandskräftig noch kann sie als Erklärung gegenüber dem Verwalter, richtig abgerechnet und wirtschaftlich korrekt gehandelt zu haben, verstanden werden. Entsprechend können die Wohnungseigentümer eine Nacherfüllung der Jahresabrechnung auch dann noch verlangen, wenn Entlastung erteilt wurde. Ein separat gefasster Entlastungsbeschluss ist rechtswidrig, wenn für den Entlastungszeit- 33 raum noch nicht abgerechnet wurde oder die Jahresabrechnung fehlerhaft ist.68 Der Entlastungsbeschluss bezieht sich auf alle den Wohnungseigentümern bekannten Vorgänge. Sie müssen keinen Niederschlag in der Jahresabrechnung gefunden haben. Andererseits kann der Entlastungsbeschluss dahingehend ausgelegt werden, dass er sich aufgrund des engen Zusammenhangs mit der Vorlage einer konkreten Jahresabrechnung nur auf den dort in Bezug genommenen Zeitraum bezieht und dass die Wohnungseigentümer von keiner umfassenden Entlastung ausgegangen sind.69 Die Ordnungsgemäßheit der Entlastung ist auf den Zeitpunkt der Versammlung hin zu beurteilen. Deshalb ist es auch unerheblich, ob anschließend der Beschluss über die Abrechnungsergebnisse nicht angefochten wurde.70 Nach überwiegender Auffassung soll aber dem Beirat keine Entlastung erteilt werden dürfen, wenn die Jahresabrechnung fehlerhaft ist.71 Das ist zumindest dann nicht überzeugend, wenn der Beirat -wie üblich - nur die Belege prüft, aber keinen Einfluss auf die Gestaltung der Jahresabrechnung nimmt.72 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beiratsmitglieder nach § 29 Abs. 3 für fahrlässige Fehler ohnehin nicht haften, wenn sie unentgeltlich tätig sind. Reine Darstellungsfehler des Zahlenwerkes seitens des Verwalters dürften für grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Beirats nicht ausreichen. Wenn dann also eine Haftung des Beirats nicht in Betracht kommt, macht es auch keinen Sinn, ihm die Entlastung zu verweigern.73
VI. Verhältnis von Jahresabrechnung zur Betriebskostenabrechnung 1. Unterschiedliche Zielrichtungen Die wohnungseigentumsrechtliche Jahresabrechnung ist grundsätzlich mit der mietrecht- 34 lichen Betriebskostenabrechnung nicht vergleichbar. Die Jahresabrechnung ist wesentlich umfangreicher und dient eben nicht nur der Errechnung der Abrechnungsergebnisse. Bei der Betriebskostenabrechnung ist zu fragen, welche Objektkosten auf die betreffende Woh-
67 BT-Drucks. 19/18791, 76; ebenso Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 192. 68 Entlastung des Verwalters: LG Frankfurt/M. v. 22.12.2022 – 2-13 S 77/221, WuM 2023, 110; AG Hamburg-St. Georg v. 25.9.2020 – 980b C 45/19, ZMR 2021, 69; Entlastung des Beirats: BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300. 69 Hans. OLG Hamburg v. 25.6.2003 – 2 Wx 138/99, ZMR 2003, 772. 70 LG Frankfurt/M. v. 22.12.2022 – 2-13 S 77/21, ZWE 2023, 175. 71 BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2654; LG Frankfurt/M. v. 22.12.2022 – 13 S 77/21, ZWE 2023, 175; 72 So auch LG Rostock v. 23.1.2015 – 1 S 24/14, ZWE 2015, 462; LG Koblenz v. 24.1.2022 – 2 S 72/20, ZWE 2022, 175; Breiholdt in Elzer, Stichwortkommentar Wohnungseigentumsrecht, Ziff. 68 Rz. 21. 73 Kappus, NZM 2023, 380. Jennißen | 1419
§ 28 WEG Rz. 34 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht nung des Mieters entfallen und welche Anteile der Mieter hiervon unter Abzug seiner Vorauszahlungen noch nach zu leisten hat oder erstattet bekommt. Ein Vermögensbericht, wie der Verwalter ihn bei der Jahresabrechnung präsentieren muss, ist für die Betriebskostenabrechnung nicht relevant.
2. Umlage- und nicht umlagefähige Kosten 35 Die im Mietrecht bedeutsame Unterscheidung zwischen umlage- und nicht umlagefähigen Kosten spielte bis zum 1.7.2007 im Wohnungseigentumsrecht keine Rolle. Danach differenzierte das Gesetz in den Abs. 3 und 4 des § 16 a.F. zwischen Betriebskosten und Verwaltungskosten auf der einen Seite und Instandsetzungskosten auf der anderen. Die Verteilungsschlüssel für diese Kosten konnten unter unterschiedlichen Bedingungen verändert werden. Deshalb war es von Bedeutung, in der Abrechnung die Kostenzuordnung auch eindeutig vorzunehmen, damit die Wohnungseigentümer gegebenenfalls erkennen konnten, für welche Kosten eine Veränderung des Verteilungsschlüssels durch einfachen Mehrheitsbeschluss in Betracht kam.
36 Da § 16 Abs. 2 seit dem 1.12.2020 die Veränderung jedes Verteilungsschlüssels mit einfacher
Mehrheit grundsätzlich zulässt, ist wohnungseigentumsrechtlich die vorstehend geschilderte Differenzierungsnotwendigkeit nicht mehr gegeben. 37 Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die vermietenden Wohnungseigentümer die Jahresab-
rechnung benötigen, um auf dieser Basis eine Betriebskostenabrechnung entwickeln zu können. Der Wunsch, der im Verwaltervertrag festgelegt werden kann,74 dass der Verwalter die Buchführung so einzurichten hat, dass zwischen umlage- und nicht umlagefähigen Kosten differenziert wird, kann auch wirksam beschlossen werden. Dies folgt aus dem Recht der Wohnungseigentümer, über die Maßstäbe ordnungsmäßiger Verwaltung und somit über den Inhalt der Jahresabrechnung mehrheitlich entscheiden zu können, zumal dies für den Verwalter keinen Mehraufwand darstellt und der Beschluss somit für ihn nicht belastend wirkt. Ohne eine solche Regelung ist der Verwalter nicht verpflichtet, die Jahresabrechnung an den mietrechtlichen Anforderungen einer Nebenkostenabrechnung auszurichten,75 zumal ihm die einzelnen Mietverträge im Zweifel nicht bekannt sind und er daher gar nicht wissen kann, welche Kostenpositionen konkret für den jeweiligen Eigentümer umlagefähig sind.
3. Abrechnungszeitraum 38 Nach § 28 Abs. 2 hat der Verwalter zwingend für das Kalenderjahr eine Abrechnung auf-
zustellen. Demgegenüber bestimmt § 556 Abs. 3 BGB, dass der Vermieter jährlich abzurechnen hat. Nur mietrechtlich ist also ein abweichendes Wirtschaftsjahr zulässig.76 Aufgrund der wohnungseigentumsrechtlichen Vorgaben spielen für Betriebskostenabrechnungen abweichende Wirtschaftsjahre in der Praxis kaum eine Rolle.
4. Vorlagefrist 39 Die wohnungseigentumsrechtliche Jahresabrechnung ist gegenüber der Betriebskostenab-
rechnung ein Aliud.77 Der Vermieter hat die Betriebskostenabrechnung spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungszeitraumes dem Mieter mitzuteilen. Es 74 75 76 77
BayObLG v. 4.4.2005 – 2Z BR 198/04, ZMR 2005, 564. Siehe hierzu AG Erfurt v. 14.8.2013 – 5 C (WEG) 51/12, IMR 2014, 77 = MietRB 2013, 336. Weidenkaff in Palandt, BGB, 80. Aufl., § 556 BGB Rz. 10 m.w.N. Drasdo, NZM 2001, 13, 16; Riecke, ZMR 2001, 77, 79; Jennißen, NZM 2002, 236, 237.
1420 | Jennißen
VI. Verhältnis von Jahresabrechnung zur Betriebskostenabrechnung | Rz. 42 § 28 WEG
handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist gem. § 556 Abs. 3 BGB, sodass der Vermieter nach Ablauf dieser Frist mit Nachforderungen grundsätzlich ausgeschlossen ist, es sei denn, er hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Während im Wohnungseigentumsrecht die Einwendungen der Wohnungseigentümer nach Bestandskraft des Beschlusses über die Jahresabrechnung ausgeschlossen sind, kann der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung Einwendungen mitteilen. Bei dieser Frist handelt es sich ebenfalls um eine Ausschlussfrist, jetzt allerdings zu Lasten des Mieters. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, dass die Betriebskostenabrechnung des Vermieters 40 einer Eigentumswohnung gegenüber dem Mieter nicht fällig werden könne, solange die Eigentümergemeinschaft noch nicht die wohnungseigentumsrechtliche Jahresabrechnung bestandskräftig beschlossen habe.78 Dem war mit Recht der BGH nicht gefolgt.79 Dieses Problem kann nunmehr als vollständig ausgestanden angesehen werden, da nach der WEG-Novelle 2020 die Wohnungseigentümer gem. Abs. 2 gar nicht mehr über die Jahresabrechnung beschließen, sondern nur noch über die Abrechnungsergebnisse. Das Ergebnis, das der Eigentümer zahlen muss, ist aber naturgemäß ein ganz anderes als der Betrag, der vom Mieter geschuldet wird. Der Wohnungseigentümer entwickelt die Betriebskostenabrechnung aus der Jahresabrech- 41 nung. Da nach der herrschenden wohnungseigentumsrechtlichen Auffassung eine Jahresabrechnung nach dem Abflussprinzip zu erstellen ist (s. Rz. 148 ff.), während mietrechtlich das Leistungsprinzip überwiegend angewendet wird,80 können die Abrechnungsbeträge auch bei den Betriebskosten unterschiedlich sein. Der vermietende Wohnungseigentümer kann nach diesen unterschiedlichen Prinzipien Beträge in der Betriebskostenabrechnung ansetzen, die nicht seiner Jahresabrechnung entsprechen müssen. Andererseits sind noch nicht sämtliche Kosten, die die Jahresabrechnung enthält, vom vermietenden Wohnungseigentümer bezahlt worden und somit entstanden, wenn die Jahresabrechnung für den betreffenden Wohnungseigentümer mit einem Nachzahlungsbetrag endet. Diesen Nachzahlungsbetrag kann der vermietende Wohnungseigentümer dennoch in der Betriebskostenabrechnung nach dem Leistungsprinzip schon ansetzen. Entscheidend ist, dass die Kosten bei der Wohnungseigentümergemeinschaft angefallen sind und der vermietende Wohnungseigentümer hierfür anteilig haftet.81 Legt der WEG-Verwalter die Jahresabrechnung nicht innerhalb der nächsten 12 Monate vor, 42 muss sich der vermietende Wohnungseigentümer dennoch diese Säumnis nicht zurechnen lassen, weil der WEG-Verwalter nicht sein Erfüllungsgehilfe ist.82 Dennoch muss sich der Vermieter exkulpieren und dazu darlegen, welche eigenen Bemühungen er unternommen hat, um die rechtzeitige Abrechnung sicherzustellen.83 Welche Bemühungen im Einzelnen von ihm erwartet werden dürfen, damit er die Verspätung nicht zu vertreten hat, bleibt in 78 OLG Düsseldorf v. 23.3.2000 – 10 U 160/97, NZM 2001, 48 = NJW-RR 2001, 299; Geldmacher, DWW 1997, 165; a.A. BGH v. 25.1.2017 – VIII ZR 249/15, NZM 2017, 216 = MDR 2017, 385, wonach nicht einmal die fehlende Jahresabrechnung, geschweige denn der Beschluss hierüber für die Abrechnungspflicht des vermietenden Wohnungseigentümers relevant sei. 79 BGH v. 25.1.2017 – VIII ZR 249/15, NZM 2017, 216 = MDR 2017, 385, wonach nicht einmal die fehlende Jahresabrechnung, geschweige denn der Beschluss hierüber für die Abrechnungspflicht des vermietenden Wohnungseigentümers relevant sei. 80 LG Hamburg v. 27.6.2000 – 316 S 15/00, NZM 2001, 806; Lammel, Wohnraummietrecht, § 556 BGB Rz. 132 m.w.N.; dem Vermieter die Anwendung der unterschiedlichen Prinzipien freistellend: BGH v. 20.2.2008 – VIII ZR 49/07, MDR 2008, 556 = MietRB 2008, 129 = ZMR 2008, 444 = NJW 2008, 1310 = WuM 2008, 223. 81 So auch LG Itzehoe v. 19.9.2002 – 4 S 61/02, ZMR 2003, 38. 82 BGH v. 25.1.2017 – VIII ZR 249/15, NZM 2017, 216 = MDR 2017, 385. 83 BGH v. 25.1.2017 – VIII ZR 249/15, NZM 2017, 216 = MDR 2017, 385. Jennißen | 1421
§ 28 WEG Rz. 42 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht der Rechtsprechung offen. Mindestens wird man fordern können, dass der Vermieter den WEG-Verwalter zur Vorlage auffordert. Auch kommt eine Belegeinsicht in Betracht, die aber nur dann eine Betriebskostenabrechnung ermöglicht, wenn der Verwalter die Buchführung erstellt hat. Bei größeren Gemeinschaften wird für den Vermieter eine Belegeinsicht ohne eine vom Verwalter gefertigte Buchführung unzumutbar sein.84 43 Wurde die Jahresabrechnung spät, aber für den Vermieter unverschuldet vorgelegt, hat dieser
noch einen Monat Zeit, um hieraus eine Betriebskostenabrechnung zu entwickeln85. Die Auffassung des BGH, der sogar drei Monate einräumt,86 ist zu großzügig bemessen. Wird die Jahresabrechnung dem Vermieter erst Mitte Dezember zur Verfügung gestellt, verlängert sich also die zwölfmonatige Frist bis in den Januar hinein. Danach ist erneut von einem Verschulden des Vermieters an der verspäteten Vorlage der Betriebskostenabrechnung auszugehen.
VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 1. Plicht zur Aufstellung 44 Schon der bis zum 1.12.2020 geltende Abs. 1 sah eine Pflicht des Verwalters zur Aufstellung
des Wirtschaftsplans vor. Dies hat sich nicht geändert. Da aber die Vorschusshöhe durch den neuen Abs. 1 nicht mehr zwingend an einen Wirtschaftsplan gekoppelt ist, verlieren die Wirtschaftspläne grundsätzlich an Bedeutung. Auch für die Feststellung des Wohngeldschuldners bei Eigentümerwechsel ist ebenfalls die Aufstellung des Wirtschaftsplans selbst nicht mehr, sondern nur die Beschlussfassung über die Vorschüsse von Bedeutung. Dennoch ist ein Beschluss, der den Verwalter von der Pflicht zur Aufstellung von Einzelwirtschaftsplänen dauerhaft befreit, nichtig.87 45 Das WEMoG hat zu einem Systemwechsel geführt. Nach § 18 Abs. 1 obliegt die Verwaltung
des gemeinschaftlichen Eigentums nun der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die sich wiederum ihres Organs, des Verwalters, bedient. Abs. 1 n.F. spricht weiterhin von der Pflicht des Verwalters zur Aufstellung des Wirtschaftsplans. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung des Verwalters kann aber nicht vom einzelnen Wohnungseigentümer ihm gegenüber unmittelbar gerügt werden. Vielmehr muss der Wohnungseigentümer von der Eigentümergemeinschaft, die nunmehr Schuldnerin des Anspruchs auf Aufstellung eines Wirtschaftsplans ihm gegenüber ist,88 eine Befassung mit dem fehlenden oder unvollständigen Wirtschaftsplan in der Eigentümerversammlung fordern, sodass die Gemeinschaft festlegen kann, welche Konsequenzen sie hieraus ziehen will, dass der Verwalter ihr gegenüber nicht leistet. Zieht die Gemeinschaft keine Konsequenzen, hat der einzelne Wohnungseigentümer keine Möglichkeit, gegen den Verwalter unmittelbar auf Vorlage des Wirtschaftsplans zu klagen. Vielmehr muss er nach § 44 Abs. 1 Satz 2 eine Beschlussersetzungsklage gegen die Eigentümergemeinschaft erheben. Die Gemeinschaft befindet sich in einer Sandwich-Situation. Sie ist gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer Schuldnerin und gegenüber dem Verwalter Gläubigerin des Anspruchs.89 Dennoch schuldet ihre Erstellung am Ende der Verwalter, so-
84 Ebenso Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Aufl., G Rz. 59. 85 Jennißen, ZWE 2018, 18, 19. 86 BGH v. 5.7.2006 – VIII ZR 220/05, MDR 2007, 204 = MietRB 2007, 1 = WuM 2006, 516 = NZM 2006, 740 = ZMR 2006, 847. 87 BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, MDR 2005, 1156 = MietRB 2005, 232 f., 237 = NJW 2005, 2061 = ZMR 2005, 547 = NZM 2005, 543; BayObLG v. 29.12.2004 – 2Z BR 112/04, ZMR 2005, 384. 88 So auch Volpp, ZWE 2020, 412, 413. 89 Siehe auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 33.
1422 | Jennißen
VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 49 § 28 WEG
dass die Erfüllung dieser vertraglichen Pflicht eingeklagt werden kann. Die Grenze zieht der Schikanegrundsatz. Auch wenn Abs. 1 Satz 2 eine Pflicht des Verwalters zur kalenderjährlichen Aufstellung des 46 Wirtschaftsplanes vorsieht, können die Wohnungseigentümer etwas anderes vereinbaren. Beispielsweise kann eine solche Vereinbarung ein abweichendes Wirtschaftsjahr bestimmen oder inhaltliche Regeln des Wirtschaftsplans festlegen.90 Nach altem Recht konnte der Verwalter von der Pflicht zur Aufstellung eines Wirtschaftsplans zumindest nicht durch Beschluss wirksam befreit werden.91 Für einen solchen Beschluss hätte die Beschlusskompetenz gefehlt.92 Hinsichtlich der Beschlusskompetenz gilt dies auch heute noch unverändert, eine Vereinbarung gleichen Inhalts wäre hingegen nicht nichtig. Dies ist die Konsequenz daraus, dass der Gesetzgeber durch das WEMoG die Bedeutung des Wirtschaftsplans herabgesetzt hat und dieser von der Beschlussfassung nicht mehr erfasst wird. Worüber schon nicht mehr unbedingt beschlossen werden muss, hat also von der gesetzgeberischen Wertung her keinen so hohen Stellenwert mehr, dass darauf nicht durch Vereinbarung verzichtet werden könnte.93 Zudem besteht gegenüber der alten Rechtslage keine zwingende Wechselwirkung mehr zwischen Wirtschaftsplan und Vorschusspflicht. Von der Frage, ob auf die Aufstellung eines Wirtschaftsplans generell verzichtet werden 47 kann, ist die Fortschreibung des Wirtschaftsplans zu unterscheiden. Bei Fortschreibung wird lediglich auf die formelle Erstellung eines neuen Wirtschaftsplans verzichtet und der bisherige Wirtschaftsplan übernommen. Der Wortlaut des Abs. 1 differenziert zwischen der Vorschusspflicht (Satz 1), die nicht unbedingt kalenderjahresbezogen jeweils neu beschlossen werden müsste, und dem eigentlichen Wirtschaftsplan, der kalenderjährig aufzustellen ist. Es besteht demnach die Pflicht des Verwalters, jährlich einen Wirtschaftsplan aufzustellen, aber nicht (mehr) die Pflicht, jährlich über die Vorschüsse zu beschließen. Die nach altem Recht geführte Diskussion, ob der Wirtschaftsplan über das laufende Kalen- 48 derjahr hinaus Wirkung behalten kann und dafür seine Fortgeltung für das Folgejahr beschlossen werden müsse,94 oder ob in dem Fortgeltungsbeschluss ein unzulässiger Verzicht auf die Aufstellung des Wirtschaftsplans gesehen werden könnte,95 hat durch die Neufassung von Abs.1 an Bedeutung verloren. Der Wortlaut verdeutlicht hinsichtlich der beschlossenen Vorschüsse, dass diese bis zu einem neuen Beschluss hierüber wirksam bleiben. Zur alten Rechtslage hatte der BGH96 bereits entschieden, dass ein Beschluss der Wohnungseigentümer 49 nicht rechtswidrig sei, mit dem der beschlossene Wirtschaftsplan bis zur Erstellung eines neuen Wirtschaftsplans fortgeschrieben wurde. Dieser Beschluss war nicht als Verzicht auf einen Wirtschaftsplan zu verstehen. Allerdings erforderte eine abstrakt-generelle Regelung, dass künftige Wirtschaftspläne 90 Siehe ebenso Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 31. 91 Den Verzicht durch Beschluss als nichtig ansehend: BGH v. 22.7.2011 – V ZR 245/09, NZM 2012, 30 = MietRB 2012, 16. 92 BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, MDR 2005, 1156 = MietRB 2005, 232 f., 237 = ZMR 2005, 547 = NJW 2005, 2061 = NZM 2005, 543 = ZWE 2005, 134; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 2. 93 Aufgabe der gegenteiligen Meinung zur alten Rechtslage, wo nur eine Abdingbarkeit für kleinere Gemeinschaften vertreten wurde, Vorauflage § 28 Rz. 34. 94 KG v. 11.7.1990 – 24 W 379/90, WE 1990, 210; KG v. 27.2.2002 – 24 W 16/02, NJW 2002, 3482 = WuM 2002, 392; BayObLG v. 12.12.2002 – 2Z BR 117/02, WuM 2003, 293; Hans. OLG Hamburg v. 23.8.2002 – 2 Wx 4/99, MietRB 2003, 42 = NZM 2003, 203; OLG Düsseldorf v. 2.6.2003 – 3 Wx 75/03, ZMR 2003, 767. 95 Dies verneinend, wenn der konkrete Wirtschaftsplan nur fortgelten und nicht geregelt werden soll, dass Wirtschaftspläne generell fortgelten: BGH v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, NZM 2019, 374; Letzteres bedarf einer Vereinbarung, so auch schon OLG Düsseldorf v. 24.1.2003 – 3 Wx 398/02, WuM 2003, 167; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 158. 96 BGH v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, NZM 2019, 374. Jennißen | 1423
§ 28 WEG Rz. 49 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht stets bis zur Verabschiedung eines neuen fortgelten sollen, eine Vereinbarung. Aber auch dies sollte den Verwalter nicht von der Pflicht, einen Wirtschaftsplan erstellen zu müssen, entbinden, sondern nur regeln, was zu gelten hat, wenn ein aktueller Wirtschaftsplan fehlt.
50 Fehlt der Wirtschaftsplan, wird der Beschluss über die Vorschüsse nicht unwirksam oder
zeitlich limitiert. Werden die Vorschüsse bestandskräftig beschlossen, soll nach teilweise geäußerter Auffassung der Anspruch auf Aufstellung des Wirtschaftsplans für das laufende Kalenderjahr entfallen.97 Dies folge aus dem Wortlaut „zu diesem Zweck“. Problematisch ist aber, dass diese Auffassung dazu führen könnte, dass die Aufstellung des Wirtschaftsplans weitgehend entfällt, weil ja die Festlegung der Vorschüsse nach S. 1 nicht auf das Kalenderjahr beschränkt ist und Dauerwirkung hat. 51 Ein Wirtschaftsplan, der gegen Ende des Kalenderjahres aufgestellt wird, verfolgt nicht
mehr den Zweck vorausschauender Kostenkalkulation und stellt deshalb möglicherweise eine Pflichtverletzung des Verwalters dar.98 Umgekehrt kann vom Verwalter ausnahmsweise noch die Aufstellung eines Wirtschaftsplans für das zurückliegende Jahr verlangt werden, wenn mit der Vorlage der Jahresabrechnung noch nicht zu rechnen ist99 und anders eine etwa notwendig werdende Anpassung der Vorschüsse nicht sinnvoll berechnet werden kann.
2. Inhalt 52 Das Gesetz definiert entgegen anderslautender Behauptungen nicht den Inhalt des Wirt-
schaftsplans.100 Abs. 1 und 2 sprechen nur von den Vorschüssen und die dazu notwendige Kalkulation der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben. Zudem wird die Rücklagenzuführung erwähnt. Die Vorgängervorschrift des § 28 Abs.1 a.F. erwähnte zusätzlich noch die Berechnung der anteiligen Zahlungsverpflichtungen, was jetzt mit der Berechnung der Vorschüsse identisch ist. Damit sind insoweit die alte und die neue Regelung deckungsgleich.101 Dass die neue Regelung die notwenigen Inhalte des Wirtschaftsplans besser aufklärt, ist somit nicht feststellbar. 53 Nach Abs. 1 Satz 2 stellt der Wirtschaftsplan die Schätzung der voraussichtlichen Einnah-
men und Ausgaben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, wobei der hiervon zu übernehmende Anteil des einzelnen Wohnungseigentümers und die Beitragsleistung der Wohnungseigentümer zur Instandhaltungsrücklage zu berechnen sind. Die Kostenkalkulation bezieht sich dabei auf das Kalenderjahr (s. Ziff. 3 Rz. 69), wie Satz 2 verdeutlicht. Es müssen alle Kosten geschätzt werden, mit deren Anfall im zu planenden Kalenderjahr zu rechnen ist.102 54 Der Wirtschaftsplan hat im Wesentlichen nur das Ziel, die voraussichtlichen Kosten der Ei-
gentümergemeinschaft im Kalenderjahr zu schätzen und hiermit korrespondierend die Bei-
97 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 756. 98 S. zur alten Rechtslage: Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 509; KG v. 10.2.1986 – 24 W 1925/85, NJW-RR 1986, 644, wonach, solange das Kalenderjahr nicht abgelaufen ist, ein Beschluss über den Wirtschaftsplan noch in Betracht kommt; a.A. BayObLG v. 13.12.2001 – 2Z BR 93/01, DWE 2002, 137 = ZWE 2002, 360, das einen erst im Dezember aufgestellten Wirtschaftsplan für rechtswidrig hält. 99 BGH v. 4.4.2014 – V ZR 168/13, MDR 2014, 705 = ZMR 2014, 808; LG Frankfurt/M v. 19.11.2020 – 2-13 S 137/19, IMR 2021, 31; KG v. 22.10.1999 – 24 W 4800/90, WE 1991, 104, 105. 100 So aber Wicke in Grüneberg, BGB 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 1. 101 Gleichfalls Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 10. 102 So auch für den Ansatz von voraussichtlichen Kosten für Beschlussanfechtungsklagen: BGH v. 17.10.2014 – V ZR 26/14, ZWE 2015, 91 = MDR 2015, 146 = MietRB 2015, 16.
1424 | Jennißen
VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 58 § 28 WEG
träge der Wohnungseigentümer zur Deckung dieser Kosten festzulegen.103 Beschränkt auf diese Aufgabe muss der Wirtschaftsplan keine Vermögensübersicht enthalten. Er verkörpert eine Etatplanung. Dazu müssen die Wohngeldvorschüsse nicht ausdrücklich als Einnahmen dargestellt werden, da der Wirtschaftsplan die Kostendeckung durch Wohngeldzahlungen unterstellt.104 Nur wenn damit zu rechnen ist, dass Einnahmen ausfallen, kann dem Rechnung getragen werden, indem das voraussichtlich fehlende Wohngeld wie eine Kostenposition einkalkuliert und verteilt wird (s. § 16 Rz. 255). Der Wirtschaftsplan besteht aus einem Gesamtwirtschaftsplan, der die Kosten der Eigentü- 55 mergemeinschaft für das betreffende Kalenderjahr schätzt, und aus Einzelwirtschaftsplänen, bei denen die einzelnen Kostengruppen auf den jeweiligen Wohnungseigentümer umgelegt werden und hieraus das monatliche Wohngeld errechnet wird. Der Verwalter hat die Gesamteinnahmen und -ausgaben zu kalkulieren und diese Beträge anteilmäßig auf die einzelnen Wohnungseigentümer zu verteilen. Ersteres wird als Gesamtwirtschaftsplan bezeichnet, während die Kostenverteilung zum Einzelwirtschaftsplan führt. Allerdings kann beides zusammengefasst werden. Das sieht der Wortlaut von Abs. 1 jetzt auch vor, der die Berechnung der Vorschüsse und „zu diesem Zweck“ die Darstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben fordert. Beide Bestandteile sind unverzichtbar.105 Aus dem Gesamtwirtschaftsplan werden die Einzelwirtschaftspläne entwickelt, die dann zur 56 Vorschusshöhe führen. Der Einzelwirtschaftsplan begründet die zu zahlenden Vorschüsse, nimmt aber selbst nicht an der nachfolgenden Beschlussfassung teil. Da nur noch über Letzteres abgestimmt wird („beschließen über die Vorschüsse“), hat der Wirtschaftsplan ausschließlich eine beschlussvorbereitende oder erläuternde Bedeutung.106 Eine großzügige Kostenschätzung ist nicht nur zulässig, sondern notwendig, um Nachforde- 57 rungen und unterjährige Liquiditätsengpässe möglichst zu vermeiden. Entsprechend besitzen die Wohnungseigentümer ein weites Ermessen bei der Beschlussfassung.107 Zu knapp kalkulierte Vorschüsse verstoßen gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung und sind anfechtbar. Ist mit Wohngeldausfällen zu rechnen, darf nicht die Einnahmenseite gekürzt werden, da dies nicht zu einer ausgeglichenen Liquiditätsplanung führen würde. Insbesondere muss auch unabhängig von der Zahlungsfähigkeit einem insolventen Wohnungseigentümer ein Wirtschaftsplan aufgemacht und ihm ein Vorschussbetrag aufgegeben werden, da er andernfalls erst gar nicht zur Zahlung des Wohngeldes verpflichtet würde. Im Wirtschaftsplan kann den zu befürchtenden Wohngeldausfällen Rechnung getragen werden, indem die Kostenseite sehr großzügig geschätzt wird, voraussichtliche Wohngeldausfälle als Kosten kalkuliert werden (s. § 16 Rz. 255)108 oder eine Liquiditätsrücklage (s. Rz. 382) angespart wird. Da die voraussichtlichen Einnahmen (besser Einzahlungen) zu planen sind, ist die Diskussi- 58 on verfehlt, ob auch Forderungen auf der Einnahmenseite eingestellt werden dürfen. Die gesamte Einnahmenseite besteht zum Zeitpunkt der Erstellung des Wirtschaftsplans aus Forde-
103 Siehe auch BT-Drucks. 19/18791, 76. 104 BGH v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, ZWE 2013, 367. 105 BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, MDR 2005, 1156 = MietRB 2005, 232 f., 237 = NZM 2005, 543 = NJW 2005, 2061 = ZMR 2005, 547 = DWE 2005, 134; BayObLG v. 17.8.2005 – 2Z BR 229/04, NZM 2006, 62; BayObLG v. 29.12.2004 – 2Z BR 112/04, ZMR 2005, 384. 106 Siehe auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 26 f. 107 Ebenso LG München I v. 21.1.2013 – 1 S 3378/22, ZMR 2014, 66. 108 So auch BGH v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = MietRB 2013, 298 = NZM 2013, 650 = ZMR 2014, 49; v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, ZMR 2012, 380 = NZM 2012, 275; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 15; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 24. Jennißen | 1425
§ 28 WEG Rz. 58 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht rungen. Somit kommt es nur darauf an, ob und in welcher Höhe mit Einnahmen, d.h. mit der Realisierung der Forderungen im zugrunde liegenden Kalenderjahr zu rechnen ist.109 Im Zweifel gebietet schon das Vorsichtsprinzip die Außerachtlassung einer Einnahme, wenn ihre Realisierung im laufenden Kalenderjahr nicht zu erwarten ist (Ausnahme zu erwartende Wohngeldausfälle, siehe vorstehende Rz. 57).110 59 Im Rahmen des Wirtschaftsplans ist es zulässig, die voraussichtlichen Heizkosten ver-
brauchsunabhängig nach Miteigentumsanteilen zu verteilen.111 Gleichermaßen ist es zulässig, die Verbrauchswerte des Vorjahres anzusetzen. 60 Der Wirtschaftsplan muss die geplanten Kostenarten, den Verteilungsschlüssel und die Kos-
tenanteile bei jeder Kostenposition je Eigentümer enthalten. Die Kostenarten und ihre Bezeichnung sollten der Jahresabrechnung entsprechen. Neben den voraussichtlichen Wohngeldzahlungen kann die Einnahmenseite noch durch Miet- oder Zinseinnahmen geprägt sein. Zinserträge aus der Instandhaltungsrücklage sind nur dann in den Wirtschaftsplan aufzunehmen, wenn sie den laufenden Kosten gegenübergestellt werden und sich ihrer voraussichtlichen Höhe nach auf die Wohngeldberechnung auswirken.112 Sollen sie hingegen der Erhaltungsrücklage zugeführt werden, ist der Ausweis des geplanten Zinsertrags zwar von informatorischer Bedeutung, nicht aber für den Haushaltsausgleich notwendig und daher nicht anzusetzen.113 Die voraussichtliche Rücklagenentwicklung erfordert der Wirtschaftsplan nicht.114 Der Wirtschaftsplan dient nicht der Vermögensdarstellung der Eigentümergemeinschaft, sondern nur der Berechnung der Beträge, die notwendig sind, um voraussichtlich eine Kostendeckung im nächsten Kalenderjahr zu erzielen. Beträge, die die Wohngeldlast senken (z.B. Einnahmen aus einer Mobilfunkantenne), sind zu berücksichtigen, nicht aber Beträge, die die Wohnungseigentümer weder einzahlen noch zur Deckung des laufenden Etats verwendet werden, also lediglich vermögenserhöhend wirken. Die Ansparung von Zinsen auf der Rücklage soll dem Inflationsausgleich dienen und nicht der Senkung der laufenden Beiträge zu den Betriebskosten. Umgekehrt stellt die voraussichtliche Entnahme von Beträgen aus der Erhaltungsrücklage keine Einnahme dar. Es handelt sich nur um eine Umbuchung,115 die allerdings das aufzubringende Wohngeld reduziert und insoweit kostenmindernd im Wirtschaftsplan berücksichtigt werden muss (s. zur Darstellung der Rücklagenentnahme in der Jahresabrechnung Rz. 383 ff.). § 28 Abs. 1 Satz 1 spricht nur von den Beitragsleistungen zur Rücklage, nicht von den sonstigen Einnahmen. Es geht um die Berechnung des Kostenbeitrags des einzelnen Wohnungseigentümers, auf den sich die Zinsen der Rücklage nicht auswirken.
109 Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 24. 110 Vgl. hierzu auch BayObLG v. 20.1.2005 – 2Z BR 117/04, ZMR 2005, 563; BayObLG v. 29.12.2004 – 2Z BR 112/04, ZMR 2005, 384; BayObLG v. 24.6.1999 – 2Z BR 179/98, NZM 1999, 868; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 24; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 10. 111 KG v. 7.1.2004 – 24 W 326/01, ZMR 2005, 221. 112 LG Köln v. 27.10.2016 – 29 S 91/16, ZWE 2017, 282. 113 Bub, Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft, 3. Aufl., Rz. 28; Bartholome in Hogenschurz, § 28 Rz. 7; a.A. Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 24. 114 KG v. 7.1.2004 – 24 W 326/01, ZMR 2005, 221; nicht hinreichend differenzierend Hans. OLG Hamburg v. 2.2.2004 – 2 Wx 133/01, ZMR 2004, 45; OLG Köln v. 5.5.2008 – 16 Wx 47/08, MietRB 2008, 367 = NZM 2008, 652; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 12; Zinsen wegen ihrer Geringfügigkeit als nicht zwingend ausweisbar ansehend: OLG München v. 17.2.2009 – 32 Wx 164/08, NZM 2009, 821. 115 Siehe hierzu auch BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, juris.
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VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 65 § 28 WEG
Liegen keine Sondereinnahmen vor, entsprechen die Gesamtkosten den gesamten Wohngeld- 61 forderungen, da die angesetzten Wohngeldzahlungen immer zu einer Kostendeckung führen müssen. Deshalb ist es auch überflüssig, im Gesamtwirtschaftsplan die künftigen Wohngeldvorschüsse der Wohnungseigentümer aufzuführen.116 Ein ordnungsmäßiger Wirtschaftsplan kann nicht mit einem Überschuss oder einer Unterdeckung zwischen voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enden. Dabei darf der Verwalter unterstellen, dass die Wohnungseigentümer bei Fälligkeit das Wohngeld entrichten. Zeigt die Erfahrung, dass ein Wohnungseigentümer häufiger verspätet zahlt, ist dem im Wirtschaftsplan nicht derart Rechnung zu tragen, dass die Säumnis gerechtfertigt wird. Dies kann aber wiederum einen großzügigeren Kostenansatz erfordern, um die Liquiditätsspielräume zu verbessern. Es sind alle Kosten aufzunehmen, die voraussichtlich im Planungszeitraum anfallen, auch 62 wenn ihre Höhe noch nicht feststeht. Dies gebietet ebenfalls das Vorsichtsprinzip.117 Die voraussichtlichen Kosten sind auch dann zu schätzen, wenn keine Vergleichswerte oder Kostenangebote vorliegen. Das Vorsichtsprinzip führt zu einem Ermessensspielraum der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über die Vorschusshöhe, der nach oben weit und nach unten eng ist. Im Zweifel sind die Vorschüsse zu hoch zu schätzen. Da die voraussichtlichen Ausgaben im Zeitpunkt der Erstellung des Wirtschaftsplans schon 63 dann Verbindlichkeiten der Eigentümergemeinschaft darstellen, wenn der zugrunde liegende Verpflichtungstatbestand bereits erfüllt ist, ist auch die Diskussion verfehlt, ob Verbindlichkeiten in den Wirtschaftsplan eingestellt werden dürfen.118 Entscheidend ist nur, ob der Verwalter damit rechnen muss, dass er diese Beträge im zu kalkulierenden Kalenderjahr bezahlen wird. Entsprechendes gilt auch für Prozesskosten eines möglichen Beschlussanfechtungsverfahrens, zumal auf der Passivseite nun nicht mehr die übrigen Wohnungseigentümer beteiligt sind,119 sondern der Verband. Die kalkulierten Jahreskosten werden gleichmäßig auf die Monate verteilt. Andernfalls könn- 64 te der Wirtschaftsplan zu wechselnden monatlichen Wohngeldbeträgen führen, was nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.120 Fließen die Kosten nicht gleichmäßig monatlich ab (z.B. Versicherungsprämien am Jahresanfang), so ist diesem Problem durch eine großzügige Kostenschätzung, die mehr Liquiditätsspielraum gibt, Rechnung zu tragen. Auch diesbezüglich kann sich die Bildung einer Liquiditätsrücklage (s. Rz. 382) anbieten. Das frühere Argument, eine solche sei im Gesetz nicht vorgesehen und daher unzulässig,121 war nicht überzeugend und hat jetzt durch die gesetzgeberische Klarstellung, dass auch sonstige Rücklagen („durch Beschluss vorgesehene Rücklagen“) gebildet werden dürfen,122 seine Argumentationsgrundlage endgültig verloren. Die Kalkulation der einzelnen Kosten im Wirtschaftsplan hat nicht zur Folge, dass der Ver- 65 walter in seiner Geschäftsführung für die Eigentümergemeinschaft entsprechend festgelegt wird. Er darf durchaus „quersubventionieren“ (s. Rz. 75). Die Darstellung der Einzelkosten ist aber für die Schlüssigkeitsprüfung des Wirtschaftsplans zwingend notwendig und ermöglicht erst einen Vergleich mit der späteren Jahresabrechnung.
116 BGH v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, MDR 2013, 1090 = MietRB 2013, 298 = NZM 2013, 650 = ZMR 2014, 49. 117 A.A. LG Berlin v. 29.11.2005 – 55 T 152/04 WEG, ZMR 2006, 393, wonach der Höhe nach noch nicht bekannte Beträge nicht anzusetzen seien. 118 S. hierzu T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 15. 119 So schon zur alten Rechtslage BGH v. 17.10.2014 – V ZR 26/14, ZMR 2015, 244 = MDR 2015, 146 = MietRB 2015, 16. 120 LG Frankfurt/M v. 4.3.1992 – 2/9 T 580/91, DWE 1992, 85. 121 So OLG Hamm v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446. 122 BT-Drucks. 19/18791, 76. Jennißen | 1427
§ 28 WEG Rz. 66 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 66 Die Wohnungseigentümer können alles beschließen, was ordnungsmäßiger Verwaltung ent-
spricht, § 19 Abs. 1. So können die Wohnungseigentümer auch Sonderumlagen (s. Rz. 77 ff.) festlegen, obschon diese im Gesetz ebenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen, aber ein nachgeschobener oder ergänzender Bestandteil des Wirtschaftsplans sind123. Da aber Vorschüsse nach dem Wortlaut der Neuregelung auch ohne Wirtschaftsplan beschlossen werden können, sind keine formellen Voraussetzungen an die Sonderumlage zu stellen.124 67 Wird eine Kreditaufnahme beschlossen, sind die Zins- und Tilgungsleistungen im Wirt-
schaftsplan zu berücksichtigen. Die Verteilung erfolgt aber nur auf die Miteigentümer, die im Innenverhältnis auch an der Kreditaufnahme teilnehmen, also ihren Betrag nicht selbst aufbringen (z.B. per Sonderumlage).125 68 Der Wirtschaftsplan ist für jede Einheit aufzustellen. Dies gilt auch für Tiefgaragenplätze,
wenn für diese selbständige Miteigentumsanteile gebildet wurden.126
3. Zeitraum des Wirtschaftsplans 69 Nach Abs. 1 Satz 2 ist der Wirtschaftsplan für das Kalenderjahr aufzustellen. Optimal ist es,
wenn er schon vor Beginn des betreffenden Kalenderjahres vorgelegt wird. Wird er erst im laufenden Jahr präsentiert, ist dies auch grds. unschädlich. 70 Grundsätzlich gilt ein Wirtschaftsplan, der für ein bestimmtes Jahr erstellt wurde, auch nur
für dieses Jahr.127 Da der Wirtschaftsplan seit der WEG-Novelle 2020 nicht mehr beschlossen wird, hat der Ablauf des Kalenderjahres auf die Wohngeldverpflichtung keine Auswirkungen (s.o. zur Fortgeltungsklausel, Rz. 47 f.). Die nicht zeitige Vorlage eines neuen Wirtschaftsplans stellt zwar eine Pflichtverletzung des Verwalters dar, ist aber nicht unmittelbar maßgebend für die Höhe und Fälligkeit der Wohngeldbeträge. Wird ein neuer Wirtschaftsplan vorgelegt, erzwingt dies nicht umgekehrt einen Beschluss über eine neue Vorschusshöhe. 71 Haben die Wohnungseigentümer bisher ein abweichendes Wirtschaftsjahr praktiziert, muss
auf das Kalenderjahr umgestellt werden. Dazu ist in einem Jahr ein Rumpfwirtschaftsjahr (beispielsweise für sechs Monate) zu erfassen.128 Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung betreffen dann nur dieses Rumpfwirtschaftsjahr, was ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, da anders das erforderliche Kalenderjahr nicht eingeführt werden kann. Wurde in einer langjährigen Übung der Wirtschaftsplan immer für ein abweichendes Wirtschaftsjahr aufgestellt, kann der Verwalter dennoch zur Umstellung verpflichtet werden.
4. Fehlender Wirtschaftsplan 72 Der einzelne Wohnungseigentümer hat Anspruch auf Vorlage eines ordnungsgemäßen
Wirtschaftsplans. Dieser Anspruch richtet sich seit der WEG-Novelle 2020 nur gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht mehr gegen den Verwalter.129 Jeder Wohnungseigentümer hat Anspruch auf ordnungsmäßige Finanzausstattung der EigentümerBGH v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, ZMR 2012, 380 = NZM 2012, 275. Siehe hierzu Lehrmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, § 10 Rz. 820 f. BGH v. 25.9.2015 – V ZR 244/14, ZMR 2016, 49 = MDR 2015, 1355. AG Hamburg-St. Georg v. 25.7.2013 – 980b C 98/12, ZMR 2014, 61. BayObLG v. 29.12.1987 – BReg. 2 Z 93/87, WE 1988, 141; KG v. 15.6.1988 – 24 W 1434/88, DWE 1989, 18. 128 Ebenso Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 31. 129 Siehe zur alten Rechtslage die Ausführungen in der Vorauflage, § 28 Rz. 49 ff.; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 142, 144. 123 124 125 126 127
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VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 76 § 28 WEG
gemeinschaft, § 19 Abs. 2 Nr. 5. Die Gemeinschaft muss dann ihrerseits auf den Verwalter einwirken, dass er das Urteil erfüllt. Eine Streitverkündung kommt hierzu ebenso in Betracht, wie eine eigenständige Klage auf Leistung und auch auf Schadensersatz. Wird ein Wirtschaftsplan vorgelegt und hält ihn der Wohnungseigentümer für fehlerhaft, 73 kann er keine Anfechtungsklage erheben, da dieser nicht mehr Beschlussgegenstand ist. Der Wohnungseigentümer kann dann von der Gemeinschaft verlangen, dass diese den Verwalter auffordert, den Wirtschaftsplan zu überarbeiten. Lehnen die Wohnungseigentümer diese Nachbesserungsforderung durch Beschluss mehrheitlich ab, liegt ein negativer Beschluss vor, der eine Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 ermöglicht. Das Urteil ersetzt den nicht gefassten Beschluss mit der Maßgabe, den Verwalter zur Nachbesserung zu verpflichten. Eine Nachbesserung des Wirtschaftsplans selbst ist durch diese Klageform nicht zu erreichen. Wird kein Wirtschaftsplan vorgelegt, kommt nicht schon deshalb eine Beschlussersetzungs- 74 klage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 in Betracht, weil nach dem Wortlaut der Norm nicht eine fehlende Maßnahme, sondern ein fehlender Beschluss zu ersetzen ist.130 Insoweit ist die Norm nicht mehr mit dem früheren § 21 Abs. 8 identisch. Über den Wirtschaftsplan wird aber nicht mehr beschlossen. Deshalb kommt nur eine Leistungsklage in Betracht.131 Vollstreckbar ist das Urteil als vertretbare Handlung nach § 887 ZPO.132
5. Abweichen vom Wirtschaftsplan Der Wirtschaftsplan bestimmt den wirtschaftlichen Handlungsspielraum des Verwalters. 75 Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Verwalter an die einzelnen Wertvorgaben streng gebunden ist und beispielsweise Stromrechnungen nur bis zur Höhe des kalkulierten Betrages bezahlen dürfe. In erster Linie wird das Handeln des Verwalters durch die geplanten Gesamteinnahmen bestimmt. Solange die Einnahmen ausreichen, kann er die Kosten bedienen. Die Aufteilung der Gesamtkosten auf einzelne Kostengruppen im Wirtschaftsplan dient nur der Schlüssigkeitsprüfung und legt nicht die einzelne Ausgabenhöhe fest. Das Handeln des Verwalters wird durch die Höhe des Gesamtetats bestimmt. Dass der Verwalter innerhalb der kalkulierten Gesamtkosten variieren darf, gilt aber nur ein- 76 geschränkt für die Zuführungsbeträge zur Erhaltungsrücklage. Aus der Entscheidung des BGH v. 4.12.2009133 folgt die Feststellung, dass die Anteile des laufenden Wohngeldes, die der Rücklagenzuführung dienen, schon unterjährig mit Eingang auf dem Gemeinschaftskonto der Zweckbindung unterliegen. Dies engt den Handlungsspielraum des Verwalters ein. Aus diesem Grunde sind Mehrheitsbeschlüsse, die dem Verwalter unterjährig das Recht geben, die Zuführungsbeträge der Rücklage zur Liquiditätsstärkung und zur Begleichung von Betriebskosten zu verwenden, erforderlich (s. Rz. 379).134 Dies lässt sich durch die Bildung einer nunmehr im Gesetz angedeuteten („durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen“) Liquiditätsrücklage gleichermaßen regeln.135 Demgegenüber schränkt ein Beschluss, der dem
130 131 132 133 134
So auch Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 26. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 758. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 759. BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300. LG München I v. 14.7.2017 – 36 S 3310/16, ZWE 2017, 286; AG Brühl v. 7.4.2011 – 23 C 583/10, MietRB 2011, 219 = ZMR 2011, 756. 135 LG München I v. 14.7.2017 – 36 S 3310/16, ZWE 2017, 286; LG Düsseldorf v. 21.12.2016 – 25 S 63/16, ZMR 2017, 181; a.A. OLG Hamm v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZMR 2001, 1001, wonach ein Beschluss über eine Liquiditätsrücklage rechtswidrig sei, da diese im Gesetz nicht vorgesehen wäre. Jennißen | 1429
§ 28 WEG Rz. 76 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht Verwalter vorgibt, Teilzahlungen der Wohnungseigentümer zunächst gegen die Erhaltungsrücklage zu buchen und erst überschießende Beträge als Betriebs- und Verwaltungskostenbeiträge zu werten, den Handlungsspielraum ein.
6. Sonderumlage a) Zweck 77 Die Sonderumlage galt bisher als ein nachgeschobener und ergänzender Teil des Wirt-
schaftsplans. Der Beschluss über eine Sonderumlage kommt in Betracht, wenn sich die Ansätze im Wirtschaftsplan bzw. die bisherige Vorschusshöhe als zu niedrig erwiesen haben, durch neue Tatsachen überholt bzw. falsch bemessen sind oder aus anderen Gründen nicht durchgeführt werden können.136 Der Beschluss über die Sonderumlage schafft nur vorläufige Zahlungspflichten.137 Durch das WEMoG hat sich aber die Systematik geändert. Der Wirtschaftsplan wird nicht mehr beschlossen, die Sonderumlage allerdings wohl. Dieser vermeintliche Widerspruch ist dahingehend aufzulösen, dass der Beschluss über eine Sonderumlage nur noch als eine ergänzende Vorschusspflicht anzusehen ist. Existiert kein Wirtschaftsplan, verstößt der Sonderumlagebeschluss nicht schon deshalb gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung.138 Im Vordergrund ordnungsmäßiger Verwaltung steht aber die möglichst gleichmäßige Verteilung der Vorschusspflicht über 12 Monate. Die Erhebung einer Sonderumlage kann daher nicht die Regel sein. 78 Sonderumlagen kommen in erster Linie in Betracht, um einen nicht oder so kurzfristig er-
warteten Instandsetzungsbedarf decken zu können. Dabei können die Wohnungseigentümer eine Instandsetzungsmaßnahme auch dann durch Sonderumlagen finanzieren, wenn eine ausreichend hohe Rücklage vorhanden ist.139 Die Wohnungseigentümer haben einen weiten Ermessensspielraum in der Frage, wie notwendige Instandsetzungsmaßnahmen finanziert werden.140 Die Sonderumlage kann großzügig bemessen werden. Voraussichtliche Zahlungsausfälle sind bei ihrer Bemessung zu berücksichtigen.141 79 Eine besondere Bedeutung erlangt die Sonderumlage nunmehr auch im Zusammenhang mit
baulichen Veränderungen. Diese können seit dem 1.12.2020 mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, so dass mit ihnen in der Praxis viel häufiger zu rechnen ist. Zudem können sie von der Gemeinschaft durchgeführt werden, wie §§ 20 und 21 verdeutlichen. Die Gemeinschaft wird aber i.d.R. für bauliche Veränderungen keine Rücklage angespart haben, andererseits aber auch nicht den allgemeinen Etat belasten wollen, wenn die bauliche Veränderung nur im Interesse und letztendlich zu Lasten einiger Wohnungseigentümer durchzuführen ist. Die Gemeinschaft wird auch für die bauliche Veränderung keine wirtschaftlichen Risiken eingehen wollen und diese deshalb erst ausführen, wenn die die Maßnahme wünschenden Wohnungseigentümer sie finanziell durch Sonderumlage gedeckt haben. 80 Die Sonderumlage kann auch erhoben werden, um die Liquidität der Eigentümergemein-
schaft zu stärken, insbesondere, wenn Wohnungseigentümer mit ihren Wohngeldbeträgen rückständig sind. Die Erhebung der Sonderumlage befreit die säumigen Eigentümer nicht von den Zahlungsverpflichtungen. Der Beschluss setzt nicht voraus, dass die Wohngeldaus-
136 137 138 139 140 141
BGH v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NZM 2012, 275 = ZWE 2012, 125. LG München I v. 25.11.2013 – 1 S 1911/13, ZMR 2014, 399. Siehe zur alten Rechtslage: AG Rendsburg v. 12.3.2010 – 18 C 675/09, ZWE 2011, 59. BayObLG v. 3.4.2003 – 2Z BR 29/02, ZMR 2003, 694. LG Berlin v. 25.9.2001 – 85 T 81/01, ZMR 2003, 63. BGH v. 13.1.2012 – V ZR 129/11, NZM 2012, 275 = ZWE 2012, 125; LG Köln v. 5.5.2011 – 29 S 222/10, juris.
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VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 83 § 28 WEG
fälle schon definitiv eingetreten sind und zu Liquiditätsengpässen geführt haben.142 Es entspricht gerade ordnungsgemäßer Verwaltung, Liquiditätsengpässe erst gar nicht entstehen zu lassen und entsprechende Vorsorge zu betreiben. b) Fälligkeit Die Fälligkeit der Sonderumlage richtet sich nach dem Beschlussinhalt. Ist die Fälligkeit im 81 Beschluss nicht genannt worden, wird die Sonderumlage im Zweifel sofort fällig. Nach dem bis zum 1.12.2020 geltenden Recht wurden die Beträge erst fällig, wenn der Verwalter sie abrief, also die Wohnungseigentümer zur Zahlung aufforderte.143 Das entsprach dem Wortlaut von § 28 Abs. 2 a.F. Da sich ein vergleichbarer Wortlaut in der Neufassung nicht mehr wiederfindet, tritt nunmehr Fälligkeit, wenn nichts anderes im Beschluss geregelt wurde, sofort ein, § 271 BGB.144 Andererseits tritt keine Fälligkeit ein, wenn der Beschluss unklar abgefasst oder an nicht näher definierte Bedingungen geknüpft ist.145 Eine rückwirkende Fälligkeit einer Sonderumlage kann nicht beschlossen werden. Genauso 82 wenig kann eine aktuell beschlossene Sonderumlage schon in die letzte Jahresabrechnung einzustellen sein.146 Allerdings können die Wohnungseigentümer vor der Beschlussfassung über die Abrechnungsergebnisse durch Mehrheitsbeschluss den Verwalter anweisen, die Zuführung zu einer Rücklage in der Jahresabrechnung zu erhöhen, sodass sich auch die Abrechnungsergebnisse erhöhen. Dies kann auch zur allgemeinen Liquiditätsstärkung geschehen (siehe zur Bildung von Liquiditätsrücklagen Rz. 382). Dann handelt es sich aber nicht mehr um eine Sonderumlage im klassischen Sinne. c) Beschluss Der Beschluss über die Sonderumlage ist nur dann rechtmäßig, wenn der Beschluss neben 83 der Summe des insgesamt zu erhebenden Betrages auch den Anteil eines jeden Wohnungseigentümers enthält.147 Jeder Wohnungseigentümer muss erkennen können, welche Belastungsfolge der Beschluss hat. Eine „circa“-Angabe eines Betrages reicht dazu nicht aus.148 Ein Beschluss, der den anteiligen Betrag je Eigentümer nicht enthält, kann ausnahmsweise dann wirksam sein, wenn die Summe der zu erhebenden Sonderumlage der Summe der Verteilungsschlüssel (z.B. 10.000 Euro Sonderumlage bei insgesamt 10.000 Miteigentumsanteilen) entspricht. Ebenso ist es als zulässig anzusehen, wenn bei gleichen Wohnungsgrößen (gleicher Schlüssel) nicht alle einzelnen Wohnungen, sondern nur die jeweiligen Wohnungsgruppen aufgeführt werden. Sobald ein Rechenvorgang erforderlich ist, kommt es auf den Einzelfall an und es ist maßgebend, ob der Rechenvorgang im Einzelnen einfacher oder schwieriger ist.149 Damit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, insbesondere wenn 142 So aber LG Stuttgart v. 20.12.2017 – 19 S 54/16, MietRB 2018, 308. 143 BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, ZMR 2018, 527 = WuM 2018, 240 = ZWE 2018, 217. 144 Immer noch auf den Zeitpunkt des Abrufs durch den Verwalter abstellend: LG Karlsruhe v. 1.6.2022 – 11 T 22/22, IMR 2022, 410. 145 Vgl. hierzu BayObLG v. 20.10.2004 – 2Z BR 161/04, ZMR 2005, 140, wonach ein Beschluss, der die Fälligkeit einer Sonderumlage von der Vorlage einer Bankbestätigung abhängig macht, wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig ist. 146 LG Lüneburg v. 30.6.2020 – 3 S 59/19, ZMR 2020, 881. 147 BayObLG v. 7.11.2002 – 2Z BR 97/02, WuM 2003, 103; BayObLG v. 18.8.2004 – 2Z BR 114/04, DWE 2004, 138; BayObLG v. 4.3.2004 – 2Z BR 247/03, DWE 2004, 140; a.A. LG München I v. 29.1.2007 – 1 T 11666/06, ZMR 2007, 495. 148 AG Friedberg v. 26.8.2022 – 2 C 848/21, ZMR 2022, 1001. 149 Unter Aufgabe der gegenteiligen Auffassung in der 2. Aufl.; ebenso BayObLG v. 20.11.2002 – 2Z BR 144/01, NZM 2003, 66 = WuM 2003, 101; KG v. 21.8.2002 – 24 W 366/01, WuM 2002, 565; OLG Braunschweig v. 29.5.2006 – 3 W 9/06, ZMR 2006, 787. Jennißen | 1431
§ 28 WEG Rz. 83 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht der vorgesehene Betrag in der Versammlung abgeändert wird, kann es genügen, wenn die Wohnungseigentümer die Höhe ihrer Belastung überschlagen können, ohne dass der Betrag centgenau ermittelt wird. Auf keinen Fall darf aber ein Zweifel an dem Verteilungsschlüssel bestehen. Bei einer Mehrhausanlage muss die Bezugsgröße genannt werden, wenn gem. Gemeinschaftsordnung die Sonderumlage nur von den Eigentümern eines Hauses erbracht werden soll (Summe der Miteigentumsanteile des Hauses = 100 %). 84 Abweichungen gegenüber der Beschlussvorlage können unerheblich sein, wenn sich der
Umlagebetrag für den einzelnen Wohnungseigentümer nicht wesentlich verändert. Der Wohnungseigentümer muss immer damit rechnen, dass die geplante Instandsetzungsmaßnahme entgegen der Beschlussvorlage ganz per Sonderumlage zu finanzieren ist und kein Anteil aus der Rücklage genommen wird oder sich die Eigentümer für einen größeren Betrag entscheiden. Im Vordergrund steht immer, dass der finanzielle Spielraum der Eigentümergemeinschaft erhalten bleiben muss, was eine gewisse Großzügigkeit rechtfertigt. Wird aber entgegen der Ankündigung in der Tagesordnung eine umfangreichere Maßnahme beschlossen, so dass sich deshalb die Sonderumlage deutlich erhöht (z.B. verdoppelt), kann der Beschluss überraschend und deshalb rechtswidrig sein. Meistens liegt dann die Überraschung schon im veränderten Umfang der Maßnahme selbst begründet. d) Verteilungsschlüssel 85 Bei der Ermittlung der Sonderumlage ist grundsätzlich der Verteilungsschlüssel der Gemein-
schaftsordnung zugrunde zu legen, es sei denn, die Wohnungseigentümer hätten gem. § 16 Abs. 2 einen anderen Schlüssel für die konkrete Maßnahme beschlossen. Der Beschluss über die Sonderumlage unter Ansatz eines falschen Verteilungsschlüssels ist anfechtbar.150 Wird im Beschluss zum Verteilungsschlüssel keine Aussage getroffen, gilt der vereinbarte. Ist hingegen die Angabe des Verteilungsschlüssels wegen inhaltlicher Unklarheit notwendig und fehlt dieser, tritt keine Fälligkeit der Sonderumlage ein. Bestehen Zweifel, ob alle Miteigentumsanteile oder nur die von Teilgebäuden gemeint sind, kommt Nichtigkeit der Beschlussfassung wegen inhaltlicher Unbestimmtheit in Betracht.151 Ein falscher Verteilungsschlüssel in einem bestandskräftigen Beschluss über eine Sonderumlage hat keine Bindungswirkung auf die nachfolgende Jahresabrechnung.152 Allerdings müssen die Wohnungseigentümer stets vor Durchführung einer Instandsetzungsmaßnahme wissen, welche Kosten auf den einzelnen zukommen. Das erfordert es, dass der Verteilungsschlüssel vor dem Beschluss feststeht.153 e) Darstellung in der Jahresabrechnung 86 Über die Beträge der Sonderumlage ist, gleichfalls wie über den Wirtschaftsplan, in der Jah-
resabrechnung abzurechnen.154 Die Jahresabrechnung muss alle Einnahmen enthalten, sodass die Jahresabrechnung niemals schlüssig sein kann, wenn Zahlungen auf Sonderumlagen nicht erscheinen. Dabei ist auch keine Ausnahme bei mehrjährigen Maßnahmen zulässig.
150 BayObLG v. 13.11.2003 – 2Z BR 165/03, DWE 2004, 28; BayObLG v. 17.11.2004 – 2Z BR 127/04, DWE 2005, 27; OLG Köln v. 8.2.2002 – 16 Wx 6/02, DWE 2004, 69; LG München v. 11.1.2006 – 1 T 13749/05, ZMR 2006, 648, wonach Anfechtbarkeit auch dann besteht, wenn verschiedene Verteilungsschlüssel in Betracht kommen. 151 LG München I v. 29.3.2010 – 1 T 5340/10, ZWE 2010, 415. 152 LG Lüneburg v. 28.7.2014 – 9 S 49/14, ZMR 2014, 1005. 153 LG Berlin v. 31.1.2023 – 55 S 28/22 WEG, ZWE 2023, 218 lässt auch einen fehlerhaften Verteilungsschlüssel zu, wenn dies nur zu geringfügigen Abweichungen führt. 154 KG v. 22.11.2004 – 24 W 233/03, ZMR 2005, 309.
1432 | Jennißen
VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 91 § 28 WEG
Die noch nicht verbrauchten Teile der Sonderumlage sind dann in einer „Sonderrücklage“ zu parken.155 Die Zahlungen auf Sonderumlagen sind in der Jahresabrechnung wie laufende Wohngeld- 87 zahlungen in der Gesamtabrechnung zu berücksichtigen.156 Soll die hierdurch geschöpfte Liquidität erhalten bleiben, muss eine Position (z.B. Rücklagenzuführung) in der Einzelabrechnung aufgeführt werden. Wurden die per Sonderumlage erhobenen Mittel verwendet, sind die entsprechenden Kosten zu verteilen.157 Die Mittelverwendung erscheint als Kosten (z.B. „Dachreparatur“) und die Sollstellung der Sonderumlage als Einnahme. Eine Zuführung zur Rücklage kommt dann nicht in Betracht.158
7. Beschluss über die Vorschüsse, Abs. 1 Satz 1 Nach Abs. 1 beschließen die Wohnungseigentümer über die Vorschüsse und die Rücklagen- 88 bildung. Bis zum Inkrafttreten des WEMoG hatten die Wohnungseigentümer über den Wirtschaftsplan selbst zu beschließen, der in Form des Einzelwirtschaftsplans auch die Zahllast des einzelnen Wohnungseigentümers enthielt. Nunmehr hat der Verwalter zwar weiterhin einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der Beschluss bezieht sich aber nur noch auf die so errechneten Vorschüsse und gegebenenfalls die Höhe der Rücklagenzuführung. Der Wirtschaftsplan begründet also selbst keine Zahlungsansprüche der Gemeinschaft mehr, sondern nur der Beschluss über die Vorschüsse. Beschlussgegenstand ist nur die Wohngeldhöhe, nicht die Kostenkalkulation und auch nicht 89 die zugrunde gelegten Verteilungsschlüssel, die Bestandteil des nicht der Beschlussfassung unterliegenden Wirtschaftsplans sind (s. zur Anfechtung wegen Anwendung eines falschen Verteilungsschlüssels Rz. 114 ff.). Soll der Verteilungsschlüssel geändert werden, bedarf es einer gesonderten Beschlussfassung. Dies kann nicht konkludent durch Anwendung eines veränderten Schlüssels bei der Errechnung der Vorschüsse geschehen.159 Schon aus Praktikabilitätsgesichtspunkten ist dabei nicht über jeden einzelnen Vorschuss se- 90 parat zu beschließen, sondern der Verwalter hat eine Liste der Vorschussbeträge vorzulegen,160 sodass mit einem Beschluss alle Vorschüsse der einzelnen Wohnungseigentümer bestimmt werden. Nur zur Überprüfung dieser Vorschussberechnung hat der Verwalter den Wirtschaftsplan zu erstellen und vorzulegen. Die Vorschussbeträge werden im Zweifel mit den jeweiligen Summen der Einzelwirtschaftspläne identisch sein,161 sodass bei der Beschlussfassung auch anstelle einer separaten Liste auf die Einzelwirtschaftspläne verwiesen werden kann. Dennoch dürfen die Einzelwirtschaftspläne nicht zum Inhalt, sondern nur zur Bezugsgröße des Beschlusses (Bestimmbarkeit) gemacht werden. Ist der Wirtschaftsplan nicht schlüssig, zu hoch oder zu niedrig berechnet, können die Wohnungseigentümer den Beschluss über die Vorschüsse verweigern. Vorschussliste nebst Zuführungsbeträge zu den Rücklagen sollten mit hinreichendem Vor- 91 lauf vor der Eigentümerversammlung den Eigentümern zugesandt werden. Nicht erforder155 Ebenso Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 175. 156 KG v. 22.11.2004 – 24 W 233/03, ZMR 2005, 309. 157 Siehe hierzu LG München I v. 25.11.2013 – 1 S 1911/13, ZMR 2014, 399; AG Hamburg-Blankenese v. 28.9.2022 – 539 C 30/19, IMR 2023, 333. 158 OLG München v. 21.5.2007 – 34 Wx 148/06, MietRB 2007, 205 = ZMR 2007, 723 = NZM 2007, 734; s. zur Gesamtproblematik auch Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 437. 159 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 195/17, NZM 2018, 905 = ZMR 2018, 1024; LG Frankfurt/M. 6.2.2023 – 2-13 T 1/23, juris. 160 Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 4. 161 So auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 29. Jennißen | 1433
§ 28 WEG Rz. 91 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht lich ist es jedoch, diese Unterlagen schon mit der Einladung zu versenden, da der Wirtschaftsplan selbst nur eine Kostenkalkulation darstellt, die einfach durch Vergleich mit dem letzten Wirtschaftsplan oder der Jahresabrechnung überprüft werden kann. Die maßgebende Veränderung der Vorschüsse kann ebenfalls transparent ohne Wirtschaftsplan dargestellt werden, sodass sie sich für den Wohnungseigentümer erschließt und keiner besonderen Prüfung bedarf. Dies ist anders bei der Jahresabrechnung zu beurteilen,162 die ein umfangreiches Zahlenwerk darstellt, welche eine detaillierte Prüfung erfordert. 92 Dem Beschluss muss unmittelbar entnommen werden können, welche Vorschüsse die einzel-
nen Wohnungseigentümer zu leisten haben. Eine bloße Errechenbarkeit genügt i.d.R. nicht.163 Ein Beschluss, der Zweifel an der Wohngeldhöhe entstehen lässt, ist unklar und schon deshalb unwirksam.164 Dann gelten die bisher beschlossenen Beträge fort. Der Grundsatz, dass ohne Beschluss über die Wohngeldhöhe keine Zahlungsverpflichtung der Wohnungseigentümer entstehen kann, gilt stets und ist nicht von der Größe der Eigentümergemeinschaft und der daraus resultierenden Schwierigkeit abhängig, die Beträge erfassen zu können. Es gilt der Grundsatz, ohne Beschluss über konkrete Beträge entsteht keine neue Zahlungsverpflichtung.165 92a Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Wohnungseigentümer schon beschlossene Vor-
schüsse durch einen Zweitbeschluss ersetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Zweifel an der Wirksamkeit des bisherigen Beschlusses entstanden sind.166 Die Wohnungseigentümer besitzen stets eine Beschlusskompetenz zur Klärung einer unklaren Rechtslage.167 93 Ein Beschluss, der die Erstellung des Wirtschaftsplans und die verbindliche Feststellung der
Vorschüsse für die Wohnungseigentümer auf den Verwaltungsbeirat überträgt, ist als Dauerbeschluss nichtig, weil sich die Wohnungseigentümer eines Kernrechts begeben.168 Zudem würde der Beirat als Nebenverwalter mutieren. Als Einzelfallbeschluss ist er hingegen nur anfechtbar. Ebenso ist eine Vereinbarung, die die Bestimmung der Vorschüsse durch den Verwalter ohne weiteren Beschluss der Wohnungseigentümer für verbindlich erklärt, nichtig.169 94 Beschließen die Wohnungseigentümer nicht nur über die Vorschüsse, sondern auch über
den Wirtschaftsplan, soll dieser Beschlussteil wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig sein.170 Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers, der gerichtliche Streitigkeiten über den Wirtschaftsplan vermeiden will.171 Dieses Ziel kann effizient erreicht werden, wenn der Wirtschaftsplan nicht mehr Beschlussgegenstand ist. Dies schränkt andererseits das Selbstbestimmungsrecht der Wohnungseigentümer ein, die zu den Fragen wirtschaftlicher Verwaltung nicht mehr die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung bestimmen dürfen. Vermit-
162 Siehe zum Erfordernis, die Jahresabrechnung mit der Einladung zur Eigentümerversammlung zu versenden, unten Rz. 198. 163 A.A. BayObLG v. 11.1.1990 – BReg. 1b Z 5/89, NJW-RR 1990, 720, wonach im Einzelfall der Wirtschaftsplan auch dann ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn er die einzelnen Wohngeldbeträge nicht ausweist, dafür aber diese durch einfache Rechenvorgänge für die Wohnungseigentümer unschwer zu ermitteln wären. 164 LG Berlin v. 16.6.2020 – 55 S 83/19, ZMR 2020, 868. 165 S. auch OLG Hamm v. 3.3.2009 – 15 Wx 96/08, MietRB 2009, 263 f. = ZWE 2009, 328. 166 Für einen Zweitbeschluss über den Wirtschaftsplan nach alter Rechtslage: BGH v. 4.4.2014 – V ZR 168/13, ZMR 2014, 808 = MDR 2014, 705. 167 BGH v. 16.9.2022 – V ZR 69/21, ZMR 2023, 55 = MDR 2022, 1538. 168 A.A. OLG Köln v. 17.12.1997 – 16 Wx 291/97, WuM 1998, 179. 169 LG Berlin v. 8.8.1984 – 191 T 40/83, ZMR 1984, 424. 170 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 31; Abramenko geht zumindest von Anfechtbarkeit aus, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 12. 171 BT-Drucks. 19/18791, 76.
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VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 97 § 28 WEG
telnd ist der Meinung zu folgen, die einen Beschluss über den Wirtschaftsplan nicht in Gänze als nichtig ansieht, sondern ihren Inhalt teilweise durch Auslegung auf einen Beschluss über die Vorschüsse reduziert, der nur durch die Einzelwirtschaftspläne konkretisiert wird.172 Im Ergebnis sind solche Beschlüsse also nur teilweise nichtig.173 Ein auf Basis eines verspätet vorgelegten Wirtschaftsplans (z.B. zum Ende des Kalenderjah- 95 res) ergangener Beschluss über neue Vorschüsse kann Sinn machen, um die nachträgliche Rechtsgrundlage zur Abforderung von Wohngeldbeträgen herzustellen oder die Liquiditätslage zu verbessern.174 Sollte der neue Wirtschaftsplan eine Wohngelderhöhung erfordern, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, die Differenz seit Beginn des Kalenderjahres als Einmalbetrag nach zu erheben. Auch nach Ablauf des Kalenderjahres ist der rückwirkende Beschluss über eine Vorschusserhöhung für das zurückliegende Kalenderjahr nicht nichtig,175 auch wenn dies mit dem Wort „Vorschuss“ nicht vereinbar zu sein scheint. Das Wort „Vorschüsse“ ist aber so zu verstehen, dass diese Beträge solange auch noch rückwirkend beschlossen werden können, bis die Jahresabrechnung vorliegt. Es kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, erkennbar gewordene Liquiditätslücken rückwirkend schließen zu wollen, wenn die Erstellung der Jahresabrechnung noch auf sich warten lässt. Die Nacherhebung stellt dann im Grunde eine Sonderumlage dar.
8. Beschluss über die Rücklagen, Abs. 1 Satz 1 Die Wohnungseigentümer haben neben den Vorschüssen auch die Rücklagen zu beschlie- 96 ßen. Gemeint ist damit nicht die absolute Rücklagenhöhe, sondern der jeweilige Zuführungsbetrag. Dies sah die bis 1.12.2020 geltende Vorgängerregelung auch schon so vor. Die Besonderheit besteht aber jetzt darin, dass neben den nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 vorgesehenen Erhaltungsrücklagen auch noch andere Rücklage beschlossen werden können.176 Die durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen können anderen Zwecken als der Erhaltung des Objekts zugedacht werden. Dies entsprach schon der überwiegenden Auffassung zum alten Recht,177 dient jetzt aber der Klarstellung. Eine Zwitterstellung nehmen bauliche Veränderungen ein. Es entspricht nicht ordnungs- 97 mäßiger Verwaltung, für solche noch unbestimmten Maßnahmen in der Zukunft eine Vermögensvorsorge zu betreiben.178 Zudem werden Rücklagen grundsätzlich von allen Wohnungseigentümern angespart, während bauliche Veränderungen nur in den Fällen des § 21 Abs. 2 von allen zu bezahlen sind. Somit steht im Vorhinein nicht fest, ob der Personenkreis sich auch decken wird, die die Rücklage angesammelt und die Maßnahme dann auch tatsächlich zu bezahlen haben. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die konkrete Maßnahme schon beschlossen wurde, ihre Durchführung aber erst in der nächsten Zukunft (beispielsweise aus
172 Wicke in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 18; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 790. 173 LG Frankfurt/M. v. 20.4.2022 – 2-13 T 15/22, IMR 2022, 287. 174 BGH v. 4.4.2014 – V ZR 168/13, NJW 2014, 2197 = ZMR 2014, 808; LG Hamburg v. 11.3.2015 – 318 S 133/14, ZMR 2015, 784; v. 22.2.2017 – 318 S 46/15, ZMR 2017, 427. 175 LG Frankfurt/M. v. 19.11.2020 – 2-13 S 137/19, ZWE 2021, 228; AG Saarbrücken v. 2.8.2004 – 1 WEG II 84/04, ZMR 2005, 319, wonach auch wenig sinnvolle Beschlüsse nicht nichtig sind; a.A. und von Nichtigkeit ausgehend: Schl.-Holst. OLG v. 13.6.2001 – 2 W 7/01, ZWE 2002, 141; LG München I v. 14.11.2011 – 1 S 4681/11, ZMR 2012, 394; einschränkend T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 4. 176 BT-Drucks. 19/18791, 76. 177 Siehe hierzu Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 768; zur alten Rechtslage: Dötsch, ZWE 2018, 61; ebenso Jennißen, 6. Auflage, § 28 WEG Rz. 115d m.w.N. 178 Ebenso Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 769. Jennißen | 1435
§ 28 WEG Rz. 97 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht technischen Gründen) erfolgen kann. Dann können die Mittel schon angefordert und als Sonderrücklage zugunsten der Bauwilligen gebucht werden. 98 Auch wenn die Wohnungseigentümer über die Vorschüsse und die Rücklagen zu beschließen
haben, können beide Beträge zusammengefasst beschlossen werden. Durch Vorlage des Wirtschaftsplans muss nachvollziehbar sein, wie die Beträge intern aufzuteilen sind und für welchen Anteil der Vorschüsse eine Zweckbindung eintritt.179 Die Zweckbindung der Zuführungsbeträge für Erhaltungsaufwendungen tritt schon wie bisher mit Eingang auf dem Gemeinschaftskonto ein. Zuführungsbeträge zu einer Liquiditätsrücklage unterliegen hingegen keiner unterjährigen Zweckbindung und müssen lediglich im Rahmen der Jahresabrechnung wieder aufgefüllt werden. Werden nur „Vorschüsse“ beschlossen, tritt im Zweifel keine Zweckbindung ein.
9. Geltungsdauer des Beschlusses über die Vorschüsse 99 Da die Wohnungseigentümer nach Abs. 1 nur über die Vorschüsse und nicht über die kalen-
derjährlichen Vorschüsse zu entscheiden haben, gilt die Vorschusshöhe im Zweifel fort, bis eine neue Vorschusshöhe beschlossen wird. Der Beschluss über die Wohngeldhöhe hat somit Dauerwirkung, die nicht erst durch den Wortlaut des Beschlusses hergestellt werden muss.180 Die Wohnungseigentümer können per Beschluss die Vorschüsse für mehrere Jahre festsetzen. Ebenso können sie beschließen, dass die Vorschusshöhe bis zu einem neuen Beschluss über die Vorschüsse fortgelten kann.181 100 Allerdings muss bei einer Wohngelderhöhung deutlich werden, ob die Wohngelderhöhung
auch rückwirkend zum 1. Januar gilt, was eher dem neuen Wirtschaftsplan entsprechen wird (s. Rz. 95). Dann ist gleichzeitig klarzustellen, ob und wie die noch fehlende Differenz nacherhoben wird, mit welcher Fälligkeit (s. Abs. 3). Bei ausreichender Liquiditätslage der Eigentümergemeinschaft ist es aber auch nicht zu beanstanden, wenn das erhöhte Wohngeld erst ab dem nächsten Ersten nach der Eigentümerversammlung fällig wird und somit eine Nacherhebung unterbleibt. Der Wirtschaftsplan bereitet auch insoweit nur den Beschluss über die Vorschüsse vor, bleibt aber letztendlich abstrakt. Die zur alten Rechtslage teilweise geäußerte Auffassung, dass ein Beschluss über einen Wirtschaftsplan für ein bereits abgelaufenes Kalenderjahr nichtig sei,182 war schon nicht überzeugend, lässt sich jetzt erst recht nicht auf rückwirkende Bestimmung der Vorschüsse übertragen.
10. Gerichtliche Bestimmung der Vorschüsse 101 Werden keine Vorschüsse beschlossen, ist die Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs.1 Satz 2
das richtige Mittel. Dazu muss kein bestimmtes Wohngeld beantragt werden. Es ist ausreichend, die voraussichtliche Summe der Bewirtschaftungskosten und hieraus den Anteil für
179 Siehe die musterhafte Darstellung bei Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 789; ebenfalls zur Frage der Zweckbindung: Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 49. 180 Weiterhin von Unklarheiten ausgehend: Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 45. 181 Zur Wirksamkeit einer Fortgeltungsklausel per Beschluss nach alter Rechtslage: BGH v. 14.12.2018 – V ZR 2/18, MDR 2019, 601 = ZMR 2019, 416; OLG Düsseldorf v. 24.1.2003 – 3 Wx 398/02, WuM 2003, 167 (krit. Drasdo); LG Stuttgart v. 14.12.2009 – 19 S 18/09, ZMR 2010, 319. 182 Schl.-Holst. OLG v. 13.6.2001 – 2 W 7/01, ZWE 2002, 141; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 20.
1436 | Jennißen
VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 105 § 28 WEG
jeden Wohnungseigentümer darzulegen, damit das Gericht den Beschluss fassen kann.183 Die Besonderheit folgt daraus, dass ein Wohnungseigentümer keinen Anspruch auf eine bestimmte Vorschusshöhe hat, andererseits aber dem Gericht die Möglichkeit verschaffen muss, die Feststellungen treffen zu können. Liegt ein Wirtschaftsplan vor, kann dieser zur Schlüssigkeit der Klage verwendet werden. Die Bestimmung der Vorschüsse kommt auch im Gerichtsverfahren rückwirkend in Be- 102 tracht. Genauso wie bei der rückwirkenden Beschlussfassung über die Vorschüsse ist auch bei der rückwirkenden Festlegung der Vorschüsse durch das Gericht maßgebend, ob dafür ein Rechtschutzinteresse besteht. Finanzierungslücken und mangelnde Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft sind zu vermeiden.
11. Anfechtung der Vorschusshöhe a) Rechtsentwicklung Bis zum Inkrafttreten des WEMoG konnten Beschlüsse über den Wirtschaftsplan gerichtlich 103 angefochten werden. War eine solche Anfechtung erfolgreich, entfiel die Rechtsgrundlage für die Anforderung der Wohngeldbeträge. Damit war die Finanzierung der Eigentümergemeinschaft bis zur Aufstellung und Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan nicht mehr gesichert. Aus diesem Grunde waren die Gerichte sehr zurückhaltend und schränkten das Rechtsschutzinteresse auf Anfechtung des Wirtschaftsplans ein, zumal der Wirtschaftsplan eben nur vorübergehende Bedeutung hatte. Die tatsächlichen Kosten wurden in der Jahresabrechnung ermittelt. Auch die im Wirtschaftsplan verwendeten Verteilungsschlüssel hatten für die spätere Jahresabrechnung keine festlegende Bedeutung. An das Rechtsschutzinteresse einer Beschlussanfechtung über den Wirtschaftsplan wurden generell er- 104 höhte Anforderungen gestellt, da Ungenauigkeiten und Unvollständigkeiten durch die Jahresabrechnung ausgeglichen werden184 und solche Ungenauigkeiten einer Kostenschätzung immer immanent sind. Etwas Anderes galt auch dann nicht, wenn die Kostenschätzung vollkommen unzureichend war, um einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Objekts Rechnung zu tragen. Einer solchen Anfechtungsklage stand nicht entgegen, dass die Klage schließlich zu höheren Belastungen des Klägers führen konnte. Das Rechtschutzinteresse fehlte vielmehr für diese Vorgehensweise dann, wenn die Klage an die Stelle von zu niedrigen Beträgen keine neuen Beträge setzte. Es wurde dann ja nicht die Zahlung des Wohngeldes schlechthin bekämpft, sondern eine erhöhte Zahlung begehrt. Deshalb wurde mit Recht angenommen, dass dieser Anfechtungsantrag mit einem Ergänzungsantrag (Gestaltungsklage) verbunden werden musste.185 Dazu war § 21 Abs. 8 a.F. nicht einschlägig, da die Wohnungseigentümer nicht die Aufstellung des Wirtschaftsplans insgesamt unterlassen haben, sondern nur einzelne oder mehrere Positionen zu gering geschätzt wurden. Das Gericht durfte nach dem Wortlaut der Norm nur über den Antrag hinaus nach freiem Ermessen tätig werden, wenn die Wohnungseigentümer untätig blieben und nicht schon, wenn sie falsch entschieden. War Letzteres der Fall, musste der Kläger die konkrete Erhöhung des Wirtschaftsplans beantragen. Er musste darlegen, in welcher Höhe beispielsweise die Instandsetzungskosten zu geringgeschätzt wurden. Allerdings betraf der Ergänzungsantrag nur den Gesamtwirtschaftsplan. Wurde durch Urteil die Erhöhung des Gesamtwirtschaftsplans festgestellt, mussten die darauf basierenden Wohngeldbeträge aller Wohnungseigentümer neu errechnet werden, was weder in die Kompetenz noch in die Pflicht von Kläger und Gericht fiel.
Ähnlich verhielt es sich auch, wenn der Kläger einen zu hoch kalkulierten Wirtschaftsplan 105 monierte. Auch hier war zunächst zu berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer ein
183 S. schon zur alten Rechtslage: KG v. 22.10.1990 – 24 W 4800/90, WE 1991, 104. 184 OLG München v. 17.2.2009 – 32 Wx 164/08, DWE 2009, 102. 185 So auch Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 28 WEG Rz. 30; BayObLG v. 9.8.1990 – 2 Z 83/ 90, WE 1991, 360. Jennißen | 1437
§ 28 WEG Rz. 105 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht weites Ermessen haben, den Plan großzügig kalkulieren zu dürfen. Ein Ermessensfehlgebrauch wurde nur in extremen Fällen festgestellt. Selbst wenn dies zu bejahen war, durfte nicht das Bestreben nach einer Reduktion des Wirtschaftsplans dazu führen, dass es erst einmal gar keinen Wirtschaftsplan mehr gab. Deshalb konnte auch hier das Rechtsschutzinteresse nur bejaht werden, wenn der Kläger gleichzeitig einen Gestaltungsantrag stellte, wonach der Gesamtwirtschaftsplan auf einen bestimmten Betrag zu reduzieren war und die Einzelbeträge ebenfalls gekürzt wurden. 106 Wurde ein Verteilungsschlüssel des Einzelwirtschaftsplans angegriffen, war der Gesamtwirt-
schaftsplan nicht betroffen. Führte der richtige Schlüssel nur zu einer Veränderung des Wohngeldes von wenigen Euro, war das Rechtschutzinteresse zur Anfechtung des Einzelwirtschaftsplans ebenfalls zu verneinen, da es dem Kläger zumutbar war, auf die Jahresabrechnung zu warten, die dann den richtigen Schlüssel zu beachten hatte.186 Hätte der richtige Verteilungsschlüssel im Wirtschaftsplan ein höheres Wohngeld des Klägers zur Folge, fehlte auch hierfür das Rechtsschutzinteresse. 107 Abgesehen von extremen Einzelfällen, insbesondere, wenn mit der Wirtschaftsplanhöhe ein
Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft hinausgedrängt werden sollte, fehlte fast immer das Rechtschutzinteresse für die Anfechtung des Wirtschaftsplans mit dem Argument, das Wohngeld sei zu hoch bemessen. b) Anfechtungsmöglichkeit nach neuem Recht 108 Nach Abs. 1 beschließen die Wohnungseigentümer nur noch über die Vorschüsse zur Kos-
tentragung und die vorgesehenen Rücklagen. Da der eigentliche Wirtschaftsplan zwar vom Verwalter zu erstellen ist, aber an der Beschlussfassung nicht teilnimmt, kann er auch nicht Gegenstand einer Beschlussanfechtung sein. Das gilt selbst dann, wenn die Wohnungseigentümer fälschlicher Weise den „Wirtschaftsplan“ beschließen.187 Die Rechte der Wohnungseigentümer, den Wirtschaftsplan gerichtlich überprüfen zu lassen, werden also erheblich eingeschränkt, was durchaus der Intention des Gesetzgebers entspricht. Dieser will die häufigen Streitigkeiten über den Wirtschaftsplan reduzieren.188 Rechtsstaatlich ist diese Intention bedenklich, da jetzt die Möglichkeiten der Wohnungseigentümer auf gerichtliche Überprüfungen extrem eingeschränkt werden. Es können nur noch die Beschlüsse über die Vorschüsse angefochten, also ihre Höhe gerichtlich überprüft werden. Dabei kann nur inzident ein Mangel des Wirtschaftsplans geprüft werden, der aber Auswirkungen auf die Zahlungspflichten haben muss.189 Ein lediglich formell unzureichender Wirtschaftsplan kann die Anfechtung des Beschlusses über die Vorschüsse nicht hinreichend stützen. Die Anfechtungsklage muss die Abänderung der beschlossenen Beträge anstreben. 108a Beschließen die Wohnungseigentümer weiterhin „den Wirtschaftsplan“, kann wegen fehlen-
der Beschlusskompetenz insoweit die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt werden. Da dieser Beschluss aber ebenfalls die Einzelwirtschaftspläne und somit die zu bestimmenden Vorschüsse enthält, wird nur von einer Teilnichtigkeit ausgegangen.190 109 Da der Gesetzgeber die Anfechtung des Wirtschaftsplans unterbindet, kann die Anfechtung
der Vorschüsse nicht allgemein mit Fehlern des Wirtschaftsplans begründet werden. Der Fehler muss sich immer auf die Vorschusshöhe auswirken. Selbst ein fehlender Wirtschafts-
186 187 188 189 190
LG Lüneburg v. 28.7.2014 – 9 S 49/14, ZMR 2014, 1005. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 790. BT-Drucks. 19/18791, 76. Ebenso Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 744; Volpp, ZWE 2020, 412. LG Frankfurt/M v. 20.4.2022 -2-13 T 15/22, ZMR 2022, 653.
1438 | Jennißen
VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 112 § 28 WEG
plan führt nicht automatisch zur Begründetheit der Anfechtung.191, 192 Es kommt darauf an, ob die Berechnung des Wohngeldes sonst wie nachvollzogen werden kann, z.B. aufgrund eines älteren Wirtschaftsplans . Dann hat zwar der Verwalter eine Pflichtverletzung begangen; das Fehlen des Wirtschaftsplans macht aber die Höhe der Vorschüsse noch nicht automatisch falsch. Diese lassen sich möglicherweise mit Blick auf die letzte Jahresabrechnung rechtfertigen. Die Berechnung der Vorschüsse ist zwar Bestandteil des vorzulegenden Wirtschaftsplans.193 Dennoch dient das Zahlenmaterial des Wirtschaftsplans nur der Beschlussvorbereitung. Ist diese Vorbereitung fehlerhaft, stützt dies dennoch nicht automatisch aber i.d.R. die Anfechtung des Beschlusses über die Vorschüsse.194 Nur dann, wenn die Betragshöhe überhaupt nicht mehr nachvollzogen werden kann, also 110 vollkommen willkürlich wirkt, wird die Anfechtung erfolgreich sein. Zu berücksichtigen ist immer, dass die erfolgreiche Anfechtung des Beschlusses über die Beitragshöhe die Beitragspflicht kassiert. Damit wird nicht direkt bewirkt, dass ein neuer Wirtschaftsplan aufgestellt und eine neue Vorschusshöhe berechnet werden muss. Zumindest fehlt es an der unmittelbaren Durchsetzbarkeit der Forderung nach einem neuen Wirtschaftsplan. Die Wohnungseigentümer müssen sich zunächst mit einem neuen Wirtschaftsplan in einer Eigentümerversammlung befassen (Vorbefassungspflicht). Lehnen sie den neuen Wirtschaftsplan ab, kommt eine Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 in Betracht, ein umständliches und rechtsstaatlich bedenkliches Prozedere. Für den Beschluss über eine Sonderumlage hat der BGH mit Recht eine Teilanfechtung ver- 111 neint.195 Eine Reduktion der Sonderumlage auf einen bestimmten Betrag sei kein selbständiger Teil des Beschlusses. Dies muss nun auch grundsätzlich für die übrigen Vorschüsse gelten.196 Diese werden nur noch als Summe beschlossen, so dass eine Teilanfechtung ausscheidet.197 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschluss zwischen den Vorschüssen zur Kostentragung und den Zuführungen zu den Rücklagen differenziert.198 Dann kann die Anfechtung nur auf einen der beiden Beträge gestützt werden. Darüber hinaus lässt sich keine Teilanfechtung begründen, weil der Wirtschaftsplan nicht an der Beschlussfassung teilnimmt, sodass sich hieraus auch keine punktuellen Unrichtigkeiten begründen lassen.199 Es ist stets der Vorschuss, also die Gesamtsumme im Streit, und zwar aller Wohnungen. Das gilt auch, wenn der Anfechtende seine Klage nur hinsichtlich einer Kostenposition begründet. Verändert sich das Wohngeld durch das Urteil bei einem Eigentümer, verändert es sich auch bei allen anderen. Das Urteil kassiert also immer alle Wohngeldverpflichtungen. Dennoch richtet sich der Streitwert nach dem persönlichen Interesse des Klägers, was dem Monatswohngeld multipliziert mit 7,5 (s. § 49 GKG Rz. 12) entspricht. Wird hingegen ein Wirtschaftsplan vorgelegt und ist dieser zu gering bemessen, kann dies 112 der Wohnungseigentümer nur gegenüber der Eigentümergemeinschaft rügen und von dieser eine Überarbeitung des Wirtschaftsplans durch den Verwalter verlangen. Lehnt die Gemeinschaft dies ab, kann der Wohnungseigentümer wiederum eine Beschlussersetzungsklage
191 BT-Drucks. 19/18791, 75; so auch Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 10. 192 A.A. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Rz. 64, die auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung abstellen und deshalb fordern, dass die Wohnungseigentümer durch Vorlage eines plausiblen Wirtschaftsplans ihr Ermessen ausüben können, andernfalls sei die Beitragshöhe anfechtbar; ebenso im Ergebnis Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 19. 193 BT-Drucks. 19/18791, 76. 194 BT-Drucks. 19/18791, 76. 195 BGH v. 19.10.2012 – V ZR 233/11, MDR 2013, 83 = MietRB 2013, 15 = ZWE 2013, 47. 196 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 804. 197 A.A. Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 23. 198 So auch Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 804. 199 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 806 f. Jennißen | 1439
§ 28 WEG Rz. 112 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht nach § 44 Abs. 1 Satz 2 einreichen. Für diese werden allerdings die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse gemäß vorstehenden Rz. 102 ff. zu berücksichtigen sein. Insbesondere macht die Beschlussersetzungsklage nur dann Sinn, wenn sie in der Folge nicht nur zu einer Anpassung des Wirtschaftsplans, sondern auch zu einem erhöhten Vorschussbetrag führt. Dies wiederum ist zweifelhaft, da der Beschluss über die zu gering bemessenen Vorschüsse selbst nicht erfolgreich angefochten werden kann, da vom Rechtsschutzziel her die Vorschüsse nicht kassiert, sondern nur ergänzt werden sollen. Ein Ergänzungsanspruch auf Erhöhung der Vorschüsse kann nicht als Beschlussersetzungsklage geltend gemacht werden, da die Wohnungseigentümer keine notwendige Beschlussfassung unterlassen, sondern allenfalls einen unzureichenden Beschluss gefasst haben, § 44 Abs. 1 Satz 2. Im Ergebnis wird also ein unzureichender Wirtschaftsplan ohne Folgen für die Beschlüsse über die Vorschüsse bleiben. 113 Ein zu hohes Wohngeld kann aufgrund des weiten Ermessens der Wohnungseigentümer
auch nur dann erfolgreich angefochten werden, wenn in dem relativ unrealistischen Fall sich die Wohnungseigentümer aus zweckwidrigen Erwägungen mehrheitlich einem als ordnungsgemäß anzuerkennenden Wirtschaftsplan und einem daraufhin nachvollziehbar berechnetem Wohngeldbetrag verschließen, z.B. um den unliebsamen Miteigentümer aus der Gemeinschaft finanziell herauszudrängen.200 114 Enthält der Wirtschaftsplan unzutreffende Verteilungsschlüssel und müsste ein Wohnungs-
eigentümer bei Anwendung der richtigen Schlüssel geringere Vorschüsse zahlen, könnte er insoweit die Beschlüsse über die Vorschüsse anfechten.201 Dabei sollen geringfügige Beitragsdifferenzen aufgrund unzutreffender Verteilungsschlüssel auch im Hinblick auf die bloße Vorläufigkeit der Vorschüsse für die Anfechtung nicht genügen.202 Andererseits wirkt sich aber ein Fehler aus, der einen Wohnungseigentümer mit Kosten belastet, an denen er sich nicht beteiligen muss (z.B. aus baulichen Veränderungen). Dennoch kommt hier aus den unter Rz. 111 dargelegten Gründen auch nur eine Anfechtung des Vorschussbeschlusses insgesamt in Betracht. Die gerichtliche Aufhebung der Vorschüsse lässt also den Beschluss insgesamt entfallen, sodass das Rechtsschutzinteresse die gleichzeitige Erhebung einer Beschlussersetzungsklage erfordert. Andernfalls würden die Wohnungseigentümer keine Vorschüsse mehr schulden, was auch der Kläger nicht beabsichtigen kann. Keinesfalls ist ein Beschluss über die Vorschüsse auf Basis eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels als einen dauerhaften Änderungsbeschluss auszulegen. 115 Ein Fehler bei den Verteilungsschlüsseln wirkt sich i.d.R. auf die Vorschusshöhe aus. Denk-
bar ist es, dass sich mehrere Fehler ganz oder teilweise eliminieren. Das kann den Anfechtungsgegenstand reduzieren. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass das Gericht nach § 45 im Rahmen der Anfechtungsklage nur das prüfen kann, was der Kläger innerhalb der Klagebegründungsfrist vorträgt. Dies wird im Zweifel nur der Teil der Vorschussberechnung sein, der den Kläger fälschlicherweise belastet und nicht ihm günstig ist. Das Gericht darf aber den Vorteil als Einwand der beklagten Gemeinschaft berücksichtigen. 115a Hinsichtlich der Heizkosten haben die Wohnungseigentümer ein Auswahlermessen, wie sie
den Verteilungsschlüssel im Wirtschaftsplan ansetzen lassen. Es kommt gleichermaßen eine Verteilung nach dem allgemein geltenden Schlüssel (z.B. Miteigentumsanteil) wie ein Schlüs-
200 Wesentlich zu hohe und zu niedrige Vorschüsse als Anfechtungsgegenstand anerkennend: Dötsch/ Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 61. 201 LG Frankfurt/M v. 6.2.2023 – 2-13 T 1/23, IMR 2023, 155; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEGRecht 2021, 61. 202 LG Berlin v. 20.9.2022 – 55 S 60/22 WEG, IMR 2023, 153; LG Frankfurt/M v. 6.2.2023 – 2-13 – t 1/23, IMR 2023, 155, IMR 202, 155, wonach eine Kostenerhöhung um 50 % aufgrund eines falschen Verteilungsschlüssels keinesfalls unbeachtlich sei.
1440 | Jennißen
VII. Wirtschaftsplan, Abs. 1 | Rz. 120 § 28 WEG
sel in Betracht, der sich an den Verbrauchswerten des Vorjahres orientiert.203 Zwar dürfte letzterer dem zu erwartenden Abrechnungsergebnis näherkommen. Er ist dennoch nicht zwingend, da sich das Verbrauchsverhalten auch im Hinblick auf Nutzerwechsel verändern kann. Auch ist die Ermittlung eines verbrauchsorientierten Wertes schon im Wirtschaftsplan für den Verwalter aufwendig. Lediglich im Hinblick auf die Rücklagenbeträge kommt ein abtrennbarer Beschlussgegen- 116 stand in Betracht. Lehmann-Richter/Wobst ist zu folgen, wenn diese eine Anfechtung der Vorschüsse und der Rücklagenzuführung für fehlerhaft mit entsprechender nachteiliger Kostenquote des Klägers halten, wenn der Fehler nur in dem einen oder anderen Teil der Beträge liegt.204 c) Folgen der Anfechtung Eine erfolgreiche Anfechtung der Vorschüsse führt dazu, dass die Zahlungspflicht entfällt, 117 sodass die Finanzierung der Gemeinschaft nicht mehr sichergestellt ist. Die Wohnungseigentümer müssten sodann neue Vorschüsse beschließen. Es können immer nur alle Vorschüsse gemeinsam angefochten werden. Der Kläger kann seine Anfechtungsklage nicht auf den Beschluss über seine eigenen Vorschüsse beschränken, da der Beschluss insoweit nicht teilbar ist (s. Rz. 111). Sollten seine Vorschüsse rechtswidrig berechnet worden sein, hat dies immer Auswirkungen auch auf alle anderen Vorschüsse. Der Kläger kann den Umweg über eine neue Beschlussfassung zu den Vorschüssen vermei- 118 den, indem er mit der Anfechtung eine Beschlussersetzungsklage verbindet, damit das Gericht die Vorschüsse selbst neu berechnet. Dies stellt sich aber nur, wenn der Beschluss über die Vorschüsse insgesamt aufgehoben wird, somit dann der notwendige Beschluss fehlt. Die grundsätzlich notwendige Vorbefassung ist gegeben, indem die Wohnungseigentümer die zunächst unrichtigen Vorschüsse beschlossen hatten.205 Es wäre ein vermeidbarer Formalismus, bei Feststellung der Unrichtigkeit der Vorschüsse die Sachfrage an die Eigentümerversammlung zurück verweisen zu müssen, ergibt sich doch i.d.R. der richtige Betrag schon aus dem Urteil zur Beschlussanfechtung. Anders ist die Rechtslage, wenn eine Erhöhung oder Senkung der Vorschüsse angestrebt wird. Dann fehlt es nicht gänzlich an einem Beschluss, sodass erst die Wohnungseigentümer durch einen neuen Beschluss nachjustieren müssen. Haben die Wohnungseigentümer eine Fortgeltungsklausel beschlossen, tritt nach Auf- 119 hebung des Beschlusses über die letzten Vorschüsse an ihre Stelle die vorletzte Vorschusshöhe und schließt damit wieder die Finanzierungslücke, falls keine Beschlussersetzungsklage erhoben wurde. Auch über einen bestandskräftig beschlossenen Vorschuss können die Wohnungseigentümer 120 jederzeit durch Zweitbeschluss erneut entscheiden und eine Abänderung vornehmen. Dies gilt erst recht, wenn der Erstbeschluss rechtswidrig oder nichtig war.206 Durch den Zweitbeschluss werden die Wohnungseigentümer, die nach der bisherigen Berechnung weniger zahlen mussten, nicht in ihren Rechten betroffen. Der Rechtsstreit über die Anfechtung des ersten Beschlusses ist ab Rechtskraft des zweiten für erledigt zu erklären.
203 Einschränkend LG Berlin v. 20.9.2022 – 55 S 60/22 WEG, IMR 2023, 153, wonach der Ansatz der Heizkosten im Wirtschaftsplan nach dem Verteilungsschlüssel „Wohnfläche“ dann unzulässig sein soll, wenn dies zu erheblichen Abweichungen gegenüber dem Vorjahresverbrauch führt (z.B. Verdopplung der Kosten). 204 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 805. 205 Ebenso Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 815. 206 BGH v. 4.4.2014 – V ZR 168/13, ZMR 2014, 808 = MDR 2014, 705 = MietRB 2014, 205. Jennißen | 1441
§ 28 WEG Rz. 121 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 121 Die Anfechtung des Vorschussbetrages bewirkt nicht, dass die Zahlungsverpflichtung des
einzelnen Wohnungseigentümers entfällt. Der beschlossene Vorschuss ist bis zur Rechtskraft des Anfechtungsurteils gültig und für den Verwalter einziehbar.207 Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann einen säumigen Wohnungseigentümer weiterhin auf Zahlung des Wohngeldes gerichtlich in Anspruch nehmen. Keines der beiden Verfahren ist dann vorrangig und bis zum Abschluss des anderen Verfahrens auszusetzen.208 Bis zur rechtskräftigen Aufhebung des Beschlusses über den beschlossenen Vorschuss hat der Wohnungseigentümer das festgelegte Wohngeld zu zahlen, § 23 Abs. 4 Satz 2. Er befand sich im Verzug und hat daher die Kosten der Zahlungsklage auch dann zu tragen, wenn der Beschluss gerichtlich aufgehoben wird.209 Es besteht selbst dann kein Zurückbehaltungsrecht, wenn der Wirtschaftsplan und der daraus errechnete Vorschuss voraussichtlich fehlerhaft sind. 122 Leistet der Wohnungseigentümer aufgrund des angefochtenen Beschlusses über die Vor-
schüsse die dort festgesetzten Beträge, kann er bei späterer gerichtlicher Aufhebung des Beschlusses die geleisteten Beträge in der Regel nicht zurückfordern. Dem wird der Grundsatz von Treu und Glauben210 oder der Entreicherungstatbestand gem. § 818 Abs. 3 BGB entgegenstehen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft die eingenommenen Beträge zur Bewirtschaftung des Objektes eingesetzt hat.211 Die Entreicherung wird nur dann nicht anzunehmen sein, wenn sich die Anfechtung des Vorschussbetrages auf die Zuführungsbeträge zu den Rücklagen richtet. Insoweit bleibt dann das Rechtsschutzinteresse erhalten. Aber selbst bei noch fortdauernder Bereicherung kann die Klage auf Rückzahlung des geleisteten Wohngelds nur dann begründet sein, wenn die Wohnungseigentümer die Rückzahlung beschlossen haben. Genau wie die Zahlungspflichten des Wohnungseigentümers gegenüber dem Verband eines Beschlusses bedürfen, gilt Gleiches auch für den Rückforderungsanspruch.212
VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 1. Inhalt a) Überblick 123 Das WEMoG will den wesentlichen Inhalt der Jahresabrechnung klarer herausstellen.213
Dazu soll der Verwalter nach Abs. 2 eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan aufstellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält. Zur Form der Jahresabrechnung äußert sich das Gesetz weiterhin nicht.214 Nach Abs. 4 soll zusätzlich noch ein Vermögens207 OLG Frankfurt v. 27.1.1984 – 20 W 697/83, DWE 1984, 126; BayObLG v. 10.3.1994 – 2Z BR 143/ 93, WE 1995, 93; BayObLG v. 30.11.1999 – 2Z BR 114/99, ZWE 2000, 128 = NZM 2000, 390 LS; LG Düsseldorf v. 31.5.2017 – 25 S 52/16, ZMR 2017, 760. 208 OLG Karlsruhe v. 8.9.1992 – 11 W 34/92, NJW-RR 1992, 1494; BayObLG v. 7.12.1995 – 2Z BR 125/95, WE 1996, 239. 209 OLG Düsseldorf v. 9.3.2007 – 3 Wx 254/06, NZM 2007, 690. 210 So Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 43, der darauf hinweist, dass dem Rückforderungsanspruch die alsbaldige Verpflichtung zur erneuten Einzahlung entgegensteht. 211 BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, NZM 2020, 775 = MDR 2020,1171; Abramenko, ZWE 2019, 358; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 83. 212 So zur alten Rechtslage und der vergleichbaren Problematik bei Jahresabrechnungen: BGH v. 10.7.20 – V ZR 178/19, MDR 2020, 1171 = ZMR 2020, 857; LG Düsseldorf v. 7.11.2013 – 19 S 77/ 12, ZMR 2014, 237; a.A. LG München I v. 26.6.2019 – 1 S 2812/18 WEG, ZMR 2019, 995; LG Frankfurt/M 14.3.2019 – 2-13 S 135/18, ZMR 2019, 364. 213 BT-Drucks. 19/18791, 76. 214 So auch Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 826.
1442 | Jennißen
VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 126 § 28 WEG
bericht erstellt werden, der den Stand der Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens umfasst. Nach Auffassung von Lehmann-Richter/Wobst215 soll der Inhalt der Jahresabrechnung durch das WEMoG entschlackt worden sein. Bei kritischer Betrachtung erfüllt die Neufassung diese Anforderungen jedoch nicht. Weder wird der Inhalt einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung durch den Gesetzeswortlaut näher konkretisiert noch wurden die bisher extrem dürftigen Regelungen zur Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 a.F. von Ballast befreit. Bei genauer Betrachtung wird die Jahresabrechnung durch die verpflichtende Aufnahme des Vermögensberichtes eher umfangreicher. Eine ordnungsgemäße Abrechnung verfolgt weiterhin drei wesentliche Ziele: Darstellung der 124 Abrechnungsergebnisse je Wohnungseigentümer zur Vorbereitung des Beschlusses über die Anpassung der Vorschüsse oder Auszahlung der Überschüsse, Vermittlung eines Vermögensüberblicks der Eigentümergemeinschaft und Eröffnung einer Kontrollfunktion des Verwalters.216 Die Berechnung der Abrechnungsergebnisse muss erfolgen, um einen ausgeglichenen Jahresetat herzustellen. Die Eigentümergemeinschaft erwirtschaftet keine Überschüsse. Das Ziel lautet Kostendeckung unter Einbeziehung einer ausreichenden Vermögensvorsorge in Form der Erhaltungsrücklage. Eine einheitliche Terminologie fehlt. Zudem verwendet die Rspr. häufig unbestimmte Rechts- 125 begriffe217. Wenn die Abrechnung als Einnahmen- und Ausgabenrechnung bezeichnet wird, bei der die tatsächlich angefallenen Beträge einander gegenüberzustellen seien,218 ist dies wenig aussagefähig. Es bleibt die Antwort offen, für welchen Teilbereich der Abrechnung dies gelten soll (s. hierzu Rz. 141). Greiner219 weist mit Recht darauf hin, dass es die „Jahresabrechnung“ als „Einzelstück“ nicht gibt, sondern dass es sich dabei um ein komplexes Rechenwerk aus mehreren Teilen handelt. Indem jetzt Teile in den neu geschaffenen Vermögensbericht verlagert werden, wird die Abrechnung nur dann schlanker, wenn man Jahresabrechnung und Vermögensbericht nicht als Bestandteile eines einheitlichen Ganzen verstehen würde. Die Jahresabrechnung muss aus sich heraus verständlich und zumindest insoweit nachprüf- 126 bar sein, als eine Schlüssigkeitsprüfung hieraus ableitbar ist.220 Diese Schlüssigkeit ist nicht gegeben, wenn sich der Wohnungseigentümer für das Verständnis der Abrechnung erst Zusatzinformationen beschaffen muss oder die Bankkontenstände nicht mit der Einnahmenund Ausgabendarstellung (Kostenverteilung) in Einklang zu bringen sind.221 Auch kann es nicht ausreichend sein, wenn die Schlüssigkeit erst durch Belegeinsicht hergestellt werden kann. Erläuterungen der Jahresabrechnung im Prozess genügen ebenfalls nicht,222 zumal es auf den Kenntnisstand der Wohnungseigentümer im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung ankommt. Die Jahresabrechnung muss für die Wohnungseigentümer nachvollziehbar223 und
215 WEG-Reform 2020, Rz. 826. 216 So schon zur alten Rechtslage LG Düsseldorf v. 18.5.2011 – 25 S 79/10, ZMR 2011, 987; die unterschiedlichen Funktionen der Abrechnung ebenfalls hervorhebend: BGH v. 26.2.2021 – V ZR 290/ 19, MietRB 2021, 175. 217 Kritisch ebenso Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 69; Jennißen/Kümmel/Schmidt, ZMR 2012, 758. 218 Gängige Rechtsprechung: z.B. BGH v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = ZMR 2012, 372; LG Rostock v. 10.7.2015 – 1 S 160/14, ZWE 2016, 183; LG Düsseldorf v. 2.7.2014 – 25 S 7/14; ZWE 2015, 95. 219 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 3. 220 S. hierzu auch OLG Hamm v. 13.8.1996 – 15 W 115/96, DWE 1997, 37. 221 LG München I v. 30.11.2009 – 1 S 23229/08, ZMR 2010, 554. 222 LG München I v. 5.2.2020 – 36 T 9951/19, ZMR 2020,692. 223 BayObLG v. 8.12.2004 – 2Z BR 151/04, MietRB 2005, 182 = NZM 2005, 750. Jennißen | 1443
§ 28 WEG Rz. 126 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht ohne Zuziehung eines Sachverständigen verständlich sein.224 Es ist auf den Horizont eines kaufmännisch und insbesondere buchhalterisch vorgebildeten Eigentümers abzustellen.225 Es muss vom Wohnungseigentümer erwartet werden können, dass er die übliche Begrifflichkeit kennt. Dass die Jahresabrechnung für einen Wohnungseigentümer ohne jegliche Buchführungskenntnisse nicht auf ihre Schlüssigkeit hin geprüft werden kann, macht die Abrechnung nicht schon deshalb fehlerhaft. Hingegen wirkt eine knapp gestaltete Jahresabrechnung nur optisch verständlich, lässt aber eine Plausibilitätskontrolle tatsächlich nicht zu und ist deshalb fehlerhaft. Die Abrechnung ist hingegen so dezidiert darzustellen, dass die Wohnungseigentümer überschlägig prüfen können, ob dem Verwalter zu vertrauen ist.226 127 Bei den Gesamteinnahmen und -ausgaben sind die tatsächlich geleisteten Zahlungen anzuge-
ben. Auf der Ausgabenseite sind auch möglicherweise zu Unrecht getätigte Ausgaben des Verwalters aufzuführen (s. Rz. 31).227 Ob der Verwalter die Ausgaben tätigen durfte oder die Kosten angemessen sind, hat nichts mit der Richtigkeit der Jahresabrechnung zu tun. Extrem formuliert: Die Jahresabrechnung ist auch dann richtig, wenn der Verwalter Geld der Eigentümergemeinschaft veruntreut hat, vorausgesetzt, über diese Beträge wird abgerechnet. Die gegebenenfalls rechtswidrige Auszahlung widerspricht zwar ordnungsmäßiger Verwaltung, ist aber für die Frage der Richtigkeit und Vollständigkeit der Jahresabrechnung unerheblich.228 Es müssen stets alle Ausgaben des Kalenderjahres zur Verteilung gebracht werden, damit der Etat ausgeglichen ist. Beträge können nicht offen, also unverteilt bleiben. Da der Verwalter fast uneingeschränkte Vertretungsmacht für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat (s. § 9b Abs. 1), muss die Gemeinschaft auch im Außenverhältnis nahezu uneingeschränkt für die vom Verwalter ausgelösten Verpflichtungsgeschäfte haften. Diese Ausgaben sind auch nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel in den Einzelabrechnungen anzusetzen.229 Die materielle Rechtfertigung und Erläuterung der einzelnen Ausgaben ist nicht Gegenstand der Jahresabrechnung. Dennoch dient die Jahresabrechnung auch der Kontrolle des Verwalters.230 Sind Regressansprüche gegen den Verwalter geltend zu machen, sind die in Betracht kommenden Beträge zunächst zwar auf die Wohnungseigentümer zu verteilen. Die Inregressnahme ist dann separat zu beschließen. Im Erfolgsfalle können später die Einnahmen hieraus wieder zur Verteilung gebracht werden. Nimmt der Verwalter hingegen nicht alle Auszahlungen des betreffenden Jahres in die Gesamtabrechnung auf, so stellt dies einen wichtigen Abberufungsgrund gegen den Verwalter dar.231 Zumindest ist ihm die Entlastung zu verweigern.232 224 OLG Hamm v. 13.8.1996 – 15 W 115/96, DWE 1997, 37; LG Rostock v. 10.7.2015 – 1 S 160/14, ZWE 2016, 183; LG Dortmund v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, IMR 2016, 245. 225 A.A. LG Berlin v. 28.2.2014 – 55 S 150/12, ZMR 2014, 658, das von einem buchhaltungsunkundigen Eigentümer ausgeht. Teilweise wird auf einen durchschnittlichen Eigentümer abgestellt, LG München I v. 30.11.2009 – 1 S 23229/08, ZMR 2010, 554. 226 S. hierzu auch Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 514. 227 BGH v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, MDR 2011, 534 = MietRB 2011, 146 = ZWE 2011, 256 = ZMR 2011, 573; BGH v. 6.3.1997 – III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106 = WuM 1997, 294; BayObLG v. 25.5.2001 – 2Z BR 133/00, NJW-RR 2001, 1231; BayObLG v. 10.4.2001 – 2Z BR 70/01, NJW-RR 2002, 1093; BayObLG v. 10.1.1997 – 2Z BR 35/96, NJW-RR 1997, 715 = WuM 1997, 234; Hans. OLG Hamburg v. 21.10.2002 – 2 Wx 71/02, MietRB 2003, 45 = WuM 2003, 104; OLG Düsseldorf v. 26.6.1991 – 3 Wx 182/91, WuM 1991, 619; KG v. 30.3.1992 – 24 W 6339/91, NJW-RR 1992, 845 = WuM 1992, 327; LG Hamburg v. 13.9.2017 – 318 S 66/16, ZMR 2018, 66; a.A. Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 32. 228 OLG München v. 25.7.2006 – 32 Wx 076/06, ZMR 2006, 949. 229 LG Hamburg v. 13.9.2017 – 318 S 66/16, ZMR 2018, 66. 230 a.A. Schmid, NZM 2014, 848. 231 BayObLG v. 16.11.1995 – 2Z BR 108/95, WE 1996, 237; Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 398. 232 KG v. 30.3.1992 – 24 W 6339/91, WE 1992, 284 = DWE 1992, 811.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 133 § 28 WEG
Da die Jahresabrechnung ein komplexes Gebilde ist, ist ein Erläuterungsbericht durchaus 128 sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich. Wenn dieser vom Verwalter in der Versammlung zu Protokoll erklärt wird, genügt dies. Allerdings darf der Bericht nicht eine unschlüssige Abrechnung versuchen schlüssig zu machen.233 Die Abrechnung muss schon aus sich heraus schlüssig sein, sodass der Bericht nur das Verständnis für den Laien fördert und durch Erläuterungen die Zusammenhänge der einzelnen Abrechnungsteile verdeutlicht. Die Verständlichkeit kann leiden, wenn in der Abrechnung die systematisch zueinander gehörenden Beträge, z.B. Soll- und Ist-Rücklage, verstreut dargestellt werden.234 Diese sind jetzt im Vermögensbericht darzustellen. Werden praktisch alle Kontenbewegungen in der Abrechnung präsentiert und dadurch die Abrechnung sehr umfangreich, kann auch dies der Übersichtlichkeit und Prüfbarkeit entgegenstehen. Die Jahresabrechnung entspricht nicht einem kaufmännischen Jahresabschluss im Sinne ei- 129 ner Bilanz nebst Gewinn und Verlustrechnung.235 Bei der Jahresabrechnung geht es nicht um die Feststellung eines Ergebnisses als Gewinn oder Verlust236 und die Eigentümergemeinschaft besitzt kein Eigenkapital i.S.v. § 272 HGB. Die Jahresabrechnung dient im Bereich des Vermögensberichts – anders als eine Bilanz – zwar auch der Vermögensdarstellung der Wohnungseigentümergemeinschaft.237 Das Vermögen muss aber nicht vollständig, sondern nur beschränkt auf die wesentlichen Gegenstände berechnet und präsentiert werden. Demgegenüber muss in einer Bilanz das Vermögen vollständig und centgenau ermittelt werden. Die Bilanz ist Ausfluss einer doppelten Buchführung, bei der auch Vermögensgegenstände über die Abschreibungsquoten erfolgswirksam erfasst werden. Bei größeren Eigentümergemeinschaften und bei sog. Mehrhausanlagen (s. Rz. 186 ff.) 130 kann die Abrechnung sehr komplex werden. Durch die Fülle der Abrechnungspositionen leidet dann die Übersichtlichkeit der Abrechnung, was in diesen Fällen aber objektbedingt ist und nicht die Abrechnung fehlerhaft macht. Andererseits bestimmt sich die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nicht an der Leistungsfähigkeit der Verwaltersoftware.238 Die Jahresabrechnung hat alle Einnahmen und Ausgaben zu enthalten, was als Erfordernis 131 der Gesamtabrechnung (s. Rz. 137 ff.) zu verstehen ist. Die Ausgaben dürfen nach einem festgelegten Kontenplan zusammengefasst werden. Ein zu kleinteiliger Kontenplan macht die Jahresabrechnung unübersichtlich. Andererseits ist die Jahresabrechnung nicht aussagefähig, wenn Kosten beliebig Konten zugebucht werden, ohne dass zu diesen ein thematischer Zusammenhang besteht. Unbestimmte Kontenbezeichnungen wie „Sonderkosten“ sind zu vermeiden.239 Eine Position „Sonstiges“ sollte die Abrechnung ebenfalls nicht enthalten, zumindest dann nicht, wenn es sich nicht um einen ganz unerheblichen Betrag handelt. Die Jahresabrechnung muss nicht unterschrieben werden.240
132
Die Jahresabrechnung ist eine Kalenderjahresrechnung. Es entspricht nicht ordnungsmäßi- 133 ger Verwaltung, vier Quartalsabrechnungen vorzulegen.241 Wurden bisher abweichende Wirtschaftsjahre zugrunde gelegt, ist auf das Kalenderjahr umzustellen. Dies ist durch ein
233 LG Dortmund v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, ZMR 2016, 221. 234 S. LG Dortmund v. 5.12.2017 – 1 S 28/17, ZMR 2018, 350. 235 Pfälz. OLG v. 3.11.1998 – 3 W 224/98, NZM 1999, 276; OLG Karlsruhe v. 10.9.1997 – 4 W 71/97, NZM 1998, 768; BayObLG v. 23.4.1993 – 2Z BR 113/92, NJW-RR 1993, 1166; Jennißen, ZWE 2002, 19; Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 28 WEG Rz. 24. 236 So auch LG Düsseldorf v. 18.5.2011 – 25 S 79/10, MietRB 2012, 81 = ZMR 2011, 987. 237 So auch OLG Frankfurt v. 16.10.2006 – 20 W 278/03, IMR 2007, 1068. 238 AG Hamburg-St. Georg v. 24.1.2020 – 980 b C 19/19, ZMR 2020,338. 239 LG Dortmund v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, ZMR 2016, 221. 240 KG v. 22.11.1995 – 24 W 2452/95, ZMR 1996, 223. 241 OLG Düsseldorf v. 26.9.2006 – I-3 Wx 120/06, MietRB 2007, 18 = NZM 2007, 165. Jennißen | 1445
§ 28 WEG Rz. 133 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht einmaliges verkürztes oder ein verlängertes Abrechnungsjahr möglich.242 Um in die kalenderjahresbezogene Abrechnungszeit übergehen zu können, ist dann ein verkürztes oder ein verlängertes Abrechnungsjahr zugrunde zu legen. Da sich das Problem nicht anders lösen lässt, ist es einmalig zulässig, keinen 12-monatigen Abrechnungszeitraum zu wählen. Kann der Versorger nicht zum Jahresende abrechnen, ist von ihm eine Simulationsabrechnung zu verlangen. b) Beschlüsse zum Inhalt der Jahresabrechnung 134 § 28 Abs. 2 Satz 2 schweigt über Form und Inhalt der Jahresabrechnung ebenso wie über
ihre Bestandteile. Während nach neuem System die Wohnungseigentümer nicht mehr über die Jahresabrechnung beschließen, so können sie doch durch Beschluss die vom Verwalter zu erstellende Jahresabrechnung inhaltlich bestimmen. Das ist für den Verwalter nur solange hinnehmbar, als die Forderung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, § 27 Abs. 1. Vom Verwalter kann z.B. keine systemwidrige Jahresabrechnung verlangt werden. Auch können ihm ohne seine Zustimmung keine unüblichen Pflichten aufgetragen werden, da ein solcher Beschluss der Wohnungseigentümer wie ein unzulässiger Akt zu Lasten Dritter wirken würde. Sein Aufgabenbereich kann im Zusammenhang mit der Erstellung der Jahresabrechnung nur mit seiner Einwilligung im Sinne einer schuldrechtlichen Ausdehnung seiner Vertragspflichten geregelt werden. 135 Legt der Verwalter die Jahresabrechnung nicht oder nicht fristgemäß vor, können die Woh-
nungseigentümer beschließen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Verwalter zur Leistung auffordert und im Weigerungsfalle ihn auf Leistung verklagt. Gleiches ist denkbar, wenn der Verwalter eine unzureichende Jahresabrechnung vorlegt. Die Klage richtet sich dann auf Nachbesserung der Abrechnung. Der Einzelne besitzt nicht mehr die Möglichkeit, persönlich vom Verwalter die Vorlage der Jahresabrechnung einfordern zu können. Dieses Recht ist auf die Gemeinschaft übergegangen. Da die Gemeinschaft auch über die Jahresabrechnung nicht mehr beschließt, bringt sie nicht mehr zum Ausdruck, dass sie das Abrechnungssystem akzeptiert. Dies könnte allenfalls indirekt im Beschluss über die Anpassung der Vorschüsse oder die Leistung der Nachschüsse zu sehen sein. Will ein Wohnungseigentümer umgekehrt Nachbesserungsforderungen aufstellen, muss er die Aufnahme dieser Forderung als Tagesordnungspunkt verlangen, um dann einen möglichst positiven Beschluss der Gemeinschaft erwirken zu können. Fasst die Wohnungseigentümergemeinschaft diesen Beschluss nicht, kommt für den einzelnen Wohnungseigentümer nur die Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 in Betracht. 135a Auch wenn die Wohnungseigentümer nicht mehr die Beschlusskompetenz besitzen, über
die Jahresabrechnung beschließen zu dürfen, so kann sich dennoch ein solcher Beschluss auf die Rechtsbeziehung zum Verwalter richten. Genauso wie die Wohnungseigentümer beschließen können, vom Verwalter eine Nachbesserung der vorgelegten Jahresabrechnung zu verlangen, können sie durch Beschluss die Abnahme des Werks243 erklären, also die Abrechnung gegenüber dem Verwalter akzeptieren. Ob dies Gegenstand der Beschlussfassung sein soll, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln. c) Abrechnung über den Wirtschaftsplan 136 Soweit aus der Formulierung „Abrechnung über den Wirtschaftsplan“ gefordert wird, dass
die tatsächlichen Zahlen der Jahresabrechnung den Ansätzen aus dem Wirtschaftsplan ge242 LG Köln v. 8.5.2014 – 29 S 241/13, ZMR 2014, 823. 243 Hinsichtlich der Erstellung der Jahresabrechnung von einer werkvertraglichen Leistungspflicht ausgehend: BGH V. 26.2.2021 – V ZR 290/19, MietRB 2021, 175.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 140 § 28 WEG
genübergestellt werden müssten, sodass Abweichungen auf einen Blick transparent werden,244 ist dies nicht zwingend. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass auch schon die alte Gesetzesfassung die Terminologie „Abrechnung über den Wirtschaftsplan“ enthielt; dort war allerdings diese Formulierung unsystematisch in § 29 Abs. 3 (Regelungen zum Beirat) platziert worden. Indem der Gesetzgeber diese Formulierung nun systematisch richtig in § 28 Abs. 2 n.F. verschoben hat, hat dies keine inhaltliche Änderung zur Folge. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Qualität einer Jahresabrechnung nicht davon abhängig ist, ob der Verwalter die Kosten im Wirtschaftsplan gut oder schlecht geschätzt hat. Der Informationswert eines solchen Vergleichs ist relativ gering, zumal die Wohnungseigentümer im Ergebnis nur interessiert, ob es zu Guthaben oder zu Nachschüssen gekommen ist. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass ein Wirtschaftsplan fehlen kann (siehe hierzu Rz. 72 ff.) und dann ein Vergleich schon gar nicht möglich ist. d) Gesamtabrechnung aa) Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben Das Herzstück der Jahresabrechnung ist der als Gesamtabrechnung bezeichnete Teil. Bei der 137 Gesamtabrechnung geht es um die Kontrolle des Verwalters. Da es keine gesetzlich definierte Form der Jahresabrechnung gibt, ist es der Gestaltungsfreiheit überlassen, ob die Einzelabrechnung in den Vordergrund gestellt und die Gesamtabrechnung nur als Kontrollrechnung verstanden wird,245 oder ob die Gesamtabrechnung im Zentrum der Abrechnung steht, aus der die Einzelabrechnung abgeleitet wird.246 Letzteres verdient den Vorzug. Die Gesamtabrechnung hat die gesamten Einnahmen und Ausgaben zu enthalten.247 Bei je- 138 der Position sollte dargestellt werden, ob sie verteilungsrelevant geworden ist (siehe zu Abgrenzungspositionen Rz. 148 ff.). Bei den Gesamteinnahmen muss zwischen den Wohngeldzahlungen und den sonstigen Einnahmen (z.B. aus Miete) differenziert werden. Es dient der Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Jahresabrechnung, wenn Zahlungen der Wohnungseigentümer auf frühere Kalenderjahre in der Gesamtabrechnung hervorgehoben werden. Die anders lautende Entscheidung des BGH248 übersieht die Konsequenzen. So lässt sich die Ist-Rücklage (s. Rz. 386 ff.) nur entwickeln, wenn Fehlbeträge früherer Jahre gepflegt und Zahlungseingänge periodengerecht zugeordnet werden. Wenn die Gesamteinnahmen nicht aufgeschlüsselt werden, sind Mehreinnahmen gegenüber dem kalkulierten Wirtschaftsplan nicht nachvollziehbar. Die Schlüssigkeitsprüfung leidet erheblich. Die Verständlichkeit der Abrechnung kann ebenfalls leiden, wenn Einnahmen unter der Kos- 139 tenüberschrift gewissermaßen als negative Kosten dargestellt werden, obschon es diese begrifflich nicht gibt. Andererseits dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. bb) Bankkontenentwicklung Schon nach bisheriger Auffassung war die Angabe des Bankanfangs- und des Bankendbe- 140 stands für eine ordnungsmäßige Jahresabrechnung erforderlich.249 Wie das Wort Bankkon244 So Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 93. 245 S. die Musterabrechnung bei Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Anhang, Muster 4 a. 246 So die Musterabrechnung von Casser/Schultheis, ZMR 2011, 85 ff.; ebenso bei Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Anhang, Muster 4 b. 247 LG Dortmund v. 13.12.2019 – 17 S 96/19, ZWE 2020,392. 248 A.A. BGH v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, MDR 2014, 143 = MietRB 2014, 12 = DWE 2013, 165 = NJW 2014, 145. 249 BayObLG v. 21.12.1999 – 2Z BR 79/99, ZMR 2000, 238; Pfälz. OLG v. 1.3.2000 – 3 W 270/99, ZMR 2000, 868; OLG Düsseldorf v. 24.11.2003 – I-3 Wx 123/03, ZMR 2004, 282; AG Kerpen v. 18.12.1996 – 15 II 27/96, ZMR 1998, 376. Jennißen | 1447
§ 28 WEG Rz. 140 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht tenentwicklung schon zum Ausdruck bringt, geht diese über die bloße Nennung der Kontenstände hinaus und erläutert, wie es vom Anfangsbestand zum Endbestand gekommen ist.250 Die Bankkontenentwicklung ist notwendig, um die Liquiditätslage der Eigentümergemeinschaft zu verdeutlichen und die Plausibilitätskontrolle der Jahresabrechnung zu ermöglichen.251 Sie wird teilweise als Herzstück der Jahresabrechnung angesehen.252 Je nach Darstellungsform kann sie mit der Gesamtabrechnung identisch sein. Die Gesamtabrechnung enthält zunächst nur die Darstellung aller Kosten, während die Bankkontenentwicklung zusätzlich darstellt, wie diese Kosten vermehrt um die Einnahmen und bei gleichzeitiger Hervorhebung nicht verteilungsrelevanter aber abgeflossener Beträge vom Bankanfangsbestand zum Bankendbestand des jeweiligen Kalenderjahres geführt haben. 141 Die Bankkontenentwicklung ist eine Liquiditätsbetrachtung, die in diesem und nur in die-
sem Teilbereich der reinen Einnahmen- und Ausgabenrechnung entspricht. Die Einnahmen und Ausgaben müssen sich anhand der Kontenentwicklung nachvollziehen lassen. Jegliche Diskrepanz steht der Schlüssigkeit der Abrechnung entgegen und führt zur Rechtswidrigkeit der gesamten Abrechnung.253 Die Musterabrechnung von Casser und Schultheis254 stellt die besondere Bedeutung der Bankkontenentwicklung heraus und macht diese zum zentralen Bestandteil einer jeden Jahresabrechnung. Durch Hervorhebung der verteilungsrelevanten Beträge (s. Abgrenzungen Rz. 148 ff.) werden dann die Einzelabrechnungen hieraus abgeleitet. 142 Es wird die Meinung vertreten, dass die Bankkontenentwicklung nach neuem System nicht
mehr Bestandteil der Jahresabrechnung, sondern allenfalls des separaten Vermögensberichts sei. Dort müssten aber auch nur die Bankendbestände dargestellt werden.255 Dass sich diese Differenzierungsfrage überhaupt stellt, ist Folge der gesetzgeberischen Aufteilung von Jahresabrechnung in Abs. 2 und Vermögensbericht in Abs. 4. Trotzdem überzeugt diese Auffassung nicht, da sonst ein einheitliches Abrechnungssystem vollkommen unnötig in zwei vermeintlich selbstständige Bestandteile zerlegt würde und dann am Ende unvollständig wäre. Vom Gesetzeswortlaut her besteht keine Vorgabe, dass die ohnehin nicht namentlich erwähnte Bankkontenentwicklung dem Vermögensbericht zugeordnet werden müsse. In der Jahresabrechnung sind nach dem Wortlaut die Einnahmen und Ausgaben darzustellen, während der Vermögensbericht die wesentlichen Vermögensgegenstände zum Abrechnungsstichtag enthält. Demgegenüber enthält die Bankkontenentwicklung alle Einnahmen und Ausgaben, ohne dass diese einzeln aufgeführt werden müssten, und führt diese vom Bankanfangsbestand bis zum Bankendbestand einer Plausibilitätsprüfung zu. Wird dieses Kontrollsystem in zwei Teile zerrissen, ist ihre Funktionsweise eingeschränkt. Da die Bankkontenentwicklung eine dynamische Darstellung ist und der Vermögensbericht nur den Status
250 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, MDR 2021, 26 = WuM 2021, 68; OLG Hamm v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZMR 2001, 1001; ebenso Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., Rz. 115; hinsichtlich der Schlüssigkeitsprüfung nicht von einer Bankkontenentwicklung, sondern von einer „Zusatzrechnung“ sprechend, Niedenführ, DWE 2005, 58, 62. 251 LG Hamburg v. 19.12.2014 – 318 S 5/14, ZMR 2016, 223; LG Düsseldorf v. 21.12.2016 – 25 S 63/ 16, ZMR 2017, 181; Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 28a; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 15 verwendet den Begriff des Kontenabgleichs; ebenso Becker/Ott/Suilmann, Wohnungseigentum, 3. Aufl., Rz. 741. 252 S. Casser/Schultheis, ZMR 2011, 85 ff. 253 Überzeugend LG München I v. 30.11.2009 – 1 S 23229/08, ZMR 2010, 554. 254 Casser/Schultheis, ZMR 2011, 85 ff.; ZMR-Sonderheft 1/2017; ebenso die Musterabrechnung 2.0 in ZMR 2017, 609; diesem Muster folgend: BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, MDR 2021, 26 = WuM 2021, 68; nunmehr Musterabrechnung 3.0 in ZMR 2021, 788 255 So Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 840; Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 37; auf das Kontrollproblem hinweisend: Dötsch/Schultzky/ Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 98.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 145 § 28 WEG
zu einem bestimmten Stichtag (31.12.) enthält, spricht mehr dafür, die Bankkontenentwicklung weiterhin als Bestandteil der Jahresabrechnung anzusehen,256 sodass der Vermögensbericht nur zusätzlich die Kontenstände (Endstände) wiederholt und gleichzeitig die Erhaltungsrücklage präsentiert. Keinesfalls darf auf die Angabe der Bankanfangsbestände per 1.1. des Kalenderjahres insgesamt verzichtet werden, weil dann die Kontinuität gegenüber den Schlusssalden des letzten Jahres nicht überprüft werden kann. Ein Endbestand hat nur eine eingeschränkte Aussagekraft, wenn der Anfangsbestand nicht dargestellt ist. Soweit die Meinung vertreten wird, dass die Bankkontenentwicklung im neuen System sogar 143 überflüssig geworden sei, weil die Wohnungseigentümer nur noch über die Abrechnungsergebnisse beschließen,257 ist dem keinesfalls zu folgen. Ein Grund, warum die Wohnungseigentümer anhand der Bankkontenentwicklung das Rechenwerk des Verwalters nicht mehr überprüfen können sollten, ist nicht nachvollziehbar. Die neue gesetzliche Regelung kann nicht dazu führen, dass der Verwalter nicht mehr kontrollierbar ist und die Wohnungseigentümer sich nicht mehr davon überzeugen können, dass alle Einnahmen und Ausgaben erfasst wurden und das Rechenwerk nachvollziehbar ist. Auch wenn das Gesetz in bedenklicher Weise keinen Beschluss über die Jahresabrechnung mehr vorsieht, heißt dies doch nicht, dass der Inhalt der Jahresabrechnung irrelevant geworden sei oder die Wohnungseigentümer kein Interesse an der Kontrolle des Verwalters mehr hätten. Während eine reine Gesamtabrechnung nur die Gesamteinnahmen und die Gesamtkosten 144 nennen würde,258 muss die darüber hinausgehende Bankkontenentwicklung die Prüfung der Liquiditätsentwicklung259 und der vollständigen Erfassung aller Buchungsvorgänge zulassen. Die Abrechnung muss so gestaltet werden, dass sie eine Schlüssigkeitsprüfung ermöglicht.260 Dazu genügt es nicht, nur den Bankanfangsbestand zum 1.1. des Kalenderjahres zzgl. Einnahmen (Wohngeldvorauszahlungen) abzgl. Ausgaben gem. Kostenverteilung und Bankendbestand zum 31.12. des Kalenderjahres darzustellen.261 In jedem Kalenderjahr gibt es zwangsweise Beträge, die weder auf der Einnahmen- noch auf der Ausgabenseite Auswirkungen auf das Abrechnungsergebnis haben. Diese sind selbstverständlich in der Bankkontenentwicklung darzustellen und deutlich zu machen, dass sie nicht ergebnisrelevant sind.262 Sind mehrere Bankkonten vorhanden, müssen in der Bankkontenentwicklung auch die Überträge zwischen diesen Konten aufgeführt werden, was eine buchhalterische Notwendigkeit ist.263 Auch die Gesamteinnahmen der Eigentümergemeinschaft müssen in der Bankkontenent- 145 wicklung präsentiert werden, und zwar aufgeschlüsselt nach laufenden Wohngeldzahlungen für das Abrechnungsjahr, Zahlungen für Vorjahre264 und sonstigen Einnahmen. Erst dann lässt sich der Bankkontenstand nachvollziehen. Es müssen somit über die Beträge hinaus, die in der Kostenverteilung erwähnt werden, auch das Abrechnungsergebnis als Summe aufgeführt werden, das für das Vorjahr an die Wohnungseigentümer ausgezahlt oder von diesen nachentrichtet wurde. Auch die weiteren Abgrenzungen, z.B. im Bereich der Heizkosten (s. 256 A.A. Becker in Bärman, 15. Aufl., § 28 Rz. 173. 257 So Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 98. 258 So auch OLG Düsseldorf v. 3.8.2007 – 3 Wx 84/07, NZM 2007, 811; OLG Köln v. 15.1.2008 – 16 Wx 141/07, MietRB 2008, 173 = ZWE 2008, 242, 244. 259 LG Dortmund v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, IMR 2016, 245. 260 LG München I v. 8.10.2015 – 36 S 16283/14, ZWE 2016, 182 = MietRB 2016, 203. 261 Insoweit unzutreffend LG Rostock v. 10.7.2015 – 1 S 160/14, ZWE 2016, 183; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 15; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 126; sowie Wolicki in Abramenko, Handbuch WEG, 2. Aufl., § 7 Rz. 143. 262 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, MDR 2021, 26 = NZM 2020, 1114 = WuM 2021, 68. 263 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, MDR 2021, 26 = NZM 2020, 1114 = WuM 2021, 68. 264 Allerdings einschränkend BGH v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, MDR 2014, 143 = MietRB 2014, 12 = WuM 2013, 757, der dies als fakultativ ansieht. Jennißen | 1449
§ 28 WEG Rz. 145 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht Rz. 152), müssen in der Bankkontenentwicklung aufgelöst werden, um zum richtigen Kontenendbestand zu gelangen. Ebenso müssen die Überweisungen auf das Festgeldkonto ausgewiesen werden.265 Wegen dieser Ergänzungen ist von einer qualifizierten Bankkontenentwicklung zu sprechen.266 146 Die Bankkontenentwicklung dient auch dem Verwalter zur eigenen Kontrolle, ob alle Bu-
chungsvorgänge erfasst und Soll und Haben richtig zugeordnet wurden. Stimmt die Bankkontenentwicklung am Ende mit dem tatsächlichen Banksaldo zum 31.12. nicht überein, ist die Buchführung fehlerhaft.267 Dies gilt auch, wenn das Bankkonto tatsächlich einen höheren Betrag ausweist, als er sich nach der Bankkontenentwicklung darstellt. Ein zu hoher Betrag ist ebenfalls ein falscher, der gleichermaßen belegt, dass die Buchführung nicht stimmt. Ebenso sind keine Kleinstbeträge unerheblich,268 da diese nur die Folge mehrerer sich teilweise neutralisierender Fehlbuchungen sein können (Fehler im Soll und im Haben), die jeweils für sich betrachtet erheblich sind. 147 Das Fehlen der Bankkontenentwicklung machte den Beschluss über die Jahresabrechnung
nach alter Rechtslage anfechtbar.269 Es fehlte ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtabrechnung. Es genügte auch nicht die Bankkontenentwicklung später nachzureichen, da alle maßgebenden Unterlagen im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegen mussten. Den Wohnungseigentümern war nicht das Risiko zumutbar, dass die später nachgereichte Übersicht nicht schlüssig war oder sogar Ungereimtheiten zutage traten und der Beschluss dann durch Zeitablauf nicht mehr anfechtbar gewesen wäre. Auch könnten Korrekturen der Gesamtabrechnung (Bankkontenentwicklung) Auswirkungen auf die Einzelabrechnungsergebnisse gehabt haben. Wurde die Jahresabrechnung mit der Bankkontenentwicklung während des Anfechtungsverfahrens neu erstellt und beschlossen, trat mit Bestandskraft des Beschlusses Erledigung des Anfechtungsverfahrens ein und den Beklagten (ggfs. Verwalter) waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.270 cc) Abgrenzungspositionen 148 Die Gesamtabrechnung hat nicht nur die Einnahmen und Ausgaben, sondern auch etwaige
Abgrenzungspositionen zu präsentieren. Diese sind erforderlich, um deutlich zu machen, welche Beträge Niederschlag in den Einzelabrechnungen gefunden haben, obschon sie im betreffenden Kalenderjahr nicht bezahlt wurden bzw. umgekehrt, welche Beträge bezahlt wurden, ohne dass sie Niederschlag in den Einzelabrechnungen fanden. Sie spielen sowohl aktiv als auch passiv eine Rolle, d.h., sie sind nicht nur auf der Kostenseite, sondern auch auf der
265 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, NZM 2020, 1114. 266 Teilweise wird sie auch als Kontenabgleich bezeichnet: Becker/Ott/Suilmann, Wohnungseigentum, 3. Aufl., Rz. 741. 267 Das System der ordnungsgemäßen Buchführung verkennend und einen Überschuss als unschädlich ansehend LG Köln IMR 2012, 199. 268 Einschränkend Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 206. 269 LG München I v. 6.10.2011 – 36 S 17150/10, ZWE 2012, 140 = MietRB 2012, 148; LG Hamburg v. 3.11.2010 – 318 S 110/10, ZWE 2011, 129; LG Nürnberg-Fürth v. 26.9.2008 – 14 S 4692/08, ZMR 2009, 74; AG Köln v. 24.4.2008 – 202 C 159/07, MietRB 2008, 211; Abramenko, ZMR 2003, 402, 405; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 192; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 120; a.A. BayObLG v. 7.5.1992 – 2Z BR 26/ 92, NJW-RR 1992, 1169; BayObLG v. 20.3.2003 – 2Z BR 12/03, ZMR 2003, 692; Schl.-Holst. OLG v. 26.4.2007 – 2 W 216/06, MietRB 2008, 2. 270 LG München I ZMR 2012, 480 = NZM 2012, 425.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 152 § 28 WEG
Einnahmenseite von Bedeutung.271 Soweit diese Positionen als „nicht verteilungsrelevante Beträge“ bezeichnet werden,272 ist dies nur ein anderer Begriff für den gleichen Buchungsvorgang. In der Jahresabrechnung bewirken sie, dass nicht alle Einnahmen und Ausgaben des betreffenden Kalenderjahres Niederschlag in der Kostenverteilung (s. Rz. 165 ff.) und somit im Abrechnungsergebnis finden. Zum Ausweis von Abgrenzungspositionen in der Gesamtabrechnung steht eine reine Ein- 149 nahmen- und Ausgabenrechnung in Widerspruch, die nur liquide Vorgänge des abzurechnenden Kalenderjahres berücksichtigen will. In keiner Jahresabrechnung können aber die verteilten Kosten mit den Abflüssen von den Bankkonten der Eigentümergemeinschaft vollständig identisch sein. Dies ist systemimmanent.273 Die Divergenzen müssen daher in der Gesamtabrechnung verdeutlicht werden.274 Wenn der BGH genau von dieser Divergenz spricht, sie für notwendig hält und dann dennoch Abgrenzungen ablehnt, handelt es sich um einen Zirkelschluss, der sich nur durch Definitionsprobleme erklären lässt.275 Bei den Abgrenzungspositionen ist zu unterscheiden. Sind die Beträge im Abrechnungsjahr 150 ab- oder zugeflossen, sind sie zwingend in die Bankkontenentwicklung aufzunehmen, auch wenn sie in der Einzelabrechnung nicht verteilungsrelevant werden. Sind die Beträge hingegen verteilungsrelevant, aber noch nicht abgeflossen (z.B. der Abrechnungssaldo des Gasversorgers), gehören sie unter dem Gesichtspunkt der reinen Einnahmen-/Ausgabenrechnung nicht in die Bankkontenentwicklung hinein. Dies führt aber unweigerlich dazu, dass die verteilten Kostensummen andere sind als die abgeflossenen und die Differenz nicht ohne weiteres verständlich ist. Deshalb muss diese Differenz erklärt werden. Wo und wie dies der Verwalter vornimmt, ist weitgehend seinem Ermessen überlassen.276 Die Darstellung muss klar und konsequent sein. Alternativ kommt eine Erläuterung innerhalb der Bankkontenentwicklung oder eine Darstellung im Rahmen des Vermögensberichts in Betracht. Die Jahresabrechnung besteht aus mehreren Bestandteilen. Der Bestandteil “Bankkontenent- 151 wicklung“ (s. Rz. 140 ff.) ist eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung. Dort wird die Liquiditätsentwicklung der Eigentümergemeinschaft wiedergegeben. Somit sind in diesem Teilbereich alle Einnahmen und Ausgaben enthalten.277 Für die Kostenverteilung als Bestandteil der Einzelabrechnung sind nur die verteilungsrelevanten Kosten maßgebend.278 Insoweit handelt es sich nicht um eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung.279 Dort werden die Kosten verteilt und nicht die Ausgaben. Die Frage ist daher nicht, ob Abgrenzungen vorgenommen werden dürfen, sondern in wel- 152 chem Teil der Jahresabrechnung sie darzustellen sind.280 Bei der Errechnung der Abrech271 LG Nürnberg-Fürth v. 26.9.2008 – 14 S 4692/08, ZMR 2009, 74; LG Düsseldorf v. 18.5.2011 – 25 S 79/10, MietRB 2012, 81 = ZMR 2011, 987; s. hierzu das Muster einer ordnungsmäßigen Bankkontenentwicklung bei Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., XVIII Anhang Muster 4a; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Anlage 4. 272 So auch BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, NZM 2020, 1114; Casser/Schultheis, Musterabrechnung, ZMR 2011, 85 ff.; ZMR 2017, 609. Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 19. 273 Ebenso Drasdo, NZM 2015, 882, 884. 274 LG Düsseldorf v. 18.5.2011 – 25 S 79/10, MietRB 2012, 81 = ZMR 2011, 987; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 19. 275 S. hierzu Jennißen/Kümmel/Schmidt, ZMR 2012, 758. 276 BGH v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = ZMR 2012, 372. 277 Ebenso Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 40. 278 Siehe die Musterabrechnungen von Casser/Schultheis, ZMR 2011, 85 und Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., S. 372 ff. 279 Ebenso LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236 = ZMR 2007, 652; LG Nürnberg-Fürth v. 26.9.2008 – 14 S 4692/08, ZMR 2009, 74. 280 LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236; LG Nürnberg-Fürth v. 26.9.2008 – 14 S 4692/08, ZMR 2009, 74; AG Kerpen v. 24.6.2005 – 15 II 43/04, ZMR 2006, 238; Greiner, WohJennißen | 1451
§ 28 WEG Rz. 152 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht nungsspitze als Ergebnis der Kostenverteilung sind Abgrenzungen im Sinne einer leistungsbezogenen Periodenzuordnung zu berücksichtigen.281 Dies betrifft auf der Ausgabenseite in erster Linie verbrauchsabhängige Kosten. Die h.M.282 räumt selbst ein, dass bei der Abrechnung der Heizkosten (Einzelabrechnungen) nicht die tatsächlich bezahlten Rechnungen, sondern die tatsächlich verbrauchten Brennstoffwerte maßgebend sind,283 was aus § 7 Abs. 2 HeizkV folgt (s. Rz. 167 ff.).284 Der BGH sieht das einerseits auch so und bestätigt, dass keine Deckungsgleichheit zwischen Einzel- und Gesamtabrechnung besteht, lehnt dann andererseits die dahinführenden Abgrenzungen aber ab.285 Er meint das Problem dadurch lösen zu können, indem er eine Verteilung der über die verbrauchten Brennstoffe hinausgehenden Beträge nach allgemein geltendem Verteilungsschlüssel (im Zweifel Miteigentumsanteile) fordert.286 Hierdurch bliebe nach seiner Auffassung kein Betrag mehr unverteilt, sodass auch keine Abgrenzungen mehr benötigt würden. Er übersieht aber, dass es dennoch zu Abgrenzungsbuchungen kommt, wenn die Gemeinschaft weniger vorausgezahlt hat, als verbraucht wurde (s. vertiefend auch § 16 Rz. 178 ff.), weil dann auch ein noch nicht bezahlter Kostenanteil zur Verteilung kommt. Bei einer Ölheizung hält er den bezahlten, aber noch nicht verbrauchten Ölbestand ebenso für verteilungsrelevant287, wie zu viel geleistete Vorschüsse an den Versorgungsträger (Gas). Er übersieht aber, dass diese Vorgehensweise dazu führt, dass im Folgejahr eine Gutschrift vorgenommen werden muss, ohne dass der Gemeinschaft entsprechende Geldmittel zugeflossen sind, damit es nicht zu einer Doppelbelastung der Wohnungseigentümer kommt.288 Bei diesen auch als Pseudogutschriften zu bezeichnenden Beträgen handelt es sich aber ebenfalls um eine Art Abgrenzungsbuchung.289 Im Ergebnis sind
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nungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 16 f.; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 19; Sauren, NZM 2017, 667. Vgl. Häublein, ZWE 2010, 237, der ebenfalls darauf hinweist, dass die zur Verteilung gebrachten Beträge der Einzelabrechnung von den Beträgen der Gesamtabrechnung abweichen. Abgrenzungen generell ablehnend: BGH v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, MDR 2014, 143 = MietRB 2014, 12 = ZWE 2014, 36 = NJW 2014, 145; v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = ZMR 2012, 372; LG Frankfurt/M. v. 9.3.2023 – 2-13 S 68/22; ZMR 2023, 496; BayObLG v. 23.4.1993 – 2Z BR 113/92, NJW-RR 1993, 1166 = WE 1994, 181; BayObLG v. 27.1.1994 – 2Z BR 88/93, WE 1995, 30; KG v. 13.4.1987 – 24 W 5174/86, MDR 1987, 938 = NJWRR 1987, 1160; KG v. 30.3.1992 – 24 W 6339/91, NJW-RR 1992, 845; OLG Karlsruhe v. 10.9.1997 – 4 W 71/97, NZM 1998, 768; Pfälz. OLG v. 3.11.1998 – 3 W 224/98, NZM 1999, 276; OLG Düsseldorf v. 24.11.2003 – I-3 Wx 123/03, ZMR 2004, 282; OLG Köln v. 8.6.2005 – 16 Wx 53/05, MietRB 2006, 104; Seuß, WE 1993, 12; Sauren, WE 1993, 62; Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 28 WEG Rz. 24; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 83; kritisch hierzu Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 81. Auch auf die fehlende Deckungsgleichheit zwischen in der Einzelabrechnung verteilten und in der Bankkontenentwicklung als bezahlt dargestellten Heizkosten hinweisend: BGH v. 15.11.2019 – V ZR 9/19, NZM 2020, 469. BGH v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = ZMR 2012, 372; BayObLG v. 27.1.1994 – 2Z BR 88/93, WuM 1994, 230; AG Kerpen v. 24.6.2005 – 15 II 43/04 ZMR 2006, 238; OLG Hamm v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446; Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 28 WEG Rz. 25; Häublein, ZWE 2010, 237, 245; kritisch Drasdo, NZM 2010, 681. BGH v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = ZMR 2012, 372 m. Anm. Casser/Schultheis; s. auch die kritischen Anmerkungen von Jennißen/Kümmel/Schmidt, ZMR 2012, 758. BGH v. 13.2.2020 –V ZR 29/15, ZWE 2020, 347 = ZMR 2020, 542; v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, ZMR 2012, 372 = MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141; AG Bremen v. 13.12.2013 – 29 C 88/13, ZMR 2014, 316 = MietRB 2014, 82. A.A. LG Bremen v. 29.7.2022 – 4 S 20/22, ZWE 2023, 92. Gleichermaßen Sauren, § 28 WEG Rz. 35a; ebenso Schmidt-Räntsch, ZfIR 2012, 293, die von einer „Art rechnerischer Vorweggutschrift“ spricht. LG Frankfurt/M v. 28.5.2020 – 2-13 S 6/19, ZWE 2020, 476; Jennißen/Kümmel/Schmidt, ZMR 2012, 758; Hermann in BeckOGK, 1.12.2020, § 28 WEG Rz. 139.
1452 | Jennißen
VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 156 § 28 WEG
also die Ausgaben für noch nicht verbrauchte Brennstoffe in der Gesamtabrechnung (Bankkontenentwicklung) aufzuführen. Ebenso ist ein Endbestand an Öl im Vermögensbericht zu erwähnen. In der Heizkostenabrechnung/Einzelabrechnung werden aber nur die verbrauchten Brennstoffe kostenmäßig verteilt.290 Dass sich dadurch Einzel- und Gesamtabrechnung nicht decken, ist systemgerecht und bleibt kein Einzelfall (s.o. Rz. 148 ff.). Auch bei den Wasser- und Abwasserkosten wird teilweise erkannt, dass die Abrechnung des 153 tatsächlichen Wasserverbrauchs maßgebend ist, wenn Wasserzähler in den Wohnungen eingebaut sind.291 Obschon der Kaltwasserverbrauch nicht von der Heizkostenverordnung erfasst ist, ist nicht einzusehen, warum die Warmwasserkosten nach dem tatsächlichen Verbrauch abgerechnet werden, nicht aber der Kaltwasserbezug. Mit dem Verbrauch des Kaltwassers korrespondiert dann der Verbrauchswert für die Abwasserkosten, so dass diese gleichermaßen abzugrenzen sind.292 Hinsichtlich der Wohngeldzahlungen können Abgrenzungspositionen notwendig sein. Wird 154 eine Tilgungsbestimmung vorgenommen, ist diese zu berücksichtigen (Zahlung im Dezember mit der Bezeichnung Wohngeld Januar). Dies folgt aus § 366 Abs. 1 BGB.293 Werden die Abrechnungsergebnisse im Folgejahr ausgezahlt bzw. erhoben, sind sie ebenfalls in der Einzelabrechnung nicht zu berücksichtigen, da sonst die Guthaben wieder wie Kosten und die Nachzahlungen wieder wie laufende Wohngeldzahlungen das Ergebnis beeinflussen würden. Ebenfalls sind Abgrenzungen vorzunehmen, wenn ein säumiger Wohnungseigentümer auf einen Zahlungstitel zahlt, der seine Wohngeldverpflichtung beispielsweise aus dem vorletzten Jahr betrifft.294 Indirekt wird Vorstehendem schon dadurch Rechnung getragen, dass die Einzelabrechnung 155 unter Berücksichtigung des Wohngeldsolls (sog. Abrechnungsspitze, s. Rz. 173 ff.) erstellt wird und so die tatsächlichen Zahlungen gar nicht berücksichtigt werden. Bei richtiger Betrachtung stellt diese Vorgehensweise ebenfalls die Buchung von Abgrenzungen dar, weil sich insoweit ebenfalls die Zuflüsse der Gesamtabrechnung nicht mit dem Soll der Wohngeldzahlungen gem. Einzelabrechnungen decken.295 Bei Versicherungsschäden ist zu differenzieren. Sind die Reparaturkosten im Abrechnungs- 156 jahr bezahlt worden, sind diese selbstverständlich auch als Kosten zu verteilen. Hat die Versicherung eine Deckungszusage erteilt und fließt die Erstattungszahlung der Gemeinschaft erst Anfang des Folgejahres aber vor Erstellung der Jahresabrechnung zu, kann dieser Zahlungseingang durch Abgrenzungsbuchung ins Abrechnungsjahr gezogen werden. Den Woh-
290 Ebenso LG Bremen v. 29.7.2022 – 4 S 20/22, ZWE 2023, 92. 291 So auch OLG Köln v. 20.12.2004 – 16 Wx 110/04, MietRB 2005, 209; BayObLG v. 7.3.2002 – 2Z BR 77/02, WuM 2002, 333, obwohl sonst Abgrenzungen ablehnend; LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236; LG Nürnberg-Fürth v. 26.9.2008 – 14 S 4692/08, ZMR 2009, 74; AG Kerpen v. 24.6.2005 – 15 II 43/04, ZMR 2006, 238; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 60; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 19; Sauren, NZM 2017, 667. 292 So auch OLG Köln v. 20.12.2004 – 16 Wx 110/04, MietRB 2005, 209; LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236 = ZMR 2007, 652; a.A. LG Dortmund v. 5.12.2017 – 1 S 28/17, ZMR 2018, 350; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 126. 293 Zur Anwendbarkeit von § 366 BGB im Wohnungseigentumsrecht LG München v. 30.11.2009 – 1 S 5342/09, DWE 2010, 68; LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236 = ZMR 2007, 652. 294 Ebenso LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236 = ZMR 2007, 652; AG Kerpen v. 24.6.2005 – 15 II 43/04, ZMR 2006, 238; a.A. Niedenführ, DWE 2005, 58. 295 S. hierzu auch die kritischen Ausführungen von Casser/Schultheis, ZMR 2012, 375 ff. Jennißen | 1453
§ 28 WEG Rz. 156 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht nungseigentümern wäre es kaum vermittelbar, dass noch Kosten zur Verteilung kommen, die im Zeitpunkt der Abrechnungserstellung schon von dritter Seite erstattet wurden.296 157 Auch kann vermieden werden, dass eine im Zeitpunkt der Erstellung der Jahresabrechnung
bereits wieder erstattete Fehlzahlung des Vorjahres oder ein Irrläufer unnötigerweise mit umgelegt wird.297 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der inzwischen erstattete Betrag sehr wohl in der Bankkontenentwicklung berücksichtigt werden muss. 158 Dogmatisch folgt die Pflicht zur Bildung von Abgrenzungspositionen aus dem Kosten-
begriff.298 Beim betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff ist es nicht relevant, ob die zugrunde liegenden Rechnungen bereits bezahlt wurden. Kosten sind Aufwendungen für Leistungen, die noch nicht bezahlt sein müssen (s. auch § 16 Rz. 24 ff.). Auch bei Ausgaben kann es sich sowohl um Barzahlungen als auch um Verbindlichkeiten handeln.299 Lediglich unter dem Begriff „Auszahlungen“ wird der reine Zahlungsmittelabgang erfasst. Somit müsste die h.M. von einer reinen Einzahlungs- und Auszahlungsrechnung sprechen. Der Kostenbegriff in § 16 Abs. 2 verdeutlicht aber, dass es nicht zwingend auf den Zeitpunkt der Bezahlung ankommt. Sonst hätte der Gesetzgeber von der Beteiligungspflicht an Auszahlungen und nicht an Kosten sprechen müssen.300 Entsprechend werden Überweisungen vom laufenden Bankkonto auf das Rücklagen-Bankkonto und umgekehrt in der Bankkontenentwicklung erfasst, in der Einzelabrechnung aber nicht verteilt. Sie sind nicht ergebnisrelevant.301 159 Bei den Zuführungsbeträgen zu den Rücklagen ist zu differenzieren: In der Gesamtabrech-
nung, die nach hiesigem Verständnis mit der Bankkontenentwicklung identisch ist, sind die tatsächlichen Zahlungen zu berücksichtigen.302 In den Einzelabrechnungen muss aber der Sollbestand des Zuführungsbetrages verteilt werden, da sonst unterlassende Vorschüsse die Nachschusspflicht reduzieren würden. Der Unterschied zwischen dem Ist-Betrag in der Bankkontenentwicklung und dem Soll-Betrag in der Einzelabrechnung kann ebenfalls als verteilungsrelevante Differenz oder auch als Abgrenzungsposition bezeichnet werden.303 160 Liquiditätsprobleme sind durch die Bildung von Abgrenzungspositionen nicht zu befürch-
ten, da es sich allenfalls nur um kurzzeitige Periodenverschiebungen handelt. Um diese Probleme gänzlich auszuschließen, können auch für diesen Fall Liquiditätsrücklagen gebildet werden.304 161 Durch das WEMoG ändert sich an der vorstehenden Problematik nichts. Die Bund-Länder-
Arbeitsgruppe hatte in ihrem Abschlussbericht gefordert, dass die Bildung von Abgrenzungspositionen in § 28 aufgenommen werden solle.305 Dem ist der Gesetzgeber nicht ge-
296 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 17 will zur Vermeidung dieses Spannungsverhältnisses die Schadensbeseitigungskosten gegen die Rücklage buchen, so dass in der Einzelabrechnung keine Kostenbelastung entsteht. Leistet die Versicherung dann im nächsten Jahr die Erstattung, wird die Rücklage wieder entsprechend aufgefüllt, ein umständlicher, aber akzeptabler Weg. 297 A.A. LG Bonn v. 13.11.2003 – 8 T 80/03, ZMR 2004, 302. 298 So auch für die mietrechtliche Betriebskostenabrechnung Langenberg/Zehelein, Betriebskostenund Heizkostenrecht, 9. Aufl., G Rz. 109. 299 Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Aufl., G. Rz. 107 ff. 300 Zweifelnd Drasdo, NZM 2010, 681, 682. 301 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, MDR 2021, 26 = WuM 2021, 68. 302 So auch Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 38. 303 Siehe die Musterabrechnung von Casser/Schultheis in Jennißen, Die Verwalterabrechnung, S. 385 ff. 304 Ebenso Dötsch/Schultzky/Zschischack, WEG-Recht 2021, Kap. 10 Rz. 167 f. 305 Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE Beilage zu Heft 11/2019, S. 456.
1454 | Jennißen
VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 165 § 28 WEG
folgt. Daraus zu schließen, dass Abgrenzungspositionen nicht gebildet werden dürften,306 überzeugt nicht. e) Einzelabrechnungen aa) Grundsätze Abs. 2 Satz 2 sieht vor, dass der Verwalter „zu diesem Zweck“ eine Abrechnung über den 162 Wirtschaftsplan aufzustellen habe. Hiermit ist die Einzelabrechnung gemeint, die im Ergebnis den einzufordernden Nachschuss oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse zum Gegenstand hat. Da die in der Einzelabrechnung verteilten Beträge aus der Gesamtabrechnung abgeleitet werden, stehen Gesamt- und Einzelabrechnung in einem untrennbaren Zusammenhang.307 Für jede grundbuchmäßige Einheit ist eine Einzelabrechnung zu erstellen. Für Wohnungs- 163 und Teileigentum (z.B. Stellplatz) bleibt es dann bei einer einzelnen Abrechnung, wenn für diese auch nur ein Grundbuchblatt angelegt wurde. Werden einzelne Kosten nur auf die Teileigentümer umgelegt, ist dies eine Frage des Verteilungsschlüssels und nicht der Aufteilung der Jahresabrechnung. Da die Einnahmen und Ausgaben darzustellen sind, ist ihre Saldierung grundsätzlich un- 164 zulässig.308 Hierdurch würde die Abrechnung zweckwidrig verkürzt und die Prüfungsfähigkeit leiden. Ausnahmsweise ist es im Rahmen der Einzelabrechnung nicht zu beanstanden, wenn konkrete Erstattungszahlungen insbesondere von dritter Seite auf bestimmte Kosten gegengerechnet und somit saldiert werden (z.B. Erstattungszahlung der Versicherung auf einen Rohrbruchschaden). Dies gilt nicht für die Bankkontenentwicklung (Gesamtabrechnung, s. Rz. 140 ff.), bei der Einnahmen und Ausgaben strickt zu trennen sind,309 da sonst die Zahlungsflüsse nicht mehr nachvollzogen werden können. In der Einzelabrechnung ist hingegen für den Eigentümer in erster Linie von Bedeutung, welchen Anteil er an einer Instandsetzungsmaßnahme letztendlich tragen muss und dass ihm der Anteil der Versicherungserstattung verrechnet wurde. bb) Kostenverteilung Wesentlicher Inhalt der Einzelabrechnung ist die Kostenverteilung, wobei die verteilungsrele- 165 vanten Kosten unter Anwendung der vereinbarten oder beschlossenen Verteilungsschlüssel und der daraus resultierende Kostenanteil je Wohnung ausgewiesen wird. Unter Berücksichtigung der Wohngeldschuld (Sollstellung) des betreffenden Wohnungseigentümers errechnet sich hieraus das Abrechnungsergebnis, also der Betrag, der vom betreffenden Wohnungseigentümer zur Kostendeckung über die beschlossenen Vorschüsse hinaus nachzuentrichten oder ihm als Überschuss auszuschütten ist. Die Einzelabrechnung wird aus der Gesamtabrechnung abgeleitet.310 Eine ohne Vorlage der Gesamtabrechnung beschlossene Einzel-
306 So Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 841, die allerdings auch für Heizkosten die Bildung von Abgrenzungsposten als notwendig ansehen. 307 Siehe hierzu LG Hamburg v. 15.1.2019 – 318 S 25/18, ZMR 2020, 327. 308 LG Lübeck v. 26.1.2010 – 12 T 4/09, ZMR 2011, 747; Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 26 309 LG Berlin v. 28.2.2014 – 55 S 150/12, ZMR 2014, 658. 310 Casser/Schultheis, ZMR Sonderheft, August 2017, fassen in der als Musterabrechnung 2.0 bezeichneten Fassung die Einzelabrechnung und wesentliche Teile der Gesamtabrechnung in einem Dokument zusammen, wodurch zwar einerseits der Umfang der Abrechnung komprimiert wird, andererseits aber auch die Übersichtlichkeit leiden könnte. Jennißen | 1455
§ 28 WEG Rz. 165 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht abrechnung ist rechtswidrig.311 Bei jeder einzelnen Ausgabenposition ist der Verteilungsschlüssel auszuweisen und ggf. in einer Schlüsseltabelle zu erklären. 166 Es ist der nach Gemeinschaftsordnung geltende oder durch Beschluss festgelegte Verteilungs-
schlüssel anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn ein Anspruch auf Abänderung bestehen könnte, weil die Änderung erst dann zu berücksichtigen ist, wenn sie beschlossen oder durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde.312 Ob im Wirtschaftsplan oder in einem Sonderumlagenbeschluss ein falscher Verteilungsschlüssel enthalten ist, ist für die Jahresabrechnung unbedeutend.313 cc) Heizkostenabrechnung 167 Die Heizkostenabrechnung (s. hierzu auch § 16 Rz. 144 ff.) ist Bestandteil der Kostenvertei-
lung. Sie erläutert, wie Heiz- und Warmwasserkosten ermittelt und zugeordnet wurden. Die Ergebnisse der Heizkostenabrechnung fließen in die Kostenverteilung ein, sodass die Heizkostenabrechnung nur ergänzender Bestandteil der Kostenverteilung ist. Neben der Jahresabrechnung ist für eine gesonderte Heizkostenabrechnung kein Raum.314 168 Die Vorschriften der HeizkV gelten stets. Sie müssen nicht durch Beschluss eingeführt wer-
den.315 Der Verordnung entgegenstehende Beschlüsse und Vereinbarungen, die Dauerwirkung haben (sog. verordnungsändernde Beschlüsse oder Vereinbarungen), sind nichtig.316 Die gilt nicht für Einzelfallbeschlüsse. Wenn z.B. die Heizkosten für ein Kalenderjahr zu mehr als 50 % nach Fläche verteilt werden sollen, handelt es sich um einen verordnungswidrigen Beschluss, der nur rechtswidrig ist.317 169 Handelt es sich um eine Gasheizung, kann der Verbrauch nach Kubikmetern oder nach Ki-
lowattstunden ausgewiesen werden. Beide Berechnungseinheiten sind grundsätzlich zulässig.318 Der Betriebsstrom muss in der Heizkostenabrechnung berücksichtigt werden. Die Verteilung dieser Kosten über den Allgemeinstrom ist rechtswidrig.319 170 Der Verwalter muss die Heizkostenabrechnung nicht zusätzlich erläutern. Insbesondere
muss er nicht die der Heizkostenabrechnung zugrundeliegende Berechnungsformeln verständlich machen. Der Grundsatz, dass der Verwalter eine verständliche Abrechnung zu erstellen hat, wird hier eingeschränkt, da der Verwalter die gesetzlich vorgesehene Abrechnungsweise anwenden muss und die sich hieraus ergebenden Verständnisprobleme nicht veranlasst hat.320 Auch genügt die summenmäßige Angabe der Verbrauchswerte und der dafür angefallenen Kosten. Eine vollständige Überprüfbarkeit dieser Angaben ist nicht der Abrechnung selbst, sondern der zu gewährenden Belegeinsicht vorbehalten.321 Der Verwalter muss auch nicht jeden einzelnen der Heizkostenabrechnung zugrunde gelegten Verbrauchswert überprüfen. Dies würde den Verwalter nicht nur überfordern, sondern auch unberück-
311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321
AG Hildesheim v. 13.11.2012 – 44 C 26/12, ZMR 2013, 751. Siehe hierzu AG Köln v. 10.1.2023 – 204 C 75/22, ZMR 2023, 412. AG München v. 23.1.2020 – 483 C 9855/19, ZMR 2020,540. LG München I v. 8.8.2011 – 1 S 4470/11, MietRB 2011, 385 = NZM 2012, 568. BGH v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = NZM 2012, 344 = ZMR 2012, 372. LG Lübeck v. 26.1.2010 – 12 T 4/09, ZMR 2011, 747. BGH v. 22.6.2018 – V ZR 193/17, ZWE 2019, 44 = MDR 2018, 1305 = ZMR 2018, 1022. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 371/04, MDR 2006, 196 = MietRB 2006, 30 ff. BGH v. 3.6.2016 – V ZR 166/15, ZWE 2017, 43. BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 371/04, MietRB 2006, 30 ff. = MDR 2006, 196 = NJW 2005, 3135, der gleichermaßen die Aufklärungspflichten des Vermieters gegenüber den Mietern einschränkt. So für die mietrechtliche Betriebskostenabrechnung BGH v. 25.11.2009 – VIII ZR 322/08, MietRB 2010, 103 f. = MDR 2010, 377.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 173 § 28 WEG
sichtigt lassen, dass der Verwalter zum Heizkostenabrechnungsunternehmen in keinem eigenen Vertragsverhältnis steht.322 Letzterer ist Erfüllungsgehilfe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht des Verwalters. Deshalb muss der Verwalter für Abrechnungsfehler des Messdienstleisters auch nicht einstehen. Der anfechtende Kläger hat die Mängel der Heizkostenabrechnung zu beweisen. Dies galt 171 bisher grundsätzlich auch, wenn die Eichgültigkeit der Messgeräte abgelaufen war.323 Haben sich die Verbrauchswerte gegenüber den Vorjahreswerten untypisch verändert und konnte der Kläger darlegen, dass keine Anhaltspunkte für eine Veränderung der Verbrauchsgewohnheiten ersichtlich waren (z.B. Mieterwechsel), musste die Eigentümergemeinschaft die Ablesewerte überprüfen lassen. Dazu konnte eine nochmalige Kontrollablesung notwendig sein. Bestätigten sich dann die Ablesewerte, lag die Beweislast für Fehler der Heizkostenabrechnung wieder beim Kläger. Da die Kürzungsmöglichkeit des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkV im Wohnungseigentumsrecht nicht gilt (§ 12 Abs. 1 Satz 2), war das Problem bisher rein auf der Ebene der Beweislast zu lösen. Seit 1.1.2015 gilt jedoch das MessEG (Gesetz über die Inverkehrbringung von Messgeräten). Dieses untersagt die Verwendung von ungeeichten Messgeräten, § 37 Abs. 1 Satz 1 MessEG. Ihre Ableseergebnisse dürfen damit nicht mehr verwendet werden, so dass nach Ablauf der Eichfrist nur noch eine rein flächenbezogene Heizkostenabrechnung in Betracht kommt.324 Wird die Jahresabrechnung trotz nicht geeichter Messgeräte und verbrauchsabhängiger Abrechnung nicht angefochten, wird diese hinsichtlich der Heizkostenabrechnung dennoch nicht bestandskräftig.325 Von einer Teilnichtigkeit ist auszugehen,326 da die fehlende Eichung nicht nur ein Verwendungsverbot hinsichtlich der Erfassungsgeräte, sondern auch ihrer Messergebnisse zur Folge hat. Der Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Verbotsnormen kann durch privatrechtliche Bestandskraft nicht geheilt werden. Zur Frage der Bildung von Abgrenzungspositionen im Zusammenhang mit der Heizkosten- 172 abrechnung siehe Rz. 152 und § 16 Rz. 178 ff. dd) Abrechnungsergebnisse (1) Rechtsentwicklung Uneinheitlich war die Praxis bei der Frage, ob bei der Kostenverteilung zur Ermittlung des Abrech- 173 nungsergebnisses die tatsächlichen Wohngeldzahlungen des betreffenden Wohnungseigentümers (sog. Abrechnungssaldo)327 oder die Sollstellung gem. Wirtschaftsplan (sog. Abrechnungsspitze) zu berücksichtigen seien. Teilweise wurde auch von denjenigen, die Abgrenzungsposten in der Jahresabrechnung für unwirksam halten, die Berücksichtigung der gem. Wirtschaftsplan geschuldeten Vorschüsse gefordert, um die über den Wirtschaftsplan hinausgehende Abrechnungsspitze als neue Schuld entstehen zu lassen.328 Die Abrechnungsspitze hat den Nachteil, dass der Betrag, den der Wohnungseigentümer tat-
322 AG Halle v. 16.10.2012 – 120 C 1995/12, ZMR 2013, 221. 323 OLG München v. 13.1.2011 – 32 Wx 32/10, MietRB 2011, 119 = ZMR 2011, 406; v. 6.9.2012 – 32 Wx 32/12, MietRB 2012, 357 = ZWE 2012, 497. 324 Lammel, 5. Aufl., § 5 HeizkV Rz. 58. 325 OLG Düsseldorf v. 1.12.2006 – I-3 Wx 194/06, ZMR 2007, 379. 326 Aufgabe der gegenteiligen Meinung in der Vorauflage; s. auch OVG Münster v. 25.7.2016 – 4 A 1150/15, ZWE 2016, 383; VG Köln v. 26.3.2015 – 1 K 4535/14, ZWE 2016, 101; Jennißen/Kemm, ZWE 2017, 390. 327 T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 62a; Wolicki in Abramenko, Handbuch WEG, 2. Aufl., § 7 Rz. 110. 328 LG Dortmund v. 5.10.2016 – 1 S 205/16, ZMR 2017, 423; v. 24.6.2014 – 1 S 18/13, ZWE 2014, 365 = MietRB 2015, 49, das den Ansatz der Sollstellung für zwingend und die Berücksichtigung der tatsächlichen Vorauszahlungen in der Einzelabrechnung für nichtig ansieht; BayObLG v. 11.9.1997 – 2Z BR 20/97, WE 1998, 316; BayObLG v. 3.12.1998 – 2Z BR 129/98, NZM 1999, 281; Pfälz. Jennißen | 1457
§ 28 WEG Rz. 173 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht sächlich zahlen muss oder erstattet erhält, nicht mit dem Abrechnungsergebnis identisch sein muss. Die tatsächliche Schuld errechnet sich erst unter Hinzufügung von etwaigen Zahlungsrückständen aus den nach Abs. 1 beschlossenen Vorschüssen (Wohngeld).
174 Die vor Inkrafttreten des WEMoG schon geäußerte Auffassung, es dürfe nur die Sollstellung
des Wohngeldes berücksichtigt werden, stützte sich darauf, dass nach Auffassung des BGH329 die Jahresabrechnung gegenüber dem Wirtschaftsplan keine Schuldumschaffung im Sinne einer Novation ist und somit den Wirtschaftsplan nicht vollständig ersetzt. Nur für den Betrag, der nach der Einzelabrechnung über den nach dem Wirtschaftsplan geschuldeten Betrag hinausgeht, würde eine neue Schuld begründet.330 175 Die Differenzierung zwischen Abrechnungssaldo und Abrechnungsspitze ist vor allem bei
Eigentümerwechsel und Verjährungsfragen (s. Rz. 306 ff.) von Bedeutung. Der BGH hat in einer Entscheidung über eine Jahresabrechnung, die Zahlungsrückstände des Vorjahres enthielt, den Beschuss hierüber als nichtig angesehen, weil die Wohnungseigentümer keine Beschlusskompetenz besäßen, etwas erneut fällig zu stellen, was schon fällig war.331 Beim Abrechnungssaldo geht es zwar nicht um Rückstände des Vorjahres, der Ansatz ist aber der gleiche, da bereits fällig gewordene Schulden aus dem Wirtschaftsplan übernommen würden. Dem Gedanken folgend, gingen schon vor dem Inkrafttreten des WEMoG die Instanzgerichte bei einem Beschluss über den Abrechnungssaldo von Nichtigkeit aus.332 176 Kritisch war an dieser Auffassung zwar, dass im Bereich der Einzelabrechnung sicher nicht
mehr von einer reinen Einnahmen- und Ausgabenrechnung gesprochen werden konnte,333 da ja nicht die tatsächlichen Wohngeldzahlungen berücksichtigt wurden. Auch war es widersprüchlich, bei der Entwicklung der Ist-Rücklage die tatsächlichen Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer zu berücksichtigen,334 was zumindest keine einheitliche Linie erkennen ließ. Der Vorteil dieser Auffassung bestand aber darin, dass vom Verwalter falsch gebuchte Wohngeldzahlungen (Zahlung wurde einem anderen Personenkonto zugeordnet) keine Auswirkungen mehr auf das Abrechnungsergebnis hatten. Die Diskussion, wie mit einem falschen, aber bestandskräftig gewordenen Abrechnungssaldo umzugehen war,335 wurde damit obsolet. Die geäußerten Gegenauffassungen, die den Beschluss über die Abrechnungsspitze ihrerseits teilweise für nichtig hielten,336 teilweise unterstellen, dass der Beschuss über
329 330 331 332
333 334 335 336
OLG v. 4.3.1996 – 3 W 250/95, WE 1996, 277; Bub, Finanz- und Rechnungswesen, 3. Aufl., S. 174; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 133 ff.; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 20; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 141 ff. BGH v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, MDR 1996, 897 = NJW 1996, 725 = WE 1996, 144; v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, MDR 2000, 21 m. Anm. Riecke = NZM 1999, 1101 = DWE 1999, 164 = ZMR 1999, 834; v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = MietRB 2012, 233 = NZM 2012, 562. BGH v. 13.2.2020 – V ZR 29/15, ZMR 2020, 524; v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, MDR 2000, 21 = NZM 1999, 1101 = ZMR 1999, 834; v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = MietRB 2012, 233 = NZM 2012, 562. BGH v. 9.3.2012 – V ZR 147/11, NZM 2012, 565. LG Frankfurt/M v. 31.5.2017 – 2-13 S 135/16, NZM 2017, 570; v. 12.2.2020 – 2-13 T 9/20, IMR 2020, 211; LG Dortmund v. 24.6.2014 – 1 S 18/13, ZWE 2014, 365; v. 5.10.2016 – 1 S 205/16, ZMR 2017, 423; ebenso Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 144; Jacoby, ZWE 2011, 61; nur von Rechtswidrigkeit ausgehend: AG HamburgBlankenese v. 17.6.2015 – 539 C 44/14, ZMR 2017, 100; AG Kerpen v. 8.11.2017 – 104 C 10/17, ZMR 2018, 271. So auch Sauren, NZML 2017, 667, 670. So BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/99, ZMR 2010, 300 = NZM 2010, 243. Siehe hierzu AG Kerpen v. 22.10.2007 – 15 II 36/06, MietRB 2008, 82 = ZMR 2008, 84; OLG München v. 6.9.2012 – 32 Wx 32/12, MietRB 2012, 357 = ZWE 2012, 497. So T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 62a.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 181 § 28 WEG
die Einzelabrechnung das Abrechnungsergebnis überhaupt nicht erfasse,337 überzeugten nicht. Letzteres wurde vor allem dann vertreten, wenn kein Wirtschaftsplan beschlossen oder dieser Beschluss für ungültig erklärt wurde. Dann fehlte es zwar an einer Sollstellung. Mangels Sollstellung konnte dann aber über den Abrechnungssaldo beschlossen werden, weil dieser Beschluss die Fälligkeit erstmalig auslöste. Ein Grund, in solchen Fällen nur die Abrechnungssumme (Kostenanteil) als Gegenstand der Beschlussfassung anzusehen, war nicht erkennbar.338 Dies widerspräche auch dem Grundsatz, dass keine Beträge ohne Beschluss fällig werden können und hätte Bestimmtheitsprobleme zur Folge. Daher war der in der Rechtsprechung geäußerten Auffassung, das Abrechnungsergebnis müsse die Abrechnungsspitze sein, der Vorzug zu geben.339 (2) Berechnung der Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse Der Gesetzgeber hat sich nunmehr dafür entschieden, die Abrechnungsspitze zur gesetzli- 177 chen Regel zu machen. Dies folgt aus der Formulierung der „Anpassung der beschlossenen Vorschüsse“. Guthaben sind also nicht abstrakt, sondern bezogen auf die bisher geforderten Vorschüsse gegebenenfalls auf Basis eines Wirtschaftsplans zu berechnen. Die zu beschließenden Beträge errechnen sich aus der Gegenüberstellung der geplanten Vorschüsse (Sollstellung) zu den tatsächlichen Kosten. Nur über den Mehr- oder Minderbetrag beschließen dann die Wohnungseigentümer. Die Einzelabrechnungsergebnisse sind also entscheidend, wobei dort keine Einnahmen, sondern nur die Forderungen gemäß Wohngeldliste den Kosten gegenübergestellt werden. Die Abrechnungsergebnisse werden in den Einzelabrechnungen (s. Rz. 162 ff.) ermittelt. 178 Dort werden die Gesamtkosten aufgeteilt in Kostengruppen unter Berücksichtigung der Verteilungsschlüssel auf die einzelne Wohnung heruntergebrochen. Die Summe dieser Kosten sind die Jahreskosten der Wohnung. Abs. 1 sieht einen Beschluss über die Vorschüsse und über die Rücklagenzuführung vor. Da- 179 raus ist nicht zu folgern, dass es sich um zwei Beträge handeln würde.340 Dies wäre ein überflüssiger Formalismus. Die Formulierung soll lediglich klarstellen, dass die Zuführungsbeträge zur Rücklage nicht der Kostentragung dienen, sondern der Vermögensvorsorge. Dass aber zwei Beschlüsse über zwei verschiedene Beträge gefasst werden müssten, ergibt sich daraus nicht. Entsprechend ist auch der Beschluss über die Anpassung der Vorschüsse im Sinne von Abs. 2 ebenfalls nicht aufzuteilen. Die Zuführungsbeträge zur Rücklage sind Bestandteil der Einzelabrechnung. Sie sind im Abrechnungsergebnis bereits berücksichtigt. ee) Umsatzsteuerausweis Sind im Objekt Teileigentumseinheiten vorhanden, die zu gewerblichen Zwecken vermietet 180 sind, kommt ein Umsatzsteuerausweis hinsichtlich dieser Einheiten in der Jahresabrechnung in Betracht. Dies darf aber nur bei diesen Einheiten und nicht bei Wohnungen geschehen. Somit hat der Verwalter bei der Erstellung der Jahresabrechnung zwischen Wohnungs- und Teileigentum zu differenzieren. Voraussetzung ist, dass die Teileigentümer auf die grundsätzlich bestehende Steuerfreiheit 181 der Vermietungseinnahmen verzichten, also zur Umsatzsteuer optieren (§§ 4 Nr. 12, 9 UStG). Die Eigentümergemeinschaft muss dann gleichlautend eine Optionserklärung beschließen. Der Beschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, da die das Teileigentum 337 338 339 340
Casser, ZWE 2016, 242; Becker, ZWE 2016, 361; Drasdo, NZM 2003, 297. A.A. Casser, ZWE 2016, 242. Aufgabe der in der Vorauflage geäußerten gegenteiligen Meinung. Offenlassend Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 865. Jennißen | 1459
§ 28 WEG Rz. 181 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht vermietenden Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf haben, die Abrechnung so erstellt zu bekommen, dass ihnen keine umsatzsteuerlichen Nachteile entstehen.341 Die Optionserklärung der Eigentümergemeinschaft ist formfrei und kann konkludent mit Abgabe einer Umsatzsteuererklärung gegenüber dem Finanzamt eingereicht werden. Die Optionserklärung bewirkt, dass die Eigentümergemeinschaft die Kostenanteile gegenüber den Teileigentümern, und nur diesen gegenüber, mit Umsatzsteuer zu berechnen hat. 182 Da die Abgabe einer Umsatzsteuererklärung steuerberatende Tätigkeit ist, müssen die Woh-
nungseigentümer gleichzeitig die Beauftragung eines Steuerberaters beschließen. Es entspricht wiederum ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die hiermit verbundenen Kosten als Kosten der Verwaltung i.S.v. § 16 Abs. 2 nur den Eigentümern per Mehrheitsbeschluss angelastet werden, die die Abrechnungen unter Umsatzsteuerausweis erhalten. 183 Grundsätzlich kann auf allen Kostenpositionen Umsatzsteuer ausgewiesen werden und so-
mit auch auf solchen, die vom Leistenden gegenüber der Eigentümergemeinschaft selbst nicht mit Umsatzsteuer berechnet wurden. Gleichermaßen ist es zulässig, nur für diejenigen Umsätze zur Steuerpflicht zu optieren, für die der Eigentümergemeinschaft Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt worden ist. Nicht mit Umsatzsteuer belastete Eingangsrechnungen brauchen daher nicht der Umsatzsteuer unterworfen zu werden. Um das Rechnungswerk nicht unnötig aufzublähen, wird daher in der Praxis bei Versicherungsprämien, Müllabfuhrgebühren oder Gebühren der Straßenreinigung auf die Umsatzsteueroption verzichtet.342 184 Die Umsatzsteuer fällt grundsätzlich auch an, wenn Stellplätze von der Eigentümergemein-
schaft vermietet werden, § 4 Nr. 12 UStG. Allerdings kann die Eigentümergemeinschaft auch in solchen Fällen von der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung befreit sein, wenn sie von der sog. Kleinunternehmerregelung Gebrauch macht. Kleinunternehmer bis zu einem Jahresumsatz von 22.000 Euro können auf die Umsatzsteuererklärung verzichten, § 19 Abs. 1 UStG, dürfen dann aber auch keine Umsatzsteuer ausweisen.343 ff) Haushaltsnahe Dienstleistungen 185 Der Verwalter hat die Jahresabrechnung so zu erbringen, dass dem Wunsch der Wohnungs-
eigentümer nach Abschöpfung von Steuervorteilen Rechnung getragen wird. Dazu zählt insbesondere die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen gem. § 35a EStG. Dem Steuerabzug unterliegen bestimmte Dienst- und Handwerkerleistungen. Es können im Wesentlichen nur Arbeitslöhne berücksichtigt werden. Deshalb hat der Verwalter die Buchführung so einzurichten, dass die Eingangsrechnungen in Lohn- und Materialanteile aufgeteilt werden. Die Anwendbarkeit von § 35a EStG auf Wohnungseigentümergemeinschaften ist durch ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen344 klargestellt worden. Dabei leistet der Verwalter keine verbotene Steuerberatung, da er nur die Voraussetzungen für die steuerliche Abzugsfähigkeit schafft.345 Seine dementsprechende Treuepflicht steht aber nicht der Forderung nach einem angemessenen Zusatzentgelt entgegen.346
341 Vgl. OLG Hamm v. 12.5.1992 – 15 S 33/92, NJW-RR 1992, 1232; Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 687 ff.; Jennißen/Schmidt, WEG-Verwalter, 2. Aufl., Rz. 306 ff. 342 Ausführlich hierzu Fischl in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl., E Rz. 423, 436. 343 Siehe hierzu auch Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 46. 344 BMF v. 10.1.2014 – IV C 4 - S 2296-b, BStBl I 2010, 140. 345 Ebenso Sauren, NZM 2007, 23; a.A. Ludley, ZMR 2007, 331, 335. 346 Vgl. Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2. Aufl., Rz. 647 ff.; AG Neuss v. 29.6.2007 – 74 II 106/07 WEG, ZMR 2007, 898 = NZM 2007, 736; LG Düsseldorf v. 8.2.2008 – 19 T 489/07, MietRB 2008, 210 = ZMR 2008, 484.
1460 | Jennißen
VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 189 § 28 WEG
f) Mehrhausanlage Die Gesamtabrechnung einer Mehrhausanlage hat sämtliche Kosten zu enthalten.347 Dies 186 gilt auch für die Kosten, die nur in einem Haus angefallen und nur diesem zuzuordnen sind. Bei einer Mehrhausanlage kann die Gemeinschaftsordnung vorsehen, dass bei der Kosten- 187 verteilung eine Vorerfassung stattfinden muss. Dies bewirkt zunächst, dass in der Gesamtabrechnung die Kosten soweit als möglich den einzelnen Häusern zugeordnet werden. Nach dieser Zuordnung findet dann eine Kostenverteilung nur auf die Eigentümer des jeweiligen Hauses statt. Dies begründet keine eigenständige Abrechnungspflicht, sondern nur die Anwendung eines doppelten Verteilungsschlüssels. Auf der ersten Ebene sind die Kosten soweit als möglich den einzelnen Häusern zuzuordnen und dann auf der zweiten den einzelnen Eigentümern.348 Sind die Kosten nach Miteigentumsanteilen zu verteilen, dann ist in der Einzelabrechnung die Summe der Miteigentumsanteile des jeweiligen Hauses gleich 100 % zu setzen (s. zur Kostenverteilung bei Mehrhausanlagen auch § 16 Rz. 54, 222). In der Gesamtabrechnung sind alle Kosten auszuweisen, damit die Aufteilung zwischen den Häusern für jeden Wohnungseigentümer transparent wird.349 Bei der Einzelabrechnung werden dann dem jeweiligen Wohnungseigentümer nur bei seinem Haus Kosten zugerechnet, sofern es sich nicht um Kosten handelt, die ohnehin über alle Miteigentumsanteile verteilt werden. Dies gilt nur für die Kostenverteilung. Die Wohngeldeinnahmen werden richtigerweise nicht den einzelnen Häusern zugeordnet.350 Gläubigerin ist die Eigentümergemeinschaft. Selbst wenn die Kosten je Haus weitgehend separat erfasst und nach der Gemeinschaftsord- 188 nung auch so verteilt werden, ist stets eine Jahresabrechnung für die Gesamtanlage zu erstellen351 Dies folgt zum einen daraus, dass nur die Gesamtgemeinschaft rechtsfähig ist und die Jahresabrechnung Aufschluss über das Vermögen der Eigentümergemeinschaft geben muss. Zum anderen ist nach § 28 Abs. 2 eine Jahresabrechnung zu erstellen und nicht mehrere. Dies soll anders zu beurteilen sein, wenn die Gemeinschaftsordnung ausdrücklich Jahresabrechnungen je Untergemeinschaft fordert.352 Aber auch dann hat eine Abrechnung für die Gesamtgemeinschaft zusätzlich zu erfolgen. In dieser sind die Rücklagen aller Untergemeinschaften und die Bankkontenentwicklung darzustellen. Die Abrechnungen für die Untergemeinschaften stellen im Endeffekt nur die Einzelabrechnungen dar, die die Kosten der Untergemeinschaft verteilen. Alle Kosten, die nicht verbrauchsabhängig entstehen, lassen sich im Zweifel auch nicht ein- 189 deutig nur einem Haus zuordnen.353 Dies gilt insbesondere für Kosten der Verwaltung im weiteren Sinne (Kontoführungskosten, Kosten der Eigentümerversammlung etc.). Sieht ausnahmsweise die Gemeinschaftsordnung vor, dass je Haus eine Jahresabrechnung zu fertigen ist, ist dennoch eine übergelagerte Abrechnung zu erstellen, aus der sich dann die Hausabrechnungen ableiten lassen.354 Nur durch Vorlage der übergelagerten Abrechnung der Gesamtgemeinschaft ist eine umfassende Kontrolle des Verwalters möglich und lässt sich prü-
347 Vgl. KG v. 1.11.2004 – 24 W 221/03, ZMR 2005, 568; einschränkend Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 30. 348 LG München I v. 2.6.2014 – 1 S 3223/12, ZMR 2016, 228; Niedenführ in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 75 ff. 349 So auch Armbrüster, ZWE 2011, 110, 111. 350 LG München I v. 2.6.2014 – 1 S 3223/12, DWE 2014, 122 = MDR 2014, 1193 = MietRB 2014, 363. 351 BGH v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, MietRB 2012, 324 = ZWE 2012, 494 (krit. Rüscher); AG Saarbrücken v. 3.3.2011 – 121 C 413/09, ZMR 2013, 153. 352 BGH v. 16.7.2021 – V ZR 163/20, ZMR 2021, 910 = MDR 2021, 1122. 353 Ebenso Pfälz. OLG v. 30.6.2004 – 3 W 64/04, MietRB 2004, 356 = ZMR 2005, 909; BayObLG v. 27.10.1993 – 2Z BR 17/93, ZMR 1994, 338. 354 S. hierzu LG München I v. 20.12.2010 – 1 S 8436/10, MietRB 2011, 218 = NZM 2011, 125. Jennißen | 1461
§ 28 WEG Rz. 189 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht fen, ob die Kosten richtig zugeordnet wurden.355 Die Untergemeinschaft kann nicht wirksam über die Kostenzuordnung zwischen den Häusern selbständig entscheiden, allenfalls über die Unterverteilung der zugewiesenen Kosten. 190 Bei Mehrhausanlagen ist je Haus eine separate Instandhaltungsrücklage zu bilden, wenn
dies in der Gemeinschaftsordnung so vorgesehen ist. Der die getrennte Rücklagenbildung aufhebende Beschluss ist ebenso nichtig wie die erstmalige Trennung der Rücklagen ohne entsprechende Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung.356 Diese Verpflichtung zur getrennten Rücklagenführung muss aber nicht ausdrücklich ausgesprochen worden sein, sondern besteht schon dann, wenn die Gemeinschaftsordnung die Instandhaltungsverpflichtung den Sondereigentümern des betreffenden Gebäudes zuordnet357 oder getrennte Abrechnungskreise vorgesehen sind.358 Da sich Instandhaltungs- und Rücklagenverpflichtung decken, ist in einem solchen Fall für jedes Haus eine separate Rücklage anzulegen. Darüber hinaus kann es in Betracht kommen, eine weitere allgemeine Rücklage zu bilden, wenn Gemeinschaftseigentum instand zu halten ist, das nicht einem Haus alleine zugeordnet werden kann. Die Höhe der Ist-Rücklage der einzelnen Häuser ist nur vorläufig von der ordnungsgemäßen Wohngeldzahlung ihrer Mitglieder abhängig. Fallen Wohngeldbeträge endgültig aus, dann steht gleichzeitig fest, dass auch nicht alle Zuführungsbeträge gem. Wirtschaftsplan eingegangen sind. Dies hat zur Folge, dass alle Ist-Rücklagen auf die einzelnen Häuser nach den gesamten Miteigentumsanteilen aufzuteilen sind, da andernfalls die Ausfallhaftung den jeweiligen Hauseigentümern angelastet würde, anstatt das Risiko auf alle zu verteilen. Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Rücklage auf die einzelnen Häuser erst dann aufgeteilt wird, wenn Entnahmen anstehen.359 Allerdings können hiermit praktische Schwierigkeiten verbunden sein, die Beträge zweifelsfrei zu ermitteln. Wird das ausfallende Wohngeld per Mehrheitsbeschluss auf alle übrigen Wohnungseigentümer umgelegt, werden dadurch die Fehlbeträge der Rücklage ausgeglichen, so dass diese dann der Sollstellung entsprechen. 191 Bei einer Mehrhausanlage mit vereinbarter Kostentrennung entscheiden die Wohnungs-
eigentümer des jeweiligen Hauses auch alleine über die Höhe der angemessenen Zuführungsbeträge zur Rücklage.360 Allerdings können die übrigen Wohnungseigentümer einen Beschluss anfechten, der die Auflösung der Rücklage eines Hauses ganz oder teilweise zum Gegenstand hat, so dass ihre Rücklage nicht mehr der Vermögensvorsorge dient und für die anderen Wohnungseigentümer Haftungsrisiken entstehen können.
2. Pflicht zur Aufstellung der Jahresabrechnung 192 Die GdWE hat gegenüber dem Verwalter Anspruch auf Erstellung einer ordnungsgemäßen
Abrechnung. Der einzelne Wohnungseigentümer kann diese Ansprüche gegen den Verwalter nicht mehr geltend machen.361 Er kann die Erstellung nur von der Gemeinschaft fordern (s. Rz. 204 ff.). Das Gesetz schweigt über den genauen Zeitpunkt, wann die Jahresabrechnung vorzulegen ist. Dass dies frühestens nach Ablauf des Kalenderjahres, über das abgerechnet
355 356 357 358 359
Siehe hierzu auch Moosheimer, ZMR 2014, 602, 610. S. hierzu BGH v. 17.4.2015 – V ZR 12/14, ZMR 2015, 726 = MDR 2015, 758 = MietRB 2015, 237. BayObLG v. 10.9.1987 – BReg. 2 Z 52/87, WE 1988, 71. KG v. 26.9.2007 – 24 W 183/06, MietRB 2008, 306 = MietRB 2008, 307 = ZMR 2008, 67. So im Ergebnis auch OLG München v. 2.2.2006 – 32 Wx 143/05, MietRB 2006, 189 = NZM 2006, 382. 360 AG Aachen v. 24.3.2010 – 118 C 1/10, ZMR 2011, 752. 361 Siehe zur Rechtslage vor dem 1.12.2020 AG Hamburg-St. Georg v. 13.12.2019 – 980b C 21/19, ZMR 2020, 340.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 195 § 28 WEG
werden soll, geschehen kann, liegt in der Natur der Sache und folgt aus dem Wortlaut in Abs. 2 „nach Ablauf des Kalenderjahres“. Die Frist zur Vorlage der Jahresabrechnung kann mit dem Verwalter im Verwaltervertrag 193 vereinbart werden. Ist eine solche Frist vereinbart, kann der Verwalter mit Fristablauf in Verzug kommen, da die Leistungszeit kalendermäßig bestimmt ist, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Haben hingegen die Wohnungseigentümer mit dem Verwalter keine entsprechende Vereinbarung getroffen, richtet sich die Leistungszeit nach § 271 BGB. Dabei können die Wohnungseigentümer die Jahresabrechnung vom WEG-Verwalter nicht sofort, also am 1. Januar des Folgejahres fordern, weil zu diesem Zeitpunkt kein Verwalter in der Lage ist, die Abrechnung zu erstellen. Es müssen noch die letzten Belege verbucht und das gesamte Rechenwerk abgestimmt werden. Zudem kann die Abrechnung erst erstellt werden, wenn alle Abrechnungsunterlagen und insbesondere die Schlussrechnungen der Versorgungsträger vorliegen. Üblicherweise ist damit zu rechnen, dass der Verwalter in den ersten drei Monaten des Fol- 194 gejahres über alle Informationen verfügt, die er zur Erstellung der Jahresabrechnung benötigt. Es lässt sich somit i.S.v. § 271 Abs. 1 BGB annehmen, dass aus den Umständen frühestens eine Möglichkeit zur Abrechnungserstellung zum 31.3. des Folgejahres resultiert. Damit ist aber die Leistungszeit noch nicht bestimmt, da dem Verwalter noch eine Zeit eingeräumt werden muss, in der er aus den Abrechnungsdaten die Jahresabrechnung entwickeln kann. Deshalb wird teilweise i.S.d. mietrechtlichen Rechtsprechung des BGH362 eine weitere Frist von drei Monaten eingeräumt, in der er die Abrechnung zu entwickeln hat. Überwiegend wird deshalb als Leistungszeit der 30.6. des Folgejahres angenommen werden.363 Diese 6-Monats-Frist lässt sich nicht durch eine Analogie zu § 264 Abs. 1 HGB begründen. Dort hat der Gesetzgeber für die Erstellung von Jahresabschlüssen bei Kapitalgesellschaften eine sechsmonatige Frist verankert. Die kurzen Vorlagefristen des HGB dienen aber dem Gläubigerschutz, was wohnungseigentumsrechtlich mangels Insolvenzfähigkeit keine Bedeutung hat. Wohnungseigentumsrechtlich ist in erster Linie wichtig, dass die Wohnungseigentümer den WEG-Verwalter zeitnah kontrollieren und die vermietenden Wohnungseigentümer möglichst innerhalb der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB aus der Jahresabrechnung eine Betriebskostenabrechnung entwickeln können. Um dies zu ermöglichen, ist die Vorlage der Jahresabrechnung bis zum 30.9. des Folgejahres ausreichend.364 Kurze Fristen können nur mit dem Verwalter vereinbart, nicht aber beschlossen werden (unzulässiger Akt zu Lasten Dritter).365 Nach dem 30.9. kann der Verwalter nur nach entsprechender Mahnung in Verzug geraten, sofern kein Fix-Datum vereinbart ist. Die Mahnung kann aber entgegen der früheren Rechtslage ein Wohnungseigentümer nur noch nach Beschluss der Eigentümerversammlung, der ihn dazu legitimiert, aussprechen.366 Die Anwendung einer 9-Monats-Frist setzt allerdings weiterhin voraus, dass bis zu diesem 195 Zeitpunkt alle Abrechnungsunterlagen vorliegen, sodass der Verwalter zur Abrechnung in der Lage ist. Fehlen ihm beispielsweise unverschuldet die Abrechnungsunterlagen für die Heizkostenabrechnung immer noch, tritt mangels Verschuldens kein Verzug ein. Dann kann sich der WEG-Verwalter keiner Schadensersatzverpflichtung aussetzen, sofern er alles in
362 BGH v. 5.7.2006 – VIII ZR 220/05, MDR 2007, 204 = MietRB 2007, 1 = WuM 2006, 516 = NZM 2006, 740 = ZMR 2006, 847. 363 LG Dresden v. 5.7.2019 – 2 S 101/19, ZMR 2019, 778; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 29; vom 2. Quartal sprechend: Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 114; LehmannRichter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 831. 364 Jennißen, ZWE 2018, 18, 19; ebenso Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 123. 365 Jennißen, ZWE 2018, 18, 20. 366 Siehe zum Individualanspruch nach alter Rechtslage: Saarl. OLG v. 9.11.2009 – 5 W 204/09, ZMR 2010, 708; OLG München v. 22.11.2006 – 34 Wx 055/06, ZWE 2007, 147; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 225. Jennißen | 1463
§ 28 WEG Rz. 195 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht seiner Macht Stehende unternimmt, um die fehlenden Abrechnungsunterlagen zu beschaffen.367 Ein Verschulden des Heizkosten-Abrechnungsunternehmens hat sich der Verwalter nicht zurechnen zu lassen, da dieses Unternehmen nicht sein Erfüllungsgehilfe ist.368 196 Nach dem 31.12. des Folgejahres tritt der Verzug des Verwalters durch Fristablauf ein, weil
§ 28 Abs. 2 seinem Sinn und Zweck nach die Erstellungsfrist auf das Folgejahr beschränkt. Legt der Verwalter die Jahresabrechnung nicht so zeitig vor, dass der vermietende Wohnungseigentümer hieraus noch fristgemäß eine Betriebskostenabrechnung fertigen kann, exkulpiert dies alleine den Vermieter i.S.v. § 556 Abs. 3 BGB noch nicht. Er muss selbst eigene Anstrengungen unternehmen, an die Abrechnungsdaten zu kommen (s. Rz. 39). Wie dies in der Praxis aussehen soll, hat der BGH in der hierzu ergangenen Entscheidung nicht erklärt.369 197 Beschließen die Wohnungseigentümer, den Verwalter zur Erstellung der Jahresabrechnung
anzumahnen, geht diese Mahnung dem Verwalter mit der Beschlussfassung selbst zu, wenn er in der Eigentümerversammlung anwesend ist. Dann kann sich der Verwalter dem Verzug nur noch entziehen, wenn er die verspätete Erstellung der Jahresabrechnung nicht zu vertreten hat.370 Ist er in der Versammlung nicht anwesend, wird die Mahnung grundsätzlich nach § 9b Abs. 2 vom Beiratsvorsitzenden erklärt, sofern die Wohnungseigentümer im Beschluss nicht einen anderen Wohnungseigentümer hierzu ausdrücklich ermächtigen. Das Recht des Einzelnen, die Mahnung im eigenen Namen aussprechen zu dürfen, besteht nicht mehr. 198 Es ist eine Frage der Einzelfallwertung, ob die wiederholt verspätete Vorlage der Jahresab-
rechnung einen wichtigen Abberufungsgrund darstellt. Erhalten die vermietenden Wohnungseigentümer die Jahresabrechnung jeweils noch so zeitig, dass die Entwicklung einer Betriebskostenabrechnung vor Fristablauf ohne weiteres möglich ist, wird die verspätete Vorlage der Abrechnung ohne Folgen bleiben. Ebenfalls ist nicht zu übersehen, dass mit der Vorlagefrist nicht die Verpflichtung einhergeht, auch in den ersten 9 Monaten die Eigentümerversammlung abhalten zu müssen. Dies kann sich wiederum aus anderen Gründen verzögern. Vorlegen bedeutet zusenden, nicht beschließen. 199 Die Pflicht zur Aufstellung der Jahresabrechnung erledigt sich nicht, selbst wenn die Woh-
nungseigentümer die Anpassung der Vorschüsse bzw. die Nachschüsse bestandskräftig beschlossen haben.371 Auch wenn die Jahresabrechnung „zu diesem Zweck“ erstellt wird, so kann ohne Einzelabrechnung nicht wirksam über die Ergebnisse beschlossen worden sein. Es kann sich dann nur um bloße Schätzungen handeln, die durch einen Zweitbeschluss nach Vorlage der Einzelabrechnungen angepasst werden müssen. Fehlt hingegen die Gesamtabrechnung ist zwar ein Beschluss über die Einzelabrechnungen bzw. die Abrechnungsergebnisse möglich. Diese sind aber ohne Gesamtabrechnung nicht überprüfbar. Die Gesamtabrechnung hat keinen Selbstzweck, sondern dient auch der Überprüfung der hieraus abgeleiteten Einzelabrechnungen. Selbst wenn die Abrechnungsergebnisse beschlossen wurden, ist somit die Pflicht des Verwalters, die Gesamtabrechnung nachzureichen, nicht erloschen, da sein wirtschaftliches Handeln sonst nicht überprüft werden kann (s.u. Rz. 216a).372 Stellt
367 S. hierzu auch Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 705 ff.; AG Bonn v. 19.10.2012 – 27 C 127/12, ZMR 2013, 219. 368 Bdb. OLG v. 22.11.2006 – 13 Wx 4/06, NZM 2007, 773; AG Augsburg v. 27.1.2020 – 31 C 3909/19 WEG, IMR 2020, 159. 369 S. BGH v. 25.1.2017 – VIII ZR 249/15, ZMR 2017, 303. 370 AG Augsburg v. 27.1.2020 – 31 C 3909/19 WEG, IMR 2020, 159; LG Dresden v. 5.7.2009 – 2 S 101/19, juris jeweils bei fehlender Heizkostenabrechnung. 371 So aber Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 832. 372 A.A. Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 34; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 832.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 201 § 28 WEG
sich nach Vorlage der Gesamtabrechnung heraus, dass die Abrechnungsergebnisse nicht stimmen, besteht ein Anspruch auf Zweitbeschluss. Ein Beschluss, der auf die Berichtigung einer objektiv falschen Jahresabrechnung verzichtet, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.373 Ein Klageantrag auf Nachbesserung der Jahresabrechnung muss die Abrechnungsfehler erkennen lassen und Gegenstand einer Vorbefassung der Eigentümerversammlung gewesen sein.374 Die Pflicht zur Vorlage der Jahresabrechnung kann zwar verjähren, sich durch bloßen Zeit- 199a ablauf aber nicht erledigen. Eine fehlende oder unzureichende Jahresabrechnung verletzt die Beschlussvorbereitungspflicht des Verwalters und kann von der GdWE nicht hingenommen werden. Auch für weit zurückliegende Kalenderjahre dürfen die Wohnungseigentümer nicht auf eine Beschlussfassung über die Abrechnungsergebnisse und hiermit korrespondierend auf die Aufstellung der Jahresabrechnung verzichten.375 Die Jahresabrechnung ist den Wohnungseigentümern vor der Versammlung, in der über die 200 Anpassung der Vorschüsse und die Festlegung der Nachschüsse beschlossen werden soll, zur Kenntnis zu bringen. Auch wenn die Wohnungseigentümer nicht mehr über die Jahresabrechnung selbst beschließen, muss ihnen doch genügend Zeit eingeräumt werden, um die zu leistenden Abrechnungsspitzen anhand der Jahresabrechnung überprüfen zu können. Insoweit bereiten die Jahresabrechnungen den Beschluss vor, was nur gewährleistet ist, wenn den Wohnungseigentümern genügend Zeit zur Prüfung der Abrechnungen verbleibt. Nicht zwingend ist es jedoch, die Abrechnungen schon mit der Einladung zur Eigentümerversammlung und somit mindestens drei Wochen zuvor den Wohnungseigentümern zuzusenden. Eine Überprüfung der Jahresabrechnung zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Eigentümerversammlung ist den Wohnungseigentümern auch noch eine Woche vor der Versammlung zumutbar.376
3. Pflicht zur Aufstellung bei Verwalterwechsel Soweit Gemeinschaftsordnung oder Verwaltervertrag nichts anderes bestimmen, muss nach 201 bislang h.A. der Verwalter die Jahresabrechnung erstellen, der bei Fälligkeit der Abrechnung Amtsinhaber ist. Dabei stellte die herrschende Auffassung darauf ab, dass die Fälligkeit frühestens am 1. Januar des Folgejahres eintreten könne, sodass der zum 31.12. ausscheidende Verwalter nicht mehr zur Erstellung der Jahresabrechnung verpflichtet ist.377 Müller378 weitete die herrschende Auffassung auch auf den Fall aus, dass der Verwalterwechsel bis zum 31.3. des Folgejahres stattfindet. Selbst dann müsse der neue Verwalter die Jahresabrechnung erstellen, weil die Erstellungspflicht erst nach Ablauf von drei Monaten fällig würde, so dass der alte Verwalter selbst dann nicht mehr abrechnen müsse, wenn sein Amt beispielsweise
AG Wuppertal v. 29.9.2021 – 95b C 20/21, MietRB 2022, 115. AG Mettmann v. 16.4.2021 – 26 C 1/21, ZMR 2021, 687. BGH v. 26.2.2021 – V ZR 290/19, MietRB 2021, 175. LG Frankfurt/M v. 5.3.2020 – 2-13 S 65/19, ZWE 2020, 432. OLG Hamm v. 17.3.1993 – 15 W 260/92, NJW-RR 1993, 847; BayObLG v. 20.12.1994 – 2Z BR 106/94, WuM 1995, 341 = NJW-RR 1995, 530; OLG Düsseldorf v. 22.12.2000 – 3 Wx 378/00, NZM 2001, 546; OLG Köln v. 30.10.1985 – 16 Wx 88/85, NJW 1986, 328; Hans. OLG Hamburg v. 18.11.1986 – 2 W 61/86, WE 1987, 83; OLG München v. 22.11.2006 – 34 Wx 55/06, NZML 2007, 292; LG Saarbrücken v. 25.5.2009 – 5 T 575/06, ZMR 2010, 318; Niedenführ in Niedenführ/ Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 226; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 124; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 29. 378 Müller, Praktische Fragen, 9. Teil, Rz. 270. 373 374 375 376 377
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§ 28 WEG Rz. 201 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht im Februar endet.379 Diese Auffassung wurde teilweise bis zum 31.5. oder gar 30.6.380 ausgedehnt, weil insbesondere im Hinblick auf die Heizkostenabrechnung zuvor von einer fälligen Abrechnungspflicht nicht auszugehen sei. 202 Diese Auffassung überzeugt nicht und ist auch vom BGH abgelehnt worden.381 Die Jahres-
abrechnung in Verbindung mit dem Status (s. Rz. 354 ff.) stellt den umfassenden Rechenschaftsbericht des Verwalters über seine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Es ist nicht überzeugend, diesen Rechenschaftsbericht von einem Nachfolgeverwalter zu verlangen. Gerade hinsichtlich des ausgeschiedenen Verwalters wollen doch die Wohnungseigentümer wissen, wie er gewirtschaftet hat, was er umfassend nur durch Jahresabrechnung und Status beantworten kann. Der Anspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung entsteht mit Ablauf des 31.12., auch wenn er noch nicht fällig ist.382 Dieser Anspruch richtet sich gegen den alten Verwalter, auch wenn sein Verwalteramt mit Abschluss des Kalenderjahres endet. Beendigung des Verwalteramts und Entstehung der Abrechnungspflicht verwirklichen sich in der gleichen juristischen Sekunde. Würde hingegen darauf abgestellt, wer am 1.1. des folgenden Jahres Verwalter ist,383 wäre der Anspruch von Zufälligkeiten abhängig (beispielsweise, dass die Wohnungseigentümer den Verwalterwechsel zum 1.1. um 0 Uhr 10 festlegen).384 Warum aber zwischen Anspruchsentstehung und seiner Fälligkeit ein Schuldnerwechsel eintreten sollte, ist nicht nachvollziehbar.385 Entsprechend sieht auch die Rechenschaftspflicht des Beauftragten gem. § 666 BGB keinen Untergang der Verpflichtung mit Beendigung des Amtes vor. 202a Nicht überzeugend ist die Auffassung, dass für die vorstehend dargestellte Verpflichtung des
abberufenen Verwalters zur Erstellung der Jahresabrechnung für einen Zeitraum, in dem er noch Organ der Gemeinschaft war, aufgrund des WEMoG kein Raum mehr sei. Zur Begründung wird angeführt, dass die GdWE nunmehr gesetzlich verpflichtet sei, die Jahresabrechnung zu erstellen und diese würde sich durch ihr jeweiliges Organ vertreten lassen.386 Richtigerweise sind aber die beiden Ebenen zu differenzieren. Die Gemeinschaft schuldet jedem Wohnungseigentümer eine Abrechnung. Gegenüber der GdWE ist der Verwalter erfüllungspflichtig, der im Abrechnungszeitraum Verwalter war.387 Dies folgt nicht aus der Organstellung und auch nicht aus einem Vertretungsrecht. Die Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung hat Werkvertragscharakter388 dessen Erfolg der jeweilige Verwalter der GdWE schuldet, der im maßgebenden Zeitraum entsprechend verpflichtet war. 203 Auch mit dem Ende des Verwalteramts treffen den Verwalter noch nachvertragliche Neben-
pflichten (s. hierzu auch § 26 Rz. 224 ff.).389 Neben den Herausgabepflichten für die Verwaltungsunterlagen steht die Auskunftspflicht. Die Abrechnungspflicht ist zwar demgegenüber eine Hauptpflicht, die aber schon während und nicht erst nach dem Ende des Vertrags-
379 Pfälz. OLG v. 11.5.2007 – 3 W 153/06, MDR 2007, 1067 = MietRB 2008, 82 = ZMR 2007, 887; ebenso Wolicki in Handbuch-WEG, § 7 Rz. 386 ff. 380 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 1. 381 BGH v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515. 382 Ebenso Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 61. 383 So aber Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 130; Abramenko in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 28 WEG Rz. 105. 384 Offen gelassen vom BGH v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515; a.A. Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 113. 385 So nunmehr auch BGH v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515 unter Verweis auf Jennißen, NZM 2017, 659; Jennißen, ZWE 2018, 18. 386 So AG Kassel v. 11.11.2021 – 800 C 1850/21, ZMR 2022, 505; von einer Organpflicht sprechend: Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 Rz. 106. 387 So auch Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 Rz. 129. 388 So auch Westphal, ZWE 2021, 395; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 Rz. 115. 389 BGH v. 16.2.2018 – V ZR 89/17 WuM 2018, 244 = MDR 2018, 515.
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VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 206 § 28 WEG
verhältnisses entsteht. Sie hat Werkvertragscharakter.390 Der Verwalter schuldet den Erfolg, also die Fertigstellung der Jahresabrechnung. Bis dahin ist seine werkvertragliche Verpflichtung nicht erfüllt.391 Hierfür ist der Verwalter im zurückliegenden Kalenderjahr bereits von der Wohnungseigentümergemeinschaft bezahlt worden. Die Jahresvergütung beinhaltet ebenfalls das Entgelt für die zu erstellende Jahresabrechnung.
4. Erzwingung der Jahresabrechnung Bis zum Inkrafttreten des WEMoG konnte jeder Wohnungseigentümer die Erstellung einer 204 Jahresabrechnung (ebenso des Wirtschaftsplans) durch den Verwalter gerichtlich einfordern.392 § 18 Abs. 1 regelt aber nunmehr, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt. Somit hat der einzelne Wohnungseigentümer nur noch einen Anspruch gegenüber der Gemeinschaft auf Aufstellung der Jahresabrechnung, die diesen Anspruch dann an den Verwalter weiterreicht.393 Aus dem früheren Individualanspruch ist jetzt ein Dreiecksverhältnis geworden. Der Anspruch des Wohnungseigentümers erlischt aber, wenn er aus der Gemeinschaft ausscheidet, weil ihn dann auch die Abrechnungsergebnisse nicht mehr treffen können.394 Die Geltendmachung des Anspruchs durch die Gemeinschaft setzt einen Beschluss der Ei- 205 gentümerversammlung voraus. Der einzelne Wohnungseigentümer muss sich also an den Verwalter wenden, damit dieser eine entsprechende Beschlussfassung in der Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung vorsieht. Wird dann in der Eigentümerversammlung der Beschlussantrag auf Erzwingung der Jahresabrechnung abgelehnt, kann der betreffende Wohnungseigentümer gegen die Eigentümergemeinschaft eine Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 erheben. Erst wenn dies erfolgreich ist, kann die Gemeinschaft gegen den Verwalter klagen, ein sehr umständliches Prozedere. Für diesen Prozess ist dann materielle Voraussetzung, dass sich der Verwalter mit der Vorlage der Jahresabrechnung im Verzug befindet. Verzug auf Neuerstellung einer neuen Abrechnung kann allerdings schon dann vorliegen, wenn durch Feststellungsklage die Unrichtigkeit der Abrechnung durch Urteil ausgesprochen wurde und ein Verschulden des Verwalters hierzu festzustellen ist.395 Wenn der Verwalter eine im Wesentlichen formell ordnungsgemäße Jahresabrechnung vor- 206 legt, hat er zunächst seine Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft erfüllt.396 Da die Wohnungseigentümer nicht mehr über die Jahresabrechnung beschließen, kann es aber ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, stets im Zusammenhang mit der Jahresabrechnung den Tagesordnungspunkt „Geltendmachung eines Anspruchs auf Nachbesserung der Jahresabrechnung“ aufzunehmen. Es liegt zunächst im Ermessen der Wohnungseigentümer darüber zu entscheiden, ob sie die vorgelegte Abrechnung als formell und sachlich richtig ansehen wollen oder ob sie vom Verwalter eine Nachbesserung verlangen.397 Wenn dies aber negativ von den Wohnungseigentümern beschieden wird, kann ein Eigentümer wiederum eine Beschlussersetzungsklage einreichen und auf diesem Weg die Nachbesserungsforderung ge390 Schmidt in Jennißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2. Aufl., Rz. 171; Müller, Praktische Fragen, 9. Teil Rz. 48; a.A. AG Mettmann v. 4.11.2014 – 26 C 108/13, MietRB 2015, 373. 391 Jennißen, NZM 2017, 659, 661. 392 Saarl. OLG v. 9.11.2009 – 5 W 204/09–70, MietRB 2011, 20 = ZMR 2010, 708; BayObLG v. 15.3.1990 – 2 Z 18/90, WE 1991, 223. 393 S. LG Dortmund v. 1.3.2022 – 1 S 172/21, juris. 394 AG Hamburg-St. Georg v. 16.12.2020 – 980a C 1/22, ZMR 2023, 237. 395 AG Saarbrücken v. 11.9.2006 – 1 WEG II 1/06, ZMR 2007, 406. 396 LG München I v. 5.2.2020 – 36 T 9951/19, IMR 2021, 34. 397 OLG München v. 22.11.2006 – 34 Wx 055/06, MietRB 2007, 41 = NZM 2007, 293; LG München I v. 11.8.2016 – 1 T 10569/16, ZWE 2017, 286. Jennißen | 1467
§ 28 WEG Rz. 206 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht richtlich überprüfen lassen (s. Rz. 251). Der Anspruch der GdWE auf Nachbesserung der Jahresabrechnung verjährt in drei Jahren, wobei die Verjährung grundsätzlich mit dem Jahresende beginnt, in der die Abrechnung vorgelegt wurde. Ein Prozess über die Feststellung der Richtigkeit der Abrechnung (z.B. Anfechtungsklage nach altem Recht) hemmt die Verjährung.398 Ein Klageantrag auf Nachbesserung der Abrechnung muss bestimmt genug sein und die Abrechnungsmängel erkennen lassen.399 207 Eine gerichtliche Korrektur der Jahresabrechnung kommt nicht in Betracht, da das Gericht
nur den negativen Beschluss, keine Nachbesserung zu fordern, zu ersetzen hat. Da ein solches Urteil nach § 44 Abs. 3 nur für und gegen alle Wohnungseigentümer wirkt und der Verwalter nicht als Partei am Rechtsstreit beteiligt ist, bietet sich eine Streitverkündung gegen den Verwalter an. Stellt das Gericht dann den Anspruch auf Nachbesserung fest und korrigiert der Verwalter die Abrechnung dennoch nicht, besteht ein wichtiger Abberufungsgrund ihm gegenüber. Behebt er hingegen die Mängel, kann sich die Eigentümergemeinschaft erneut damit beschäftigen und wiederum darüber abstimmen, ob weitere Nachbesserungen gefordert werden. 208 Kommt der Verwalter seiner Abrechnungspflicht nicht nach, kann nach einer Leistungskla-
ge aus einem entsprechenden Titel nach § 887 ZPO vollstreckt werden.400 Der 1. Zivilsenat des BGH401 hatte hingegen differenziert: Wird die Abrechnung von dem Verwalter verlangt, der in der maßgebenden Zeit im Amt war, der also seinen eigenen Zeitraum abrechnen soll, sei § 888 ZPO einschlägig (Vollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung). Zur Begründung wurde angeführt, dass vom Verwalter die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gefordert werden könne, in der dieser die Richtigkeit und Vollständigkeit der Belege bestätigt. Diese Bestätigung könne der neue Verwalter für einen ihm fremden Zeitraum nicht abgeben. Der 5. Zivilsenat des BGH widerspricht dem nicht vollkommen, stellt aber klar, dass die Jahresabrechnung insbesondere vor dem Hintergrund der Neufassung von § 28 Abs. 2 S. 2 in erster Linie der Vorbereitung der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Abrechnungsergebnisse dient. Soweit es also nur um die Erstellung dieses Zahlenwerks geht, sei von einer vertretbaren Handlung auszugehen.402 Nur dann, wenn die Wohnungseigentümer vom Verwalter die Rechnungslegung begehren würden, käme eine eidesstattliche Versicherung in Betracht, sodass erst dann dieses Rechenwerk eine unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO darstelle. Diese Differenzierung ist überzeugend. „Nicht vertretbar“ bedeutet, dass es ein anderer nicht kann. Wenn das richtig wäre, könnte der neue Verwalter nie einen fremden Zeitraum abrechnen, sodass die Differenzierung zwischen altem und neuem Verwalter obsolet wäre.403 Der neue Verwalter kann auch die Vollständigkeit der Belege prüfen und bestätigen. Er kann lediglich die dahinterstehenden Sachverhalte nicht beurteilen, was aber auch nicht Gegenstand der Abrechnung ist.404 Die Abrechnung ist auch dann
398 AG Hamburg-St. Georg v. 13.5.2022 – 980b C 43/21, ZMR 2022, 749. 399 AG Mettmann v. 16.4.2021 – 26 C 1/21, ZMR 2021, 687. 400 OLG Düsseldorf v. 8.3.1999 3 Wx 33/99, NZM 1999, 842; AG München v. 1.6.2016 – 485 C 30519/14, ZWE 2017, 291; Jennißen, NZM 2017, 659, 662; a.A. und von unvertretbarer Leistung nach § 888 ZPO ausgehend Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 230; Wicke in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 25; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 835. 401 BGH v. 23.6.2016 – I ZB 5/16, NZM 2016, 770; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 105; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 230. 402 BGH v. 26.2.2021 – V ZR 290/19, MietRB 2021, 175 = IMR 2021, 247; so auch schon BGH v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, WuM 2018,244 = MDR 2018,515, der in dieser Entscheidung allerdings keine vollstreckungsrechtlichen Fragen zu klären hatte; AG Hamburg-Blankenese v. 4.4.2022 – 539 C 20/20, ZMR 2022, 583; Westphal, ZWE 2021, 395. 403 Kritisch auch Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 10 Rz. 210. 404 Siehe hierzu Jennißen, NZM 2017, 659; Greiner, ZWE 2016, 409.
1468 | Jennißen
VIII. Jahresabrechnung, Abs. 2 Satz 2 | Rz. 213 § 28 WEG
richtig, wenn in ihr Ausgaben ausgewiesen werden, die der Verwalter nicht tätigen durfte.405 Solange also die Vollständigkeit und Richtigkeit des Abrechenwerks nicht eidesstattlich versichert werden muss, handelt es sich um eine vertretbare Leistung. War der Verwalter im Verzug, können die Wohnungseigentümer unter den Voraussetzungen 209 des § 637 BGB auch beschließen, einen Dritten mit der Erstellung der Abrechnung zu beauftragen und hierfür von dem Verwalter die Erstattung der Kosten und auch die Zahlung eines angemessenen Vorschusses einfordern. Der Streitwert einer Klage auf Erstellung der Jahresabrechnung wird durch den Kostenauf- 210 wand bestimmt, der für ihre Abrechnung erforderlich ist.406 Dabei sind nicht die Kosten einer Ersatzvornahme und auch nicht das Gesamtvolumen der Jahresabrechnung zugrunde zu legen.407
5. Prüfung der Jahresabrechnung Nach § 18 Abs. 4 hat jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft einen An- 211 spruch auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen. Regelungskonform werden Fragen der Prüfung der Jahresabrechnung dort behandelt (siehe § 18 Rz. 137 ff.).
6. Abrechnungsfehler Grundsätzlich führt jeder Fehler in der Jahresabrechnung zum Anspruch der Gemeinschaft 212 auf Nachbesserung. Dem kann der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall entgegenstehen.408 Hierbei ist aber wiederum zwischen Gesamt- und Einzelabrechnung zu differenzieren. Auch bei fehlerhaften Kleinstbeträgen geht die Gesamtabrechnung nicht mehr auf.409 Stimmt die Bankkontenabstimmung i.H. weniger Cent nicht, können sich dahinter mehrere größere Fehler verbergen, die nur im Saldo gering wirken. Es genügt nicht, wenn die Jahresabrechnung annähernd richtig ist.410 Anders ist die Frage zu beurteilen, wenn es sich um Kleinstbeträge bei den Einzelabrechnungen handelt. So sind beispielsweise Rundungsdifferenzen bei Verteilung der Gesamtkosten auf die einzelnen Wohnungseigentümer systemimmanent. Nicht akzeptabel ist hingegen die Auffassung des KG,411 wonach die Forderung auf Nachbesserung auch dann ausgeschlossenen sei, wenn Einnahmen i.H.v. 4.000 DM nicht verteilt wurden. Hierbei handelt es sich weder um einen Kleinstbetrag, noch ist die Nichtberücksichtigung von Einnahmen hinnehmbar. Die Einnahmen müssen vollständig verbucht und entweder der Rücklage zugeführt oder mit den Kosten verrechnet werden. Ebenso verhält es sich bei einer unvollständigen Jahresabrechnung. Auch hier ist Nachbes- 213 serung vom Verwalter zu fordern, weil die Plausibilität nur dann geprüft werden kann, wenn das komplette Abrechnungswerk vorliegt.412 Auch eine unvollständige Abrechnung ist eine falsche Abrechnung, die zumindest einer Schlüssigkeitsprüfung nicht zugänglich ist. Dies
405 BGH v. 4.3.2011 – V ZR 156/10, NZM 2011,366 = MDR 2011, 534. 406 LG Köln v. 14.2.2019 – 29 T 17/19, ZMR 2020, 230; OLG Frankfurt v. 2.6.2009 – 2 W 34/09, NZM 2010, 586. 407 LG München v. 24.9.2018 – 36 T 12113/16, ZMR 2019, 72. 408 BayObLG v. 11.11.1988 – BReg. 2 Z 92/88, WE 1989, 218. 409 So im Ergebnis auch Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 209. 410 AG Gladbeck v. 25.8.2015 – 51 C 7/15, IMR 2015, 509. 411 KG v. 30.11.1992 – 24 W 6947/91, WE 1993, 195. 412 So auch LG Hamburg v. 3.11.2010 – 318 S 110/10, ZMR 2011, 163. Jennißen | 1469
§ 28 WEG Rz. 213 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht gilt insbesondere, wenn die Gesamteinnahmen nicht dargestellt werden,413 die Bankkontenentwicklung414 oder die Entwicklung der Rücklagen im Status415 fehlt. Auch die unvollständige Darstellung der Instandhaltungsrücklage führt zu einem Nachbesserungsanspruch.416 214 Der Anspruch auf Nachbesserung ist nicht davon abhängig, wem eine nachgebesserte Jahres-
abrechnung Vorteile oder Nachteile bringt. Dies konnte nach alter Rechtslage allerdings bei einer Anfechtung der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung von Bedeutung sein. Würde die Richtigstellung eines Abrechnungsfehlers für den Kläger nur Nachteile bringen, wurde die Anfechtung als rechtsmissbräuchlich angesehen.417 Der Nachbesserungsanspruch ist aber jetzt rein altruistisch zu betrachten. Die Möglichkeit einer Plausibilitätsprüfung steht im Vordergrund. 215 Fehlerhaft ist grundsätzlich auch eine Jahresabrechnung, die nicht das Kalenderjahr berück-
sichtigt. Zwar sieht lediglich Abs. 1 die Aufstellung des Wirtschaftsplanes für ein Kalenderjahr ausdrücklich vor. Da aber nach Abs. 2 die Jahresabrechnung als Abrechnung über den Wirtschaftsplan definiert wird, ist dies zwingend deckungsgleich zu handhaben. Wird nicht für das Kalenderjahr abgerechnet, kann die Gemeinschaft von dem Verwalter die Umstellung auf das Kalenderjahr einfordern. Die Umstellung auf das Kalenderjahr hat dann in einem Jahr zwingend zur Folge, dass ein Rumpfwirtschaftsjahr abzurechnen ist, so dass dieses ausnahmsweise ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (s. Rz. 71).418 216 Sind die Wohnungseigentümer der Meinung, dass die vorgelegte Jahresabrechnung fehler-
haft und nachbesserungsbedürftig ist, können sie eine Nachbesserungsforderung gegen den Verwalter beschließen. Dies muss nicht ausdrücklich Gegenstand der Tagesordnung sein. Andernfalls müssten die Wohnungseigentümer, die zur Eigentümerversammlung die Jahresabrechnung präsentiert bekommen, erst als Organisationsbeschluss festlegen, dass die Nachbesserungsforderung auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung, im Zweifel erst im nächsten Jahr, gesetzt wird, was ein vermeidbarer Formalismus wäre. Ist der Verwalter der Auffassung, die Abrechnung sei fehlerfrei und die Wohnungseigentümer würden in Unkenntnis des Abrechnungssystems tatsächlich eine Verschlechterung der Jahresabrechnung fordern, kann er die Umsetzung des Beschlusses verweigern. Der Beschluss erwächst ihm gegenüber nicht in Bestandskraft. Er kann gegenüber der vor dem 1.12.2020 geltenden Rechtslage den Beschluss allerdings auch nicht anfechten. Somit müssen die Wohnungseigentümer, wenn sie ihre Forderung durchsetzen wollen, den Verwalter auf Nachbesserung der Abrechnung verklagen. Der dazu notwendige Beschluss muss allerdings in der Tagesordnung angekündigt werden, da die Prozessführung Kosten auslöst. Das Gericht wird dann zu prüfen haben, ob die bisher vorgelegte Abrechnung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. 216a Der Verwalter kann das Nachbesserungsbegehren der GdWE nicht mit dem Hinweis ab-
zuwehren versuchen, der Beschluss über die Abrechnungsergebnisse sei bestandskräftig geworden.419 Dieser Beschluss stellt nur in Relation zu den Wohnungseigentümern fest, was diese nachzuzahlen haben oder erstattet bekommen. Damit wird nicht die vorbereitende Handlung, die vom Verwalter erstellte Jahresabrechnung abgenommen oder anerkannt. Stellen die Wohnungseigentümer später fest, dass die Beschlussvorbereitungspflicht des VerwalLG Berlin v. 20.11.2009 – 85 S 5/09 WEG, ZMR 2010, 711. Ebenso Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 122. AG Hamburg-St. Georg v. 20.12.2012 – 980b C 42/12, ZMR 2013, 388. Allerdings nur von Teilrechtswidrigkeit ausgehend, BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300. 417 So BayObLG v. 23.12.2003 – 2Z BR 195/03, ZMR 2004, 358; AG Salzgitter v. 21.12.2009 – 26 C 20/09, ZMR 2010, 650. 418 LG München v. 4.5.2009 – 1 S 237/09, DWE 2009, 104 = ZMR 2009, 947. 419 A.A. Becker in Skauradzun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 34; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 832.
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IX. Beschluss über die Abrechnungsergebnisse | Rz. 219 § 28 WEG
ters verletzt wurde, darf die Gemeinschaft dies nicht hinnehmen und muss auch dann noch die Nachbesserung fordern.420
IX. Beschluss über die Abrechnungsergebnisse 1. Inhalt Die Wohnungseigentümer beschließen die Abrechnungsergebnisse in Form der sogenannten 217 Abrechnungsspitze (s. Rz. 177 ff.). Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung der Beschlussfassung über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse verdeutlicht, dass nicht über den sogenannten Abrechnungssaldo zu beschließen ist, der die tatsächlichen Vorschüsse berücksichtigen müsste. Schon nach alter Rechtslage vertrat die h.M. den Standpunkt, dass ein Beschluss über den Abrechnungssaldo nichtig sei.421 Der Grund liegt darin, dass die Vorschüsse schon beschlossen sind. Wird der Saldo errechnet, würden fällige Ansprüche durch Berücksichtigung beim Abrechnungsergebnis erneut fällig gestellt.422 Ein Unterschied zwischen Abrechnungsspitze und Abrechnungssaldo besteht auch dann, 217a wenn keine Vorschüsse beschlossen wurden oder der Beschluss über die Vorschüsse für ungültig erklärt wurde. Dann sind die geschuldeten Vorschüsse mit Null anzusetzen (s.u. Rz. 220a). Die tatsächlich geleisteten Vorschüsse können dann außerhalb der Jahresabrechnung verrechnet werden. Allerdings können die Wohnungseigentümer auch noch im Nachhinein durch Zweitbeschluss die Vorschusspflichten für das abgelaufene Kalenderjahr verändern und damit einer Beschlussanfechtung über die Vorschüsse den Boden entziehen, sodass der Rechtsstreit für erledigt zu erklären wäre.423 Gerade wenn die Vorschüsse nicht oder nicht wirksam beschlossen wurden, macht die nachträgliche Verabschiedung der Vorschusspflicht noch Sinn, um zu einer geordneten Abrechnungsspitze zu gelangen. Nachschüsse werden durch den Beschluss fällig und Überschüsse führen zu einer nachträgli- 218 chen Anspruchsvernichtung (hinsichtlich der Auswirkungen auf eine Wohngeldklage, s. Rz. 296 ff.). Sofern der Wohnungseigentümer seiner Wohngeldverpflichtung ordnungsgemäß nachgekommen ist, entsteht hinsichtlich der Überschüsse ein Auszahlungsanspruch. Da der Wortlaut nur von der Anpassung der beschlossenen Vorschüsse spricht, darüberhinausgehende Guthaben aber nicht erwähnt, wird die Auffassung vertreten, dass insoweit nicht über das Abrechnungsergebnis beschlossen wird. Diese echten Guthaben würden als gesetzlicher Auszahlungsanspruch anzusehen sein, der teilweise auf § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB,424 teilweise auf das Gemeinschaftsverhältnis gestützt wird.425 Diese Auffassung überzeugt nicht, da es dann in der Hand des einzelnen Wohnungseigentümers läge, ob und wann er diesen gesetzlichen Auszahlungsanspruch geltend macht. Der Beschluss über die Abrechnungsergebnisse hätte insoweit keine konstitutive Wirkung. Dem Auszahlungsanspruch gegenüber kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer 219 aufrechnen, falls der Wohnungseigentümer andere Zahlungsrückstände außerhalb der Abrechnungsperiode gegenüber der Gemeinschaft hat. Hat der Wohnungseigentümer aber in Siehe BGH v. 26.2.2021 – V ZR 290/19, MietRB 2021,175. LG Frankfurt/M. v. 29.10.2020 – 2-13 S 57/19, ZMR 2021, 143. BGH v. 9.3.2012 – V ZR 147/11, ZMR 2012, 642 = MDR 2012, 632. Siehe Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 56, 59. Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 47; einen Anspruch nach § 812 BGB auf Basis der alten Rechtslage verneinend: BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, MDR 2020, 1171 = ZMR 2020, 857. 425 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 116.
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Jennißen | 1471
§ 28 WEG Rz. 219 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht der Abrechnungsperiode sein Wohngeld nicht ordnungsgemäß entrichtet, entsteht zunächst keine Aufrechnungslage, die von der Eigentümergemeinschaft erklärt werden könnte.426 Die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse erfordert zwingend zunächst die Verrechnung mit etwaigen Rückständen der Abrechnungsperiode, und zwar in voller Höhe.427 Diese Verrechnung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, da sie die gesetzliche Rechtsfolge ist. Nur hinsichtlich der darüberhinausgehenden Beträge entstehen echte Überschüsse, die aufgerechnet werden können. 220 Die Verrechnung mit nicht gezahlten Vorschüssen führt zu einem Widerspruch in sich. Das
Abrechnungsergebnis ist ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Vorauszahlungen zu ermitteln, dann aber zur Feststellung eines etwaigen Auszahlungsanspruchs mit den Vorauszahlungen abzugleichen. 220a Existiert kein Wirtschaftsplan, können bei der Ermittlung des Abrechnungsergebnisses auch
keine Vorauszahlungen berücksichtigt werden, selbst wenn sie tatsächlich geleistet wurden. Das lässt der Wortlaut von § 28 Abs. 2 S. 1 nicht zu. Bei der Ermittlung der Abrechnungsergebnisse hat eine Anpassung der beschlossenen Vorschüsse zu erfolgen. Wurden keine Vorschüsse beschlossen, ist dort Null anzusetzen.428 Zwar ist zu berücksichtigen, dass die zu beschließenden Abrechnungsergebnisse auf einer Jahresabrechnung basieren müssen, die die Einnahmen und Ausgaben enthält, § 28 Abs. 2 S. 2. Enthält die Gesamtabrechnung nicht alle Vorauszahlungen und insbesondere nicht die des anfechtenden Wohnungseigentümers begründet dies dennoch nicht die Anfechtungsklage. Da das Abrechnungsergebnis ja keine Vorauszahlungen berücksichtigen darf, wirkt sich dieser Fehler nicht auf das Abrechnungsergebnis aus. Der Wohnungseigentümer kann gegenüber der GdWE die Aufrechnung erklären und falls diese nicht vom Verwalter anerkannt wird, die Zahlungsklage gegen sich abwarten. In diesem Prozess kann er mit seinen nachzuweisenden Zahlungen den Erfüllungseinwand führen. 221 Es genügt, die Anpassung als Jahresbetrag zu beschließen, auch wenn die Wohngeldbeträge
monatlich fällig waren. Ein ausdrücklicher Beschluss, welcher Teil der Vorschüsse durch die Überdeckung erfüllt wird, hat allenfalls Einfluss auf den Zinsanspruch im Falle weiterer Säumnis. Ebenso wenig ist es erforderlich, zwischen den Vorschüssen zur Kostentragung und den Zuführungsbeträgen zu den Rücklagen zu differenzieren.429 Beide Beträge werden zwar im Wirtschaftsplan differenziert behandelt. Ihre Summe begründet aber die einheitliche Vorschusspflicht. Gleichermaßen wird der Nachschuss aus der Summe sämtlicher Kosten zuzüglich der Zuführungsbeträge zu den Rücklagen ermittelt. Es sind also Summen zu verrechnen und nicht ihre Teilbeträge. Anders verhält es sich auch nicht, wenn in der Jahresabrechnung erhöhte Zuführungsbeträge zur Rücklage eingestellt werden, die also bisher als Vorschusspflicht noch nicht bestanden. Wie sich die Nachschusspflicht zusammensetzt und wie gegebenenfalls die nachzuzahlenden Beträge vom Verwalter verwendet werden dürfen, lässt sich nur durch Auslegung des Beschlusses über die Nachschüsse oder die Kürzung der Vorschüsse ermitteln. Zur Auslegung ist die Jahresabrechnung heranzuziehen. 222 Die Jahresabrechnung dient der Vorbereitung des Beschlusses über die Abrechnungsergeb-
nisse. Der Beschluss über die Ergebnisse ist gleichermaßen wie früher der Beschluss über die Jahresabrechnung bedingungsfeindlich. Der Beschluss muss eindeutig klarstellen, was nun zu zahlen oder mit den Vorschüssen zu verrechnen ist. Dies kann durch Bezugnahme auf die Einzelabrechnungen oder besser durch eine Abrechnungsliste (Saldenliste, s.u. Rz. 223) kon-
426 A.A. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 863. 427 Siehe zur alten Rechtslage, die noch teilweise a.A. LG Frankfurt/M v. 13.9.2018 – 2-13 S 92/17, ZMR 2019, 63. 428 Zutreffend LG Frankfurt v. 16.2.2023 – 2-13 S 79/22, ZMR 2023, 564. 429 A.A. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 865.
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IX. Beschluss über die Abrechnungsergebnisse | Rz. 223 § 28 WEG
kretisiert werden. Der Beschlussinhalt muss entsprechend bestimmbar sein.430 Wenn vor der Versammlung mehrere Abrechnungslisten versandt wurden, muss im Zweifel durch Bezugnahme auf ein bestimmtes Druckdatum erkennbar werden, welche Liste gemeint ist.431 Änderungsvorbehalte oder Bedingungen (z.B.: die Abrechnungsergebnisse werden unter der Bedingung beschlossen, dass die Abrechnung richtig ist) sind nichtig, wenn unklar bleibt, wie sich die Ergebnisse verändern und wann bzw. wodurch sie in Bestandskraft erwachsen sollen.432 Wiederum nichtig ist ein Beschluss unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Abrechnungsergebnisse durch den Verwaltungsbeirat geprüft und gebilligt werden.433 Die Wohnungseigentümer dürfen auch nicht indirekt ihre Beschlusskompetenz über die Abrechnungsergebnisse auf den Beirat übertragen. Die Mitbestimmung bei der Festlegung von Zahlungsverpflichtungen ist ein Kernrecht eines jeden Wohnungseigentümers. Ohne Beschluss über Vorschüsse oder Nachschüsse kann auch keine Erstattungsverpflich- 222a tung eines Wohnungseigentümers fällig werden. Keinesfalls kann sich ein Wohnungseigentümer für die Erstattung von ihm verauslagter Kosten der GdWE unmittelbar an seine Miteigentümer halten, auch dann nicht, wenn der Anspruchsteller nach seinen Aufwendungen aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist.434 Die Erstattungsverpflichtung entsteht immer nur gegenüber der GdWE und setzt dort einen Beschluss voraus. Umgekehrt kann auch die Aufnahme einer Kostenposition und ihre Verteilung auf alle Wohnungseigentümer nicht als Verzicht auf einen Schadensersatzanspruch gegen einen einzelnen Eigentümer gewertet werden.435 Hierdurch entfällt der Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft auch nicht in Höhe des Betrags, der dem betreffenden Eigentümer anteilig in Rechnung gestellt wurde.
2. Saldenliste Vor Inkrafttreten des WEMoG wurde die sogenannte Saldenliste als Bestandteil der Jahres- 223 abrechnung teilweise als notwendig,436 teilweise als nützlich, aber als kein Pflichtbestandteil der Jahresabrechnung angesehen.437 Sie bestand aus einer Übersicht aller Abrechnungsergebnisse der einzelnen Wohnungseigentümer und schlüsselte darüber hinaus etwaige Fehlbeträge bei den Wohngeldzahlungen auf und machte dadurch deutlich, welche Beträge der Instandsetzungsrücklage nicht zugeführt werden konnten. Da sich nunmehr nach dem neu formulierten § 28 Abs. 2 die Beschlussfassung nur noch auf die Abrechnungsergebnisse bezieht, ist die Saldenliste noch sinnvoller geworden. Als Abrechnungsliste genügt es, wenn sie nur noch die Abrechnungsspitzen der einzelnen Wohnungseigentümer enthält, sodass die Beschlussfassung hierauf Bezug nehmen kann.438 Durch die Bezugnahme auf diese Liste wird der Beschlusswortlaut konkretisiert und vereinfacht. Sie ist datenschutzrechtlich unbedenklich.439 Fehlbeträge bei den Wohngeldzahlungen gehören nicht mehr in diese Liste, stellen sie doch Forderungen der Gemeinschaft dar, die als Vermögensgegenstand in den Vermö-
430 431 432 433 434 435 436 437 438 439
AG Sinzig v. 28.4.2022 – 10a C 7/21 WEG, ZMR 2022, 754. LG Frankfurt/M. v. 25.2.2021 – 2-13 S 127/19, ZWE 2021, 375. AG Lüneburg v. 29.3.2016 – 39 C 295/15, ZMR 2016, 578. So schon zur alten Rechtlage: Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 222; Wenzel, ZWE 2001, 226, 235. BGH v. 25.3.2022 – V ZR 92/21, ZMR 2022, 569 = MDR 2022, 814 = MietRB 2022, 203. Siehe hierzu BGH v. 21.4.2023 – V ZR 86/22, juris. Siehe hierzu in der Vorauflage, § 28 Rz. 130; LG Dortmund v. 24.6.2017 – 17 S 282/16, ZWE 2017, 270. BGH v. 27.10.2017 – V ZR 189/16, ZMR 2018, 343 = NZM 2018, 233; ebenso Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 56. AG Sinzig v. 28.4.2022 – 10a C 7/21 WEG, ZMR 2022, 754. LG Oldenburg v. 22.12.2020 – 5 S 50/20. Jennißen | 1473
§ 28 WEG Rz. 223 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht gensbericht aufzunehmen sind. Zwingend notwendig ist diese Liste allerdings nicht.440 Die Bestimmtheit der beschlossenen Abrechnungsergebnisse kann auch durch Bezugnahme auf die Einzelabrechnungen hergestellt werden. Auch diese müssen nicht an alle Wohnungseigentümer versandt werden. 224 Die Saldenliste ist im Zweifel der einzige Bestandteil der Jahresabrechnung, der an der Be-
schlussfassung über die Abrechnungsergebnisse teilnimmt. Dieser Beschluss muss einen bestimmbaren Inhalt haben.441 Dies wird durch eine Bezugnahme auf diese Liste hergestellt.
3. Zweitbeschluss 225 Stellt sich bei einem bestandskräftigen Beschluss über die Abrechnungsergebnisse heraus,
dass diese fehlerhaft berechnet waren, kommt ein Zweitbeschluss in Betracht. Zweitbeschlüsse sind zulässig, wenn sie nicht in schutzwürdige Belange begünstigter Eigentümer infolge des Erstbeschlusses eingreifen. Durch den abändernden Zweitbeschluss darf grundsätzlich kein Wohnungseigentümer einen ungerechtfertigten rechtlichen Nachteil im Verhältnis zur Regelung des Erstbeschlusses erleiden (s. § 23 Rz. 87).442 226 Sind die Abrechnungsergebnisse falsch ermittelt worden, ist zu differenzieren: Unzutreffend
angewendete Verteilungsschlüssel können nach Bestandskraft des Beschlusses nicht mehr durch Zweitbeschluss verändert werden. Der nachträglich geführte Einwand eines Wohnungseigentümers, er habe entgegen den Ausführungen im Vermögensbericht mehr Wohngeld gezahlt als dort berücksichtigt wurde, führt ebenfalls nicht zu einem Anspruch auf Zweitbeschluss, da die Zahlungen des Wohnungseigentümers schon nicht Gegenstand des Erstbeschlusses waren.443 Stellt sich aber heraus, dass die Abrechnungsergebnisse auf Basis einer falschen Jahresabrechnung (z.B. nicht vollständig erfasste Kosten) ermittelt wurden, kommt ein Zweitbeschluss schon deshalb in Betracht, weil Gegenstand des Beschlusses nicht die Anerkennung der Jahresabrechnung war. Da die richtig ermittelten Abrechnungsspitzen dazu beitragen, dass der Jahresetat der Eigentümergemeinschaft ausgeglichen wird, muss die fehlerhafte Ermittlung dieser Abrechnungsspitzen, die dieses Ziel verfehlt, korrigierbar sein. In diesem Fall hat kein Wohnungseigentümer ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung der falschen Abrechnungsergebnisse.444 227 Die Meinung, dass in solchen Fällen nur ein Ergänzungsbeschluss in Betracht käme,445
überzeugt nicht. Die Korrektur eines falschen Ergebnisses lässt sich dogmatisch gesehen nicht lediglich ergänzen. So ist es denkbar, dass beispielsweise Mieteinnahmen übersehen wurden, die bei allen Wohnungseigentümern das Ergebnis reduzieren. Allerdings wird es im Ergebnis ohne praktische Auswirkungen bleiben, ob einem Eigentümer, dessen Abrechnungsergebnis mit 100 Euro beziffert wurde und bei richtiger Betrachtung nur 80 Euro zu zahlen gewesen wären, mit einem Ergänzungsbeschluss über eine Erstattung von 20 Euro oder mit einem aufhebenden Zweitbeschluss, mit dem sein Ergebnis auf 80 Euro reduziert wird, geholfen werden kann.
440 LG Koblenz v. 19.12.2022 – 2 S 31/22 WEG, ZMR 2023, 321 unter Aufgabe der Entscheidung des AG Sinzig, s. Fn. 441. 441 Siehe hierzu auch Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 870 f. 442 OLG Frankfurt v. 3.9.2004 – 20 W 34/02, MietRB 2005, 206; OLG Düsseldorf v. 20.3.2000 – 3 Wx 414/99, ZMR 2000, 475. 443 Siehe zur alten Rechtslage OLG München v. 6.9.2012 – 32 Wx 32/12, ZWE 2012,497; AG Kerpen v. 22.10.2007 – 15 II 36/06, MietRB 2008,82 = ZMR 2008,84. 444 Siehe zur alten Rechtslage bei einem Zweitbeschluss über die Jahresabrechnung: OLG Frankfurt v. 22.9.2004 – 20 W 428/01, juris; OLG Düsseldorf v. 1.12.2006 – I-3 Wx 194/06, ZMR 2007, 379. 445 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 903.
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IX. Beschluss über die Abrechnungsergebnisse | Rz. 230 § 28 WEG
4. Beschlussanfechtung a) Materielle Begründung Nach § 28 Abs. 2 beschließen die Wohnungseigentümer nicht mehr wie bisher über die Jah- 228 resabrechnung. Tun sie es trotzdem, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich hierbei nur um eine Falschbezeichnung handelt oder ob die Wohnungseigentümer tatsächlich die Jahresabrechnung selbst beschließen wollten. Ist letzteres anzunehmen, ist dieser Beschluss nichtig, da es gerade Sinn und Zweck der Neuregelung ist, den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz über die Jahresabrechnung zu nehmen.446 Wird trotzdem die Jahresabrechnung beschlossen, muss der Beschluss nicht angefochten werden, weil er wegen seiner Nichtigkeit nicht in Bestandskraft erwachsen kann.447 Eine wohlwollende Auslegung ist grundsätzlich nicht angebracht.448 Allerdings kann durch die Bezugnahme auf die Einzelabrechnungen eine Teilwirksamkeit bestehen, wenn hierdurch die Abrechnungsergebnisse mit beschlossen wurden (s.u. Rz. 242a).449 Die Anfechtung kann sich nur auf die beschlossenen Nachschüsse oder die Anpassung der 229 Vorschüsse beziehen. Diese werden aus der Einzelabrechnung entwickelt bzw. stellen sein Abrechnungsergebnis dar. Eine Beschlussanfechtung kann nur dann begründet sein, wenn der Kläger darzulegen weiß, dass die Abrechnungsergebnisse nicht stimmen. Dies kann durch einen falschen Verteilungsschlüssel450, durch Heranziehung eines unzutreffenden Vorschussbetrages, durch unzutreffend ermittelte Heiz- oder Wasserkosten oder die Umlage nicht verteilungsrelevanter Beträge bedingt sein.451 Auch die Nichtberücksichtigung einer beschlossenen Entnahme aus der Rücklage hat Einfluss auf das Ergebnis.452 Ist bei einer Kostenposition ein falscher Verteilungsschlüssel angewandt worden, ist das Abrechnungsergebnis als solches falsch.453 Ist ein Ergebnis eines Wohnungseigentümers falsch, sind automatisch auch alle anderen Abrechnungsergebnisse unzutreffend.454 Für eine Teilanfechtung bezogen auf das eigene Abrechnungsergebnis besteht kein Raum (s.u. Rz. 245).455 Die Anfechtungsklage ist nicht schon dann begründet, wenn dem Kläger vor der Beschluss- 229a fassung keine Einsicht in die Verwaltungsunterlagen und Belege gewährt wurde. Dies kann aber im Prozess zu einer Umkehrung der Beweislast führen. Wurde dem Kläger rechtswidrig die Belegeinsicht verweigert, sind die Anforderungen an die Substantiierung des Anfechtungsgrundes herabgesetzt und die GdWE trifft die sekundäre Darlegungslast.456 Wenn der Beirat die Abrechnung nicht geprüft hat, rechtfertigte dies allein schon nach altem Recht keine Anfechtung.457 Dies gilt jetzt erst recht (s.u. Rz. 239 f., 246a). Werden Fehler in der Gesamtabrechnung gerügt, muss immer gleichzeitig dargelegt werden, 230 dass sich dieser Fehler auf das Abrechnungsergebnis auswirkt.458 Das Bestreben, mit der An-
446 AG Mettmann v. 19.4.2021 – 26 C 1/21, ZMR 2021, 687; AG Hamburg-St. Georg v. 25.5.2022 – 980a C 29/21. 447 LG Frankfurt/M. v. 16.2.2023 – 2-13 S 79/22, NZM 2023, 425. 448 AG Hamburg-St. Georg v. 25.2.2022 – 980a C 29/21 WEG, ZWE 2022, 333. 449 LG Frankfurt/M v. 20.4.2022 – 2-13 T 15/22, ZMR 2022, 653. 450 LG München I. v. 13.7.2022 – 1 S 2338/22 WEG, ZMR 2022, 817. 451 Siehe hierzu auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 99. 452 Die Entnahme nur im Vermögensbericht berücksichtigen wollend: Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 132. 453 AG Berlin-Charlottenburg v. 27.5.2022 – 73 C 54/21, juris. 454 Siehe zur alten Rechtslage BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, ZMR 2020, 755 = MDR 2020, 1171. 455 So auch Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 242 ff. 456 AG Köln v. 17.1.2023 – 215 C 48/22, juris. 457 LG Berlin v. 29.6.2018 – 55 S 96/17, ZWE 2019, 86. 458 AG Köln v. 26.7.2022 – 215 C 57/21, ZMR 2023, 413. Jennißen | 1475
§ 28 WEG Rz. 230 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht fechtung eine bessere und transparentere Abrechnung zu erreichen, kann nicht mehr mit der Klage verfolgt werden.459 Fehler der Gesamtabrechnung schlagen sich nur selten auf das Einzelabrechnungsergebnis nieder. Denkbar ist dies, wenn Einnahmen oder Ausgaben in der Gesamtabrechnung nicht erfasst werden, obschon sie im Abrechnungsjahr zu- oder abgeflossen sind.460 Fehlt die Gesamtabrechnung im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Abrechnungsergebnisse vollständig, ist der Beschluss ebenfalls rechtswidrig. Es bleibt dann vollkommen unklar, wie die Beträge der Einzelabrechnung und letztendlich das Abrechnungsergebnis ermittelt wurden. Formelle Fehler der Gesamtabrechnung rechtfertigen hingegen keine Anfechtung des Beschlusses über die Anpassung der Vorschüsse bzw. der Nachschüsse.461 Die nicht mehr erfolgende Beschlussfassung über die Jahresabrechnung und die deshalb fehlende Anfechtbarkeit können nicht mit dem Argument umgangen werden, jeder Abrechnungsfehler könnte Einfluss auf das Abrechnungsergebnis haben. Es ist zu differenzieren: Gehen die Gesamtabrechnung und/oder der Vermögensbericht (s. Rz. 354 ff.) nicht auf, sodass erkennbar wird, dass die Buchführung nicht stimmen kann und Einnahmen oder Ausgaben nicht vollständig berücksichtigt wurden, stimmen die Abrechnungsergebnisse nicht, sodass eine entsprechende Anfechtung erfolgreich sein wird.462 Andererseits wird es aber nicht mehr genügen, lediglich vorzutragen, dass die Jahresabrechnung nicht mehr aus sich heraus verständlich sei. Es muss eine denkbare Relevanz für das Abrechnungsergebnis dargelegt werden. Dann ist es Sache der GdWE, die Zweifel im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast zu beseitigen.463 Auch beim Vermögensbericht ist die richtige und vollständige Darstellung des sonstigen Vermögens i.d.R. für das Abrechnungsergebnis irrelevant.464 231 Fehlende Einzelabrechnungen im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Abrechnungs-
ergebnisse reichen zur Begründung der Anfechtungsklage aus. Ist gar nicht klar, welche Abrechnungsergebnisse beschlossen wurden, kommt auch wegen inhaltlicher Unbestimmtheit die Nichtigkeit des Beschlusses in Betracht.465 Die Jahresabrechnung ist zum Zweck des Beschlusses über die Abrechnungsergebnisse zu erstellen. Soweit darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben vom Verwalter aufzustellen sind, wird aus dieser Formulierung gefolgert, dass dieser Teil der Abrechnung (Gesamtabrechnung) nicht für die Beschlussfassung relevant sei.466 Dem ist nicht zu folgen. Dies würde dazu führen, dass die Wohnungseigentümer über die Abrechnungsergebnisse beschließen, ohne entsprechende Tatsachengrundlage.467 Die Ordnungsgemäßheit einer Einzelabrechnung kann ohne Vorlage der Gesamtabrechnung nicht beurteilt werden. Die fehlende Vorlage der Gesamtabrechnung stellt daher stets einen relevanten Fehler dar, auf den die Anfechtung der Beschlussfassung über die Abrechnungsergebnisse gestützt werden kann. Der Beschluss über die Abrechnungsergebnisse ist dann unvollständig vorbereitet. Der Unterschied zwischen einer fehlenden Gesamtabrechnung und einer fehlerhaften Gesamtabrechnung besteht darin, dass in erstem Fall der Beschluss über die Abrechnungsergebnisse schon deshalb rechtswidrig ist, weil die Zah-
459 Von der Unzulässigkeit erzieherischer Erwägungen sprechend: AG München v. 31.3.2022 – 1293 C 17126/20, ZMR 2022, 508. 460 Ebenso Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 62. 461 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 876. 462 Einschränkend AG Wiesbaden v. 1.7.2022 – 92 C 3463/21, ZMR 2022, 756. 463 LG Frankfurt/M. v. 9.3.2023 – 2-13 S 68/22, ZMR 2023, 496. 464 Ebenso im Ergebnis LG Frankfurt/M. v. 16.2.2023 – 2-13 S 79/22, NZM 2023, 425, obschon die Begründung, der Vermögensbericht stünde isoliert neben der Jahresabrechnung, nicht überzeugt. 465 AG Sinzig v. 28.4.2022 – 10a C 7/21 WEG, ZMR 2022, 754. 466 Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 208; Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 62, der allerdings differenziert, ob die Einzelabrechnung ordnungsgemäß erstellt wurde. 467 Ebenso Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 33.
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IX. Beschluss über die Abrechnungsergebnisse | Rz. 235 § 28 WEG
len nicht prüfbar sind, während bei einer fehlerhaften Gesamtabrechnung der Kläger sehr wohl darlegen kann, worin der Fehler besteht und ob er sich auf das Abrechnungsergebnis auswirkt. Die Darlegungslast ist also dann höher für den Kläger. Da nur die Abrechnungsergebnisse beschlossen werden, sind bei genauer Betrachtung nicht 232 einmal die Verteilungsschlüssel Beschlussgegenstand. Ein unzutreffender Verteilerschlüssel hat aber im Zweifel Einfluss auf das Abrechnungsergebnis. Der Kläger muss hierzu darlegen, wie sich das Ergebnis verändern würde, wenn der richtige Schlüssel angewandt worden wäre. Dies gehört zu einer schlüssigen Klageerhebung. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann sich dann u.a. damit verteidigen, dass die Einzelabrechnung möglicherweise einen weiteren Fehler enthält, der dem Kläger zugutekommt. Lehmann-Richter/Wobst weisen für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich Vor- und Nachteil gegeneinander aufheben, darauf hin, dass dann die Klage abzuweisen wäre, weil das Abrechnungsergebnis nicht falsch sei.468 Die Anwendung eines falschen Verteilungsschlüssels kann hinzunehmen sein, wenn sich 233 dies bei dem einzelnen Wohnungseigentümer nur im Rahmen von Kleinstbeträgen auswirkt469 oder dieser sogar zu einer Besserstellung des Anfechtenden führt.470 Wann ein Kleinstbetrag der Anfechtung der Abrechnungsergebnisse nach Treu und Glauben entgegensteht, ist auch von der Größe der Wohnanlage abhängig. In der Regel dürfte die Anfechtung wegen einer durch einen unzutreffenden Verteilungsschlüssel ausgelösten Mehrbelastung, die nur wenigen Euro entspricht, treuwidrig sein.471 Dies gilt erst recht, wenn der falsche Verteilungsschlüssel den Kläger begünstigt. Eine Anfechtung des Beschlusses über die Abrechnungsergebnisse hat im Gegensatz zur früheren Anfechtung der Jahresabrechnung keine altruistischen Gründe, weshalb eine Anfechtung mit der Konsequenz, mehr zahlen zu müssen, von keinem Rechtsschutzinteresse umfasst ist.472 Etwas anderes gilt dann, wenn nicht alle Kosten verteilt wurden. Dann führt zwar die Anfechtung im Zweifel auch nur zu einer Schlechterstellung des anfechtenden Wohnungseigentümers. Die Anfechtung ist in diesem Fall aber nicht rechtsmissbräuchlich, weil eine unvollständige Kostenverteilung die Abrechnung unstimmig macht, der Jahresetat nicht ausgeglichen und der Wohnungseigentümer dem Risiko der Inanspruchnahme Dritter gem. § 9a Abs. 4 ausgesetzt wird. Ein für das Abrechnungsergebnis relevanter Fehler stellt es auch dar, wenn bei Nutzerwechsel 234 keine Zwischenablesung zur Ermittlung der verbrauchsabhängigen Heiz- und Warmwasserkosten vorgenommen wurde, § 9b HeizkV. Der fehlerhafte Verteilungsschlüssel kann weitergehende Auswirkungen haben, z.B. auf die 235 mietrechtliche Betriebskostenabrechnung oder generelle Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnungsergebnisse.473 Dies genügt aber für die Begründung der Anfechtung der Abrechnungsergebnisse noch nicht. Andererseits ist die Anfechtung nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil über Jahre hinweg ein falscher Verteilungsschlüssel angewandt wurde. Das dauerhafte Missachten der Vorgaben der Teilungserklärung schränkt das Anfechtungsrecht nicht ein.474
468 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 877. 469 AG Hannover v. 27.1.2017 – 483 C 7043/16, ZMR 2018, 270; a.A. Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 209. 470 Ebenso AG Köln v. 26.7.2022 – 215 C 57/21, juris; AG München v. 31.3.2022 – 1293 C 17126/20, ZMR 2022, 508. 471 BayObLG v. 11.11.1988 – BReg. 2 Z 92/88, WE 1989, 218. 472 BayObLG v. 23.12.2003 – 2Z BR 189/03, ZMR 2004, 358; AG Salzgitter v. 21.12.2009 – 26 C 20/ 09, ZMR 2010, 650. 473 OLG München v. 5.4.2011 – 32 Wx 1/11, ZWE 2011, 262 = ZMR 2011, 738. 474 LG Regensburg v. 1.10.2008 – 7 T 309/07, ZWE 2009, 322. Jennißen | 1477
§ 28 WEG Rz. 236 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 236 Der einzelne Wohnungseigentümer kann nicht einwenden, der in der Jahresabrechnung zu-
grunde gelegte Verteilungsschlüssel sei unbillig. Hinsichtlich eines unbilligen Verteilungsschlüssels kann er nur für die Zukunft beantragen, diesen abzuändern. Dies kann bei ablehnender Haltung der Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 2 gerichtlich überprüft werden. Die Unbilligkeit kann auch dann nicht gegen die Abrechnungsergebnisse eingewandt werden, wenn der Antrag nach § 10 Abs. 2 Aussicht auf Erfolg hätte. 237 Selbst wenn in der Gemeinschaftsordnung als Verteilungsschlüssel der Miteigentumsanteil
vorgesehen ist, ist eine Abrechnung auf Wohnflächenbasis nicht fehlerhaft, wenn beide Schlüssel zum gleichen Ergebnis führen.475 238 Die Anfechtungsklage ist nicht schon deshalb begründet, weil die Einzelabrechnung nicht
mit der Einladung zur Eigentümerversammlung versandt wurde. Die Wohnungseigentümer müssen zwar die Grundlagen für den angekündigten Beschluss über die Abrechnungsergebnisse prüfen können, was aber keine dreiwöchige Frist (Einladungsfrist) erfordert, sondern noch eine Woche vor der Versammlung erfüllt werden kann.476 239 Keine Anfechtbarkeit besteht, wenn der Beirat von seinem Prüfungsrecht keinen oder noch
keinen Gebrauch gemacht hat.477 § 29 Abs. 2 enthält nur eine Sollvorschrift. Die Anfechtbarkeit ist selbst dann nicht zu bejahen, wenn dem Beirat das Prüfungsrecht verweigert wurde. Ob die Beiratswahl wirksam war, ist zudem unerheblich.478 239a Teilweise anders gesehen wird die Rechtslage, wenn einem Wohnungseigentümer die Beleg-
einsicht verweigert wurde und er hierauf die Anfechtung stützt.479 Dem wird entgegengehalten, das alleine würde für die Begründetheit nicht ausreichen. Der Kläger könne deshalb die Richtigkeit der Abrechnungsspitzen bestreiten und dann würde die Darlegungslast auf die beklagte GdWE wechseln, die die Richtigkeit der Spitzen und ihrer Grundlagen zu belegen hätte.480 Letzterer Meinung ist zu folgen. Für die Umkehr der Darlegungslast genügt es allerdings nicht, vorzutragen, es habe noch keine Gelegenheit für die Belegeinsicht bestanden. 240 Die Aufhebung des Beschlusses über die Abrechnungsergebnisse bewirkt, dass diese ihre Fäl-
ligkeit verlieren. Dies gilt auch für Guthaben der Eigentümer, die ohne Beschluss über die Anpassung der Vorschüsse auch nicht vom einzelnen Eigentümer bereicherungsrechtlich weiterverfolgt werden können.481 Ohne Beschluss können weder positive noch negative Zahlungsansprüche der Gemeinschaft gegen den einzelnen Wohnungseigentümer noch umgekehrt entstehen (s. Rz. 241). Ein Innenausgleich zwischen den Wohnungseigentümern ist gänzlich ausgeschlossen, auch bei einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft mit Pattsituation.482 241 Der Zwangsverwalter kann den Beschluss über die Abrechnungsergebnisse mit dem Argu-
ment anfechten, die Abrechnung differenziere nicht zwischen den Kostenanteilen vor und nach der Beschlagnahme.483
475 AG Schwerin v. 13.12.2013 – 14 C 20/11, ZMR 2014, 410. 476 LG Frankfurt/M v. 5.3.2020 – 2-13 S 65/19, WuM 2020,372. 477 BayObLG v. 23.12.2000 – 2Z BR 185/03, DWE 2004, 93; LG Berlin v. 29.6.2018 – 55 S 96/17, ZWE 2019, 86. 478 BayObLG v. 23.12.2000 – 2Z BR 185/03, DWE 2004, 93. 479 So Bartholome in Hogenschurz, 3. Auf., § 28 WEG Rz. 126. 480 So AG Köln v. 17.1.2023 – 215 C 48/22, ZMR 2023, 582. 481 BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, WuM 2020, 595 = MDR 2020, 1171 = ZMR 2020, 857; AG Augsburg v. 17.4.2013 – 30 C 5735/12 WEG, MietRB 2013, 216; a.A. AG Neuss v. 19.12.2012 – 91 C 3589/12, ZMR 2013, 392. 482 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 288/19, NZM 2021, 146 = MDR 2021, 159. 483 Vgl. KG v. 9.11.2005 – 24 W 60/05 u. 67/05, NZM 2006, 383.
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IX. Beschluss über die Abrechnungsergebnisse | Rz. 244 § 28 WEG
b) Folgen erfolgreicher Beschlussanfechtung/Umfang der Ungültigkeit Der Beschluss über die Abrechnungsergebnisse kann immer nur insgesamt angefochten wer- 242 den, da die Veränderung eines Abrechnungsergebnisses zwingend Auswirkungen auf die anderen Abrechnungsergebnisse hat. Der Beschluss ist insoweit nicht teilbar.484 Soweit hinsichtlich der früheren Beschlussfassung über die Jahresabrechnung von einer Teilanfechtung ausgegangen wurde,485 war dies systematisch richtig, da die Jahresabrechnung aus verschiedenen Teilen bestand. Dies ist aber auf den jetzt zu fassenden Beschluss über die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse nicht zu übertragen. Hätten die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über die Abrechnungsergebnisse gewusst, dass ein Wohnungseigentümer mit Recht das Abrechnungsergebnis beanstanden wird, hätten sie den Beschluss insgesamt nicht gefasst. Eine Teilunwirksamkeit kommt allerdings in Betracht, wenn die Wohnungseigentümer neben 242a den Abrechnungsergebnissen auch die Jahresabrechnung beschließen.486 Ob ein Beschluss nur über die Jahresabrechnung auch in einen teilweise wirksamen Beschluss über die Abrechnungsergebnisse umgedeutet werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls (s.o. Rz. 228).487 Die erfolgreiche Anfechtung des Beschlusses über die Nachschüsse oder die Anpassung der 243 Vorschüsse hat keine unmittelbare Auswirkung auf die Jahresabrechnung. Diese war nicht Beschlussgegenstand. Die Ungültigkeit des Beschlusses bewirkt, dass die Fälligkeit der Nachschüsse rückwirkend entfällt. Dennoch befand sich der Wohnungseigentümer bis zur Ungültigkeitserklärung im Verzug. Der Verzugsschaden ist somit angefallen und wird durch das Urteil zeitlich limitiert, entfällt aber nicht vollständig.488 Auch entsteht für den Wohnungseigentümer, der den Nachschuss bereits gezahlt hat, kein unmittelbarer Rückforderungsanspruch.489 Dies erfordert einen neuen Beschluss der Wohnungseigentümer entweder über den Rückforderungsanspruch oder über neue Abrechnungsergebnisse.490 c) Verfahrensfragen Der den Beschluss Anfechtende muss die Unrichtigkeit beweisen. Dies erfordert es häufig in 244 der Praxis, dass der Anfechtende innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist die Belege beim Verwalter einsieht. Auch bei Verbrauchswerten (Wasser, Heizenergie) genügt nicht lediglich das bloße Bestreiten des abgerechneten Verbrauchs. Der Kläger muss konkret vortragen, warum die Werte nicht stimmen können491 (vgl. zur Beweislast auch § 44 Rz. 249 ff.). Der Kläger darf die Anfechtungsklage auch nicht zur Auskunftsklage missbrauchen. Alles was er durch Belegeinsicht überprüfen kann, darf er nicht lediglich mit Nichtwissen bestreiten oder lediglich behaupten, Ausgaben seien nicht angefallen. Er muss vielmehr darlegen, dass bei einer Einsichtnahme der Buchführung keine entsprechenden Belege vorgefunden wurden.492 Erst dann, wenn er den tatsächlichen Anfall der Kosten oder ihre richtige Kosten484 So auch Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 66 f.; a.A. LG Berlin v. 16.6.2020 – 55 S 83/19, ZMR 2020, 868. 485 BGH v. 11.5.2012 – V ZR 193/11, ZWE 2012, 371 = MDR 2012, 957. 486 Von Teilnichtigkeit ausgehend: LG Frankfurt/M. v. 11.5.2023 – 2-13 S 85/22, IMR 2023, 286. 487 Verneinend, wenn die Abrechnungsergebnisse nicht erkennbar sind: LG Frankfurt/M. v. 16.2.2023 – 2-13 S 79/22, ZMR 2023, 546; bejahend, wenn die Einzelabrechnungen vorlagen: LG Köln v. 25.11.2022 – 29 S 101/21, ZMR 2023, 396. 488 BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, MDR 2020, 1171 = ZMR 2020, 857. 489 BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, MDR 2020, 1171 = ZMR 2020, 857; LG Düsseldorf v. 25.4.2022 – 25 S 74/21, IMR 2023, 20. 490 AG Charlottenburg v. 1.6.2018 – 73 C 9/18, ZWE 2019, 85. 491 So auch für die mietrechtliche Betriebskostenabrechnung LG Berlin v. 12.11.2010 – 63 S 150/10, NJW-RR 2011, 812. 492 S. hierzu auch AG Bonn v. 8.9.2009 – 27 C 73/09, ZMR 2011, 66. Jennißen | 1479
§ 28 WEG Rz. 244 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht verteilung substantiiert bestreitet, müssen die beklagten Wohnungseigentümer näher vortragen.493 245 Zu differenzieren ist zwischen dem Gegenstand der Beschlussanfechtung und seiner Be-
gründung. Grundsätzlich ist das gesamte Abrechnungsergebnis Gegenstand der Beschlussanfechtung, selbst wenn nur ein Teilbetrag (z.B. die Müllabfuhrkosten) moniert wird.494 Etwas Anderes soll nach teilweise geäußerte Auffassung gelten, wenn bei der Anfechtung nicht zwischen dem Ergebnisteil für die Kostenanpassung und dem Ergebnisteil für die Zuführung zur Rücklage differenziert wird. Wenn der Zuführungsbetrag zutreffend ermittelt worden sei, soll nach dieser Auffassung der Kläger von vornherein teilweise unterliegen, weil er die mögliche Differenzierung zwischen diesen Teilbeträgen nicht in seinem Klageantrag (Teilanfechtung) nachvollzogen hat.495 Im Streit befinden sich stets alle Abrechnungsergebnisse.496 Der Kläger kann also seine Klage nicht auf seine persönliche Abrechnungsspitze oder auf einen von ihm errechneten Differenzbetrag beschränken. Er kann den Anfechtungsumfang auch nicht thematisch eingrenzen.497 Ist sein Ergebnis falsch, hat dies zwangsweise Auswirkung auch auf alle anderen Abrechnungsergebnisse. Es sind somit immer alle Abrechnungsergebnisse im Streit. 246 Der Kläger hat innerhalb der Klagebegründungsfrist die Anfechtungsgründe in ihrem Kern
vorzutragen. Dies bewirkte bei der früheren Anfechtung der Jahresabrechnung, dass nur die Teile vom Gericht zu prüfen waren, die auch in der Begründungsfrist angesprochen wurden. Da jetzt aber nur noch über das Abrechnungsergebnis als solches beschlossen wird, genügt der Sachvortrag innerhalb der Begründungsfrist, dass die Abrechnungsergebnisse unzutreffend ermittelt seien. Dies ist der einzig denkbare Kern eines Anfechtungsgrundes. Dies näher auszuführen ist auch noch außerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist möglich. 246a Kann der Kläger das vermeintlich unzutreffende Abrechnungsergebnis nicht ausreichend be-
gründen, weil ihm die Belegeinsicht vom Verwalter verweigert wurde, und stellt sich dann erst im Prozess heraus, dass das Ergebnis zutreffend ist, kann der anfechtende Wohnungseigentümer im Wege der Klageänderung einen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Prozesskosten geltend machen (s.o. Rz. 238).498 247 Der Streitwert richtet sich nicht nach der persönlichen Abrechnungsspitze und auch nicht
nach der Summe aller Abrechnungsspitzen. Vielmehr bestimmt § 49 GKG, dass sich der Streitwert nach dem klägerischen Interesse, dieses multipliziert mit 7,5 richtet. Das klägerische Interesse wird nicht allein durch das Abrechnungsergebnis bestimmt, sondern auch durch die auf seine Wohnung entfallenden Jahreskosten. Das Abrechnungsergebnis ist nur Ausfluss der anteilig zugewiesenen Kosten. Deshalb ist es sachgerecht, für die Berechnung des Streitwerts grundsätzlich von den Jahreskosten der klägerischen Wohnung auszugehen und diese mit 7,5 zu multiplizieren, maximal aber die Kosten der gesamten Wohnanlage (siehe hierzu unten § 49 GKG Rz. 15).499 Der Streitwert ist dann zu reduzieren, wenn sich das klägerische Interesse erkennbar nur auf eine oder einzelne Abrechnungspositionen be-
493 494 495 496 497 498 499
LG Dortmund v. 17.3.2011 – 11 S 251/10, ZMR 2011, 660. So auch Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 Rz. 243. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 885. LG Fankfurt/M. v. 15.12.2022 – 2-13 S 20/22, WuM 2023, 56. A.A. AG Bonn v. 14.12.2021 – 27 C 115/19, ZMR 2022, 243. AG Köln v. 17.1.2023 – 215 C 48/22; Becker in Bärmann, 15 Aufl., § 28 Rz. 81. BGH v. 24.2.2023 – V ZR 152/22, ZWE 2023, 284; LG Frankfurt/M v. 8.3.2022 – 2-9 S 45/21, ZMR 2022, 398; v. 8.8.2022 – 2-13 S 35/22, MDR 2022, 1472; LG Köln v. 13.6.2022 – 29 T 44/22; ZMR 2022, 739; LG Düsseldorf v. 28.9.2022 – 25 T 182/22, ZWE 2023, 100; LG Dresden v. 21.11.2022 – 2 T 441/22, ZWE 2023, 234; a.A. LG Lüneburg v. 15.3.2022 – 3 T 55/21, ZMR 2022, 995.
1480 | Jennißen
IX. Beschluss über die Abrechnungsergebnisse | Rz. 251 § 28 WEG
schränkt (s.u. § 49 GKG Rz. 10a).500 Während also der Anfechtungsumfang immer alle Abrechnungsergebnisse zum Gegenstand hat, kann sich das klägerische Interesse zur Bemessung des Streitwerts davon unterscheiden. Ist beispielsweise das Abrechnungsergebnis nicht nachvollziehbar, ist der Streitwert von den Jahreskosten der klägerischen Wohnung abhängig. Wird hingegen nur eine Kostenposition gerügt, kann sich das wirtschaftliche Interesse und somit der Streitwert auf diese Position beschränken. Es ist weiterhin möglich, den Beschluss über die Abrechnungsergebnisse anzufechten, ob- 248 schon der Kläger selbst in der Versammlung positiv abgestimmt hat.501 Allerdings darf die Frage des klägerischen Rechtsmissbrauchs nicht vollkommen ungeprüft bleiben. Bei Mehrhausanlagen ist selbst dann, wenn die Untergemeinschaft entsprechend der Ge- 249 meinschaftsordnung einen Beschluss über ihre Abrechnungsergebnisse gefasst hat, der Anfechtungsantrag gegen die Gesamtgemeinschaft zu richten.502 Das vor dem WEMoG bestehende Problem, ob die Anfechtung nur gegen die den Beschluss fassenden Wohnungseigentümer oder gegen alle zu richten war, ist jetzt entfallen, da die Anfechtungsklage immer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten ist, § 44 Abs. 2. Ein ausgeschiedener Wohnungseigentümer kann die nach seinem Ausscheiden beschlosse- 250 ne Anpassung der Vorschüsse nicht anfechten, selbst wenn diese einen Zeitraum betreffen, in dem er noch Miteigentümer war. Der Beschluss kann zwar seine Schuld reduzieren. Er bindet aber positiv wie negativ nur die Wohnungseigentümer und nicht mehr die ehemaligen Eigentümer. Ist eine Zahlungsklage gegen einen ausgeschiedenen Wohnungseigentümer anhängig, kann dieser die Reduzierung seiner Schuld durch die beschlossenen Abrechnungsergebnisse für sich reklamieren.503
5. Beschlussersetzungsklage Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 kann ein Wohnungseigentümer eine sogenannte Beschlusserset- 251 zungsklage erheben, wenn die Wohnungseigentümer eine notwendige Beschlussfassung unterlassen haben. Diese Klage kommt zunächst in Betracht, wenn die Wohnungseigentümer die vom Verwalter vorgelegten Abrechnungsergebnisse nicht beschließen und der Kläger die Ergebnisse für richtig hält. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass auch bei einem positiven Beschluss und nachfolgender Anfechtungsklage der Kläger zusätzlich einen Beschlussersetzungsantrag mit dem Inhalt stellen könne, das Gericht möge die richtigen Abrechnungsergebnisse feststellen. Als Begründung werden Argumente der Prozessökonomie angeführt. Wenn sich aufgrund der Anfechtungsklage ergäbe, dass die Werte falsch seien, könnten sie auch direkt in einem zweiten Schritt richtig festgestellt werden.504 Voraussetzung ist dafür aber, dass der Kläger in seinem Beschlussersetzungsantrag die neuen Abrechnungsergebnisse berechnet. Das wird in der Praxis, insbesondere bei größeren Gemeinschaften, nicht anzunehmen sein. Zweifelhaft ist dieser Weg auch deshalb, weil § 44 Abs. 1 Satz 2 nur von einem unterlassenen Beschluss und nicht von einem fehlerhaften Beschluss spricht. Die Beschlussersetzungsklage ist auf jeden Fall nicht fristgebunden.
500 LG München I v. 13.7.2022 – 1 S 2338/22, ZMR 2022, 817 = ZWE 2022, 362 mit Anmerkung Elzer. 501 So schon zur alten Rechtslage: OLG Karlsruhe v. 5.12.2002 – 11 W × 6/02, ZMR 2003, 290; BayObLG v. 10.1.1997 – 2Z BR 35/96, NJW-RR 1997, 715; OLG Hamm v. 24.3.1997 – 15 W 314/ 96, NJW-RR 1997, 970. 502 BGH v. 11.11.2011 – V ZR 45/11, NJW 2012, 1224 = MDR 2012, 81 = MietRB 2012, 44. 503 Siehe zur Rechtslage vor Inkrafttreten des WEMoG: OLG Düsseldorf v. 6.6.1997 – 3 Wx 420/96, WE 1997, 470 = DWE 1998, 86. 504 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 895 f. Jennißen | 1481
§ 28 WEG Rz. 252 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 252 Das Gericht kann nicht im Rahmen der Beschlussersetzungsklage die Abrechnungsergebnis-
se schätzen,505 wenn keine schlüssige Abrechnung vorliegt und der Kläger die richtigen Beträge nicht darzulegen weiß. Die Abrechnungsergebnisse setzen immer eine konkrete Abrechnung voraus. Würde auf Schätzungsbasis entschieden, kann es sich allenfalls um die Bestimmung einer Vorschusspflicht nach Abs. 1 Satz 1 handeln.
X. Fälligkeit von Forderungen, Abs. 3 253 Die Wohnungseigentümer können Beschlüsse zur Fälligkeit ihrer Forderungen und zur Art
ihrer Erfüllung fassen, Abs. 3. Die Vorschrift korrespondiert teilweise mit der früheren Regelung in § 21 Abs. 7 a.F. Soweit es um die Fälligkeit der Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer geht, ist ihre neue Verortung in § 28 Abs. 3 sachgerecht. § 21 Abs. 7 a.F. war insoweit unsystematisch angeordnet. 254 Mit dem Begriff „Forderungen“ sind sowohl die Wohngeldvorschüsse auf Basis des Wirt-
schaftsplans als auch die Anpassung der Vorschüsse auf Basis der Jahresabrechnung gemeint. Ebenso werden von dem Begriff Sonderumlagen erfasst.506 255 Das Gesetz schweigt zu der Frage, ob es sich um monatliche oder jährliche Vorschüsse han-
delt. Im Zweifel ist von monatlichen Vorschüssen auszugehen, weil für die gleichmäßige Verteilung der Beiträge in Raten ein praktisches Bedürfnis besteht. Die Fälligkeit können die Wohnungseigentümer nach Abs. 3 durch Mehrheitsbeschluss bestimmen. Somit ist es auch nicht unzulässig, das Jahreswohngeld fällig zu stellen. Verfallklauseln oder Vorfälligkeitsregelungen sind per Mehrheitsbeschluss zulässig.507 Der BGH508 hatte schon zur alten Rechtslage den Beschluss über eine Verfallklausel als Einzelfallregelung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend angesehen. Bei der Verfallklausel wird das Jahreswohngeld durch Beschluss sofort fällig gestellt und es den Wohnungseigentümern nachgelassen, dieses Jahreswohngeld in 12 gleichen Monatsraten zu leisten. Kommt ein Wohnungseigentümer mit zwei Monatsraten in Zahlungsverzug, verfällt das Recht auf Ratenzahlung. 256 Demgegenüber stellt eine Vorfälligkeitsregelung auf das monatliche Wohngeld ab. Kommt
ein Wohnungseigentümer mit zwei Monatsraten in Zahlungsverzug, wird der gesamte Jahreswohngeldbetrag sofort in einer Summe fällig. Im Ergebnis wollen beide Regelungen das Gleiche bewirken. Dogmatisch kommt aber die Vorfälligkeitsregelung einer Art Vertragsstrafe gleich. Dies blieb aber schon nach alter Rechtslage ohne Konsequenzen. Der Gesetzgeber hatte bereits in § 21 Abs. 7 a.F. die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer für beide Formen der Fälligkeitsregelung gestärkt.509 Das hat sich durch das WEMoG nicht geändert, sodass die Wohnungseigentümer das Jahreswohngeld in jeder Form beschließen und auch die Stundung unter Bedingungen stellen können.510 Wird die Vorfälligkeit oder der Stundungsverfall auf einen vor dem 1.7.2007 gefassten Beschluss gestützt, ist dieser weiterhin nichtig.511
505 A.A. Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 218. 506 LG Karlsruhe v. 1.6.2022 – 11 T 22/22, ZWE 2023, 50. 507 LG Köln v. 20.2.2014 – 29 S 181/13, ZWE 2014, 414 = MietRB 2014, 366; LG Lüneburg v. 3.2.2015 – 9 S 77/14, ZWE 2016, 53. 508 BGH v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, NZM 2003, 946 = ZMR 2003, 943 auf Vorlage des KG v. 28.4.2003 – 24 W 326/01, NZM 2003, 557 = ZMR 2003, 778. 509 Amtliche Begründung zur WEG-Novelle 2007, BT-Drucks. 16/887 in Bärmann/Pick, WEG Ergänzungsband zur 17. Aufl., S. 64. 510 LG Köln v. 20.2.2014 – 29 S 181/13, MietRB 2014, 366 für den Entfall der Stundungsabrede, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Zwangsverwaltung angeordnet wird. 511 LG München I v. 18.9.12 – 1 T 9832/11, ZMR 2013, 136.
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XI. Schuldner der Abrechnungsergebnisse | Rz. 260 § 28 WEG
Nach § 28 Abs. 2 a.F. waren die nach dem beschlossenen Wirtschaftsplan festgesetzten Vor- 257 schüsse nach Abruf durch den Verwalter zu leisten. Dies galt entsprechend auch für Sonderumlagen.512 Die Wohnungseigentümer konnten allerdings auch nach alter Rechtslage eine Fälligkeit beschließen. Dass es auf den Abruf des Verwalters ankam, galt also nur, wenn keine besondere Fälligkeit beschlossen worden war.513 Diese Möglichkeit sieht das Gesetz in Abs. 3 nicht mehr vor. Die Fälligkeit bestimmt sich daher ausschließlich nach dem Inhalt des Beschlusses, der allerdings auch durch Auslegung ermittelt werden kann. Im Zweifel gilt sofortige Fälligkeit. Wird die Fälligkeit kalendermäßig bestimmt, kommt der Wohnungseigentümer auch ohne Mahnung in Verzug, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Abs. 3 sieht auch eine Beschlusskompetenz für die Frage vor, wie die Forderungen zu erfül- 258 len sind. Hiervon wird die Befugnis erfasst, von den Wohnungseigentümern die Teilnahme am Lastschriftverfahren fordern zu können. Wird die Lastschriftermächtigung erteilt, hat die Gemeinschaft grundsätzlich davon Gebrauch zu machen. Unterlässt sie dies ohne sachlichen Grund, kommt der Wohnungseigentümer nicht in Verzug.514 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann diese Abrede nur dann kündigen, wenn der Wohnungseigentümer für keine ausreichende Deckung auf seinem Konto gesorgt hat oder unberechtigtermaßen gegen die Wohngeldforderung aufrechnen will.515
XI. Schuldner der Abrechnungsergebnisse 1. Wohnungseigentümer Mit der Eintragung ins Grundbuch wird der Erwerber Mitglied der Eigentümergemeinschaft. 259 An das Mitgliedschaftsrecht ist die Zahlungspflicht geknüpft. Der Abschluss eines Kaufvertrags und der schuldrechtliche Übergang von Lasten und Kosten gehen zwar in der Regel dem Eigentumsübergang voraus, sind aber wohnungseigentumsrechtlich irrelevant.516 Die Jahresabrechnung ist zwar wohnungsbezogen zu erstellen.517 Die Verpflichtung zur Zah- 260 lung von Wohngeld oder Nachschüssen ist entgegen der h.M. aber personenbezogen.518 Dies folgt aus dem Wortlaut des § 16, der in Abs. 2 von der Zahlungsverpflichtung und in Abs. 1 von dem Mitgebrauchsrecht des Wohnungseigentümers spricht. Nutzungsrecht und Zahllast bedingen somit einander. Andernfalls hätte der Gesetzgeber formulieren können, dass mit jeder Wohnung die Kostenlast verbunden ist, sodass diese wie eine nicht aus dem Grundbuch ersichtliche Zahllast an der Wohnung hängen und auf einen Rechtsnachfolger
BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, NJW 2018, 2044 = MDR 2018, 586. LG Köln v. 4.4.2019 – 29 S 189/18, ZMR 2019, 631. BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, NJW 2010, 3510 = NZM 2010, 826. BGH v. 29.1.2016 – V ZR 97/15, MDR 2016, 877 = NZM 2016, 445. Allg. Meinung, wonach es die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers, der schon Stimmrechte ausüben kann und Lasten zu tragen hat, nicht gibt: BGH v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1087; BayObLG v. 11.4.1990 – BReg. 2 Z 7/90, NJW 1990, 3216 = WE 1991, 367; OLG Celle v. 14.2.2002 – 4 W 6/02, ZWE 2002, 475; v. 4.8.2008 – 4 W 32/08, ZMR 2009, 52; Lüke in Weitnauer, 9. Aufl., nach § 10 WEG Rz. 6; Müller, Praktische Fragen, 1. Teil, Rz. 40. 517 So auch Köhler in Köhler, AHB-Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., Teil 6 Rz. 10. 518 BGH v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, NJW 1998, 3713; LG Köln v. 7.10.2010 – 29 S 57/10, ZMR 2011, 165; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 116; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 223; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 20; Hermann in BeckOGK, 1.12.2020, § 28 WEG Rz. 48. 512 513 514 515 516
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§ 28 WEG Rz. 260 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht übergehen könnte. Auch der BGH spricht von einer persönlichen Zahlungspflicht und lehnt einen dinglichen Charakter der Zahlungsansprüche ab.519 261 Die einzigen Ausnahmen, bei denen eine noch nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetra-
gene Person schon die Wohngeldlasten zu tragen hat, besteht für den Aufteiler des Objekts und den werdenden Wohnungseigentümer. Nach § 9a Abs. 1 S. 2 entsteht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher. Somit wird erster Schuldner des Wohngeldes der Aufteiler. Voraussetzung ist, dass er einen die Fälligkeit auslösenden Beschluss über das Wohngeld nach § 28 Abs. 1 S. 1 fasst. Die von ihm eine Wohnung Erwerbenden werden nach § 8 Abs. 3 wie ein Wohnungseigentümer behandelt, wenn die Übertragung von Wohnungseigentum durch Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch gesichert ist und dem Erwerber der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räume übergeben wurde. Dies gilt nicht für den Zweiterwerber, der nur durch Eigentumsumschreibung im Grundbuch Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird. 262 Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu (Bruchteilseigentümer), haften
diese für die Wohngeldzahlungen gesamtschuldnerisch.520 Für den Erben wird die Wohngeldschuld dann zu einer Eigenverbindlichkeit, wenn er die Erbschaft angenommen oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm die faktische Nutzungsmöglichkeit zusteht.521 Der Gesellschafter einer GbR haftet nicht nur für die Beträge, die bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft fällig geworden sind, sondern auch noch für die, die zwar erst nach seinem Ausscheiden beschlossen wurden, also fällig werden, sofern die Beträge einen Zeitraum betreffen, der vor seinem Ausscheiden liegt. Dann liegt eine sogenannte Altverbindlichkeit im Sinne von § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB vor.522
2. Veräußerung der Eigentumswohnung 263 Nach ganz herrschender Auffassung ist im Falle der Wohnungsveräußerung (sog. Zweit-
erwerb) der Übergang der Lasten nach dem Fälligkeitszeitpunkt zu bestimmen. Der Eigentümer hat nur das zu zahlen, was während seiner Zugehörigkeit zur Eigentümergemeinschaft wirksam beschlossen und fällig wurde, sog. Fälligkeitstheorie.523 264 Die Fälligkeitstheorie bewirkt hinsichtlich der Nachschusspflicht, dass die Gemeinschaft nur
gegenüber demjenigen Eigentümer Nachschüsse erheben darf, der zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit im Grundbuch eingetragen ist. Lediglich das Datum der Eigentumsumschreibung und nicht der Lasten- und Kostenübergang laut Kaufvertrag ist entscheidend. Nur ausnahmsweise bleibt der Veräußerer zahlungsverpflichtet, wenn die Auflassung524 oder der KaufverBGH v. 13.9.2013 – V ZR 209/12, MDR 2013, 1309 = MietRB 2013, 327 = NZM 2013, 733. LG Saarbrücken v. 13.4.2010 – 5 T 303/09, MietRB 2011, 124 = ZWE 2010, 416. BGH v. 5.7.2013 – V ZR 81/12, MDR 2013, 1045 = MietRB 2013, 267 = NZM 2013, 736. BGH v. 3.7.2020 – V ZR 250/19, ZMR 2020, 467 = MDR 2020, 1189. BGH v. 21.4.1988 – V ZB 10/87, MDR 1988, 765 = NJW 1988, 1910 = WuM 1989, 95 = DWE 1988, 135; v. 2.12.2011 – V ZR 113/11, ZWE 2012, 90 = ZMR 2012, 284; OLG Köln v. 15.1.2008 – 16 Wx 141/07, MietRB 2008, 173 = ZMR 2008, 478; v. 17.11.1988 – 16 Wx 116/88, MDR 1989, 359 = WuM 1989, 97; BayObLG v. 9.8.1989 – BReg. 2Z 144/86, WuM 1989, 656; v. 19.4.1990 – 1b Z 19/ 89, DWE 1990, 101; v. 21.7.1994 – 2Z BR 43/94, WuM 1995, 52; OLG Düsseldorf v. 4.5.1990 – 3 Wx 92/90, DWE 1990, 104; v. 17.8.2001 – 3 Wx 187/01, NZM 2001, 1039; OLG Frankfurt v. 23.10.1989 – 20 W 185/89, DWE 1990, 107; Schl.-Holst. OLG v. 28.12.1993 – 2 W 90/92, DWE 1994, 77; OLG Karlsruhe v. 7.11.2004 – 14 Wx 82/03, MietRB 2005, 127 = ZMR 2005, 310; Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 16 WEG Rz. 50; einschränkend Müller, Praktische Fragen, 6. Teil, Rz. 54, der auf den Beschlusszeitpunkt abstellt und einen abweichenden Fälligkeitszeitpunkt irrelevant sein lässt. 524 KG v. 28.2.2001 – 24 W 6976/00, NZM 2002, 129.
519 520 521 522 523
1484 | Jennißen
XI. Schuldner der Abrechnungsergebnisse | Rz. 267 § 28 WEG
trag nichtig ist.525 Selbst wenn es zu einer verzögerten Grundbucheintragung kommt, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, bleibt das Eintragungsdatum maßgebend.526 Hinsichtlich des Wohngeldes gilt die Zahlungsverpflichtung entsprechend, d.h., dass bis 265 zum Datum der Eigentumsumschreibung der Veräußerer das fällig gewordene Wohngeld schuldet und ab diesem Zeitpunkt der Erwerber. Rückstände des Veräußerers dürfen dem Erwerber nicht in Rechnung gestellt werden. Geschieht dies dennoch, ist der Beschluss nur anfechtbar und nicht nichtig.527 Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf abgestellt, dass nur derjenige zahlen müsse, der auch an der Beschlussfassung mitwirken kann. Würde beim Beschluss über die Nachschüsse nach dem Eigentumswechsel noch der Veräußerer verpflichtet, würde es sich um einen unzulässigen „Gesamtakt zu Lasten Dritter“ handeln,528 was selbst dann angenommen werden müsse, wenn der Veräußerer hinsichtlich anderer Wohnungen noch Miteigentümer sei.529 Umgekehrt soll aber der Erwerber haften, wenn die Zahlungsverpflichtung (Sonderumlage) noch vom Veräußerer mit beschlossen wurde, der Betrag aber erst nach Eigentumswechsel fällig wird,530 obschon es sich dabei ebenfalls um einen „Gesamtakt zu Lasten eines Dritten“ handelt. Nach der bis zum Inkrafttreten des WEMoG geltenden Rechtslage führte die Fälligkeitstheorie bei kon- 266 sequenter Anwendung dazu, dass dem Erwerber sowohl die negative als auch die positive Abrechnungsspitze zustand. Zahlte der Veräußerer das Wohngeld ordnungsgemäß, hatte der Erwerber einen etwaigen Nachzahlungsbetrag zu leisten und ihm stand auch das Guthaben zu, sofern der Beschluss über die Jahresabrechnung nach dem Eigentumswechsel gefasst wurde. Dabei haftete der Erwerber auch nach alter Rechtslage nicht für Wohngeldrückstände des Veräußerers. Diese waren schon zur Zeit seiner Mitgliedschaft fällig geworden und blieben durch den Eigentumswechsel ebenfalls als fällige Schuld des Veräußerers bestehen. Da die Abrechnungsspitze aber unabhängig davon errechnet wird, was der jeweilige Wohnungseigentümer an Wohngeldzahlungen tatsächlich geleistet hat, konnte die Konstellation entstehen, dass der Veräußerer das Wohngeld nicht entrichtete und trotzdem ein rechnerisches Guthaben bei der Abrechnungsspitze entstand. Dieses Guthaben war dann dem Erwerber auszuschütten, obschon für diese Wohnung kein Wohngeld gezahlt wurde. Fiel dann der Veräußerer wirtschaftlich aus und konnte seine Rückstände nicht nachentrichten, wurden diese fehlenden Wohngeldbeträge auf alle Wohnungseigentümer umgelegt, also sozialisiert, während der hieraus erwachsende Vorteil der positiven Abrechnungsspitze nur dem Erwerber zukam. Dieses Ergebnis wurde als unbillig angesehen.
Diese Unbilligkeit soll durch die Neuregelung beseitigt werden. Indem es in § 28 Abs. 2 Satz 1 267 heißt, dass die Wohnungseigentümer die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beschließen, wird deutlich, dass die positive Abrechnungsspitze gegen das Wohngeld zu rechnen ist und damit die Sollstellung reduziert. Dadurch entsteht aber eine neue Unbilligkeit. Die Guthaben werden dem Veräußerer angerechnet, während die Nachschüsse vom Erwerber zu entrichten sind.531 Dogmatisch begründen lässt sich dies dadurch, dass der Beschluss über die Nachschüsse eine neue Schuld begründet, während der Beschluss über die Anpassung der Vorschüsse die alte Schuld korrigiert. Rückwirkend den Veräußerer auch mit Nachschüssen zu belasten, würde als unzulässiger Beschluss zulasten Dritter angesehen, während die An525 KG v. 23.9.2002 – 24 W 230/01, ZMR 2003, 53 = WuM 2002, 683. 526 OLG Celle v. 4.8.2008 – 4 W 32/08, ZMR 2009, 52. 527 OLG Düsseldorf v. 4.5.1990 – 3 Wx 92/90, DWE 1990, 104; OLG Frankfurt v. 23.10.1989 – 20 W 185/89, DWE 1990, 107; BayObLG v. 21.7.1994 – 2Z BR 43/94, WuM 1995, 52; hingegen von mangelnder Beschlusskompetenz ausgehend, LG München I v. 20.12.2010 – 1 S 4319/10, ZWE 2011, 233. 528 BGH v. 21.4.1988 – V ZB 10/87, MDR 1988, 765 = NJW 1988, 1910; v. 2.12.2011 – V ZR 113/11, ZWE 2012, 90 = ZMR 2012, 284. 529 Hans. OLG Hamburg v. 18.6.2001 – 2 Wx 72/97, ZWE 2002, 424 = NZM 2002, 129. 530 OLG Karlsruhe v. 17.1.2004 – 14 Wx 82/03, MietRB 2005, 127 = ZMR 2005, 310; LG Saarbrücken v. 27.5.2009 – 5 S 26/08, ZWE 2009, 326. 531 Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 20210, § 7 Rz. 75; Wicke in Palandt, BGB, § 28 WEG Rz. 6. Jennißen | 1485
§ 28 WEG Rz. 267 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht passung der Vorschüsse ein zulässiger Beschluss zugunsten Dritter ist.532 Zwar vermittelt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung den Eindruck, als gelte diese Verrechnung nur für den negativen Fall, dass der Eigentümer seine Wohngeldverpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.533 Das ist aber mit dem Wortlaut nicht vereinbar. Das Gesetz formuliert keine Bedingung, dass Abrechnungsguthaben nur dann mit beschlossenen Vorschüssen zu verrechnen seien, wenn das Wohngeld nicht ordnungsgemäß entrichtet worden ist. Dies kann an folgenden Beispielen verdeutlicht werden: 268 Ausgangsfall: Der Veräußerer (V) hat im Abrechnungsjahr einen Wohngeldbetrag i.H.v. 500,- € nicht
entrichtet. Die Abrechnung endet mit einem Nachschuss i.H.v. 200,- €. Der Eigentumswechsel findet erst nach Ablauf des Abrechnungsjahres statt und die Nachschüsse werden zu einem Zeitpunkt beschlossen, als der Erwerber E schon Eigentümer geworden ist. Bei dieser Sachlage hat V weiterhin eine Schuld i.H.v. 500,- € und E schuldet die Nachzahlung i.H.v. 200,- €. Würde hingegen die Abrechnung mit einem Guthaben i.H.v. 700,- € enden, dann würde nach diesseitiger Meinung das Guthaben nach Verrechnung mit den Rückständen und somit i.H.v. 200,- € dem V ausgeschüttet, weil es insoweit zu einer nachträglichen Anpassung der Vorschüsse kommt. Die anderslautende Auffassung534 sieht auch eine Verrechnung mit den Zahlungsrückständen vor, lässt dann aber das Guthaben i.H.v. 200,- € dem E zukommen. 1. Abwandlung: Der Eigentumswechsel erfolgt am 30. Juni. Veräußerer V hat sein Wohngeld ordnungsgemäß entrichtet und Erwerber E hat nichts gezahlt. Es wird ein Überschuss i.H.v. 600,- € beschlossen. Dieses Guthaben ist nun i.H.v. 300,- € an V auszuzahlen und in Höhe von weiteren 300,- € mit Rückständen des E zu verrechnen. Entgegen der hier vertretenen Auffassung würde nach der Gegenmeinung535 das Guthaben ausschließlich dem E zustehen. Bei Eigentumswechsel im Abrechnungsjahr selbst macht der Gesetzeswortlaut nicht deutlich, wem nun gegenüber die Vorschüsse anzupassen sind. Dies hat nach hier vertretener Auffassung pro rata temporis zu geschehen, indem das Guthaben auf zwölf Monate gleichmäßig verteilt wird.536 Deshalb wird der Beschluss über die Anpassung der Vorschüsse auch als Korrekturbeschluss bezeichnet.537 Soweit dem vorstehenden Ergebnis entgegengehalten wird, der Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 sähe keine Auszahlungen, sondern nur Verrechnungen vor,538 folgert diese Meinung daraus, dass das Guthaben nur mit den Rückständen des E verrechnet werden dürfe.539 Aber auch diese Auffassung kann tatsächlich die Auszahlung von Guthaben nicht verhindern, wenn auch E sein Wohngeld ordnungsgemäß entrichtet hätte. Dann sind keine Rückstände zu verrechnen und es ist nicht erkennbar, warum nun das Guthaben ausschließlich E zustehen sollte.540 Becker geht noch einen Schritt weiter und schreibt auch dann nur dem K das Guthaben zu, wenn er keine Rückstände für die 2. Jahreshälfte hatte und V für die 1. Jahreshälfte nichts gezahlt hat. Er wendet die Fälligkeitstheorie weiterhin strikt an und lässt eine Aufteilung des Ergebnisses nicht zu.541 Er begründet dies damit, dass das Ergebnis nicht schon deshalb ein anderes sein dürfe, weil V säumig war und sich somit nicht ordnungsgemäß verhalten habe. Der säumige Wohnungseigentümer dürfe nicht bessergestellt werden, indem er dann einen Anspruch auf Verrechnung
532 Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 221. 533 BT-Drucks. 19/18791, S. 77. 534 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 322; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 44. 535 Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 44. 536 So auch Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 910 ff. 537 So Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 115. 538 So Volpp, ZWE 2020, 412, 414. 539 So Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 79. 540 So aber Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 44, der ein Guthaben nicht zeitanteilig aufteilt, sondern ausschließlich dem Erwerber zukommen lässt, wenn V und K ordnungsgemäß gezahlt haben. 541 Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 82.
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XI. Schuldner der Abrechnungsergebnisse | Rz. 269 § 28 WEG mit einem etwaigen Abrechnungsguthaben haben würde.542 Diese Argumentation überzeugt aber deshalb schon nicht, weil nach diesseitiger Auffassung das Abrechnungsguthaben stets pro rata temporis aufzuteilen ist, unabhängig davon, ob der Veräußerer noch Rückstände hat oder nicht. 2. Abwandlung: Bei gleichem Datum des Eigentumswechsels und gleichem Überschuss hat nun V 200 Euro und E 250 Euro zu wenig gegenüber den beschlossenen Vorschüssen gezahlt. Das Guthaben von 600 Euro ist nach hier vertretener Auffassung wieder zeitanteilig aufzuteilen. 300 Euro entfallen auf V, der dann noch einen Auszahlungsanspruch gegen die Gemeinschaft i.H.v. 100 Euro hat. E hat nach Verrechnung mit seinen Schulden noch Anspruch auf Auszahlung von 50 Euro. Nach Auffassung von Greiner543 könnte sich die Gemeinschaft in diesem Fall aussuchen, wem und in welcher Höhe sie den Betroffenen das Guthaben anrechnet. 3. Abwandlung: Würde das Guthaben nur 300 Euro betragen, wäre nach hier vertretener Auffassung der Betrag jeweils zur Hälfte auf E und V zu verteilen (25 Euro je Monat Anspruchsvernichtung), sodass V noch 50 Euro und E noch 100 Euro schulden. 4. Abwandlung: V hat für die 1. Jahreshälfte nichts entrichtet und E hat für seine 2. Jahreshälfte die Vorschüsse ordnungsgemäß entrichtet. Ein Guthaben i.H.v. 300 Euro würde wiederum auf V und E aufgeteilt werden, da beide auch das Guthaben anteilig „erwirtschaftet“ haben.544 5. Abwandlung: V und E haben im Jahr des Eigentumswechsels beide ordnungsgemäß gezahlt. Das Abrechnungsguthaben beträgt 600,- €. Dieser Fall enthält nach diesseitiger Auffassung keine Besonderheit, da das Guthaben in gleicher Höhe auf V und E zu verteilen ist. Nach der Gegenmeinung erhält nur E das gesamte Guthaben.545
Soweit argumentiert wird, die Zahlungsverpflichtungen seien objekt- und nicht personenbe- 269 zogen zu sehen,546 würde dies im Ausgangsfall zu dem Ergebnis führen, dass der beschlossene Überschuss i.H.v. 700 Euro zunächst i.H.v. 500 Euro gegen die Rückstände des V zu rechnen wäre und dann E ein auszuzahlendes Guthaben von 200 Euro zustünde.547 Die Gesetzesbegründung lässt beide Ergebnisse zu, will der Gesetzgeber doch nur vermeiden, dass eine Rückzahlung von Überschüssen erfolgt, obwohl Vorschüsse nicht erbracht wurden.548 Der Gesetzgeber scheint aber nur den Fall vor Augen gehabt zu haben, dass der Erwerber Überschüsse ausgezahlt bekommt, obschon der Veräußerer noch Zahlungsrückstände hat. Den Fall, dass beide noch Zahlungsrückstände haben, scheint der Gesetzgeber nicht bedacht zu haben. Eine ratierliche Verrechnung der Überschüsse führt dabei zu dogmatisch sauberen Ergebnissen, weil die Wohngeldverpflichtungen in der Regel ebenfalls monatlich entstanden sind und die Abrechnung über diese Vorschüsse zu einer monatlichen Reduktion der Forderungen der Gemeinschaft führt. Dass die Überschüsse zunächst immer vollständig gegen Fehlbeträge der Vorschüsse zu verrechnen seien, bringt der vorrangig zu berücksichtigende Gesetzeswortlaut eben nicht zum Ausdruck. Das Ziel des Gesetzgebers, es zu vermeiden, dass „Pseudoguthaben“ an den Erwerber ausgeschüttet werden, obwohl der Veräußerer noch Rückstände hat,549 erfordert es, dass positive Abrechnungsspitzen zunächst gegen Wohngeldrückstände gerechnet werden. Geschieht dies ratierlich, entstehen für das Jahr des Eigentumswechsels gerechte Ergebnisse. Die Wohngeldschuld ist nach diesseitiger Auffassung per-
542 So Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 322. 543 Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 44. 544 A.A. Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 83, die nun das Guthaben ausschließlich V gutbringen wollen. 545 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 322; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 44. 546 BGH v. 30.11.1995 – V ZB 16/95, MDR 1996, 897 = ZMR 2016, 215; Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 223. 547 In diese Richtung argumentierend: Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 118 ff. 548 BT-Drucks. 19/18791, S. 77. 549 BT-Drucks. 19/18791, S. 77. Jennißen | 1487
§ 28 WEG Rz. 269 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht sonenbezogen (s. Rz. 260). Sie ist keine Jahresschuld und der Wortlaut des § 28 Abs. 2 verlangt eine Verrechnung mit den beschlossenen Vorschüssen, also mit den Teilbeträgen. 270 In der Gesetzesbegründung verweist der Gesetzgeber auf Häublein,550 der sich schon vor der
WEG-Novelle dafür aussprach, das Guthaben nicht ausschließlich dem Erwerber zur Verfügung zu stellen. Er will aber das Ergebnis nicht pro rata temporis aufteilen, sondern es der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer überlassen, wie sie gegenüber Veräußerer und/oder Erwerber aufrechnet.551 Sie soll sich gewissermaßen den ihr günstigeren Schuldner aussuchen können. Dies führt aber zu einer Art Gesamtschuldnerschaft, für die sich weder im Wortlaut des § 28 noch im System des Wohnungseigentumsrechts eine Stütze findet.552 Eine Mithaft von Veräußerer und Erwerber ist nur denkbar, wenn eine solche in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen ist. Ein gleichlautender Beschluss wäre nichtig.553 Das Recht der Gemeinschaft, die Überschüsse beliebig im Fall des Eigentümerwechsels dem Veräußerer oder dem Erwerber zurechnen zu können, ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Dort heißt es gerade nicht, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Überschüsse verrechnen oder aufrechnen könne. Die Formulierung „Anpassung der beschlossenen Vorschüsse“ zeigt den Automatismus und lässt gerade keinen Gestaltungsspielraum der Gemeinschaft zu. 271 Die hier vertretene Auffassung, dass Überschüsse zeitanteilig aufzuteilen sind, falls es im Ab-
rechnungsjahr zu einem Eigentümerwechsel gekommen ist, kommt der schon in den Vorauflagen vertretenen Aufteilungstheorie nahe. Diese führte zu einer zeitanteiligen Aufteilung der Abrechnungsergebnisse, und zwar auch der Nachzahlungsbeträge. Dass nach der Neuregelung Nachschüsse von einem ausgeschiedenen Wohnungseigentümer und somit von einem Dritten gefordert werden sollen, ist nicht anzunehmen. Eine Aufteilung der Nachschüsse kommt somit nicht mehr in Betracht. Andernfalls läge ein Beschluss zulasten Dritter (Veräußerer) vor, der nichtig wäre. Dies ist aber bei Guthaben anders, als dort eine Anpassung der beschlossenen Vorschüsse vorgesehen ist. Die Vorschrift könnte also dahingehend gelesen werden, dass diese auch eine Verrechnung mit vom Veräußerer beschlossenen Vorschüsse zulässt. Anders als bei den Nachschüssen ist also bei Guthaben die Person des Gläubigers offen. Somit passt sich bei Guthaben die jetzt modifizierte Fälligkeitstheorie durch den Wortlaut von § 28 Abs. 2 Satz 1 der Aufteilungstheorie an. 272 Die hier geäußerte Auffassung entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 103 BGB. Da-
nach hat derjenige, der verpflichtet ist, die Lasten einer Sache bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu tragen, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten nach dem Verhältnis der Dauer seiner Verpflichtung zu entrichten. Wohnungs-eigentumsrechtlich sind die regelmäßig wiederkehrenden Lasten das Wohngeld. Der Beschluss über das Guthaben vernichtet rückwirkend den Anspruch auf Zahlung des Wohngeldes in dieser Höhe.
3. Ersteher in der Zwangsversteigerung 273 Nach § 56 Satz 2 ZVG hat der Ersteher die Lasten des Grundstücks vom Zuschlag an zu
tragen. Unter „Lasten“ i.S.d. § 56 Satz 2 ZVG sind die öffentlichen und privatrechtlichen Lasten zu verstehen, die aus dem Grundstück zu entrichten sind und daher den Eigentümer betreffen. Da der Begriff der Lasten weit zu verstehen ist, folgen hieraus auch die Kosten i.S.v.
550 Häublein in Staudinger, BGB, 2018, § 28 WEG Rz. 225 f.; folgend Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 44. 551 Dem folgend: Wicke in Palandt, BGB 80. Aufl., § 28 WEG Rz. 6. 552 Ebenso Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 324, 553 LG München I v. 20.12.2010 – 1 S 4319/10, ZMR 2012, 297.
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XI. Schuldner der Abrechnungsergebnisse | Rz. 276 § 28 WEG
§ 16 Abs. 2. Der Ersteher hat erst ab dem Zuschlagszeitpunkt die Lasten der Eigentumswohnung zu tragen. Eine Auffassung, die ihm das Risiko aufbürdet, Nachzahlungsbeträge des Veräußerers für Abrechnungszeiträume entrichten zu müssen, die vor der Ersteigerung liegen, ist mit dem Wortlaut des § 56 Satz 2 ZVG nicht vereinbar.554 Werden die Vor- oder Nachschüsse nach dem Zuschlag beschlossen und enthalten sie Zahlungsrückstände des Voreigentümers, ist dieser Beschluss nichtig und muss nicht vom Ersteher angefochten werden.555 Hinsichtlich eines Überschusses ist nach dem hier vertretenen Ergebnis eine rückwirkende 274 Anpassung der Vorschüsse vorzunehmen, sodass dieses beim Eigentumsübergang während des Abrechnungsjahres anteilig dem Schuldner und dem Ersteher zugutekommt. Allenfalls fraglich ist, ob das Nachzahlungsergebnis im Sinne einer reinen Abrechnungsspitze ausschließlich vom Ersteher zu tragen ist. Dafür spricht, dass der Beschluss über die Nachschüsse eine neue Schuld begründet. Da diese Schuld auch von der Jahresabrechnung weitgehend losgelöst wird, lässt sich dieses Ergebnis auch nicht mehr anhand konkreter Kosten der Zeit vor und nach dem Zuschlagsbeschluss zuordnen. Indem der Gesetzgeber nicht formuliert hat, dass die Nachschüsse zu einer rückwirkenden Erhöhung der beschlossenen Vorschüsse führen, verbietet sich eine insoweit rückwärtsgerichtete Betrachtungsweise. Es entsteht eine neue Schuld, die nur vom Ersteher zu tragen ist.
4. Vereinbarungen zur Haftung des Erwerbers/Erstehers Die Wohnungseigentümer können durch Vereinbarung, die in das Grundbuch einzutragen 275 ist, regeln, dass der Erwerber für Zahlungsrückstände des Veräußerers haftet.556 Das Erfordernis der Grundbucheintragung wird hierbei als ausreichende Schutzvorrichtung zugunsten des Erwerbers angesehen. Er kann seine Haftungsrisiken vorab erkennen. Ist in einer Gemeinschaftsordnung von der Haftung des Erwerbers für Zahlungsrückstände 276 des Veräußerers die Rede, kann aber dem Wort „Erwerber“ nicht der „Ersteher“ in der Zwangsversteigerung gleichgesetzt werden.557 Gegenüber dem Ersteher kann keine Haftung für Rückstände des Veräußerers wirksam vereinbart werden, da eine solche Regelung nicht mit der Vorschrift des § 56 Satz 2 ZVG vereinbar ist.558 Ist in der Gemeinschaftsordnung die Haftung des Erwerbers für rückständige Beträge des Veräußerers vorgesehen, umfasst diese auch eine fällige Sonderumlage.559
554 BGH v. 27.6.1985 – VII ZB 16/84, MDR 1985, 1017 = DWE 1985, 121; v. 10.3.1994 – IX ZR 98/ 93, MDR 1994, 1113 = NJW 1994, 1866; OLG Düsseldorf v. 20.10.2000 – 3 Wx 283/00, ZWE 2001, 77 = ZMR 2001, 55; a.A. BayObLG v. 21.7.1994 – 2Z BR 43/94, WuM 1995, 52; OLG Köln v. 31.8.2001 – 16 Wx 137/01, NZM 2002, 351. 555 Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 16 WEG Rz. 51; BGH v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, MDR 2000, 21 (Riecke) = ZWE 2000, 29 = DWE 1999, 164 = NZM 1999, 1101. 556 BGH v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, MDR 1994, 580 = NJW 1994, 2950; BayObLG v. 7.3.2002 – 2Z BR 151/01, WE 1997, 229 = NJW-RR 1997, 906; v. 7.3.2002 – 2Z BR 151/02, DWE 2002, 100 = ZWE 2002, 265 = NZM 2002, 492. 557 BGH v. 13.10.1983 – VII ZB 4/83, MDR 1984, 222 = NJW 1984, 308; v. 22.1.1987 – V ZB 3/86, MDR 1987, 485 = NJW 1987, 1638; OLG Düsseldorf v. 14.2.1997 – 3 Wx 588/96, MDR 1997, 820 = DWE 1997, 167. 558 Ebenso BGH v. 27.6.1985 – VII ZB 16/84, MDR 1985, 1017 = NJW 1985, 2717; v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, MDR 1994, 580 = NJW 1994, 2950, 2952; OLG Düsseldorf v. 23.6.1995 – 3 Wx 167/ 95, DWE 1996, 33. 559 BayObLG v. 13.6.1996 – 2Z BR 49/96, ZMR 1996,619. Jennißen | 1489
§ 28 WEG Rz. 277 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht
5. Beschlüsse zur Haftung des Erwerbers/Erstehers 277 Die Wohnungseigentümer können eine Haftung des Erwerbers für Zahlungsrückstände des
Veräußerers nicht beschließen.560 Hierbei würde es sich um einen unzulässigen Beschluss zu Lasten eines Dritten handeln. Ein Beschluss, der die Haftung des Erwerbers für Zahlungsrückstände des Veräußerers erstmalig begründet, und zwar zu einem Beschlusszeitpunkt, als der Erwerber schon Eigentümer ist, ist lediglich anfechtbar und nicht nichtig.561 Etwas anderes gilt, wenn die Wohnungseigentümer die Zahlungsrückstände des Veräußerers aus früheren Jahren nochmals in einer späteren Beschlussfassung vortragen und über diese beschließen lassen. Ein solcher Beschluss ist nichtig, da durch bloße Beschlusswiederholung nicht der Schuldner ausgetauscht oder eine Gesamtschuld begründet werden kann.562 278 Problematisch sind lediglich Beschlüsse, die die Fälligkeit von Sonderumlagen oder Nach-
schüssen aus der Jahresabrechnung hinauszögern und es dann in der Zwischenzeit zu einem Eigentumswechsel kommt. Die bisher von der h.M. vertretene Fälligkeitstheorie lässt Erwerber oder Ersteher für diese Beträge einstehen.563 Sie stellt ausschließlich auf die Fälligkeit der Schuld und nicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung ab. 279 Nach hier vertretener Auffassung ist Schuldner des jeweiligen Betrages der Wohnungseigen-
tümer, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Grundbuch eingetragen ist (abgesehen vom werdenden Wohnungseigentümer). Das Hinauszögern der Fälligkeit kann nicht zu einem Schuldnerwechsel führen.564 Der Anspruch der Gemeinschaft ist begründet worden und die Wirksamkeit des Beschlusses kann auch nur von einem Wohnungseigentümer gerichtlich überprüft werden, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gemeinschaft angehört. Würde durch die hinausgezögerte Fälligkeit der Erwerber belastet, handelt es sich um einen unzulässigen Beschluss zu Lasten Dritter. Dies gilt selbst dann, wenn der Dritte im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht feststeht.
6. Haftung des Zwangsverwalters 280 Nach § 155 ZVG kann der Zwangsverwalter aus den Nutzungen die Ausgaben der Verwal-
tung bestreiten (siehe zur Zwangsverwaltung auch Rz. 344 ff.). Nutzungen und Ausgaben korrespondieren miteinander. Ab Beschlagnahme kann der Zwangsverwalter die Nutzungen ziehen und schuldet damit ab diesem Zeitpunkt die Übernahme des Wohngelds, § 156 Abs. 1 Satz 2 ZVG. Unter Anwendung der Fälligkeitstheorie hat der Zwangsverwalter alle die Beträge zu bedienen, die nach Anordnung der Zwangsverwaltung fällig geworden sind. Dies gilt auch für Abrechnungsspitzen, selbst wenn diese einen Zeitraum umfassen, in dem der Zwangsverwalter noch nicht bestellt war. Nach der Fälligkeitstheorie ist maßgebend, ob die Beträge erst nach seiner Bestellung beschlossen wurden. Der Zwangsverwalter haftet nicht für Fehlbeträge des Schuldners.565 Wurde bis zum WEMoG angenommen, dass der Zwangsverwalter auch dann nicht haftet, wenn der Beschluss über die insoweit fehlerhafte und ihn belastende Jahresabrechnung von ihm nicht angefochten und somit bestandskräftig 560 LG München I v. 20.12.2010 – 1 S 4319/10, ZWE 2011, 233 = DWE 2011, 78. 561 S.a. OLG Köln v. 24.1.1997 – 16 Wx 2/97, WE 1997, 431; BayObLG v. 9.7.1991 – BReg. 2 Z 72/91, NJW-RR 1992, 14; a.A. Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 16 WEG Rz. 51. 562 Im Ergebnis ebenso KG v. 8.11.1995 – 24 W 5582/95, DWE 1996, 29; Bub, Finanz- und Rechnungswesen, 3. Aufl., S. 156. 563 So LG Saarbrücken v. 27.5.2009 – 5 S 26/08, NZM 2009, 590; kritisch Müller, Praktische Fragen, 6. Teil Rz. 54. 564 So auch Elzer, ZWE 2018, 153; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 Rz. 256; im Ergebnis gleichfalls, allerdings einen Verwalterwechsel betreffend: BGH v. 16.2.2018 – V ZR 89/17, NJW 2018, 1969. 565 OLG München v. 12.3.2007 – 34 Wx 114/06, MietRB 2007, 145 = NZM 2007, 452.
1490 | Jennißen
XI. Schuldner der Abrechnungsergebnisse | Rz. 285 § 28 WEG
wurde,566 hat sich das Ergebnis trotz anderer Begründung nicht geändert. Zwar wird nicht mehr über die Jahresabrechnung abgestimmt. Dennoch ist weiterhin ein Beschluss, der über die Nachschüsse hinausgeht und nicht gezahlte, aber schon fällig gewordene Beträge enthält (Abrechnungssaldo), mangels Beschlusskompetenz nichtig. Durch die Zwangsverwaltung wird der Schuldner nicht von den Zahlungspflichten befreit. 281 Er kann weiterhin in Anspruch genommen werden.567 Steht die Wohnung leer oder ist vom säumigen Wohnungseigentümer selbst bewohnt, erzielt 282 der Zwangsverwalter keine Einnahmen und kann das Wohngeld nicht bedienen. Haben die Wohnungseigentümer die Zwangsverwaltung betrieben, wurde bis zur Entscheidung des BGH568 in der Praxis häufig der Weg gewählt, aus Mitteln der Eigentümergemeinschaft dem Zwangsverwalter entsprechende Liquidität zur Verfügung zu stellen, damit dieser daraus dann das Wohngeld entrichtete. Damit hatte die Eigentümergemeinschaft zwar noch keine echte Liquidität geschaffen, weil sie die Wohngeldzahlungen des Zwangsverwalters selbst finanzierte. Es wurde aber die Auffassung vertreten, dass diese Vorschüsse an den Zwangsverwalter im Falle der Zwangsversteigerung vorrangig aus den Erlösen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu bedienen wären. Somit hätte die Eigentümergemeinschaft dann über den Verteilungsplan vorrangig das geschuldete Wohngeld erhalten. Der BGH hat diese Praxis als unzulässig gewertet, da die Vorrangigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG nur für werterhöhende Maßnahmen bestehe, die dazu dienen, das Sondereigentum zu reparieren, Verwüstungen durch den Eigentümer oder seinen Mieter zu verhindern und zu beseitigen, die Feuerversicherung zu decken oder sonstige Sicherungsmaßnahmen für das Sondereigentum des Schuldners zu treffen. Die an den Zwangsverwalter geleisteten Vorschusszahlungen zur Deckung des laufenden Wohngeldes sind hierunter nicht zu subsumieren, sodass die Auffassung des BGH zutreffend ist, diese Zahlungen nicht unter § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu privilegieren. Auch § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG hilft nicht weiter, da es zu einem Verteilungsplan nicht kommen kann, wenn der Zwangsverwalter keine Einnahmen erzielt. Der Zwangsverwalter ist nicht nur zur Zahlung des lfd. Wohngeldes, sondern auch zur Zah- 283 lung von Sonderumlagen und Abrechnungsspitzen verpflichtet.569 Der Gesetzgeber wollte durch den 2007 abgeänderten § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG die Stellung der Wohnungseigentümer in der Zwangsversteigerung verbessern, nicht jedoch ihre Rechtsstellung in der Zwangsverwaltung verschlechtern. Stehen mehrere Wohnungen desselben Schuldners unter Zwangsverwaltung, darf der Zwangs- 284 verwalter die Einnahmen nicht verrechnen. Er darf das Wohngeld der jeweiligen Wohnung nur aus Einnahmen für diese Wohnung bedienen.570
7. Haftung des Insolvenzverwalters Anders verhält es sich beim Insolvenzverfahren. Hier sieht § 286 InsO für natürliche Per- 285 sonen vor, dass diese einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen können und sodann die Schuldbefreiung eintritt, wenn der Schuldner in einem Zeitraum von drei Jahren nach der 566 OLG München v. 12.3.2007 – 34 Wx 114/06, MietRB 2007, 145 = NZM 2007, 452. 567 OLG München v. 12.10.2006 – 32 Wx 124/06, MietRB 2007, 41 = ZMR 2007, 216; LG Dresden v. 30.8.2005 – 2 T 0068/05, ZMR 2006, 77. 568 BGH v. 10.4.2003 – IX ZR 106/02, MDR 2003, 1074 = MietRB 2003, 76 = NJW 2003, 2162 = NZM 2003, 602 = WuM 2003, 391; vgl. auch § 28 Rz. 247 f. 569 BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 21/07, MDR 2009, 652 = MietRB 2009, 171 = NZM 2009, 243; LG Köln v. 16.10.2008 – 6 T 437/08, MietRB 2009, 79 = NZM 2008, 936; AG Langenfeld v. 15.4.2009 – 64 C 156/08, ZMR 2009, 879; a.A. Schneider, NZM 2008, 918; Schneider, ZWE 2010, 77. 570 BGH v. 20.11.2008 – V ZB 81/08, MietRB 2009, 75 = ZMR 2009, 294. Jennißen | 1491
§ 28 WEG Rz. 285 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht Eröffnung des Insolvenzverfahrens den pfändbaren Anteil seiner laufenden Bezüge an einen Treuhänder abtritt, damit dieser die Gläubiger anteilig befriedigen kann, § 287 Abs. 2 InsO. Nach Ablauf von drei Jahren erlöschen nicht getilgte Forderungen, sodass spätestens dann der Wohngeldausfall feststeht, §§ 287, 301 InsO. Wohngeldverpflichtungen, die den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung betreffen, und zeitanteilige Abrechnungsergebnisse aus diesem Zeitraum stellen grundsätzlich einfache Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO dar.571 Allerdings eröffnen die nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigten Wohngeldansprüche der Gemeinschaft einen Absonderungsanspruch.572 Der Insolvenzverwalter muss insoweit die Zwangsversteigerung dulden. Somit sind hierdurch die Wohngeldansprüche, die vor der Insolvenzeröffnung im Jahr der Eröffnung und den letzten zwei Jahren fällig geworden sind, soweit sie fünf Prozent des Verkehrswertes nicht überschreiten, insolvenzrechtlich privilegiert. 286 Alle Beträge, die nach Insolvenzeröffnung fällig werden, sind vom Insolvenzverwalter aus
der Masse zu zahlen, alle davor sind einfache Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO. Nur für letztere besteht die privilegierte Zwangsversteigerungsmöglichkeit in Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG.573 287 Dabei wirkt die Insolvenzeröffnung wie eine Beschlagnahme.574 Gibt der Insolvenzverwalter
die Wohnung frei, ist eine Zwangsvollstreckung in die Wohnung wieder möglich, weil es sich bei der privilegierten Wohngeldforderung bis zur Höhe von 5 % des Verkehrswertes um einen zu Lasten des Schuldners verdinglichten Betrag handelt,575 der allerdings weiterhin einen persönlichen, nämlich schuldnerbezogenen Einschlag hat. Die Wohnung unterliegt nicht mehr der Beschlagnahme. Der Sondereigentümer wird erneut zum Schuldner des Wohngelds.576 Die Zwangsvollstreckung setzt dann einen Titel gegen den Schuldner voraus. Will der Schuldner freihändig verkaufen und konnte die Wohnungseigentümergemeinschaft noch keine Zwangssicherungshypothek eintragen, können die Rechte durch dinglichen Arrestantrag gesichert werden.577 Gibt der Insolvenzverwalter nicht frei, kann er auf Duldung der Zwangsversteigerung verklagt werden, und zwar i.H.v. 5 % des Verkehrswertes. Aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG folgt, dass für Ansprüche auf Wohngeld ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück besteht, das im Insolvenzverfahren zu einem Absonderungsrecht führt.578 288 Kann der Insolvenzverwalter die Wohngeldschuld nicht erfüllen, wird er die Eigentumswoh-
nung ohne weiteres aus der Insolvenzmasse freigeben, wovon er insbesondere Gebrauch machen wird, wenn die Wohnung sehr hoch mit Grundschulden oder Hypotheken belastet ist und somit keine eigene Verwertungschance bietet. Durch die Freigabe entfällt seine Zahlungsverpflichtung. Wenn nicht freigegeben wird, hat der Insolvenzverwalter das Wohngeld aus der Masse zu bedienen, sog. sonstige Masseverbindlichkeiten gem. § 55 InsO.579 Kann der Insolvenzverwalter das Wohngeld aus der Masse nicht bedienen, hat er sog. Massearmut anzuzeigen, § 208 InsO. Durch die Anzeige werden die seit der Insolvenzeröffnung entstandenen Wohngeldverbindlichkeiten zu Altmasseverbindlichkeiten, die nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden können.580 Nimmt der Insolvenzverwalter nach der Masse-
571 572 573 574 575 576 577 578 579 580
Sinz in Uhlenbruck, 15. Aufl., § 55 InsO Rz. 35. BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 120/10, MDR 2011, 1160 = MietRB 2011, 346. BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 120/10, MDR 2011, 1160 = MietRB 2011, 346 = NJW 2011, 3098. BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 120/10, MDR 2011, 1160 = MietRB 2011, 346. S. hierzu LG Berlin v. 17.8.2007 – 55 T 112/06 WEG, ZMR 2008, 244; AG Koblenz v. 10.12.2009 – 133 C 1461/09, ZMR 2010, 568. LG Berlin v. 17.8.2007 – 55 T 112/06 WEG, ZMR 2008, 244. AG Kerpen v. 14.7.2008 – 26 C 27/2008, ZMR 2009, 323. LG Berlin v. 22.7.2009 – 85 S 18/09 WEG, IMR 2010, 197. OLG Düsseldorf v. 28.4.2006 – I-3 Wx 299/05, ZMR 2007, 204 = NZM 2007, 47. OLG Düsseldorf v. 28.4.2006 – I-3 Wx 299/05, ZMR 2007, 204 = NZM 2007, 47.
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XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge | Rz. 290 § 28 WEG
unzulänglichkeitsanzeige Mieten für diese Wohnung entgegen, entstehen Neumasseschulden i.S.v. § 209 InsO.581 Diese können dann wieder mit der Leistungsklage verfolgt werden. Allerdings kann hiergegen der Insolvenzverwalter erneut die Masseunzulänglichkeit einwenden, was er darzulegen und zu beweisen hat. Dann wird die Leistungsklage erneut unzulässig.582 Der Insolvenzverwalter kann sich aber nach § 61 InsO schadensersatzpflichtig machen, wenn er weder die Immobilie freigibt noch hinreichende Vermietungsaktivitäten unternimmt. Dieser Schadensersatzanspruch ist nicht beim Wohnungseigentumsgericht geltend zu machen,583 da die Masseunzulänglichkeitsprüfung nicht dem Schutz eines einzelnen Gläubigers dient.584 Er setzt subjektiv voraus, dass der Insolvenzverwalter die Massearmut erkennen konnte. Die Nichtfreigabe der Wohnung führt auch in der Regel zu einem kausalen Schaden, da im Falle der Freigabe und der dann möglichen Zwangsversteigerung die Forderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG in der Rangklasse 2 relativ vorrangig bedient worden wären. Es kann unterstellt werden, dass die Versteigerung stattgefunden hätte. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Schadensersatzanspruch nur auf das negative Interesse gerichtet ist.585 Wird wegen der Zahlungsunfähigkeit des Wohnungseigentümers der Wohngeldausfall durch 289 einen Umlagebeschluss verteilt, ist an diesem auch anteilig der Insolvenzverwalter (gleichermaßen der Zwangsverwalter) zu beteiligen. Dieser Umlageanteil wegen des Fehlbetrages des Schuldners stellt Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 InsO dar.
XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge 1. Vollmacht zur Geltendmachung Befindet sich ein Wohnungseigentümer mit seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der 290 Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Zahlungsverzug, kann der Verwalter die Rückstände für die Gemeinschaft gerichtlich geltend machen. Die hierzu notwendige Vertretungsmacht besitzt der Verwalter nach § 9b Abs. 1. Entgegen der früheren Rechtslage muss sich der Verwalter also nicht erst hierzu durch Beschluss, Vereinbarung oder Verwaltervertrag legitimieren lassen.586 Für die Geschäftsführungskompetenz nach § 27 ist hingegen ein Beschluss oder eine Bevollmächtigung im Verwaltervertrag erforderlich, sofern es sich nicht um eine Maßnahme von untergeordneter Bedeutung handelt, der Streitwert also relativ gering ist.587 Allerdings könnte ihm im Innenverhältnis nach § 27 Abs. 2 die Geschäftsführungsbefugnis hierzu weiter eingeschränkt werden. Denkbar ist es somit, dass der Verwalter die gerichtliche Beitreibung erst ab einer bestimmten Mindesthöhe einleiten darf oder er zuvor die Zustimmung des Beirats einholen müsste. Solche Einschränkungen sind aber nicht vom Gericht zu prüfen588, selbst wenn sie vom Klagegegner eingewandt würden. Sie betreffen nur das Innenverhältnis und könnten einen Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter auslösen, der aber ausschließlich der Gemeinschaft und nicht dem Beklagten zusteht. Der
AG Neukölln v. 23.5.2005 – 70 II 222/04 WEG, ZMR 2005, 659. OLG Düsseldorf v. 28.4.2006 – I-3 Wx 299/05, ZMR 2007, 204. A.A. OLG Düsseldorf v. 28.4.2006 – I-3 Wx 299/05, ZMR 2007, 204. BGH v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, MDR 2011, 133 = ZMR 2011, 310. S. hierzu Sinz in Uhlenbruck, 15. Aufl., § 61 InsO Rz. 16. OLG Hamm v. 29.5.2008 – 15 Wx 43/08, NZM 2009, 90 = NJW 2009, 924. Eine geltend zu machende Forderung i.H.v. 50.000,- Euro hält der BGH nicht mehr für untergeordnet im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG, v. 16.9.2022 – V ZR 180/21, ZMR 2023, 52 = MDR 2022, 1402. 588 BGH v. 16.9.2022 – V ZR 180/21, ZMR 2023, 52 = MDR 2022, 1402. 581 582 583 584 585 586 587
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§ 28 WEG Rz. 290 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht Verwalter darf auch den Eigentümern Liste offenbaren, die die säumigen Wohnungseigentümer enthält. Dies stellt keinen Verstoß gegen die DSGVO dar.589 290a Fehlt ein Verwalter, können die finanziellen Ansprüche von der GdWE, diese vertreten durch
alle Wohnungseigentümer gemeinschaftlich, mit Ausnahme des Beklagten, geltend gemacht werden. Besteht die Gemeinschaft nur aus zwei Wohnungseigentümern, von denen einer säumig ist, vertritt die GdWE der andere Wohnungseigentümer alleine.590 291 Eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, wonach der Verwalter fehlendes Wohngeld
nach schriftlicher erfolgloser Mahnung einklagen darf, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage. Hat der Verwalter nicht gemahnt, führt ein Anerkenntnis möglicherweise zur Kostenlast der Eigentümergemeinschaft, weil der Beklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben hat. Die fehlende Mahnung ist jedoch nicht Klagevoraussetzung und schränkt nicht die Vollmacht des Verwalters zur Vertretung der Eigentümergemeinschaft ein.591 292 Der Verwalter ist nicht berechtigt, Zahlungsrückstände im eigenen Namen geltend zu ma-
chen. Für eine Verfahrensstandschaft besteht kein Raum. Hat der Verwalter dennoch in gewillkürter Verfahrensstandschaft fälschlicherweise einen Vollstreckungstitel gegen einen Wohnungseigentümer erwirkt und will nach einem Wechsel im Verwalteramt der neue Verwalter aus dem Titel vollstrecken, so kommt eine Titelumschreibung auf den neuen Verwalter nicht in Betracht. Der neue Verwalter ist nicht Rechtsnachfolger seines Vorgängers. Formal ist weiterhin der Vorgänger berechtigt, auch wenn sein Verwalteramt endete. Materiell berechtigt ist der Verband der Wohnungseigentümer. Eine Titelumschreibung auf den Verband kommt ebenfalls nicht in Betracht.592 Es ist weiterhin im Namen des Vorverwalters zu vollstrecken. 293 Der einzelne Wohnungseigentümer ist nur dann befugt, den Anspruch auf Zahlung rück-
ständiger Wohngeldbeträge gegen den säumigen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen, wenn er hierzu durch Beschluss bevollmächtigt wurde.593 Er kann nur Zahlung an die Gemeinschaft verlangen. Der fehlende Ermächtigungsbeschluss kann erst recht nicht dadurch umgangen werden, dass der Antrag im Namen aller Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Schuldners gestellt wird.594 Forderungsinhaber sind nicht die Wohnungseigentümer, sondern ist der rechtsfähige Verband. Hat bei einer Zweiergemeinschaft ein Wohnungseigentümer Kosten aus seinem Privatvermögen vorgelegt, kann er auch von seinem Miteigentümer keine unmittelbare Erstattung des Anteils an ihn verlangen. Den Erstattungsanspruch muss er gegen die Gemeinschaft richten, die dann wiederum durch einen Beschluss über die Erhebung von Vorschüssen oder die Zahlung von Nachschüssen die Forderung gegen beide Eigentümer weiter belastet.595 Dies gilt selbst dann, wenn kein Verwalter bestellt ist oder eine Pattsituation wegen des Kopfstimmrechts vorliegt. 294 Hat der Verwalter aus einem Titel gegen einen säumigen Wohnungseigentümer im Namen
der Eigentümergemeinschaft die Zwangsvollstreckung durch Eintragung einer Zwangshypo-
589 LG Oldenburg v. 22.12.2020 – 5 S 50/20, ZMR 2021, 420. 590 BGH v. 16.9.2022 – V ZR 180/21, ZMR 2023, 52 = MDR 2022, 1402. 591 A.A. AG Potsdam v. 12.12.2019 – 31 C 11/19, IMR 2020, 215, es fehle dann schon an der Vertretungsmacht des Verwalters. 592 A.A.OLG Düsseldorf v. 29.1.1997 – 3 Wx 469/96, DWE 1997, 125, wobei diese Entscheidung zu einem Zeitpunkt ergangen ist, als noch keine Rechtsfähigkeit des Verbands angenommen wurde. 593 BGH v. 20.4.1990 – V ZB 1/90, WE 1990, 202 = NJW 1990, 2386 = ZMR 1990, 389 = MDR 1991, 138; OLG Köln v. 9.8.2000 – 16 Wx 67/00, OLGReport Köln 2001, 43; a.A. KG v. 24.1.1990 – 24 W 1408/89, NJW-RR 1990, 395. 594 OLG Düsseldorf v. 7.1.1998 – 3 Wx 503/97, WuM 1998, 248. 595 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 288/19, MDR 2021, 159 = WuM 2021, 55
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XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge | Rz. 298 § 28 WEG
thek betrieben, soll nach Auffassung des OLG München596 die Erteilung einer Löschungsbewilligung einen Beschluss der Wohnungseigentümer erfordern. Dies überzeugt nicht. Wenn der Verwalter zur gerichtlichen Beitreibung rückständiger Wohngelder bevollmächtigt wurde, umfasst dies auch das Recht der Zwangsvollstreckung. Es ist dann aber widersinnig, wenn der Verwalter die Zwangshypothek zwar beantragen, nach Erledigung aber nicht löschen lassen könnte. Im Übrigen hat das Gericht aufgrund der durch das WEMoG in § 9b Abs. 1 eingeführten Vertretungsmacht des Verwalters diese Legitimation im Innenverhältnis nicht mehr zu prüfen.597 Soweit zur alten Rechtslage angenommen wurde, dass die Vollmacht zur Geltendmachung 295 der Rückstände grundsätzlich auch Vollstreckungsmaßnahmen umfasse, dies dann jedoch vom BGH für die Einleitung der Zwangsversteigerung eingeschränkt und hierfür eine besondere Vollmacht des Verwalters durch Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung gefordert wurde,598 ist auch diese Problematik durch das WEMoG hinfällig. Da der Verwalter nach § 9b Abs. 1 die Vertretungsmacht für die Gemeinschaft besitzt, kann er im Namen der Gemeinschaft auch die Zwangsversteigerung ohne weiteres einleiten. Eine etwaige Einschränkung seiner diesbezüglichen Geschäftsführungskompetenz wäre vom Vollstreckungsgericht nicht zu beachten.
2. Materielle Voraussetzungen Die gerichtliche Geltendmachung von Beitragsleistungen setzt voraus, dass die Wohnungs- 296 eigentümer die Beiträge durch Beschluss fällig gestellt haben.599 Der Beschluss muss die Festlegung von Vorschüssen, die Bestimmung von Nachschüssen oder eine Sonderumlage zum Gegenstand gehabt haben. Eine dauerhafte Finanzierung der Gemeinschaft nur durch Sonderumlagen kommt nicht in Betracht, ist nichtig und stellt deshalb keine Anspruchsgrundlage für den Zahlungsantrag dar.600 Ohne Beschlüsse über Vor- oder Nachschüsse können auch in einer Zweiergemeinschaft keine Zahlungsansprüche geltend gemacht werden. Da die Ansprüche immer bei der GdWE liegen, kann der vorschießende Wohnungseigentümer keinen unmittelbaren Erstattungsanspruch gegen seinen Miteigentümer durchsetzen,601 auch dann nicht, wenn die Zweiergemeinschaft zerstritten ist oder der vorleistende Eigentümer inzwischen aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist.602 Der säumige Wohnungseigentümer muss sich in Verzug befinden. Dazu bedarf es in der Re- 297 gel keiner Mahnung, da die Wohngeldverpflichtungen nach dem Kalender bestimmt sind, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Wurde beim Beschluss über die Vorschüsse ein monatliches Wohngeld festgelegt, ist dieses zu Beginn des Monats fällig, was schon aus dem Wort „Vorschuss“ folgt. Zahlungsverzug tritt somit bereits am zweiten Werktag eines jeden Monats ein. Von den Wohnungseigentümern beschlossene Verfallklauseln oder Vorfälligkeitsregelungen können im Fall des Verzugs den Anspruch auf das restliche Jahreswohngeld begründen. Sofern keine Vorschüsse beschlossen wurden, führt ausnahmsweise der Beschluss über die 298 Nachschüsse zum Abrechnungssaldo. Die ohne Vorschusspflicht geleisteten Beträge müssen dem Wohnungseigentümer gutgeschrieben werden. Die Vorauszahlungen wurden dann
596 597 598 599 600 601 602
OLG München v. 16.2.2011 – 34 Wx 156/10, MietRB 2011, 182 = NZM 2011, 282. BGH v. 16.9.2022 – V ZR 180,21, ZMR 2023, 52 = MDR 2022, 1402. BGH v. 8.12.2017 – V ZR 82/17, ZMR 2018, 341. BGH v. 22.7.2011 – V ZR 245/09, ZMR 2011, 981 = NZM 2012, 30 = MietRB 2012, 16. BGH v. 22.7.2011 – V ZR 245/09, ZMR 2011, 981 = NZM 2012, 30 = MietRB 2012, 16. LG Frankfurt/M v. 17.5.2022 – 2-13 T 27/22, ZMR 2022, 737. BGH v. 25.3.2022 – V ZR 92/21, ZMR 2022, 569 = MDR 2022, 814. Jennißen | 1495
§ 28 WEG Rz. 298 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht ohne Rechtsgrund gezahlt. Eine zu vermeidende Fälligkeit eines Betrages, der schon fällig war, kann also nicht vorliegen. Dann ist das gesamte Abrechnungsergebnis einzuklagen. 299 Werden fehlende Vorschüsse eingeklagt und während des Verfahrens die Abrechnungsergeb-
nisse festgestellt, erhöhen festgestellte Nachschüsse die Ansprüche, während beschlossene Anpassungen der Vorschüsse die Ansprüche vernichten (s. Rz. 218). 300 Da auch nach alter Rechtslage kategorisch zwischen den Ansprüchen aus dem Wirtschaftsplan und denen aus der Jahresabrechnung differenziert wurde,603 entstand das Problem, welche Auswirkungen ein etwaiges Guthaben der Jahresabrechnung auf die Wohngeldklage hatte. Feststand, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vom säumigen Wohnungseigentümer nie mehr verlangen kann, als an Kosten tatsächlich angefallen ist.604 Obwohl also die Ansprüche aus dem Wirtschaftsplan und aus der Jahresabrechnung zwei getrennte Rechtsgrundlagen haben, wurde zur Vermeidung einer Bereicherung der Gemeinschaft eine Erledigung oder Teilerledigung des Rechtsstreits in analoger Anwendung von § 91a ZPO angenommen. Die Kostenentscheidung fiel dann trotzdem zulasten des Beklagten aus, da dieser sich im Verzug befand. Das Landgericht Frankfurt versuchte dies schon auf alter Rechtsbasis dogmatisch dahingehend zu untermauern, dass ein Guthaben aus der Jahresabrechnung zu einer Anpassung der Wohngeldverpflichtung führen würde.605
301 Durch die Neufassung von § 28 Abs. 2 bestehen keine dogmatischen Bedenken mehr, weil
der Beschluss über die Abrechnungsergebnisse im Fall des Guthabens ausdrücklich zu einer Anpassung der beschlossenen Vorschüsse führt. Damit wird die Verknüpfung zwischen Wohngeldschuld und Abrechnungsguthaben hergestellt und der Anspruch auf die Wohngeldzahlung durch das Abrechnungsguthaben ganz oder teilweise vernichtet. Im Falle eines negativen Abrechnungsergebnisses (Nachschuss) bleibt es hingegen bei zwei Anspruchsgrundlagen. Der schon laufende Prozess über das fehlende Wohngeld muss also nicht zwingend angepasst werden. 302 Die Zahlungsansprüche können selbst dann erfolgreich verfolgt werden, wenn die zugrunde-
liegenden Beschlüsse über die Vorschüsse oder die Nachschüsse gerichtlich angefochten wurden. Wird nur der Beschluss über die Nachschüsse für ungültig erklärt, bleibt die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Wohngeldlasten zulässig.606 Wegen der Anfechtung des Beschlusses über die anzupassenden Vorschüsse ist das Wohngeldverfahren auch nicht auszusetzen.607 Wird der Beschluss für ungültig erklärt, bevor der Zahlungsanspruch zugesprochen wurde, ist die Zahlungsklage für erledigt zu erklären, weil auch ihr die Rechtsgrundlage abhandenkommt. Dennoch hat der beklagte Wohnungseigentümer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er sich im Verzug befand.608 Die Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung, § 23 Abs. 4,609 so dass auch kein Zurückbehaltungsrecht besteht.610 302a Die Zahlungsklage kann auf fehlendes Wohngeld und/oder auf die Abrechnungsergebnisse
gestützt werden. Ein Wechsel in der Anspruchsbegründung von Nachschüssen auf fehlende Vorschüsse oder umgekehrt stellt eine Klageänderung nach § 264 Nr. 3 ZPO dar.611 303 Der Zahlungsanspruch kann mit dem gesetzlichen Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB ver-
sehen werden. Ein höherer Verzugszins konnte bis zum Inkrafttreten des WEMoG gem. § 21 603 604 605 606 607 608 609 610 611
Siehe hierzu BGH v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, MDR 2000, 21 ff. (Riecke) = NZM 1999, 1101. So auch LG Frankfurt/O v. 23.12.2011 – 6 a S 75/11, ZWE 2012, 433. LG Frankfurt/M v. 13.9.2018 – 2-13 S 92/17, ZMR 2019, 63. OLG Düsseldorf v. 16.5.1997 – 3 Wx 211/97, WE 1997, 423. BGH v. 4.4.2014 – V ZR 167/13, ZMR 2015, 235; BayObLG v. 27.9.1989 – 1b Z 24/88, WE 1991, 26; BayObLG v. 7.12.1995 – 2Z BR 125/95, WE 1996, 239. BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, MDR 2020, 1171 = ZMR 2020, 857. Siehe hierzu OLG Düsseldorf v. 9.3.2007 – 3 Wx 254/06, NZM 2007, 690; AG Neuss v. 19.12.2012 – 91 C 3589/12, ZMR 2013, 392. OLG Düsseldorf v. 9.3.2007 – I-3 Wx 254/06, juris. LG Frankfurt/M. v. 16.2.2021 – 2-13 T 97/20, ZWE 2021, 372.
1496 | Jennißen
XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge | Rz. 305 § 28 WEG
Abs. 7 a.F. beschlossen werden. Danach bestand eine Beschlusskompetenz ausdrücklich auch für die Folgen des Verzugs, was die Festlegung eines Verzugszinses ermöglichte. Die Vorschrift ist entfallen und nur teilweise durch § 28 Abs. 3 aufgefangen worden. Der Regelungsteil der Verzugsfolgen ist nicht in § 28 Abs. 3 übernommen worden. Es ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber dies einfach für entbehrlich hielt und davon ausgeht, dass Beschlüsse über einen höheren Verzugszins als den gesetzlichen nach Maßgabe der Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung zu beurteilen sind. Das WEMoG ist an mehreren Stellen von dem Gedanken getragen, die Beschlusskompetenzen der Wohnungseigentümer zu erweitern (s. §§ 16, 20). Mit diesem Bestreben wäre es nicht vereinbar, in einer relativ nebensächlichen Frage des Verzugszinses die Beschlusskompetenz beschneiden und auf die Rechtslage vor dem 1.7.2007 wieder zurückkehren zu wollen.612 Über den beschlossenen Verzugszins hinaus kann der Verzug des Wohnungseigentümers auch Schadensersatzansprüche des Verbands auslösen, wenn dadurch die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Objekts nicht mehr sichergestellt ist.613
3. Art der Ansprüche Von wesentlicher Bedeutung ist die Frage, ob Wohngeldforderungen als persönliche oder 304 dingliche Ansprüche anzusehen sind. Teilweise wird ein dinglicher Anspruch bejaht614 und zur Begründung auf § 10 Abs. 1 Ziff. 2 ZVG verwiesen.615 Andere wollen die dingliche Wirkung darin begründet sehen, dass der Eigentümergemeinschaft ein Absonderungsrecht in der Insolvenz des säumigen Wohnungseigentümers zustehe.616 Soweit angenommen wird, dass die Hausgeldansprüche „verdinglicht“ worden seien, soll dies zur Folge haben, dass diese „Verdinglichung“ auch außerhalb von Zwangsversteigerung und Insolvenz wirke und zu einer sachenrechtlichen Pflichtennachfolge zu Lasten des Rechtsnachfolgers in das Wohnungseigentum führe.617 Für diese Auffassung fehlt es jedoch an einer gesetzlichen Grundlage, sodass der BGH ihr zu Recht eine Absage erteilt.618 Durch die Regelung des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 ZVG ist nicht der Rechtscharakter der in der 305 Zwangsversteigerung privilegierten Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft verändert worden, sondern nur ihre Rangfolge.619 Zudem verweist § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG auf § 16 Abs. 2, der wiederum nur von einer Zahlungsverpflichtung des Wohnungseigentümers spricht, die mit dem Nutzungsrecht des § 16 Abs. 1 korrespondiert. Auch insolvenzrechtlich
612 So im Ergebnis auch Wicke in Grüneberg, BGB 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 15; a.A. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 57, die keine Beschlusskompetenz für einen höheren Verzugszins annehmen und sogar Altbeschlüsse nunmehr auch für ungültig ansehen. 613 BGH v. 10.2.2017 – V ZR 166/16, WuM 2017, 355. 614 Schneider, ZMR 2009, 165; Hintzen, ZInsO 2008, 480; Elzer in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 16 WEG Rz. 220; LG Berlin v. 28.9.2010 – 55 S 87/10, MietRB 2011, 81 = ZMR 2011, 156; AG Koblenz v. 10.12.2009 – 133 C 1461/09, ZMR 2010, 568; LG Heilbronn v. 21.12.2012 – 1 T 231/12, ZMR 2013, 304; offenlassend LG Stuttgart v. 1.12.2009 – 10 S 51/09, ZMR 2010, 558 = ZWE 2010, 276; a.A. LG Ellwangen v. 4.4.2008 – 2 T 3/08, ZMR 2010, 634. 615 AG Heilbronn v. 28.10.2009 – 17 C 3135/09, ZMR 2010, 241. 616 AG Koblenz v. 10.12.2009 – 133 C 1461/09, ZMR 2010, 568; LG Ellwangen v. 4.4.2008 – 2 T 3/08, ZMR 2010, 634. 617 LG Berlin v. 28.9.2010 – 55 S 87/10, MietRB 2011, 81 = ZMR 2011, 156; Schneider, ZMR 2009, 165. 618 BGH v. 13.9.2013 – V ZR 209/13, MDR 2013, 1309 = MietRB 2013, 327. 619 Ausführlich Jennißen/Kemm, NZM 2012, 630; a.A. LG Berlin v. 28.9.2010 – 55 S 87/10, MietRB 2011, 81 = ZMR 2011, 156; AG Koblenz v. 10.12.2009 – 133 C 1461/09, ZMR 2010, 568; offenlassend LG Stuttgart v. 1.12.2009 – 10 S 51/09, ZMR 2010, 558 = ZWE 2010, 276; Schneider, ZMR 2009, 165. Jennißen | 1497
§ 28 WEG Rz. 305 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht hat der BGH620 nicht von dinglichen Rechten gesprochen, sondern von einem Recht, das seinem Inhaber kraft seines gesetzlichen Inhalts ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO verschafft. Die Verdinglichung der Ansprüche würde der herrschenden Fälligkeitstheorie widersprechen. Diese bestimmt den Schuldner ausschließlich nach dem Zeitpunkt der Beschlussfassung bzw. nach fälligkeitsauslösenden Merkmalen. Würden Wohngeldschulden nicht als persönliche Verpflichtungen angesehen, wirken sie wie eine nicht eingetragene Reallast. Hierdurch würde die Verkehrsfähigkeit des Wohnungseigentums leiden, was mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht vereinbar wäre. Ein Eintritt des Erwerbers für die Schulden des Vorgängers wäre auch nicht mit § 38 vereinbar. Diese Vorschrift ist als Ausnahmeregelung konzipiert und regelt den Eintritt des Erwerbers in ein vom Veräußerer bestelltes Dauerwohnrecht. Dieser Ausnahmeregelung hätte es nicht bedurft, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers der Erwerber stets in die Rechtsposition des Veräußerers wohnungseigentumsrechtlich ganz oder teilweise eintreten würde.
4. Verfahrensfragen 306 Der Zahlungsantrag ist im Namen der rechtsfähigen Eigentümergemeinschaft zu stellen. Sie
ist Inhaberin der Forderungen, wie § 9a feststellt. Sie ist mit ihrer postalischen Adresse zu bezeichnen. Die namentliche Bezeichnung der einzelnen Wohnungseigentümer ist weder erforderlich noch angebracht. Für die Wohngeldklage ist unabhängig von der Höhe des Streitwerts das AG gem. § 43 Nr. 2 zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. 307 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann auch den Wohngeldbetrag im Mahnver-
fahren geltend machen. Sofern für den Gerichtsbezirk ein zentrales Mahngericht eingerichtet ist, ist dieses zuständig. Ebenso können Hausgeldbeiträge im Urkundenprozess verfolgt werden. Dem Versammlungsprotokoll verbunden mit der Wohngeld- bzw. Nachschussliste kann dann die notwendige Indizwirkung zukommen.621 308 Wohngeldansprüche oder Abrechnungssalden eignen sich nicht für Vergleiche. Entweder ist
die Forderung der Eigentümergemeinschaft begründet oder unbegründet, wobei die Bestandskraft des Beschlusses klarstellende Wirkung hat. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, dass einzelnen Wohnungseigentümern Nachlässe eingeräumt werden. Das Solidaritätsprinzip hätte dann zur Folge, dass die nachgelassenen Beträge von den übrigen Wohnungseigentümern zu tragen wären, damit der Haushalt wieder ausgeglichen ist. Da Kläger der Verband ist, hätte ein solcher Vergleich indirekt drittbelastende Wirkung, was zur Nichtigkeit führen kann. 308a Die Zahlungsklage ist nicht wegen einer Anfechtung des Beschlusses über die Vorschüsse
oder die Abrechnungsergebnisse auszusetzen.622 Die Anfechtungsklage ist nicht vorrangig. 309 Es ist zwar praktisch von Vorteil, wird aber als rechtsmissbräuchlich angesehen,623 gegen
einen Wohnungseigentümer, der mehrere Wohnungen in der Wohnanlage besitzt, die einzelnen Wohngeldforderungen getrennt für jede Wohnung geltend zu machen, obwohl dies die spätere Zwangsvollstreckung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG erleichtert.624 Um dem Rechnung zu tragen, ist es sinnvoll, die Ansprüche je Wohnung im Klageantrag aufzusplitten. Ebenfalls ist es zulässig, einen Zahlungsantrag auf wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 ZPO zu
620 621 622 623 624
BGH v. 12.2.2009 – IX ZB 112/09, MDR 2011, 1382 = NZM 2009, 439. LG Frankfurt/M v. 11.12.2019 – 2-13 S 106/19, ZWE 2020, 435. BGH v. 16.9.2022 – V ZR 180/21, ZMR 2023, 52 = MDR 2022, 1402. BGH v. 18.10.2012 – V ZB 58/12, NZM 2013, 238 = ZMR 2013, 552. LG Itzehoe v. 28.7.2008 – 11 T 11/08, ZMR 2008, 913.
1498 | Jennißen
XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge | Rz. 311 § 28 WEG
stellen. In diesem Fall bemisst sich der zusätzliche Streitwert maximal auf einen Jahresbetrag, da unterstellt werden muss, dass die Vorschüsse jährlich neu berechnet werden.625 Die Zahlungsrückstände müssen nicht in der Klage den einzelnen Monaten zugeordnet wer- 309a den. Die im Mietrecht zulässige Saldoklage ist auch wohnungseigentumsrechtlich nicht zu beanstanden.626 Ein ehemaliger Wohnungseigentümer, der den Eigentumswechsel nicht angezeigt hat, kann 309b sich schadenersatzpflichtig machen, wenn die GdWE in Unkenntnis dieses Wechsels rückständiges Wohngeld noch bei dem ausgeschiedenen Mitglied geltend macht.627
5. Einwendungen/Einreden des Zahlungspflichtigen a) Unwirksamkeit des Erwerbsvertrags Der Wohngeldschuldner kann im Wohngeldprozess die Nichtigkeit des Erwerbsvertrags 310 einwenden. Voraussetzung ist, dass konkrete Anhaltspunkte für die Nichtigkeit des Eigentumserwerbs schlüssig vorgetragen werden. Wird die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises eingewandt, muss dies durch ein Verkehrswertgutachten belegt sein.628 Das WEG-Gericht ist hingegen im Wohngeldprozess nicht gehalten, die Sittenwidrigkeit durch Beweisbeschluss selbst festzustellen, da andernfalls die schuldrechtlichen Beziehungen der Kaufvertragsparteien in den Prozess der Eigentümergemeinschaft gegen den Erwerber verlagert würden und widersprechende Entscheidungen nicht auszuschließen wären. Zudem hat der Verband ein Bedürfnis, seine eigenen Zahlungspflichten kurzfristig und nicht erst nach einer längeren Beweisaufnahme erfüllen zu können.629 Allerdings darf sich der Erwerber nicht treuwidrig verhalten. Zur Treuwidrigkeit soll die widerspruchlose Zahlung des Wohngeldes über einen längeren Zeitraum oder die Anerkennung der Jahresabrechnung (nach alter Rechtslage) aber nicht genügen.630 b) Aufrechnung Die Aufrechnung mit Gegenforderungen durch den Wohnungseigentümer ist nur einge- 311 schränkt zulässig. Sie setzt entweder anerkannte oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen oder Anspruch aus Notgeschäftsführung voraus.631 Ebenfalls ist die Aufrechnung mit unstreitigen Erstattungsansprüchen wegen Bezahlung von gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten gegenüber Versorgungsträgern zulässig.632 Ansprüche aus Geschäftsführung
625 LG Frankfurt/M. v. 10.5.2023 – 2-13 T 25/23, WuM 2023, 433; a.A. LG Karlsruhe v. 8.7.2022 – 11 T 42/22, ZMR 2022, 922, wonach der 3,5-fache Jahresbetrag den Streitwert erhöhe. 626 LG München I v. 11.11.2021 – 6 S 2936/21, ZWE 2022, 189. 627 AG Wiesbaden v. 6.2.2023 – 91 C 1245/22, IMR 2023, 334. 628 AG Kassel v. 17.6.2010 – 800 C 353/08, ZMR 2011, 516. 629 LG Nürnberg-Fürth v. 11.8.2010 – 14 S 1985/10, MietRB 2011, 153 = NZM 2011, 283. 630 OLG Düsseldorf v. 7.8.2002 – I-3 Wx 182/02, ZMR 2005, 719; Elzer in Riecke/Schmid, 5. Aufl., § 16 WEG Rz. 196; a.A. Schultz, ZMR 2011, 516 f. 631 Allgemeine Meinung: BGH v. 29.1.2016 – V ZR 97/15, ZMR 2016, 472 = MietRB 2016, 166; OLG Hamm v. 3.3.2009 – 15 Wx 298/08, MietRB 2009, 263 = ZWE 2009, 369; OLG Düsseldorf v. 8.2.1999 – 3 Wx 369/98, NZM 1999, 573; OLG Stuttgart v. 24.1.1989 – 8 W 248/88, NJW-RR 1989, 841; KG v. 15.9.1995 – 24 W 5988/94, NJW-RR 1996, 465; Wolicki in Abramenko, Handbuch WEG, 2. Aufl., § 7 Rz. 406 ff.; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 296 ff. 632 KG v. 29.3.1995 – 24 W 4812/94, NJW-RR 1995, 975 = DWE 1995, 78; KG v. 29.5.2002 – 24 W 185/01, MDR 2002, 1186 = WuM 2002, 391 = ZWE 2002, 363 = NZM 2003, 686. Jennißen | 1499
§ 28 WEG Rz. 311 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht ohne Auftrag genügen nur dann, wenn sie eine Notmaßnahme betrafen.633 Mit beschlossenen Anpassungsbeträgen der Vorschüsse kann der Wohnungseigentümer, der sein Wohngeld ordnungsgemäß entrichtet hat, aufrechnen, sofern die Fälligkeit dieses Betrages nicht durch Beschluss hinausgezögert wurde. Die vom Kammergericht vertretene Auffassung, dass der Aufrechnung mit bestandskräftig festgestellten Abrechnungsguthaben der Umstand entgegenstünde, dass diese vorrangig aus den gleichzeitig festgestellten Nachzahlungsforderungen bedient werden müssten,634 geht von der unrichtigen Annahme aus, dass sich die Guthabenbeträge mit den Nachzahlungsbeträgen decken. Tatsächlich sind aber Guthaben und Nachzahlungsbeträge nicht voneinander abhängig. Jahresabrechnungen können durchgängig zu Guthaben oder auch durchgängig zu Nachzahlungsbeträgen führen. 312 Eine Aufrechnung ist mit bestrittenen Gegenforderungen aus Aufopferung gem. § 14 Abs. 3
unzulässig.635 Würde aufgrund einer streitigen Behauptung, der Gegenanspruch sei anerkannt worden, eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich, greift schon deshalb die Aufrechnung nicht durch. Im Interesse einer geordneten Verwaltung und der Erhaltung der Zahlungsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft müssen Wohngeldbeitreibungsverfahren zu schnellen Ergebnissen führen.636 Somit müssen Gegenforderungen dann, wenn ihre Unstreitigkeit gerade nicht feststeht, in einem separaten Verfahren geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn die aufzurechnende Sonderumlage im Zusammenhang mit dem Aufopferungsanspruch steht.637 313 Die Aufrechnung ist ebenso ausgeschlossen, wenn der Wohnungseigentümer mit Gegenfor-
derungen aufrechnen will, die er nicht als Miteigentümer, sondern als gleichzeitiger Alleineigentümer des Nachbarhauses erworben hat.638 Die Aufrechnungsmöglichkeit eröffnet sich auch nicht durch Ausscheiden aus der Gemeinschaft.639 Auch eine verjährte Forderung kann nicht zur Aufrechnung gestellt werden.640 314 Allerdings kann der Wohnungseigentümer, dem die Aufrechnung verwehrt ist, seine Gegen-
ansprüche mit der Widerklage verfolgen.641 Entscheidet dann das Gericht über Klage und Widerklage gleichzeitig, ist im Ergebnis die Aufrechnung möglich, wenn die Gegenforderung durch gerichtliches Urteil festgestellt wird. 315 Während der einzelne Wohnungseigentümer nur eingeschränkt aufrechnen kann, ist das
Aufrechnungsrecht des Verbands der Wohnungseigentümer nicht auszuschließen. Der Verwalter darf zu Lasten des Verbands auf dieses Aufrechnungsrecht nicht verzichten.642 Auch kann ein Verwalter seine eigenen Honoraransprüche nicht an einen Eigentümer abtreten, damit dieser mit Wohngeldlasten aufrechnet.643
633 OLG Hamm v. 3.3.2009 – 15 Wx 298/08, MietRB 2009, 263 = ZWE 2009, 369 = WuM 2009, 603. 634 KG v. 29.4.2002 – 24 W 26/01, WuM 2002, 389 = NJW-RR 2002, 1379 = ZWE 2002, 413 = DWE 2003, 22. 635 OLG München v. 30.1.2007 – 34 Wx 128/06, NZM 2007, 335 = ZMR 2007, 397. 636 OLG Frankfurt/M v. 30.3.2006 – 20 W 189/05, NZM 2007, 367. 637 OLG München v. 30.1.2007 – 34 Wx 128/06, NZM 2007, 335 = ZMR 2007, 397. 638 OLG Düsseldorf v. 18.4.2007 – 3 Wx 53/07, ZMR 2008, 56. 639 LG Frankfurt/M. v. 13.8.2018 – 2-09 S 85/17, ZWE 2019, 84. 640 LG Frankfurt/M. v. 13.8.2018 – 2-09 S 85/17, ZWE 2019, 84. 641 So auch Bartholome in Hogenschurz, 3. Aufl., § 28 Rz. 201; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 299. 642 BayObLG v. 8.4.2004 – 2Z BR 113/03, ZMR 2004, 839. 643 BayObLG Rpfleger 1976, 422.
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XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge | Rz. 319 § 28 WEG
c) Zurückbehaltungsrecht Nach herrschender Auffassung ist ebenfalls ein Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigen- 316 tümers gegenüber laufenden Wohngeldlasten ausgeschlossen.644 Einer entsprechenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung ist dafür nicht Voraussetzung.645 Erst recht ist ein Zurückbehaltungsrecht mit dem Argument ausgeschlossen, in der Jahresabrechnung sei ein falscher oder unbilliger Verteilungsschlüssel zugrunde gelegt worden.646 Die Anfechtung des Beschlusses über die Abrechnungsergebnisse hat für die hieraus resultierende Zahlungsverpflichtung keine aufschiebende Wirkung, was aus § 23 Abs. 4 folgt. Ausnahmsweise wird ein Zurückbehaltungsrecht dann zu bejahen sein, wenn der auf Nach- 317 zahlungsbeträge aus dem Wirtschaftsplan (fehlende Vorschüsse) in Anspruch genommene Wohnungseigentümer auf die bereits vorgelegte Jahresabrechnung verweisen kann, die eine positive Abrechnungsspitze ausweist. Dann reduziert sich der Zahlungsanspruch der Eigentümergemeinschaft ganz oder teilweise auf den Verzugsschaden, der durch die Säumnis mit Wohngeldbeträgen eingetreten ist. Dies gilt erst recht, wenn sich die Eigentümergemeinschaft weigert, über die Abrechnungsergebnisse zu beschließen bzw. diesen Beschluss aus unwesentlichen Gründen ablehnt. Das Verhalten der Eigentümergemeinschaft verstößt dann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es kann ebenso ausnahmsweise der Billigkeit entsprechen, den Zahlungsanspruch der Eigentümergemeinschaft zurückzuweisen, wenn er unberechtigt auf bestrittene Vorschüsse gestützt wurde, ohne dass die zur Klärung des Anspruchs nahe bevorstehende Eigentümerversammlung abgewartet wurde.647 Wenig überzeugend ist die Auffassung, dass der Wohnungseigentümer ein Zurückbehal- 318 tungsrecht auch dann geltend machen kann, wenn der Verwalter nur ein offenes Treuhandkonto und kein Fremdkonto für die Eigentümergemeinschaft angelegt hat.648 Weitere Voraussetzung soll sein, dass trotz der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts die notwendige Liquidität der Gemeinschaft anderweitig gesichert sei. Dem einzelnen Wohnungseigentümer steht es jedoch nicht zu, erzieherisch auf den Verwalter einwirken zu dürfen. Entscheidend ist, ob eine konkrete Vermögensgefährdung durch Zahlung auf das Treuhandkonto eintritt, was der säumige Schuldner zu beweisen hat. Die Liquiditätssituation der Gemeinschaft darf dabei keine Rolle spielen, weil dann das Zurückbehaltungsrecht untergehen würde, wenn sich mehrere Wohnungseigentümer auf dieses Recht berufen und hierdurch die Liquiditätsenge erst verursachen. Im Zweifel werden jahrelange Führung des Treuhandkontos, Entlastung des Verwalters und/oder seine Wiederwahl der Vermögensgefährdung entgegenstehen. Auch bei Zahlung auf ein Treuhandkonto steht im Vordergrund, dass die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Objektes sichergestellt wird. Wäre die Art des Kontos hingegen maßgebend, ist es richtiger, von einer rechtsvernichtenden Einwendung auszugehen,649 da der Wohnungseigentümer nicht an die Eigentümergemeinschaft mangels eigenem Konto unmittelbar leisten kann. Die Eigentümergemeinschaft kann hingegen ein Zurückbehaltungsrecht an beschlossenen 319 Guthabenbeträgen geltend machen, wenn die Liquiditätslage der Eigentümergemeinschaft zur Auszahlung nicht ausreicht. 644 OLG Köln v. 8.11.1996 – 16 W X 215/96, WE 1997, 427; AG Lübeck v. 15.3.2006 – 2 II 6/06, ZMR 2006, 651; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 339; Gottschalg in Weitnauer, 9. Aufl., § 16 WEG Rz. 28. 645 BayObLG v. 27.6.2001 – 2Z BR 24/01, NZM 2001, 766. 646 Nicht überzeugend OLG Celle v. 26.1.1998 – 4 W 228/97, NZM 1998, 577. 647 BayObLG v. 25.4.1986 – BReg. 2Z 3/86, WuM 1987, 39 LS. 648 So LG Hamburg v. 28.1.2015 – 318 S 118/14, MietRB 2016, 143 = ZWE 2016, 38; a.A. überzeugend AG Hamburg-St. Georg v. 25.2.2022 – 980a C 29/21, ZMR 2022, 421; AG Dortmund v. 23.5.2019 – 514 C 29/19, ZMR 2019, 799; Bartholome in Hogenschurz, § 28 WEG Rz. 202. 649 So LG Saarbrücken v. 4.5.2018 – 5 S 44/17, NZM 2018, 518. Jennißen | 1501
§ 28 WEG Rz. 320 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht d) Verjährungseinrede 320 Das WEG enthält keine Regelung, wann die Wohngeldforderungen verjähren. Der BGH650
geht beim Wohngeld von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen aus und hat nach § 195 BGB eine dreijährige Verjährungsfrist angenommen.651 Auch nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur finden die Verjährungsregeln im Wohnungseigentumsrecht Anwendung.652 Die Verjährung beginnt nach dieser Auffassung mit dem 31.12. des Jahres, in dem die Vor- oder Nachschüsse beschlossen wurden. Es handelt sich um getrennte Beschlüsse, die jeweils einen eigenen Anspruch begründen. Entsprechend sieht der BGH den Beginn der Verjährungsfristen unterschiedlich.653 Es kann demnach denkbar sein, dass der Anspruch auf die Zahlung von Vorschüssen schon verjährt ist, bevor der Beschluss über die Nachschüsse, die gleiche Periode betreffend, gefasst wird und somit dieser Anspruch erst entsteht (z.B. bei mehrjähriger unterlassener Abrechnung). 321 Die unterschiedliche Verjährungsmöglichkeit zwischen Vorschüssen und Nachschüssen ist
entgegen der h.M. nicht überzeugend. Das war sie schon aus grundsätzlichen Überlegungen nicht (s. Rz. 322) und hat jetzt durch den neu formulierten § 28 Abs. 2 keine weitere Bestätigung gefunden. So sieht der Wortlaut die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse vor. Eine Einschränkung, dass die beschlossenen Vorschüsse nicht verjährt sein dürfen, nimmt der Wortlaut nicht vor. Dem säumigen Wohnungseigentümer sind also auch dann die positiven Abrechnungsergebnisse noch gut zu bringen, wenn seine eigene Schuld schon verjährt ist. 322 Nach hiesiger Mindermeinung sind die Verjährungsregeln bei Vor- und Nachschüssen im
Wohnungseigentumsrecht nicht anwendbar. Die Verjährung der Ansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen einzelne Wohnungseigentümer würde nämlich bewirken, dass der Etat der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mehr ausgeglichen ist. Demzufolge müssten die Fehlbeträge wie ausfallendes Wohngeld auf die übrigen Wohnungseigentümer umgelegt werden. Für diese Umlage wäre ein neuer Beschluss notwendig, sodass den übrigen Eigentümern gegenüber erstmalig insoweit die Fälligkeit eintritt und ihre Verjährungsfrist neu zu laufen begänne. Dies führt zu unbilligen Ergebnissen, da der redliche Wohnungseigentümer schlechter steht als der unredliche. Grundsätzlich bewirkt die Verjährung, dass der Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden kann und der Gläubiger das Geld, zumindest vom bisherigen Schuldner, nicht erhält. Wohnungseigentumsrechtlich hat die Verjährung zur Konsequenz, dass letztendlich ein anderer (die übrigen Wohnungseigentümer) die Schuld trägt. Die Verjährung hat somit drittbelastende Wirkung, was dem Rechtssystem fremd ist. Zahlen dann aber die übrigen Wohnungseigentümer ebenfalls nicht, verjährt nach herrschender Auffassung ihnen gegenüber die Forderung in drei Jahren. Wegen der fehlenden Insolvenzfähigkeit der Eigentümergemeinschaft (§ 9a Abs. 5) wird dann nur noch ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter in Betracht kommen, der aber wegen des erheblichen Mitverschuldens der säumigen Wohnungseigentümer mehr als zweifelhaft ist. Scheidet auch dieser Anspruch im Einzelfall aus, wird die systematische Lücke der herrschenden Meinung deut650 BGH v. 24.6.2005 – V ZR 350/03, MDR 2006, 85 = NJW 2005, 3146 = ZMR 2005, 884 (krit. Auswertung Elzer) = NZM 2005, 747 = MietRB 2006, 44. 651 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = MietRB 2012, 233 = NZM 2012, 562 = ZMR 2012, 976; ebenso Hans. OLG Hamburg v. 24.7.2006 – 2 Wx 4/05, ZMR 2006, 791; OLG München v. 7.2.2007 – 34 Wx 129/06, MietRB 2007, 95 = ZMR 2007, 478; AG Köln v. 8.3.2016 – 215 C 146/ 15, ZMR 2016, 496. 652 Wicke in Grüneberg, BGB 81. Aufl., § 16 WEG Rz. 23; Sauren, 6. Aufl., § 16 WEG Rz. 64; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 328 f.; Becker in Bärmann, 15. Aufl, § 28 WEG Rz. 359; Schoch, ZMR 2007, 427, 428; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 250; Müller, Praktische Fragen, 6. Teil Rz. 118; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 9 Rz. 7. 653 BGH v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, MDR 2012, 1023 = MietRB 2012, 233 = NZM 2012, 562 = ZWE 2012, 373.
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XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge | Rz. 323a § 28 WEG
lich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Verjährungsregeln den Zweck verfolgen, Beweisschwierigkeiten des Schuldners durch Zeitablauf verhindern zu wollen.654 Die Fälligkeit von Vor- und Nachschüssen setzt einen Beschluss voraus. Die Bestandskraft des Beschlusses tritt nach Ablauf eines Monats ein, §§ 23 Abs. 4, 45 WEG. Damit steht die Forderung fest. Der Beschluss über die Jahresabrechnung ist in die Beschluss-Sammlung einzutragen, § 24 Abs. 7 WEG. Diese Beschluss-Sammlung ist ewig aufzubewahren, sodass Beweisschwierigkeiten, ob die Beträge beschlossen wurden, nicht zu erwarten sind. Auch über die Person des Schuldners entsteht keine Unklarheit. Die Person ist aus dem Grundbuch erkennbar. Ebenfalls ist dem Argument, dass die kurze Verjährungsfrist dem Schutz des Schuldners (Wohnungseigentümer) dient, der sich nach mehreren Jahren nicht mehr auf eine Zahlungspflicht einstellen könne oder müsse, nicht zu folgen. Der Wohnungseigentümer weiß doch, wann er zusammen mit den anderen Wohnungseigentümern Vor- und Nachschüsse beschlossen hat. Er kennt seitdem seine Schuld, hat er sie durch Beschluss doch selbst mitbegründet. Dann sich später auf Verjährung berufen zu können, dürfte auch treuwidrig sein. Erst recht handelt der Schuldner treuwidrig, wenn er selbst in unverjährter Zeit als Geschäftsführer der Verwalterin die Geltendmachung der Ansprüche unterlassen hat.655 Warum sollte der säumige Wohnungseigentümer schutzwürdig sein?656 Die Geltendmachung der Wohngeldforderungen entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung. Auch nach Auffassung des BGH657 verjährt der Anspruch auf Durchführung einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht. Es ist nicht erkennbar, warum dann bei der Verpflichtung zur Wohngeldzahlung eine andere Sichtweise bestehen sollte. Eine solche Unverjährbarkeit ist im Zivilrecht nicht generell unbekannt. So verjähren beispielsweise nachbarrechtliche Ansprüche gem. § 924 BGB ebenso wenig wie im Grundbuch eingetragene Rechte, § 902 BGB. Sollte entgegen der hier vertretenen Auffassung die Verjährung noch in Betracht kommen, 323 ist für den Verjährungsbeginn zu prüfen, wann der Verwalter als Organ der Eigentümergemeinschaft von der Wohngeldschuld und der Person des Schuldners Kenntnis hatte oder grob fahrlässig nicht hatte, §§ 199 Abs. 1 Nr. 2, 166 Abs. 1 BGB.658 Da der Verwalter das Grundbuch regelmäßig einsehen kann, um den Kreis der Miteigentümer auch im Hinblick auf die einzuladenden Personen bestimmen zu können, wird sich der Verwalter kaum auf eine etwaige Unkenntnis der Person des Schuldners berufen können. Das hat sich die GdWE als Forderungsinhaberin zurechnen zu lassen.659 e) Sonstige Einwendungen Fehler bei der Ermittlung des Abrechnungsergebnisses kann der Schuldner nicht als Ein- 323a wand gegen die Zahlungsklage geltend machen. Dies muss er aktiv im Wege der Anfechtungsklage verfolgen.660 Einwenden kann er aber einen fehlenden Beschluss oder seine eventuelle Nichtigkeit über die Abrechnungsergebnisse, z.B. wenn die Wohnungseigentümer nicht die Ergebnisse, sondern ausschließlich die Jahresabrechnung selbst beschlossen haben (s.o. Rz. 228). Auch kann die Unbestimmtheit des Beschlusses eingewandt werden, wenn der Schuldner nicht erkennen kann, welche Zahllast ihm aufgegeben wurde.
654 Vgl. J. Schmidt-Räntsch in Erman, 16. Aufl., Vor § 194 BGB Rz. 2. 655 OLG Hamm v. 3.3.2009 – 15 Wx 96/08, MietRB 2009, 263 f. = ZWE 2009, 328 = ZMR 2009, 865. 656 Ebenfalls die Verjährung kritisch sehend: Elzer, NZM 2005, 747; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 309. 657 BGH v. 27.4.2012 – V ZR 177/11, MDR 2012, 834 = MietRB 2012, 198 = ZMR 2012, 713. 658 Vgl. auch OLG München v. 7.2.2007 – 34 Wx 129/06, MietRB 2007, 95 = ZMR 2007, 478. 659 OLG München v. 7.2.2007 – 34 Wx 129/06, MietRB 2007, 95 = ZMR 2007, 478. 660 Allgemeine Meinung: BGH v. 4.4.2014 – V ZR 167/13, ZMR 2015, 235; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 346; Bartholome in Hogenschurz, 3. Aufl., § 28 Rz. 194. Jennißen | 1503
§ 28 WEG Rz. 323b | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 323b Auch der Erfüllungseinwand ist zulässig. Dies gilt nicht nur für Zahlungen auf die durch
Beschluss festgestellten Ergebnisse, sondern auch für bei der Ermittlung der Abrechnungsergebnisse nicht berücksichtigte Zahlungen. Dies folgt daraus, dass die Abrechnungsergebnisse nur die Sollstellung der Vorschusspflichten enthält und nicht die tatsächlichen Zahlungen. Diese nehmen an der Beschlussfassung nicht teil, sodass weiterhin eingewandt werden kann, es seien nicht alle Zahlungen berücksichtigt.661
6. Zwangsvollstreckung a) Forderungspfändung 324 Der Hauptanwendungsfall der Forderungspfändung stellt bei Eigentumswohnungen die Miet-
pfändung dar. Mietrechtlich wird teilweise vertreten, dass die Pfändung nur die Nettomiete ohne Nebenkostenvorauszahlungen erfasse, da diese als zweckgebundene Forderungen unpfändbar seien.662 Dies gilt jedoch nicht für Pfändungen seitens der Eigentümergemeinschaft, da mit den Nebenkostenvorauszahlungen an die Eigentümergemeinschaft gerade ihr Zweck erfüllt wird.663 325 Die Mietpfändung wird durch die Anordnung der Zwangsverwaltung durchbrochen,664 so
dass die Forderungspfändung aufgehoben wird. 326 Weiterhin kommt eine Forderungspfändung in Betracht, wenn der Schuldner seine Eigen-
tumswohnung veräußert. Der Kaufpreis kann aber nur dann erfolgreich gepfändet werden, wenn er nicht zu Gunsten eines anderen Gläubigers (z.B. Bank) im Kaufvertrag abgetreten wurde oder die Zahlung des Kaufpreises unter die Zweckbindung der Ablösung der bestehenden Belastungen gestellt wurde.665 b) Immobiliarvollstreckung aa) Zwangsversteigerung 327 Zahlungstitel kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den einzelnen Woh-
nungseigentümer vollstrecken. Neben den üblichen Vollstreckungsmöglichkeiten sind wegen ihrer besonderen Regelungen Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung hervorzuheben. Diese Vollstreckungsmittel richten sich gegen den Eigentümer, sodass eine Mitgliedschaft als werdender Wohnungseigentümer gem. § 8 Abs. 3 trotz der bestehenden materiellen Zahlungsverpflichtung nicht genügt.666 328 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist im Fall der Zwangsversteigerung nach § 10
Abs. 1 Nr. 2 ZVG bis zur maximalen Höhe von 5 % des Verkehrswertes des zu versteigernden Wohnung- oder Teileigentums privilegiert. Bis zu diesem Wert wird die Gemeinschaft also vorrangig bedient und dies unabhängig davon, ob die Gemeinschaft ihre Zahlungsansprüche gegen den Schuldner hat schon titulieren lassen. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG berücksichtigt die Rückstände in der Rangklasse 2, die im Jahr der Beschlagnahme und in den letzten 2 Jahren davor rückständig waren. Der bis zum WEMoG erforderliche Mindestwert von
661 Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 350. 662 OLG Celle v. 13.4.1999 – 4 W 48/99, ZMR 1999, 679; a.A. Langenberg/Zehelein, Betriebskostenund Heizkostenrecht, 9. Aufl., E Rz. 72 m.w.N. 663 LG Chemnitz v. 17.12.2010 – 6 S 261/10, IMR 2011, 77. 664 Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Handbuch zur Zwangsverwaltung, Kap. 1 Rz. 24. 665 LG Köln v. 9.12.2010 – 14 O 590/10, MietRB 2011, 50 = ZMR 2011, 320 unter Verweis auf BGH v. 20.11.1997 – IX ZR 152/96, MDR 1998, 237 = NJW 1998, 746. 666 BGH v. 23.9.2009 – V ZB19/09, ZMR 2010, 125; Schneider, ZWE 2010, 341.
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3 % des Einheitswertes ist aufgegeben worden, sodass die Vollstreckungsmöglichkeit nicht mehr betragsmäßig beschränkt ist.667 Die Privilegierung der Gemeinschaft bewirkt auch, dass eine Auflassungsvormerkung des Erwerbers mit dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung untergeht. Auch insoweit sind die Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft aus Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 vorrangig.668 Der BGH669 vertritt die Auffassung, dass der Verwalter für die Einleitung der Zwangsverstei- 329 gerung eine ausdrückliche Vollmacht der Eigentümergemeinschaft benötigt. Als Begründung wird angeführt, dass mit dem Versteigerungsantrag höhere Kostenrisiken für die Eigentümergemeinschaft verbunden wären. Ohne dass der BGH dies klarstellt, ist anzunehmen, dass er eine Einzelvollmacht meint. Eine Risikoabwägung kann nur im Einzelfall erfolgen. Andererseits sind die Risiken gering. Die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens werden im geringsten Gebot erfasst und stets vorab befriedigt. Ein Gebot, das nicht die Kosten deckt, wird vom Rechtspfleger nicht zugelassen. Somit bleibt nur das Risiko, dass kein Gebot abgegeben wird, die Wohnung also „unverkäuflich“ ist. Dies kann aber auch kein Grund sein, die Zwangsversteigerung nicht durchzuführen, weil dann der betreffende Wohnungseigentümer gewissermaßen einen Freibrief erhält, dauerhaft nicht zahlen zu müssen. Sinnvoller wäre es in diesem Fall, selbst als Eigentümergemeinschaft ein Gebot abzugeben und die Einheit zu ersteigern. Die Problematik ist durch das WEMoG entschärft worden, da der Verwalter jetzt gemäß § 9b Abs. 1 die Vertretungsmacht für die Eigentümergemeinschaft besitzt, sodass der Antrag im Außenverhältnis stets wirksam ist. Ob er zur Geschäftsführung im Innenverhältnis noch eine separate Vollmacht per Beschluss benötigt, kann daher allenfalls noch bei der Frage von Bedeutung sein, ob sich der Verwalter schadenersatzpflichtig machen könne, wenn die betreffende Einheit nicht versteigert werden kann. Die Höchstgrenze von 5 % des Verkehrswertes ist für den Versteigerungstermin zu errech- 330 nen. Dieser Wert ist im geringsten Gebot zu berücksichtigen, wenn beispielsweise das Verfahren von einer Bank aus Rangklasse 4 betrieben wird. Belaufen sich die im Verteilungstermin anzumeldenden Forderungen auf über 5 % des Ver- 331 kehrswertes, ist zu differenzieren. Liegt ein Titel für die Eigentümergemeinschaft vor, kann der überschießende Betrag zur Berücksichtigung in Rangklasse 5 angemeldet werden. Wird von einem anderen Gläubiger hingegen die Zwangsversteigerung betrieben und meldet die Eigentümergemeinschaft ihre Forderung ohne Titel nur an, wird die Forderung bis 5 % des Verkehrswertes in Rangklasse 2 und der überschießende Betrag überhaupt nicht weiter berücksichtigt. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG betont, dass die Vorrangigkeit für die Vollstreckung in ein Wohnungs- 332 eigentum für die daraus fälligen Ansprüche bestehen soll. Die fälligen Beträge können sich aus Beschlüssen über die Vorschüsse einschließlich Sonderumlagen oder die Nachschüsse ergeben.670 Die Wohnungseigentümer dürfen fällige Beträge aus anderen Wohnungen desselben Eigentümers nicht einbeziehen.671 Hat ein Wohnungseigentümer mehrere Wohnungen und ist er jeweils säumig, könnte es demzufolge Sinn machen, einzelne Titel zu beantragen.672 Dem hat der BGH673 eine Absage erteilt. Er hält dies für rechtsmissbräuchlich und verweist darauf, dass der Zahlungsantrag zwischen den einzelnen Wohnungen differenzieren 667 BT-Drucks. 19/18791, S. 91 668 BGH v. 9.5.2014 – V ZB 123/13, ZWE 2014, 378 = NJW 2014, 2445 = MDR 2014, 988 = NotBZ 2014, 463 = MietRB 2014, 268. 669 BGH v. 8.12.2017 – V ZR 82/17, ZMR 2018, 340 = NZM 2018, 403. 670 So auch Alff/Hintzen, Rpfleger 2008, 166. 671 BT-Drucks. 16/887, S. 45. 672 Mehrere Titel gegen denselben Schuldner als Eigentümer mehrerer Wohnungen nicht als rechtsmissbräuchlich ansehend LG Itzehoe v. 28.7.2008 – 11 T 11/08, ZMR 2008, 913. 673 BGH v. 18.10.2012 – V ZB 58/12, MietRB 2013, 46 f. = NZM 2013, 238. Jennißen | 1505
§ 28 WEG Rz. 332 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht könne, so dass der anschließende Titel ebenfalls eine Zuordnung der Beträge je Wohnung ermögliche. 333 Bei der Berechnung der Zahlungsrückstände sind die Vorschuss- bzw. Nachschussbeträge
der letzten beiden Jahre vor der Beschlagnahme zu berücksichtigen. Dabei ist nach dem Willen des Gesetzgebers unerheblich, wann die Nachschüsse beschlossen wurden.674 Es kommt nur auf den Zeitraum an, den die Vor- oder Nachschüsse betreffen. Werden also Nachschüsse nach der Beschlagnahme beschlossen, die vor dem 2-Jahres-Zeitraum liegen, sind sie nicht zu berücksichtigen. Zu den Rückständen zählen auch die Zuführungsbeträge zur Erhaltungsrücklage oder Regressansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen den säumigen Wohnungseigentümer. Die Ansprüche müssen durch Beschluss festgestellt sein.675 334 Die Beschlagnahme wird mit dem Zeitpunkt wirksam, in welchem der Beschluss über die
Anordnung der Zwangsversteigerung dem Schuldner zugestellt wird oder in welchem das Ersuchen um die Eintragung des Versteigerungsvermerks dem Grundbuchamt zugeht, sofern die anschließende Eintragung demnächst erfolgt.676 Wenn zuerst die Beschlagnahme im Rahmen eines Zwangsverwaltungsverfahrens angeordnet wird und anschließend im Zwangsversteigerungsverfahren, während die erste noch fortwirkt, ist für die Berechnung des zweijährigen Zeitraums die erste Beschlagnahme maßgebend.677 335 Wird aus dem Tenor des Urteils nicht deutlich, welchen Zeitraum die ausgesprochenen Zah-
lungsansprüche betreffen, kann die nähere Aufteilung der Forderung auf den gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 maßgebenden Zeitraum zunächst durch die Urteilsbegründung dargelegt werden. Enthält der Titel, z.B. Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid, keine näheren Angaben über die Zusammensetzung der Forderung, kann die Art der Forderung und der Berechnungszeitraum auch durch andere Schriftstücke, z.B. Klageschrift, Beschluss-Sammlung, Jahresabrechnung etc., glaubhaft gemacht werden, § 10 Abs. 3 ZVG. 336 Betreibt ein anderer Gläubiger die Zwangsversteigerung, dann können die Zahlungsan-
sprüche der Eigentümergemeinschaft auch zum Versteigerungstermin angemeldet werden, und zwar unabhängig davon, ob eine Zwangssicherungshypothek eingetragen wurde oder ein Titel besteht. Die Forderungen der Eigentümergemeinschaft sind auch in diesem Fall in Rangklasse 2 zu berücksichtigen. Sie sind glaubhaft zu machen, was durch einen Titel oder in sonstiger Weise geschehen kann. Liegt kein Titel vor, muss durch Vorlage der Protokolle und Jahresabrechnungen die Erklärung glaubhaft gemacht werden, dass sich der Wohnungseigentümer mit bestimmten Beträgen im Rückstand befindet. Hierzu genügt die Versicherung der Richtigkeit durch den Verwalter. Die Angaben sind vom Rechtspfleger zu prüfen. Hält der Rechtspfleger die eingereichten Unterlagen nicht für ausreichend, kann er von Amts wegen die Eigentümergemeinschaft oder den Verwalter zur Nachbesserung auffordern. Reicht die Nachbesserung immer noch nicht aus, kann er die Aufnahme des Betrags in das geringste Gebot verweigern. Gegen die Nichtaufnahme in das geringste Gebot besteht unmittelbar kein Rechtsbehelf, da es sich bei der Aufstellung des geringsten Gebots um eine unselbständige Zwischenentscheidung zur Vorbereitung des Zuschlags handelt. Allerdings kann später eine Anfechtung des Zuschlags wegen unrichtiger Feststellung des geringsten Gebots erfolgen oder ein Widerspruch gegen den Zahlungsplan eingelegt werden. 337 Der privilegierte Anspruch aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 besteht nach Auffassung des BGH678 nur
einmal. Löst ein Gläubiger die bevorrechtigten Ansprüche der Eigentümergemeinschaft ab, 674 675 676 677 678
BT-Drucks. 16/887, S. 45. Aufgabe gegenteiliger Auffassung der 2. Aufl. BGH v. 22.7.2010 – V ZB 178/09, MDR 2010, 1214 = MietRB 2010, 298 = ZMR 2011, 51. Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 10 Anm. 4.5. BGH v. 4.2.2010 – V ZB 129/09, MDR 2010, 620 = MietRB 2010, 139 = NZM 2010, 324 = ZMR 2010, 383 = NJW 2010, 383.
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könne diese den Antrag aus der Rangklasse 2 nicht wieder neu wegen anderer Forderungen stellen. Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG gibt für eine solch restriktive Anwendung keine Anhaltspunkte. Zwar mögen kreditpolitische Argumente im Raum stehen. Dennoch ist es nicht überzeugend, wenn ein Gläubiger eines Wohnungseigentümers der vorrangigen Eigentümergemeinschaft auch gegen ihren Willen ihre privilegierte Position für alle Zeit zu Fall bringen kann.679 Zumindest nach einem Eigentümerwechsel muss die privilegierte Zwangsversteigerung wieder möglich sein, wenn auch dieser Wohnungseigentümer säumig wird. Dies folgt schon daraus, dass es sich bei der Wohngeldlast nicht um eine dingliche, sondern um eine persönliche Schuld handelt (s. Rz. 304 f.), weshalb gegen den neuen Schuldner auch alle Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten wegen seiner Zahlungsverpflichtungen in Betracht kommen. Einigkeit besteht mit dem BGH,680 dass das Recht nicht erlischt, wenn der Schuldner selbst 5 % des Verkehrswertes zahlt, auch wenn er sie aus Fremdmitteln bestreitet. Die Teilzahlung bewirkt auch keine Rangverschiebung von Klasse 2 in Klasse 5.681 Das Vorrecht bezieht sich auch auf Nebenleistungen, wozu Prozesskosten zur Erwirkung 338 des Titels gehören.682 Wird die Hauptforderung beglichen, kann aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss die privilegierte Zwangsversteigerung weiter betrieben werden, § 10 Abs. 3 ZVG.683 Die aktive Zwangsvollstreckung durch Schaffung eines Titels ist für die Wohnungseigentü- 339 mergemeinschaft vorteilhaft, weil sie dann Herrin des Verfahrens wird, und zwar selbst dann, wenn bereits ein anderer Gläubiger die Zwangsversteigerung betreibt. Dieser Anschluss an das schon laufende Verfahren wird wie ein selbständiger Antrag gewertet. Nimmt der andere Gläubiger seinen Antrag zurück, bleibt der Antrag der Wohnungseigentümergemeinschaft im Raum, sodass die Zwangsversteigerung Fortsetzung findet, § 27 Abs. 2 ZVG. Betreibt die Eigentümergemeinschaft die Zwangsversteigerung, kann im ersten Versteige- 340 rungstermin der im Grundbuch eingetragene Gläubiger den Zuschlag abwenden, indem er einen Antrag nach § 74a ZVG stellt. Der Zuschlag wird dann versagt, wenn das Meistgebot unter 70 % des Verkehrswertes liegt. Dies hat dann zur Folge, dass von Amts wegen ein neuer Versteigerungstermin zu bestimmen ist. Der Zeitraum zwischen den beiden Terminen soll mindestens drei Monate betragen, darf aber sechs Monate nicht übersteigen, § 74a Abs. 3 ZVG. Weiterhin bewirkt das Gebot, dass im zweiten Versteigerungstermin die Hälfte des Grundstückswertes nicht mehr erreicht werden muss. Wenn das Meistgebot unter 50 % des Verkehrswertes liegt, ist im zweiten Termin der Zuschlag nur dann zu versagen, wenn im ersten Versteigerungstermin überhaupt kein Gebot abgegeben wurde, §§ 85a Abs. 1, 74a Abs. 4 ZVG. Gebote in der Zwangsversteigerung, die der Bieter nur deshalb abgibt, um die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen, sind rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam.684 Der Verwalter kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er die Ansprüche der Ge- 341 meinschaft in einem von dritter Seite betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren nicht so anmeldet, dass die Forderung bei der Erlösverteilung berücksichtigt werden kann.685
679 Diese Frage lässt der BGH v. 4.2.2010 – V ZB 129/09, MDR 2010, 620 = MietRB 2010, 139 = NZM 2010, 324 = ZMR 2010, 383 offen; kritisch auch Schneider, ZMR 2012, 721. 680 BGH v. 14.6.2012 – V ZB 194/11, MDR 2012, 1251 f. = MietRB 2012, 263 f. = ZMR 2012, 798 = NZM 2012, 771. 681 Alff, ZWE 2010, 105, 111. 682 So auch Schneider, ZMR 2011, 421; a.A. AG Bonn v. 4.3.2011 – 104 C 351/10, ZMR 2011, 421. 683 LG Berlin v. 26.3.2010 – 82 T 236/10, ZMR 2010, 629. 684 BGH v. 10.5.2007 – V ZB 83/06, MDR 2007, 1453 = NJW 2007, 3279. 685 BGH v. 8.12.2017 – V ZR 82/17, ZMR 2018, 340 = NZM 2018, 403. Jennißen | 1507
§ 28 WEG Rz. 342 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht bb) Zwangssicherungshypothek 342 Um die Zwangsversteigerung aktiv betreiben zu können, ist die Eintragung einer Zwangs-
sicherungshypothek nicht mehr erforderlich, die im Übrigen nur für Beträge über 750 Euro zulässig ist, § 866 Abs. 3 ZPO. Die Zwangssicherungshypothek macht aber noch Sinn, um im Falle eines freihändigen Verkaufs Sicherheiten zu besitzen, die im Zweifel aus dem Kaufpreis bedient werden, da der Käufer auf lastenfreien Erwerb bestehen wird. Auch sichert die Zwangssicherungshypothek die über 5 % des Verkehrswertes hinausgehende Forderung der Eigentümergemeinschaft in Rangklasse 4 ab. Für die Eintragung der Zwangssicherungshypothek fehlt somit nicht das Rechtsschutzinteresse.686 Es liegt auch kein Fall der unberechtigten Doppelsicherung vor.687 Die Eintragung kann nur für den Titelgläubiger erfolgen. Ein für die „übrigen Wohnungseigentümer“ erwirkter Titel kann nicht zu einer Eintragung einer Zwangshypothek zu Gunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft führen.688 343 Die Zwangssicherungshypothek ist unbedingt einzutragen. Eines Vorbehalts, dass diese nur
hinter den Vorrechten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG wirken soll, bedarf es nicht.689 cc) Zwangsverwaltung 344 Im Zwangsverwaltungsverfahren gelten gegenüber der Zwangsversteigerung nicht vollkom-
men die gleichen Grundsätze. Die Rückstände werden zunächst nicht abgetragen. Nach § 155 Abs. 2 ZVG sind die laufenden Beträge aus den Einnahmen zu bestreiten, worunter auch Sonderumlagen und Abrechnungsspitzen fallen690 (s. Rz. 280 m.w.N.). Dies wird durch § 156 Abs. 1 untermauert, der ebenfalls nur von den laufenden Beträgen spricht. Somit hat in der Zwangsverwaltung der Zwangsverwalter von den Einnahmen vorrangig keine Rückstände zu bedienen.691 Nur dann, wenn aus den laufenden Einnahmen nach Abzug des laufenden Wohngelds, der laufenden Zinsen und der Tilgungsbeträge Überschüsse verbleiben, sind diese in den Teilungsplan einzustellen und dann nach den Rangklassen des § 10 ZVG zu verteilen. In einem solchen Fall würden Rückstände des säumigen Wohnungseigentümers nur in Rangklasse 5 berücksichtigt, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft die betreibende Gläubigerin ist. Damit fallen diese Ansprüche praktisch aus. Zahlt der Zwangsverwalter unberechtigterweise Beträge auf offene Zahlungspflichten des Wohnungseigentümers vor der Beschlagnahme, hat dies auf die Verjährung der Ansprüche im Übrigen keine Auswirkungen.692 345 Die Zwangsverwaltung erfolgt objektbezogen. Einnahmen und Ausgaben sind für die jewei-
lige Wohnung abzurechnen. Eine „Querfinanzierung“ ist nicht zulässig.693 Die Anordnung der Zwangsverwaltung setzt voraus, dass Schuldner des Wohngeldes der Wohnungseigentümer ist. Diese scheinbar selbstverständliche Feststellung erlangt bei einem werdenden Wohnungseigentümer Bedeutung, § 8 Abs. 3. Das Mitglied einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft schuldet zwar schon gegenüber der Gemeinschaft das Wohngeld. Die
686 LG Düsseldorf v. 16.7.2008 – 19 T 113/08, MietRB 2009, 16 = NJW 2008, 3150. 687 OLG Stuttgart v. 4.11.2010 – 8 W 83/10, MietRB 2011, 48 = ZWE 2011, 39. 688 OLG München v. 25.4.2013 – 34 Wx 146/13, MDR 2013, 812 = MietRB 2013, 209 = ZWE 2013, 425. 689 OLG Frankfurt v. 28.10.2010 – 20 W 354/10, ZMR 2011, 401; die Bedingung sogar als unzulässig ansehend, OLG Stuttgart v. 4.11.2010 – 8 W 83/10, MietRB 2011, 48 = IMR 2011, 115. 690 BGH v. 15.10.2009 – V ZB 43/09, MDR 2010, 107 = MietRB 2009, 355 = ZWE 2010, 81 = ZMR 2010, 296; Schneider, ZWE 2010, 77. 691 BGH v. 9.12.2011 – V ZR 131/11, MDR 2012, 248 = ZMR 2012, 460 = NZM 2012, 423. 692 BGH v. 9.12.2011 – V ZB 131/11, ZMR 2012, 460 = NZM 2012, 423. 693 BGH v. 20.11.2008 – V ZB 81/08, MietRB 2009, 75 = NZM 2009, 129 = WuM 2009, 192 = ZMR 2009, 294.
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XII. Beitreibung rückständiger Wohngeldbeträge | Rz. 349 § 28 WEG
Zwangsverwaltung kann gegen ihn aber nicht beantragt werden, da seine dingliche Verpflichtung nicht aus dem Grundbuch erkennbar ist und eine materiell-rechtliche Prüfung seitens des Vollstreckungsorgans voraussetzt. Dies ist mit Sinn und Zweck des § 147 ZVG nicht vereinbar.694 Hinsichtlich der laufenden Wohngeldbeträge gelten die betragsmäßigen Beschränkungen des 346 § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 nicht, sodass auch noch dann zu regulieren ist, wenn 5 % des Verkehrswertes überschritten sind. Die Zwangsverwaltung geht der Forderungspfändung bzw. der Abtretung der Mietzinsan- 347 sprüche vor.695 Sind also vom säumigen Wohnungseigentümer Mietzinsansprüche an die finanzierende Bank abgetreten worden, so wird die Abtretung durch die Zwangsverwaltung unterbrochen. Durch die Rücknahme des Zwangsverwaltungsantrags lebt die frühere Abtretung der Mietzinsansprüche auch nicht wieder auf.696 dd) Insolvenzverwaltung Gegenüber dem Insolvenzverwalter kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hin- 348 sichtlich der nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigten Wohngeldansprüche einen Absonderungsanspruch geltend machen.697 (s. Rz. 285). Dieses Absonderungsrecht geht durch freihändige Veräußerung der Wohnung durch den Insolvenzverwalter unter.698 Die laufenden Lasten und Kosten seit Insolvenzeröffnung stellen sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO dar. Für Masseverbindlichkeiten greift die Privilegierung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG nicht, so dass insoweit kein Absonderungsrecht besteht.699 Gibt der Insolvenzverwalter die Wohnung frei, entstehen keine neuen Zahlungsverpflichtungen mehr zu Lasten der Masse.700 Die neu entstandenen Wohngeldverpflichtungen können daher im Rahmen der Zwangsversteigerung beigetrieben werden. Der insoweit erforderliche Titel ist gegen den Grundstückseigentümer und somit im Zweifel gegen den Schuldner des Insolvenzverfahrens zu erwirken. Das Vollstreckungsverbot gilt nach Freigabe der Wohnung nicht mehr.701 Die Insolvenzforderung der Eigentümergemeinschaft, also der Betrag, der schon vor der Insolvenzeröffnung fällig war, ist weiterhin nur über die Insolvenztabelle geltend zu machen. Die zwischenzeitlich eingetretenen Masseverbindlichkeiten bleiben vom Insolvenzverwalter vorrangig zu bedienen. Eine Zwangsvollstreckung dieser Forderung durch Versteigerung ist aber nicht mehr möglich, da die Wohnung nach der Freigabe nicht mehr zur Masse gehört.702 ee) Rechtsmittel Ist der säumige Wohnungseigentümer der Auffassung, dass die Zwangsvollstreckung un- 349 rechtmäßig gegen ihn betrieben wird, kommen die Rechtsmittel der ZPO in Betracht, und zwar Vollstreckungsgegenklage oder Vollstreckungserinnerung. 694 BGH v. 23.9.2009 – V ZB 19/09, MDR 2009, 1415 = MietRB 2009, 357 = ZWE 2010, 215 = ZMR 2010, 125; a.A. Schneider, ZWE 2010, 204. 695 Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Handbuch der Zwangsverwaltung, S. 26. 696 BGH v. 13.10.2011 – IX ZR 188/10, MDR 2012, 120 = NJW-RR 2012, 263 = NZM 2012, 503. 697 BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 120/10, MDR 2011, 1160 = MietRB 2011, 346 = ZMR 2012, 788. 698 LG Landau/Pfalz v. 17.8.2012 – 3 S 11/12, MietRB 2013, 121 = ZMR 2012, 813; Jennißen/Kemm, NZM 2012, 630. 699 BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 120/12, MDR 2011, 1160 = MietRB 2011, 346 = ZMR 2012, 788. 700 KG v. 20.8.2003 – 24 W 142/02, NZM 2004, 383. 701 Ebenso Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 292. 702 S. hierzu auch Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., § 28 WEG Rz. 292 ff. Jennißen | 1509
§ 28 WEG Rz. 350 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht
7. Versorgungssperre 350 Die Versorgungssperre ist keine direkte Form der Zwangsvollstreckung, sondern übt nur fak-
tischen Druck auf den säumigen Wohnungseigentümer aus. In der Rechtsprechung wird in einigen Entscheidungen eine Befugnis der Eigentümergemeinschaft angenommen, einen mit erheblichen Wohngeldrückständen im Verzug befindlichen Wohnungseigentümer von der Belieferung mit Wasser und Heizenergie ausschließen zu können.703 Auch die Stromzufuhr kann unterbunden werden, selbst wenn der Miteigentümer den Strom direkt vom Stromversorgungsunternehmen bezieht.704 Aufwendungsersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer berechtigen hingegen nicht zur Verhängung einer Versorgungssperre.705 Vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft nach § 23 Abs. 1 herbeizuführen. Nur ausnahmsweise wird auf einen Beschluss verzichtet werden können, wenn eine besondere Pattsituation besteht und ein Teil der Wohnungseigentümer die Zustimmung zur Versorgungssperre treuwidrig verweigert.706 Der bestandskräftige Beschluss, eine Versorgungssperre zu verlangen und Absperrvorrichtungen in der Wohnung oder im Keller anzubringen, kann gerichtlich durchgesetzt werden. Der Tatrichter hat dann die Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts trotz Bestandskraft des Beschlusses und die Verhältnismäßigkeit der begehrten Maßnahme zu prüfen.707 351 Damit die Versorgungssperre auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, muss
ein Mindestrückstand von mehr als sechs Monatsbeträgen bestehen.708 Da die Versorgungssperre immer nur das letzte Mittel der Gemeinschaft darstellen soll, ist Voraussetzung, dass aus dem Titel über die Hausgeldrückstände bereits erfolglos vollstreckt wurde.709 Zudem muss die Versorgungssperre angedroht werden.710 Gaier711 ist der Auffassung, dass nach Androhung der Versorgungssperre nochmals zwei Wochen abgewartet werden muss, um dem Schuldner Gelegenheit zum Zahlungsausgleich zu geben. Zur Durchsetzung der Versorgungssperre besteht beim vom Schuldner selbst bewohnten Wohnungseigentum ein Anspruch auf Wohnungszutritt, der aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 folgt.712 352 Umstritten ist die Frage, ob die Wohnungseigentümer die Versorgungssperre auch dann be-
schließen können, wenn das Wohnungseigentum vermietet ist. Das OLG Köln713 hat dies im Vermietungsfall als verbotene Eigenmacht angesehen. Dies ist jedoch zu verneinen, da der betroffene Wohnungseigentümer ebenfalls keine verbotene Eigenmacht einwenden kann und
703 OLG Celle v. 9.11.1990 – 4 W 211/90, NJW-RR 1991, 1118; BayObLG v. 16.1.1992 – BReg. 2 Z 162/91, MDR 1992, 967 = WuM 1992, 207; v. 31.3.2004 – 2Z BR 224/03, NZM 2004, 556; OLG Hamm v. 11.10.1993 – 15 W 79/93, MDR 1994, 164 = WE 1994, 84. 704 LG München v. 8.11.2010 – 1 S 10608/10, ZMR 2011, 326 = DWE 2011, 32. 705 LG Frankfurt/M v. 20.7.2009 – 2-13 S 19/09, ZMR 2010, 396. 706 Das LG Frankfurt/M v. 20.7.2009 – 2-13 S 19/09, ZMR 2010, 396 hält den Verzicht auf einen Beschluss auch bei einer Zweiergemeinschaft für denkbar; dort ist aber eine Pattsituation nicht möglich, da der säumige Wohnungseigentümer kein Stimmrecht hat, § 25 Abs. 5 WEG. 707 OLG München v. 23.2.2005 – 34 Wx 5/05, ZMR 2005, 311 = NZM 2005, 304. 708 BGH v. 10.6.2005 – V ZR 235/04, MDR 2005, 1279 = MietRB 2006, 45 = NZM 2005, 626 = NJW 2005, 2622 = ZMR 2005, 880; LG München v. 8.11.2010 – 1 S 10608/10, ZMR 2011, 326 = DWE 2011, 32; einen Jahresbetrag zugrunde legend AG Peine v. 28.12.1999 – 19 UR – II 7/99, NZM 2001, 534. 709 BGH v. 10.6.2005 – V ZR 235/04, MDR 2005, 1279 = MietRB 2006, 45 = NZM 2005, 626 = NJW 2005, 2622 = ZMR 2005, 880. 710 BGH v. 10.6.2005 – V ZR 235/04, MDR 2005, 1279 = MietRB 2006, 45 = NZM 2005, 626 = NJW 2005, 2622 = ZMR 2005, 880. 711 Gaier, ZWE 2004, 109. 712 OLG Frankfurt v. 21.6.2006 – 20 W 56/06, ZWE 2006, 492. 713 OLG Köln v. 15.3.2000 – 2 U 74/99, ZWE 2000, 543 = NJW-RR 2001, 301.
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XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 | Rz. 356 § 28 WEG
die Rechte des Mieters nicht weitergehen können als die des Wohnungseigentümers.714 Müssen allerdings die Wohnungseigentümer zur Durchsetzung der Versorgungssperre das vermietete Wohnungseigentum betreten, kann der Mieter das Zutrittsrecht verweigern.715 Somit ist beim vermieteten Wohnungseigentum, wenn die Absperrung in der Wohnung vorgenommen werden muss, die Versorgungssperre praktisch unmöglich. Die Versorgungssperre wird unzulässig, wenn der Schuldner den Rückstand bis auf einen 353 unmerklichen Rest zurückführt.716 Nicht ausreichend ist, dass der Rückstand geringfügig unter den Mindestrückstand von sechs Monatsbeträgen abgetragen wird. Nach Veräußerung der Wohnung ist die Versorgungssperre ebenfalls unverzüglich zu beseitigen.
XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 1. Sinn und Zweck Mit dem neu ins Gesetz aufgenommenen Vermögensbericht hat der Verwalter den Woh- 354 nungseigentümern über den Stand der Rücklagen zu berichten und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens zur Verfügung zu stellen. Den Wohnungseigentümern soll ein möglichst genauer Überblick über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft gegeben werden.717 Die Mindestbestandteile einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung werden dadurch erweitert. Unverständlich und in der Systematik irritierend ist es, dass der Gesetzgeber die Jahresabrechnung in Abs. 2 und den Vermögensbericht in Abs. 4 erwähnt. Dadurch wird der unzutreffende Eindruck erweckt, als handele es sich um zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Rechenwerke des Verwalters.
2. Zeitpunkt der Aufstellung Der Vermögensbericht ist „nach Ablauf des Kalenderjahres“ zu erstellen. Wenn Abs. 2 da- 355 von spricht, dass nach Ablauf des Kalenderjahrs die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beschließen, wird deutlich, dass Jahresabrechnung und Vermögensbericht gleichermaßen nach Ablauf des Kalenderjahres vorzulegen sind. Der erste verpflichtende Vermögensbericht ist für das Kalenderjahr 2020 zu erstellen.
3. Art der Präsentation Während Abs. 2 lediglich feststellt, dass der Verwalter die Jahresabrechnung aufzustellen hat, 356 formuliert der Gesetzgeber hinsichtlich des Vermögensbericht in Abs. 4 zusätzlich, dass dieser jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen ist. Dieser unterschiedliche Wortlaut wirkt ebenfalls verunglückt, da er den Eindruck suggeriert, entweder sei die Jahresabrechnung nicht unbedingt den Wohnungseigentümern zur Verfügung zu stellen, oder, wenn beides zur Verfügung gestellt werden müsste, könne der Vermögensbericht nach714 S. auch KG v. 26.11.2001 – 24 W 7/01, MDR 2002, 574 = ZWE 2002, 182; Gaier, ZWE 2004, 109; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 345. 715 KG v. 26.1.2006 – 8 U 208/05, NZM 2006, 297; Gaier, ZWE 2004, 109; Häublein, MietRB 2006, 45; a.A. OLG München v. 23.2.2005 – 34 Wx 005/05, ZMR 2005, 311; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 345. 716 Hogenschurz, DWE 2004, 124, 127; Gaier, ZWE 2004, 109, 118. 717 BT-Drucks. 19/18791, S. 77. Jennißen | 1511
§ 28 WEG Rz. 356 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht gereicht werden. Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, dass gerade der Vermögensbericht den Wohnungseigentümern nicht zwingend zugesandt werden müssen, da „Zurverfügungstellung“ nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme bedeute. Der Verwalter könne im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung entscheiden, sofern die Wohnungseigentümer nichts anderes beschließen, wie er den Vermögensbericht zugänglich macht.718 So könne der Verwalter auch ihn zum Abruf ins Internet einstellen. 357 Stellungnahme: Dies ist nicht überzeugend. Zwar ist der Vermögensbericht i.d.R. nicht maß-
gebend für die Ermittlung der Nachschüsse bzw. der anzupassenden Vorschüsse. Er ist also nicht unmittelbar ergebnisrelevant. Dennoch ist der Vermögensbericht Bestandteil der Jahresabrechnung719 und somit jedem Wohnungseigentümer zu übergeben. Die Gewährung einer Einsichtnahmemöglichkeit genügt nicht.720 Er gibt den Wohnungseigentümern nicht nur einen Überblick über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft, sondern dient auch seiner Schlüssigkeitskontrolle. Es ist somit nicht nachvollziehbar, warum dem Verwalter ein Ermessen zustehen soll, wann und wie er diesen Bericht zur Verfügung stellt. 358 Klarstellend können die Wohnungseigentümer allerdings beschließen, wie und wann der
Vermögensbericht den Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt werden muss. Eine gemeinsame Vorlage mit der Jahresabrechnung dürfte ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
4. Inhalt 359 Der Wortlaut des Abs. 4 fordert für den Vermögensbericht lediglich die Darstellung des
Stands der Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens. In der Gesetzesbegründung spricht der Gesetzgeber von der Darstellung des Ist-Vermögens. Zudem soll der Vermögensbericht alle Forderungen der Gemeinschaft gegen einzelne Wohnungseigentümer und Dritte enthalten, alle Verbindlichkeiten der Gemeinschaft aufführen und sonstige Vermögensgegenstände erwähnen.721 360 Das Gesetz verlangt die Wiedergabe des „wesentlichen“ Gemeinschaftsvermögens, sodass ge-
ringwertige Wirtschaftsgüter nicht aufgeführt werden müssen. Wo die Grenze zur Geringwertigkeit liegt, erwähnt das Gesetz aber nicht. Teilweise wird darauf verwiesen, dass die Wesentlichkeit von der Größe der Gemeinschaft abhängig sei,722 während an anderer Stelle erwähnt wird, dass der Rasenmäher ein Vermögensgegenstand geringen Werts wäre,723 nicht jedoch wiederum der Aufsitzrasenmäher.724 Ebenso wird als Wesentlichkeitsgrenze der steuerrechtliche Wert für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG (derzeit 800 Euro) genannt,725 die aber dann wiederum je nach Größe der Anlage mit Ab- oder Zuschlägen versehen werden müsste.726 361 Maßstab sollte nach hier vertretener Auffassung sein, ob der Vermögensgegenstand noch ei-
nen Marktwert hat, der zumindest so hoch ist, dass im Veräußerungsfall die Eigentümergemeinschaft hierdurch wesentliche Beiträge zur Bewirtschaftung des Objektes generieren könnte. Dies ist bei Gartengeräten und insbesondere dem Rasenmäher stets zu verneinen. 718 719 720 721 722 723 724 725 726
So Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 948. So auch Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 246. AG Wiesbaden v. 1.7.2022 – 92 C 3463/21, ZMR 2022, 756. BT-Drucks. 19/18791, S. 77 f. So BT-Drucks. 19/18791, S. 83. Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2019, 429, 457. So Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 933. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 931. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 931.
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XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 | Rz. 366 § 28 WEG
Hingegen hat der Ölbestand für die Gemeinschaft noch einen Wert, da er im Rahmen der Heizkostenabrechnung in naher Zukunft liquidiert wird. Besitzt die Eigentümergemeinschaft selbst eine Eigentumswohnung im Objekt oder musste sie in der Nachbarschaft Flächen zum Nachweis von Pkw-Stellplätzen ankaufen, sind dies wesentliche Vermögensgegenstände, die das wirtschaftliche Bild der Gemeinschaft prägen können. Der Wortlaut von Abs. 4 spricht nur hinsichtlich des sonstigen Vermögens von wesentlichen 362 Beträgen, nicht aber bei der Erhaltungsrücklage. Das ist auch vom Sinn und Zweck her zutreffend, weil selbst der kleinste Betrag eine Erhaltungsrücklage darstellt und auch dieser geringe Betrag für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gemeinschaft wesentlich ist. In diesem Fall erfüllt die Angabe sogar ein negatives Informationsinteresse der Wohnungseigentümer, weil sie hierdurch erkennen können, dass sie keine ausreichende Vermögensvorsorge betrieben haben. In der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber aus, dass Forderungen und Verbindlich- 363 keiten betragsmäßig anzugeben seien, während für das sonstige Vermögen Beträge nicht benannt werden müssten.727 Das ist einerseits verständlich, weil Gebrauchsgegenstände ständig an Wert verlieren und es dem Verwalter nicht zumutbar wäre, diese entweder bewerten oder nach der steuerrechtlichen AfA-Tabelle abschreiben zu müssen. Dennoch kann der Aussage, dass die sonstigen Vermögensgegenstände nur zu erwähnen und nicht betragsmäßig zu beziffern sind,728 nicht in dieser Allgemeinheit gefolgt werden. Gehören der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Immobilien, haben diese durchaus einen dauerhaften Wert und es ist für die Gemeinschaft von großer Bedeutung, diesen Wert auch betragsmäßig zumindest hinsichtlich der Anschaffungskosten festzuhalten. Auch beim Heizölbestand ist nicht nur die Angabe der Menge wichtig. Wird diese Menge im Folgejahr verbraucht, muss sowieso eine Bewertung erfolgen, die üblicherweise nach der sogenannten Fifo-Methode erfolgt;729 es wird also unterstellt, dass die zuerst gekauften Ölmengen auch zuerst verbraucht werden, sodass der Endbestand mit den Preisen der zuletzt eingekauften Ölmengen zu bewerten ist. Teilweise wird vertreten, dass die Wohnungseigentümer keine Beschlusskompetenz besäßen, 364 diese Wertgrenzen zu bestimmen, also dem Verwalter Weisung zu erteilen, was er in den Vermögensbericht aufzunehmen habe.730 Dem ist nicht zu folgen, da nicht erkennbar ist, warum eine solche Festlegung durch die Wohnungseigentümer nicht im Rahmen ordnungsmäßiger Beschlussfassung erfolgen könnte. Auch der Wortlaut von § 28 Abs. 4 schweigt hierzu. Die schon nach alter Rechtslage geforderte Angabe offener Forderungen auf die Instandset- 365 zungsrücklage soll erweitert werden auf alle offenen Hausgeldforderungen.731 Die Darstellung der Fehlbeträge bei der jetzt umbenannten Erhaltungsrücklage führt zur Darstellung der sogenannten Soll-Rücklage. Der Ausweis der offenen Hausgeldforderungen erweitert gewissermaßen die oben erwähnte Saldenliste (s. Rz. 223). Sie verdeutlicht die Abweichungen zwischen der Abrechnungsspitze und dem Abrechnungssaldo. Bis zum Inkrafttreten des WEMoG lehnte die Rechtsprechung einen Status als Pflicht- 366 bestandteil einer Jahresabrechnung ab,732 während vereinzelte Stimmen in der Literatur die
727 BT-Drucks. 19/18791, S. 78. 728 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 933. 729 OLG Koblenz WuM 1986, 282; Lammel, HeizkV, 5. Aufl., § 6 Rz. 46; Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 286. 730 Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 932. 731 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ZWE 2019, 429, 456. 732 BGH v. 11.10.2013 – V ZR 271/12, MDR 2014, 143 = MietRB 2014, 12 = ZMR 2014, 228 = NZM 2014, 79; OLG Frankfurt v. 16.10.2006 – 20 W 278/03, IMR 2007, 1068; a.A. LG München I v. 10.11.2008 – 1 T 4472/08, ZWE 2009, 218, das den Status zwar für erforderlich hält; ein fehlender Status soll aber nur einen Ergänzungsanspruch begründen. Jennißen | 1513
§ 28 WEG Rz. 366 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht Notwendigkeit eines solchen Abrechnungsbestandteils erkannten.733 Der nunmehr zwingend erforderliche Vermögensbericht unterscheidet sich von einem Status nur gering, allenfalls dadurch, dass in letzterem keine Vermögensgegenstände aufgenommen wurden, die bereits bezahlt und als Kosten auf alle Wohnungseigentümer umgelegt worden waren. Solche Erinnerungsposten waren für die Erstellung eines Status unerheblich. Andererseits wurde der Restölbestand nicht nur aufgenommen, sondern auch bewertet. Dies war zur vermögensmäßigen Abstimmung erforderlich. Der Status endet mit einer Darstellung des Sollvermögens. Dieses Sollvermögen war mit der Soll-Rücklage im Ergebnis identisch.734 Indem Abs. 4 nun für den neuen Vermögensbericht vorsieht, dass dort alle noch vorhandenen Vermögensgegenstände, soweit sie wesentlicher Natur sind, benannt werden müssen, handelt es sich im Grunde beim Vermögensbericht um einen erweiterten Status. Deshalb kann bei den folgenden Ausführungen auch der Begriff „Status“ als Synonym für den Vermögensbericht verwendet werden.735 367 Der Status ist zwar keine Bilanz, sondern allenfalls eine Vorstufe hiervon.736 Neben den For-
derungen und Verbindlichkeiten werden nochmals die Bankbestände (ohne Entwicklung) und sonstigen Vermögensgegenstände aufgenommen. Bei den Verbindlichkeiten sind ebenso nicht bezahlte Rechnungen Dritter wie noch auszuzahlende Guthabenbeträge der Wohnungseigentümer aus den Jahresabrechnungen zu erwähnen. Forderungen werden sich hingegen im Wesentlichen aus Wohngeldrückständen oder Nachzahlungsforderungen aus Jahresabrechnungen ergeben. Diese sollten nach Jahr und Einheit aufgeschlüsselt werden.737 Ebenso können ausstehende Versicherungsleistungen aus Schadensabwicklungen die Forderungen prägen. Hat die Eigentümergemeinschaft Sicherheitseinbehalte gegenüber einem Werkunternehmer vorgenommen, sind diese als Verbindlichkeiten aufzuführen. 368 Forderungen und Verbindlichkeiten sind zu berücksichtigen, wenn sie begründet sind. Eine
Fälligkeit muss noch nicht eingetreten sein. Für die Begründetheit reicht eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung bzw. der Inanspruchnahme der Gemeinschaft. Dies einzuschätzen, obliegt zunächst dem Verwalter. Zudem muss der in Betracht kommende Betrag wesentlich (s. hierzu nachfolgende Rz.) sein. Sind z.B. Werkleistungen schon erbracht, aber noch nicht abgerechnet worden, kann auf ihre Aufnahme im Vermögensbericht verzichtet werden, wenn die zu erwartenden Beträge unwesentlich sind.738 Denkbar ist es auch, finanzielle Gewährleistungsansprüche aufzunehmen. Wesentliches Kriterium für die Aufnahme solcher Ansprüche ist eine hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung, was nicht zwingend die Vorlage eines Titels oder ein Anerkenntnis erfordert. 369 Forderungen und Verbindlichkeiten gehören auch deshalb in den Status, um die Sollrück-
lage (s. Rz. 386 ff.) zu verproben. Dazu ist es teilweise erforderlich, dass die Forderungen und Verbindlichkeiten in voller Höhe aufgenommen werden und ihre Berücksichtigung nicht vom Erreichen eines Mindestbetrages abhängig ist. Auch wenn das Gesetz nur von wesentlichen Vermögensgegenständen spricht, ist für die Berücksichtigung von Forderungen und Verbindlichkeiten die Wesentlichkeitsgrenze dann unerheblich, wenn diese Beträge be-
733 Casser/Schultheis, ZMR 2013, 788; Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 624; ebenso in der Vorauflage, § 28 Rz. 126 ff.; Drasdo, NZM 2010, 217, 220; Sauren, 6. Aufl., § 28 Rz. 55; inkonsequent Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., § 28 Rz. 58, wonach die Vermögensübersicht zur Schlüssigkeitskontrolle notwendig sei, dennoch nicht als Pflichtbestandteil einer Jahresabrechnung angesehen werden müsse. 734 S. Musterabrechnung von Casser/Schultheis in Jennißen, Die Verwalterabrechnung, 7. Aufl., S. 386 ff. 735 Ebenso Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 84; Dötsch/ Schultzky/Zschieschack sprechen in WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 138 von einem „Teilstatus“. 736 Sauren, § 28 WEG Rz. 55 spricht von einer „Teilbilanz“. 737 Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 91. 738 Insoweit nicht differenzierend: Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 946.
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XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 | Rz. 373 § 28 WEG
reits abrechnungsrelevant sind. Dies ist z.B. bei der Jahresschlussrechnung des Energieversorgers oder bei den Kosten des Messdienstleisters der Fall, da diese Beträge Niederschlag in der Kostenverteilung und somit in der Einzelabrechnung finden. Damit die Gesamtabrechnung verprobt werden kann, müssen diese Forderungen und Verbindlichkeiten im Vermögensbericht stets in voller Höhe angesetzt werden, selbst wenn diese Beträge nicht wesentlich für den Jahreshaushalt der Gemeinschaft sind. Da im Vermögensbericht der „Stand“ des Vermögens zu präsentieren ist, ist es nicht erfor- 370 derlich, die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr zu präsentieren. Es handelt sich also um eine statische Darstellung. Die Bankkontenentwicklung, die hier ebenfalls als Pflichtbestandteil einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung angesehen wird (s. Rz. 140), unterscheidet sich hiervon, weil sie eine dynamische Entwicklung vom Jahresanfangsbestand bis zum Jahresendbestand enthalten muss. Will man überhaupt zwischen Jahresabrechnung und Vermögensbericht/Status differenzieren, dann gehört die Bankkontenentwicklung zur Jahresabrechnung, weil dort die Einnahmen und Ausgaben aufzuführen sind. Einnahmen und Ausgaben entwickeln sich aber über das ganze Jahr hin, während der Vermögensbericht nur den Status quo, also das Endvermögen beinhaltet.739 Wird die Jahresabrechnung mit Bankkontenentwicklung und Vermögensbericht als Einheit präsentiert, ist es unerheblich, ob die Kontenstände unter der Überschrift „Vermögensbericht“ oder nur in der „Bankkontenentwicklung“ dargestellt werden. Die formalen Ansprüche dürfen nicht überbewertet werden. Wesentlich ist, dass das Vermögen nachvollziehbar präsentiert wird. Ein ordnungsgemäßer Status dient einmal der Eigenkontrolle des Verwalters. Er kann hier- 371 durch überprüfen, ob alle wirtschaftlichen Vorgänge erfasst und ordnungsgemäß gebucht wurden. Gleichzeitig ist er Basis für den nächsten Wirtschaftsplan.740 Die Wohnungseigentümer können anhand des Status erkennen, warum die Bankkonten in ihrer Summe nicht alleine dem Vermögen der Eigentümergemeinschaft entsprechen.741 Nur der Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten im Status verdeutlicht, wodurch die bei überschlägiger Kontrolle abweichende Liquiditätslage verursacht ist. Ohne Status können die Wohnungseigentümer die Gesamtabrechnung nicht verproben. Deshalb ist die Statuserstellung ein Pflichtbestandteil einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung. Wird aus der Gesamtabrechnung deutlich, dass die Wohngeldeinnahmen geringer sind, als 372 das Wohngeldsoll gemäß Wirtschaftsplan, ist daraus noch nicht erkennbar, in welcher Höhe dies Auswirkungen auf die Zuführung zur Erhaltungsrücklage hat. Dies ist aber eine wesentliche Prüfziffer, um die Abweichung von der Sollrücklage erklären zu können. Hierauf geht der BGH in seiner Entscheidung zur früheren Saldenliste742 nicht ein, während er in seiner Entscheidung zur Instandhaltungsrücklage743 die Darstellung von Soll- und Ist-Rücklage fordert. Im Ergebnis bedeutet das, dass der BGH die Unterschiedsdarstellung zwar fordert, nicht aber ihre Erläuterung, was nicht überzeugend ist. Eine Entwicklung der Sollrücklage unter Berücksichtigung von Forderungen und Verbind- 373 lichkeiten führt zu einem sog. „Nullabgleich“. Endet diese Kontrollabrechnung bei null, sprechen die Indizien dafür, dass alles richtig verbucht wurde und die Buchführung „aufgeht“. In die Bankkontenentwicklung gehören Forderungen und Verbindlichkeiten ebenso
739 Insoweit anderer Auffassung: Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 Rz. 243, Wicke in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 24, die die Bankkontenentwicklung ebenfalls als Pflichtbestandteil der Jahresabrechnung ansehen, diese aber eher dem Status zuordnen als der eigentlichen Jahresabrechnung. 740 Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 624; Drasdo, NZM 2010, 217, 220. 741 Ebenso Sauren, 6. Aufl., § 28 WEG Rz. 55. 742 V. 27.10.2017 – V ZR 189/16, ZMR 2018, 343 = NZM 2018, 233. 743 V. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZMR 2010, 300. Jennißen | 1515
§ 28 WEG Rz. 373 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht wenig hinein, wie in die Kostenverteilung.744 Die Rechtsprechung differenziert insoweit nicht hinreichend.745 Es ist nicht die Frage zu stellen, ob insbesondere Wohngeldforderungen ausgewiesen werden dürfen, sondern an welcher Stelle. So spricht auch der BGH von der Pflicht zum Ausweis der geschuldeten Zahlungen im Zusammenhang mit der Instandhaltungsrücklage746 oder fordert, dass schon bezahlte aber noch nicht verbrauchte Brennstoffe (Gas) zur Verteilung gebracht werden.747 Bei letzteren Beträgen liegt zwar ein Mittelabfluss vor, der aber tatsächlich eine Forderung verkörpert, weil in dieser Höhe der Versorger noch keine Gegenleistung erbracht hat. Wurde zu wenig an den Versorger vorausgezahlt, ist der Mehrverbrauch zu verteilen, ohne dass schon ein Mittelabfluss insoweit stattgefunden hat, der somit wirtschaftlich eine Verbindlichkeit darstellt. 374 Der Vermögensbericht ersetzt die Rechnungslegung, wie sie in § 28 Abs. 4 a.F. vorgesehen
war.748 Ist der Status vollständig erstellt worden, kann ein Nachfolgeverwalter hieran anknüpfen und hat keine Probleme, die nächste Jahresabrechnung erstellen zu können. Ein unvollständiger Status rechtfertigt einen Nachbesserungsanspruch der GdWE. Auf die Abrechnungsergebnisse wirken sich Fehler oder Unvollständigkeiten nur dann aus, wenn erkennbar wird, dass zur Ergebnisermittlung nicht alle verteilungsrelevanten Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt wurden.
5. Rücklagen a) Erhaltungsrücklagen 375 Der Gesetzgeber unterscheidet jetzt zwischen der Erhaltungsrücklage (vormals als Instand-
haltungsrückstellung oder Instandsetzungsrücklage bezeichnet) oder einer durch Beschluss vorgesehenen Rücklage. Die Erhaltungsrücklage dient der finanziellen Vorsorge für spätere Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten. Die Wohnungseigentümer haben einen weiten Ermessensspielraum, ob sie eine konkrete Instandsetzungsmaßnahme aus der Rücklage finanzieren oder die Mittel per Vorschüsse gem. Wirtschaftsplan bzw. Sonderumlage erheben.749 Dabei dient die Rücklage der finanziellen Absicherung aller Reparaturen, unabhängig von ihrer Größe. Dass aus der Erhaltungsrücklage nur größere Instandhaltungen oder Instandsetzungen finanziert werden dürfen, gibt der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Ziff. 4 nicht her.750 Die Finanzierung aus der Rücklage sollte grundsätzlich zusammen mit dem Instandsetzungsbeschluss gefasst werden. Auch hat eine Entnahme aus der Rücklage nichts mit einem tatsächlichen Mittelabfluss zu tun, da die Rücklagenentwicklung nur ein Buchungskonto und nicht zwingend ein Bankkonto darstellt.751 Die Mittelverwendung darf nicht der Wahl des Verwalters überlassen werden.752 376 Die Rücklagenentwicklung ist Bestandteil der Vermögensdarstellung der Eigentümergemein-
schaft. Die Verprobung der Jahresabrechnung über die Bankkonten kann nicht erfolgen, wenn der wesentliche Teilbereich des Rücklagenkontos nicht dargestellt wird. Für die Dar-
744 S. zur Nichtaufnahme von streitigen Forderungen in die Einzelabrechnung AG München v. 14.8.2013 – 482 C 14260/12, ZMR 2014, 248. 745 Vgl. OLG Düsseldorf v. 24.11.2003 – I-3 Wx 123/03, ZMR 2004, 282. 746 BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300. 747 BGH v. 17.2.2012 – V ZR 251/10, MDR 2012, 510 = MietRB 2012, 141 = ZMR 2012, 372. 748 Ebenso Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 136. 749 BayObLG v. 29.7.2004 – 2Z BR 092/04, NZM 2004, 745; BayObLG v. 27.3.2003 – 2Z BR 37/03, ZMR 2003, 694. 750 So auch Sauren, 6. Aufl., § 21 WEG Rz. 12i (S. 333). 751 Insoweit verkennend LG Köln v. 19.1.2012 – 29 S 190/11. 752 LG Hamburg v. 15.2.2012 – 318 S 119/11, ZMR 2012, 474.
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XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 | Rz. 379 § 28 WEG
stellung der Erhaltungsrücklage oder sonstiger Rücklagen gibt es keine Wesentlichkeitsgrenze. Der einzelne Wohnungseigentümer hat an der Erhaltungsrücklage keinen zurechenbaren 377 Anteil. Wird ein solcher Anteil dennoch errechnet und in der Abrechnung ausgewiesen, hat dies nur informatorische Zwecke. Teilweise wurde angenommen, dass der ideelle Anteil an der Erhaltungsrücklage bei Veräußerung der Wohnung nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt,753 was im Hinblick darauf, dass die Rücklage der GdWE gehört, systemwidrig erschien und jetzt vom BFH aufgegeben wurde.754 Die Mittel der Erhaltungsrücklage unterliegen schon dann der Zweckbindung, wenn der 378 Wohnungseigentümer seine Zuführungsanteile mit dem Wohngeld an die Eigentümergemeinschaft überwiesen hat.755 Ab diesem Zeitpunkt darf der Verwalter die Erhaltungsrücklage nicht mehr für reparaturfremde Vorgänge oder zur Stärkung der allgemeinen Liquidität der Eigentümergemeinschaft verwenden, es sei denn die Wohnungseigentümer beschließen mehrheitlich, die Zweckbindung erst später (z.B. mit Vorlage der Jahresabrechnung) eintreten zu lassen (s. zur Entnahme aus der Rücklage Rz. 396 ff.). Unabhängig von der Zweckbindung kann er Umbuchungen zwischen dem laufenden Verwaltungskonto (Girokonto) und dem Rücklagenkonto (z.B. Festgeld) vornehmen, um Zinsgewinne zu erzielen.756 Ebenso ist es zulässig, nach entsprechender Beschlussfassung die Zuführungsbeträge zunächst für die Bezahlung der laufenden Betriebskosten zu verwenden. Ein solcher Beschluss entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, da es widersinnig wäre, die Bewirtschaftung des Objektes nicht sicherzustellen, obwohl ausreichende Rücklagenbeträge vorhanden sind. Er kann auch als Dauerbeschluss gefasst werden.757 Damit aber kein unbeschränkter Freibrief erteilt wird, der einer vollkommenen Aufhebung der Zweckbindung oder gar der vollständigen Auflösung der Rücklage gleichkäme, muss klargestellt werden, dass diese nur temporär und der Höhe nach limitiert aufgehoben wird.758 Eine „eiserne Reserve“ muss gewährleistet sein.759. Ob dazu die betragsmäßige Beschrän- 379 kung notwendig ist (z.B. 50 % des Zuführungsbetrages) ist zweifelhaft. Dafür spricht zwar, dass dem Verwalter kein Freibrief gegeben werden soll, die Instandhaltungsrücklage uneingeschränkt angreifen zu dürfen. Überzeugender ist aber das Gegenargument, dass auch bei Einräumung einer „Finanzierungslinie“ die gleichen Probleme der Liquiditätsklemme entstehen können, wie ohne. Das Problem wird dann nur hinausgeschoben760 und sollte deshalb über die Bildung einer Liquiditätsrücklage (s. Rz. 382 ff.) gelöst werden.
753 BFH v. 9.10.1991 – II R 20/89, BStBl. II 1992, 152; LG Darmstadt v. 3.12.2014 – 25 S 130/14, ZWE 2015, 261; schon von einer steuerrechtlichen Irrelevanz ausgehend: FG Sachsen v. 25.6.2014 – 6 K 193/12, NJW-Spezial 2014, 611; die Berechnungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht um den Anteil an der Rücklage kürzend: FG Köln v. 17.10.2017 – 5 K 2297/16, ZWE 2018, 188. 754 BFH v. 16.9.2020 – II R 49/17, DStR 2021, 161. 755 BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300; LG Köln v. 18.6.2020 – 29 S 212/19, ZMR 2020, 787; auf Basis des WEMoG zweifelnd und eine Zweckbindung erst annehmend, wenn die Abrechnungsergebnisse beschlossen wurden: Becker in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 7 Rz. 39. 756 KG v. 19.7.2004 – 24 W 305/02, MietRB 2005, 75. 757 LG Köln v. 18.6.2020 – 29 S 212/19, ZMR 2020, 787. 758 So auch LG Köln v. 24.11.2011 – 29 S 111/11, MietRB 2012, 114 = ZWE 2012, 279; LG München I v. 14.7.2016 – 36 S 3310/16, ZWE 2017, 286; AG Brühl v. 7.4.2011 – 23 C 583/10, MietRB 2011, 219 = ZMR 2011, 756; Deckert, ZMR 2010, 729, 735. 759 LG Köln v. 24.11.2011 – 29 S 111/11, MietRB 2012, 114 = ZWE 2012, 279; v. 9.2.2012 – 29 S 181/ 11, MietRB 2012, 147 = ZWE 2012, 280. 760 S. zur Problemlösung durch eine Liquiditätsrücklage Jennißen, Die Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 564; Jennißen/Kümmel/Schmidt, ZMR 2012, 758, 762; Casser/Schultheis, ZMR 2012, 377. Jennißen | 1517
§ 28 WEG Rz. 380 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 380 Auch ein Beschluss der Wohnungseigentümer, der Verwalter solle eingehende Wohngeldzah-
lungen zunächst gegen die Erhaltungsrücklage und dann erst gegen die Betriebskostenmittel buchen, widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil dann die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Objektes nicht mehr sichergestellt werden könnte.761 381 Die laufende Separierung der Rücklagenbeträge auf ein zinsbringendes Anlagekonto wird
in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, was allerdings in Zeiten fehlender Guthabenzinsen nahezu bedeutungslos ist. Die Überweisung der Zuführungsbeträge auf das Anlagekonto ist bei der Entwicklung des laufenden Bankkontos (s. Rz. 400 f.) zu berücksichtigen, weil es sich dort um einen Abfluss handelt.762 b) Liquiditätsrücklage (durch Beschluss vorgesehene Rücklage) 382 Der Liquiditätsspielraum der Eigentümergemeinschaft kann auch durch die Bildung einer
Liquiditätsrücklage (s. auch o. Rz. 64) vergrößert werden. Diese ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. § 28 Abs. 1 spricht von einer durch Beschluss vorgesehenen Rücklage, was aber ihrer Zulässigkeit als allgemeine Liquiditätsrücklage nicht im Wege steht,763 da sie ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen kann. Sie kann auch durch Umbuchung aus der Erhaltungsrücklage gebildet werden764. Ebenso ist es nicht zu beanstanden, wenn im Wirtschaftsplan die Zuführung zur Erhaltungsrücklage ausgesetzt und stattdessen nur eine Zuführung zur Liquiditätsrücklage beschlossen wird. Maßgebend ist aber stets, dass dadurch nicht von der Bildung einer ausreichenden Erhaltungsrücklage insgesamt abgesehen werden darf. Bei Neubauobjekten und noch bestehenden Gewährleistungsansprüchen kann die Bildung einer Liquiditätsrücklage sogar vorrangig in Betracht kommen, während bei älteren Objekten die Bildung einer eisernen Reserve für die Erhaltungsrücklage im Vordergrund stehen dürfte.765 766 Die ordnungsgemäße Höhe einer eisernen Reserve lässt sich nicht allgemein, sondern nur vor dem Hintergrund der in absehbarer Zeit zu erwartenden Reparaturen im Einzelfall definieren.767 382a Die Liquiditätsrücklage kann auch zur Vorfinanzierung von Heizölbeständen verwendet wer-
den (s. § 16 Rz. 180).768 Durch die Bildung einer solchen Rücklage werden viele Abgrenzungsbuchungen vermieden. Liquide Vorgänge, die nicht verteilungsrelevant im gleichen Kalenderjahr sind, können bei entsprechender Beschlusslage gegen die Liquiditätsrücklage gebucht werden. c) Rücklagendarstellung 383 Der Stand der Rücklage knüpft am Endbestand der letztjährigen Rücklage an. Abweichun-
gen zwischen dem Anfangsbestand und dem letztjährigen Endbestand darf es grundsätzlich nicht geben. Stellt der Verwalter aber fest, dass die letztjährige Rücklagendarstellung nicht
761 LG Köln v. 9.2.2012 – 29 S 181/11, MietRB 2012, 147 = ZMR 2012, 662. 762 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, ZMR 2021, 132 = MDR 2021, 26. 763 Casser/Schultheis, ZMR 2012, 377; Jennißen/Kümmel/Schmidt, ZMR 2012, 758; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 112; Abramenko, ZWE 2015, 72; a.A. OLG Hamm v. 3.5.2001 – 15 W 7/01, ZWE 2001, 446. 764 Siehe zur Bildung durch Umbuchung AG Köln v. 17.1.2023 – 215 C 48/22, NZM 2023, 429.. 765 Siehe zur eisernen Reserve: LG München I v. 14.7.2016 – 36 S 3310/16, ZMR 2016, 986; C 766 Siehe hierzu AG Lübeck v. 18.3.2022 – 35 C 52/21, ZWE 2023, 51. 767 Eine Umbuchung von 11 % aus der Erhaltungsrücklage in eine Liquiditätsrücklage nicht beanstandend: AG Köln v. 17.1.2023 – 215 C 48/22, juris. 768 S. hierzu auch Casser/Schultheis, ZMR 2012, 377; Jennißen/Kümmel/Schmidt, ZMR 2012, 758.
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XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 | Rz. 387 § 28 WEG
stimmte, kann er eine Anpassung im neuen Vermögensbericht vornehmen, muss dies aber nachvollziehbar erläutern.769 Teilweise wird angenommen, dass im Status nur der Endbestand der Rücklagen darzustellen 384 ist.770 Der Anfangsbestand lässt sich zwar aus dem Endbestand des Vorjahres ablesen. Dazu müsste aber dann die Vorjahresabrechnung hinzugezogen werden, sodass die Abrechnung selbst aus sich heraus nicht mehr prüfbar und verständlich wäre. Insbesondere bei einem Eigentümerwechsel wird sich für einen Neu-Eigentümer die Rücklagenentwicklung sonst nicht erschließen.771 Bei einer Mehrhausanlage kann die Gemeinschaft auch noch vorsehen, das getrennte Rück- 385 lagen zu führen sind. Ist dies unterlassen worden, muss die einheitliche Erhaltungsrücklage nachträglich aufgeteilt werden. Ist hingegen fälschlicherweise eine Trennung der Erhaltungsrücklage vorgenommen worden, obschon dies der Gemeinschaftsordnung nicht entspricht, sind diese zusammenzuführen.772 Wurde je Haus der Untergemeinschaft unterschiedlich eingezahlt, kann es zur Vereinheitlichung der Rücklage erforderlich sein, die Guthabenbeträge an die Eigentümer der jeweiligen Untergemeinschaft auszuzahlen und dann eine neue Gesamtrücklage zu erheben.773 d) Soll- und Ist-Rücklage In erster Linie ist bei den Rücklagen der Ist-Stand auszuweisen. Die Ist-Rücklage enthält die 386 Beträge, die die Wohnungseigentümer mit ihren Vorschüssen zur Auffüllung der Rücklagen tatsächlich geleistet haben. Die Soll-Rücklage enthält hingegen auch solche Beträge, die die Wohnungseigentümer zur Rücklagenbildung schuldeten, aber tatsächlich nicht leisteten. Es handelt sich um die Zielgröße, die die Wohnungseigentümer durch jährliche Anpassungsbeschlüsse (Zuführungen) gesetzt, aber tatsächlich wegen säumiger Wohngeldzahlungen noch nicht erreicht haben. Bis zum WEMoG entsprach es überwiegender Auffassung, dass die Präsentation der Soll-Rücklage zum Bestandteil einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung gehört.774 Bei der Darstellung der Ist-Rücklage, entstehen gegenüber der Soll-Rücklage Abweichun- 387 gen, weil hier nur die tatsächlich gezahlten Beträge berücksichtigt werden. Bei größeren Wohngeldfehlbeträgen kann die Darstellung der Ist-Rücklage sehr aufwendig sein. Auch die Verbuchung von Teilzahlungen erhöht den Buchungsaufwand. Den Verwalter durch Mehrheitsbeschluss zur Vermeidung dieses Aufwands zu ermächtigen, Teilzahlungen der Wohnungseigentümer zunächst in voller Höhe gegen die Rücklage zu buchen und erst überschießende Beträge als Betriebs- und Verwaltungskostenanteile anzusehen, entspricht keiner ordnungsgemäßen Verwaltung, da dies die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Objekts ge-
769 LG Frankfurt/M v. 5.3.2020 – 2-13 S 65/19, WuM 2020, 372. 770 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 142. 771 Ebenfalls Anfangs- und Endbestände fordern: Wicke in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 28 WEG Rz. 24. 772 LG Frankfurt/M v. 27.3.2020 -2-13 S 56/19, ZWE 2020, 433. 773 Siehe hierzu LG Frankfurt/M v. 27.3.2020 – 2-13 S 56/19, IMR 2020, 380. 774 BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, MDR 2021, 26 = ZMR 2021, 132; v. 4.12.2009 – V ZB 44/09, NZM 2010, 243 = ZMR 2010, 300; LG Köln v. 8.5.2014 – 29 S 241/13, ZMR 2014, 823; LG Dortmund v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, juris; Saarl. OLG v. 19.12.2005 – 5 W 166/05, NZM 2006, 228; LG Köln v. 7.5.2007 – 29 T 55/06, MietRB 2007, 236 = ZMR 2007, 652; LG Köln v. 9.8.2004 – 29 T 96/03, ZMR 2005, 151; LG Dortmund v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, ZMR 2016, 640; AG Bergisch Gladbach v. 24.8.2006 – 35 II 153/05, MietRB 2006, 324; Stähling/Jennißen, MietRB 2005, 27; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 138, der allerdings eine historisch geführte Sollrücklage für entbehrlich hält. Jennißen | 1519
§ 28 WEG Rz. 387 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht fährden würde.775 Teilzahlungen sind zunächst gegen die Bewirtschaftungs- und Verwaltungskosten zu buchen. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 366 Abs. 2 BGB, wonach Teilzahlungen immer zunächst gegen die lästigere Schuld zu buchen sind.776 Wenn die Bewirtschaftungs- und Verwaltungskosten aus den Mitteln der Eigentümergemeinschaft gedeckt werden können, erlischt die anteilige Haftung des Wohnungseigentümers nach § 10 Abs. 8 WEG. Deshalb ist die Aufbringung der Zuführungsbeträge zur Rücklage aus Sicht des Wohnungseigentümers eher sekundär. 388 Hinsichtlich des jetzt notwendigen Vermögensberichts scheint der Gesetzgeber nur auf die
Ist-Rücklage abzustellen und entgegen der bisher herrschenden Meinung die Präsentation der Soll-Rücklage ausschließen zu wollen.777 Dies ist aber nicht überzeugend, da ein Grund, auf die Darstellung der Soll-Rücklage zu verzichten, nicht erkennbar ist.778 Dies ist aber kein strukturelles, sondern eher ein Darstellungsproblem. Denn selbst die Vertreter, die die SollRücklage für entbehrlich halten, weisen das fehlende Wohngeld als Forderung im Status aus.779 Wird nun diese Forderung entsprechend § 28 Abs. 1 aufgesplittet in fehlende Vorschüsse und fehlende Beiträge zu den Rücklagen, dann wird auch so die Differenz zwischen Soll-Rücklage und Ist-Rücklage erkennbar. 389 Da das Vermögen und somit auch die Bankkontenstände zum Abrechnungsstichtag anzuge-
ben sind, erfasst dies auch etwaige Festgeldkonten, auf denen die Rücklagen angesammelt werden. Die ausgewiesene Ist-Rücklage muss diesem separierten Geldbestand aber nicht entsprechen.780 Das zusätzlich angelegte Bankkonto lässt sich zur besseren Unterscheidbarkeit von den laufenden liquiden Mitteln auch als Bankkontenrücklage bezeichnen, so dass es bei Anlage eines solchen Kontos und der Präsentation der Soll-Rücklage zu einer dreifachen Rücklagendarstellung kommt.781 Für die Rücklagen ist die Anlage eines separaten Bankkontos nicht zwingend,782 zumal derzeit nahezu keine Zinsen auf Festgeldkonten erwirtschaftet werden können. Daher decken sich die Beträge zwischen Ist-Rücklage und Bankkontenrücklage nicht stets und sind auch gedanklich zu trennen.783 Werden die Beträge nicht vollständig separiert, also nicht auf ein gesondertes Festgeldkonto überwiesenen, decken sich die liquiden Mittel dieser Bankkontenrücklage nicht mit der Ist-Rücklage. 390 Die tatsächlich auf die Rücklage gezahlten Beträge sind auch für die Vergangenheit zu ermit-
teln.784 Die diesbezüglichen Feststellungen des BGH785 wirken zurück. Die Entwicklung der Rücklagen ist keine für das Abrechnungsjahr isoliert anzustellende Betrachtung, sondern eine Vermögensentwicklung, die von Anfang an (historisch) fortzuschreiben ist, d.h. auch die Fehlbeträge aus früheren Jahren sind auszuweisen, zumal es sich auch bei diesen Beträgen um Forderungen der Gemeinschaft handelt. Bei Eigentümergemeinschaften, die seit vie775 LG Köln v. 9.2.2012 – 29 S 181/11, ZWE 2012, 280. 776 So auch Häublein, ZWE 2010, 237, 244; ihm folgend Deckert, ZMR 2010, 729, 736. 777 BT-Drucks. 19/18791, S. 77; folgend: Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 924; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 10 Rz. 142. 778 So auch Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 6 Rz. 38; Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 28 Rz. 237. 779 Bartholome in Hogenschurz, 3. Aufl., § 28 WEG Rz. 146; Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 269. 780 Siehe hierzu LG Dortmund v. 22.11.2022 – 17 S 57/22, juris; vorgehend AG Bünde v. 15.3.2022 – 5 C 541/18, ZMR 2023, 325. 781 LG Düsseldorf v. 21.12.2016 – 25 S 63/16, ZWE 2017, 271. 782 BGH v. 4.12.2009 – V ZB 44/09, NZM 2010, 243 = ZMR 2010, 300. 783 Siehe BGH v. 25.9.2020 – V ZR 80/19, ZMR 2021, 132 = MDR 2021, 26. 784 So auch AG Hannover v. 1.6.2010 – 484 C 13827/09, ZMR 2010, 811; a.A. LG München I v. 11.8.2016 – 1 T 10569, IMR 2016, 473. 785 BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300 = NZM 2010, 243.
1520 | Jennißen
XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 | Rz. 394 § 28 WEG
len Jahren bestehen, möglicherweise durch mehrere Verwalterwechsel und höhere Wohngeldausfälle gekennzeichnet sind, wird diese Ermittlung nachträglich kaum herstellbar oder gar unmöglich sein. Der amtierende Verwalter benötigt dafür nicht nur einen zuverlässigen Überblick über die Wohngeldrückstände der Vergangenheit, sondern auch über alle historischen Wirtschaftspläne der Anlage. Soweit diese fehlen, ist der Verwalter nicht mehr in der Lage, nachträglich die Rücklage in diesem Sinne zu entwickeln. Dann muss der Verwalter Annäherungswerte schlüssig entwickeln, die die Wohnungseigentümer mehrheitlich als Ausgangspunkt für die weitere Rücklagenentwicklung beschließen können. Sind Wohngeldforderungen aus der Vergangenheit aber uneinbringlich und/oder verjährt, können sie nach entsprechender Beschlussfassung ausgebucht werden, sodass sich hierdurch Soll-Rücklage und Ist-Rücklage anpassen. e) Zuführung zur Rücklage Die Zuführungsbeträge sind in der Jahresabrechnung nach Auffassung des BGH786 nicht als 391 Kosten zu verteilen. Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass es sich bei den Zuführungsbeträgen aus Sicht der Gemeinschaft um Einnahmen und nicht um Kosten handelt. Dies ist zwar richtig. Aus Sicht der Wohnungseigentümer, die diesen Betrag wie Kosten aufbringen müssen, hätte es aber dieser veränderten Sichtweise nicht bedurft. Konsequenz ist es, dass die Zuführungsbeträge in der Einzelabrechnung nicht unter der Über- 392 schrift der Kostenverteilung, sondern separat angesetzt werden müssen.787 Hat ein Wohnungseigentümer nur Teilzahlungen geleistet, müssen weiterhin die Zuführungsbeträge laut Wirtschaftsplan zur Verteilung gebracht werden, damit keine Entlastung des säumigen Wohnungseigentümers aufgrund seiner Nichtzahlung eintritt. Die Höhe der Zuführung zur Erhaltungsrücklage ist nicht davon abhängig, welcher Betrag 393 im Wirtschaftsplan eingestellt wurde. Die Wohnungseigentümer können später eine Abweichung hiervon beschließen und den Verwalter anweisen, den Zuführungsbetrag im Rahmen der Jahresabrechnung höher oder niedriger anzusetzen.788 Entsprechend fallen dann auch die Abrechnungsergebnisse anders aus. Regelt die Gemeinschaftsordnung einen Höchstbetrag der jährlichen Zuführung oder sogar einen Höchstbetrag der Rücklage, ist eine solche Vereinbarung unwirksam.789 Den Wohnungseigentümern würde durch eine solche Vereinbarung dauerhaft die Möglichkeit genommen, eine dem Zustand des Objekts angemessene Rücklage zu bilden. Solche Regelungen in den Gemeinschaftsordnungen werden häufig vom Bauträger formuliert, damit er, solange er noch Miteigentümer ist, nicht zu stark belastet wird. Er hat aufgrund des geplanten Weiterverkaufs der Wohnungen kein Interesse an der Ansammlung einer angemessenen Rücklage. Dies kann die Wohnungseigentümer aber nicht daran hindern, abweichend hiervon eine angemessene Höhe zu beschließen. Die gegenteilige Regelung in der Gemeinschaftsordnung nimmt ihnen ein Kernrecht. Als Einnahmen/Zuführungsbeträge sind bei der Rücklagenentwicklung Zinserträge auszu- 394 weisen,790 sofern beschlossen wurde, dass diese die Rücklage erhöhen und nicht ausgeschüttet werden sollen. Die Zinserträge werden dann wiederum durch Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag gemindert.
786 BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300. 787 So BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300. 788 KG v. 7.1.2004 – 24 W 326/01, ZMR 2005, 221; BayObLG v. 30.6.2004 – 2Z BR 058/04, MietRB 2004, 358 = DWE 2005, 24. 789 A.A. LG Itzehoe v. 7.8.2020 – 11 S 43/17, ZMR 2020, 877. 790 KG v. 7.1.1985 – 24 W 4964/84, DWE 1986, 27. Jennißen | 1521
§ 28 WEG Rz. 395 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht 395 Die Zuführungsbeträge sind nach dem geltenden Verteilungsschlüssel anzusammeln. Nichtig
ist ein Beschluss, der die Guthaben aus der Jahresabrechnung der Rücklage zuführt.791 Folge eines solchen Beschlusses wäre es, dass die energie- und wassersparenden Eigentümer mehr als die anderen in die Rücklage zahlen. Das widerspricht Sinn und Zweck der HeizkV und dem Gleichheitsgrundsatz. Ebenso nichtig ist eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung, wonach Fehlbeträge aus einer Jahresabrechnung der Instandhaltungsrücklage entnommen werden dürfen.792 Hierdurch würden über den Umweg der Instandhaltungsrücklage Fehlbeträge sozialisiert und damit eine Einstandspflicht für fremde Schulden entstehen. f) Entnahme aus der Rücklage 396 Instandsetzungskosten sind auch dann als Kosten zu verteilen, wenn sie aus der Rücklage
gedeckt werden sollen.793 Die Kostenverteilung ist von der Frage ihrer Finanzierung zu unterscheiden. Die Instandsetzungskosten sind also stets zur Verteilung zu bringen, selbst wenn sie sich im Abrechnungsergebnis nicht auswirken sollen. Die Entnahme aus der Rücklage ist dazu bei der Kostenverteilung wie eine Einnahme den Ausgaben gegenüberzustellen, so dass sich die Beträge im Ergebnis neutralisieren.794 Würden sie saldiert, erscheinen sie unzulässiger Weise in der Einzelabrechnung nicht mehr. Sie sollten auch den Kosten nicht als Negativbetrag zugebucht werden, da sie Einnahmen darstellen und es negative Kosten nicht gibt.795 Zudem ist der Mittelabfluss bei der Rücklagenentwicklung zu verdeutlichen. Sie sind für den vermietenden Wohnungseigentümer Werbungskosten, da nach Auffassung der Finanzverwaltung erst jetzt ein Vermögensverlust eintritt796 Im Ergebnis heben sich dann die aufgewandten Instandsetzungskosten und die gleich hohen Abflüsse aus der Instandhaltungsrücklage auf,797 so dass es zu keiner weiteren Belastung der Wohnungseigentümer kommt. Während es sich bei der Zuführung zur Instandhaltungsrücklage nur um eine Einnahme aus Sicht der Wohnungseigentümergemeinschaft handelt, stellt die Ausgabe aus der Rücklage eine Kostenposition dar, die der Wohnungseigentümer anteilig zu tragen hat. Sie ist daher in der Einzelabrechnung zu berücksichtigen, was konsequenterweise aus BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09 folgt.798 397 Werden die Zuführungsbeträge oder gar Beträge aus der Rücklagensubstanz unterjährig zur
Liquiditätsstärkung eingesetzt und insbesondere Betriebskosten davon beglichen, ist dies in der Rücklagenentwicklung deutlich zu machen. Der Verwalter kann hierzu generell ermächtigt werden, sofern der Beschluss seine Handlungsoptionen klar und eindeutig festlegt.799 Die Problematik lässt sich insgesamt durch die Bildung einer Liquiditätsrücklage umgehen. Die Entnahme darf auch dann nicht verschwiegen werden, wenn sie zwischenzeitlich wieder aufgefüllt wurde.800 Die Entnahme zur Liquiditätsstärkung ist nur rechtmäßig, wenn die 791 Im Ergebnis ebenso LG Hamburg v. 25.6.2003 – 318 T 132/02, ZMR 2003, 787. 792 A.A. BayObLG v. 10.3.2004 – 2Z BR 268/03, ZMR 2005, 64. 793 LG München v. 9.11.2006 – 1 T 6490/06, ZMR 2007, 567; v. 30.11.2009 – 1 S 23229/08, ZWE 2010, 138; v. 18.8.2010 – 1 S 1874/10, ZMR 2011, 64; LG Köln v. 21.4.2016 – 29 S 156/15, ZMR 2017, 1005; AG Hannover v. 26.5.2009 – 484 C 15729/08, ZMR 2009, 958; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 8 Rz. 115. 794 LG Frankfurt/M v. 28.5.2020 – 2-13 S 6/19, ZWE 2020, 476; AG München v. 13.9.2017 – 481 C 7072/17, ZMR 2018, 85. 795 So auch AG Passau v. 30.12.2013 – 23 C 1068/13, ZMR 2014, 493. 796 BFH v. 26.1.1988 – IX R 119/83, BB 1988, 1165; ausführlich hierzu Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 583 ff. 797 S. hierzu das Beispiel bei Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 595. 798 BGH v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, MDR 2010, 435 = MietRB 2010, 116 = ZMR 2010, 300. 799 LG Köln v. 18.6.2020 – 29 S 212/19, ZWE 2020,478. 800 LG Düsseldorf v. 21.12.2016 – 25 S 63/16, ZMR 2017, 181 = ZWE 2017, 271; Häublein, ZWE 2011, 1, 5.
1522 | Jennißen
XIII. Vermögensbericht des Verwalters, Abs. 4 | Rz. 399 § 28 WEG
Wohnungseigentümer diese Verfahrensweise vorher genehmigt haben, die Entnahme nur vorübergehend erfolgt und die baldige Rückführung gewährleistet ist.801 Die Verwendung der Rücklage für die laufende Liquiditätsdeckung ist eine Zweckentfremdung und setzt deshalb einen eindeutigen Beschlusswortlaut voraus. Die zweckwidrige Entnahme darf auch die Rücklage nicht aushöhlen. Ein Mindestbestand (eiserne Reserve) muss erhalten bleiben. Die Höhe dieser eisernen Reserve ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und insbesondere von der Zukunftsprognose.802 Wird hierzu die Entnahme bis zu 10 % der Plansumme des Wirtschaftsplans genehmigt, ist die Entnahme zwar der Höhe nach limitiert, aber nicht sichergestellt, dass die eiserne Reserve der Rücklage erhalten bleibt.803 Wurde die Rücklage nicht oder noch nicht auf einem separaten Bankkonto geführt, ist die 397a Rücklagenverwendung rein mathematischer Natur. Der Buchungssatz lautet „Kosten an Bank“, so dass das Rücklagenkonto gar nicht angesprochen wird. Dennoch ist es erforderlich, in der Abrechnung auf die zweckwidrige Verwendung der Mittel hinzuweisen, was im Zweifel nur durch eine Tabelle oder eine Erläuterung geschehen kann,804 die sich nicht unmittelbar aus der Buchführung ableiten lässt. Die Offenlegung dieser Vorgehensweise ist aber notwendig, um das Verwalterhandeln kontrollieren (z.B. Kompetenzüberschreitungen) und die Rücklagenentwicklung mit der laufenden Liquidität abstimmen zu können. Diese Art der Mittelverwendung wirkt sich nur auf die Ist-Rücklage und nicht auf die Soll-Rücklage aus. Nicht zulässig ist es, den rechnerischen Anteil eines Wohnungseigentümers an der Erhal- 398 tungsrücklage zur Deckung seiner Wohngeldrückstände heranzuziehen.805 Eine solche Vorgehensweise widerspräche ebenfalls der Zweckbindung der Rücklage. Auch würde die Verrechnung übersehen, dass die Erhaltungsrücklage der Eigentümergemeinschaft gehört und der einzelne Wohnungseigentümer daran keine unmittelbaren Rechte besitzt. Somit wird tatsächlich nicht der säumige Wohnungseigentümer, sondern die gesamte Eigentümergemeinschaft belastet. Auch wird die fehlende Liquidität nicht geschöpft, sondern durch eine Umbuchung nur scheinbar ausgeglichen. Die Ausbuchung gegen die Erhaltungsrücklage kommt der bilanzmäßigen Ausgleichung von Verlusten durch das Eigenkapital der Gesellschaft gleich, so dass hier systemwidrig bilanztechnische Ansätze gewählt würden.806 Tragen die Kosten einer Instandsetzungsmaßnahme nicht alle Wohnungseigentümer (z.B. 399 Mehrhausanlage) oder handelt es sich um Kosten einer baulichen Veränderung, können die Wohnungseigentümer nicht die Mittel der Erhaltungsrücklage verwenden, wenn der Verteilungsschlüssel bei der Zuführung zur Rücklage und ihrem Mittelabfluss nicht identisch ist.807 So können beispielsweise die Wohnungseigentümer nicht eine Instandsetzung aus der Rücklage finanzieren, wenn die Zuführungsbeträge nach Miteigentumsanteilen erhoben wurden und für die konkrete Instandsetzungsmaßnahme beschlossen wird, diese nach der Gebrauchsmöglichkeit zu verteilen. Dann hätte die Entnahme aus der Rücklage zur Konsequenz, dass der
801 LG München I v. 14.7.2016 – 36 S 3310/16, ZWE 2017, 286; LG Stuttgart v. 20.12.2017 – 19 S 54/ 16, MietRB 2018, 309. 802 Von der Höhe der Kostenrisiken in diesem Zusammenhang sprechend: AG Schwerin v. 15.10.2021 – 13 C 349/16 WEG, IMR 2022, 415. 803 LG Köln v. 24.11.2011 – 29 S 111/11, MietRB 2012, 114; das Wort „Plansumme“ schon für zu unbestimmt haltend: LG München I v. 14.7.2016 – 36 S 3310/16, ZWE 2017, 286; die „Gesamtsumme des Wirtschaftsplans“ hingegen für ausreichend haltend: LG Stuttgart v. 20.12.2017 – 19 S 54/16, MietRB 2018, 309. 804 So auch LG Düsseldorf v. 21.12.2016 – 25 S 63/16, ZMR 2017, 181 = ZWE 2017, 271. 805 BGH v. 15.6.1989 – V ZB 22/88, MDR 1989, 898 = WE 1989, 197; OLG München v. 20.12.2007 – 34 Wx 76/07, NJW 2008, 1679 = ZMR 2008, 410 = DWE 2008, 29; ebenso Saarl. OLG v. 20.7.1998 – 5 W 110/98–35, NJW-RR 2000, 87 = NZM 2000, 198. 806 S. hierzu auch Jennißen, Verwalterabrechnung, 7. Aufl., Rz. 558. 807 So auch LG München I v. 18.8.2010 – 1 S 1874/10, ZMR 2011, 64. Jennißen | 1523
§ 28 WEG Rz. 399 | Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht Beschluss über die Kostenverteilung nach der Gebrauchsmöglichkeit tatsächlich nicht umgesetzt wird bzw. die Wohnungseigentümer, deren Anteil sich hierdurch verändert, indirekt entreichert würden. Dem BGH808 ist zuzustimmen, dass den Wohnungseigentümern für eine solche Vorgehensweise die Beschlusskompetenz fehlt, da in diesem Fall die übrigen Wohnungseigentümer, die möglicherweise sogar von den Kosten freigestellt werden sollten, vermögensmäßig belastet würden. Diese Vorgehensweise enthielte einen unüberbrückbaren Widerspruch. Allenfalls denkbar wäre die kurzfristige Zwischenfinanzierung aus der Rücklage, um diese sodann nach dem neuen Verteilungsschlüssel für die konkrete Instandsetzungsmaßnahme wieder aufzufüllen. 400 Der Verwalter darf ohne entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer keine Instand-
setzungskosten aus der Rücklage bedienen. Tut er es trotzdem, ist der Mittelabfluss beim (Rücklagen-) Bankkonto darzustellen, aber nicht gegen die buchhalterische Rücklage zu buchen, damit das Geld über das Abrechnungsergebnis wieder generiert wird. Diesbezügliche Fehler wirken sich auf das Abrechnungsergebnis aus, sodass der Beschluss hierüber erfolgreich angefochten werden kann.809 Die Auffassung, dass die Abrechnung richtig sei, wenn der Verwalter Instandsetzungskosten auch ohne ermächtigenden Beschluss aus der Rücklage bezahlt hat und dann einen entsprechenden Abgang bei der Rücklage darstellt, geht von dem Gedanken aus, dass die Darstellung unberechtigter Abflüsse nur die Entlastung des Verwalters tangiere, nicht aber die Richtigkeit der Jahresabrechnung (s. Rz. 127). Diese Aussage ist im Zusammenhang mit der Darstellung der Bankkonten (Gesamtabrechnung) zweifelsohne richtig. Der Abfluss ist in der Bankkontenentwicklung darzustellen, unabhängig von seiner Daseinsberechtigung. Bei der Darstellung der Rücklage handelt es sich hingegen um rein buchungstechnische Vorgänge. Soll- und Ist-Rücklage sind rechnerische Darstellungen, die sich nicht vollständig mit dem Rücklagen-Bankkonto decken müssen.810 Dort darf die die Rücklage belastende Buchung nicht berücksichtigt werden, solange es keinen Genehmigungsbeschluss gibt. Das Geld fließt nur aus der Bankkontenrücklage ab und darf die buchhalterische Rücklage (Soll und Ist) nicht tangieren. Folge ist es dann, dass sich das Abrechnungsergebnis verändert, weil jetzt die Ausgabe nicht mehr gegen die Rücklage gebucht, sondern ergebnisrelevant behandelt wird.
6. Fehlender oder fehlerhafter Vermögensbericht 401 Wird der Vermögensbericht nicht vorgelegt, kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentü-
mer nach entsprechender Beschlussfassung Leistungsklage erheben. Die Vollstreckung ist als vertretbare Leistung gem. § 887 ZPO durchzuführen. 402 Auch der einzelne Wohnungseigentümer kann auf Vorlage des Vermögensberichts klagen,
muss diese Klage aber gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer richten.811 Für diese kommt eine Streitverkündung an den Verwalter in Betracht. Für die Geltendmachung eines über den Vermögensbericht hinausgehenden Rechenschaftsberichts fehlt eine Anspruchsgrundlage.812
808 BGH v. 9.7.2010 – V ZR 202/09, NJW 2010, 2654 = MDR 2010, 1243 = MietRB 2010, 300. 809 A.A. LG Köln v. 19.1.2012 – 29 S 190/11, MietRB 2012, 78 = IMR 2012, 199; die Entscheidung führt zu einem Zirkelschluss, indem angenommen wird, dass der Beschluss über die Jahresabrechnung diesen Fehler heile und daher die Jahresabrechnung diesbezüglich nicht erfolgreich angefochten werden könnte. 810 Zutreffend LG Düsseldorf v. 21.12.2016 – 25 S 63/16, ZWE 2017, 271 = ZMR 2017, 181. 811 Siehe hierzu LG Dortmund v. 1.3.2022 – 1 S 172/21, IMR 2022, 454. 812 LG Dortmund v. 1.3.2022 – 1 S 172/21, IMR 2022, 454.
1524 | Jennißen
Verwaltungsbeirat | § 29 WEG
Ein fehlerhafter oder fehlender Vermögensbericht hat in der Regel keinen Einfluss auf den 403 Beschluss über die Vorschüsse bzw. Nachschüsse (s. Rz. 228 ff.).813 Der Vermögensbericht dient aber auch zur Schlüssigkeitsprüfung der Jahresabrechnung. Ist diese Schlüssigkeitsprüfung mangels Vorlage des Vermögensberichts nicht möglich oder führt ein fehlerhafter Vermögensbericht zu Zweifeln an der Richtigkeit der Jahresabrechnung, so ist zu differenzieren. Wird durch den Vermögensbericht erkennbar, dass der Verwalter bei der Berechnung der Vor- und Nachschüsse nicht sämtliche Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt hat, so hat dieser fehlerhafte Vermögensbericht Auswirkungen auf die Abrechnungsergebnisse, sodass der Beschluss über diese erfolgreich angefochten werden kann. Dies dürfte aber in der Praxis eher die Ausnahme darstellen. Ist der Vermögensbericht lediglich unvollständig, weil er Beträge nicht erfasst, die noch nicht verteilungsrelevant sind, so bleibt dieser Fehler ohne Auswirkung. Selbstredend ist es angreifbar, wenn die Wohnungseigentümer einem Verwalter Entlastung 404 erteilen, obschon der Vermögensbericht nicht oder erkennbar fehlerhaft vorliegt.
§ 29 Verwaltungsbeirat (1) Wohnungseigentümer können durch Beschluss zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt werden. Hat der Verwaltungsbeirat mehrere Mitglieder, ist ein Vorsitzender und ein Stellvertreter zu bestimmen. Der Verwaltungsbeirat wird von dem Vorsitzenden nach Bedarf einberufen. (2) Der Verwaltungsbeirat unterstützt und überwacht den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben. Der Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung sollen, bevor die Beschlüsse nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gefasst werden, vom Verwaltungsbeirat geprüft und mit dessen Stellungnahme versehen werden. (3) Sind Mitglieder des Verwaltungsbeirats unentgeltlich tätig, haben sie nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. I. Überblick und Entstehungsgeschichte 1 II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats, Bestellung seiner Mitglieder und innere Organisation, § 29 Abs. 1 . . . . . 5 1. Einrichtung und Abschaffung eines Verwaltungsbeirats; Bestimmung der Anzahl der Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Bestellung und Abberufung der Verwaltungsbeiratsmitglieder a) Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Wählbarkeit, insbesondere keine Wahl Außenstehender . . . . . . . . . . . . 16 c) Bestellungsdauer, Abberufung, Niederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 d) Grundlage der Bestellung . . . . . . . . . 26
3. Zusammensetzung, Vorsitz und innere Organisation, § 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 a) Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . b) Bestellung des Vorsitzenden . . . . . . . c) Innere Organisation . . . . . . . . . . . . . III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterstützung des Verwalters, § 29 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zu anderen Aufgaben . . . . 3. Überwachung des Verwalters, § 29 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prüfung des Rechnungswesens, § 29 Abs. 2 Satz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufgaben kraft besonderer Vereinbarung oder aufgrund Beschlusses . . . .
27 31 33 34 35 39 42 46 54
813 Ebenso Becker in Bärmann, 15. Aufl., § 28 WEG Rz. 273. Jennißen und Hogenschurz | 1525
§ 29 WEG Rz. 1 | Verwaltungsbeirat IV. Rechte, Pflichten und Vergütung . . . . V. Haftung, Versicherung und Entlastung 1. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
62 65 68
4. VI. VII. VIII.
Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Datenverarbeitung durch den Verwaltungsbeirat . . . . . . . . . . . . .
69 70 73 76
Schrifttum: Abramenko, Die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Verwaltungsbeirat und Wohnungseigentümergemeinschaft nach Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit, ZWE 2006, 273 ff.; Armbrüster, Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats, ZWE 2001, 355 ff.; Armbrüster, Beendigung der Mitgliedschaft im Verwaltungsbeirat, insbesondere: Abberufung, ZWE 2001, 412 ff.; Armbrüster, Willensbildung und Beschlussfassung im Verwaltungsbeirat, ZWE 2001, 463 ff.; Armbrüster, Haftpflicht- und Vermögensschadenversicherung für Verwalter und Beiträte, ZWE 2010, 117; Blasek, Auf unsicherem Terrain – Datenverarbeitung durch den Beirat, ZWE 2020, 451; Derleder, Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsbeirat – Gesetzliches Leitbild und Alltagspraxis, PiG 61 (2001), S. 163 ff.; Dippel/Wolicki, Auflösung oder Fortbestand des Verwaltungsbeirats bei Wegfall eines seiner Mitglieder, NZM 1999, 603 ff.; Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, 4. Auflage 2012; Drasdo, Haftung der Verwaltungsbeiratsmitglieder für pflichtgemäße Aufgabenerfüllung, NZM 1998, 15 ff.; Elzer, Die zu erreichenden Mehrheiten bei der Bestellung des Verwalters und der Bestellung eines Verwaltungsbeiratsmitglieds, ZMR 2014, 104; Elzer, Spezielle und allgemeine Weisungen gegenüber dem Verwalter, ZWE 2023, 68; Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 3. Aufl. 2009; Gottschalg, Die Stellung des Verwaltungsbeirats in der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft, in: Festschrift für Wolf-Rüdiger Bub zum 60. Geburtstag, Berlin 2007, S. 73 ff.; Greiner, Eine ganz gewöhnliche Gemeinschaft – und dennoch ein bunter Strauß von Rechtsfragen nach Anfechtung aller Beschlüsse, ZfIR 2023, 6; Häublein, Haftungsbeschränkungen zugunsten der Mitglieder des Verwaltungsbeirats im Wohnungseigentumsrecht, ZflR 2001, 939 ff.; Hogenschurz, Zur Zurechnung des Wissens des Verwaltungsbeirats, ZfIR 2016, 820; Kappus, Kummerkasten, Kontrollorgan, Friedensstifter: Der Verwaltungsbeirat, NZM 2017, 663; Kappus, WEG-Reform: Ein modernes Konzept für den Verwaltungsbeirat, NZM 2019, 804; Köhler, Verwalterentlastung, Beiratsprüfung und ähnlich gefährliche Handlungen, ZMR 2001, 865 ff.; Köhler, Ein Fremdkörper im Verwaltungsbeirat, MietRB 2023, 21; Lehmann-Richter/Wobst, Die Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEMoG, NJW 2021, 662; Maas, Der Verwaltungsbeirat als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, 2000; F. Schmidt, Erweiterung der Kompetenzen des Verwaltungsbeirats, ZWE 2001, 137 ff.; Scheuer, (Mit-)Versicherung des Beirats in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung, ZWE 2012, 115; Sommer, Die (neue) Rolle des Verwaltungsbeirats nach dem WEMoG, ZWE 2020, 409; Wolicki, Die Entlastung des Verwaltungsbeirats oder wie schlau müssen Beiräte sein, ZWE 2019, 354.
I. Überblick und Entstehungsgeschichte 1 Die in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zusammengeschlossenen Wohnungs-
eigentümer bedürfen dem Verwalter gegenüber und zur Vorbereitung der Wohnungseigentümerversammlung eines Gremiums, das ihre Interessen wahrnimmt. Denn die Mehrzahl der Wohnungseigentümer ist nicht in der Lage oder willens, alle Einzelheiten zu überprüfen, die mit der Verwaltung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verbunden sind. Für bestimmte Aufgaben der Interessenwahrnehmung sieht das Gesetz in § 29 den Verwaltungsbeirat vor, daneben in § 9b Abs. 2 bei der Vertretung gegenüber dem Verwalter, in § 24 Abs. 3 bei der Einberufung der Eigentümerversammlung, in § 24 Abs. 6 S. 2 bei der Unterzeichnung der Versammlungsniederschrift punktuell auch Aufgaben des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder seines Stellvertreters. Gerade in größeren Gemeinschaften hat sich die Bestellung eines Verwaltungsbeirats in der Praxis bewährt. Dabei ist die Bestellung eines Verwaltungsbeirats fakultativ; die Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage sollte tatsächlich ohne Ver-
1526 | Hogenschurz
I. Überblick und Entstehungsgeschichte | Rz. 3 § 29 WEG
waltungsbeirat auskommen.1 § 29 ist umfassend abdingbar.2 Insbesondere kann die Bestellung eines Verwaltungsbeirats ausgeschlossen werden.3 Dass die Bestellung eines Verwaltungsbeirats auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht zwingend erforderlich ist, ergibt sich aus der ausdrücklich geschaffenen Möglichkeit, Wohnungseigentümer zu einzelnen Aufgaben durch Mehrheitsbeschluss zu ermächtigen, nämlich zu Vertretung gegenüber dem Verwalter (§ 9b Abs. 2; vgl. § 9b Rz. 85) oder zur Einberufung der Eigentümerversammlung (§ 24 Abs. 3; vgl. § 24 Rz. 31); schon wegen dieser Alternativen scheitert ein Anspruch auf Bestellung eines Verwaltungsbeirats als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung an der fehlenden Ermessensreduzierung auf Null4. Für Regelungen durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer ist ein großer Gestaltungsspielraum eröffnet, der bei der Bearbeitung des Einzelfalls zunächst die Prüfung von Vereinbarungen im Einzelfall, insbesondere in der Gemeinschaftsordnung, erfordert. Die im Gesetz schon immer nur skizzierten Aufgaben5 eröffnen den Mitgliedern des Verwal- 2 tungsbeirats einerseits ein weites Betätigungsfeld als Stelle, bei der die einzelnen Wohnungseigentümer Wünsche und Kritik einbringen können und die damit der Moderation der unterschiedlichen Interessen und ihrem Ausgleich dient, führen andererseits den Verwaltungsbeirat manchmal in die Versuchung, bei der durchaus sinnvollen Meinungsführerschaft die Interessen einer Gruppe innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Kosten anderer durchsetzen zu wollen oder faktisch als „Aufsichtsrat“ oder „Hauptausschuss mit Entscheidungskompetenz“ aufzutreten. Dabei ist zentrale Aufgabe des Beirats die Prüfung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, also dem Bereich des Zahlungswesens zuzurechnen (vgl. Rz. 46); hinzu kommt die nicht näher definierte „Überwachung“ (vgl. Rz. 42). In der „guten Zusammenarbeit“ mit dem Verwalter können die Interessen der Wohnungseigentümer aus dem Blick geraten. Andererseits können die Wohnungseigentümer ein Interesse daran haben, dem Verwaltungsbeirat durch Eigentümerbeschluss Entscheidungsbefugnisse einzuräumen, ohne die engen Grenzen solcher Kompetenzverlagerungen zu bedenken (vgl. Rz. 54). Dabei ist der Irrtum verbreitet, dass die Interessen der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter durch den Verwaltungsbeirat umfassend vertreten würden und geschützt seien. Die Verwaltungsbeiräte selbst sind für die ihnen anvertrauten Aufgaben, seien sie im Gesetz vorgesehen oder besonders übertragen, häufig kaum gerüstet, etwa bei der Prüfung der Jahresabrechnung (vgl. Rz. 46), und auf Informationen von Verbraucherschützern6 angewiesen; zudem müssen sie bei kostspieligen Fehlern grundsätzlich eine Haftung fürchten (vgl. Rz. 61). Der Verwalter seinerseits führt manchmal nur ein Einvernehmen des Verwaltungsbeirats statt eines Eigentümerbeschlusses herbei und wähnt sich deshalb zu Unrecht abgesichert, denn die Zustimmung des Verwaltungsbeirats ist regelmäßig ohne rechtliche Bedeutung.7 Die Komplexität der Aufgabe gerade in großen Wohnungseigentumsgemeinschaften führt in 3 der Praxis vermehrt zu dem Wunsch einer Professionalisierung, also den Verwaltungsbeirat
1 Zur Kehrseite dieses Rechts auf Desinteresse angesichts der in der Privatautonomie wurzelnden Selbstverantwortung vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 3. 2 BayObLG v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, NJW-RR 1994, 45 = ZMR 1994, 69; KG v. 21.12.1988 – 24 W 1435/88, NJW-RR 1989, 460 = ZMR 1989, 186; OLG Düsseldorf v. 31.8.1990 – 3 Wx 257/90, OLGZ 1991, 37 = MDR 1991, 60. 3 Vgl. BayObLG v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, NJW-RR 1994, 339 = ZMR 1994, 69: Den Wohnungseigentümern ist es auch dann nicht verwehrt, einzelne Wohnungseigentümer mit der Überprüfung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung usw. zu beauftragen. 4 I.E. Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 4; a.A. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 17. 5 BT-Drucks. 75/51, S. 24. 6 Vgl. etwa Bielefeld/Christ/Sommer, Der Verwaltungsbeirat, 2021. 7 Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 4. Hogenschurz | 1527
§ 29 WEG Rz. 3 | Verwaltungsbeirat mit besonders qualifizierten Dritten, etwa Rechtsanwälten oder Steuerberatern, zu besetzen, selbst wenn diese selbst gar nicht – wie es das Gesetz voraussetzt – Wohnungseigentümer in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sind. Das Wohnungseigentumsgesetz 1951 hat diese Entwicklung der Anforderungen an die Qualifikation von Verwaltungsbeiräten nicht vorhergesehen; schon die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 2007 hat keine Änderungen und Anpassungen vorgenommen (vgl. Rz. 16). 4 Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16.10.2020 (BGBl. I, 2187) hat auf
der Grundlage des Abschlussberichtes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes8, des Regierungsentwurfs9 und einiger Änderungen des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz10 die bisherige Konzeption nicht nur durch die Neufassung des § 29 im Detail wesentlich verändert und insbesondere von einer umfassenden Regelung11 aller Fragen abgesehen. Das betrifft zunächst die rätselhafte, im Gesetzgebungsverfahrens nicht näher erläuterte Aufgabe der Überwachung des Verwalters, die in § 29 Abs. 2 Satz 1 durch den Rechtsausschuss12 eingefügt worden ist (vgl. Rz. 42). Das betrifft weiter die neue Aufgabe des Verwaltungsbeiratsvorsitzenden, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter (vgl. § 9b Rz. 85) zu vertreten, wozu auch das gerichtliche Verfahren gehört, ohne dass diesen Kompetenzen im Außenverhältnis eine Regelung des Innenverhältnisses zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer korrespondieren würde, wie sie für den Verwalter in § 27 getroffen ist. Beide Fragen betreffen gewiss teilweise diffizile Rechtsfragen, sind indes nicht „offensichtlich“ ohne praktische Bedeutung.13 Das zeigt etwa das Beispiel eines Streits zwischen Verwalter und Verwaltungsbeiratsvorsitzendem über dessen Einberufung einer Eigentümerversammlung gegen den Willen des Verwalters.14 § 29 enthält auch keine Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats bei der Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter tätig werden darf,15 sondern dies bedarf einer Regelung, die durch Eigentümerbeschluss erfolgen können soll16. Demgegenüber hat der Regierungsentwurf17 die Prüfung von Rechnungslegungen und Kostenanschlägen gestrichen, soweit diese nicht Grundlage für die Erstellung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung sind, um einer Überlastung der Beiratsmitglieder vorzubeugen. Die Haftungsbeschränkung bei – wie in der Regel – unentgeltlich tätigen Verwaltungsbeiräten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit mag den Widerwillen zur Übernahme des Amtes verringern; bezeichnend ist es, wenn die Neufassung von § 29 Abs. 1 Satz 1 „können ... bestellt werden“ den Eindruck nahelegt, der Bestellte erleide diese. Ausgehend von dem Befund der Praxis, dass sich vielleicht keine Wohnungseigentümer für das undankbare Ehrenamt bereitfinden, erscheint es als widersprüchlich, wenn dem Verwaltungsbeirat bzw. dessen Vorsitzenden neue Aufgaben der Überwachung bzw. der Vertretung zugewiesen werden, für deren Bewältigung notwendige Präzisierungen und Folgeregelungen aber fehlen, um dann mit der Haftungsbeschränkung (§ 29 Abs. 3) einzuräumen, dass die Wohnungseigentümer mit diesen Aufgaben naheliegend mangels eigener Vorbildung überfordert sein könnten. Das Wissensgefälle zwischen dem jetzt in der Regel professionellen „zertifizierten“ Verwalter (§ 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG) und den Woh-
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
ZWE 2019, 429, 452. BT-Drucks. 19/18791. BT-Drucks. 19/22634. Vgl. den Vorschlag von Kappus, NZM 2019, 804, 812 f. BT-Drucks. 19/22634, S. 41. So aber Lehmann-Richter/Wobst, Rz. 570. Vgl. dazu AG München v. 25.2.2021 – 1291 C 2946/21 EVWEG, ZMR 2021, 429. So aber Lehmann-Richter/Wobst, Rz. 221. So zutreffend Lehmann-Richter/Wobst, Rz. 224. BT-Drucks. 19/18791, S. 76; kritisch zum Umfang der Entlastung Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 88.
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II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats | Rz. 6 § 29 WEG
nungseigentümern, deren Interessen die „Betriebsgesellschaft“ Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit ihrem Organ Verwalter dienen sollte, wird so verstärkt. Die naheliegende Lösung, Dritte (Nicht-Wohnungseigentümer) entgeltlich zu Verwaltungsbeiräten bestellen zu können, bedenken die Gesetzesautoren18 indes nicht einmal; der Gesetzgeber konterkariert damit das von ihm selbst gesetzte Ziel: „Der Verwaltungsbeirat soll gestärkt werden, indem seine Zusammensetzung flexibilisiert und die Haftung seiner Mitglieder beschränkt werden.“19 Soweit diese Beschränkung des Verwaltungsbeirats auf Wohnungseigentümer bereits der Abschlussberichtes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes20 mit dem „Selbstverwaltungsrecht der Wohnungseigentümer“ begründet hatte, kann dieses Schlagwort die tatsächlich erfolgte Beschränkung der Selbstorganisation nicht begründen, ebenso wenig die vergleichbare Regelung für den Aufsichtsrat einer Genossenschaft in § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG, weil für Genossenschaften eine externe Prüfung in §§ 53 ff. GenG detailliert geregelt ist.
II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats, Bestellung seiner Mitglieder und innere Organisation, § 29 Abs. 1 Die Praxis unterscheidet zwischen der Einrichtung eines Verwaltungsbeirats und der Bestel- 5 lung seiner Mitgliedern regelmäßig nicht. Selbst wenn ein Verwaltungsbeirat durch Eigentümerbeschluss eingerichtet und die Zahl seiner Mitglieder festgelegt worden ist, besteht ein Anspruch auf seine Besetzung grundsätzlich nicht, zumal das Gesetz für die besonderen Aufgaben des Beiratsvorsitzenden in § 9b Abs. 2 und § 24 Abs. 3 die Möglichkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters zulässt.21
1. Einrichtung und Abschaffung eines Verwaltungsbeirats; Bestimmung der Anzahl der Mitglieder Die Wohnungseigentümer können durch einfache Stimmenmehrheit die Einrichtung und 6 ebenso die Abschaffung eines Verwaltungsbeirats beschließen,22 wenn nicht durch Vereinbarung, insbesondere in der Gemeinschaftsordnung, eine ausdrücklich abweichende Regelung23 getroffen worden ist. Die Einrichtung eines Verwaltungsbeirats kann auch stillschweigend in der Weise geschehen, dass die erforderlichen Mitglieder gewählt werden.24 Nur wenn die Bestellung eines Verwaltungsbeirats in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen ist, was sich – wie § 47 für Altvereinbarungen klarstellt (vgl. § 47 Rz. 2) – nicht schon aus der
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BT-Drucks. 19/18791, S. 76 f. BT-Drucks. 19/18791, S. 2, ebenso S. 26. ZWE 2019, 429, 453. I.E. Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 4; zum früheren Recht OLG Düsseldorf v. 31.8.1990 – 3 Wx 257/90, OLGZ 1991, 37 = MDR 1991, 60; a.A. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 17; zum alten Recht BayObLG v. 16.6.1988 – BReg. 2 Z 46/88, BayObLGZ 1988, 214 = MDR 1988, 968; OLG Düsseldorf v. 31.8.1990 – 3 Wx 257/90, OLGZ 1991, 37, 39 = MDR 1991, 60 = NJW-RR 1991, 594, 595; Dippel/Wolicki, NZM 1999, 603. 22 Dagegen Lehmann-Richter in Staudinger, 2018, § 29 WEG Rz. 6 f., der eine Parallele zur Verwalterbestellung ziehen möchte; indes ist die Bestellung eines Verwalters zwingend vorgeschrieben, die des Verwaltungsbeirats nicht. 23 BayObLG v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, NJW-RR 1994, 338 = ZMR 1994, 69; BayObLG v. 31.3.2004 – 2Z BR 11/04, NZM 2004, 587 = ZMR 2005, 380; vgl. auch BayObLG v. 28.3.2002 – 2Z BR 4/02, NJW-RR 2002, 1092 = WuM 2002, 449; AG Landshut v. 25.3.2022 – 14 C 1593/21, ZMR 2022, 505. 24 BayObLG v. 19.2.1999 – 2Z BR 162/98, WuM 2000, 148. Hogenschurz | 1529
§ 29 WEG Rz. 6 | Verwaltungsbeirat Wiedergabe des Gesetzestextes oder aus einem Verweis auf § 29 ergibt,25 hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Bestellung von Verwaltungsbeiräten aus § 18 Abs. 2 WEG.26 Wenn durch Vereinbarung ein Verwaltungsbeirat eingerichtet ist, kann diese Regelung zwar nicht im Beschlusswege aufgehoben oder suspendiert werden;27 indes kann kein Wohnungseigentümer zur Übernahme des Amtes gezwungen werden. 7 Für jede Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann nur ein Verwaltungsbeirat bestellt
werden, nicht aber Verwaltungsbeiräte im Sinne von § 29 für die Untergemeinschaften (vgl. § 9a Rz. 114) eingerichtet werden.28 Das schließt Vereinbarungen über die Bildung besonderer Hausausschüsse (vgl. Rz. 73) nicht aus und ebenso wenig die Kompetenzzuweisung der Abrechnungen an die Untergemeinschaften.29 8 Während bis zur Neufassung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes über die An-
zahl der Mitglieder nicht durch Mehrheitsbeschluss entschieden, sondern Regelungen nur durch Vereinbarung getroffen werden konnten,30 wird dies durch die Neufassung ausdrücklich erlaubt, um so dem Zwang des bisherigen Rechts zu entgehen, drei Verwaltungsbeiräte finden zu müssen.31 Diese Regelung hat keine Rückwirkung, heilt also den Verstoß bei Altbeschlüssen nicht.32 Dies gilt gemäß § 47 regelmäßig auch dann, wo vor dem 1.12.2020 durch Vereinbarung, insbesondere in der Teilungserklärung, die Bestellung von drei Mitgliedern vorgeschrieben war (vgl. § 47 Rz. 2). Die Bestimmung der Anzahl kann gesondert geschehen, aber auch konkludent durch die Bestellung einer bestimmten Anzahl.33 Haben die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit die Einrichtung eines Verwaltungsbeirats beschlossen, führt das Ausscheiden aller seiner Mitglieder grundsätzlich zwar nicht zur Auflösung des Organs. Allerdings kann kein Wohnungseigentümer zur Übernahme des Amtes gezwungen werden.
2. Bestellung und Abberufung der Verwaltungsbeiratsmitglieder a) Auswahl 9 Die Bestellung der einzelnen Beiratsmitglieder erfolgt durch Mehrheitsbeschluss mit der
Mehrheit der abgegebenen Stimmen, nur im schriftlichen Verfahren nach § 23 Abs. 3 durch allstimmigen Beschluss. Bei dieser förmlichen Beschlussfassung34 bedarf es der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, Enthaltungen sind also wie auch sonst bei Abstimmungen nach dem Wohnungseigentumsrecht nicht zu berücksichtigen.35 Dies entspricht dem Wortlaut des Ge-
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29 30 31 32 33 34 35
BayObLG v. 19.2.1999 – 2Z BR 162/98, WuM 2000, 148. A.A. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 17. AG Hannover v. 21.3.2014 – 480 C 12698/13, ZMR 2015, 159. Vgl. zum Verwalter LG Nürnberg-Fürth v. 23.9.2009 – 14 S 1754/09, ZMR 2010, 315; LG Düsseldorf v. 22.10.2009 – 19 S 40/09, NZM 2010, 288; vgl. zur Notwendigkeit einer Jahresabrechnung der Gesamtgemeinschaft auch bei wirtschaftlicher Selbständigkeit der Untergemeinschaften LG Itzehoe v. 15.7.2014 – 11 S 82/13, ZWE 2015, 138. Zur Möglichkeit des selbständigen Rechnungswesens bei Untergemeinschaften vgl. BGH v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, NZM 2012, 766 = ZMR 2012, 979; zur verbleibenden „Rest“-Abrechnung der Gesamtgemeinschaft vgl. LG Itzehoe v. 15.7.2014 – 11 S 82/13, ZWE 2015, 138. BGH v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, MDR 2010, 619 = NJW 2010, 3168. BT-Drucks. 19/18791, S. 76. A.A. AG Schwerin v. 15.10.2021 – 13 C 349/16 WEG, ZMR 2022, 160. Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 6, 18; Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 9; a.A. AG Sonthofen v. 27.10.2021 – 5 C 228/21 WEG, ZMR 2022, 161. Die bloße Erörterung reicht nicht aus, vgl. LG Dortmund v. 19.11.2013 – 1 S 296/12, ZWE 2014, 127. Elzer, ZMR 2014, 104, 105; a.A. Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 40.
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II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats | Rz. 13 § 29 WEG
setzes, dass eine „Bestellung“ vorsieht. Die Bestellung setzt eine Auswahl voraus; eine „Wahl“, bei der eine relative Mehrheit ausreichend und entscheidend ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereint, erfolgt aber nicht.36 Bei Stimmengleichheit, ist die Wahl gescheitert; es gibt keinen Rechtsgrundsatz, in diesem Fall einen Losentscheid durchzuführen.37 Bei der Abstimmung über seine Bestellung ist der zu bestellende Wohnungseigentümer nicht gem. § 25 Abs. 5 von der Abstimmung ausgeschlossen.38 Weithin üblich ist es, den Verwaltungsbeirat als „ein Team“ zu wählen bzw. im Amt zu bestä- 10 tigen; diese „Blockwahl“ widerspricht nur dann nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Einzelabstimmung von keinem Wohnungseigentümer verlangt wird.39 Weil indes niemand gezwungen werden kann, als Beirat tätig zu werden, kann jeder Beirat die Bestellung eines anderen Wohnungseigentümers zur Voraussetzung für seine Tätigkeit machen. Keine Blockwahl liegt vor, wenn sich nur gerade so viele Kandidaten finden, wie Beiratsman- 11 date zu vergeben sind, also gerade die Kandidaten zu wählen oder von der Besetzung des Verwaltungsbeirats ganz abzusehen ist. In jedem Fall muss die Möglichkeit bestehen, Kandidaten abzulehnen.40 Die Ankündigung einer „Neuwahl“ in der Einladung zur Eigentümerversammlung deckt bei unbefristet bestellten Beiratsmitgliedern auch den Verzicht auf die Bestellung neuer Beiräte.41 Eine Bestellung der (ersten) Beiratsmitglieder bereits in der Teilungserklärung ist wie auch 12 beim Verwalter (s.a. § 26 Rz. 46) zu beurteilen, aber nicht üblich.42 Soweit der teilende Grundstückseigentümer oder auch der Mehrheitseigentümer kurz nach Entstehen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihm „nahestehende“ Verwaltungsbeiräte bestellt, fehlen zwar anders als beim Verwalter ausdrückliche Schutzvorschriften (§ 26 Abs. 2 und 3); indes gibt es keinen Anhalt, dass damit die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats (vgl. Rz. 21) ausgehebelt werden könnte und dürfte. Alternativ zur Wahl kommt eine gerichtliche Bestellung der Beiratsmitglieder im Wege der 13 Beschlussersetzung grundsätzlich in Betracht,43 doch ist eine Ermessensreduzierung regelmäßig nicht denkbar (Rz. 5).44 Der Klageantrag darf dann zwar nicht auf Bestellung bestimmter Wohnungseigentümer zum Verwaltungsbeirat gerichtet sein, denn das Gericht trifft eine Auswahl nach eigenem Ermessen, die Klageschrift muss aber geeignete Kandidaten
36 AG Riesa v. 29.11.2013 – 6 C 779/12, ZMR 2014, 578 zur Verwalterbestellung; a.A. Lüke in Weitnauer, 9. Aufl., § 29 WEG Rz. 2. 37 Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 43 mit dem zutreffenden Hinweis, dass ein trotz Fehlens der Mehrheit als zustande gekommen verkündeter Eigentümerbeschluss bestandskräftig werden kann. 38 BGH v. 19.9.2006 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424; OLG Köln v. 12.5.2006 – 16 Wx 93/06, WuM 2006, 537. 39 KG v. 29.3.2004 – 24 W 194/02, NZM 2005, 107 = ZMR 2004, 775; Hans. OLG Hamburg v. 28.1.2005 – 2 Wx 44/04, ZMR 2005, 396; LG Schweinfurt v. 28.7.1997 – 44 T 79/97, WuM 1997, 641; vgl. auch BGH v. 21.7.2003 – II ZR 109/02, BGHZ 156, 38 = MDR 2003, 1428 zur Blockabstimmung in der Hauptversammlung von Aktiengesellschaften; Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 13; a.A. und für generelle Unzulässigkeit LG Düsseldorf v. 6.5.2004 – 19 T 42/04, NZM 2004, 468; Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 26; Drasdo, ZMR 2005, 596; Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 48 ff.; für generelle Zulässigkeit Lehmann-Richter in Staudinger, 2018, § 29 WEG Rz. 10. 40 AG Sonthofen v. 27.10.2021 – 5 C 228/21 WEG, ZMR 2022, 161. 41 OLG München v. 31.7.2007 – 34 Wx 069/07, MietRB 2007, 265. 42 Zur Inhaltskontrolle von solchen Vereinbarungen durch den teilenden Grundstückseigentümer vgl. BGH v. 20.11.2020 – V ZR 196/19 Rz. 27, MDR 2021, 413 = NZM 2021, 278. 43 Weber in Soergel, BGB, § 29 WEG Rz. 16. 44 Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 7. Hogenschurz | 1531
§ 29 WEG Rz. 13 | Verwaltungsbeirat benennen und deren Bereitschaft zur Annahme des Amts nachweisen.45 Auch das Gericht kann keinen Wohnungseigentümer gegen seinen Willen zur Beiratstätigkeit verurteilen. 14 Die Gemeinschaftsordnung kann auch einen allstimmigen Beschluss als Voraussetzung für
die Bestellung vorsehen;46 diese Regelung ist regelmäßig nicht sinnvoll, bleibt aber auch bei einer vor dem 1.12.2020 getroffenen Vereinbarung als Abweichung vom Gesetz auch nach § 47 wirksam (vgl. § 47 Rz. 6). Die jahrelange Übung, den Verwaltungsbeirat durch unangefochten gebliebenen Mehrheitsbeschluss zu bestellen, führt nur dann zu einer stillschweigenden Änderung einer derartigen Vereinbarung, wenn angenommen werden kann, dass alle Wohnungseigentümer damit auch künftig einen Mehrheitsbeschluss ausreichen lassen wollen, also den Wohnungseigentümern die abweichende Regelung der Gemeinschaftsordnung bekannt ist.47 Zudem bleibt eine solche nur schuldrechtliche Vereinbarung wegen § 10 Abs. 3 S. 1 nur bis zum nächsten Eigentümerwechsel, wenn nicht der Erwerber in die schuldrechtliche Vereinbarung eintritt, also insbesondere nicht bei einem Eigentumserwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung.48 15 Weitere Voraussetzung ist die Annahme des Amts durch den Gewählten. In der Kandidatur
liegt keine vorweggenommene Annahme; dies gilt gerade dann, wenn die Bedingungen, insbesondere der Kreis der neben dem Gesetz übertragenen Aufgaben, bei der Wahl noch nicht feststehen. Deshalb erfordert auch die spätere Übertragung von weiteren Aufgaben auf den Verwaltungsbeirat die Zustimmung bereits bestellter Beiratsmitglieder. Durch die Androhung der Ablehnung des Amtes können die Kandidaten praktisch auf eine Blockwahl ihres „Teams“ hinwirken. b) Wählbarkeit, insbesondere keine Wahl Außenstehender 16 Wählbar ist jeder Wohnungseigentümer, der in seiner Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt
ist und der nicht Verwalter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist. Die Absicht, das Wohnungseigentum zu verkaufen, hindert nicht seine Wahl zum Verwaltungsbeirat.49 Wenn außerhalb des Grundbuchs ein Eigentumswechsel stattgefunden hat, muss die Stellung als Wohnungseigentümer jedenfalls dann nachgewiesen sein, wenn sie streitig ist, etwa ein Erbe einen Erbschein vorlegen.50 Auch Erwerber, die gemäß § 8 Abs. 3 als Wohnungseigentümer gelten (sog. werdender Wohnungseigentümer, vgl. § 8 Rz. 35) können zu Beiräten bestellt werden.51 Wählbar sind nach der Intention des Gesetzes nur natürliche Personen. Wenn juristische Personen oder Personengesellschaften Wohnungseigentümer sind, können nicht diese selbst, aber deren Vertretungsberechtigte, etwa auch besonders bevollmächtigte Sachbearbeiter,52 zu Verwaltungsbeiräten bestellt werden.53 Die Tätigkeit im Verwaltungsbeirat
45 Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 8; vgl. zum Verwalter LG Dortmund v. 10.11.2015 – 1 S 308/15, ZMR 2016, 387. 46 BayObLG v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, NJW-RR 1994, 338 = ZMR 1994, 69; BayObLG v. 31.3.2004 – 2Z BR 11/04, NZM 2004, 587 = ZMR 2005, 380; ein Mehrheitsbeschluss über die Bestellung ist nicht nichtig, vgl. BayObLG v. 28.3.2002 – 2Z BR 4/02, NZM 2002, 529. 47 BayObLG v. 21.10.1993 – 2Z BR 103/93, NJW-RR 1994, 338 f. = ZMR 1994, 69; BayObLG v. 31.3.2004 – 2Z BR 011/04, NZM 2004, 587; AG Tiergarten v. 8.10.2009 – 10 C 127/09 WEG, GE 2009, 1439. 48 Vgl. Hans. OLG Hamburg v. 20.9.2001 – 2 Wx 35/98, ZMR 2002, 216; OLG Köln v. 2.4.2001 – 16 Wx 7/01, MDR 2001, 1404. 49 BayObLG v. 7.8.2001 – 2Z BR 38/01, NZM 2001, 990 = ZMR 2001, 996. 50 AG Hamburg v. 25.6.2015 – 22a C 223/14, ZMR 2015, 811. 51 AG Potsdam v. 16.6.2022 – 31 C 1/22, ZMR 2023, 78. 52 Kappus, NZM 2017, 663, 665. 53 OLG Frankfurt v. 18.7.1986 – 20 W 361/85, OLGZ 1986, 432 für den Geschäftsführer einer KG; F. Schmidt, ZWE 2011, 297, 303; a.A. OLG Köln v. 24.11.1999 – 16 Wx 158/99, NZM 2000, 193 =
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II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats | Rz. 16 § 29 WEG
ist zwar höchstpersönlicher Natur und schließt eine Stellvertretung oder „Vererblichkeit“ aus,54 andererseits sind juristische Personen nicht Wohnungseigentümer mit geringeren Rechten55 und ihre Beteiligung kann gerade eine Professionalisierung des Beirats befördern. Auch nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts darf diese selbst nicht zum Verwaltungsbeirat bestellt werden,56 sondern – unabhängig von einer Eintragung im Grundbuch und einer Vertretungsmacht für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – nur deren Gesellschafter bzw. deren gesetzlichen Vertreter, soweit es sich bei den Gesellschaftern ihrerseits um juristische Personen handelt.57 Ebenso wenig darf eine Bruchteils- oder Erbengemeinschaft zum Verwaltungsbeirat bestellt werden,58 aber deren Mitglieder können – auch nebeneinander – zu Beiräten bestellt werden.59. Die Frage, ob gesetzliche Vertreter eines Wohnungseigentümers (Eltern, Betreuer) oder Amtswalter (Testamentsvollstrecker, Zwangs- oder Insolvenzverwalter) zum Verwaltungsbeirat bestellt werden können, dürfte zu bejahen sein,60 ist aber in der Rechtsprechung und den Gesetzesmaterialien zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz nicht gesichert. Dieses Ergebnis erscheint ebenso sinnvoll für die Bestellung von Nießbrauchs-, Wohnungs- oder Dauerwohnberechtigten an einem Wohnungseigentum zu Verwaltungsbeiräten.61
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ZMR 2000, 637; missverständlich Hogenschurz, MietRB 2014, 220, 222. Wenn Kümmel, NZM 2003, 304 und Häublein, ZMR 2003, 238, zustimmend: Lehmann-Richter in Staudinger, 2018, § 29 WEG Rz. 24, die Bestellung juristischer Personen selbst zum Verwaltungsbeirat zulassen wollen, bei denen dann die vertretungsberechtigten Organe tatsächlich die Beiratsaufgaben wahrnehmen, ergeben sich zur hier vertretenen Auffassung Abweichungen nicht nur im Falle des Wechsels in der organschaftlichen Vertretung der juristischen Person, die zu einer Störung der kontinuierlichen Zusammenarbeit des Verwaltungsbeirats führen kann. Zutreffend hat F. Schmidt, ZWE 2011, 297, 303, darauf hingewiesen, dass bei der Bestellung von juristischen Personen zum Verwaltungsbeirat unklar bliebe, welche und wie viele Vertreter für diese als Verwaltungsbeirat auftreten. – Der Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft erscheint nicht als grundsätzlich zum Verwaltungsbeirat ungeeignet; vgl. BGH v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, MDR 2012, 955. F. Schmidt, ZWE 2011, 297, 303 m.w.N. in Fn. 99. So im Ergebnis Bärmann/Seuß/Wolicki, § 37 Rz. 20 ff., der weder eine Beiratsbestellung der juristischen Person noch ihrer konkreten Vertreter zulassen will und bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Möglichkeit der Bestellung eines Gesellschafters von der Form der Eintragung im Grundbuch abhängig machen möchte. Die Erwägungen, die eine Bestellung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Verwalter ausschließen, vgl. BGH v. 18.5.1989 – V ZB 4/89, BGHZ 107, 268, 272 = MDR 1989, 897; BGH v. 26.1.2006 – V ZB 132/05, MDR 2006, 981, dürften auf die Bestellung zum Beirat im Ergebnis übertragbar sein; insbesondere fehlt bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Register, das über den Bestand ihrer Mitglieder verlässlich Auskunft gibt; daran hat die Einführung des § 899a BGB nichts geändert. Zudem besteht bei einer Gesamtvertretung durch mehrere Gesellschafter die Gefahr, dass die höchstzulässige Zahl der Verwaltungsbeiräte überschritten wird. I.E. ebenso F. Schmidt, ZWE 2011, 297, 303. F. Schmidt, ZWE 2011, 297, 303 f., der zutreffend eine Beendigung des Amts mit dem Ausscheiden als Gesellschafter annimmt. Kümmel, NZM 2003, 303. AG Potsdam v. 16.6.2022 – 31 C 1/22, ZMR 2023, 78. Ebenso Deckert, DWE 2005, 12; vgl.a. BayObLG v. 7.8.2001 – 2Z BR 38/01, NZM 2001, 990 = ZMR 2001, 996; a.A. Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 20. A.A. Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 103, der formell auf die fehlende Eigentümerstellung abstellt. Dass etwa dem Nießbraucher kein Stimmrecht in der Wohnungseigentümerversammlung zusteht, vgl. BGH v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, BGHZ 150, 109 = MDR 2002, 1003, und auch kein Anfechtungsrecht, vgl. BGH v. 27.11.2020 – V ZR 71/20, MDR 2021, 669, muss der hier befürworteten vorsichtigen Ausweitung des Kreises geeigneter Kandidaten nicht zwingend entgegenstehen. Hogenschurz | 1533
§ 29 WEG Rz. 17 | Verwaltungsbeirat 17 Die Wahl Außenstehender kann nur durch Vereinbarung zugelassen werden.62 Nach der ge-
setzlichen Regelung ist die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Voraussetzung für die Bestellung zum Verwaltungsbeirat. Die der im Wortlaut des § 29 Abs. 1 eindeutigen gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Absicht, dass zum Verwaltungsbeirat nur gewählt werden soll, wer auf Grund seiner Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den übrigen Wohnungseigentümern bekannt ist und einen besonderen Bezug zu deren Problemen aufweist (vgl. Rz. 4), stößt in der Rechtswirklichkeit dann an Grenzen, wo die Aufgaben des Verwaltungsbeirats durch die Größe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer besondere Qualifikationen und die Fähigkeit zur rationalen Durchdringung komplexer Fragen erfordern. Die Erwartung des Gesetzgebers bei Schaffung des Wohnungseigentumsgesetzes, es würden sich in genügender Zahl Wohnungseigentümer insbesondere zur Aufsicht über den Verwalter bei Einnahmen und Ausgaben bereitfinden, muss enttäuscht werden, wo die Ausübung des Amtes als Verwaltungsbeirat nur noch mit erheblichem Zeitaufwand „professionell“ wahrgenommen werden kann. Dies gilt unabhängig von der durch § 29 Abs. 3 eingeführten Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit; denn nicht nur das – durch Abschluss einer Versicherung beherrschbare – Haftungsrisiko schreckt von der Übernahme des Amtes ab, sondern der Zeitaufwand und die Gefahr, für das Engagement Undank zu ernten, etwa durch andere Wohnungseigentümer oder Mieter in sozialen Medien (unsachlich) kritisiert zu werden. Gerade bei Fragen der Jahresabrechnung soll der Verwaltungsbeirat zudem in großen Wohnungseigentümergemeinschaften regelmäßig eine Vorentscheidung über wirtschaftlich bedeutende Fragen treffen und zudem den Verwalter überwachen (vgl. Rz. 42). Auch bei der Vorauswahl, wer denn ein geeigneter Verwalter für eine große Wohnungseigentumsanlage ist, stößt der „einfache“, auch der vorab über die Kandidaten und die Eckpunkte des Verwaltervertrags informierte Wohnungseigentümer an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes hat den hier angemahnten Änderungsbedarf gesehen und nicht aufgegriffen (vgl. Rz. 4). 18 Wird die Wahl eines Außenstehenden (Nichteigentümer) angefochten, soll bei Erfolg da-
von auch gemäß § 139 BGB die zugleich erfolgte Wahl anderer Beiratsmitglieder erfasst sein; demgegenüber zutreffend erscheint es, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, die eine Erstreckung nur dann rechtfertigt, wenn die Beiratsmitglieder zusammen „als Team“ gewählt worden sind.63 Wird ein Außenstehender (Nichteigentümer) bei Fehlen einer entsprechenden Zulassung durch Vereinbarung zum Verwaltungsbeirat gewählt, wurde bis zum Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes der Bestellungsbeschluss nach Ablauf der Anfechtungsfrist als bestandskräftig angesehen;64 bei einer Bestellung auf unbestimmte Zeit war ein Anspruch auf ordnungsgemäße Neubesetzung des Verwaltungsbeirats die Folge. Wer aus dem neuen Wortlaut des § 29 Abs. 1 „können“ mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1.12.2020 eine Beschränkung der Beschluss62 BayObLG v. 15.10.1991 – BReg. 2 Z 136/91, BayObLGZ 1991, 356 = MDR 1992, 479 = NJW-RR 1992, 210; OLG Köln v. 21.9.1998 – 16 Wx 126/98, NZM 1998, 961; OLG Düsseldorf v. 31.8.1990 – 3 Wx 257/90, OLGZ 1991, 37 = MDR 1991, 60; AG Köln v. 6.3.2017 – 202 C 114/16, ZMR 2017, 436; a.A. F. Schmidt, ZWE 2004, 18, 28, der einen unzulässigen Eingriff in den unentziehbaren Kernbereich annimmt; kritisch auch Köhler, MietRB 2023, 21, 23, wegen der Vorgaben der DSGVO. 63 AG Hamburg-St. Georg v. 20.8.2021 – 980a C 29/20 WEG, ZMR 2021, 932 = ZWE 2022, 134 mit abl. Anm. Hogenschurz. 64 BayObLG v. 15.10.1991 – BReg. 2 Z 136/91, BayObLGZ 1991, 356 = MDR 1992, 479 = NJW-RR 1992, 210; BayObLG v. 25.5.1998 – 2Z BR 21/98, NJW-RR 1998, 961; BayObLG v. 8.5.2003 – 2Z BR 8/03, ZMR 2003, 760, 761; LG Konstanz v. 6.5.2002 – 62 T 109/00, NZM 2003, 812; LG Karlsruhe v. 13.3.2009 – 11 S 22/09, ZWE 2009, 168; LG Dortmund v. 19.11.2013 – 1 S 296/12, ZMR 2014, 387; vgl. auch KG v. 21.12.1988 – 24 W 1435/88, NJW-RR 1989, 460 = ZMR 1989, 186; Armbrüster, ZWE 2001, 355; Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 82; Häublein, ZMR 2003, 233, 237; Wenzel, ZWE 2001, 226, 233; a.A. Elzer, ZMR 2009, 411.
1534 | Hogenschurz
II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats | Rz. 19 § 29 WEG
kompetenz mit der Folge der Nichtigkeit ableitet,65 für die sich aus den Materialien nichts ergibt, kann nur den Gesetzeswortlaut anführen und muss unterstellen, dass die gewählte Formulierung eine Beschlusskompetenz beschreiben soll, wie etwa in § 12 Abs. 4 oder § 20 Abs. 1. Demgegenüber erscheint es als vorzugswürdig, diesen Schluss zu vermeiden, und im Interesse der Sicherstellung einer Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – wie bei der Bestellung eines besonderen Vertreters in den Fällen der §§ 9b Abs. 2, 24 Abs. 3 – von der Wirksamkeit der Bestellung bis zu einer gerichtlichen Ungültigerklärung auszugehen. Wenn ein Außenstehender zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt ist, so ist er berechtigt, an der Wohnungseigentümerversammlung teilzunehmen66 und – soweit es für seine Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist, etwa zur Abgabe einer Stellungnahme im Sinne von § 29 Abs. 2 Satz 2 – zu reden;67 unterbleibt seine Ladung, sind Eigentümerbeschlüsse nicht aus diesem Grunde anfechtbar.68 Auch alle anderen mit dem Amt als Verwaltungsbeirat verbundenen Aufgaben, kann ein Außenstehender bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung wirksam wahrnehmen, etwa die vereinbarte Zustimmung zur Veräußerung gemäß § 12 erklären. Schließlich führt der Verlust der Eigenschaft als Wohnungseigentümer nicht in jedem Fall zum Verlust des Beiratsamts (vgl. Rz. 25). Neben der Stellung als Wohnungseigentümer müssen die Mitglieder des Verwaltungsbeirats 19 grundsätzlich keine besondere Qualifikation haben;69 den Verwaltungsbeirat trifft auch keine Fortbildungsverpflichtung.70 An die Eignung eines Verwaltungsbeirats können nicht die gleichen strengen Anforderungen gestellt werden wie an die Eignung für das Amt des Verwalters.71 Das Amt des Verwalters und des Verwaltungsbeirats sind inkompatibel; die Bestellung des Verwalters zum Verwaltungsbeirat ist nichtig,72 ebenso die Bestellung des Alleingeschäftsführers der Verwaltergesellschaft73 und von leitenden Angestellten des Verwalters und von die Verwaltungsgesellschaft beherrschenden Personen.74 Jedenfalls anfechtbar wegen Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung ist die Wahl, wenn eine Interessenkollision zwischen Beiratstätigkeit und „Nähe“ zum Verwalter vorliegt,75 etwa im Einzelfall weil der Gewählte entgeltlich für den WEG-Verwalter als freiberuflicher Berater tätig gewesen ist oder wird,76 nicht aber die entgeltliche Tätigkeit für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer77, denn ein Weisungsrecht oder eine Überwachungspflicht gegenüber Vertragspartnern hat der Beirat nicht (vgl. Rz. 42). Dass die Beherrschung der deutschen
65 Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 83 f.; Sommer, ZWE 2020, 409, 410; a.A. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 12; Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 6; Burgmair in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 23. 66 A.A. die bisher herrschende Meinung bei Annahme der Anfechtbarkeit der Bestellung; vgl. OLG Hamm v. 27.9.2006 – 15 W 98/06, ZMR 2007, 133, 134: jedenfalls soweit der Aufgabenbereich des Beirats betroffen ist; ebenso AG Idstein v. 7.9.2015 – 32 C 7/15, ZMR 2016, 318; offen gelassen in BayObLG v. 28.10.1987 – BReg. 2 Z 124/87, NJW-RR 1988, 270 = ZMR 1988, 70. 67 Bärmann/Seuß/Wolicki, § 37 Rz. 16. 68 BayObLG v. 28.10.1987 – BReg. 2 Z 124/87, NJW-RR 1988, 270 = ZMR 1988, 70. 69 LG Frankfurt/M. v. 9.8.2021 – 2-13 S 20/21 – Rz. 15, WuM 2021, 580; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 15. 70 Wolicki, ZWE 2019, 354, 355. 71 OLG Köln v. 12.5.2006 – 16 Wx 93/06, WuM 2006, 537. 72 OLG Frankfurt v. 27.10.1987 – 20 W 448/86, OLGZ 1988, 188; Pfälz. OLG v. 22.9.1983 – 3 W 76/ 83, OLGZ 1983, 438. 73 Pfälz. OLG v. 22.9.1983 – 3 W 76/83, OLGZ 1983, 438; zum umgekehrten Fall AG Offenbach v. 10.12.2021 – 310 C 43/21, ZMR 2022, 333, 335. 74 Bub, ZWE 2002, 7, 10. 75 AG Offenbach v. 3.1.2018 – 310 160/16, ZMR 2018, 380. 76 LG Frankfurt/M. v. 9.8.2021 – 2-13 S 20/21 – Rz. 13, WuM 2021, 580; LG Frankfurt/M v. 21.10.2015 – 2-13 S 97/12, ZMR 2016, 128. 77 LG Frankfurt/M v. 2.9.2019 – 2-09 S 51/18, ZWE 2020, 49 für einen Architekten. Hogenschurz | 1535
§ 29 WEG Rz. 19 | Verwaltungsbeirat Sprache grundsätzlich Eignungsvoraussetzung sein soll,78 trifft schon deshalb nicht zu, weil die Verwaltungsunterlagen nicht unbedingt in deutscher Sprache geführt werden müssen; zudem steht es dem Beirat frei, sich der Hilfe eines Dolmetschers zu bedienen.79 Dass ein Wohnungseigentümer mit einem anderen im Streit lebt, nimmt ihm nicht von vornherein die Eignung, Mitglied des Verwaltungsbeirates werden zu können,80 ebenso wenig die Absicht des Wohnungsverkaufs81 oder die Übernahme der Versammlungsleitung bei Tagesordnungspunkten mit eigener besonderer Betroffenheit82. Die Bestellung eines Wohnungseigentümers widerspricht im Übrigen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn das Zustandekommen eines Vertrauensverhältnisses von vornherein als ausgeschlossen erscheint.83 Selbst Fehler bei früherer Beiratstätigkeit, die später zur gerichtlichen Beanstandung von Wohnungseigentümerbeschlüssen führen, reichen grundsätzlich nicht aus, die Eignung zukünftig zu verneinen.84 Die Wahl eines Wohnungseigentümers widerspricht aber dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn schwerwiegende Gründe gegen seine Person sprechen,85 etwa Vorstrafen seine Eignung in Frage stellen.86 Auch die Wahl eines Wohnungseigentümers, in dessen Person die Voraussetzungen für die Entziehung des Wohnungseigentums gem. § 17 verwirklicht sind, widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.87 20 Die Wohnungseigentümer haben bei der Auswahl der Verwaltungsbeiräte ein weites Ermes-
sen; ordnungsgemäße Verwaltung gebietet nur, dass das Ermessen bei der Auswahl der Verwaltungsbeiräte ordnungsgemäß betätigt wird. Niemand hat einen Anspruch darauf, dass er zum Verwaltungsbeirat bestellt wird oder die Aufgabe reihum von allen Wohnungseigentümern ausgeübt wird. c) Bestellungsdauer, Abberufung, Niederlegung 21 Die Bestellung kann unbefristet erfolgen oder aber auf eine bestimmte Zeitdauer88 befristet
werden. Bei einer Befristung sollte ein Gleichlauf mit der Amtszeit des Verwalters vermieden werden, um einen reibungslosen Übergang und eine Einberufung der Eigentümerversammlung durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats gem. § 24 Abs. 3 und die Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter gem. § 9b Abs. 2 sicherzustellen. Eine Höchstdauer der Bestellung gibt es nicht,89 kann aber vereinbart sein. Eine Befristung ist nicht zwingend erforderlich.90 Die Empfehlung, die Verwaltungsbeirats-
78 Bärmann/Seuß/Wolicki, § 3 Rz. 9 f. 79 Indifferent Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 9 „Umstände des Einzelfalls“. 80 BayObLG v. 30.3.1990 – BReg. 2 Z 22/90, WuM 1990, 322; KG v. 28.1.2004 – 24 W 3/02, ZMR 2004, 458; KG v. 29.8.2004 – 24 W 194/02, ZMR 2004, 775; OLG Köln v. 30.8.1999 – 16 Wx 123/99, NZM 1999, 1155 = ZMR 2000, 563. 81 BayObLG v. 7.8.2001 – 2Z BR 38/01, NZM 2001, 990 = ZMR 2001, 996. 82 AG München v. 14.7.2021 – 482 C 13303/19, ZMR 2022, 158. 83 BayObLG v. 28.1.2003 – 2Z BR 127/02, ZMR 2003, 438; OLG Frankfurt v. 12.4.2001 – 20 W 234/ 00, NZM 2001, 627. 84 OLG Köln v. 12.5.2006 – 16 Wx 93/06, WuM 2006, 537. 85 BayObLG v. 30.3.1990 – BReg. 2 Z 22/90, WuM 1990, 322; BayObLG v. 7.8.2001 – 2Z BR 38/01, NZM 2001, 990 = ZMR 2001, 996; BayObLG v. 28.1.2003 – 2Z BR 127/02, ZMR 2003, 438, 439. 86 OLG Frankfurt v. 11.3.1976 – 16 U 255/75, NJW 1976, 1410. 87 A.A. LG Baden-Baden v. 12.2.2009 – 3 T 87/07, ZMR 2009, 473 (abl. Abramenko); zustimmend dagegen Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 11. 88 Nach LG München I v. 9.1.2023 – 1 S 16382/21, ZMR 2023, 397, 398, entfällt mit Ablauf des Bestellungszeitraums das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung der Beiratsbestellung jedenfalls dann, wenn das Mitglied erneut bestellt worden ist. 89 OLG Köln v. 24.11.1999 – 16 Wx 158/99, NZM 2000, 193 = ZMR 2000, 637. 90 OLG Köln v. 24.11.1999 – 16 Wx 158/99, NZM 2000, 193 = ZMR 2000, 637.
1536 | Hogenschurz
II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats | Rz. 23 § 29 WEG
mitglieder regelmäßig nach einigen Jahren zu wechseln,91 kann in der Praxis daran scheitern, dass eine genügende Zahl von Kandidaten fehlt. Wird der Verwaltungsbeirat ohne nähere Bestimmung gewählt, erfolgt die Berufung auf unbestimmte Zeit.92 Ebenso zulässig ist die vorsorgliche Bestellung von Ersatzmitgliedern (Nachrückern),93 insbesondere wenn absehbar ist, dass vor der nächsten Eigentümerversammlung ein Verwaltungsbeirat ausscheiden wird. Das Amt des Verwaltungsbeirats endet ohne weiteres bei Ablauf der für die Bestellung gesetzten Frist oder bei Wegfall der persönlichen Voraussetzungen. Dazu gehört auch der Verlust der Stellung als Wohnungseigentümer, die im Regelfall als stillschweigende Bedingung der Bestellung anzusehen ist,94 wenn nicht durch Vereinbarung die Bestellung von Nichteigentümern zugelassen oder die Bestellung bewusst auch für diesen Fall fortbestehen soll (vgl. Rz. 19). Wer Verwaltungsbeirat war, aber sein Eigentum an der Wohnung verloren hat, tritt bei späterem erneuten Eigentumserwerb nicht ohne weiteres ohne besondere Bestellung wieder in den Verwaltungsbeirat ein.95 Die Bestellung ist frei widerruflich, das heißt ein Verwaltungsbeirat oder auch der gesamte 22 Verwaltungsbeirat kann jederzeit ohne Angabe von Gründen96 aus seinem Amt durch Mehrheitsbeschluss abberufen werden97 oder auch ein neuer Verwaltungsbeirat unter stillschweigender Abberufung des bisherigen bestellt werden.98 Ob das Wirksamwerden der Abberufung den Zugang beim Abberufenen voraussetzt,99 ist schon angesichts des geringen Aufgaben- und Pflichtenkreises von Beiratsmitgliedern wenig praktisch; ohnehin wird bei dem Versuch, das Beiratsamt auszuüben, etwa Rechnungsunterlagen einzusehen, regelmäßig Kenntnis von der Abberufung eintreten. Weil die Besetzung des Verwaltungsbeirats fakultativ ist, steht der Abberufung der bisherigen Mitglieder auch nicht entgegen, wenn sich keine anderen Wohnungseigentümer zur Übernahme der Aufgabe bereitfinden. Das Fehlen inhaltlicher Voraussetzungen hat zur Folge, dass eine Klage auf Ungültigerklärung des Abberufungsbeschluss nur mit der Rüge formeller Fehler Erfolg verspricht.100 Mit der Beschlussfassung verliert der Verwaltungsbeirat sein Amt.101 Wenn an Stelle eines Verwaltungsbeirats ein anderer Wohnungseigentümer zum Verwaltungsbeirat berufen wird, liegt darin regelmäßig die Abberufung des bisherigen Verwaltungsbeirats.102 Daneben besteht die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund; nur in diesem Fall 23 – nicht auch bei der grundsätzlich jederzeit möglichen ordentlichen Abberufung – ist der 91 Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 114. 92 OLG Hamm v. 28.1.1999 – 15 W 77/98, NZM 1999, 227 = ZMR 1999, 281; OLG Köln v. 24.11.1999 – 16 Wx 158/99, NZM 2000, 193 = ZMR 2000, 637. 93 AG Hannover v. 22.6.2006 – 71 II 262/06, ZMR 2007, 405; Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 134. 94 BayObLG v. 5.11.1992 – 2Z BR 77/92, BayObLGZ 1992, 336 = ZMR 1993, 127, 129; Armbrüster, ZWE 2001, 412; Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 16. 95 BayObLG v. 5.11.1992 – 2Z BR 77/92, BayObLGZ 1992, 336, 340 = ZMR 1993, 127. 96 Durch Vereinbarung kann die Abberufung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt sein, vgl. OLG Hamm v. 18.1.1999 – 15 W 77/98, NZM 1999, 227 = ZMR 1999, 281. 97 KG v. 8.1.1997 – 24 W 7947/95, ZMR 1997, 544; OLG Hamm v. 18.1.1999 – 15 W 77/98, NZM 1999, 227, 229 = ZMR 1999, 281. Liegt der Bestellung (ausnahmsweise) ein entgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde, ist dieses regelmäßig nur aus wichtigem Grunde nach § 314 BGB vorzeitig kündbar, vgl. LG Nürnberg-Fürth v. 15.1.2001 – 14 T 7427/00, ZMR 2001, 746. 98 Missverständlich AG Koblenz v. 22.11.2011 – 133 C 1623711 WEG, WuM 2012, 118, 120. 99 Dafür Bärmann/Becker, § 29 WEG Rz. 37; dagegen Lehmann-Richter in Staudinger, 2018, § 29 WEG Rz. 17. 100 Fehlt ein wichtiger Grund zur Abberufung kann das Fortbestehen einer Vergütungspflicht gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen, vgl. Armbrüster, ZWE 2001, 412. 101 OLG Hamm v. 20.2.1997 – 15 W 295/96, NJW-RR 1997, 1232 = ZMR 1997, 433, 435. 102 Vgl. OLG München v. 31.7.2007 – 34 Wx 069/07, ZMR 2007, 996, 997; zum Verwalter BayObLG v. 28.1.2003 – 2Z BR 126/02, NZM 2003, 243; KG v. 19.7.2004 – 24 W 45/04, NZM 2004, 913. Hogenschurz | 1537
§ 29 WEG Rz. 23 | Verwaltungsbeirat abzuberufende Verwaltungsbeirat gem. § 25 Abs. 5 nicht stimmberechtigt. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes, etwa die Verzögerung einer Eigentumsumschreibung durch Verzögerung einer Protokollunterzeichnung bei vereinbarter Veräußerungszustimmung gem. § 12,103 die Einhaltung der Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB analog und das Vorliegen formeller Mängel kann gerichtlich überprüft werden (vgl. zur Verwalterabberufung § 26 Rz. 219). Die Unterscheidung zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Abberufung ist aber regelmäßig nur hinsichtlich des Fortbestehens von Entgeltansprüchen von Bedeutung, wenn Grundlage der Bestellung ein entgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis ist,104 oder im Hinblick auf einen Stimmrechtsausschluss bei knappen Mehrheitsverhältnissen.105 Für eine entsprechende Anwendung des § 26 Abs. 3 auf entgeltlich tätige Beiratsmitglieder fehlt es nach der Gesetzgebungsgeschichte106 an einer planwidrigen Regelungslücke. Soweit durch Vereinbarung die Abberufung des Verwaltungsbeirats auf Fälle des wichtigen Grundes beschränkt ist, bleibt eine solche von der bisherigen gesetzlichen Regelung gemäß § 47 in Kraft.107 24 Der Verwaltungsbeirat kann seinerseits das Amt jederzeit niederlegen,108 was im Fall der
Unzeit allerdings Schadensersatzansprüche begründen kann. Adressat der Niederlegung ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch den Verwalter, der die Wohnungseigentümer unterrichten muss. Die Niederlegung des Amts durch ein Mitglied des Verwaltungsbeirats oder auch sein Ausscheiden bedeutet nicht notwendig, dass der Verwaltungsbeirat insgesamt aufgelöst wäre;109 dabei wird man im Regelfall den Willen der bestellenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer annehmen können, dass die verbleibenden Beiratsmitglieder zumindest bis zu einer Nachwahl oder Neuwahl im Amt bleiben sollen.110 Mit dem Entfall der gesetzlichen Vorgabe, dass drei Verwaltungsbeiratsmitglieder zu bestellen sind, ist die Notwendigkeit entfallen, spätestens in der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung eine Nach- oder Neubesetzung des Verwaltungsbeirats vornehmen zu müssen. 25 Die Bestellung zum Verwaltungsbeirat kann auch durch gerichtliche Entscheidung enden.
Hat die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses über die Beiratsbestellung Erfolg, verliert ein nachgerücktes Mitglied nicht automatisch seine Beiratsstellung.111 Ein Antrag auf gerichtliche Abberufung eines Verwaltungsbeirats setzt die vorherige Anrufung der Wohnungseigentümerversammlung voraus, es sei denn, die Ablehnung eines entsprechenden Antrags stünde fest.112 Die Frage, ob die gerichtliche Aufhebung ex tunc oder ex nunc wirkt, ist wie bei der erfolgreichen Anfechtung der Verwalterbestellung (vgl. § 26 Rz. 113) zu beantworten, also entsprechend § 47 FamFG eine ex nunc Wirkung anzunehmen;113 allerdings ist diese 103 104 105 106 107 108 109 110 111
112 113
AG Düsseldorf v. 3.9.2014 – 291a C 2476/14, ZMR 2015, 413. Vgl. LG Nürnberg-Fürth v. 15.1.2001 – 14 T 7427/00, ZMR 2001, 746. Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 22. BT-Drucks. 19/22634, S. 45 f. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 18. KG v. 8.1.1997 – 24 W 7947/95, ZMR 1997, 544, 545. Dippel/Wolicki, NZM 1999, 603; a.A. Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 122, der aus dem Fehlen einer § 104 AktG vergleichbaren Regelung im WEG eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen „Schrumpf-Verwaltungsbeirat“ konstruiert. Häublein, AnwZert MietR 4/2012, Anm. 2. Auch wenn die Wohnungseigentümer regelmäßig nicht – rechtswidrig und anfechtbar – mehr als die gesetzlich oder durch Vereinbarung vorgesehene Zahl von Beiratsmitgliedern bestellen wollen, kann man nicht ohne weiteres unterstellen, dass sie die neuen Beiräte unter der Bedingung des Bestands der Abberufung der alten Mitglieder vornehmen wollen; so aber AG Leonberg v. 11.7.2014 – 7 V 243/14 WEG, ZfIR 2015, 71 (abl. Slomian). OLG München v. 28.9.2006 – 32 Wx 115/06, MDR 2007, 265 = NZM 2007, 132; allgemein zum Vorbefassungsgebot BGH v. 15.1.2010 – V ZR 114/09 – Rz. 15, BGHZ 184, 88, 93 = WuM 2010, 175 = MDR 2010, 399. Vgl. zum Verwalter BGH v. 5.7.2019 – V ZR 278/17, WuM 2020, 111 Rz. 8.
1538 | Hogenschurz
II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats | Rz. 28 § 29 WEG
Frage nur in den seltenen Fällen der Vertretung durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats gemäß § 9b Abs. 2 bzw. der Einberufung einer Eigentümerversammlung gemäß § 24 Abs. 3 von Bedeutung. d) Grundlage der Bestellung Für den Verwaltungsbeirat, seinen Vorsitzenden und dessen Vertreter ist ebenso wie für den 26 Verwalter (vgl. § 26 Rz. 36) zwischen der Bestellung als Organisationsakt und dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verhältnis zu trennen.114 Beim Verwaltungsbeirat wird der Bestellung regelmäßig ein unentgeltliches Auftragsverhältnis zugrunde liegen.115 Diese Unentgeltlichkeit oder bei Entgeltlichkeit die wesentlichen Eckpunkte (Höhe von Vergütung bzw. Entschädigung sowie Dauer der Bestellung) müssen zusammen mit der Bestellung festgelegt werden;116 das kann auch stillschweigend geschehen, wenn alle Beteiligten davon ausgehen, dass der Beirat seine Tätigkeit – insbesondere wie bisher – ohne Aufwendungsersatz unentgeltlich erbringt117. Vertragspartner der Beiratsmitglieder ist nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der Verband; dabei stellt sich die Frage, ob dieser Vertrag zugleich Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümerbegründet, wie dies vor der Neufassung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz entsprechend zum Verwaltervertrag angenommen worden ist,118 die aber auch nach der Neufassung nicht anders als beim Verwalter beantwortet werden kann (vgl. § 26 Rz. 120).
3. Zusammensetzung, Vorsitz und innere Organisation, § 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 a) Zusammensetzung Der Verwaltungsbeirat besteht seit der Neufassung durch das Wohnungseigentumsmoder- 27 nisierungsgesetz aus einer durch Mehrheitsbeschluss festzulegenden Anzahl von Wohnungseigentümern, also nicht mehr – wie noch unter Geltung des früheren Rechts119 – zwingend aus drei Mitgliedern.120 Auch eine Aufstockung des Verwaltungsbeirats auf mehr als drei Mitglieder ist zulässig. Diese Flexibilität ermöglicht es, die personelle Stärke des Verwaltungsbeirats an den Umfang der konkret anstehenden Aufgaben anzupassen,121 aber auch bei Fehlen von Interessenten die Zahl der Mitglieder zu reduzieren. Dabei sollte eine ungerade Mitgliederzahl oder jedenfalls ein Stichentscheid des Vorsitzenden 28 vorgesehen werden, um unentschiedene Abstimmungen zu verhindern.122 Die Bestimmung der Anzahl der Mitglieder kann durch gesonderten Eigentümerbeschluss erfolgen, aber auch einfach durch die Bestellung einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern.123 114 Vgl. auch BGH v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = MDR 2002, 1424; Dötsch/Schultzky/ Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 19; a.A. Lehmann-Richter in Staudinger, 2018, § 29 WEG Rz. 55. 115 BayObLG v. 30.4.1999 – 2Z BR 153/98, NJW-RR 2000, 13, 15; BayObLG v. 12.6.1991 – BReg. 2 Z 49/91, WuM 1991, 443 = NJW-RR 1991, 1360; OLG Düsseldorf v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = NZM 1998, 36. 116 Vgl. BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14, MDR 2015, 500, zur Verwalterbestellung. 117 Burgmair in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 2. 118 Abramenko, ZWE 2006, 273, 275 f. 119 So zum alten Recht BGH v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, MDR 2010, 619 = NJW 2010, 3168. 120 BT-Drucks. 19/18791, S. 76 f. 121 Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 82. 122 Bub, ZWE 2002, 7, 18. 123 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 14. Hogenschurz | 1539
§ 29 WEG Rz. 29 | Verwaltungsbeirat 29 Auch durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer, insbesondere in der Gemeinschafts-
ordnung, kann eine größere Zahl von Mitgliedern vorgesehen sein, ebenso eine kleinere Zahl.124 Für Altvereinbarungen gilt § 47 (vgl. § 47 Rz. 2). Wenn eine Zahl nicht vereinbart ist, kann der Zahl der Beiratsmitglieder durch Mehrheitsbeschluss festgelegt werden. Wird durch einen Eigentümerbeschluss nicht die vereinbarte Zahl der Mitglieder bestellt, ist ein solcher Eigentümerbeschluss anfechtbar, aber nicht nichtig.125 Gleiches gilt, wenn mehr als die vereinbarte Zahl von Mitgliedern gewählt wird.126 Wird über die Bestellung der Beiratsmitglieder einzeln abgestimmt, kann man, wenn auf diese Weise die vereinbarte Zahl von Mitgliedern nicht bestellt werden kann, ohne besondere Anhaltspunkte im Einzelfall nicht grundsätzlich unterstellen, dass die Bestellung der gewählten Kandidaten durch die Bestellung eines nach den zwingenden Vorgaben besetzten Verwaltungsbeirats bedingt sein soll, also ohne weiteres unwirksam ist.127 Werden entgegen fortbestehender oder nach dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz getroffener Vereinbarung im Einzelfall mehr oder weniger als vereinbart Mitglieder bestellt, so entspricht der Eigentümerbeschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und ist anfechtbar, aber nicht nichtig.128 Werden bewusst mehr Beiratsmitglieder bestellt als vereinbart, so verstoßen bei einzelner Beschlussfassung über die Kandidaten alle Bestellungsbeschlüsse nach § 139 BGB gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung und können erfolgreich angefochten werden.129 Der Verwaltungsbeirat hat, wenn nicht anderes vereinbart ist, auch keine „beratenden Mitglieder“, was auch immer mit deren Bestellung im Einzelfall gemeint oder beabsichtigt sein mag; das angestrebte Ziel kann über die Bestellung eines – freilich nur beratenden - Sonderausschusses (vgl. Rz. 73) erreicht werden, dem auch Nichtwohnungseigentümer angehören können. 30 Wenn eine besondere Zusammensetzung des Verwaltungsbeirats vereinbart ist,130 hängt die
Wirksamkeit der Bestellung des Verwaltungsbeirats durch Mehrheitsbeschluss von der konkreten Regelung in der Gemeinschaftsordnung ab: Wo eine bestimmte Zusammensetzung vorgesehen ist, wird ein abweichender Beschluss lediglich anfechtbar sein. Wo ein Entsenderecht, etwa jeder „Untergemeinschaft“ bei einer Mehrhausanlage, vorgeschrieben ist, wird der Verwaltungsbeirat erst mit der Entsendung wirksam gebildet.131 b) Bestellung des Vorsitzenden 31 Der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats wird durch die Wohnungseigentümerversammlung
oder sonst von den Beiratsmitgliedern selbst bestimmt.132 Zur Bestellung des Vorsitzenden 124 OLG Düsseldorf v. 31.8.1990 – 3 Wx 257/90, OLGZ 1991, 37 = MDR 1991, 60 = NJW-RR 1991, 594, 595. 125 BGH v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, MDR 2010, 619 = NJW 2010, 3168; so schon LG Konstanz v. 6.5.2002 – 62 T 109/00, NZM 2003, 812; ebenso LG Köln v. 9.6.2011 – 29 S 219/10 – Rz. 30, juris; LG Dortmund v. 19.11.2013 – 1 S 296/12, ZMR 2014, 387; AG Hannover v. 9.10.2007 – 483 C 9800/07, ZMR 2009, 150; AG Erfurt v. 16.7.2014 – 5 C (WEG) 1/13, ZMR 2015, 71. 126 BayObLG v. 8.5.2003 – 2Z BR 8/03, ZMR 2003, 760. 127 A.A. AG Leonberg v. 11.7.2014 – 7 V 243/14 WEG, ZfIR 2015, 71 (abl. Slomian). 128 BGH v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, MDR 2010, 619 = NJW 2010, 3168; LG Köln v. 9.6.2011 – 29 S 219/10 – Rz. 30, juris; LG Dortmund v. 19.11.2013 – 1 S 296/12, ZMR 2014, 387; AG Hannover v. 9.10.2007 – 483 C 9800/07, ZMR 2009, 150; AG Erfurt v. 16.7.2014 – 5 C (WEG) 1/13, ZMR 2015, 71. 129 AG München v. 18.1.2017 – 481 C 11177/16 WEG, ZWE 2017, 419. 130 Sinnvoll kann es bei Mehrhausanlagen sein, dass jedes Haus einen Vertreter im Verwaltungsbeirat stellen darf. Wo gewerbliche Nutzung und Wohnnutzung in einer Anlage erfolgen sollen, kann ein Entsenderecht für jede Gruppe, Wohnungseigentümer und Teileigentümer, vorgesehen werden. 131 Vgl. Armbrüster, ZWE 2001, 355, 357 m.w.N. 132 AG Pinneberg v. 30.1.2018 – 60 C 21/17, ZMR 2018, 463, 465; Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 20.
1540 | Hogenschurz
II. Einrichtung eines Verwaltungsbeirats | Rz. 33 § 29 WEG
des Verwaltungsbeirats bzw. dessen Stellvertreter ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien133 wichtige Hinweise: Die Aufgabe der Bestellung obliegt zunächst der Eigentümerversammlung; die Übernahme der besonderen Aufgabe bedarf der (auch stillschweigend möglichen) Annahme durch den Erwählten. Die Bestellung zum Vorsitzenden mit den besonderen Aufgaben, insbesondere der Vertretungsbefugnis gemäß § 9b Abs. 2, muss ausdrücklich erfolgen. Der mit den meisten Stimmen gewählte Verwaltungsbeirat wird nicht ohne weiteres dessen Vorsitzender. Sieht die Eigentümerversammlung von einer Bestellung ab, erfolgt die Bestimmung durch die Mitglieder des Verwaltungsbeirats. Die Abberufung als Vorsitzender erfolgt stets durch die Eigentümerversammlung; die übrigen Verwaltungsbeiräte haben keine Möglichkeit, diese zu beschließen oder zu erzwingen, sondern sind auf die Möglichkeit verwiesen, ihr Amt niederzulegen. Wird nur ein Beiratsmitglied bestimmt, soll dieses allerdings nach den Gesetzesmaterialien ohne weiteres dessen Vorsitzender sein;134 selbstverständlich und überzeugend ist dies nicht, denn dadurch wäre das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer um die Möglichkeit verringert, einen Verwaltungsbeirat zu bestellen, dem die besonderen Aufgaben des Vorsitzenden in § 9b Abs. 2135 oder in § 24 Abs. 3 und Abs. 6 nicht zukommen, etwa weil es zwar die Aufgaben eines „einfachen“ Beirats übernehmen, die weitergehenden Befugnisse und deren Verantwortung aber scheut. Diese Erwägungen gelten auch, wenn in einem aus zwei Mitgliedern bestehenden Verwaltungsbeirat nur dessen Vorsitzender bestimmt wird; das weitere Mitglied ist dann nicht automatisch dessen Stellvertreter. Das gilt auch, wenn nur ein Beiratsmitglied bestellt worden ist oder alle bis auf einen Wohnungseigentümer das Amt niedergelegt haben. Bestellen weder die Wohnungseigentümerversammlung noch der Verwaltungsbeirat selbst einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter, lässt dass die Wirksamkeit der Bestellung der Mitglieder im Übrigen unberührt. Deshalb können die Mitglieder des Verwaltungsbeirats die Bestellung eines Vorsitzenden noch nachholen, wenn dessen besondere Kompetenzen benötigt werden.136 Das Gesetz unterscheidet – anders als der Gesetzgeber137 – sorgfältig zwischen den dem Vor- 32 sitzenden des Verwaltungsbeirats bzw. seinem Vertreter zugewiesenen besondere Aufgaben nach § 24 Abs. 3 und Abs. 6, der Vertretungsbefugnis des Beiratsvorsitzenden dem Verwalter gegenüber in § 9b Abs. 2 und den übrigen Aufgaben des (gesamten) Verwaltungsbeirats. Der Verwaltungsbeirat kann dem Vorsitzenden bzw. dessen Vertreter zur Wahrnehmung von deren besonderen Befugnissen keine Weisungen (durch Mehrheitsbeschluss) erteilen.138 Umgekehrt wird der Verwaltungsbeirat als Gremium nicht von seinem Vorsitzenden vertreten.139 Der Verwaltungsbeirat vertritt den Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter auch nicht bei den im Gesetz ausdrücklich ihm zugewiesenen exklusiven Aufgaben.140 c) Innere Organisation Im Gesetz ist zur inneren Organisation nur geregelt, dass in einem aus mehreren Mitglie- 33 dern bestehenden Beirat ein Vorsitzender und dessen Stellvertreter zu bestellen ist, § 29 133 BT-Drucks. 19/17891, S. 76. 134 Zustimmend Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 13; Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 10; 37; Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 66; Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz.21. 135 Zur Bestellung eines anderen Vertreters gemäß § 9b Abs. 2 WEG vgl. § 9b Rz. 93. 136 Zur Ausübung der Kompetenzen des Vorsitzenden bei dessen Fehlen durch alle oder die Mehrheit der Mitglieder vgl. § 24 Rz. 30; Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 38. 137 BT-Drucks. 19/22634, S. 48. 138 Elzer, ZWE 2023, 68, 73. 139 BayObLG v. 28.3.2002 – 2Z BR 4/02, NZM 2002, 529. 140 Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 89; a.A. bei einem Handeln aller Beiratsmitglieder, weil dann notwendig der Vorsitzende bzw. dessen Stellvertreter gehandelt haben sollen, Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 66. Hogenschurz | 1541
§ 29 WEG Rz. 33 | Verwaltungsbeirat Abs. 1 Satz 2, und der Verwaltungsbeirat zu seinen Sitzungen durch dessen Vorsitzenden einberufen wird, § 29 Abs. 1 Satz 3. Soweit im Übrigen bindende Vorgaben zur inneren Organisation durch Eigentümerbeschluss, wie etwa der Stichentscheid des Vorsitzenden bei einer geraden Mitgliederzahl, fehlen, gibt sich der Beirat seine innere Ordnung grundsätzlich selbst. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Verwaltungsbeirat seine Beschlüsse mit der Mehrheit der Mitglieder141 fasst, insbesondere die „virtuelle“ Beiratssitzung mit Übertragung von Ton und Bild142 oder auch nur Ton (Telefonkonferenz) oder die Beschlussfassung im Umlaufverfahren einführen, schließlich auch die Teilnahme Dritter zulassen kann.143 Eine Bestandskraft der Entscheidungen des Verwaltungsbeirats in analoger Anwendung des § 23 Abs. 4 tritt nicht ein.144 Weil es sich dabei nicht um Eigentümerbeschlüsse handelt, sind diese Beschlüsse nicht in die Beschluss-Sammlung aufzunehmen. Ebenso wenig können Beiratsbeschlüsse mit der Anfechtungsklage gem. §§ 44 Abs. 1 angefochten werden.145 Beschlussfähigkeit ist bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder gegeben. Eine Vertretung soll zulässig sein.146 Eine pauschale Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die Eigentümerversammlung in § 24 ist abzulehnen. Um einen geordneten Ablauf der Tätigkeit des Verwaltungsbeirats zu gewährleisten, kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dem Verwaltungsbeirat eine Geschäftsordnung vorgeben, die etwa die Aufnahme einer Niederschrift über die Sitzungen des Verwaltungsbeirats vorsieht; fehlt eine solche Vorgabe, kann sich der Verwaltungsbeirat auch selbst eine Geschäftsordnung zur Ausgestaltung des Arbeitsablaufs geben.147
III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats 34 Eine rechtliche Einordnung des Verwaltungsbeirats, die über die Bezeichnung hinausgeht,
der Verwaltungsbeirat sei ein Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer148 oder „Hilfs- oder Kontrollorgan“,149 erscheint weder möglich noch sinnvoll. Aus der Bezeichnung als „Organ“ dürfen keine Rechtsfolgen abgeleitet werden.150 Fest steht, dass der Verwaltungsbeirat keine eigene Rechtspersönlichkeit hat.151 Die folgende Darstellung der im Gesetz besonders zugeschnittenen Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats und seines Vorsitzenden und dessen Stellvertreters zeigt, dass der Vergleich mit anderen Gremien – Aufsichtsrat, Sachverständigenrat, Rechnungsprüfungsgremium, Gesellschaftsbeirat, Gläubigerausschuss (§§ 67 ff. InsO)152 oder auch dem Betriebsrat als „Blaupause“ für eine Ausgestaltung des Verwaltungsbeirats153 – zu dem Ergebnis führen muss, was der Verwaltungsbeirat jedenfalls nicht ist: Der Verwaltungsbeirat entspricht insbesondere nicht dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft im Sinne der §§ 95 ff. AktG.154 Alle diese Etikettierungen, etwa auch als 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154
Pfälz. OLG v. 10.6.1987 – 3 W 53/87, MDR 1987, 938 = ZMR 1988, 24, 25. Vgl. BT-Drucks. 19/22634, 43. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 61. OLG Hamm v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, ZMR 2008, 63. OLG Hamm v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, ZMR 2008, 63. Armbrüster, ZWE 2001, 463. Ausführlich Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 552 mit Muster. So schon BGH v. 2.5.2006 – V ZB 32/05, Rz. 19, BGHZ 163, 154 = MDR 2006, 1156; s.a. BTDrucks. 19/18791, S. 56 BGH v. 5.2.2010 – V ZR 126/09, MDR 2010, 619 – Rz. 9. Lehmann-Richter in Staudinger, § 29 WEG Rz. 21. OLG Düsseldorf v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = NZM 1998, 36. Vertiefend m.w.N. Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 7 ff. Kappus, NZM 2017, 663, mit vielen praktischen Anregungen für Zusammensetzung, Begrenzung der Bestellungsdauer und qualifizierte Mitglieder. BayObLG v. 22.6.1995 – 2Z BR 48/95, WE 1996, 234, 236; OLG Düsseldorf v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = NZM 1998, 36.
1542 | Hogenschurz
III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats | Rz. 36 § 29 WEG
Sachverständigenrat oder Treuhänder, bergen vielmehr die Gefahr, von der Bezeichnung auf die Aufgaben und Befugnisse zu schließen; dies kann anders als eine Analyse der gesetzlichen Regelungen nicht überzeugen.155 Mit der Erkenntnis, dass der Verwaltungsbeirat ein Organ „eigener Art“156 ist, wird diese Gefahr vermieden; der Bezeichnung des Verwaltungsbeirats als Organ „eigener Art“ bedarf es gerade deshalb aber nicht. Einigkeit besteht, dass der Verwaltungsbeirat kein Organ im Sinne von § 31 BGB ist.157 Diese Erwägungen gelten nach der Neuregelung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz fort. An keiner Stelle des Gesetzes wird der Verwaltungsbeirat als Gremium in Vertretung für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer tätig, weshalb das Gremium Verwaltungsbeirat weiterhin nicht als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eingeordnet werden kann. Das ist – auch wenn das im Gesetzgebungsverfahren nicht unterschieden worden ist158 – nur anders, soweit dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats bzw. dessen Vertreter Kompetenzen außerhalb von § 29 zugewiesen sind, nämlich bei der Vertretung gegenüber dem Verwalter (§ 9b Abs. 2 WEG; vgl. § 9b Rz. 85) oder bei der Einberufung der Eigentümerversammlung (§ 24 Abs. 3 WEG; vgl. § 24 Rz. 30).
1. Unterstützung des Verwalters, § 29 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. Der Verwaltungsbeirat unterstützt den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben, 35 § 29 Abs. 2 WEG. Der Verwaltungsbeirat ist aufgrund dieser Funktion nicht dafür verantwortlich, dass der Verwalter allen seinen Aufgaben nachkommt (vgl. zur Überwachung Rz. 42 ff.).159 Den Vollzug von Eigentümerbeschlüssen kann jeder Wohnungseigentümer vom Verwalter verlangen,160 nicht aber kraft Amtes Mitglieder des Verwaltungsbeirats oder der Verwaltungsbeirat. Diese Unterstützung, insbesondere durch Beratung des Verwalters und Vermittlung zwischen den Wohnungseigentümern und dem Verwalter, ist durch das Gesetz nicht näher definiert und wird in der Praxis von Größe und Zusammensetzung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (vermietende/selbst bewohnende Wohnungseigentümer) abhängen. Erzwingbar ist eine Zusammenarbeit von Verwalter und Verwaltungsbeirat nur durch die Möglichkeit, Verwalter und/oder Beirat abzuberufen. Regelmäßig sinnvoll ist es, wenn der Verwaltungsbeirat vom Verwalter zu der mindestens einmal jährlich vorzunehmenden Anlagenbegehung hinzugezogen wird.161 Der Unterstützung stehen insbesondere die Kontrollaufgaben des Verwaltungsbeirats gem. § 29 Abs. 2 Satz 2 gegenüber: Danach soll er den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung prüfen und mit seiner Stellungnahme versehen, bevor über sie in der Wohnungseigentümerversammlung beschlossen werden. Hinzukommt nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz die Überwachung des Verwalters gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. (vgl. Rz. 42). Nach dem Gesetz stehen dem Verwaltungsbeirat also keine eigenen Entscheidungsbefug- 36 nisse zu.162 Der Verwaltungsbeirat ist vielmehr ein Organ zur Unterstützung des Verwalters und – wie sich aus den Aufgaben gemäß § 29 Abs. 2 Satz. 2 ergibt – insbesondere zur Vor-
155 Vertiefend die Analyse bei Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 10 ff. 156 Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 19. 157 BayObLG v. 3.5.1972 – BReg. 2 Z 7/72, BayObLGZ 1972, 161 = NJW 1972, 1377; Lehmann-Richter, ZWE 2011, 439, 440. 158 BT-Drucks. 19/22634, S. 48. 159 AG Düsseldorf v. 5.7.2010 – 292a C 16167/09, juris. 160 BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, Rz. 24, MDR 2018, 1111. 161 Kappus, NZM 2017, 663, 665 f. 162 BGH v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, Rz. 66, MDR 2018, 859. Hogenschurz | 1543
§ 29 WEG Rz. 36 | Verwaltungsbeirat bereitung der Eigentümerversammlung.163 Der Verwaltungsbeirat ist gegenüber dem Verwalter nicht weisungsbefugt;164 ebenso wenig traf ihn bis zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz eine allgemeine Überwachungspflicht165 (vgl. Rz. 42) oder eine besondere Überwachungspflicht bei Bauarbeiten.166 Dementsprechend darf der Verwalter den Verwaltungsbeirat nicht zu (verbindlichen) Weisungen auffordern; dass der Verwaltungsbeirat auf solche Anfragen nicht antwortet, entlastet den Verwalter deshalb nicht von der Erfüllung seiner eigenen Pflichten.167 Der Verwaltungsbeirat war bisher weder berechtigt noch befugt, die laufende Verwaltung ohne besonderen Auftrag zu kontrollieren,168 die Rechenschaftslegung zu verlangen169 oder Rügen der Verwaltung auszusprechen.170 Es gibt auch keine Pflicht der Beiratsmitglieder, für die Aufnahme bestimmter Tagesordnungspunkte und die Behandlung bestimmter Fragen in der Eigentümerversammlung zu sorgen, etwa um die Sanierung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums voranzutreiben.171 Der Beirat hat auch nicht die Pflicht, Aktivprozesse auf ihre rechtliche Haltbarkeit zu prüfen.172 Es gehört auch nicht zu den Aufgaben oder Befugnissen des Verwaltungsbeirats, eine dem Verwalter erteilte Erlaubnis zur Geltendmachung von Ansprüchen, § 27 Abs. 2, zu erweitern oder einzuschränken.173 Überhaupt sind der Verwaltungsbeirat und abgesehen von § 9b Abs. 2 Satz 2 sowie § 24 Abs. 3 auch nicht sein Vorsitzender zur Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder der übrigen Wohnungseigentümer berechtigt,174 dies auch dann, wenn ein Verwalter nicht bestellt ist, wie sich aus § 9b Abs. 1 Satz 2 ergibt.175 Dem Verwaltungsbeirat kann ebenso wenig die Entscheidung über Inhalt und Umfang von Reparaturarbeiten ohne Vereinbarung zwischen den Wohnungseigentümern übertragen werden.176 Der Verwaltungsbeirat ist auch nicht für die Anschaffung von Gartengeräten und Pflanzen oder Baumaterialien zuständig.177 Über die gesetzlich ausdrücklichen Zuständigkeiten hinaus wird nur das Recht angenommen, dass der Verwalter sachlich berechtigten Tagesordnungswünschen des Verwaltungsbeirats entsprechen muss (vgl. § 23 Rz. 141).178 37 Wenn § 29 Abs. 2 dem Verwaltungsbeirat die Unterstützung des Verwalters zur Aufgabe
macht, bedeutet dies rechtlich nicht, dass der Verwaltungsbeirat dessen Gehilfe gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern wäre, etwa eine Hilfskompetenz für die Durchsetzung 163 Wie jeder einfache Wohnungseigentümer kann ein Verwaltungsbeirat Einsicht in die dem Verwalter von Wohnungseigentümern erteilten Vollmachten verlangen; OLG München v. 31.10.2007 – 34 Wx 60/07, ZMR 2008, 657. 164 LG Frankfurt/M v. 2.9.2019 – 2-09 S 51/18, ZWE 2020, 49; Fritsch in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, § 2 Rz. 52. 165 BGH v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, Rz. 66, MDR 2018, 859. 166 In diese Richtung Kappus, NZM 2017, 663, 666. 167 A.A. LG Hamburg v. 29.12.2010 – 318 S 120/10, ZMR 2011, 497. 168 BayObLG v. 3.5.1972 – BReg. 2 Z 7/72, BayObLGZ 1972, 161 = NJW 1972, 1377; BayObLG v. 22.6.1995 – 2Z BR 48/95, WE 1996, 234, 236. 169 Vgl. AG Trier v. 21.6.1999 – 8 UR II 12/99 WEG, WuM 1999, 482. 170 LG Aurich v. 28.3.2011 – 4 S 160/10 – Rz. 49, juris, für den Fall der nicht rechtzeitigen Fertigstellung der Jahresabrechnung. 171 BGH v. 23.2.2018 – V ZR 101/16, Rz. 66, MDR 2018, 859. 172 LG Düsseldorf v. 2.10.2013 – 25 S 53/13, ZMR 2014, 389 = ZWE 2014, 407. 173 BayObLG v. 15.10.1979 – BReg. 2 Z 56/78, Rpfleger 1980, 23; OLG Celle v. 12.3.2001 – 4 W 199/ 00, NZM 2002, 169 = ZMR 2001, 643; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 22. 174 OLG Düsseldorf v. 17.7.2006 – 3 Wx 241/05, NZM 2007, 253 = ZMR 2006, 942, zur Genehmigung der Verfahrensführung des Beiratsvorsitzenden nach § 89 Abs. 2 ZPO. 175 OVG Berlin-Brandenburg v. 19.3.2015 – OVG 2 A 3.15 – Rz. 14 und 16, juris. 176 OLG Düsseldorf v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, ZMR 1997, 605. 177 LG Köln v. 9.12.2010 – 29 S 114/10 – Rz. 9, juris. 178 BayObLG v. 27.1.1970 – BReg. 2 Z 22/69, BayObLGZ 1970, 1, 4 = NJW 1970, 1136; BayObLG v. 16.6.1988 – BReg. 2Z 46/88, BayObLGZ 1988, 212.
1544 | Hogenschurz
III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats | Rz. 41 § 29 WEG
der Hausordnung mit der Ahndung von Verstößen hätte.179 Auch tatsächlich sollte der Verwaltungsbeirat bei der Wahrnehmung der Interessen aller Wohnungseigentümer darauf achten, vom Vertrauen aller Wohnungseigentümer gestützt zu werden, nicht Freund oder Gehilfe des Verwalters zu sein. Von der Unterstützung des Verwalters durch den Verwaltungsbeirat, wie sie § 29 Abs. 2 38 1. Alt., vorsieht, müssen Aufgaben oder Gefälligkeiten unterschieden werden, die Mitglieder des Verwaltungsbeirats – wie andere engagierte Wohnungseigentümer – manches Mal auf Bitten des Verwalters übernehmen. Zu denken ist dabei insbesondere an die „kleinen Hilfen“, dem Handwerker oder Schornsteinfeger den Heizungsraum aufzuschließen oder bei einsetzendem Schneefall am Wochenende abzustreuen. Auch wenn viele Wohnungseigentümer erwarten, dass sich der im Objekt wohnende Verwaltungsbeirat um solche „Kleinigkeiten“ „kümmert“, schon um Kosten zu sparen, geht es dabei begrifflich nicht um eine Unterstützung im Sinne von § 29 Abs. 2 1. Alt., sondern um von einzelnen Wohnungseigentümern vom Verwalter unentgeltlich übernommene Hilfsdienste. Dies gewinnt Bedeutung, wenn es bei der Auftragswahrnehmung zu Kosten und Schäden kommt, etwa wenn der Handwerker zwei Anfahrten in Rechnung stellt, weil der Verwaltungsbeirat den Termin vergessen hat, oder ein Passant stürzt, weil der Beiratsvorsitzende den Hauseingang bei Schneefall nicht abgestreut hat. Hätte der Verwalter den Handwerkertermin vergessen, würde er für die Mehrkosten haften. Weil sich der Verwalter in diesen Fällen bei der Erfüllung seiner Pflichten der Hilfe von Verwaltungsbeiräten oder Wohnungseigentümern (oder auch Mietern) bedient, haftet er der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die dadurch entstandenen Schäden.
2. Abgrenzung zu anderen Aufgaben Zu den weiteren Aufgaben des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder seines Vertreters 39 zählt es, das Protokoll der Eigentümerversammlung mitzuunterzeichnen, § 24 Abs. 6 Satz 2 (vgl. § 24 Rz. 141), falls er bei der Eigentümerversammlung anwesend ist. Daneben kommt dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats bzw. seinem Stellvertreter das 40 Recht zu, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, wenn ein Verwalter fehlt oder er die Einberufung pflichtwidrig verweigert, § 24 Abs. 3 (vgl. § 24 Rz. 30). Gleiches gilt, wo der Verwalter pflichtwidrig die Aufnahme von Tagesordnungspunkten verweigert.180 Wenn dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats gem. § 24 Abs. 5 der Vorsitz in der Eigentümerversammlung übertragen wird, obliegen ihm alle Aufgaben des Versammlungsleiters, also insbesondere die Feststellung des Zustandekommens von Beschlüssen und nach § 24 Abs. 8 Satz 2 grundsätzlich die Führung der Beschluss-Sammlung. Entfallen ist durch das Wohnungseigentumsgesetz die Möglichkeit, Verfügungen des Verwal- 41 ters über Gelder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich oder ab einer bestimmten Höhe gem. § 27 Abs. 5 Satz 2 a.F. von der Zustimmung eines Wohnungseigentümers oder einer dritten Person, also auch des Verwaltungsbeirats oder eines seiner Mitglieder abhängig zu machen, weil die Vertretungsbefugnis des Verwalters im Interesse des Rechtsverkehrs unbeschränkbar ist, § 9b Abs. 1 Satz 3. Im Innenverhältnis kann die Beteiligung des Verwaltungsbeirats gemäß § 27 Abs. 2 geregelt werden, auch ein – im Außenverhältnis gemäß § 9b Abs. 1 Satz 3 unbeachtlicher – Zustimmungsvorbehalt (vgl. § 27 Rz. 72). Im Verwaltervertrag kann auch vorgesehen werden, dass der Verwalter vor Entscheidungen den Verwaltungsbeirat unterrichten muss.181 179 Zweifelhaft deshalb, wenn Kappus, NZM 2017, 663, 667, zur Ahndung von Parkverstößen berufen sieht. 180 OLG Frankfurt v. 18.8.2008 – 20 W 426/05, ZMR 2009, 133. 181 LG Frankfurt/M v. 24.11.2015 – 2-09 S 62/13, ZMR 2016, 981. Hogenschurz | 1545
§ 29 WEG Rz. 42 | Verwaltungsbeirat
3. Überwachung des Verwalters, § 29 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. 42 Nach der Neufassung des § 29 Abs. 2 Satz 1 durch das Wohnungseigentumsmodernisie-
rungsgesetz „überwacht“ der Verwaltungsbeirat den Verwalter nunmehr. Die Regelung wurde durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz neu eingefügt, aber als bedeutungslos angesehen.182 Aus den Gesetzgebungsmaterialien, die den Willen des historischen Gesetzgebers und den von ihm angenommenen Sinn und Zweck der Regelung offenbaren, ergibt sich die Aufgabe für Rechtsprechung und Lehre für eine sinnvolle, widerspruchsfreie Einordnung. Weil das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums in die Hand der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gelegt hat (§ 18 Abs. 1 WEG) und den Verwalter als deren zentrales Organ bestimmt hat, könnte die „Überwachung“ der Angelpunkt dafür sein, dass Ansprüche gegen den Verwalter nicht als „(weitestgehend) hoffnungsloses Unterfangen“183 bewertet werden müssen. – Der Gesetzgeber hatte gute Absichten. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz erläutert zu der von ihm eingefügten Ergänzung (BT-Drucks. 19/22634, S. 48): „Der Verwaltungsbeirat unterstützt den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben nicht nur, sondern überwacht ihn auch. Dadurch wird der gestiegenen Bedeutung der Rolle des Verwaltungsbeirats Rechnung getragen. Denn er hat nicht mehr nur die Aufgabe, anstelle des Verwalters eine Versammlung einzuberufen (§ 24 Absatz 3), den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung zu prüfen (§ 29 Absatz 2 Satz 2) und die Niederschrift über die Versammlungen zu unterzeichnen (§ 24 Absatz 6 Satz 2). Künftig ist er auch dazu berufen, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter zu vertreten (§ 9b Absatz 2), insbesondere wenn es darum geht, Ansprüche gegen diesen durchzusetzen. § 29 Absatz 2 Satz 1 verleiht dem Beirat indes nicht das Recht, sich die Kompetenzen des Verwalters anzueignen.“
Diese Begründung zeigt zunächst eine geringe systematische Abstimmung des gesetzlichen Regelungskonzepts,184 denn abgesehen von der Unterstützung des Verwalters (§ 29 Abs. 2 Satz 1 1. Alt.) und den Prüfpflichten zum Rechnungswesen (§ 29 Abs. 2 Satz 2) trifft „den Verwaltungsbeirat“ keine der genannten Aufgaben, sondern den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats bzw. dessen Vertreter, von denen letzterer allerdings nur in § 24 Abs. 3 und 6, nicht aber in § 9b Abs. 2 (vgl. § 9b Rz. 92) genannt ist.185 Dieser „Vertreter“ des Vorsitzenden meint wohl den in § 29 Abs. 1 Satz 2 genannten „Stellvertreter“, also den stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats, nicht irgendeinen Bevollmächtigten des Vorsitzenden. Immerhin erhellt die Begründung, dass der Verwaltungsbeirat – wie es auch dem natürlichen Wortverständnis von „überwachen“ entspricht – nicht das Recht und die Pflicht hat, die Kompetenzen des Verwalters zu übernehmen. Von den vorgenannten Reservefunktionen in wenigen Ausnahmefällen abgesehen ist der Verwaltungsbeirat, dessen Vorsitzender, dessen Vertreter oder dessen Stellvertreter kein „Ersatzverwalter“. 43 Die Aufgabe des Verwaltungsbeirats, den Verwalter (einschließlich dessen bei der Verwaltung
eingesetzten Mitarbeiter) – nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder auch Dritte (Handwerker usw.) – zu überwachen, ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Kehrseite186 zur Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats bei der Anspruchsdurchsetzung gegenüber dem Verwalter gemäß § 9b Abs. 2 1. Alt. „Überwachung“ umfasst danach – was auch die § 111 Abs. 1 AktG
182 Dafür Hügel/Elzer, § 29 WEG Rz. 42 „symbolische und unnötige Gesetzgebung“; Elzer/Leist, Stichwortkommentar, Verwaltungsbeirat Rn. 63. 183 M.A. Müller, AnwZert MietR 2022/22 Anm. 2. 184 Für eine Zuständigkeit des Verwaltungsbeirats entgegen dem Gesetzeswortlaut aber wohl Fritsch in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, § 2 Rz. 52. 185 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 21 „verfehlt“. 186 Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 69 „korrespondiert ansatzweise“.
1546 | Hogenschurz
III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats | Rz. 44 § 29 WEG
ähnelnde Formulierung andeuten könnte187 – die Kontrolle aller Vorgänge, aus denen sich Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter ergeben können, insbesondere die Einhaltung von „Kardinalpflichten“, deren Einhaltung den Schutz der elementaren Mitwirkungsrechte (vgl. § 24 Rz. 68) sichert. Prüfungsmaßstab der Überwachung ist der Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung, wobei die Überwachung im tatsächlichen Schwerpunkt repressiv sein mag, rechtlich aber auch die Vermeidung von Schäden umfasst.188 Diese Vorstellung des Gesetzgebers von einer weit verstandenen Pflicht, die dann über die Haftungsbeschränkung des Abs. 3 (vgl. Rz. 61) für die Beiratsmitglieder entschärft wird, überzeugt nicht189: Die Entscheidung über die Geltendmachung dieser Ansprüche oder die Ausübung des Verzeihungsermessens (vgl. § 26 Rz. 201)190 verbleibt bei dem für die Entscheidungen über die ordnungsmäßige Verwaltung zuständigen Organwalter: Eigentümerversammlung, die durch Mehrheitsbeschluss – offensichtlich auf der Grundlage einer Information durch den Verwaltungsbeirat, auch wenn diese in § 29 Abs. 2 Satz 2 nicht erwähnt wird – entscheidet.191 Den Verwaltungsbeirat trifft zwar eine Kontroll- und Informationspflicht192, die sich aber nicht auf die Kontrolle des gesamten Verwalterhandelns unabhängig von dessen wirtschaftlicher Bedeutung erstreckt.193 Schon die Frage, ob der Beirat besondere Informationsansprüche hat, die über die allgemeinen eines jeden Wohnungseigentümers (§ 18 Rn. 160) hinausgehen, ist nicht geklärt.194 Die Unterrichtungspflicht des Veraltungsbeirats gegenüber den anderen Wohnungseigentümern ist bereits durch deren Information zur Vorbereitung von deren Entscheidung über die Anspruchsgeltendmachung gegenüber dem Verwalter erfüllt;195 Mittel der Wahl und einzige Befugnis des Verwaltungsbeirat zur praktischen Umsetzung196 der Informationspflicht ist die Befassung der Eigentümerversammlung (vgl. zur Einberufung bei pflichtwidriger Weigerung des Verwalters § 24 Rz. 28). Weitere Grundlagen für die Organisation der Überwachung sind nicht geregelt; eine Grundlage für die Regelung des Innenverhältnisses ergibt sich auch nicht aus § 18 Abs. 3 WEG, wenn man diese Regelung nicht als Regelung einer Organstellung einzelner Wohnungseigentümer, sondern als Beschränkung der Geschäftsführung ohne Auftrag einordnet (vgl. § 9b Rz. 74 und § 18 Rz. 13); diskutieren ließe sich allenfalls eine entsprechende Anwendung von § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2197 und damit auch eine Verwaltungsaufgabe begründen, dem Verwaltungsbeirat durch Eigentümerbeschluss im Innenverhältnis die Aufgabe der Überwachung näher auszugestalten und mit entsprechenden Regelungen für das Innenverhältnis auszustatten. Dass danach keine allgemeine, also umfassende Kontrollpflicht des Verwaltungsbeirats 44 begründet wird,198 zeigt auch der systematische Vergleich mit den Aufgaben des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 1 AktG, dem anders als den Mitgliedern des Verwaltungsbeirats gegenüber „einfachen“ Wohnungseigentümern gegenüber dem Aktionär besondere Kontroll-
187 188 189 190 191
192 193 194 195 196 197 198
Offengelassen von Kappus, NJW 2020, 3617 Rz. 27. I.E. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 43. Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, § 18 WEG Rz. 222 „Dilemma“. Kritisch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 52. Weil eine eigene Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsbeirats anders als beim Aufsichtsrat fehlt, sondern die Aufgabe des Beirats mit der Information der Eigentümerversammlung endet, lassen sich Grundsätze zum AktG nicht übertragen; ausführlich zur Rechtsvergleichung Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 49 ff. Ähnlich Burgmair in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 7. Sommer, ZWE 2020, 409, 411. Dafür etwa Elzer in: BeckOK WEG, Stand: 3.4.2023, § 18 WEG Rz. 180a. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 46. Zum Fehlen anderer Befugnisse vgl. Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 29. So Lehmann-Richter/Wobst, NJW 2021, 662 Rz. 16. Ebenso Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 72. Hogenschurz | 1547
§ 29 WEG Rz. 44 | Verwaltungsbeirat und Einwirkungsmöglichkeiten zustehen.199 Die Kontrollpflicht kann sich insbesondere nicht auf die Rechnungslegung des Verwalters und Kostenanschläge beziehen, denn diese vormals in § 29 Abs. 3 a.F. geregelte Aufgabe bei der Prüfung des Rechnungswesens ist ausdrücklich deshalb gestrichen worden, weil sie zu einer Überlastung des Verwaltungsbeirats führen könnte,200 umfasst aber andererseits als sicheren Kernbestand die Prüfung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2, wie sie in § 28 Abs. 1 Satz 1 (vgl. § 28 Rz. 88) und in § 28 Abs. 2 (vgl. § 28 Rz. 217) definiert werden. Weil schließlich die Durchsetzung der „Überwachung“ nicht ausgestaltet ist, etwa eine § 90 AktG vergleichbare Berichtsund Informationspflicht bewusst201 nicht angeordnet ist,202 und angesichts der im Regelfall unbeschränkten Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis (vgl. § 9b Rz. 13) auch über § 27 Abs. 2 nicht mit Bindungswirkung im Außenverhältnis zu erreichen ist, wird durch die „Überwachung“ ein Schutz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vor dem Abschluss nachteiliger Verträge durch den Verwalter über die allgemeinen Regeln (z.B. bei offensichtlicher Kollusion) hinaus nicht erzielt;203 die Einfügung erweist sich vor dem Hintergrund der Diskussion im Gesetzgebungsverfahren204 wie die Beschränkung der Vertretungsmacht des Verwalters in § 9b Abs. 1 WEG (vgl. § 9b Rz. 17) als Feigenblatt, dass nach der Stärkung der Position des Verwalters das entstandene Machtgefälle nicht wirksam auszugleichen vermag.205 45 Lässt sich danach die Aufgabe des Verwaltungsbeirats, den Verwalter zu überwachen, nicht
leicht scharf abgrenzen und in einem für ehrenamtlich tätige Verwaltungsbeiräte ohne weiteres handhabbaren Prüfkatalog zusammenfassen,206 sind zumindest die Folgen einer Verletzung der Überwachungspflicht im Gesellschaftsrecht in einer auf das Wohnungseigentumsrecht übertragbaren allgemeinen Weise geklärt. Wird der (frühere) Verwalter von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen in Anspruch genommen, kann der den Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB) nicht auf eine mangelhafte Überwachung durch den Verwaltungsbeirat stützen.207 Besondere Kenntnisse der Mitglieder des Verwaltungsbeirats können ebenso wenig wie das Sonderwissen einzelner Wohnungseigentümer208 dazu führen, dass der Verwalter von seiner Pflicht gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Information aller Wohnungseigentümer frei würde.
4. Prüfung des Rechnungswesens, § 29 Abs. 2 Satz 2 46 Die in § 29 Abs. 2 Satz 2 geregelte Belegprüfung – Prüfung und Stellungnahme des Verwal-
tungsbeirats zu Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung als Abrechnung über den Wirtschaftsplan – ist inhaltlich durch das Gesetz nicht näher ausgestaltet. Durch die Neufassung 199 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 11; Lehmann-Richter/Wobst, Rz. 582. 200 BT-Drucks. 19/18791, S. 76. a.A. Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 79. 201 Vgl. Kaßler, ZWE 2020, 354, 356; Sommer, ZWE 2020, 409, 410 f. 202 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 34; 47; Greiner in BeckOGK, Stand: 1.3.2023, § 29 WEG Rz. 23. 203 Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, § 5 Rz. 90. 204 Vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 11. 205 A.A. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 11: „kein zahnloser Tiger mehr“. 206 Ausführlich zur Widersprüchlichkeit des Regelungskonzepts Sankol in Skauradszun/Elzer/Hinz/ Riecke, § 8 Rz. 16 ff. 207 BGH v. 20.11.2014 – III ZR 509/13 – Rz. 22, MDR 2015, 87 m.w.N.; s.a. für die Kenntnis einzelner Wohnungseigentümer BGH v. 21.11.2019 – V ZR 101/19 – Tz. 22, WuM 2020, 239; a.A. zu den Aufgaben aus § 29 Abs. 2 S. 2 WEG LG Köln v. 18.12.2014 – 29 S 75/14, ZWE 2015, 418. 208 BGH v. 21.11.2019 – V ZR 101/19 Rz. 22, WuM 2020, 239.
1548 | Hogenschurz
III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats | Rz. 49 § 29 WEG
des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes ist die Kontrolle der Rechnungslegung des Verwalters und der Kostenanschläge ausdrücklich deshalb gestrichen worden, weil sie zu einer Überlastung des Verwaltungsbeirats führen können soll.209 Daraus ergibt sich auch, dass sich der Prüfauftrag nicht auf den Vermögensbericht im Sinne von § 28 Abs. 4 erstreckt. Diese Befunde lassen sich mit der vom Gesetzgeber geäußerten Absicht, den Verwaltungsbeirat als wichtiges Kontrollorgan zu stärken,210 nicht in Einklang bringen. Die Aufgabe obliegt dem Verwaltungsbeirat als Gremium, nicht seinen einzelnen Mitglie- 47 dern je für sich.211 Die Rechnungsprüfung kann dem Verwaltungsbeirat nicht durch Mehrheitsbeschluss entzogen werden; ein Rechnungsprüfer darf gegen den Willen des Verwaltungsbeirats nicht und sonst nur bestellt werden, solange ein Beirat nicht eingerichtet ist oder seine Mitglieder noch nicht bestellt werden konnten.212 Eine Delegation von Hilfstätigkeiten an Dritte darf die verantwortliche Prüfung durch den Verwaltungsbeirat nicht ersetzen. Soweit eine Prüfung der Verwaltung durch Dritte (Buchhalter oder Wirtschaftsprüfer usw.) erfolgen soll, kann diese – weil eine den § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 52 Abs. 1 GmbHG vergleichbare Regelung fehlt – nicht eigenständig durch den Verwaltungsbeirat für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beauftragt werden, die auch insoweit zwingend durch den Verwalter vertreten wird, so dass die Aufarbeitung wohl erst nach einem Verwalterwechsel praktisch wird.213 Weil auch der Verwaltungsbeirat keinen Anspruch auf Überlassung der Originalunterlagen unmittelbar gegen den Verwalter hat,214 sondern wie jeder Wohnungseigentümer auf die Einsicht (§ 18 Abs. 4 WEG) angewiesen ist, die Prüfung aber grundsätzlich anhand der Originalunterlagen erfolgen muss,215 wird die Rechnungsprüfung regelmäßig in den Räumen des Verwalters stattfinden. Die Stellungnahme des Verwaltungsbeirats bedarf keiner besonderen Form, kann münd- 48 lich in der Wohnungseigentümerversammlung erfolgen oder auch schriftlich; dann sollte sie vorbereitend mit der Einladung zur Eigentümerversammlung, in der über die Abrechnung beschlossen werden soll, übersandt werden, um den Wohnungseigentümern die Möglichkeit zu geben, sich über den Hintergrund von Beanstandungen bereits vor der Eigentümerversammlung zu unterrichten. Dazu kann auch der Hinweis gehören, dass weiterer Aufklärungsbedarf besteht oder auch die Erläuterung, warum sich der Beirat zu einer Stellungnahme nicht in der Lage sieht.216 Inhaltlich umfasst die Prüfungspflicht der Jahresabrechnung als Mindestanforderung die 49 Überprüfung der rechnerischen Schlüssigkeit der gesamten Abrechnung, auch des Verteilungsschlüssels,217 die Kontrolle der Kontenbelege,218 die Prüfung, ob Konten noch auf den Namen des Verwalters geführt werden219 und die stichprobenartige Belegprüfung.220 Dabei 209 BT-Drucks. 19/18791, S. 76. 210 BT-Drucks. 19/18791, S. 26. 211 Vgl. BayObLG v. 28.3.2002 – 2Z BR 4/02, NJW-RR 2002, 1092 = WuM 2002, 448; s.a. Greiner, ZfIR 2023, 6, 7. 212 Vgl. AG Hannover v. 21.3.2014 – 480 C 12698/13, ZMR 2015, 159; allgemein zur Bestellung eines Wohnungseigentümers als Ersatzvertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter vgl. § 9b Rz. 93. 213 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 16. 214 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 31. 215 Bärmann/Seuß/Wolicki, § 43 Rz. 48. 216 Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 27. 217 OLG Düsseldorf v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = NZM 1998, 36; LG Köln v. 18.12.2014 – 29 S 75/14, ZWE 2015, 418. 218 OLG Düsseldorf v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = NZM 1998, 36 gelangt für diesen Fall zu einer Haftung wegen grober Fahrlässigkeit. 219 Vgl. LG Bonn v. 30.4.2015 – 15 O 351/14, ZMR 2015, 644 (Neumann). 220 OLG Düsseldorf v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = NZM 1998, 36. Hogenschurz | 1549
§ 29 WEG Rz. 49 | Verwaltungsbeirat darf die Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Reform durch Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes deshalb nicht unbesehen herangezogen werden, weil der Prüfauftrag an den Verwaltungsbeirat bewusst beschränkt worden ist und etwa den Vermögensbericht gemäß § 28 Abs. 4 nicht umfasst (vgl. Rz. 46). Soweit das Gesetz in § 28 nunmehr zwischen den vorbereitenden Informationen (Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung) und der Beschlussfassung über Vor- und Nachschüsse unterscheidet,221 erfasst der Prüfauftrag an den Verwaltungsbeirat gerade Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung als Grundlage der Beschlussfassung, einschließlich des diesen zu Grunde liegenden Zahlenwerks, auch soweit sie Rechnungslegung und Kostenanschläge umfasst.222 Grundlage der Prüfung müssen die Verwaltungsunterlagen im Sinne von § 18 Abs. 4, sein, deren Führung in elektronischer Form223 jedenfalls dann unbedenklich ist, wenn die Vorgaben für Handelsbücher aus § 239 HGB, wie die Kenntlichmachung nachträglicher Änderungen oder die Verfügbarkeit, bzw. der Finanzverwaltung224 eingehalten sind. Bei der Prüfung sollte ein besonderes Augenmerk auf die als kritisch bekannten Ausgaben gelegt werden, das die vereinbarte Höhe übersteigende Verwalterhonorar mit dem Problem unberechtigter Sondervergütungen,225 die Kosten des Zahlungsverkehrs mit Sollzinsen als Indiz für Mängel der Beitreibung der Wohngelder oder für die unregelmäßige Wohngeldzahlung der Wohnungseigentümer, schließlich Instandhaltungskosten im Vergleich zu beschlossenen Kostenobergrenzen oder gebilligten Kostenvoranschlägen und die Nutzung eingeräumter Skontoabzüge. Wenn der Verwaltungsbeirat Unregelmäßigkeiten entdeckt, ist er zu weiteren Nachforschungen oder zur Anzeige gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet. Bezüglich der Ausgaben ist zunächst die richtige rechnerische Darstellung (Schlüssigkeit) zu prüfen226 und darüber hinaus auch ihre Berechtigung.227 – Aufgabe des Verwaltungsbeirats ist es also, die der Abrechnung zu Grunde liegenden Tatsachen zu prüfen, insbesondere die Zuordnung der Beleg zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; nicht zu seinen Aufgaben gehört es, die Darstellung der Abrechnung auf die Übereinstimmung mit der neusten höchstrichterlichen Rechtsprechung hin zu prüfen und zu bewerten.228 Nicht zu den Aufgaben des Verwaltungsbeirats gehört es auch, dem Verwalter eine Rüge zu erteilen, wenn dieser entgegen einer Bestimmung der Gemeinschaftsordnung die Jahresabrechnung nicht fristgerecht fertiggestellt hat.229 50 Die Eigentümerversammlung kann die endgültige Billigung der Jahresabrechnung nicht ge-
nerell dem Verwaltungsbeirat übertragen.230 Bei einer solchen Beschlussfassung über die Anpassung der Vorschüsse und Einforderung von Nachschüssen „vorbehaltlich der Nachprü-
221 Vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 74. 222 Vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 74. 223 Zur Belegeinsicht des Mieters beim papierlosgeführten Büro Lützenkirchen, NZM 2018, 266; s.a. LG Hamburg v. 8.1.2020 – 401 HKO 56/18, AIZ 2020, Nr. 6, 44. 224 „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“, BMF v. 28.11.2019 – BMF IV A 4 – S 0316/19/10003:001, BStBl. I S. 1269. 225 BGH v. 5.7.2019 – V ZR 278/17 Rz. 23, MDR 2020, 217, zur AGB-Kontrolle bei der Vertragsanwendung, nicht bei Vertragsschluss. 226 OLG München v. 7.2.2007 – 34 Wx 147/06, MDR 2007, 828 = NZM 2007, 488. 227 Denn unberechtigte Ausgaben sind in der Abrechnung als Ausgaben darzustellen, die entsprechenden Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter müssen aber als Einnahmen im Wirtschaftsplan aufgeführt werden. 228 Vgl. AG Hamburg-St. Georg v. 27.11.2012 – 980a C 28/12, ZMR 2013, 389 bei Abweichung der Darstellung der Jahresabrechnung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung. 229 LG Aurich v. 28.3.2011 – 4 S 160/10, juris – Rz. 49 = BeckRS 2011, 08660. 230 BayObLG v. 7.4.1988 – BReg. 2 Z 156/87, NJW-RR 1988, 1168; s.a. Jennißen, Verwalterabrechnung, Rz. 727; anders für Vereinbarung Hans. OLG Hamburg v. 9.7.2003 – 2 Wx 134/99, ZMR 2003, 773; OLG Hamm v. 19.3.2007 – 15 W 340/06, ZMR 2008, 63.
1550 | Hogenschurz
III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats | Rz. 54 § 29 WEG
fung durch den Verwaltungsbeirat“ kommt es zudem häufig zu einer inhaltlichen Unbestimmtheit der Formulierung, die den Beschluss anfechtbar macht.231 Den Wirtschaftsplanentwurf soll der Verwaltungsbeirat auf rechnerische Schlüssigkeit, Voll- 51 ständigkeit der Einnahmen und Ausgaben sowie auf Richtigkeit des Verteilungsschlüssels – auch bezüglich der Zuordnung zu einzelnen Kostenpositionen – überprüfen.232 Das Gesetz weist dem Verwaltungsbeirat damit eine dienende Aufgabe zu, die Entscheidung 52 der Eigentümerversammlung vorzubereiten. Die Genehmigung der Jahresabrechnung widerspricht nicht allein deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung, weil der Verwaltungsbeirat die Ablehnung empfohlen hat.233 Eine nachträgliche Prüfung des Rechenwerks durch den Verwaltungsbeirat ist im Gesetz nicht vorgesehen. Auch nach der Neufassung des § 29 durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz 53 besteht kein durchsetzbarer Anspruch – der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, keinesfalls einzelner Wohnungseigentümer – gegen die Mitglieder des Verwaltungsbeirats auf Erstellung eines Prüfberichts oder auch zur Ausübung der Sonderkompetenzen.234 Die Annahme dieser Pflicht zur Ausübung der Sonderkompetenzen mag rechtstheoretisch überzeugen, denn die Verleihung dieser Kompetenzen ist kein Selbstzweck; indes ist die Annahme dieser Pflichten nicht geeignet, die Beiratstätigkeit attraktiver zu machen und würde in letzter Konsequenz dazu führen, dass Wohnungseigentümer das Amt erst gar nicht übernehmen oder jedenfalls vorsorglich frühzeitig niederlegen, bevor wegen Niederlegung zur Unzeit Schadensersatzansprüche drohen. Umgekehrt bleibt den übrigen Wohnungseigentümern die Möglichkeit der Abberufung, wenn sie mit der Wahrnehmung der Aufgabe durch den Verwaltungsbeirat unzufrieden sind. Weil das Erfordernis der Vorprüfungen der Stellungnahme im Gesetz als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist, ist der Beschluss der Eigentümerversammlung über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung nicht deshalb anfechtbar, weil Vorprüfung oder Stellungnahme nicht erfolgt sind.235 Nichts anderes gilt, wo die Prüfung und Stellungnahme durch einen nicht wirksam bestellten Verwaltungsbeirat erfolgt ist.236 Der einzelne Wohnungseigentümer kann schließlich seine Kontrollrechte durch Einsicht in die Verwaltungsunterlagen (§ 18 Abs. 4) unabhängig davon geltend machen, ob der Beirat seine Kontrollrechte ausgeübt hat.237 Der Verwalter seinerseits kann die verspätete Vorlage der Jahresabrechnung nicht durch die fehlende oder verzögerte Prüfung durch den Verwaltungsbeirat entschuldigen; der Beirat soll, muss aber nicht die Abrechnung prüfen.
5. Aufgaben kraft besonderer Vereinbarung oder aufgrund Beschlusses Die gesetzlichen Aufgaben des Verwaltungsbeirats sind beschränkt, wo nicht besondere Re- 54 gelungen für die Aufgaben bestehen. Durch Vereinbarung können die Aufgaben des Verwaltungsbeirats in den Grenzen entgegenstehender gesetzlicher Regelungen erweitert oder ein-
231 232 233 234
Vgl. Hogenschurz, ZMR 2011, 928; Hogenschurz, NZM 2010, 500. OLG Düsseldorf v. 24.9.1997 – 3 Wx 221/97, MDR 1998, 35 = NZM 1998, 36. Vgl. LG Berlin v. 19.4.2013 – 55 S 170/12 WEG, ZMR 2013, 735 = ZWE 2013, 333. KG v. 8.1.1997 – 24 W 7947/95, ZMR 1997, 544; AG Dortmund v. 14.6.2019 – 514 C 4/19, ZMR 2019, 800; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 11 Rz. 28, 53; Burgmair in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2023, § 29 WEG Rz. 11; a.A. Lehmann-Richter/Wobst, Rz. 585. 235 BayObLG v. 27.11.2003 – 2Z BR 186/03, NZM 2004, 235; BayObLG v. 23.12.2003 – 2Z BR 189/03, NZM 2004, 623 = ZMR 2004, 358; KG v. 25.8.2003 – 24 W 110/02, NZM 2003, 901. 236 BayObLG v. 27.11.2003 – 2Z BR 186/03, NZM 2004, 235; BayObLG v. 23.12.2003 – 2Z BR 185/03, NZM 2004, 261; BayObLG v. 23.12.2003 – 2Z BR 189/03, ZMR 2004, 358. 237 Jennißen, Verwalterabrechnung, Rz. 886. Hogenschurz | 1551
§ 29 WEG Rz. 54 | Verwaltungsbeirat geschränkt werden.238 Gegen unabdingbare gesetzliche Vorschriften verstoßende Vereinbarungen sind nichtig. Abweichend von der gesetzlichen Regelung können dem Verwaltungsbeirat weitergehende Befugnisse und Pflichten übertragen werden. Insbesondere konnte schon vor der Neuregelung des § 29 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. (vgl. Rz. 42) dem Verwaltungsbeirat aufgegeben werden, die laufende Tätigkeit des Verwalters zu überwachen.239 Dem Verwaltungsbeirat kann auch die Entscheidung über den vom Verwalter aufgestellten Wirtschaftsplan übertragen werden.240 Dem Verwaltungsbeirat oder seinem Vorsitzenden kann die Veräußerungszustimmung gem. § 12 Abs. 1 zugewiesen werden.241 Dem Verwaltungsbeirat kann auch die Aufgabe des Entwurfs oder der Aufstellung einer Hausordnung übertragen werden. Nichtig wäre ein vereinbarungsersetzender Eigentümerbeschluss, mit dem die Billigung baulicher Veränderungen für alle Fälle dem Verwaltungsbeirat übertragen wird.242 Die Bevollmächtigung des Verwaltungsbeirats zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums in den Erwerberverträgen ist unzulässig.243 Ein Eigentümerbeschluss, der dem Verwaltungsbeirat oder dessen Mitgliedern die Abnahme des Gemeinschaftseigentums überträgt, ist nichtig.244 Die Regelung erscheint auch als nicht tunlich, weil die Mitglieder des Verwaltungsbeirats mit dieser Aufgabe regelmäßig überfordert sind. Im Verhältnis von Erwerber zum Bauträger ist eine Klausel unzulässig, die es dem Bauträger als (Erst-)Verwalter ebenso wie als Verwaltungsbeirat erlaubt, sich selbst gegenüber die Abnahme zu erklären.245 55 Durch Mehrheitsbeschluss können die Aufgaben des Verwaltungsbeirats bei der Unterstüt-
zung des Verwalters nach § 29 Abs. 2 grundsätzlich ausgestaltet werden.246 Für die Praxis problematisch sind dabei Formulierung wie „in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat“ oder „nach Rücksprache mit dem Beirat“, denn diese werden zurecht als inhaltsleer, unbestimmt und deshalb nichtig angesehen;247 daran ändert die Beschlusskompetenz aus § 27 Abs. 2 nichts.248 Vielmehr muss eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen des Verwaltungsbeirats möglichst konkret geregelt werden. Dabei steht die grundsätzliche Möglichkeit außer Streit, die Entscheidung des Verwalters im Innenverhältnis an die Zustimmung des Verwaltungsbeirats zu koppeln.249 Für zulässig erachtet wird deshalb ein Beschluss, dass der Verwaltungsbeirat dem Verwalter Anweisungen zu Zeitpunkt und Ort der Eigentümerversammlung machen kann.250 Bei allen Regelungen durch Eigentümerbeschluss muss klar for-
238 OLG Frankfurt v. 23.8.1975 – 22 U 255/73, NJW 1975, 2297; OLG Celle v. 22.5.2007 – 4 W 57/07, NJW 2007, 2781; LG Itzehoe v. 1.7.2014 – 11 S 10/13, ZMR 2014, 915 = ZWE 2015, 137. 239 BayObLG v. 22.6.1995 – 2Z BR 48/95, WE 1996, 234; ansonsten besteht eine solche Pflicht nicht, BayObLG v. 3.5.1972 – Breg. 2 Z 7/72, BayObLGZ 1972, 165 = MDR 1972, 262 = NJW 1972, 1377. 240 OLG Naumburg v. 10.1.2000 – 11 Wx 2/99, WuM 2001, 38. 241 Vgl. OLG Hamm v. 13.3.2013 – I-15 W 311/12, FGPrax 2013, 196 = Rpfleger 2013, 512 auch zum Nachweis der Bestellung der Erklärenden zu Beiratsmitgliedern entsprechend § 26 Abs. 3 WEG. 242 Vgl. KG v. 17.10.2001 – 24 W 9876/00, NZM 2001, 1085 für Pergola. 243 BGH v. 12.9.2013 – VII ZR 308/12, MDR 2013, 1336; s.a. Karczewski, NJW 2021, 528, 529. 244 OLG Düsseldorf v. 2.7.2019 – 23 U 205/18, WZE 2020, 71. 245 Vgl. zum bis zum 30.11.2020 geltenden Recht BGH v. 30.6.2016 – VII ZR 188/13, MDR 2016, 1013. 246 Lehmann-Richter/Wobst, Rz. 590; zur stillschweigend unterstellten Beschlusskompetenz nach altem Recht vgl. BGH v. 5.7.2019 – V ZR 278/17 – Tz. 13 ff., MDR 2020, 217. 247 AG Hamburg-Blankenese v. 24.2.2010 – 539 C 43/09, ZMR 2010, 563; zur Unbestimmtheit s.a. LG Lüneburg v. 30.6.2020 – 3 S 59/19, ZMR 2020, 881, für die Beauftragung des Beirats mit der „Aufarbeitung“; LG Koblenz v. 21.7.2014 – 2 S 72/13 – ZMR 2015, 59, 60; LG Berlin v. 20.1.2015 – 55 S 130/14, ZWE 2015, 140; AG Hamburg-Blankenese v. 24.6.2015 – 539 C 31/14, ZMR 2015, 813; AG Offenbach v. 22.7.2016 – 320 C 27/16, ZMR 2016, 1003, 1005. 248 Lehmann-Richter/Wobst, Rz. 591. 249 BT-Drs. 19/22634, 47. 250 Elzer, ZWE 2023, 68, 72
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III. Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats | Rz. 56 § 29 WEG
muliert werden, wem die Aufgabe zugewiesen werden soll, dem O