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German Pages 35 [36] Year 1915
was ich auf dem Kriegsschauplatz feil). (Offener Brief
an Sir Arthur Conan Doyle
James G'vonnel Bennet Korrespondent der Chicago Tribune
Berlin 1915 Druck und Verlag von Georg Reimer
kille Rechte, insbesondere das der Über setzung in fremde Sprachen, Vorbehalten.
Vorwort. An Sir Arthur Conan Doyle.
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weimal habe ich mit gespannter Aufmerksamkeit und wach
sendem Erstaunen einen etwa 2000 Worte umfassenden Artikel gelesen, den Sie unter dem Titel „Die Politik des Mor
dens. Wie Preußen die moderne Kriegführung herabgewürdigt hat" dem „London Chronicle" zur Verfügung gestellt haben. Auf mich macht der Artikel den Eindruck eines furchtbaren
und
niederschmetternden Dokumentes, furchtbar in seinem
Zorn, in seiner leidenschaftlichen Aufrichtigkeit und in seiner
Anhäufung von Behauptungen; niederschmetternd in seiner
Wirkung auf die Meinung der neutralen Völker, wenn die
Behauptungen geglaubt werden. Indem ich nun auf Ihre Anklagen erwidere, werde ich nicht so sehr versuchen, das von Ihnen Behauptete in Frage
zu stellen, als vielmehr Dinge vorzubringen, die in gewissem
Maße einen anderen Standpunkt, als den Ihrigen über eine der bedeutendsten und schwierigsten Fragen unserer Zeit geben, nämlich die, wie Deutschland Krieg führt.
Ich wage es, meine Feststellungen in Form eines per
sönlichen, aber nicht privaten Briefes an Sie aiederzulegen da ich ruhig und höflich sein und dabei immer im Geiste jeman
dem gegenüberstehen möchte, den ich als wohlwollenden und begabten Mann schätze, als einen Mann, der sich als Patriot
4 erwiesen hat und dessen Arbeit eine Zierde der Literatur seines
Landes ist. Ich wende mich persönlich an Sie im Interesse der Wahrheit
und nicht etwa, weil ich einen nnbedeutenden mit einem geach teten Namen in Verbindung bringen will.
Ich schulde Ihnen
»u großen Dank für viele Stunden geistiger Erholung, als daß ich in diesen unruhigen und aufgeregten Zeiten Ihnen
unhöflich oder anmaßend begegnen möchte. Ihre Worte werden auf den Schwingen Ihres großen
RufeS weite Verbreitung finden und viele überzeugen.
Ich
habe keinen Namen, aber ich kann eine Reihe von Tatsachen
anführen. Aus nachfolgender kurzer chronologischer Zusammen, stellung mögen Sie ersehen, wie ich sie beobachten konnte.
(Tim i2. August kam ich in Brüssel von London her an, wo ich gerade meine Tätigkeit als Londoner Korrespondent
für die „Chicago Tribune" ausgenommen hatte.
Während
der nächsten 5 oder 6 Tage unternahm ich kurze Ausflüge nach dem Osten und Süden Belgiens, und zwar östlich bis Landen,
südlich bis Namur.
Auf diesen teilweise im Zug, teilweise zu
Fuß unternommenen Reisen wurde mir nichts berichtet, was
ich hätte als leichtfertige Greuel der deutschen Truppen gegen über derjenigen belgischen Zivilbevölkerung, die die Kriegs
gesetze geachtet hatte, bezeichnen können, wohl aber hörte ich von einigen Fällen abschreckender, Franktireurs auferlegter
Strafen.
Am 20. August war ich in Brüssel und beobachtete
3V2 Tage lang den Durchmarsch von Tausenden deutscher
Truppen.
Ich war viele Stunden dieser gespannten und auf
regenden Zeit in verschiedenen Teilen Brüssels, habe aber weder
einen Fall von Ausschreitung, noch von Plünderung beobachten
können noch davon gehört. Ja, ich habe nicht einmal einen Fall von Unhöflichkeit weder auf feiten der Bevölkerung,
noch
auf feiten der einziehenden Soldaten wahrgenommev.
Ich
bemerkte vielmehr 7 Uhr abends ein steundliches Zusammen
flehen von Gruppen von Zivilisten und Soldaten. Dies war 4 Stunden nach dem Beginn des Einzuges. Am folgenden Sonntag, dem 23. August, unternahm ich
im Gefolge deutscher Truppen einen Ausflug, der mich südlich
6 bis nach Beaumont führte.
Am Sonntag befand ich mich
weit hinter den Truppen und in Städten, die die Deutschen uoch nicht besetzt hatten.
Ja Nivilles stellte die Gesellschaft,
der ich angehörte, zwei Stunden lang mit der Einwohnerschaft und einigen vom Lande hereingekommenea Bauern Unter,
suchuvgea an. Es wurden jedoch keine Ausschreitungen berichtet.
Den halben nächsten Tag gingen wir ju Fuß durch ein Dutzend belgischer Dörfer, ohne etwas von irgendwelchen Greueln zu
hören.
Den Rest des Tages ging unsere Gesellschaft neben
einer deutschen Trainkolonne her und sah belgische Frauen,
die offenstchtlich unerschrocken waren und den Soldaten Wasser
reichten.
ES ist allerdings wohl billig, anjunehmen, daß ihnen
das aufgetragen worden war.
In Konditoreien sahen wir, daß
die deutschen Soldaten höflich nach Schokolade ftagten und den
verlangten Preis gewissenhaft in Mark und Pfennigen erlegten.
Am Dienstag waren wir gejwuagen, einen ganjen Tag in einem Gasthaus in der belgischen Stadt Binche zu rasten, da unsere Füße von dem ungewohnten Marschieren stark mit Blasen bedeckt waren.
Wir bewegten uns frei unter der Bevölkerung und machten
kleinere Einkäufe an Ausrüstungsgegenständen und größere, wie z. B. ein Pferd, einen Dogcart und Fahrräder. Ein oder zwei
deutsche Trainkolonnen
kamen
durch
die Stadt, aber kein
deutscher Soldat störte uns. Es schien, als würden wir von den Deutschen mit der belgischen Bevölkerung identifiziert.
Sie ließen uns ruhig gewähren. Am nächsten Tage fuhren und marschierten wir allein
durch viele belgische Dörfer und Städte.
Dabei wurden uns,
wenn wir uns mit den Einwohnern unterhielten, Geschichten von grundlosen Greueln erzählt.
Diese hatten aber immer
stattgehabt „in dem nächsten Dorfe, Messieurs".
Wenn wir
7 nun in dem nächsten Dorfe ankamen, wnrde uns dasselbe
versichert, und so ging es den ganjeo Tag weiter.
Schließlich
erzählte vns ein belgischer Bürgermeister, daß er den Be richte« zwei Tage lang aachgeforscht hätte vnd zu der Über zeugung gekommen wäre, daß es sich um verrückte Erfindungen handele.
Don der grausamen Seite des Krieges haben wir
vieles gesehen, von der gemeinsamen Hinrichtung von Frank
tireurs wurde uns einiges berichtet, dieses von Belgiern. An
diesem Abend trafen wir deutsche Truppen in Beaumont und wurden von deutschen Offizieren unter Überwachung gestellt.
Am nächsten Tage wurden wir fesigenommen, und wir hatten deshalb an diesem, einem Donnerstag, sowie Freitag und Sonnabend keine Gelegenheit, von Belgiern zu erfahren, wie
sie behandelt oder mißhandelt worden waren. Wohl aber hatten wir reichlich Gelegenheit, zu beobachten, wie sich die deutschen
Soldaten selbst benahmen, und zwar fanden wir ihr Verhalten
bewundernswert.
Spionageverdachts rücksichtsvoll.
Sogar gegenüber 5 Mann, die sie wegen
festgenommen
hatten, benahmen sie sich
Sie drangsalierten uns in keiner Weise und
teilten mit uns Essen und Trinken. Freitag nachts steckten sie uns in einen Zug zusammen
mit ftanzösischen, nach Köln bestimmten Kriegsgefangenen; sie setzten uns dann in Aachen ab und schienen sehr ftoh, uns
los zu sein. In Aachen blieben wir 3 oder 4 Tage unter Aufsicht
der Zivilpolizei, dann aber verfolgte uns niemand mehr, sei es mit seinem Verdachte oder mit seinem Interesse.
Da die
Stadt nahe an der holländischen Grenze liegt, wo wir unsere Briefe nach Amerika aufgeben konnten, erwählten wir sie für
ziemlich 2 Monate zu unserem Hauptquartier. Während dieser Zeit unternahm ich zwei Reisen nach Schauplätzen deutscher militärischer Operationen in Frankreich, jedesmal in Begleitung
8 eines deutschen Offiziers.
Auf diese Weise hatte ich häufig
Gelegenheit, die eiserne Disziplin der deutsche« Truppen, ihre Besonnenheit, ihre Gewissenhaftigkeit in der Bezahlung ihrer
Mahlzeiten in ftanzösischea Gasthäusern und ihr gutes Ein
vernehmen mit der Zivilbevölkerung in Frankreich zu beob achten; und hierauf möchte ich etwas näher eingehen.
In der Einleitung Ihres Beittages für den „Chronicle" sagen Sie, daß „jetzt eine Zeit gekommen ist, in der man mit rnhigem Blut und bei aller vorsichtigen Zurückhaltung berechtigt
ist, zu sagen, daß seit den barbarischen Feldzügen Albas in die Niederlande oder seit den Ausschreitungen des zo jährigen
Krieges keine solche wohlerwogene Politik des Mordens gettieben wurde, wie in diesem Kampfe von den deutschen Truppen.
Dies ist nm so schrecklicher, als es sich bei den deusschea Truppen
nicht etwa wie bei denen von Alba, Parma oder Tilly um auftührerische, gewinnsüchtige Söldner handelt, sondern als sie vielmehr die Nation selbst vertteten und ihre Taten von der ganzen nationalen Presse ensschuldigt, ja sogar gerühmt werden".
Länger als drei Monate habe ich, da ich nur geringe
Kenntnis von der deutschen Sprache besitze, mit Mühe, aber
doch ziemlich genau, die angesehenen Kölner und Aachener Zeitungen auf ihre Kriegsberichtt hin verfolgt; ich habe es
aber weder selbst gelesen noch gehört, daß jemand anders von irgendeiner
Ensschuldigung
oder
Zustimmung
gelesen
hat.
Selbstverständlich aber braucht man das, was sie nicht zu
geben, auch nicht zu entschuldigen.
Und die deutsche Presse
gibt es nicht zu, daß deutsche Truppen die Gebote einer zivilisierten Kriegsführung verletzt haben. In Ihrem nächsten Abschnitt sagen Sie, daß „der Krieg
neben seiner schrecklichen Seite auch eine schöne Seite hat und viele Züge von menschlichem Mitgefühl und Rücksicht
9 zeitigt, die seine unvermeidlichen Schrecken mildern".
Und
Sie führen dazu Beispiele aus den mittelalterlichen Kriegen zwischen England und Frankreich und aus dem Krimkrieg an,
um diese Behauptung zu beweisen. Und darauf fragen Sie: „Könnte man sich vorsiellen, daß Deutschland den Krieg
in einem solchen Geiste führte?" Ich kann mir das nicht nur vorstellen, sondern ich habe
es sogar gesehen. Ich fand es wundervoll, als ich meinen Freund, den Hauptmann Franz von Kempis vom Königin Augusta-Garde-
Grenadier-Regiment Nr. 4, an einem kalten Oktober-Nachmittag
unbedeckt vor dem Grabe des ftanzösischen Offiziers stehen
sah, der heute bei allen deutschen Soldaten im nördlichen Frank reich als der „tapfere Alvares" bekannt ist.
Dieser Soldat
war Kommandant des Forts des Ayvelles bei Charleville, und als die Besatzung sich weigerte, den Deutschen Widerstand
zu leisten, was ihr nach seinem Gefühl ihre Ehre auferlegte, tötete er sich selbst. Die Sieger begruben ihn mit mllitärischen
Ehren in einem schönen grünen Walde hinter der Festung, und auf seinem Grabe errichteten sie ein wundervolles, mühe
voll und geschickt aus Holz hergestelltes Kreuz.
Dieses Kreuz
aber ttägt in deutschen Worten folgende Inschrift: Hier ruht der brave Kommandant.
Es war ihm nicht möglich, länger zu leben als die ihm avverttaute Festung.
Durch dieses einfache hölzerne Kreuz ehrt der deutsche Soldat in Dir
den Helden der Pflicht.
2. Landwehr-Pionier-Komp, des VIII. Armeekorps September 1914.
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Ich hoffe, Ihnen eines Tages, wenn wieder bessere Zeiten gekommen sind, die Photographie dieser geweihten Stätte unter Immergrün jeigen ju können.
Ende Oktober stischte
-er deutsche kommandierende Wachtmeister der kleinen Be, satzung von Ayvelles das Grab mit ftischen Zweigen auf.
Auch fand ich es wuvdervoll, als ich sah, wie ftanjösische Soldaten die Hände deutscher Ärzte küßten, die sie in dem
Hospital in Laon behandelten. Und ich habe selten etwas Schö, neres und Rührenderes in meinem Leben gesehen, als einen deutschen Arzt, der mit dem Arm den Rücken eines leidenden
und verzweifelnden Franzosen stützte, ihn an seine Brust drückte und zu ihm sagte: „Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie nicht
zu sterben brauchen, aber Sie müssen mir dadurch helfen, Sie
wieder gesund zu machen, daß Sie sich ruhig verhalten." Zwei
große Tränen rollten die Wangen des Franzosen hinab, und er blickte mit unendlicher Dankbarkeit auf, als ihn der Doktor wieder sanft auf sein Kissen legte.
Ich fand es schön und rührend, als ich beobachtete, wie
zwei große deutsche Soldaten in Betheniville, einige Meilen
von Reims, in dem Hausflur saßen, während ein kleines, vielleicht 12 Jahre altes stanzösisches Mädchen ihnen stau-
zöflschen Unterricht erteilte.
Es machte den Eindruck, als ob
sie die Kinder wären und das Mädchen erwachsen, so unbe holfen, einfältig und aufmerssam waren sie, und so lehrerhaft und streng zeigte sich das Mädchen. Die ftanzösischen Kinder, die mit pathetischem, niedlich
aussehendem,
theatralischem Gebaren
von
den
über
den
Bahnhofsplatz in die ftanjösische Stadt, in der sich Hauptquartiere der deutschen Truppen befinden, kommenden und gehenden Fürsten,
Generalen,
Majoren,
Hauptleuten
und
einfachen
Soldaten Pfennige erbettelten, schienen hier sattsam zu beweisen.
II
daß sich diese Kleinen vor Mr. Kiplings „Hunnen" nicht sehr
fürchteten. Dabei bemerkte ich mit Vergnügen, daß ihnen ihre
Bitte fast niemals abgeschlagen wurde. Und wiederum konnte ich nicht zu der Überzeugung gelangen, daß zwischen den deutschen Eindringlingen und den belgischen
Zivilisten eine große persönliche Erbitterung bestünde, als ei» deutscher Offizier, dessen Automobil schon voll besetzt war,
auf einer Landstraße anhielt und einen belgischen Arzt stug,
ob er ihn nicht auf seinem Wagen mitnehmen könne. In dem zerstörten Dinant mußte ich gleichzeitig staunen
und lächeln, als ich bemerkte, daß Oberleutnant Dr. Lehmann aus Dresden der belgischen Wirtin eines Gasthauses eifrig
half, die Tafel zurecht zu machen, da eine Gesellschaft ftierender Offiziere und Korrespondenten an einem kalten September
abend unerwartet eintraf. Der eifrige Offizier störte die Wirtin vielleicht mehr, als er ihr half, aber sie faßte seine Tätigkeit
in gutem Sinne auf, und beide mußten lachen und hatten vielen Spaß daran. Er hatte sich in dem Gasthaus viele Tage lang aufgehalten, und jeder Belgier in der Umgegend schien ihn gern zu haben.
Einen Monat nachher übernachtete ich
wieder in dem Gasthaus.
Das erste, was ich tat, war, daß
ich nach dem Oberleutnant stagte. „O!
Er ist abgereist, er ist
schon seit vielen Tagen weg!" riefen alle Frauen im Chore,
und es schien ihnen auftichtig leid zu tun.
In Dinant beschäftigte ich mich auch zweimal damit, kennen zu lernen, auf welche Art das deutsche Heer täglich
600 verarmte Familien der Stadt mit Brot, Fleisch und Kaffee versorgt, ohne auch nur das Geringste dafür zu verlangen, während Familien, die zahlungsfähig sind, Nahrungsmittel
gegen Bezahlung erhalten.
Das Fleisch wird an die Fleischer
des Ortes geliefert, und deutsche Soldaten stehen in dem Laden,
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UM jtt beobachten, daß das Volk nicht übervorteilt wird.
In
Brüssel hatte ich gehört, wie ein Assistent des belgischen Bürger meisters den deutschen Stadtkommandanten, Major Beyer, um io ooo Sack (das sind 2 220 000 Pfund) Mehl für die Armen bat. Ich hörte, wie der Amtsstempel auf das mit Schreib
maschinenschrift geschriebene Ersuchen aufgedrückt wurde, das
der Beamte ebenfalls eingereicht hatte, und ich sah, wie das Schreiben dem belgischen Beamten mit ruhigem Lächeln zurück-
gegeben wurde. Um nach Dinant zurückzukehrev, so sah ich dort noch ver schiedene kleine menschliche Züge, wie etwa die folgenden Worte, die mit Kreide auf Deutsch an die Tür eines armseligen bel, gischen Hauses geschrieben waren: „Hier wohnt eine 98 Jahre
alte Großmutter, draußen bleiben!" und an der eines anderen belgischen Hauses die Worte: „Hier ist ein neues Baby ange
kommen, Ruhe!"
In der Entfernung eines Steinwurfes
von dem ersten der Forts, die die Deutschen in den Gefechten bei Lüttich genommen hatte», sah ich im Oktober das Grab
eines belgischen Soldaten.
Es war mit grünen Zweigen be
streut, und auf ihm befand sich ein Holjkreuz, auf dem mit schwarzen Buchstaben gemalt stand: Soldat.
„Hier liegt ein belgischer
Dieses schlichte, aber den Zeitläuften entsprechende
Denkmal war das Werk deutscher Soldaten, die jetzt die Ruinen
eines Forts bewachen, um das sich eines der härtesten Gefechte des Krieges entsponnen hatte. Solche Dinge, Sir, habe ich gesehen.
In Ihrem Attikel im „Chronicle" führen Sie manche Beispiele von Abscheulichkeiten an, aber nicht in einem einzigen
Falle nennen Sie den Namen des Anklägers oder des Ange klagten.
In der Anführung von Beweisen von Menschlichkeit
13 kaun ich dagegen bestimmter sein. Ich kann Ihnen den Namen von Frau Mannesmann anführen, die, von den entsetzlichen
Schmerjen ftanzSsischer Soldaten, die sich im Starrkrämpfe in deutsch verwalteten Hospitälern in Hirson und Laon krampften
und
wanden,
ins Innerste getroffen, eine gefahrvolle und
auftegende Reise nach Deutschland unternahm, um Starr krampf-Serum ju bekommen und es Frankreich zu vermitteln.
Sie ist die Gattin eines der Brüder Mannesman«, von der
großen deutschen Firma Manaesmann-Mulag.
Mit dieser
edlen Frau, die ich die Ehre hatte, kennen ju lernen, konnte
ich mich, da sie ebenso gut Englisch spricht als Sie oder ich schreiben
können, verständlich unterhalten.
Während unseres Gespräches
fiel nicht ein einziges erbittertes Wort gegen die Engländer oder die Franjosen.
Ich habe in der Tat nur in den letzten
Wochen des Krieges Schmähungen aus dem Munde von Deutschen vernommen, wenn sie von den Verbündeten sprachen.
Ich will Ihnen auch den Namen von Fräulein Bessie
Sommerville nennen, einer englischen Erzieherin in der Familie des Barons Mumm von Schwarzenstein in Aachen.
Diese
Dame hat einen Brief geschrieben, der mit Briefen englischer Kriegsgefangener
an
ihre
Familien in
England befördert
wurde, und in dem sie sagt: „Ich wünschte, Sie unterrichteten englische Zeitungen von der Güte und Rücksicht, die wir Engländer
von den Deutschen jederzeit erfahren.
Ich werde wütend und
zu gleicher Zeit ttaurig, wenn ich die Dinge lese, die in englischen
Zeitungen von den Deutschen behauptet werden.
wie sie ihre Gefangenen behandeln sollen usw. gemeine Lügen.
Ich meine,
Es sind dies
Ich habe viel Gelegenheit, zu erfahren, wie
belgische, ftanzösische und englische Gefangene behandelt werden.
Ich habe nur von Güte und Höflichkeit gehört, und alle Ge fangenen, die durch Aachen gekommen sind, müssen dasselbe
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bestätige». Ich hoffe «ur, daß die Deutsche» dasselbe berichten können, wenn sie voa England zurückkehren.
Ich könnte noch
viel mehr schreiben, wenn es der Platz erlaubte." Ich hoffte, daß der Brief von Fräulein Sommerville
tu Londoner Zeitungen abgedruckt werden würde, da es mir
schien, als ob auf diese Weise mancher Angst und manchem Schmerje Trost werden könne. Aber es ist mir nicht gelungen,
ihn auch nur in irgendeiner der jahlreichen englischen Zeitungen zu finden, die mir unter die Augen gekommen sind. Ich selbst sandte ihn an die von mir bediente Zeitung, in der er von
meinem Verleger an auffälliger Stelle uutergebracht wurde. Noch ein anderer kleiner Vorfall aus Aachen: Baron
Mumm stagte Captain Lysier, einen englischen Offizier, der in Aachen gefangen
tun könne. ich
eine
war, was
er für sein Wohlbefinden
„Vor allem", antwortete der Captain, „möchte
Pfeife
und
etwas
Tabak,"
er die von ihm bevorzugte Mischung.
und
dabei nannte
Baron Mumm suchte
einige Zeit nach dieser Sorte, und als er zurüükehrte, ftagte
der Captain: „Wieviel schulde ich Ihnen dafür?"
„Gar nichts, Herr Captain," sagte der Baron.
„Wenn
wieder bessere Zeiten kommen, werden wir einmal im Carlton
zusammen gut speisen, und dabei wird es uns Vergnügen machen, wenn wir uns hieran erinnern."
Darf ich Ihnen noch einen anderen besonderen Vorfall mit Angabe von Ort und Namen bekanntgeben?
Einer hoch
stehenden englischen Dame, einer Kusine von Sir Edward Grey, die über großen Landbesitz verfügt und Vorsteherin des Roten Kreuzes in einer nördlichen Graffchast ist, gelang es
durch Vermittlung von Robert I. Thompson, dem ameri
kanischen Konsul in Aachen, einen Auftrag auszuführen, der
sie in ein Gefangenenlager nach Deutschland führte.
Sie gab
15 jv, daß sie durch Belgien mit Furcht und Abscheu Im Herzen
vor den Deutschen kam. Sie kehrte über die holländische Grenze
zurück mit Tränen der Dankbarkeit über das, was sie beschrieb
„als die immer gleichbleibende Höflichkeit und Güte der deutschen Offiziere", die, wie sie sagte, ihr nicht nur erlaubt hätten, einen
gefangenen,
spionageverdächtigen englischen Offizier
zu be
suchen, sondern ihr auch Gelegenheit gegeben hätten, ihre
Aufgabe in der besten Weise zu erfüllen.
Sie besichtigte das
Gefangenenlagerund beobachtete die Behandlung seiner Insassen
und bemerke dabei verschiedentlich:
„Wie kommt das, es ist
gerade wie in einer englischen Knabenschule?"
Und später
erzählte sie dem Konsul, daß ihren Landsleuten ihr Spielplatz, Sportgelegenheiten, ihr Geld, ihre Dienstboten und ihre Zei tungen zur Verfügung ständen. Sie war voller Bewunderung für die
Vollkommenheit der
menschliche, brüderliche Fühlen,
Einrichtungen und für das mit denen sie gehandhabt
wurden.
Der Konsul sagte mir, er könnte niemals die Tränen und das tiefe weibliche Empfinden dieser Dame vergessen, als sie sich in einer finsteren, stürmischen Nacht, in der er sie über die Grenze
nach Holland brachte, darüber aussprach.
Ihre letzten Worte
zu ihm erneuerten die Versicherung ihrer Dankbarkeit gegen
über den „höflichen deutschen Soldaten". Hier möge ein weiteres Zeugnis eines englischen Unter
tanen folgen, den die Verleumdung der Deutschen abgestoßen hat. Es handelt sich um den Captain I. B. George von dem Royal Irish Regiment, der im September von Mons aus
folgendes schrieb: „Ich hatte Pech.
In der ersten halben Stunde wurde
ich kampfunfähig gemacht. deutschen Hospital.
Zwei Tage lang lag ich in einem
Sie hätten mich nicht besser behandeln
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k-nveu, wen» ich der Kronprinz gewesen wäre, und zwar von
dem untersten Lazarettgehilfen an bis jum obersten Arjt. Ich hoffe. Sie werden das allen sage», die die Deutschen schlecht
machen." Ähnlich lautet das Zeugnis eines stanjSsischen Offiziers, des
Sanitäts-Majors Dr. Sauve, Rue Luxembourg, Paris: „Ich
habe gesehen, wie in den deutschen Lazaretten in Somepy und
Aure den ftanzSsischen Verwundeten genau dieselbe Behandlung zutell geworden ist, wie den deutschen.
Ich kann hiazufügea,
daß nicht nur die ftanzSsischen Verwundeten, sondern auch die ftanzSsischen Gefangenen, die ich sah, ausgezeichnet ver sorgt wurden." Zu dem folgenden Briefe kann ich Ihnen keinen Namen
nennen, aber ich habe keinen Grund, zu glauben, daß er eine
Fälschung ist.
Er wurde zuerst in Kieler Zeitungen veröffent
licht, und es heißt, daß er durch Verwandte des in dem Briefe
erwähnten Hauptmanns an die Presse gelangt ist.
Er wurde
daun von verschiedene» anderen deutschen Zeitungen nach gedruckt, darunter in der äußerst gewissenhaften „KSlnischen
Zeitung vom 9. November, aus der ich ihn übersetze.
Eine
ftanzSstsche Baronin, die in Lille lebt, schreibt an einen deutschen Hauptmann, der in ihrem Hause einquartiert gewesen war:
Lille, am 20. Oftober 1914. Geehrter Herr!
Ich will Ihnen sagen, daß ich bete» werde, daß Gott
Sie behüte, damit Sie Ihre Frau Mutter Wiedersehen können, die Ihnen eine so gute Erziehung hat angedeihen lassen.
Ich werde für Ihre Offiziere sorgen, wie wenn
es unsere wären.
Glauben Sie, geehrter Herr, meiner
herzlichsten Teilnahme.
Baronin de B.
17 Gegen das Code des zweite» Abschvittes Ihres Artikels stelle» Sie fest, daß ia dem Krimkriege die Brite», »m
die Zerstörung einer alte» Brücke zu verhüte», verspräche», sie nicht zu benutzen «ater der Voraussetzung, daß die Russen nicht mit der Zerstörung beginnen würden. „Ein Zugeständ
nis", fügen Sie hinzu, „das auf beiden Seiten getreulich gehalten wurde."
Daraufhin fragen Sie: „Könnte man sich wohl vorstellen, daß die Deutschen in
einem solchen Geiste Krieg führen?
Man denke an die alte
ftanzösische Brücke und dann an die Universität Löwen und
die Kathedrale von Reiurs. Welche Kluft tut sich da auf — die
Kluft, die die Kultur von den Wllden trennt."
Darf ich hier einige Fragen einwerfen? Warum wollen wir nicht an das prächtige Rathaus in Löwen denken, bas lediglich durch die Heldenhaftigkeit, Energie und die Intelligenz deutscher Offiziere vor der Zerstörung durch
Feuer bewahrt wurde; und daß diese Offiziere eines der wert vollsten Denkmäler an alte Zeiten retteten und dabei so erfolg reich waren, daß der stolze Ba» heute unverletzt dasteht, trotzdem
ihre Kameraden vo» Zivlltsten, die von Dächern und aus Keller
fenstern feuerten, in den Rücken geschossen worden waren? Ich habe dies gesehen. Warum wollen wir nicht an die Chorstühle, die Gemälde und den Silberschmuck denkeu,
den
deutsche Offiziere aus
der Kathedrale vo» St. Peter in Löwen schaffte» vad dem gegenwärtige»
Bürgervreister
dieser
Stadt
auvertrautev,
der sie daraufhin ia dem Stadthaus über der Straße vaterbrachte? Warum nicht an die großen Uaiversitätsgebäude in Löwe»,
die »och «»zerstört find? Brauet. off. Bries.
Sie sage», sie wäre» es, aber an
--------
i8--------
einem Ottobersouvtag habe ich sie flehe« sehe«.
Rur die Uni#
versttäts,Bibliothek ist jerstört.
„Deuten wir au die alte ftauiöstsche Brücke", sage« Sie, „vvd dann an die Kathedrale von Reims".
Warum sollen wir in diesem Zusammenhänge nicht an
die drei Parlamentäre denken, die die Deutschen den Franjosen schickten, und durch die sie bitten ließen, den Turm der Kathe drale nicht als Sigvalstation zu benutzen und damit den ftan-
zösischev Batterien die Wirkung ihres Feuers auzuzeigeu? Einer dieser Parlamentäre ist niemals zurückgekehrt! Als letzte
Warnung schossen die Deusschea einen Schornstein in der Nähe der Kathedrale zusammen, und als sie schließlich das Feuer auf die Türme eröffneten, um die dort signalisierenden Mann
schaften zu vertreiben, benutzten sie sehr kleine Schrapnells.
Tage nachher sah ich die Türme noch stehen; den Vorfall mit den Parlamentären hatte ich von deutschea Offizieren von
hohem Rang erfahren, in deren Erzählung ich nichts finden
konnte, was mich berechtigt hätte, sie ohne weiteres als Lügner zu bezeichnen.
Warum sollen wir nicht an die Kunstkommisston denken,
die unter Vorsitz eines deutschea Rates und Vorstandes eines kaiserlichen Museums in Berlin stand und die Deutschland nach Belgien sandte, um von Lüttich bis nach Mons in Kirchen und Klöstern Kunstwerke zu bezeichnen, die gefährdet waren, und sie an sichere Plätze zu bringen — nicht etwa sichere Plätze
in Deutschland, sondern solche in der Rue Royale in Brüssel? Und diese Schätze wurden, als sie dort abgeliefert worden waren,
nicht unter die Konttolle deutscher, sondern belgischer Ver walter gestellt. Warum sollen wir nicht der Tatsache gedenken, daß beinahe
ohne
Ausnahme
die
Bürgermeister,
Museumsverwalter,
19 Bischöfe und Priester loyal und aufrichtig in dieser Kunst-
angelegeaheit mit der deutschen Kommission zusammen ar beitete«? Warum sollen wir nicht an die Tatsache denke«, daß einer
der Schätze, de« sie «ms bestehender Gefahr retteten, van Dycks Bild „Der heilige Marüv teilt seinen Mantel" war, ein Meister werk, das selbst bei geringster Schätzung so bewertet wird,
daß es die Begehrlichkeit eines Eindringlings reizen kann, den«
es hat, wie Sachverständige sagen, einen Geldwert von nicht unter 50000 Pfund! Zu Beginn des vierten Abschnittes Ihres Artikels fragen Sie folgendes:
„Kann irgendeine Bestimmung die Polittk des Mordens
verhüten, die die Deutschen mit der Verwendung der Luft
fahrzeuge treiben?" Sie sprechen besonders von dem Herabwerfen von Bomben
auf unbefestigte Städte durch deutsche Luftfahrer und sagen, „daß diese Männer gelegentlich arüg genug gewesen sind, ihre
Karten ebenso wie ihre Bombe« fallen zu lasset. Und sie fügen hinzu: „Ich sehe nicht ein, warum diese Karten nicht als Beweis
mittel gegen sie gebraucht oder warum sie nicht als Mörder
gehängt werden sollten, wenn sie in die Hände der Verbündeten fallen."
Ich bin ftoh, Sir, daß Sie kein britischer General sind,
denn es ist meine Überzeugung, daß Sie, wenn Sie Befehle gäbe«, wie Sie Artikel schreiben, dem Kriege neue Schrecke« hinzufügen würde«.
Und es berührt mich auch sonderbar,
daß ei« Publizist, der die verrückte Herausforderung der Kriegs
gesetze durch die belgischen
Franktireurs so
leidenschaftlich
beschönigt, so scharf auf Vergeltungsmaßnahmen gegen die 2*
20
deutschen Flieger sein kaun, die dasselbe getan habe« wie die englischen.
Denn, Sir, englische Flieger habe» Bomben auf
die unbefestigte Stadt Düsseldorf fallen lassen vnd versucht, die Ballonhülle zu jerstören. gelungen.
Dieser Versuch ist nur tellweise
Aber am nächsten Morgen beschrieb die „Kölnische
Zeitung" den langen Flug und das Werfen der Bomben als
eine „glänjende Leistung" und sagte, daß die deutschen Flieger
hofften, ftüher oder später die Aufmerksamkeit des Besuches von Düsseldorf ju erwidern.
Der Vorfall machte auf die
Deusschen als sportliche Leistung einen unvergeßlichen Eindruck
und wurde ehrlich anerkannt.
Die Wahrheit ist die, daß Luftfahrjeuge wie die Auto-
moblle eine Wandlung des „neuen Krieges" bedeuten, und die
Welt muß fich damit abfiodeo, wenn sie weiter Krieg führt.
Der Grundsatz des Krieges ist, wie wir wissen: an Leib und Seele ju ängstigen.
mit gutem Erfolge.
den Feind
Dies besorgen die Flieger
Es ist auch ein altes Wort, daß der
Krieg am barmherzigsten ist, der am kürzesten dauert; die Opera
tionen der Flieger aber beschleunigen das UnheU und die Zer störung sicherlich.
Ja Ihrem fünften Abschnitte sagen Sie: „Was die Behandlung Belgiens anlangt, was ist es anders
gewesen als Mord und immer wieder Mord?" Und Sie fügen hinzu: „Es wird gesagt, daß in Belgien mehr Zivllisten gefallen
sind, als Soldaten."
Es würde mich nicht wnndern, wenn die zweite Behauptung wahr wäre. Es ist auch ein Grund dazu vorhanden. Es würde
nicht der Fall gewesen sein, davon bin ich überzeugt, wenn die Bevölkerung von Lüttich, Löwen und von Städten und Dörfern, die zwischen Lüttich und Löwen liegen, ihre Verpflichtungen als
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Zivilisten erfüllt oder Uniformen «»gezogen hätte und in das Heer als Soldaten eingetteten wäre.
Meine Beobachtungen,
die ich im September und wiederum im Oktober im nördlichen Frankreich gemacht habe, haben mich davon überzeugt, daß
die Zivilbevölkerung Belgiens, und nicht die belgische Armee
der Hauptgrund von Belgiens Leiden gewesen ist.
Denn in
Frankreich begegnete die deutsche Armee sehr wenig Fraaktireurs; der Erfolg davon war, daß sich dort wenige Bei
spiele von Vergeltungsmaßregeln gegen die Bürger bieten.
Durch ein Dorf nach dem anderen bin ich der deutschen Armee gefolgt, habe aber nichts Zerstörtes gefunden.
Ich habe in
zahlreichen Gastzimmern gesessen, während deutsche Offiziere
und Soldaten aßen. Die Wirtin und ihre Töchter gingen dann geschäftig und höflich hin und her und bedienten die Gäste,
und nach Beendigung des Mahles wurde nicht nur gewissenhaft
bezahlt, sondern die Mädchen erhielten auch noch wirklich an
ständige Trinkgelder.
Dies habe ich so oft gesehen, daß ich es
dann als selbstverständlich bettachtete, was eS in Wirklichkeit auch war.
Und immer, wenn die Offiziere fortgingen, fand ein höf liches Verabschieden statt mit Wünschen für eine gute Resse auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit lachenden Versicherungen von seilen der Soldaten, daß sie hofften, „in besseren Zeiten" in einem so guten Gasthaus wieder eivzvkehren.
In Belgien war ich auch Zeuge vieler ungezwungener und
austichüg gefühlter Höflichkeiten zwischen den Eindringlingen und den überfallenen.
Zwei Vorfälle waren
typisch; sie
wurden nicht nur von mir, sondern auch von zwei andere» amerikanischen Korrespondenten und von dem amerikanische»
Konsul in Aachen beobachtet.
Ja der belgischen Stadt Huy, in der die Brücken von den
22
Belgiers auf ihrem Rückzug — sicht voa des Deutsches —
gesprengt worden
waren, begann der
Benziubehälter
des
Automobils des deutschen Offiziers, mit dem wir reisten, auszulaufea, als wir durch die Hauptstraße fuhren.
Ein Belgier
rannte «ach dem Wagen und sagte Hanptmanu Mannesmann,
der in Uniform war, was vorging und bot seine Unterstützung
an.
Das Benzin mußte von dem beschädigten in einen unver
sehrten Behälter gefüllt werden, und dazu wurde ein Trichter
benötigt. Ein Bäcker kam auS seinem Laden und bot an, seinen zu leihen.
Ei» dritter Belgier bot seinen Rat und seine Hilfe
an, als der Behälter auf dem HinterteU des Wagens wieder
befestigt war. Als wir wetterfuhren, wurde uns fteundlich nachgerufen, und
ei« Belgier, der mit den Händen winkte und lachte, rannte 400 Fuß mit einem Schraubenschlüssel hinter uns her, der von dem Automobll heruntergefallen war.
Diese fteundlichea Dienst
leistungen wurden nicht etwa in unterwürfiger oder kriechender Art geleistet, noch, wie ganz offensichtlich war, etwa in der Erwartung eines Trinkgeldes, sondern lediglich aus Gefälligkett für die Reisenden.
Ich kann htnzufügev, um zu zeigen, welche
Disziplin die deutschen Behörden in Belgien eingeführt haben,
daß es in Huy für jedermann — Belgier, Deutschen oder Nev-
ttalea — unmöglich ist, ttgendwelche starke Spirituose» zu kaufen. Es gibt nur Bier und Mineralwasser.
Sie werde» verstehen,
wie vielen Sttett eine so weise Verordnung in einer schwierigen
Lage verhütet.
In Chimay, ebenfalls in Belgien, dem Sitze
des Fürsten gleichen Namens, der übrigens nach Paris ge
flohen war, sprachen wtt mit dem Inhaber eines Gasthauses, als keine deutschen Offiziere zugegen waren.
Wtt frugen ihn,
wie in der Stadt unter der Verwattung des deusschen Komman
danten voa Schulemanv alles ginge. „Es geht gut," sagte er.
2Z
„denn in allen schwierigen Lagen wissen wir, daß wir bei dem Kommandanten Gerechtigkeit finden."
In Manbenge hörten wir, wie eine ftanjöfische Fran, die nach dem Rathans ging, nm von einem dentschen Sergeanten
ihren Answeis für die Erlangnng von dentschem Mehl zn
bekommen, sagte, daß sie sich ftente, daß ihr Gatte dentscher Kriegsgefangener wäre, denn nun wüßte sie, daß er sicher sei nnd genng zn essen bekäme.
In derselben Stadt sagte eine
andere Fran, sie wäre ftoh, daß die Dentschen gekommen wären,
da darans hervorginge, daß „die diebischen schmntzigen Tnrkos", wie sie die schwarten Kolonialttnppen Frankreichs nannte, weg wären.
Herr Cobb nnd Herr McCntcheon erzählten, daß
sie die gleiche Bemerknng anch in anderen ftanjösischen Städten gehört hätten.
Ich erjähle Ihnen diese Dinge nicht etwa, well
ich mich vielleicht persönlich darüber freue, daß Frankreich besetzt worden ist, sondern nur, nm den Standpunkt des ein
fachen Volkes zu zeigen, das zu fühlen schien, daß es von den Verbündeten Frankreichs mehr gelitten hatte, als es unter den anerkannten Feinden Frankreichs leiden würde.
Selbstverständlich würde niemand, der die östlichen nnd südlichen Provinzen Belgiens durchquert hat, so absurd sein, anch nut einen Augenblick zu bestreiten, daß die dentschen
Operationen in jenem Königreiche nicht eine bittere Sache für Belgien gewesen wären.
Wollte ein Reisender das be
streiten, so würde ihn eine Menge verwüsteter und verlassener Dörfer und Städte Lügen strafen. Trotzdem aber ist die über-
tteibung in den Behauptungen über den entstandenen Schaden
ebenso schrecklich, wie die Verwüstung selbst. die
So hielt z. B.
Frau eines sozialistischen Abgeordneten des belgischen
Ministeriums vor einigen Tagen in Chicago einen Vortrag
zugunsten des belgischen Hilfsfonds und behauptete, nachdem
24 sie von dm „mörderischen Dmtschea" und ihrm Laim gesprochen und viele andere oberflächliche Bemerkungen gemacht hatte, daß „von Löwm um noch als in der Vergangenheit gesprochen
werden könnte". Das ist nicht wahr.
Nach vorurtellsfteier Schätzung macht der Test Löwens, der zerstört worden ist, ein Siebmtel der Stadt aus.
Vor
sichtigere Beobachter sind der Meinung, daß ein Zehntel der
ganzen Stadt zerstört worden ist. Ich bin geneigt, der höheren
Schätzung zuzustimmev.
Also weit entfernt, eine „Stadt der
Vergangenheit" zu sei», kommt Löwm jetzt aus der schweren
Verwirrung, die ihr ihre Leiden avferlegtea, heraus und schreitet
unter deutscher Verwaltung und mit deutscher Hilfe in den
Austäumungsarbeiten tüchtig vorwärts.
Tagsüber bewegt
sich die Bevölkerung frei durch die Straßen und macht keinen eiageschüchterten Eindruck. So treibm j. B. die Straßenhäudler
einen lebhaften und fteuvdlichm Handel in Ansichtskarten mit deutschm Soldaten.
Deutsche Offiziere und Beamte, mit denen ich gesprochm
habe, haben sich niemals leichtfertig über die Leiden geäußert, die Belgien zu erdulden hatte, und es vielmehr bedauert. „Sie
sind in Dinant gewesen," sagte der Staatssekretär des deutschen
Auswärtigen Amtes von Jagow zu mir. „Ich auch," fuhr er fort, „und es sieht dort schrecklich aus, aber Krieg ist Krieg, und er ist zehnmal schrecklicher, wenn sich die Zivilbevölkerung hinein mengt."
Und wenn es zu derattigem Widerstand und widerrechtlicher
Selbsthilfe kommt — Krieg kann man es nicht nennen — die
der Franktireur anwendet; Sie, Sir Arthm, kmum die Wallo nen des östlichen Belgiens.
Unruhig, roh und ungebildtt
kämpfen sie — doch nein, man kann nicht sage» kämpfe» —
*5 schießen sie aus Kellern, von Dächern, hinter Hecken hervor und bleiben dabei unter dem Schutze, den die Zivilkleidung tat# sächlichen Nichtkämpfern gewährt, nehmen aber nicht die ehren volle Gefahr auf sich, die die Uniform einem wirklichen Soldaten
mit sich bringt. Über die Eigenschaften, die den niederen Klassen dieser Bevölkerung der Wallonen zugesprochen worden sind, und ihre Geschichte kann man sich in jedem Führer oder jedem
Schulgeschichtsbuch unterrichten. Sie sind tapfer, aber nicht im offenen Sinne und andererseits ost unauftichtig und biswellen
hinterlistig.
Das alte Sprichwort, das die Einwohner der
alten Provinj Hesbaye, jetzt eines Telles der Provinz Lüttich,
betrifft, sagt: „Qui passe dans le Hesbain est combattu le lendemain.“
Tatsache war und ist es auch, daß der Feind, der
hier durchkam, „am nächsten Tage" im Rücken bekämpft wurde. Die belgische Regierung sah die Leiden, die die Wallonen
und ihre westlichen Landsleute über das Königreich bringen
würden,
mit Furcht voraus, und deshalb veröffentlichten
während des Vormarsches von Lüttich auf Brüssel viele Bürger meister und der Kriegsminister 8 oder io Tage lang täglich und biswellen stündlich Proklamationen, in denen sie dem
Volke nahelegten, die Verpflichtungen einzuhalten, die die Kriegsgesetze den Zivllisten
auferlegea,
und sie verwarnten
in der bestimmtesten Weise, daß die Tellnahme der Zivllisten m den Feindseligkeiten über ganze Gemeinden, unschuldige
Zrauen, Kinder und Greise die schrecklichsten Strafen herauf
beschwören würde.
Abzüge dieser Proklamationen mit der
Überschrift „Aux Civils" habe ich bei mir.
Die Sprache wird
lus der Besorgnis heraus oft leidenschaftlich. Ich stug einen amerikanischen Herrn, der fünf Jahr lang
« Belgien gelebt hat und das Land, wenn auch nicht die Be,-lkerung liebt sich beziehe mich auf Herrn Lawrence Sterne
26
Stevens, einen Künstler), warum diese Warnnagen so wenig
Wirknng ans die Walloner Bauern, Bergwerks- und Metall arbeiter ansgeübt hätten.
„Steil", erwiderte er, „die Anjahl
der Analphabeten in Belgien so groß ist, daß Tausende und
Merlansende des Volkes die Proklamationen gar nicht lesen konnten."
Und so starrten die Anschläge die Bevölkerung zweck- und nutzlos von Zäunen und Mauern her an, und das Feuern hinter Mauern und Zäunen hervor begann. aber es war kein Krieg.
Es war tragisch,
Und es war so offensichtlich zwecklos
im Hinblick auf einen dauernden Erfolg und zog so schwere
Bergeltungsmaßregeln nach sich, daß ich sehr gut den Stand punkt
von Major Beyer,
deutschen Kommandanten
dem
Brüssels, verstehen konnte, als er sagte: „Diese Belgier verstehen nicht, was der Krieg bedeutet." Das Ergebnis bewies, wie berechtigt die Befürchtungen
der belgischen Regierung in bezug auf die Auffassung der Ver pflichtungen der Zivilisten bei der einfachen Landbevölkerung und den Bergwerksleuten waren.
Hunderte von irregeleiteten
Personen wurden erschossen und Tausende von Wohnungen verbrannt. Und doch, so weit wie die Zerstörung, die ich beobachtet
habe, um sich gegriffen hat, so war ich erstaunt, welche Unter
schiede der Feind dabei walten ließ.
So waren z. B. in einer
etwa io Häuser langen Reihe in Dinant das 2. und das 5. Haus
zerstört.
Alle übrigen waren unversehrt.
Offenbar waren die
Häuser, aus denen Franktireurs geholt worden waren, ver
brannt, die übrigen verschont worden.
Wenn Sie bedenken,
daß dieser Unterschied während schrecklicher Stunden, in denen Straßenkämpfe stattfanden, gemacht wurde, werden Sie ein sehen, daß die Deutschen, die, wie Gott weiß, streng waren,
doch nicht unbarmherzig gewesen sind.
Meine Landsleute,
27 die Herren Thompson, McCutcheon vad Cobh haben wieder
holt ans unseren belgischen Wanderungen Beweise dieser ver
nünftigen, gewissenhaften und unter so schwierigen Umständen
ausgeübtea Gerechtigkeit beobachtet. 40 Tage nach dem Gnjug ging ich frei unter der Ein wohnerschaft in Brüssel umher und bemühte mich, ju erfahren,
ob die deussche Besatzung den Brüsselern Demütigungen oder Härten auferlegt hätte, die bei der Verwaltung einer besetzten Stadt nicht unvermeidlich wären. Anstößiges erfahren.
Ich konnte dabei nichts
Zwei Stunden lang habe ich mit Herrn
Louis Richards, einem Amerikaner und Inhaber des Restaurant
de la Monnaie, gesprochen und andauernd versucht, von ihm
besondere Beispiele von Verfehlungen zu erfahren, die er beob achtet hätte.
Er war natürlicherweise sehr empfindlich, denn er
hängt nicht nur an seinem Vaterlande, sondern er hat auch
die Wirkung auf sein Geschäft zu beklagen. Als er aber Beispiele von Unterdrückungen «»führte, war das drastischste, daß er sagte:
„Sie nehmen uns alle unsere Tauben weg.
Es find
sehr kostspielige Vögel, die die Belgier zu dem bei ihnen volks
tümlichen Brieftaubensport verwenden.
Das ist doch sicherlich
anmaßend." Da der Donner der Geschütze um Antwerpen um diese Zeit in Brüssel gehört werden konnte, und da Nachrichten von
außen für die Verteidiger der belagerten Stadt vielleicht un
schätzbar waren, schien es mir nicht unvernünftig zu sein, daß
die Deutschen die Brieftauben beschlagnahmt haben sollten. Anderseits schien es mir, daß die strengen Verfügungen
in bezug auf Beleuchtung, Polizeistunde und öffentliche Ver
sammlungen, die die Offiziere, wie General von Jarowtzki und Major Beyer, zur besseren Auftechterhaltung der Ordnung
in der Stadt erlassen hatten, sehr verständig waren; denn diese
28 Offiziere zählten zu den Hunderten von Offizieren, von denen manche nicht so glüMch davovgekommen waren tote sie, auf die aus dem Hinterhalt, aus Kellerfenfiern und von Dächern
herab von Zivilisten geschossen worden war.
Als naturgemäße
Folge war ihr Verhalten gegen die belgische Bevölkerung nicht gerade vertrauensvoll.
Auch würde es nicht überraschend gewesen sein, wenn deutsche Offiziere, die gesehen hatten, wie aus der Festung Mavbeuge 60000 Dum,Dum-Geschosse gebracht wurden, stch
nicht sehr nachgiebig erwiesen hätten. Aber Major von Abercron, der Kommandant von Mavbeuge, war in seinem Verkehr mit
der unglücklichen und ängstlichen Bevölkerung der Stadt so
gewissenhaft und tattvoll, daß der Bürgermeister von Mau,
beuge, als kein deutscher Offizier dabei war, zum Konsul Thomson sagte:
„Wir haben keinen Grund, uns über das Verhalten
der deutschen Soldaten zu beschweren."
Von den 60000 Dvm-Dum-Geschosseo spreche ich nicht nur vom Hörensagen; ich habe mit geholfen, verschiedene Kasten dieser teuflischen Geschosse zu öffnen und zu photographieren.
In Ihrem Artikel in dem „Chronicle" stellen Sie häufig Fragen.
Gestatten Sie mir ebenfalls 'eine/i Was sagen Sie
denn, Str, zu den 60 000 Dum-Dum-Geschoffea, die in starke Kasten verpackt in der Bürgermeisterei von Mavbeuge auf
gestapelt waren? Und in Anbettacht der Tatsache, daß die Deusschea die
Franzosen förmlich gebeten haben, die Türme der Kathedrale von Reims nicht als Signalstation für ihre Batterien zu benutzen, fand ich es gerade glänzend, daß, trotz der ftanzöstschev Ab, lehvuvg, die Deutschen die Türme nicht zerstört haben.
Daß ihre Geschütze nicht auf die Türme gerichtet wurden,
konnte ich am Spätnachmittag des 29. September feststellea.
29 als ich den Wall des Forts Brimont, das ungefähr 5 Meilen
von Reims entfernt ist, entlang ging, und fernerhin an dem
herrlichen Sonntag-Nachmittag des 25. Oktober, als ich auf den Höhen des Forts Berrv, etwa 4 Meilen von Reims, ent
fernt stand und herab auf die alte Stadt blickte. Die Wahrheit ist, daß in der Beschützung und Erhaltung historischer Denk
mäler keine Nation Europas systematischer und pietätvoller
ist als Deutschland. Es ist dem Besitzer einer geweihten Stätte
nicht erlaubt, sie ju zerstören.
Er darf nur mit behördlicher
Erlaubnis und unter behördlicher Aufsicht Änderungen vor nehmen. Er darf sie jedoch au die Regierung verkaufen. Was den sogenannten Vandalismus anbetrifft, der den Deutschen
in diesem Kriege ganz besonders vorgeworfe« worden ist, so braucht man nur auf jene einzige deutsche Burg im Rheinland
zu verweisen, die nur deswegen noch so erhalten ist, wie in alte»
Zeiten, well sie abseits von dem Zuge eines erfolgreichen ftan-
zösischen Einfalles lag. Der Pfad des Krieges ist der Pfad der Zerstörung, und es gibt keine Nation, am wenigsten Groß
britannien, das das Kapitol der jungen amerikanischen Republik 1814 unnötig zerstörte, die eia Recht dazu hätte, Deutschland
in dieser Beziehung Lehre» zu erteilen. Wen, der die geweihten Stätten Englands besuchte, hat nicht manche Tat Cromwells peinlich berührt?
Aber, welcher Republikaner fühlt nicht, daß
England heute Cromwells wegen freier ist?
Dieses Brennen
und Bluren ist schrecklich, aber es scheint biswellen ein TeU
der Leidensprüfung zu sein, durch die die Menschhett erkennt,
was recht und klug ist. Was die Sorgfalt in kleinen Dingen und die Beachtung
des Anstandes des täglichen Lebens anbettifft, so kann ich sagen, daß ich nicht in einem einzigen ftanzösischen Herrenhaus auch
nur ein Zimmer fand, das Einquartierung gehabt hatte, das
30 die deutschen Offiziere, mit denen ich Hunderte Meilen wett
reiste, nicht in genau derselbe» Ordnung verlasse« hätten, wie sie eS vorfavdev.
Ja von verschiedenen Fällen weiß ich, daß
sie die Badezimmer in saubererem Zustande verließen, als sie
sie aagetroffen hatten. In den Salons der Schlösser, besonders in dem Schloß des Fürsten von Chimay, das einen Monat
lang von einem großen Stabe deutscher Offiziere besetzt worden war,
waren
die
überaus
zerbrechlichen Schmuckgegenstävde
unverletzt, obgleich viele von ihnen ungeschützt auf Kamin simsen und Marmortischen standen.
Bei den Mahlzetten des Stabes wie in den Baracken fand ich
Mäßigkeit
deutschen Sowaten.
und
mit
und Anstand
als
Regel
unter
de«
Bei allen meinen Reisen in Deutschland
deutschen
Truppen
in
Belgien
und
Frankreich
während der letzten 4 Monate habe ich gerade 3 Sowaten
gesehen, die aussahev, als ob sie zuviel getrunken hätten. Alle
drei waren Gemeine. trauisch,
der zwette
Der eine war verdrttßlich und miß
überttiebe« gutmütig; bewe befanden
sich in einem Gasthause in Beaumont. Der dritte hatte Sanges stimmung und sang in den Sttaßen von Aachen.
Es war
der einzige bettunkeve Soldat, den ich in Deutschland fett dem
1. September gesehen habe, und ich bin in Metz, Trier, Koblenz,
Bonn,
Brühl,
Köln und Aachen gewesen.
Die Deutschen
stab, wie alle Welt weiß, ein Volk, bei dem gettunken wttd,
bei dem man aber keine Bettuakenen findet. Man hat in Kriegs
zeiten diese anständige Mäßigung nicht aufgegebea.
Auf allen
meinen Reisen habe ich die Soldaten aufmerksam beobachtet und habe sie weder ruchlos noch bettunken gesunden.
Im
Gegeatell, wiederholt, in Laon und in Charleville in Frankreich und in Metz und Aachen in Deutschland, habe ich sie betend
vor de» Hochaltären der Kathedralen knien sehen.
31 Don
der
weiblichen
Fürsorge
der
deutschen
Kriegs
schwestern und von der Ehrerbietung, die sie bei den höchsten
Offizieren genießen, will ich im einzelnen nicht sprechen, da
diese Fürsorge nicht nur den Frauen einer Nation eigentümlich,
und diese Ehrerbietung auch sonst von keinem Manne versagt
wird, der dieses Namens würdig ist.
Die vornehme Etikette, die ich bei den Mahlzeiten der Stäbe beobachtet habe, verdient dagegen hervorgehoben zu werden,
weil es Ihnen ermöglichen wird, den deutschen Offizier von Mr. Kiplings „Hunnen" zu unterscheiden.
Diese Form und diesen
feinen Ton habe ich bemerkt an dem Tisch des tüchtigen von Zwöhl, der in einem Wald an der Feuerlinie lag, dann des ehr würdigen und wohlwollenden von Heeringen, des verbindlichen d'Elsa und des bescheidenen und fteundlichen von Gebsattel.
Bei keiner dieser Mahlzeiten habe ich, obgleich es nicht an Wein
mangelte, jemals einen Fluch oder eine unschickliche Rede gehört. Ein klein wenig muß ich diese Behauptung doch einschrävken. Ein alter Hauptmann, der eines Tages mit uns fuhr, erzählte
uns eine starke Geschichte, aber sie war nicht gemein und hatte
eine sehr spaßige Pointe, die das Verfängliche wieder abschwächte. Noch eine andere Feststellung in bezug auf die Moral des
Heeres. Hiuter den Truppen her folgt immer die Vereinigung christlicher junger Männer, und kaum ist eine belgische oder
ftanzöstsche Stadt besetzt, so hat auch die Vereinigung in dieser Stadt schon Lese-, Schreib-, Eß- und Besuchsräume für die
Soldaten eingerichtet.
Diese Quartiere, die unter dem Namen
„Soldatenheim" bekannt sind, werden von evangelischen und
katholischen Kaplanen geleitet, und beide Gottesdienste, sowohl evangelische wie katholische, stehen unter der Aufsicht des Vereins
christlicher junger Männer. Noch drei oder vier weitere Punkte in Ihrem Artikel möchte
32 ich kurz berühre«.
Sie befinde« sich ««ter der Menge von
Behauptungen gegen den Schluß Ihrer Ausführungen.
So
sagen Sie bemerkenswerterweise folgendes: „Denken Sie, daß die Sache übertrieben worden ist?
Weit gefehlt.
Das Maß von Verbrechen ist noch nicht abzu-
sehen." Und Sie fordern Ihre Leser auf, „die entsetzlichen Berichte der belgischen Kommission durchzusehen, die das Beweismaterial
in der sorgfältigsten und gewissenhaftesten Weise sammelte." Nach meiner Beobachtung ist dabei in der schrecklichsten
Weise übertrieben worden.
Krieg erzeugt, wie jedermann
weiß, Lügen. Der jetzige macht hierin keine Ausnahme. Jeder mann glaubt, was er zu glaube» wünscht.
Und die meiste«
Menschen scheinen die Wahrheit übel aufzunehmen, wenn sie
nicht zu dem paßt, was durch Geklatsch und Gerücht bereits feststehend geworden ist.
einmal well
die
In dem Falle von Belgien ist es so;
Sympathien der
Welt sich für Belgien
ausgesprochen haben, und well es nicht in der armen mensch lichen Natur liegt, zu wünschen, unsere Meinung von Personen
zu ändern, von denen wir das Schlechteste geglaubt, und für
die wir den tiefsten Abscheu gezeigt haben. Lügen, Lügen und abermals Lügen haben sich während der
schweren Tage im August, September, Oktober, November und Dezember gehäuft, und nicht immer haben sie nicht so sehr in Übelwollen als in Leichtgläubigkeit ihren Grund gehabt.
Alles wurde geglaubt.
Don der albernen Behauptung, daß
die Ger in Deutschland i Mark das Stück kosteten, bis zu den erfundenen Proklamationen und Glassen, die von dem deutschen
Kaiser an das Reich gerichtet sein und mit den Worten beginnen
sollten: „Es ist unser königlicher und kaiserlicher Wille." Jeder
Reisende, der in einem deutschen Hotel für sein erstes Frühstück mit 3 Eiern, Brot, Butter, Käse, Marmelade und Kaffee 2 Mark
33 bezahlt, weiß, daß ein Ei nicht i Mark kostet, und jedermann,
dem die Abfassung kaiserlicher Erlasse bekannt ist, weiß, -aß, wenn der Kaiser eine Reichsangelegenheit verkündet, die Tat sache, daß er auch König von Preußen ist, nicht dadurch berührt,
daß er von seinem „königlichen Willen" spricht.
Ihr eigener
erstaunlicher Scharfstnn hat Ihnen doch längst gezeigt, wie wertlos Zeugnisse sind, die von Personen stammen, die in
Mißwollen oder von Hörensagen zeugen.
Es ist meine feste
Überzeugung, daß dieser Art alle die boshaften Geschichten sind, die abwechselnd von Teilnehmern aller an diesem Kriege be,
telligten Nationen erzählt wurden. jedem Kriege
Mele gehören zu den in
immer wiederkehrenden Verleumdungen, Ge
schichten, die so alt sind wie die Geschichte des Menschengeschlechts.
Sie waren während des Bürgerkrieges in Amerika in Umlauf. Ich
hörte sie während des spanisch-amerikanischen Krieges
in Kuba. Die klügsten Worte, die ich jemals über diese Tatsache las, hat der wohlwollende, ritterliche Lord Roberts einige Monate vor seinem Tode geschrieben.
Sie lauten wie folgt:
„Es sei mir erlaubt, meinen Landsleuten eine Verwarnung gegen ihre, einem Sportsmann nicht würdige Art zu ertellen,
seinen Feind zu schmähen.
Wir wollen das vermeiden, was
Kipling während des Burenkrieges als „einen Krüger mit dem Munde töten" bezeichnete...
Wenn wir Anschuldigungen
gegen deutsche Truppen lesen, wollen wir daran denken, baß
schwere, völlig unwahre Beschuldigungen gegen unsere eigenen
braven, in Südaftika kämpfenden Soldaten vorgebracht wurden.
Ob aber die Anschuldigungen wahr sein mögen oder nicht, wir wollen unsere eigenen Hände rein halten und gegen die Deutschen so
kämpfen, daß wir ihr Wohlwollen wie ihre Achtung erwerben." Niemals ist etwas Wahreres gesagt worden, als daß ein
guter Soldat einen guten Soldaten achtet. In meinen Unter, Beunet, off. Brief.
3
34 Haltungen mit deutschen Soldaten habe ich dies wiederholt
bewiesen gesunden.
Sie haben auf die Franzosen, Engländer,
Russen, Belgier oder Inder nicht geflucht oder geschimpft. General von Heeringen sagte zu der Gesellschaft, ju der ich
gehörte: stand."
„Die Engländer sind tüchtige Kerle: Sie halten
Von den Schotten sagte eia deutscher Offizier, dessen
Namen ich vergessen habe:
„Mit einem Schotten kann man
weiter nichts anfavgen als — ihn j« fangen oder ju töten."
Das Kompliment war nicht zart, aber eines ehrlichen Soldaten ehrliche Äußerung. Die Deutschen lügen nicht.
Sie stnd so wahrheitsliebend,
daß ihre Ehrlichkeit manchmal in große Plumpheit verfällt. Sie nennen das Ding beim rechten Namen, und ihre Plnmpheit
läßt sie sogar bisweUen ein grobes Wort wählen, wenn es ein anderes ebensogut tun würde.
Sie halten eine Lüge nicht
für klug, sondern für schändlich; der Hauptmann Mfted Mannes,
mann legte ihren Stanbpuntt eines Tages mit wundervoller Klarheit dar, als er gegen eine besonders schreckliche Derleum,
düng eiferte, die in jener englischen Zeitung erschienen war,
die die Deutschen den „Täglichen Lügner" nennen. „Diese Behauptung, sagte der Hauptmann, „ist nicht wahr.
Wir Deutschen haben sie mehr als einmal bestimmt
jvrückgewiesen, und wir lügen nicht. Das Lügen ist uns verhaßt. Mein Vater pflegte immer ju mir und zu meinen Brüdern j«
sagen: ,Jhr müßt zu stolz sein, um zu lügen'.
Er erzog uns
mit der Ermahnung: ,Jhr müßt zu stolz sein, um zu lügen'."
Gewissenlose Korrespondenten sind auch ein bejammerns, werter Fattor in diesem Kriege gewesen.
Don einem — leider
einem Landsmann von mir —, der die schrecklichsten Anschul, diguugen gegen die Deutschen geschrieben hatte,
die auch
in Amerika abgedruckt wurden, sagte der amerikanische Gesandte
35 in Belgien ju mir:
„Dieser Mann ist ein Schimpf nnd eine
Schan-e für den Journalismus." Ich begehe keinen Vertrauensbruch, wenn ich hinzufüge,
daß die Sympathien dieses Diplomaten, obgleich er dies nicht öffentlich zum Ausdruck gebracht hat, auf belgischer Seite ver,
Trotzdem aber waren ihm Lügen über die
mutet wurden.
Feinde Belgiens verhaßt. Ich erwähne den Fall dieses Korrespondenten, weil Sie von
dem „beharrlichen, systematischen Lügen der deutschen Presse"
sprechen. Dieser überführte Lügner, den Minister Whitlock brand
markte, und dessen Lügen in England und Amerika gedruckt wurden, schrieb Dinge, die ich in bezug auf Falschheit, Gemeinheit und Schwülstigkeit auch nicht annähernd anderswo erreicht gesehen habe.
Und noch ein Punkt.
In einem vor einigen Tagen von
britischen, in Aachen lebenden Frauen ausgehenden Schreiben „An die Regierung Seiner Britischen Majestät finde ich den
folgenden Satz: „Oie britischen, in Deutschland lebenden Frauen erklären, daß fie bis jetzt mit dem größten Entgegenkommen und der größten Rücksicht von den deutschen Behörden behandelt worden
sind, so wie es den Vertretern dieser großen Nation geziemt."
Das ist daS Zeugnis Ihres eigenen Volkes.
Mein Zeugnis ist das eines Amerikaners, der England liebt und nicht einen Tropfen deutschen Blutes in seinen Adern hat. Die Dinge, die ich gesehen habe, habe ich niedergeschrieben, weil ich glaube, daß das, was einen Mann meines Berufes
über einen Zusammenschmierer hinaushebt, die Verkündung der Wahrheit ist.
James O'Donnell Bennet Korrespondent der „Chicago Tribune".
Metz, im Dezember 1914. ^Übersetzt von Franz Neubert,Leipzig.)