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German Pages 464 [465] Year 2023
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 226
Wagnisfinanzierung durch Security Token Offerings (STOs) Von
Janosch Engelhardt
Duncker & Humblot · Berlin
JANOSCH ENGELHARDT
Wagnisfinanzierung durch Security Token Offerings (STOs)
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler †
Band 226
Wagnisfinanzierung durch Security Token Offerings (STOs) Von
Janosch Engelhardt
Duncker & Humblot · Berlin
Die Bucerius Law School hat diese Arbeit im Jahr 2023 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18985-4 (Print) ISBN 978-3-428-58985-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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In liebevoller Erinnerung an meine Großmutter, Dr. med. Annefriede Linkenbach
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommertrimester 2023 an der Bucerius Law School als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 20. Juni 2023 statt. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Mai 2023 berücksichtigt werden. Besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thilo Kuntz, LL.M. (University of Chicago). Seine hervorragende Betreuung des Dissertationsprojekts bei gleichzeitiger Einräumung größtmöglicher akademischer Freiheit waren für mich von unschätzbarem Wert. Bei Herrn Prof. Dr. Dr. Kai-Michael Hingst möchte ich mich darüber hinaus herzlich für die zügige Anfertigung des Zweitgutachtens bedanken. Zum Dank bin ich ferner Herrn Nikolai Lambsdorff (Signature Ventures) verpflichtet, der mir im März 2022 als Interviewpartner zur Verfügung stand und wertvolle Einblicke in die Finanzierungspraxis ermöglicht hat. Weiterer Dank gilt sämtlichen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl Privatrecht II an der Bucerius Law School für die bemerkenswerte gemeinsame Zeit, an die ich mich stets mit Freude erinnern werde. Profitiert hat die Arbeit zudem von der großzügigen Förderung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes, die es mir erlaubt hat, mich ganz auf die Promotion zu konzentrieren. Nicht genug danken kann ich meinen Eltern, die mich ausdauernd über sämtliche Etappen meines Ausbildungsweges hinweg unterstützt haben. Meiner Partnerin, Dr. med. Annabel Steiner, bin ich nicht nur für die tatkräftige Unterstützung beim Korrekturlesen, sondern auch für ihren bedingungslosen Rückhalt während aller Höhen und Tiefen des Entstehungsprozesses dieser Arbeit zutiefst dankbar. Gewidmet ist die Dissertation dem Andenken meiner Großmutter, die den Fortschritt des Vorhabens bis zuletzt mit großem Interesse verfolgt hat und deren Optimismus und Disziplin auch für die vorliegende Arbeit ein Vorbild waren. München, im Juli 2023
Janosch Engelhardt
Inhaltsübersicht 1. Kapitel Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
25
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Traditionelle Quellen der Wagnisfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Token Sales als Finanzierungsphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Einordnung in den Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Methodischer Ansatz der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2. Kapitel Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
49
A. Blockchain-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Mehrdeutigkeit des Blockchain-Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Ziel: Integrität in verteilten Peer-to-Peer-Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Blockkettenmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 IV. Authentifizierung durch digitale Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 V. Verifikation durch anreizgesteuerte Konsensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 VI. Gestaltungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I.
Technische Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
II. Token-Transaktionen aus zivilrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 C. Automatisierung von Leistungsbeziehungen durch Smart Contracts . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Ethereum als Smart Contract-Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Code should obey the Law (but it does not necessarily do so) . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Rechtsgeschäftliche Bedeutung im Rahmen der Token-Emission . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Implikationen für Token-Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 D. Kapitalmarktrechtliche Regulierung von STOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Prospektpflicht nach Art. 3 Prospekt-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Subsidiäre Bedeutung des VermAnlG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
10
Inhaltsübersicht III. Regulierung nach dem KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Marktfolgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 V. Marktseitige Reaktion auf regulatorische Hürden und verbleibende Schutzdefizite 154
E. Ablauf eines Token Sales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Erfüllungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
3. Kapitel Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung aus dem Blickwinkel der Neuen Institutionenökonomik 163 A. Interessenlage der Finanzierungsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Kapitalnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Ökonomisches Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I. Reduktion von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 II. Liquide Sekundärmärkte und die „Demokratisierung“ von Risikokapital . . . . . . . 172 III. Implizite Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C. Ökonomische Hemmfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Ex ante: Unsicherheit und Informationsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Ex post: Prinzipal-Agent-Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Fazit: STOs als komplementäre Finanzierungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
4. Kapitel Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
211
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I.
Anforderungsprofil der zur Finanzierung im Venture Capital-Bereich eingesetzten Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Finanzierung durch die Emission tokenisierter Gläubigerrechte . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Beteiligungsfinanzierung mittels echter Equity Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I.
Kompetenzverteilung und Token-Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
II. Zielkonvergenz durch Kicker-Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 III. Anschlussfinanzierung, Exit-Fähigkeit und Adaptabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 IV. Steuerungswirkung der Kapitalstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
Inhaltsübersicht
11
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I.
Schutz des Werterhaltungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
II. Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. An die traditionelle Wagnisfinanzierung angelehnte Schutzmechanismen . . . . . . 368 IV. Token Sale-spezifische Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 V. Möglichkeiten und Grenzen der Etablierung eines privaten Ordnungsrahmens . . 395
5. Kapitel Zusammenfassung
399
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
25
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Traditionelle Quellen der Wagnisfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Token Sales als Finanzierungsphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Verheißung und Realität der Token-basierten Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Unklares Verhältnis zu Venture Capital und damit verbundene Untersuchungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Gesetzgeberisches Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Einordnung in den Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Kryptofondsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. DAOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Typologische Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Currency Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Utility Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Security Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Debt Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Equity Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 cc) Interaktionspotential mit Venture Capital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Methodischer Ansatz der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2. Kapitel Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
49
A. Blockchain-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I.
Mehrdeutigkeit des Blockchain-Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Blockchain als Datenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Blockchain als Sammelbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
II. Ziel: Integrität in verteilten Peer-to-Peer-Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Peer-to-Peer-Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
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Inhaltsverzeichnis 2. Verwaltung von Informationsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Integrität als Systemvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 III. Blockkettenmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Hashing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Verkettung von Datenblöcken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Intrablockverkettung durch merkle trees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Interblockverkettung durch Referenzhashs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Authentifizierung durch digitale Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 V. Verifikation durch anreizgesteuerte Konsensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Proof-of-Work-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Pekuniäre Incentivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Konsensbildung auf spieltheoretischer Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Proof-of-Stake-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 VI. Gestaltungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I.
Technische Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Erzeugung von Kryptowerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Coin-Erzeugung durch mining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Token-Erzeugung durch minting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2. Transaktion von Kryptowerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Token-Transaktionen aus zivilrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Elektronische Schuldverschreibungen nach dem eWpG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Kontextualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Vorteile der wertpapiermäßigen Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Funktionsverlust der Wertpapierurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Girosammelverwahrung und Globalurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (2) Registergestützte Wertrechte nach dem BuSchWG . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Festhalten an der sachenrechtlichen Fundierung des Wertpapierrechts . . . . . 84 d) Arten elektronischer Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Zentralregister- und Kryptowertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Sammel- und Einzeleintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 e) Materielles Registerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (1) Elektronische Wertpapiere in Sammeleintragung . . . . . . . . . . . . . . . 88 (2) Elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (a) Umtragung als konstitutiver Publizitätsakt . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (b) Erforderlichkeit einer zentralen Weisungsstruktur? . . . . . . . . . 89 (c) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten . . . . . . . . . . . . . . 91
Inhaltsverzeichnis
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f) Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Token-Transaktionen jenseits des Anwendungsbereichs des eWpG . . . . . . . . . 93 a) Kollisionsrechtliche Einordnung einer Token-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Vertragsstatut nach der Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Eröffnung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (2) Subjektive Anknüpfung gem. Art. 3 Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (3) Objektive Anknüpfung gem. Art. 4 Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (4) Ausschluss von Finanzinstrumenten aus dem Anwendungsbereich der Sonderkollisionsnorm für Verbraucherverträge gem. Art. 6 Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (a) Abstrakte Merkmale eines übertragbaren Wertpapiers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (aa) Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (bb) Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (cc) Handelbarkeit im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (b) Typologische Vergleichbarkeit mit den Regelbeispielen . . . . . . 114 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Gesellschaftsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Materiellrechtlicher Gehalt einer Token-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Keine Übertragung nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen . . . . . . . . . 118 (1) Reichweite des Sachbegriffs gem. § 90 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (a) Keine starre Auslegungsgrenze durch den Wortsinn . . . . . . . . . 120 (b) Funktionale Sichtweise: Beherrschbarkeit als maßgebliches Kriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (c) Friktionen mit dem sachenrechtlichen Normgefüge . . . . . . . . 122 (d) (Historischer) Gesetzgeberwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Keine Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Token nicht als Zessionsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Token-Transaktion als Realakt mit (potentiell) rechtsgeschäftlicher Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 dd) Entwicklungsszenarien im Lichte des unvollkommenen Verkehrsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 C. Automatisierung von Leistungsbeziehungen durch Smart Contracts . . . . . . . . . . . . . . 133 I.
Ethereum als Smart Contract-Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Technische Voraussetzungen des Einsatzes von Smart Contracts im Rahmen eines Token Sales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Zwischenergebnis: Verbleibende Dependenz im Verhältnis zur Rechtsordnung 141
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Inhaltsverzeichnis II. Code should obey the Law (but it does not necessarily do so) . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Rechtsgeschäftliche Bedeutung im Rahmen der Token-Emission . . . . . . . . . . . . . 143 1. Smart Contracts als Vertragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Smart Contracts als integraler Bestandteil des Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . 144 a) Deployment als konkludente offerte ad incertas personas . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Konkludente Annahme durch Transaktion an den Smart Contract . . . . . . . . 147 3. Geltung rechtsgeschäftlicher Grundsätze im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Implikationen für Token-Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
D. Kapitalmarktrechtliche Regulierung von STOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I.
Prospektpflicht nach Art. 3 Prospekt-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
II. Subsidiäre Bedeutung des VermAnlG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 III. Regulierung nach dem KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Marktfolgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 V. Marktseitige Reaktion auf regulatorische Hürden und verbleibende Schutzdefizite 154 E. Ablauf eines Token Sales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I.
Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Formalisierung und Professionalisierung der Investorenansprache . . . . . . . . . . 157
II. Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Erfüllungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
3. Kapitel Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung aus dem Blickwinkel der Neuen Institutionenökonomik 163 A. Interessenlage der Finanzierungsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I.
Kapitalnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
II. Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Ökonomisches Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I.
Reduktion von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Transaktionskosten der Finanzintermediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
II. Liquide Sekundärmärkte und die „Demokratisierung“ von Risikokapital . . . . . . . 172 III. Implizite Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C. Ökonomische Hemmfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Ex ante: Unsicherheit und Informationsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Informationsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Adverse Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Inhaltsverzeichnis
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4. Irrationaler Überschwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Verhaltensökonomik – Konzept und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Erklärungsansätze für die Blasenbildung auf dem Token-Markt . . . . . . . . . . 181 aa) Noise traders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Professionelle Spekulanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 5. Unzulängliche Eindämmung durch kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 6. Bewältigungsstrategien des Marktes und ihre Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Screening, insbesondere durch Finanzintermediäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Signaling, insbesondere durch die Beteiligung institutioneller Investoren 191 aa) „Zertifizierung“ durch Venture Capital-Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Limitationen der Zertifizierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Ex post: Prinzipal-Agent-Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Vertikale Konflikte im Verhältnis zwischen Investoren und Gründern . . . . . . . 197 a) Für Wagnisfinanzierungen typische Agenturkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Unterinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Asset stripping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 cc) Hold-ups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 dd) Verwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 ee) Risk-shifting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 ff) Überinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) STO-spezifische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Privatautonome Konfliktbewältigung („private ordering“) . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Horizontale Konflikte der Investoren untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Fazit: STOs als komplementäre Finanzierungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
4. Kapitel Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
211
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I.
Anforderungsprofil der zur Finanzierung im Venture Capital-Bereich eingesetzten Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Liquiditätsschonung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Einflusswahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Renditezielverträglichkeit und Anreizerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
II. Finanzierung durch die Emission tokenisierter Gläubigerrechte . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Ökonomische Einordnung als Mezzanine-Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
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Inhaltsverzeichnis 2. Debt Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Dogmatische Einordnung als Genussrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Begriff und Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Inhaltliche Ausformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Erfolgsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (a) Exkurs: Abzugsfähigkeit von Ausschüttungen trotz Teilhabe an den stillen Reserven? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (2) Rückzahlbarkeit und Verlustbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (3) Nachrangabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (4) Dauer der Kapitalüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (5) Gläubigerschützende Nebenpflichten und Mitwirkungsrechte . . . . . 234 (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (1) Schuldverhältnis eigener Art? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (a) Abgrenzung von der Gewinnschuldverschreibung . . . . . . . . . . 238 (b) Abgrenzung vom partiarischen (Nachrang-)Darlehen . . . . . . . . 239 (c) Abgrenzung von der stillen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (aa) Vergleichbarkeit mit stillen Publikumsgesellschaften . . . . . . . . 241 (bb) Kein numerus clausus der vertraglichen Risikotragung . . . . . . 242 (cc) Notwendigkeit einer indizienorientierten Gesamtbetrachtung 243 (2) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 dd) Kausales oder abstraktes Forderungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 ee) Zulässigkeit aktiengleicher Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Venture Debt als funktionales Äquivalent? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Komplementäre Finanzierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) Perspektive der Eigenkapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 cc) Strukturelle Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (1) Vorlaufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (2) Kapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (3) Exit-Kanal für Venture Capital-Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3. Unechte Equity Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Dogmatische Qualifikation als (atypische) stille Beteiligung . . . . . . . . . . . . 256 b) Mitspracherechte als Störfaktor im Finanzierungsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . 257 III. Beteiligungsfinanzierung mittels echter Equity Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Gestaltungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Gestaltungshindernisse im Hinblick auf tokenisierte Aktien . . . . . . . . . . . . . 258 aa) Zulässigkeit unverbriefter Aktien im Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Formbedürftigkeit der Zeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Inhaltsverzeichnis
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cc) Anspruch auf Globalverbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (1) Rechtsfolgen verwehrter Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (2) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 dd) Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Gestaltungshindernisse im Hinblick auf tokenisierte GmbH-Anteile . . . . . . 265 aa) Erschwerung der Anteilsübertragung durch Formzwang . . . . . . . . . . . . 266 bb) Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Umgehungsgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Umgehungsgestaltungen durch Emittenten im Rechtskleid der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Verwahrungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Treuhandgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Umgehungsgestaltungen durch Emittenten im Rechtskleid der GmbH . . . . 271 aa) Formbedürftigkeit der Übertragung der Treugeberstellung an GmbHAnteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Unterbeteiligungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (1) Abgrenzung von der Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (2) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3. Einsatzpotenzial im Kontext der Wagnisfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Kompetenzverteilung und Token-Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Konkurrenz zwischen Gläubigeransprüchen und Vermögensrechten der Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Ausgabekompetenz und Bezugsrecht in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . 277 a) Normativer Rahmen: § 221 AktG vs. §§ 291 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 aa) Übereinstimmendes Telos, divergierende Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (1) Typologischer Ansatz der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . 280 (2) Rechtsfolgenkonsistenz durch Berücksichtigung der Größe des Kapitalgeberkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (3) Konkretisierung des Merkmals „massenweise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Behandlung „obligationsähnlicher“ Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 c) Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Venture Capital-Investoren . . . . . . . 287 d) Bezugsrecht der Aktionäre nach § 221 Abs. 4 i. V. m. § 186 AktG . . . . . . . . 287 3. Ausgabekompetenz und Bezugsrecht in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Ausgabekompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 aa) Zustimmung der Gesellschafter als Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . 290 (1) Keine Erstreckung der „Supermarkt-Grundsätze“ . . . . . . . . . . . . . . . 290 (2) Keine Änderung des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
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Inhaltsverzeichnis bb) Zuständigkeit im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Keine Beschlusskompetenz analog § 221 Abs. 1 und 3 AktG . . . . . 293 (2) Ungeschriebene Gesellschafterkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 cc) Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Venture Capital-Investoren . . . . 295 b) Token-Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Zielkonvergenz durch Kicker-Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Typen und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Equity Kicker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 b) Non-Equity Kicker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 2. Anlegerrisiken im Zusammenhang mit Kicker-Komponenten . . . . . . . . . . . . . . 299 III. Anschlussfinanzierung, Exit-Fähigkeit und Adaptabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. STO als „Jugendsünde“ prosperierender Start-Ups? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 2. Kautelarjuristische Ansätze zur Flexibilisierung der Finanzierungsbeziehung 302 a) Vorgezeichnete Vertragsanpassungen am Beispiel von Verwässerungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Ad hoc-Maßnahmen am Beispiel der Beendigung der Token-Beteiligung
303
aa) Einseitige Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 bb) (Mehrheitlich) Konsensuale Ablösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 c) Anpassungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Kollektivierung der Token-Inhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Institutionelle Voraussetzungen einer Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 aa) Kollektivhandlungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (1) Konsensuale Vertragsadjustierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (a) Mobilisierungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (b) Kooperationshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (aa) Hold-outs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (bb) Hold-ups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (2) Unilaterale Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (a) Überwachung des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (b) Unkoordinierte Geltendmachung von Leistungsstörungsrechten 313 bb) Hypothetischer single owner-Ansatz und seine Umsetzung . . . . . . . . . . 314 (1) Delegierte Rechtswahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (2) Majorisierung der Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (3) Kombinierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Gesetzliche und/oder schuldvertragliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 aa) Kollektivierung nach Maßgabe des SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (1) Regelungsziel und -gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (2) Anwendung auf Debt Token-Emissionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Privatautonome Vergemeinschaftung der Token-Inhaber . . . . . . . . . . . . 323 (1) Inhalt kautelarischer Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Inhaltsverzeichnis
21
(2) Dogmatische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (a) Ausübungsschranken und Bindungswirkung als Inhalt des Gläubigerrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (b) Einräumung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht . . . . . . . . . 326 (c) „Abtretung“ der Änderungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (d) Bedingtes Leistungsbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (3) AGB-rechtliche Gestaltungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 IV. Steuerungswirkung der Kapitalstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I.
Schutz des Werterhaltungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Haftungsbewehrte Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Erweiterte Sorgfaltspflichten nach der Klöckner-Rechtsprechung . . . . . . . . 335 b) Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 aa) Sorgfaltsanforderungen entsprechend dem verbandsrechtlichen Pflichtenmaßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 bb) Pflicht zur Einhaltung des statutarischen Unternehmensgegenstands und zur Unterlassung schlechthin unverantwortlicher unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (1) Pflicht zur Einhaltung des statutarischen Unternehmensgegenstands 341 (2) Pflicht zur Unterlassung schlechthin unverantwortlicher unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 c) Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 d) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 e) Haftungsinhalt und Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 2. Pflichten in Bezug auf die leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren . . . . . 346 a) Pflicht zur Ermittlung der Bezugsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 b) Berechnungsfehler und Größenmanipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 c) Bilanzierungswahlrechte und Gewinnthesaurierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 3. Vermeidung von Wertverschiebungen durch Kapital- und Strukturmaßnahmen 351 a) Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 aa) Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Kapitalerhöhung gegen Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 (1) Analogieschluss zu § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG 354 (2) Ergänzende Vertragsauslegung und § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 355 b) Erhöhung des im Umlauf befindlichen Mezzanine-Kapitals . . . . . . . . . . . . . 357 c) Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 d) Konzernrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 aa) Faktische Konzernierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 bb) Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4. Ergebnis: Gesetzlicher Minimalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
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Inhaltsverzeichnis II. Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 1. Kapitalmarktrechtliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 2. Gesetzliche Auskunfts- und Kontrollrechte kraft schuldvertraglicher Bindung 364 a) Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 b) Allgemeiner Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 3. Ergänzende Informations- und Kontrollrechte auf vertraglicher Grundlage . . . 366 4. Technische Umsetzung von Informationskanälen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 III. An die traditionelle Wagnisfinanzierung angelehnte Schutzmechanismen . . . . . . 368 1. Gestaffelte Kapitalüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Gestaltungsmöglichkeiten im STO-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 2. Vesting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 a) Gestaltungsmöglichkeiten im STO-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 3. Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 a) Zulässigkeit am Beispiel eines negative covenant in Bezug auf konkurrierende Mezzanine-Finanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 aa) Schuldrechtliche Verzichtserklärungen und Zustimmungsvorbehalte in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 (1) Die Unveräußerlichkeit von Leitungsmacht und das Verbot der Vorwegbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (2) § 23 Abs. 5 AktG als Quell schuldrechtlicher Gestaltungsgrenzen? 382 (3) Regelung im Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung? . . . . . 383 bb) Schuldrechtliche Verzichtserklärungen und Zustimmungsvorbehalte in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 4. Verwässerungsschutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 a) Gestaltungsmöglichkeiten im STO-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 5. Ergebnis: Abweichende Gestaltungsbedingungen als limitierender Faktor . . . . 390 IV. Token Sale-spezifische Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 1. Soft caps und hard caps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2. Maßnahmen zur Eindämmung von Volatilitätsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3. Lock-ups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 4. Vertragliche Bezugsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 5. Schutz vor Code-Manipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 V. Möglichkeiten und Grenzen der Etablierung eines privaten Ordnungsrahmens . . 395 1. Race to the top . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 2. Standardisierung durch Plattformbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 3. Institutionelle Investoren als Garanten eines angemessenen Anlegerschutzes? 397 4. Verbleibende Vulnerabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
Inhaltsverzeichnis
23
5. Kapitel Zusammenfassung
399
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
Abkürzungsverzeichnis ASIC BaFin DAO DEX EVM KI ICO IDO IEO IT ITSA NIÖ SAFT SEC SHA STO TKÖ VC
application-specific integrated circuits Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht dezentralisierte autonome Organisation Decentralized Exchange Ethereum Virtual Machine Künstliche Intelligenz Initial Coin Offering Initial DEX Offering, s. unter DEX Initial Exchange Offering Informationstechnologie International Token Standardization Association Neue Institutionenökönomie simple agreement on future token Securities and Exchange Commission Secure Hash Algorithm Security Token Offering Transaktionskostenökonomie Venture Capital
Im Übrigen wird auf das Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache von Kirchner, 10. Aufl. 2021, verwiesen.
1. Kapitel
Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung? Für junge, wachstumsorientierte Unternehmen, sog. Start-ups1, galt die Finanzierung durch Wagniskapital lange als alternativlos. Wer einer innovativen Geschäftsidee zum Durchbruch verhelfen wollte, so lautete eine häufig postulierte Grundregel, für den führte an Venture Capital2 kein Weg vorbei.3 Diese Gewissheit schien hinfällig, als es in den Jahren 2017/18 Akteuren aus der noch in den Kinderschuhen steckenden Krypto-Branche gelang, mit Hilfe sog. Initial Coin Offerings (ICOs) Beträge in einer Größenordnung einzuwerben, in der zuvor nur Venture Capital-Geber bereit waren zu investieren.4 Seitdem hat sich die Finanzierungslandschaft für Start-Ups verändert. Diesen Veränderungen sowie den dadurch relevant werdenden Rechtsfragen und Gestaltungsproblemen will die vorliegende Arbeit nachgehen.
1 Der Start-up-Begriff ist weder einheitlich definiert, noch knüpfen an ihn unmittelbare rechtliche Folgen. Mit als „Start-up“ bezeichneten Gründungen wird in der Regel eine ausgeprägte Wachstumsorientierung zur Verfolgung innovativer Geschäftsideen assoziiert. Aufgrund ihres Innovations- und Skalierungspotentials sind Start-ups zumeist in erheblichem Umfang auf Finanzierungen angewiesen. Dem entspricht es, dass Start-ups im Vergleich zu etablierten Unternehmen höhere Gewinnchancen, aber auch höhere Ausfallrisiken aufweisen. Vgl. zum Ganzen Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 30; Schedensack, Crowdinvesting, S. 71 f.; Thelen, RNotZ 2020, 121, 122. Erfolgreich gewachsene Start-ups werden in ihrer kapitalintensiven Expansionsphase mitunter auch als „Scale-ups“ bezeichnet, vgl. Onetti, Scaleups, 29. 7. 2014, online abrufbar unter: http://startupeuropepartnership.eu/scaleups-when-does-a-star tup-turn-into-a-scaleup/. 2 Der Begriff „Venture Capital“, oder kurz „VC“, ist dem angloamerikanischen Sprachraum entliehen, aus dem die Finanzierungspraxis ursprünglich stammt (s. Fn. 9). Im Deutschen werden die Begriffe „Wagniskapital“, „Risikokapital“ sowie „Beteiligungskapital“ synonym verwendet, s. Kuntz, Gestaltung, S. 11 f. 3 Vgl. Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 157 f.; Schefczyk, Venture Capital, S. 1. 4 So warben ICO-Emittenten im Jahr 2017 etwa durchschnittlich 14,13 Mio. USD ein, s. https://tinyurl.com/2s3k6du3. Die mit umgerechnet > 4 Mrd. USD dem Volumen nach erfolgreichste Emission gelang 2017 der Block.one LLC mit dem sog. EOS-ICO, s. https://tin yurl.com/j85ejdwa.
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand Als Stimulus für Innovation und Wachstum hat das Start-up-Ökosystem gesamtwirtschaftliche Bedeutung.5 Zu Marktführern herangewachsene Gründungen wie Meta, Airbnb und Uber haben unter Beweis gestellt, dass disruptive Entwicklungen insbesondere im Technologiesektor im Stande sind, existierende Märkte umzuwälzen, Arbeitsplätze zu schaffen und Strukturwandel in allen Lebensbereichen herbeizuführen.6 Um eine Idee bis zur Marktreife fortzuentwickeln, sind Startup-Gründer auf Kapital angewiesen. Eine ausschließlich auf Eigenmitteln basierende Innenfinanzierung (sog. bootstrapping) scheidet jedoch in der Regel aus, da es an positiven Cashflows mangelt.7 Im Unterschied zu etablierten Unternehmen kommt für Start-ups auch eine traditionelle Kreditfinanzierung regelmäßig nicht in Betracht, da die jungen Unternehmen weder Sicherheiten stellen noch die laufenden Zinsforderungen bedienen können.8
I. Traditionelle Quellen der Wagnisfinanzierung Zur Überbrückung der sich auftuenden Kapitallücke greifen Gründer klassischerweise auf Venture Capital zurück, dessen Ursprünge in den USA bis in die 1920-er Jahre zurückreichen.9 Es handelt sich dabei um eine Form der Außenfinanzierung, bei der sich spezialisierte Investoren als Minderheitsgesellschafter am Eigenkapital des Unternehmensträgers beteiligen.10 Strukturell lassen sich zwei Gestaltungsvarianten unterscheiden:11 Bei direkten Risikokapitalfinanzierungen sind der Kapi5 Vgl. Achleitner/Gerl, in: FS Baums, S. 1 f.; Dessí/Yin, in: Cumming, Handbook of Venture Capital, S. 668 ff.; Kloka, Innovationsfinanzierung, S. 39 f.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 32 ff. Vermehrte Beachtung findet in jüngerer Zeit zudem die Rolle von Start-ups für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, vgl. Start-up-Strategie der Bundesregierung, 27. 7. 2022, abrufbar unter: https://tinyurl.com/5d6jp94r. 6 Disruptionen dieser Art werden bis heute mit dem von Joseph A. Schumpeter geprägten Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ in Verbindung gebracht. Nach dessen klassischer Theorie beruht konjunktureller Aufschwung vor allem auf einem durch Innovationen in Gang gesetzten Verdrängungsprozess, s. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 103 ff. 7 Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 158; Möllmann/Bank, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 1 Rn. 2. 8 Kuntz, in: Drygala/Wächter, Venture Capital, S. 25, 26; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 1; Denga, ZGR 2021, 725, 728 f. 9 Vgl. mit einem historischen Aufriss über die Finanzierungsart Kloka, Innovationsfinanzierung, S. 41 ff.; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 64 ff.; Lerner/Nanda, 34 J. Econ. Perspect. 237, 238 f. (2020). 10 Kloka, Innovationsfinanzierung, S. 26 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 11 f.; Denga, ZGR 2021, 725, 728 ff. Daneben stellt der Risikokapitalgeber häufig zusätzliches Mezzanine-Kapital zur Verfügung, s. Achleitner/Gerl, in: FS Baums, S. 1, 4 ff. 11 S. zum Folgenden Möllmann/Möllmann, BWNotZ 2013, 74, 79 f.
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand
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talgeber und die Kapitalquelle personenidentisch. Solche Direktinvestitionen tätigen z. B. Business Angels.12 Sie bewegen sich zumeist in einer Größenordnung von nicht mehr als 100.000 EUR und kommen fast ausschließlich in der als seed stage bezeichneten Frühphase zum Tragen.13 Demgegenüber tritt bei indirekten Venture Capital-Finanzierungen eine Venture Capital-Gesellschaft als Bindeglied zwischen den Anlegerkreis und das finanzierungssuchende Unternehmen.14 Sie bündelt das von institutionellen und privaten Anlegern eingeworbene Kapital in einem Fonds und stellt es den Portfoliounternehmen im Austausch gegen eine Beteiligung zur Verfügung.15 Dank der vermittelnden Rolle der Venture Capital-Gesellschaft finden Kapitalgeber und -nehmer auch auf solchen Märkten zueinander, auf denen eine Finanzierung wegen hoher Transaktionskosten andernfalls zu scheitern drohte.16 Die Einbindung des Finanzintermediäres ermöglicht dabei großvolumige Investitionen in nahezu allen Lebensphasen eines Start-ups.17 Diese indirekte Form der Wagnisfinanzierung gilt als Inbegriff von Venture Capital und liegt der Begriffsverwendung in dieser Arbeit zugrunde.18 Beiden Gestaltungsformen ist gemein, dass die Kapitalgeber zumeist einen auf zwei bis sieben Jahre angelegten Investitionshorizont verfolgen, an dessen Ende sie im Idealfall durch die Auflösung ihrer Beteiligung an der Wertsteigerung des finanzierten Unternehmens partizipieren (sog. Exit).19 Der Renditeaussicht steht dabei ein erhebliches Ausfallrisiko gegenüber.20 Um das Wagnis zum Erfolg zu führen, stellen Venture Capital-Investoren ihren Portfoliounternehmen nicht nur Kapital sondern auch Managementberatung, Know-How
12 Als „Business Angels“ bezeichnet man vermögende, häufig geschäftserfahrene Privatpersonen, die in junge Unternehmen mit hohen Renditeerwartungen investieren, s. Achleitner/ Gerl, in: FS Baums, S. 1, 3 f.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 224; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil D. Rn. 7 ff. 13 Zu der im Schrifttum uneinheitlich erfolgenden Einteilung des Lebenszyklus eines StartUps s. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 5; Kuntz, Gestaltung, S. 12 f. m. w. Nachw. 14 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 4; Kloka, Innovationsfinanzierung, S. 27 ff.; Schefczyk, Venture Capital, S. 7 f. 15 S. zur Fondsstrukturierung Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil B. Rn. 72 ff. 16 Groh, in: Cumming, Handbook of Venture Capital, S. 15 ff.; Kloka, Innovationsfinanzierung, S. 27; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 227 f. 17 Erst wenn Start-Ups einen gewissen Reifegrad erreicht haben (sog. later stages) werden sie auch als Zielunternehmen für Private Equity-Investoren interessant, wobei die Übergänge fließend sind, vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 13; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 29. 18 Vgl. Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 219; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 6 (VC-Gesellschaften als „Risikofinanzierer im eigentlichen Sinne“). 19 Vgl. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 5; Kloka, Innovationsfinanzierung, S. 29 f.; Denga, ZGR 2021, 725, 730. 20 Einer Studie zum U.S.-amerikanischen VC-Markt zufolge erweisen sich lediglich 10 – 20 % der Portfoliounternehmen für die Investoren als außerordentlich profitabel (sog. high flyers). Ca. 35 % der Beteiligungen führen zum Teil- oder Totalverlust des Investments, s. Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 484 (1990).
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
sowie den Zugang zu ihren Netzwerken zur Verfügung.21 Im Gegenzug bedingen sich die Investoren gegenüber den Mitgesellschaftern Sonderrechte auf statutarischer oder schuldvertraglicher Grundlage aus, die etwa die bevorzugte Erlösbeteiligung, Einflusssicherung und Finanzierungskontrolle gewährleisten sollen.22 Start-Ups, deren Projekte in der Frühphase für spezialisierte Risikokapitalgeber zu klein sind, bedienen sich zur Zwischenfinanzierung mitunter verschiedener Formen des Crowdfundings, von denen Crowdinvesting die verbreitetste ist.23 Bei dieser letztgenannten Variante der Schwarmfinanzierung geben die Emittenten hybride Finanzierungsinstrumente24 über Internetplattformen an eine Vielzahl von Kleinanlegern aus.25 Die Crowdinvesting-Plattformen fungieren dabei als Bindeglied zwischen der „Crowd“26 und dem finanzierungssuchenden Unternehmen.27 Ihre Tätigkeit wird durch die am 10. 11. 2021 in Kraft getretene Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister (ECSP-VO)28 reguliert.
II. Token Sales als Finanzierungsphänomen Da sich traditionelle Wagnisinvestoren zunächst nicht in die Terra incognita der Krypto-Branche wagten, haben sich deren Protagonisten eine neuartige Finanzierungsquelle erschlossen.29 Bei der als Initial Coin Offering (ICO)30 bzw. Token Sale31
21 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 4; Schefczyk, Venture Capital, S. 35 ff.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 219; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 47; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 82. Vgl. zum produktivitätsfördernden Einfluss dieser „value-adding services“ aus empirischer Perspektive Croce/Martí/Murtinu, 28 J. Bus. Vent. 489 (2013). 22 S. hierzu ausführlich Kuntz, Gestaltung, S. 521 ff. 23 S. zu den verschiedenen Formen des Crowdfundings Schedensack, Crowdinvesting, S. 45 ff.; Bradford, 2012 Colum. Bus. L. Rev. 1, 14 ff. (2012). Der Anteil der Start-ups, die auf die Finanzierungsquelle zurückgreifen, lag in Deutschland zuletzt bei ca. 4,3 %, s. PwC, Deutscher Startup Monitor 2020, abrufbar unter: https://tinyurl.com/tkxhrcuk, S. 45. 24 Während zunächst stille Beteiligungen im Sinne von §§ 230 ff. HGB das bevorzugte Finanzierungsmittel darstellten, dominieren seit 2014 qualifizierte partiarische Nachrangdarlehen, s. Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 149. 25 Heuer, Regulierung von Crowdinvesting, S. 35; Schedensack, Crowdinvesting, S. 54 ff.; Jansen/Pfeifle, ZIP 2012, 1842 f.; Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237 f. 26 Vgl. zum Begriff Schedensack, Crowdinvesting, S. 63 f. 27 Vgl. Herr/Bantleon, DStR 2015, 532, 534 und dort Abb. 2. 28 Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937 (ECSP-VO), ABl. 2020 L 347, 1. 29 Den Anfang machte das Token-Angebot von Mastercoin im Juli 2013, vgl. Hahn/Wons, ICO, S. 4; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 29; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 1 m. w. Nachw.
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bezeichneten Kapitalbeschaffungsmethode geben die Emittenten gegen Zahlung von Krypto- oder Fiat-Währungen digitale Vermögenswerte, sog. Coins oder Token32, an das Anlegerpublikum aus.33 Wie beim „konventionellen“ Crowdinvesting handelt es sich bei ICOs um eine Form der Schwarmfinanzierung.34 Charakteristisch sind für sie im Wesentlichen zwei Merkmale: Zum einen kommt die Finanzierungsbeziehung zwischen dem Emittenten und der Anlegergruppe direkt zustande; ein mit Crowdinvesting-Plattformen vergleichbarer Intermediär existiert im Ausgangspunkt nicht.35 Zum anderen sind die ausgegebenen Token im idealtypischen Fall über eine Kryptobörse auf dem Sekundärmarkt handelbar, wodurch die Finanzierungsmethode ein spekulatives Gepräge erhält.36 Möglich macht dies der Einsatz der BlockchainTechnologie. Blockchains sind dezentrale, kontinuierlich erweiterbare Datenbanken, deren jeweilige Einträge durch kryptographische Verfahren so miteinander zu einer Datenkette verbunden sind, dass sich ihre chronologische Fortschreibung unzweifelhaft nachvollziehen lässt.37 Die bereits erwähnten Token dienen als Metapher für die Einträge in diesem „digitalen Register“.38 Sie repräsentieren den ihnen von den Initiatoren des Token Sales zugeschriebenen Inhalt.39 Handelt es sich dabei um wertpapierähnliche Rechte auf bestimmte Zahlungsströme, ist von Security Token, im Zusammenhang mit ihrer Emission von einem Security Token Offering
30 Der Begriff ist an das Akronym „IPO“ (kurz für: Initial Public Offering) angelehnt, s. Vogel/Müller/Luthiger u. a., AG 2017, R333. Wie sich nachfolgend noch zeigen soll, bestehen zu einem Börsengang der Sache nach aber gravierende Unterschiede. 31 Beide Begriffe werden synonym verwendet. Bisweilen ist auch von einem „Token Generating Event“ die Rede, vgl. Hahn/Wons, ICO, S. 3. 32 Zur begrifflichen Unterscheidung s. 2. Kap. B. Der Einfachheit halber wird im Folgenden einstweilen nur von „Token“ die Rede sein, ohne damit eine Aussage über die technische Entstehungsweise zu implizieren. 33 Vgl. BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 16. 8. 2019, S. 1; Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 27 Rn. 3 f.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 23 ff.; Blemus/Guégan, Cap. Mark. Law J. 15 (2020), 191 f.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 351. 34 Eine entsprechende Parallele ziehen Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 300; Borkert, ITRB 2018, 39, 43; Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 567 f.; Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 801; Koch, ZBB 2018, 359, 361. 35 Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 1; Block/Groh/Hornuf u. a., 57 Small Bus. Econ. 865, 869 f. (2020); Nathmann, BKR 2019, 540, 548. 36 Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 27 Rn. 5; Hoche/Lerp, in: Kunschke/ Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 5; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 13; Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 801. 37 Vgl. ausführlich zur Funktionsweise unter 2. Kap. A.III. und A.IV. 38 Vgl. zum etymologischen Hintergrund Szostek, Blockchain and the law, S. 125 ff. 39 Treffend ist insoweit bei Kuntz die Rede davon, Token repräsentierten „etwas“, s. AcP 220 (2020), 51, 87.
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
(STO) die Rede.40 Diese Subkategorie der Blockchain-basierten Finanzierung wird – das sei vorweggenommen – im Zentrum der Untersuchung stehen. Durch den Einsatz der Token als Investitionsobjekt kann sowohl bei der Emission als auch beim anschließenden Handel auf einen zentralen Vertrauensintermediär verzichtet werden. Im Bereich der Wagnisfinanzierungen hat diese Innovation eine Zeitenwende eingeläutet: Wie zuvor nur etablierten Unternehmen ist es Start-ups nun möglich, ihren Finanzierungsbedarf am öffentlichen Kapitalmarkt abzudecken.41 1. Verheißung und Realität der Token-basierten Finanzierung Als Finanzierungsquelle haben Token Sales binnen kürzester Zeit erhebliche wirtschaftliche Relevanz erlangt.42 Angefacht durch beinahe wöchentliche Erfolgsmeldungen herrschte unter Anlegern und Emittenten ab Mitte 2017 Goldgräberstimmung.43 Für Aufsehen sorgte zu dieser Zeit insbesondere die Schlagzeile, ICOs hätten Venture Capital als primäre Finanzierungsquelle für Blockchain-Startups abgelöst.44 Auch im rechtsökonomischen Schrifttum dominierte zunächst die Wahrnehmung, Token Sales würden sich in und außerhalb der Krypto-Branche als tragende Säule der Wagnisfinanzierung etablieren.45 Als zentralen Vorteil sah man in diesem Zusammenhang die Möglichkeit an, die Transaktionskosten der Kapitalbeschaffung durch den Einsatz der Blockchain-Technologie drastisch zu reduzieren.46 Auf dieser Grundlage, so die allgemeine Erwartungshaltung, würden liquide TokenMärkte entstehen, durch welche die Öffentlichkeit Zugang zu einer Anlageklasse erhalte, die zuvor einem kleinen Kreis spezialisierter Wagnisinvestoren vorbehalten war.47 40 Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 27 Rn. 18. S. zu den verschiedenen Token-Arten ausführlich unter A.IV.3. 41 Vgl. Rohr/Wright, 70 Hastings L. J. 463, 466 f. (2019). 42 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 30 f. 43 Während das Emissionsvolumen im Jahr 2016 noch ca. 95 Mio. USD betrug, resultierte der rasante Nachfrageanstieg in den Folgejahren in Emissionsvolumen von > 6,5 Mrd. USD (2017) respektive > 21,5 Mrd. USD (2018), s. https://bitni.com/site/coin-schedule/stats; vgl. auch Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 1. 44 Vgl. Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 646 m. Nachw. 45 Vgl. Himmer, Blockchain-basiertes Fundraising, S. 69 ff.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 35; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 11; Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925; Rohr/Wright, 70 Hastings L. J. 463, 467 (2019); Spindler, WM 2018, 2109; Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 282 (2019); skeptisch dagegen Weitnauer, BKR 2018, 231, 236. 46 Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 6; Zickgraf, in: Maume/ Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8 47 Vgl. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.64; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8; Fußwinkel/Kreiterling, BaFin Perspektiven 1/2018, 48, 63 f.; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 13; Klöhn/Parhofer/ Resas, ZBB 2018, 89, 94.
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Schon in die Frühphase des globalen Finanzierungsphänomens mischten sich jedoch auch kritische Stimmen, die vor allem das Fehlen angemessener Regulierung beklagten.48 Hierzu gab vor allem die beträchtliche Anzahl unausgereifter, teils betrügerischer Token-Angebote Anlass.49 Die vermeintliche Regulierungsfreiheit des ICO-Marktes kehrte sich ins Gegenteil, als Aufsichtsbehörden weltweit begannen, Emittenten verstärkt in die Pflicht zu nehmen.50 In Deutschland war es namentlich die BaFin, die zunächst vor den Gefahren der Anlageklasse warnte51 und wenig später durch ein Hinweisschreiben52 darauf aufmerksam machte, dass Token Sales der Prospektpflicht unterfallen könnten. Unter dem Eindruck gestraffter kapitalmarktrechtlicher Regulierung und enttäuschter Anlegererwartungen fand das rege Emissionsaufkommen kurz darauf ein jähes Ende. Seit dem dritten Quartal 2018 befindet sich der Token-Markt in einer fortdauernden Abschwungphase.53 Sowohl die ICO-Anzahl als auch die durchschnittlichen Emissionsvolumina sind seitdem stark rückläufig.54 Etliche der im Umlauf befindlichen Token rangieren zudem in der Verlustzone oder endeten gar in einem Totalverlust.55 Statt Euphorie beherrscht infolgedessen Nachfrageunsicherheit den zu einem Nischenbereich geschrumpften Token-Markt. Die ersten von einem behörd-
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Vgl. Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8; Catalini/ Gans, 63 COMMUN ACM 80, 87 (2020); Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 690 ff.; Nathmann, BKR 2019, 540, 548; Zickgraf, AG 2018, 293, 307 f. 49 Vgl. mit weiteren Hinweisen Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 1; Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1743 ff. (2022); Klöhn/ Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 90. 50 Den ersten Schritt in diese Richtung unternahm die U.S.-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde SEC (Securities and Exchange Commission) im Juli 2017. Vgl. hierzu und zu weiteren Initiativen überblicksartig van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.71 ff.; Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 9; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 13 ff. 51 S. BaFin, Verbraucherwarnung: Risiken von Initital Coin Offerings, 9. 11. 2017, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2017/meldung_1 71109_ICOs.html. 52 BaFin, Initial Coin Offerings: Hinweisschreiben zur Einordnung als Finanzinstrument, 20. 2. 2018. 53 Vgl. Gschnaidtner, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2 Rn. 40; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 3: „Konsolidierungsphase“; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 353. 54 S. mit einer Auswertung des ICO-Marktes bis Mitte 2020 Haffke/Fromberger, ICO Market Report 2019/2020, S. 8 ff. 55 Vgl. dies., ICO Market Report 2019/2020, S. 19, denen zufolge am 1. 7. 2020 88 % der 2019 emittierten und gelisteten Token zu einem geringeren Preis als ihrem Ausgabepreis gehandelt wurden oder in einem Totalverlust endeten. Diese Zahlen sollten allerdings im Lichte der ohnehin hohen Misserfolgsraten im Bereich der Wagnisfinanzierung interpretiert werden, vgl. Fn. 20.
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lich gebilligten Wertpapierprospekt begleiteten STOs zeigen andererseits,56 dass es verfrüht wäre, einen Abgesang auf die Finanzierungsmethode anzustimmen.57 Manche Autoren erkennen in dieser Entwicklung Anzeichen für einen Reifeprozess des jungen Marktsegments.58 Klassische Venture Capital-Investoren scheinen ihre Vormachtstellung derweil erfolgreich verteidigt und in der Krypto-Branche flächendeckend Fuß gefasst zu haben.59 Namhafte Risikokapitalgeber wie Andreessen Horrowitz (a16z) haben jedenfalls milliardenschwere Fonds aufgesetzt, um gezielt in das aufstrebende Marktsegment zu investieren.60 Auch in Deutschland finden sich hierfür inzwischen mehrere Beispiele – wenngleich in bescheidenerem Umfang.61 2. Unklares Verhältnis zu Venture Capital und damit verbundene Untersuchungsfragen Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage stellt sich die Frage, welche Rolle Token Sales im Bereich der Wagnisfinanzierung künftig einnehmen werden. Entgegen mancher Prognose62 aus der Frühphase des Finanzierungsphänomens konnten sich ICOs bislang nicht als Alternative zu Venture Capital etablieren. Allerdings zeichnen sich mit zunehmender Tendenz Verbindungslinien zwischen den Finanzierungsarten ab.63 So nutzen Emittenten einen Token Sale inzwischen nur noch selten als ausschließliche Finanzierungsquelle. Stattdessen flankieren ICOs immer häufiger eine bereits erfolgte Finanzierung mit Venture Capital.64 Die Möglichkeit einer künftigen Token-Emission wird dabei von den Finanzierungsparteien von 56 In Deutschland wurde zuerst der Prospekt der Bitbond Finance GmbH für ihr STO vom Juli 2019 von der BaFin genehmigt, s. hierzu Romba/Oppenheim, Börsen-Zeitung v. 13. 2. 2019, S. 13. 57 Vgl. den Beitrag von Elsner mit dem für sich sprechenden Titel „ICOs sind tot, es lebe der STO“, 26. 4. 2019, abrufbar unter: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/icos-sind-totes-lebe-der-sto. 58 Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 3. 59 Vgl. Hackober/Bock, 91 J. Bus. Econ. 1085, 1087 (2021). 60 Murphy, Andreessen Horowitz bets on crypto „golden era“ with new $4.5bn fund, 25. 5. 2022, abrufbar unter: https://www.ft.com/content/47b05080-67ac-4468-b530-76325d6aba35. 61 Hierzu zählen etwa die Fonds von Blockwall, Grennfield One, Signature Ventures und zuletzt Cherry Ventures, vgl. Matsuda, Europe’s Cherry Ventures dives into crypto with new $34 million fund, 17. 2. 2022, abrufbar unter: https://www.theblockcrypto.com/post/134525/ cherry-crypto. 62 Vgl. Fn. 45. 63 Dies frühzeitig voraussehend Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb1, § 21 Rn. 18: „A consequence of the disruption by ICOs in the context of the VC industry may be adoption of them within the business model to benefit from its advantages.“ sowie Weitnauer, BKR 2018, 231, 236: „auch eine Verbindung der ICO- und der VC-Welten [wäre] denkbar“. 64 Vgl. Himmer, Blockchain-basiertes Fundraising, S. 23; Fisch/Momtaz, 64 J. Corp. Finance 1, 2 (2020); Hackober/Bock, 91 J. Bus. Econ. 1085, 1086 f. (2021).
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vornherein berücksichtigt.65 Mitunter lassen sich die Wagnisinvestoren sogar Bezugsrechte auf zukünftige Token einräumen, um selbst von etwaigen Erlösen zu profitieren oder neuartige Exit-Kanäle zu erschließen.66 In Anlehnung an die U.S.amerikanische Gestaltungspraxis ist in diesem Zusammenhang von simple agreements on future tokens, kurz „SAFTs“, die Rede.67 Aus dem Funktionswandel der Token-basierten Wagnisfinanzierung speisen sich die Untersuchungsfragen dieser Arbeit. Im Venture Capital-Bereich begegnet die Kautelarjurisprudenz den zwischen Investoren und finanzierter Gesellschaft auftretenden Interessenkonflikten mit einem weitestgehend standardisierten Klauselwerk, das im juristischen Schrifttum breite Aufmerksamkeit erfahren hat.68 Welche Gestaltungsaufgaben sich den Beteiligten stellen, wenn neben Venture CapitalGebern und Gründern auch Token-Investoren in die Wagnisfinanzierung eingebunden sind, ist dagegen noch weitestgehend ungeklärt. Um sich der Beantwortung dieser Frage anzunähern, ist herauszuarbeiten in welchem Verhältnis die Finanzierungsarten zueinander stehen. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang vor allem die Gestaltungsmittel, derer es bedarf, um Token Sales mit dem Anforderungsprofil einer VC-finanzierten Unternehmung in Einklang zu bringen. Im Vordergrund steht dabei die Rechtsstellung der Token-Anleger. Das impliziert die Frage nach dem Inhalt und der Natur der durch einen Token repräsentierten Rechte. Zudem gilt es zu klären, wie man den Schutzbelangen der Token-Anleger Rechnung tragen kann. Dazu ist u. a. der Frage nachzugehen, ob zwischen den Finanzierungsarten Wechselwirkungen in dem Sinne bestehen, dass sich die in der Venture CapitalFinanzierung bewährten Gestaltungen bei einem Token Sale nutzbar machen lassen. 3. Gesetzgeberisches Tätigwerden Token-Emissionen und der sich daran anschließende Handel haben sowohl im Finanzaufsichtsrecht als auch im allgemeinen Zivilrecht erheblichen Regelungsbedarf hervorgerufen. Um Finanzinnovationen auf Grundlage der BlockchainTechnologie zu ermöglichen und Friktionen mit der lex lata zu vermeiden, ist der Gesetzgeber zuletzt wiederholt aktiv geworden, und zwar sowohl auf europäischer
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Interview vom 1. 3. 2022, s. zu dessen Rahmenbedingungen die Hinweise in Fn. 158 und dem dazugehörigen Text. 66 Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb1, § 21 Rn. 17; vgl. zu den damit einhergehenden Anreizproblemen insbesondere 3. Kap. C.I.6.b)bb) sowie 4. Kap. A.II.2.b)cc)(3). 67 Vgl. Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 97 f.; Spindler, WM 2018, 2109, 2114 f.; Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 282 (2019). 68 Brehm, VC-Vertragswerk, S. 51 ff.; Kuntz, Gestaltung, S. 521 ff.; ders., in: Drygala/ Wächter, Venture Capital, S. 25 ff.; Winkler, VC-Finanzierung, S. 106 ff.; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 94 ff.; Denga, ZGR 2021, 725, 740 ff. sowie aus der Praktikerliteratur Möllmann/Bank, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 1 – 3; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 118 ff.
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als auch nationaler Ebene. Mit der Verordnung (EU) Nr. 2022/858 (DLT-PilotVO)69 vom 30. Mai 2022 hat der Unionsgesetzgeber etwa eine Pilotregelung für Kryptowerte geschaffen, die als Finanzinstrumente qualifizieren. Danach sollen sich bestimmte Blockchain-basierte Marktinfrastrukturen und deren Betreiber temporär von bestimmten Anforderungen des regulären Aufsichtsrechts befreien lassen können (sog. regulatory sandboxes).70 Mit der jüngst in Kraft getretene Verordnung „on Makets in Crypto-assets“ (MiCA-VO)71, die bis Ende 2024 schrittweise Geltung erlangt, ist zudem ein umfassender Regulierungsrahmen für Kryptowerte, die nicht als Finanzinstrumente qualifizieren, geschaffen worden.72 Auch der Bundesgesetzgeber hat unter dem Eindruck des zunehmenden Einsatzes der Blockchain-Technologie in verschiedenen Lebensbereichen seinen Reformwillen bekundet. Im September 2019 stellte die Bundesregierung ihre „BlockchainStrategie“ vor. Diese kündigt ein Maßnahmenbündel an, das Deutschland zu einem „attraktive[n] Standort für die Entwicklung von Blockchain-Anwendungen und Investitionen in ihre Skalierung“ machen soll.73 Bedeutendstes Resultat dieser Bemühungen ist das am 10. 6. 2021 in Kraft getretene „Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren“74. Mit ihm trägt der Gesetzgeber dem praktischen Bedürfnis Rechnung, „eine Unternehmensfinanzierung auch durch Wertpapiere zu ermöglichen, die […] mittels der Blockchain-Technologie begeben werden.“75 Dazu schafft das Gesetz u. a. eine spezielle Rechtsgrundlage für elektronische Schuldverschreibungen.76 Mit dem Referentenentwurf für ein „Zukunftsfinanzierungsgesetz“ (ZuFinG-E) vom 12. 4. 2023 haben das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium der Finanzen ihre Absicht bekräftigt, den eingeschlagenen Reformkurs fortzusetzen.77 Hinsichtlich der unter A.II.2. aufgeworfenen Untersuchungsfragen ist den genannten Rechtsakten wenig zu entnehmen. Sie bilden aber einen Ausschnitt der zivilund aufsichtsrechtlichen Kulisse für Token Sales. Um ein vollständiges Bild von der 69 Verordnung (EU) Nr. 2022/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 5. 2022 über eine Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 909/2014 sowie der Richtlinie 2014/65/EU (DLT-PilotVO), ABl. Nr. L 151, S. 1 ff. 70 Hierzu näher Litten, BKR 2022, 551 ff. 71 Verordnung (EU) Nr. 2023/1114 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 5. 2023 über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/1937 (DLT-PilotVO), ABl. Nr. L 150, S. 40 ff. 72 S. hierzu näher Michel/Schmitt, BB 2023, 905 ff. 73 BT-Drs. 19/13433, S. 4. 74 BGBl. 2021 I Nr. 29, S. 1423. 75 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 1. 76 Hierzu unter 2. Kap. B.II.1. 77 S. Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (ZuFinG-E), 12. 4. 2023, abrufbar unter: https://tinyurl.com/47jp3xz4.
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand
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Finanzierungsart zu gewinnen, sind die Gesetzgebungsakte der jüngeren Vergangenheit in die Untersuchung einzubeziehen, soweit sie die Funktionsbedingungen der Token-Finanzierung betreffen. Das gleiche gilt für jene Fragen, die der Gesetzgeber bislang offenließ und um die herum sich im juristischen Schrifttum ein breit gefächerter Diskurs entwickelt hat. Das gilt insbesondere für die Frage nach den Rechtswirkungen einer Token-Transaktion.78
III. Einordnung in den Forschungsstand ICOs ziehen seit 2018 die Aufmerksamkeit des juristischen Schrifttums auf sich.79 Inzwischen bildet ein umfangreiches Konvolut deutscher und internationaler Aufsatz- sowie Handbuchbeiträge das Fundament der juristischen Auseinandersetzung mit der Finanzierungsmethode. Im Vordergrund des Diskurses steht dabei die kapitalmarktrechtliche Einordnung von Token-Emissionen.80 Zudem ist umstritten, wie Token zivilrechtlich einzuordnen sind und auf welcher Grundlage sich ihre Übertragung vollzieht.81 Die erste monographische Aufarbeitung von ICOs steuerte Nicolai Wolf bei.82 Dessen Dissertation widmet sich der Frage, ob aus kapitalmarkt- und steuerrechtlichem Blickwinkel Anzeichen für ein Marktversagen auszumachen sind.83 Darüber hinaus diskutiert Wolf, welche Anforderungen an eine ökonomisch effiziente Re78
Hierzu unter 2. Kap. B.II.2. S. zunächst die viel beachteten Beiträge von Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645 ff. und Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89 ff. Die Potenziale und rechtlichen Rahmenbedingungen des Blockchain-Ansatzes finden bereits seit 2012 Widerhall im juristischen Schrifttum, s. erstmals Sorge/Krohn-Grimberghe, DuD 2012, 479 ff. Mit dem „Stanford Journal of Blockchain Law & Policy“ ist dem Themenkomplex seit 2018 sogar eine ganze Zeitschriftenreihe gewidmet. 80 Hierzu u. a. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.82 ff.; Hacker/Thomale, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 229 ff.; Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 10 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 30 ff.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 98 ff.; Zickgraf, AG 2018, 293, 297 ff.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 354 ff. 81 Vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 88; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280 f.; Koch, ZBB 2018, 359, 362 ff. 82 Zu sonstigen Teilaspekten des Blockchain-Ökosystems ist inzwischen ein beachtlicher Bestand an Dissertationen erschienen. So analysiert z. B. Paulina Jo Pesch (CryptocoinSchulden) Austauschverträge, die Kryptowährungen zum Gegenstand haben. Die Dissertation von Eduard Hofert (Regulierung der Blockchains) diskutiert abstrakte Ansätze für die Blockchain-Regulierung. Peter Scherer (Blockchain im Wertpapierbereich) befasst sich mit den Auswirkungen des Technologie-Einsatzes im Wertpapierhandel. Sowohl Alexandra Spiegel (Blockchain-basiertes virtuelles Geld) als auch Johannes Arndt (Bitcoin-Eigentum) nehmen eine zivilrechtliche Einordnung von Kryptowährungen vor. Zur hiesigen Untersuchungsfrage bestehen jeweils nur vereinzelte Verbindungen, auf die im jeweiligen Kontext hinzuweisen ist. 83 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 79 ff. 79
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
gulierung de lege ferenda zu stellen sind.84 Die bislang einzige Dissertation, die sich dezidiert mit STOs auseinandersetzt, stammt aus der Feder von Maurice Ribak. Dieser beschränkt sich in seiner Analyse allerdings auf die zivil- und aufsichtsrechtliche Einordnung von Security Token.85 An diese Vorarbeiten lässt sich anknüpfen, soweit die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Token Sales in Frage stehen. Welche Gestaltungsaufgaben sich stellen und welche Wechselwirkungen sich ergeben, wenn Venture Capital und Token-Emissionen im Kontext der Wagnisfinanzierung aufeinandertreffen, bleibt im bisherigen Schrifttum dagegen unbeantwortet. Ziel dieser Arbeit ist es, diese Lücke zu schließen und einen Beitrag zum notwendigen Diskurs über das Zusammenwirken traditioneller und Token-basierter Formen der Start-up-Finanzierung zu leisten. Als instruktiv erweisen sich insofern die Erfahrungen, die bereits mit anderen Formen der Schwarmfinanzierung, insbesondere mit traditionellen Crowdinvestings, gesammelt werden konnten. Hierzu ist in jüngerer Vergangenheit ein reichhaltiger Bestand an Monographien86 und Aufsatzbeiträgen87 entstanden, auf den zurückzugreifen ist.
IV. Themenbegrenzung Die Weite des Untersuchungsgegenstandes macht eine thematische Eingrenzung erforderlich. Wenig zielführend wäre es in diesem Zusammenhang, rechtsgebietsbezogene Einschränkungen vorzunehmen. Denn diese Arbeit versteht sich als Beitrag zum Recht der Unternehmensfinanzierung, bei dem es sich anerkanntermaßen um eine „Querschnittsmaterie“ handelt.88 Unter Zugrundelegung einer finanzierungsform- und rechtsgebietsübergreifenden Perspektive sind für die Untersuchung „sämtliche Regeln mit Relevanz für die Unternehmensfinanzierung (Coporate Finance)“ einzubeziehen.89 In sachlicher Hinsicht lässt sich das Untersuchungsfeld wie folgt umgrenzen. 1. Kryptofondsanteile Zunächst sei darauf hingewiesen, dass mit „Blockchain-basierter Wagnisfinanzierung“ nicht die Beteiligung an einem (Krypto-)Fonds mittels Token gemeint ist. 84
Wolf, Initial Coin Offerings, S. 314 ff. Ribak, STOs, S. 133 ff. 86 S. Heuer, Regulierung von Crowdinvesting; Ivanovic´, Crowdinvesting; Schedensack, Crowdinvesting; Schulz, Crowdinvesting. 87 S. insbesondere Jansen/Pfeifle, ZIP 2012, 1842 ff.; Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237 ff.; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142 ff.; Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153 ff. 88 S. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 80 ff.; Mäntysaari, The Law of Corporate Finance, S. 1 f.; Eidenmüller, ZGR 2007, 484, 486 (Zitat dort). 89 Ders., ZGR 2007, 484, 486 (Kursivsetzung im Original). 85
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand
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Zwar hat der Gesetzgeber durch die Verordnungsermächtigung in § 95 Abs. 5 KAGB unlängst eine Grundlage für „Kryptofondsanteile“ geschaffen, womit intrikate investmentrechtliche Fragen einhergehen.90 Diese betreffen Start-up-Unternehmen als Finanzierungsempfänger aber nicht unmittelbar und sind für die weitere Untersuchung daher ohne Belang. 2. DAOs Vom Analysebereich ausgeschlossen bleibt zudem der Fall, dass sich dezentralisierte autonome Organisationen (sog. DAOs) als Venture Capital-Geber betätigen. Diesen Ansatz verfolgte namentlich „The DAO“, ein dezentraler, Token-basierter Venture Capital-Fonds, der 2016 von der deutschen Slock.it UG initiiert wurde. Die Inhaber der „DAO-Token“ sollten Investitionsprojekte aus einer vorselektierten Auswahl durch Mehrheitsbeschluss verbindlich bestimmen können. Zudem war vorgesehen, dass ein Smart Contract91 die Investitionen automatisiert durchführt. Auch die Erträge der dezentralen Organisation sollten softwaregesteuert und ohne menschliche Interventionsmöglichkeit ausgeschüttet werden.92 Zu all dem kam es indes nie, weil das Projekt infolge eines Hackerangriffs frühzeitig scheiterte.93 „The DAO“ gilt gleichwohl bis heute als Paradebeispiel für die weitestgehend automatisierte Governance einer dem Mehrheitsprinzip folgenden, digitalen Organisation. Die hieran anknüpfenden Fragen nach der Rechtsnatur, Regulierung sowie kollisionsrechtlichen Einordnung stellen sich unabhängig von der konkreten Betätigung im Finanzierungskontext. Ihre Beantwortung bleibt daher dem bestehenden Schrifttum überlassen.94 Der Umstand, dass DAOs seit dem gescheiterten Pionierversuch von „The DAO“ als Venture Capital-Geber nicht weiter in Erscheinung getreten sind, rechtfertigt es, die weitere Erschließung dieses speziellen Einsatzbereiches durch die Finanzierungspraxis abzuwarten.95 90 S. hierzu Eckhold, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 207, 222 ff. 91 Es handelt sich dabei um Software, die in die dezentrale Infrastruktur einer Blockchain eingebettet ist und beim Vorliegen ex ante definierter Voraussetzungen (sog. trigger) einen (potentiell) rechtserheblichen Ablauf, z. B. eine Transaktion, automatisch ausführt, s. Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618 ff. S. hierzu noch im Detail 2. Kap. C. 92 Vgl. das Whitepaper „The DAO“, abrufbar unter: https://github.com/the-dao/whitepaper sowie Mann, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 17 Rn. 2 ff. 93 Zum Hack und den zur hard fork (zum Begriff s. 2. Kap. A.V.) führenden Ereignissen s. aus erster Hand Jentzsch, The History of the DAO and Lessons Learned, 24. 8. 2016, abrufbar unter: https://blog.slock.it/the-history-of-the-dao-and-lessons-learned-d06740f8cfa5. 94 S. hierzu etwa Baur, Außenhaftung von DAOs, passim; Mienert, DAOs und Gesellschaftsrecht, S. 80 ff.; Mann, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 17 Rn. 6 ff.; Fleischer, ZIP 2021, 2205, 2206 ff.; Langheld/Haagen, NZG 2021, 724, 725 ff.; Mann, NZG 2017, 1014, 1016 ff.; Schwemmer, AcP 221 (2021), 555, 566 ff.; Spindler, RDi 2021, 309, 311 ff. 95 Erste Implementierungsansätze auf Grundlage eines reputationsbasierten Modells formuliert Kaal, Reputation As Capital, S. 1 ff.
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
3. Typologische Eingrenzung Die bei einem ICO emittierten Token zeichnen sich durch erheblichen Variantenreichtum aus. Mangels gesetzlicher Typisierung hat sich in der Aufsichtspraxis96 sowie in der Literatur97 eine Einteilung in drei idealtypische Kategorien etabliert.98 Die Taxonomie orientiert sich an der wirtschaftlichen Funktion der Einheiten bzw. daran, was sie repräsentieren.99 Unterscheiden lassen sich Currency Token (a)), Utility Token (b)) sowie Security Token (c)). Die Einteilung erhebt weder den Anspruch, abschließend zu sein, noch lässt sie angesichts der hybriden Natur zahlreicher Instrumente eine trennscharfe Klassifizierung zu.100 Einen Mehrwert bietet die typologische Betrachtung dennoch insofern, als sie hilft, die für die Untersuchungsfrage relevanten Token-Arten zu identifizieren. Zwar finden im Zusammenspiel mit Venture Capital-Finanzierungen durchaus verschiedene Erscheinungsformen Verwendung.101 Alle erdenklichen Token-Gestaltungen zu Venture Capital in Relation zu setzen, würde den Rahmen dieser Arbeit aber ersichtlich sprengen. Um die zentralen Regulierungsprobleme offenzulegen, beschränkt sich die weitere Untersuchung daher auf die Token-Typen, deren Interaktionspotenzial mit klassischen Formen der Wagnisfinanzierung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise besonders ausgeprägt erscheint. Wechselwirkungen in diesem Sinne ergeben sich vor allem dort, wo Venture Capital und ICOs trotz struktureller Unterschiede die Kapitalbeschaffung unter vergleichbaren Vorzeichen ermöglichen und so ein parallel gelagertes Regulierungsbedürfnis hervorrufen.
96 BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 16. 8. 2019, S. 5 f. 97 Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 281; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.26 ff.; Schäfer/Eckhold, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 16a Rn. 28 ff.; Spindler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 25 Rn. 4 ff.; Varmaz/Varmaz/Günther u. a., in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 1 Rn. 39 ff.; Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 197 f. (2020); Grieger/Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 407 ff.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 652 f.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 92 f.; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1155; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 348 f.; Zickgraf, AG 2018, 293, 295 ff. 98 Gleichwohl kann bislang von einer einheitlichen Terminologie und Gruppenbildung keine Rede sein. Mit Abweichungen im Detail etwa Wolf, Initial Coin Offerings, S. 48 ff.; Barsan, RTDF 2017, 54, 56 ff.; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279 f. 99 Koch, ZBB 2018, 359, 360 f. Dagegen mit einem zweigliedrigen marktorientierten Ansatz, Annunziata, ECFR 2020, 129, 142 ff. 100 Vgl. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.33; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 649; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 349. 101 Interview vom 1. 3. 2022.
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand
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a) Currency Token Als Currency Token bezeichnet man virtuelle Einheiten, die als vertragliches Zahlungsmittel eingesetzt werden können, ohne eine darüber hinaus gehende Funktionalität zu vermitteln.102 Zu ihnen zählen Kryptowährungen wie Bitcoin, Bitcoin Cash und Litecoin. Nach verbreiteter Auffassung erfüllen sie zwar die ökonomischen Funktionen von Geld.103 Den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels kann gem. § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG, Art. 10 S. 2, 11 S. 2 Euro-EinführungsVO104 aber einzig Euro-Bargeld für sich beanspruchen.105 Gläubigern steht es demnach frei, Currency Token zur Erfüllung einer geschuldeten Geldleistung zu akzeptieren.106 Soweit einzelne Plattformanbieter wie Lieferando ebendies tun,107 liegt dem eine entsprechende Parteiabrede zu Grunde.108 Die Möglichkeit, Currency Token als privates Zahlungsmittel einzusetzen, spielt in der wirtschaftlichen Realität indes nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten Netzwerkteilnehmer erwerben und halten Kryptowährungen, weil sie auf Kursgewinne spekulieren.109 Der Wert des „digitalen Goldes“110 hängt dabei ausschließlich von der marktseitigen Nachfrage ab, weist also keinen Bezug zu Gütern oder Rechten jenseits der Blockchain auf.111 Currency Token werden typischerweise emittiert, um 102
Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 652; Zickgraf, AG 2018, 293, 296. Omlor, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 33 Rn. 1 ff.; Spiegel, Virtuelles Geld, S. 27 ff.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 223 ff.; Lerch, ZBB 2015, 190, 199; Spindler/Bille, WM 2014, 1357, 1361; a. A. Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 80 ff.; Langenbucher, AcP 218 (2018), 385, 394 ff. 104 Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. 5. 1998 über die Einführung des Euro, ABl. L 139, S. 1. 105 Als erster Staat hat dagegen El Salvador die Kryptowährung Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel zugelassen, s. hierzu die Berichterstattung unter: https://tinyurl.com/2p8ny585. 106 Bela, Coin-Kredite, S. 83 f.; Omlor, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 33 Rn. 15; Spiegel, Virtuelles Geld, S. 23 f.; Beck, NJW 2015, 580, 581; Beck/König, JZ 2015, 130, 135; Omlor, ZHR 183 (2019), 294, 311 ff.; Spindler/Bille, WM 2014, 1357, 1360. 107 Vgl. die Angaben auf https://tinyurl.com/2utuvwf3; auf die eingeschränkte Akzeptanz von Kryptowährungen hinweisend Wolf, Initial Coin Offerings, S. 49; Klöhn/Parhofer, ZIP 2018, 2093, 2094. 108 Omlor, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 33 Rn. 17; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 49. 109 Beck/König, AcP 215 (2015), 655, 667; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 70; Ekkenga, CR 2017, 762, 765; Klöhn/Parhofer, ZIP 2018, 2093, 2094. Zur Verwendung von Kryptowährungen als Spekulationsinstrument im Lichte der ausgeprägten Kursvolatilität: Gaberle/ Kühn, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 4 Rn. 3 ff.; Gschnaidtner, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2 Rn. 8 ff. 110 Zickgraf, AG 2018, 293, 296. 111 Vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 70; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279. Etwas anderes gilt für sog. Stable Coins. Solche Einheiten dienen zwar ebenfalls als virtuelle Zahlungsmittel, sind aber wertmäßig an eine Referenzgröße, z. B. eine Fiat-Währung, gekoppelt, s. Diehl, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 2 Rn. 29 ff.; Gschnaidtner, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2 Rn. 76. 103
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eine neuartige Kryptowährung in den Markt einzuführen und die Entwicklung der zugrundeliegenden Blockchain zu finanzieren. So hat etwa die Ethereum Foundation die ersten Einheiten der Kryptowährung Ether im Tausch gegen Bitcoins im Wert von ca. 18,4 Millionen USD freigesetzt.112 Von der Wagnisfinanzierung mit Venture Capital unterscheidet sich die Ausgabe von Currency Token ersichtlich schon dadurch, dass Investoren nicht am wirtschaftlichen Erfolg des kapitalsuchenden Emittenten partizipieren, sondern auf die positive Wertentwicklung eines knappen Gutes, den Currency Token, spekulieren. Ob sich diese Erwartung erfüllt, hängt weniger von den fortgesetzten Anstrengungen der Gründer ab als von der trendanfälligen Nachfrage auf einschlägigen KryptoHandelsplätzen.113 Das für Venture Capital charakteristische Bedürfnis, Informationsdefizite auf Seiten der Investoren auszugleichen, kommt bei Currency Token Sales ebenfalls nicht in vergleichbarer Weise zum Tragen. Denn die Programmierung des Blockchain-Protokolls ist regelmäßig quelloffen und für die Anleger somit völlig transparent. Der Open Source-Charakter bedingt zudem, dass hinter der Weiterentwicklung der Blockchain häufig keine Gewinnziele verfolgende Entität, sondern ein dezentral organisiertes Netzwerk überwiegend ehrenamtlich engagierter Entwickler steht.114 Das wirft zwar diffizile Fragen nach den Governance-Strukturen solcher Communities auf.115 Mit dem Prinzipal-Agent-Verhältnis, das die Beziehung von Gründern und Venture Capital-Gebern kennzeichnet,116 sind diese Strukturen aber nicht vergleichbar. Auch die potentiellen Einsatzbereiche der Finanzierungsformen unterscheiden sich. Während Venture Capital als Kapitalquelle grundsätzlich branchenunabhängig in Betracht kommt, steht die Emission von Currency Token lediglich den Initiatoren und Entwicklern neuartiger Blockchains als Finanzierungsmethode zur Verfügung. Danach ist festzuhalten, dass sich die Vorzeichen einer Finanzierung durch einen Currency Token Sale grundlegend von denen einer konventionellen Wagnisfinanzierung unterscheiden. Weder teilen die Finanzierungsarten vergleichbare Regu112 Buterin, Launching the Ether Sale, 22. 7. 2014, online abrufbar unter: https://blog.ether eum.org/2014/07/22/launching-the-ether-sale/. Vgl. auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 29; Barsan, RTDF 2017, 54. 113 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 127. Zu den Einflussfaktoren der Kursvolatilität von Kryptowährungen aus empirischer Perspektive Hönig, ICO und Kryptowährungen, S. 87 ff.; Sobetov, 2 JEFA 1 (2018). 114 Vgl. Hacker, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 140, 144 f. sowie im Hinblick auf DAOs Schwemmer, AcP 221 (2021), 555, 592. 115 Vgl. hierzu Hacker, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 140 ff.; Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 42 ff.; Chiu/Lim, 18 Berkeley Bus. L. J. 1, 28 f. (2021); Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 67 ff.; vgl. ferner mit dem Versuch einer gesellschaftsrechtlichen Verortung Denga, ZBB 2022, 298, 306 ff.; Schwintowski/Klausmann/Kadgien, NJOZ 2018, 1401 ff. 116 S. hierzu unter B.
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lierungsziele noch stehen sie hinsichtlich der in Betracht kommenden Finanzierungsanlässe in einem naheliegenden Alternativverhältnis. Das rechtfertigt es, solche Token-Emissionen von der weiteren Untersuchung auszuschließen. b) Utility Token Während des ICO-Hypes emittierten kapitalsuchende Unternehmen bevorzugt Utility Token, nicht selten in der – vielfach unbegründeten – Erwartung, auf diese Weise einer drohenden Prospektpflicht zu entgehen.117 Utility Token sollen die Inhaber gegenüber dem emittierenden Unternehmen zu einer Sach- oder Dienstleistung berechtigen.118 Im Verhältnis zum Emittenten dienen die Token als Legitimationsnachweis, fungieren also als eine Art „digitaler Gutschein“.119 Die inhaltliche Ausformung der verkörperten Ansprüche fällt dabei in den weiten Bereich privatrechtlicher Gestaltungsfreiheit, was in der Praxis zu entsprechendem Variantenreichtum geführt hat.120 In einem verbreiteten Anwendungsszenario vermitteln Utility Token Nutzungsansprüche in Bezug auf eine vom Emittenten betriebene oder noch zu entwickelnde Plattform.121 Diese Gestaltung ermöglicht es den Betreibern, die Token so in das Geschäftsmodell zu integrieren, dass sie für einen Teil der Nutzer einen ökonomischen Anreiz darstellen, sich in dem Netzwerk zu engagieren. Das Beispiel des zur Zeit der Abfassung in der Testphase befindlichen Filecoin-Projekts mag dieses Konzept veranschaulichen:122 Filecoin-Token berechtigen zur Nutzung von Speicherplatz, den andere Teilnehmer auf einer dezentralen Plattform zur Verfügung stellen. Hierfür werden die zum Netzwerk beisteuernden Nutzer mit Token belohnt, was sie zu weiteren Beiträgen animieren soll. Gelingt dies, steigt die Attraktivität des Netzwerks für Speicherplatz nachfragende Nutzer und damit der Wert der zur Plattformnutzung erforderlichen Token. Das wiederum macht es umso lukrativer, weiteren Speicherplatz zum Netzwerk beizutragen. Die Wertsteigerungen, die von dieser Wechsel-
117 Vgl. Robinson II., 85 Tenn. L. Rev. 897, 950 (2018); Weitnauer, BKR 2018, 231, 232. Zur umstrittenen Frage, unter welchen Umständen Utility Token als prospektpflichtige Wertpapiere qualifizieren, s. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 129 f.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 673 ff.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 102 f.; Spindler, WM 2018, 2109, 2112 f.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 363 f.; Zickgraf, AG 2018, 293, 303 ff. 118 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.29; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 49 f.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 92. 119 Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279; Weitnauer, BKR 2018, 231, 232. 120 Zu möglichen Gestaltungen Wolf, Initial Coin Offerings, S. 49 ff. 121 Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279; Koch, ZBB 2018, 359, 361; Zickgraf, AG 2018, 293, 296. 122 Vgl. das White Paper vom 19. 7. 2017, „Filecoin: A Decentralized Storage Network“, abrufbar unter: https://filecoin.io/filecoin.pdf, S. 4.
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
wirkung, dem sog. positiven Netzwerkeffekt, ausgehen, können die Token-Inhaber am Sekundärmarkt kapitalisieren.123 Daran zeigt sich nicht nur das operative Potential von Utility Token,124 sondern auch ihr oftmals hybrider Charakter. Denn neben einer wie auch immer gearteten Funktionalität vermitteln am Sekundärmarkt handelbare Utility Token stets auch eine Chance auf Veräußerungsgewinne.125 Gerade wenn sich die vom Emittenten in Aussicht gestellte Gegenleistung noch in der Entwicklung befindet, ergeben sich Wertsteigerungspotentiale, welche die Konsumfunktion der Token in den Hintergrund treten lassen und sie stattdessen in die Nähe traditioneller Investitionsinstrumente rücken.126 Wie sich die Nachfrage nach den virtuellen Einheiten auf dem Sekundärmarkt entwickelt, hängt dabei anders als bei Currency Token maßgeblich von den Anstrengungen des emittierenden Unternehmens bzw. der dahinter stehenden Personen ab.127 Die Investoren müssen sich darauf verlassen, dass die Gründer das ihrerseits Mögliche zum Erfolg des finanzierten Projekts beitragen. Damit erinnert das Verhältnis von Gründern und Token-Investoren an die für Venture Capital-Finanzierungen typische Gemengelage. Das Informationsbedürfnis der Anleger bezieht sich bei Utility Token allerdings im höheren Maße als bei Venture Capital-Finanzierungen auf das Produkt als solches.128 Dieser Aspekt wirkt sich zwar auch auf die Risikobewertung eines Venture Capital-Investments aus. Für die Wagniskapitalgeber steht dabei jedoch die mit einer Beteiligung verbundene Ertragsprognose im Vordergrund, die vom wirtschaftlichen Erfolg des finanzierten Unternehmens abhängt. Die Nachfrage nach dem Produkt oder der Dienstleistung, das bzw. die der Geschäftsidee zugrunde liegt, stellt hierfür einen bedeutenden, keineswegs jedoch den einzig maßgeblichen Faktor dar. Demnach lassen Utility Token Sales zwar ein mit Venture Capital-Finanzierungen im Ausgangspunkt vergleichbares Regulierungsbedürfnis erwarten. Dieses zeichnet sich indes durch einen starken Produktbezug aus und deckt sich insofern nur teilweise mit dem unternehmensbezogenen Blickwinkel einer Finanzierung durch Risikokapital. Das erwartbare Maß an Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen den Kapitalbeschaffungsmethoden ist zudem a priori dadurch limitiert, dass Utility 123 Zum Ganzen Wolf, Initial Coin Offerings, S. 50 f.; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 70 f.; Catalini/Gans, 63 COMMUN ACM 80, 87 (2020); Chatard/Mann, NZG 2019, 567; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 93 f.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 349. 124 Manche Autoren stellen die Sinnhaftigkeit eines ICO jenseits dieses Anwendungsfalls sogar gänzlich in Frage, vgl. Hahn/Wons, ICO, S. 4. 125 Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 653; Rohr/Wright, 70 Hastings L. J. 463, 479 (2019); Zickgraf, AG 2018, 293, 296. 126 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 69; Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 568; Zickgraf, AG 2018, 293, 296. 127 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 127; Zickgraf, AG 2018, 293, 296. 128 Vgl. im kapitalmarktrechtlichen Kontext: Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 568; Hacker/ Thomale, ECFR 2018, 645, 674; Weitnauer, BKR 2018, 231, 232; Zickgraf, AG 2018, 293, 304.
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand
43
Token-Emissionen nur im Zusammenhang mit Geschäftsmodellen in Betracht kommen, die für den Sekundärmarkt geeignete Produkte oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Venture Capital ermöglicht eine Finanzierung dagegen auch jenseits typischer Konsum- und Massenmärkte.129 Im Hinblick auf die Untersuchungsfrage eignen sich Utility Token insofern nur bedingt als Analysegegenstand. c) Security Token Security Token130 dienen ihren Inhabern in zweifacher Hinsicht als Kapitalanlage.131 Zum einen vermitteln sie gegenüber dem Emittenten einen dividendenähnlichen Anspruch auf zukünftige Zahlungen in staatlichen oder virtuellen Währungen.132 Die Höhe der Kapitalzuflüsse richtet sich dabei typischerweise nach dem wirtschaftlichen Erfolg des finanzierten Unternehmens.133 Zum anderen können Token-Halter Wertsteigerungen am Sekundärmarkt realisieren.134 Funktionell erinnert die Token-Klasse damit an traditionelle Wertpapiere. Innerhalb der Kategorie der Security Token lässt sich weiter danach unterscheiden, ob mit den Einheiten lediglich die (erfolgsabhängige) Verzinsung des eingesetzten Kapitals verbunden ist oder ob sie darüber hinaus Mitverwaltungsrechte einräumen.135 aa) Debt Token Virtuelle Einheiten der ersten Untergliederung, sog. Debt Token, repräsentieren (Rück-)Zahlungsansprüche auf schuldrechtlicher Grundlage. Irreführend ist die Bezeichnung als „Debt“ Token insofern, als sie keineswegs nur Fremdkapitalinstrumente repräsentieren, sondern häufig ein mezzanines Gepräge aufweisen.136 Als 129 Vgl. zur Verteilung von Venture Capital-Investments nach Branchen in Europa die statistische Aufbereitung unter: https://tinyurl.com/yc5y7tkz. 130 Teils werden mit Abweichungen um Nuancen auch die Begriffe „Investment Token“ und „Finanzierungs-Token“ verwendet, vgl. Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117; Weitnauer, BKR 2018, 231, 232. 131 Vgl. Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280. 132 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 52; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 653; Klöhn/ Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 92; Weitnauer, BKR 2018, 231, 232; Zickgraf, AG 2018, 293, 295. 133 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 69; Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1743 (2022); Koch, ZBB 2018, 359, 361; Zickgraf, AG 2018, 293, 295. 134 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 47; Hildner/Danzmann, CF 2017, 385, 389; Krüger/ Lampert, BB 2018, 1154, 1155. 135 Ähnlich Wolf, Initial Coin Offerings, S. 53 f.; Grieger/Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 409; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1155; abweichende Nomenklatur bei Ribak, STOs, S. 93 ff. 136 Vgl. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.186; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 53 f., 276. Zur näheren dogmatischen Einordnung s. 4. Kap. A.II.2.a). Auf die sachlich naheliegende Bezeichnung als „Mezzanine-Token“ wird zur Vermeidung der weiteren begrifflichen Zersplitterung verzichtet.
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
Beispiel für diese Token-Art lässt sich der „BB1-Token“ der Darlehnsvermittlungsplattform Bitbond anführen. BB1-Token repräsentieren Schuldverschreibungen, die neben einem Basiszins eine variable Verzinsung abhängig vom Vorsteuergewinn des finanzierten Unternehmens gewähren. Der in einer Kryptowährung auszuzahlende Zinsanspruch ist mit einem qualifizierten Rangrücktritt gem. § 39 Abs. 2 InsO versehen und geht für die Anspruchsinhaber mit keinerlei organisatorischen Einflussmöglichkeiten einher.137 bb) Equity Token Solche Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmensgeschicke eröffnen Equity Token. Sie ergänzen den Gewinnbeteiligungsanspruch um Stimm-, Vorschlags- und Informationsrechte, die typischen Gesellschafterrechten entsprechen oder nachempfunden sind.138 Das konkrete Ausmaß der zugestandenen Mitwirkung hängt dabei von der zugrundeliegenden Rechtsbeziehung ab. Insoweit lassen sich „echte“ und „unechte“ Equity Token unterscheiden. Echte Equity Token verkörpern die mitgliedschaftliche Beteiligung an einem Verband, bilden also beispielsweise GmbH-Anteile oder Aktien ab.139 Die mit dem Token verbundenen Rechte ergeben sich in diesem Fall unmittelbar aus Gesetz und Satzung. Da die Tokenisierung des Gesellschaftskapitals im deutschen Aktien- und GmbH-Recht de lege lata noch näher zu erläuternden Hindernissen begegnet,140 haben sich echte Equity Token in der Finanzierungspraxis bislang nicht durchgesetzt.141 Andere Jurisdiktionen wie der U.S.-Bundesstaat Delaware142, Polen143 und die Schweiz144 ermöglichen die Emission von tokenisierten Gesellschaftsanteilen dagegen schon heute. Um die angedeuteten gesellschaftsrechtlichen Hürden zu umgehen, bedienen sich einige Emittenten unechter Equity Token145, die sich dadurch auszeichnen, dass sie gesellschaftertypische Verwaltungsrechte auf schuldrechtlicher Grundlage nach137 Vgl. Wertpapierprospekt der Bitbond Finance GmbH v. 30. 1. 2019, abrufbar unter: https://www.bitbondsto.com/files/bitbond-sto-prospectus-de.pdf, S. 9. 138 Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1155. 139 Vgl. Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 204; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 54 f.; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280; Langenbucher, AcP 218 (2018), 385, 421; Weitnauer, BKR 2018, 231, 232. 140 S. hierzu 4. Kap. A.III.1. 141 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 55; Borkert, ITRB 2018, 91, 93; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 15; Koch, ZBB 2018, 359, 364 f.; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1156. 142 Hierzu Song, 8 Hav. Bus. L. Rev. Onl. 9 (2017); Strassman, 37 RBFL 166 (2017). 143 Hierzu Weber-Elz˙anowska/Dybin´ski, BKR 2021, 292 ff. 144 Hierzu Weber, RDi 2021, 186 ff. 145 Mitunter ist auch von „gesellschafterähnlichen Token“ die Rede, s. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 286.
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand
45
bilden.146 In diesem Zusammenhang kommt z. B. der Einsatz einer stillen Gesellschaft in Betracht.147 Je nach vertraglicher Ausgestaltung können die Token Kontrolloder Mitbestimmungsmöglichkeiten einräumen, die von Auskunftsrechten gegenüber der Unternehmensleitung bis hin zu projektbezogenen Stimmrechten reichen.148 So wirbt etwa die liechtensteinische edeXa AG mit einem nicht näher spezifizierten Vorschlagsrecht, das Token-Inhaber über ein Feedback-Tool ausüben können sollen.149 cc) Interaktionspotential mit Venture Capital Unabhängig von der soeben vorgenommenen Untergliederung lässt sich festhalten, dass die Kapitalaufnahme im Wege eines Security Token Offerings (STO) aus wirtschaftlichem Blickwinkel augenfällige Parallelen zu einer herkömmlichen Venture Capital-Finanzierung aufweist.150 Gewiss richten sich Token-Emissionen primär an die Anlegeröffentlichkeit, während Risikokapitalanlagen traditionell einem kleinen Kreis spezialisierter Investoren vorbehalten sind. Doch lässt man diesen strukturellen Unterschied einmal außen vor, leuchtet unmittelbar ein, dass Token-Investoren ebenso wie Venture Capital-Geber auf die unternehmerischen Fähigkeiten und Anstrengungen der Gründer angewiesen sind.151 Beiden Finanzierungsmethoden ist eine Prinzipal-Agent-Konstellation inhärent. Zudem hängen die Ertragsaussichten eines Venture Capital-Investments und die Rentabilität einer Token-Investition gleichermaßen vom wirtschaftlichen Erfolg des finanzierten Unternehmens ab. Dementsprechend bezieht sich das Informations- und Einwirkungsinteresse der Kapitalgeber anders als bei der Emission von Utility Token auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmung im Ganzen und nicht bloß auf die Attraktivität des zu entwickelnden Produkts bzw. der angebotenen Dienstleistung. Die Konzentration der Finanzierungsmethoden auf die wirtschaftliche Ertragsfähigkeit des kapitalsuchenden Unternehmens macht sie zudem unabhängig von konsumorientierten Geschäftsmodellen. Solange in Bezug auf die zu finanzierenden Projekte nur die Möglichkeit der Gewinnerzielung besteht, kommen Token Sales und Venture Capital als universelle Mittel der Früh- und Wachstumsphasenfinanzierung grundsätzlich in Betracht. Im höheren Maße als die Emission von Utility Token stehen STOs mithin zu Venture Capital-Finanzierungen in einem Alternativverhältnis. Dieser Umstand sowie die aufgezeigten Parallelen lassen Interaktionen
146 Vgl. ders., Initial Coin Offerings, S. 54; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1155; Matzke, Rethinking Law 1/2018, 44, 48; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 349. 147 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 288 f.; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 84 ff. 148 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 53. 149 edeXa Whitepaper, Version 1.1, abrufbar unter: https://edexa.io/WhitePaper_edeXa_ Vers01_1.pdf, S. 47 f. 150 Vgl. Weitnauer, BKR 2018, 231, 232 f. 151 Vgl. Fußwinkel/Kreiterling, BaFin Perspektiven 1/2018, 48, 65.
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
zwischen konventionellem Venture Capital und STOs am wahrscheinlichsten erscheinen. Die weitere Analyse konzentriert sich daher auf diese Token-Klasse.
B. Methodischer Ansatz der Arbeit Dieser Arbeit liegt ein funktionaler Ansatz zugrunde, der es unter Einbeziehung finanzierungstheoretischer Erkenntnisse ermöglichen soll, Gemeinsamkeiten in der rechtlichen Ausgestaltung und Wirkungsweise verschiedener Finanzierungsinstrumente sichtbar zu machen.152 Der entscheidende Vorteil dieser Perspektive besteht für die hiesigen Zwecke darin, dass materiellrechtliche Trennlinien und die tradierte Dichotomie von Fremd- und Eigenkapital den Blick auf funktionale Parallelen nicht versperren. Gleich welcher Methode sich die Gründer zur Kapitalbeschaffung bedienen, die Einbeziehung externer Investoren führt zu einem komplexen Interessengeflecht. Einige Merkmale haben Venture Capital und Token-Emissionen dabei in unterschiedlicher Ausprägung gemein. So besteht zwischen Gründern und Kapitalgebern jeweils eine Prinzipal-Agent-Konstellation, im Rahmen derer sich die Handlungen des einen (des Agenten) auf die Wohlfahrt des anderen (des Prinzipals) auswirken.153 Zudem sind die für die Handlungsoptionen der Kapitalgeber maßgeblichen Informationen asymmetrisch verteilt, wodurch sich für die Finanzierungsempfänger die Möglichkeit eröffnet, die Risikoverteilung nachträglich zu modifizieren.154 Um die Konsequenzen dieser Realbedingungen im Detail zu würdigen, bedient sich die Arbeit der Erklärungsansätze der Neuen Institutionenökonomik. Das Theorienmodell erscheint für die ökonomische Analyse im hiesigen Kontext geradezu prädestiniert, weil es zwei in der Wagnisfinanzierung besonders präsente Probleme in den Vordergrund rückt: Einerseits sind die Teilnehmer des Finanzierungsmarktes nur begrenzt rational, anderseits tendieren sie dazu, sich eigennützig zu verhalten.155 Die Einbeziehung dieser Unvollkommenheiten ermöglicht es, Funktionsdefizite im Rahmen der Kapitalbereitstellung zu identifizieren und Gegenstrategien zu entwickeln. Übergeordnetes Ziel der Neuen Institutionenökonomik ist es dabei, die investitionsbegleitenden Kosten so gering wie möglich zu halten.156
152
Zum funktionalen Ansatz im Recht der Unternehmensfinanzierung s. Mäntysaari, The Law of Corporate Finance, S. 6 f. sowie im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 7 ff.; Eidenmüller, ZGR 2007, 484, 486. 153 Vgl. grundlegend Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305 (1976) sowie speziell zu Venture Capital Schefczyk, Venture Capital, S. 49 ff. Ausführlich hierzu noch 3. Kap. C.II. 154 Vgl. mit Blick auf VC-Finanzierungen Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 158. 155 S. ausführlich zur Neuen Institutionenökonomik mit Hinweisen zur Methodenkritik am Anfang vom 3. Kap. 156 Vgl. unter Bezug auf die Transaktionskostenökonomik Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 194 ff.
C. Gang der Untersuchung
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Um im Rahmen der Analyse nicht nur theoretisch fundiert, sondern auch praktisch informiert vorgehen zu können, ist ein fortwährender Realitätsabgleich mit der oben skizzierten Marktentwicklung erforderlich. Entsprechende Einblicke gewähren die im Vorfeld eines STOs veröffentlichten Emissionsmaterialien, z. B. Whitepapers und Wertpapierprospekte. Weitere Schlaglichter auf das Marktgeschehen ergeben sich aus der empirischen Forschung, aus der Wirtschaftspresse sowie aus den öffentlichen Äußerungen von Venture Capital-Akteuren, die sich im Untersuchungsumfeld betätigen.157 Einen Teil seiner Erkenntnisse über die Finanzierungspraxis verdankt diese Arbeit außerdem einem etwa einstündigen Interview mit dem Investment Manager einer solchen Venture Capital-Firma.158
C. Gang der Untersuchung Die weitere Untersuchung gestaltet sich wie folgt. Das zweite Kapitel widmet sich den technischen und rechtlichen Grundlagen eines STO und erläutert den Ablauf einer Emission. Dazu beleuchtet es zunächst die Funktionsweise der Blockchain-Technologie und wendet sich sodann Token und Smart Contracts als zentralen Elementen der Finanzierungsmethode zu. Da sich Token Sales vor allem durch die Existenz eines Sekundärmarktes von anderen Formen der Wagnisfinanzierung unterscheiden, liegt ein Untersuchungsschwerpunkt auf der zivilrechtlichen Einordnung von Token-Transaktionen. Zusammen mit den regulatorischen Rahmenbedingungen bilden sie die juristische Kulisse für ein Security Token Offering. Im dritten Kapitel werden im Wege der ökonomischen Analyse die Ursachen für das rasante Wachstum und den jähen Einbruch des Token-Marktes aufgezeigt. Dabei sind aus dem Blickwinkel der Neuen Institutionenökonomik einerseits die Potenziale, andererseits die Hemmfaktoren der Finanzierungsmethode in den Blick zu nehmen. Hiervon ausgehend kann das Verhältnis von Token-basierter und traditioneller Wagnisfinanzierung im sich wandelnden Marktumfeld nachvollzogen werden. Das vierte Kapitel bildet das „Herzstück“ der Arbeit. Anknüpfend an die Ergebnisse des ökonomischen Untersuchungsteils stellt es das Zusammenspiel von 157 Ihre Einschätzung bezüglich des Zusammenspiels von Venture Capital und Token Sales gaben z. B. mehrere Branchenvertreter im Rahmen einer von der International Token Standardization Association (ITSA) veranstalteten Online-Diskussionsrunde ab, s. ITSA Panel: Venture Capital in Blockchain, in voller Länge abrufbar unter: https://www.youtube.com/ watch?v=tUHfFxOcvg0. 158 Das Gespräch fand am 1. 3. 2022 in Berlin statt (zitiert: „Interview vom 1. 3. 2022“). Es handelte sich nicht um ein strukturiertes Interview nach den Anforderungen und Standards der sozialwissenschaftlichen Forschung. Stattdessen wurde ein halboffenes Format gewählt, das zwar auf vorbereiteten Fragen basierte, im Übrigen aber von der konkreten Gesprächsentwicklung abhing.
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1. Kap.: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung?
Token Sales und Venture Capital in den Vordergrund. Dazu geht es in einem ersten Schritt der Frage nach, welche Gestaltungsanforderungen sich aus der komplexen Interessenstruktur einer VC-finanzierten Unternehmung ableiten lassen. Auf dieser Grundlage soll ermittelt werden, welche Arten von Security Token dem besagten Anforderungsprofil entsprechen und wie sie rechtlich einzuordnen sind. Der damit verbundene Erkenntnisgewinn ermöglicht es, das funktionale Zusammenwirken der Finanzierungsarten zu konkretisieren. Zudem können die Gestaltungsmittel identifiziert werden, derer es bedarf, um Token Sales interessengerecht in das Finanzierungsgefüge einzubinden. Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang dem praktischen Bedürfnis, die Finanzierungsbedingungen an sich wandelnde Gegebenheiten anzupassen. Der letzte Untersuchungsabschnitt widmet sich sodann dem Anlegerschutz von Token-Investoren. Das bietet u. a. Gelegenheit zu der Frage, ob die Schutzmechanismen der Venture Capital-Praxis auch im Zusammenhang mit Token-basierten Finanzierungen fruchtbar gemacht werden können. Das fünfte Kapitel schließt die Untersuchung mit einer Zusammenfassung ab.
2. Kapitel
Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales Die Blockchain-Technologie bildet das informationstechnische Fundament für Token Sales. Sie erlaubt Nutzern, digitale Werte und Informationen ohne die Einschaltung von Intermediären global zu transferieren. Ideengeber(in)1 Satoshi Nakamoto hat mit dem Bitcoin-Whitepaper im Jahr 2008 den Grundstein für diese Entwicklung gelegt.2 In ihrer ursprünglichen Ausprägung sollte die Blockchain den Austausch von Kryptowährungen in einem Peer-to-Peer-Netzwerk ermöglichen und auf diese Weise eine Umwälzung des konventionellen Zahlungsverkehrs herbeiführen.3 Herkömmliche Transaktionsräume kranken Nakamoto zufolge am Misstrauen der Systemteilnehmer untereinander. Dieses Misstrauen konnte bislang nur mit Hilfe von Finanzinstitutionen überwunden werden, die als vertrauenswürdige Zentralinstanzen zwischen die Parteien treten.4 Der Umweg über derartige Intermediäre verursacht jedoch zusätzliche Transaktionskosten.5 Nach Auffassung libertärer und cyber-anarchischer Strömungen, die als ideologische Wiege der virtuellen Währung gelten,6 eröffnet der Zugriff auf die zentralen Stellen des Systems zudem ein Einfallstor für unerwünschte Dritteinflüsse, wodurch das System als solches korrumpiert werde.7 Die Bitcoin-Blockchain verspricht eine Lösung für das Vertrauensproblem im Zahlungsverkehr: „[A]n electronic payment system based on cryptographic proof instead of trust, allowing any two willing parties to transact directly with each other without the need of a trusted third party.“8 Das Vertrauen der Blockchain-Nutzer in das System soll dabei das Misstrauen gegenüber den individuellen Transaktionsparteien kompensieren, sodass eine zentrale Stelle entbehrlich wird.9 1
„Satoshi Nakamoto“ ist ein Pseudonym. Welche Person oder Personengruppe sich hinter dem Alias verbirgt, ist bis heute unbekannt, vgl. Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 4. 2 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System. 3 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 1. 4 Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 59. 5 Vgl. Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 1; Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 510 (2018). Ausführlich hierzu 3. Kap. B.I.2. 6 Chohan, Cryptoanarchism and Cryptocurrencies, S. 1 ff.; Ekkenga, CR 2017, 762, 763 ff. 7 Vgl. May, The Crypto Anarchist Manifesto; Dai, B-money. 8 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 1. 9 Tapscott/Tapscott, Blockchain Revolution, S. 5; Catalini/Gans, 63 COMMUN ACM 80, 84 (2020); Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 57; Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 508 (2018).
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Die explosionsartige Verbreitung von Bitcoin hat Nachahmer motiviert, eine Vielzahl von Einsatzbereichen der Grundlagentechnologie im privatwirtschaftlichen Bereich sowie im öffentlichen Sektor zu erschließen.10 Der Erfolg der Technologie ist dabei von zwei Faktoren entscheidend begünstigt worden. Zum einen koinzidierte die Geburtsstunde der ersten Blockchain im Januar 2009 mit einer globalen Finanzund Bankenkrise, die das Vertrauen in zentrale Finanzintermediäre tiefgreifend erschütterte.11 Zum anderen wurde das Protokoll der Bitcoin-Blockchain als OpenSource-Software veröffentlicht, sodass Entwickler auf den Quellcode uneingeschränkt zugreifen und diesen modifizieren konnten.12 Sämtliche heute existierenden Blockchains einschließlich der Ethereum-Blockchain, auf der inzwischen die meisten ICOs basieren,13 lassen sich somit auf die ursprüngliche Konzeption der Bitcoin-Blockchain zurückführen. Für die juristische Auseinandersetzung mit ICOs ist das Verständnis der zugrundeliegenden Technologie unerlässlich. Im Folgenden ist daher zunächst auf die Funktionsweise einer allgemein zugänglichen Blockchain einzugehen (A.). Deren Potential im Finanzierungszusammenhang zeigt sich in der Möglichkeit, Güter und Ansprüche jedweder Art in digitaler Form abzubilden und zu übertragen. Möglich macht das der Einsatz von Token, die als virtuelle Wertmarken fungieren (B.). Transaktionsbezogene Prozesse lassen sich auf der Blockchain zudem mit Hilfe von Smart Contracts automatisieren (C.). Beide Komponenten werfen nicht nur zivilrechtliche Fragen auf, sondern hängen auch unmittelbar mit den kapitalmarktrechtlichen Implikationen einer Token-Emission zusammen (D.). Ihre Verwendung prägt zudem den Ablauf der Blockchain-basierten Kapitalbeschaffung (E.).
A. Blockchain-Technologie Um das breite Anlegerpublikum zu erreichen, bedienen sich emittierende Unternehmen bei einem Token Sale zumeist einer frei einsehbaren, zugangsoffenen (public-permissionless) Blockchain, an der jedermann, der den Software-Client heruntergeladen hat, partizipieren kann.14 Von diesem „Grundtypus“ ist im Folgenden auszugehen, bevor alternative Konstruktionsvarianten in den Blick genommen werden. 10 Zur Adoption der Blockchain-Technologie in verschiedenen Lebensbereichen s. Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Rechtshandbuch Legal Tech, Abschnitt 4.1 Rn. 51 ff. 11 Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Rechtshandbuch Legal Tech, Abschnitt 4.1 Rn. 6; Spindler/Bille, WM 2014, 1357, 1358. 12 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 14; Tapscott/Tapscott, Blockchain Revolution, S. 6; Voshmgir, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 2 Rn. 26. 13 Hierzu noch ausführlich unter C.I. 14 Lee, 12 Hastings Bus. L.J. 81, 92 (2016). Zur Client- bzw. Wallet-Software bei Ethereum s. Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 41 ff.
A. Blockchain-Technologie
51
I. Mehrdeutigkeit des Blockchain-Begriffs Obwohl „die Blockchain“ auch im juristischen Schrifttum inzwischen in aller Munde ist,15 erfolgt die Umschreibung ihrer Funktionsweise mitunter stiefmütterlich.16 Zu unterscheiden ist zwischen einem engen Blockchain-Begriff, der sich auf die Datenstruktur bezieht, und der Blockchain als Sammelbegriff. 1. Blockchain als Datenstruktur Im engeren Sinne bezeichnet die Blockchain eine Methode, Daten unabhängig von ihrem Informationsgehalt miteinander in Beziehung zu setzen und zu ordnen.17 Dabei bildet ein nach vordefinierten Regeln zusammengestellter Datensatz einen „Block“. Jeder Block verweist mit Hilfe eines kryptographischen Referenzmechanismus – dem sog. hashing18 – unmissverständlich auf seinen Vorgänger (parent block). Hieraus ergibt sich eine Verkettung von Datenblöcken, die vom jüngsten bis zum ersten Datenblock einer Blockchain, den sog. genesis block, reicht.19 Dieser Blockkettenmechanismus ermöglicht es, Datenänderungen nachzuvollziehen. 2. Blockchain als Sammelbegriff Im weiteren Sinne steht der Begriff „Blockchain“ für die Zusammenfassung einer Reihe technologischer, spieltheoretischer und kryptographischer Einzelkomponenten zu einem Peer-to-Peer-System, in dem die Integrität von Datenveränderungen sichergestellt ist.20 Dieses extensive Verständnis ist dem Umstand geschuldet, dass Nakamotos innovative Leistung gerade darin besteht, zuvor isoliert betrachtete Ansätze wie die Zahnräder eines Uhrwerks zu einem komplexen System zusam15 Sogar in die juristische Ausbildungsliteratur hat das Thema Einzug gehalten, vgl. Paulus, JuS 2019, 1049 f. 16 Vgl. etwa Borkert, ITRB 2018, 39, 41, der – freilich aus Gründen der Vereinfachung, am Kern der Sache aber dennoch vorbeigehend – Blockchains als „besondere[…] Excel-Tabelle[n]“ charakterisiert. Die wenigen Jurisdiktionen, die sich an einer Legaldefinition versucht haben, konturieren den Bezugspunkt ihrer Gesetzgebung uneinheitlich, s. mit Beispielen Szostek, Blockchain and the law, S. 42 ff. 17 Drescher, Blockchain, S. 34; vgl. Grieger/von Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 399. Daten sind in einer maschinenlesbaren Sprache codierte Informationen, s. Zech, Information als Schutzgegenstand, S. 32 f. 18 S. Hierzu noch ausführlich A.III.1. 19 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 19; Grieger/von Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 399. 20 Dementsprechend „unhandlich“ fällt die Definition von Drescher (Blockchain, S. 35) aus: „The blockchain is a purely distributed peer-to-peer system of ledgers that utilizes a software unit that consists of an algorithm, which negotiates the informational content of ordered and connected blocks of data together with cryptographic an security technologies in order to achieve and maintain its integrity.“
52
2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
mengefügt zu haben.21 Der Blockkettenmechanismus ist nur eines dieser „Zahnräder“. Im Folgenden liegt der Verwendung des Begriffs „Blockchain“ das weite Verständnis als Sammelbegriff zugrunde, sofern auf eine abweichende Bedeutung nicht explizit hingewiesen wird.
II. Ziel: Integrität in verteilten Peer-to-Peer-Netzwerken Die Funktionsweise der einzelnen Komponenten einer public-permissionless Blockchain folgt aus deren Zweck, die Integrität eines Peer-to-Peer-Netzwerks zu gewährleisten. 1. Peer-to-Peer-Netzwerke Zur Implementierung eines Computersystems stehen im Ausgangspunkt zwei grundlegende Architekturen zur Verfügung, die das Zusammenspiel der Systemteilnehmer (sog. nodes) bestimmen.22 In einer zentralisierten Architektur sind alle nodes mit einem zentralen Knotenpunkt des Systems, dem Server, verbunden.23 Die Systemteilnehmer interagieren nur indirekt miteinander, wobei der Server als Mittler dient. Demgegenüber stehen die Mitglieder verteilter Netzwerke direkt oder indirekt miteinander in Verbindung, ohne dass ein allen gemeinsamer Server zwischen sie tritt, um ihre Interaktion zu koordinieren.24 Die computerwissenschaftliche Literatur erblickt im verteilten Informationsaustausch die nächste Evolutionsstufe des Internets, das sogenannte Web3.25 Peer-to-Peer-Netzwerke bilden eine Untergruppe dieser dezentralen Systeme.26 Die Nodes fungieren innerhalb des Netzwerks sowohl als Versorger als auch als Konsumenten. Einerseits stellen sie dem System ihre individuellen Rechenressourcen (z. B. Rechenleistung und Daten) zur Verfügung. Andererseits bedienen sie sich der zur Verfügung gestellten Ressourcen aller anderen Teilnehmer.27 21 Fill/Meier, Blockchain kompakt, S. 5; Grieger/von Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 397. Zu den Vorarbeiten und deren Bedeutung für die Entwicklung der Blockchain Narayanan/ Clark, 60 COMMUN ACM 36, 36 ff. (2017). 22 Vgl. Hasselbring, Software-Architektur, 22. 2. 2006, abrufbar unter: https://gi.de/informa tiklexikon/software-architektur. Im Folgenden steht der Begriff „node“ für einen durch das Internet mit dem System verbundenen Computer, der die Software einer Blockchain ausführt, vgl. Art. 2 Nr. 4 DLT-PilotVO. 23 Tanenbaum/van Steen, Distributed Systems, S. 36 ff. 24 Grundlegend Baran, CS-12 (1) IEEE Transactions on Communication Systems 1 (1964). S. auch Tanenbaum/van Steen, Distributed Systems, S. 43 ff. 25 Voshmgir, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 2 Rn. 21 ff. 26 Drescher, Blockchain, S. 14. 27 Tanenbaum/van Steen, Distributed Systems, S. 44.
A. Blockchain-Technologie
53
Abbildung 1: Zentrale und verteilte Netzwerktopologie nach Baran, CS-12 (1) IEEE Transactions on Communication Systems 1 (1964), Figure 1, hier in der geringfügig modifizierten Darstellung von Wiens, Keep IT Simple: Blockchain, https://www.sul.de/2018/01/19/keep-itsimple-blockchain/ (2018).
Das disruptive Potential von Peer-to-Peer-Netzwerken liegt in der Disintermediation, das heißt im systemimmanenten Wegfall der zentralen Knotenpunkte.28 Hiervon versprechen sich Befürworter einer derartigen Software-Architektur im Transaktionszusammenhang Effizienzsteigerungen, Zeit- und Kostenersparnisse.29 Darüber hinaus entfällt mit dem Intermediär die Achillesferse zentralisierter Architekturen, die von der Funktionsfähigkeit des Servers abhängen.30 Ein Peer-toPeer-Netzwerk bleibt vom Ausfall einzelner Nodes unberührt, da die betriebskritischen Ressourcen auf die Summe der Mitglieder verteilt sind.31 Peer-to-PeerNetzwerke gelten daher als weniger störungsanfällig als ihre zentralisierten Pendants. 2. Verwaltung von Informationsgütern Den prominentesten Anwendungsfall der Blockchain-Technologie bildet die Zuordnung von Informationsgütern.32 Ein Informationsgut ist nach der denkbar 28
Vgl. hierzu Schaffelhuber, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil I Rn. 10. Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 29 f.; Ribak, STOs, S. 25 ff.; Fairfield, 88 S. Cal. L. Rev. 805, 811 ff. (2015); Sorge/Krohn-Grimberghe, DuD 2012, 479, 482. 30 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 2. Die computerwissenschaftliche Literatur spricht vom „single point of failure“, vgl. Tanenbaum/van Steen, Distributed Systems, S. 254. Die Disintermediation unterscheidet Peer-to-Peer-Systeme u. a. vom sogenannten Cloud-Computing, bei dem ein zentraler Provider Computerressourcen (z. B. Speicherplatz oder Software) ortsungebunden über das Internet bereitstellt, Kaulartz, CR 2016, 474, 475. 31 Drescher, Blockchain, S. 12. 32 Ders., Blockchain, S. 35 ff. 29
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
weiten Definition von Shapiro/Varian „anything that can be digitized – encoded as a stream of bits“.33 Die rechtssichere Güterallokation ist ein zentrales Anliegen jeder marktwirtschaftlich strukturierten Gesellschaft.34 Traditionell greift der Rechts- und Wirtschaftsverkehr dazu auf Register zurück, die es ermöglichen, über relevante Austauschvorgänge Buch zu führen.35 Das Grundbuch etwa gibt über Liegenschaftsrechte, das Aktienregister über die Inhaberschaft an Aktien und das Patentregister über die Zuordnung geistigen Eigentums Aufschluss.36 So unterschiedlich die Bezugspunkte derartiger Register auch sein mögen, sie erfüllen doch den gleichen Zweck: Die Publizität der Einträge soll den Beweis über die Zuordnung rivalisierender Rechte ermöglichen und die Verkehrsteilnehmer so befähigen, rechtssicher über sie zu verfügen. Für die Richtigkeit des Registerinhalts ist typischerweise eine zentrale Stelle verantwortlich, die darüber entscheidet, ob und wie das Register fortgeschrieben wird. Auch bei den in der Blockchain gespeicherten Daten handelt es sich im Kern um Registereinträge, namentlich über die Inhaberschaft virtueller Einheiten, sog. Coins oder Token.37 Eine den Inhalt des Registers verwaltende Stelle existiert aufgrund der dezentralen Systemarchitektur nicht. Vielmehr ist eine Kopie des Registers bei jedem einzelnen node hinterlegt. Das Netzwerk ähnelt damit einem verteilten Kassenbuch, 33 Shapiro/Varian, Information rules, S. 3; zu weiteren Definitionsversuchen und mit einem eigenen differenzierenden Ansatz: Zech, Information als Schutzgegenstand, S. 49 ff. Nicht zu verwechseln sind Informationsgüter mit dem Rechtsbegriff „digitaler Inhalt“. Nach der Legaldefinition in § 327 Abs. 2 S. 1 BGB handelt es sich dabei um Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Trotz der Weite des Definitionswortlauts, der hinter demjenigen von Shapiro/Varian prima facie kaum zurückbleibt, wird die Einbeziehung von Token im Schrifttum angezweifelt, vgl. Fries, in: BeckOGK, § 327 BGB Rn. 8. Im Lichte von Erwägungsgrund (30) der zugrundeliegenden Digitale-Inhalte-Richtlinie ([EU] 2019/779) dürften jedenfalls Security Token nicht hierunter zu fassen sein. 34 Vgl. Brunner/Kehrle, VWL, S. 62 f. 35 Fairfield, 88 S. Cal. L. Rev. 805, 807 ff. (2015). S. auch schon Weber, Wirtschaftsgeschichte, S. 15, 239: „Die heutige Wirtschaftsverfassung ist namentlich dank des Durchdringens der Buchführung in hohem Grade rationalisiert, und in gewissem Sinn und in gewissen Grenzen ist die gesamte Wirtschaftsgeschichte die Geschichte des heute zum Siege gelangten ökonomischen, auf Rechnung aufgebauten Rationalismus.“ Die Entwicklung der Buchführung in den frühen Hochkulturen lässt sich als prägende Voraussetzung ökonomischer Aktivität bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen, Nissen/Damerow/Englund, Informationsverarbeitung, S. 76 ff.; hierauf verweisend Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 499 (2018). 36 Mit weiteren Beispielen Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 27 ff.; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 55; Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 499 (2018). Im Übrigen existieren Überlegungen, auch diese amtlichen Verzeichnisse de lege ferenda über eine Blockchain zu führen, vgl. mit Blick auf das Grundbuch den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP für die 20. Legislaturperiode, abrufbar unter: https://tinyurl.com/mmjc4fz3, S. 92 sowie Simmchen, Grundbuch ex machina, passim. 37 Zur Unterscheidung zwischen Coins und Token s. B. Soweit im Folgenden von „Token“ die Rede ist, sind damit die vom Protokoll eines Blockchain-Netzwerks verwalteten Einheiten gemeint.
A. Blockchain-Technologie
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das trotz seiner dezentralen Organisation einheitlich geführt wird.38 Peer-to-Peergestützte Register werden deshalb als „distributed ledgers“, die zugrundeliegende Technologie als „distributed ledger technology“ (kurz DLT) bezeichnet.39 Um die vom Register erfassten Einheiten eindeutig zuzuordnen, werden sämtliche Inhaberwechsel chronologisch in der Blockchain dokumentiert. Jede Kopie des ledgers enthält somit eine Transaktionshistorie, mit Hilfe derer die Nutzer verifizieren können, dass ein bestimmter Netzwerkteilnehmer tatsächlich Inhaber der zu transferierenden Einheiten ist.40 Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die auf der Blockchain abgebildeten Güter in dem Sinne rivalisieren, dass jeweils nur ein Nutzer über sie verfügt.41 Diese Verwendungsexklusivität unterscheidet die virtuellen Einheiten der Blockchain von konventionellen Informationsgütern, die per definitionem beliebig vervielfacht und dadurch konkurrenzlos genutzt werden können.42 Die digitale Knappheit macht die Inhaberschaft an und die Übertragung von Coins und Token erst möglich und führt somit zu einem Paradigmenwechsel in der Verwaltung von Informationsgütern.43 Transaktionen der virtuellen Werte vollziehen sich rein digital innerhalb des Netzwerks. Dazu kommuniziert der von dem Register als Inhaber einer Einheit ausgewiesene Nutzer die Daten des angestrebten Transfers zunächst an andere Systemteilnehmer. Vollzogen ist der Inhaberwechsel, sobald die Empfänger die Änderung der Zuweisungsdaten mehrheitlich akzeptiert und im ledger gespeichert haben (hierzu detailliert unter A.V.). 3. Integrität als Systemvoraussetzung Peer-to-Peer-Systeme sind auf die Mitwirkung ihrer Mitglieder angewiesen. Nutzer werden indes nur bereit sein, dem Netzwerk beizutreten und Vermögensdispositionen über eine Blockchain zu tätigen, wenn sie auf die Richtigkeit des Registerinhalts vertrauen.44 Ohne einen zentralen Infrastrukturträger kann ein ent38
Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 57. Szostek, Blockchain and the law, S. 34 ff.; Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 500 (2018); Zetzsche/Buckley/Arner, 2018 U. Ill. L. Rev. 1361, 1370 ff. (2018). Die Begriffe „distributed ledger“ und „Blockchain“ werden im juristischen Schrifttum vielfach synonym verwendet. Aus technischer Sicht handelt es sich bei Letzterer um einen Unterfall der Distributed Ledger Technologie (DLT), s. Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 105 ff.; Grieger/von Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 396. 40 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 2; Pesch, CryptocoinSchulden, S. 14 f.; Drescher, Blockchain, S. 64 f.; Abramovicz, 58 Ariz. L. Rev. 359, 372 (2016). 41 Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Rechtshandbuch Legal Tech, 2021, Teil 4.1 Rn. 8; Fairfield, 88 S. Cal. L. Rev. 805, 827 (2015). 42 Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 4 Rn. 7; Zech, Information als Schutzgegenstand, S. 118 f. 43 Zech, Information als Schutzgegenstand, S. 117. 44 Drescher, Blockchain, S. 30. 39
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
sprechendes Vertrauen nur auf der Integrität des Systems als solchem gründen, das heißt auf dessen Fähigkeit, wahre Aussagen über die Zuordnung der verwalteten Güter zu treffen.45 Peer-to-Peer-Netzwerke sind für Integritätsverletzungen vulnerabel. So können Hardware- und Software-Komponenten des Computer-Netzwerks ausfallen oder technische Fehler hervorrufen. Die größte Gefahr für das System geht derweil von seinen eigenen Mitgliedern aus. Wie kann ein Nutzer sicher sein, dass seine „Peers“ sich protokollkonform verhalten und das System nicht zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren?46 In dezentralen Transaktionsräumen drohen Integritätsverletzungen vor allem durch Mehrfachverfügungen.47 Die ledgers der einzelnen nodes werden nach jeder Transaktion im Wege eines algorithmischen Konsensverfahrens aktualisiert (hierzu unter A.V.). Dieser Prozess verläuft aufgrund von Laufzeitunterschieden asynchron, sodass temporär verschiedene Registerversionen existieren. Unehrliche Nodes könnten diese Datendiskrepanz ausnutzen, indem sie an das Netzwerk die Transaktion einer digitalen Einheit kommunizieren, die sie zuvor bereits übertragen haben. Auf diese Weise ist es theoretisch möglich, über denselben virtuellen Wert mehrfach zu verfügen (sog. double-spending).48 Die Blockchain-Technologie dient der Lösung dieses Problems.49 Die Funktionsfähigkeit des Systems lässt sich dabei auf drei interdependente Grundkomponenten zurückführen: Mit Hilfe des Blockkettenmechanismus werden Transaktionsdaten auf unabänderliche Art und Weise im dezentralen System gespeichert (III.). Digitale Signaturen ermöglichen die Authentifizierung verfügungsberechtigter Nutzer, die neue Transaktionen an das Netzwerk kommunizieren (IV.). Die Empfänger dieser Daten sind im Stande, deren Richtigkeit zu verifizieren. Dabei stellt ein Konsensalgorithmus sicher, dass die Transaktionshistorie eindeutig und für alle Teilnehmer einheitlich bleibt (V.).
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Drescher, Blockchain, S. 46. In der computerwissenschaftlichen Literatur ist die Frage als Problem der byzantinischen Generäle bekannt, s. grundlegend Lamport/Shostak/Pease, ACM Trans. 4 (1982), 382 ff. Seinen Namen verdankt die Problemstellung einer Metapher aus dem Militärwesen: Bei der Belagerung einer Stadt haben mehrere Divisionen der byzantinischen Armee – jeweils angeführt von einem General – die feindliche Befestigung umzingelt. Eine erfolgsversprechende Offensive setzt voraus, dass sich die Generäle nach Abschätzung der Gegebenheiten auf einen gemeinsamen Schlachtplan einigen. Aufgrund der räumlichen Trennung können die Befehlshaber nur durch Boten miteinander kommunizieren. Erschwerend kommt hinzu, dass einige illoyale Generäle versuchen könnten, die Operation zu sabotieren, indem sie irreführende Informationen weitergeben. Die Authentizität der empfangenen Nachrichten ist dadurch ungewiss. 47 Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 60. 48 Grundlegend Chaum/Fiat/Naor, in: Goldwasser, CRYPTO, S. 319 ff. 49 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 1; Swan, Blockchain, S. 2; Tapscott/Tapscott, Blockchain Revolution, S. 30. 46
A. Blockchain-Technologie
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III. Blockkettenmechanismus Um des Problems der Mehrfachverfügungen in distributed ledgers Herr zu werden, bedarf es einer Datenstruktur, die zweierlei gewährleistet. Erstens muss sie ermöglichen, große Datenmengen zuverlässig und in Sekundenbruchteilen miteinander zu vergleichen, um nachträgliche Änderungen zu identifizieren. Zweitens müssen die Transaktionsdaten in eine streng chronologische Reihenfolge gebracht werden, die dem Prioritätsprinzip Geltung verschafft.50 Die Blockchain-Technologie macht sich zur Bewältigung dieser Anforderungen die Eigenschaften sogenannter Hashfunktionen zu Nutze. 1. Hashing Hashfunktionen sind mathematische Algorithmen, mit deren Hilfe für einen Eingabewert beliebiger Größe ein Ausgabewert definierter Größe bestimmt werden kann.51 Gleich wie viele Bits der Daten-Input umfasst, führt die Anwendung der Hashfunktion (das sog. hashing) stets zu einer Bitfolge vorgegebener Länge, dem sogenannten Hashwert (oder kurz: hash).52 Blockchains verwenden kryptographische Hashfunktionen.53 Diese zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Hashwerte keine Rückschlüsse auf den Eingabewert zulassen, weshalb man sie auch als EinwegHashfunktionen bezeichnet.54 Jede noch so geringfügige Modifikation des DatenInputs bedingt eine unvorhersehbare Veränderung des hashs (sog. Diffusionsprinzip).55 Folgendes Beispiel mag dies veranschaulichen. Der Keccak-256-Hashwert für „In Hamburg scheint die Sonne!“ beträgt:56 e3f1d3f7f267ac6f9e0816ab3258e3b7a6c431a9905fa691779349ee5fb5d377
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Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 16. Beutelspacher/Neumann/Schwarzpaul, Kryptografie in Theorie und Praxis, S. 176; Ekkert, IT-Sicherheit, S. 380. 52 Hashfunktionen werden aufgrund dessen auch als Kompressionsfunktionen bezeichnet, Eckert, Kryptografie in Theorie und Praxis, S. 110, 176; vgl. Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 10. 53 Blockchain-Anwendungen greifen auf standardisierte Hashfunktionen zurück, insbesondere solche die zur Gruppe der Secure Hash Algorithms (SHA) zählen, hierzu Eckert, ITSicherheit, S. 387 ff. Die Bitcoin-Blockchain etwa nutzt den Verschlüsselungsalgorithmus SHA256, der jeden beliebigen Eingabewert in einen Hashwert von insgesamt 256 Bits, bestehend aus 64 Hexadezimalziffern à vier Bits, umwandelt, Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 197. Die Ethereum-Blockchain verwendet den Keccak-256 Hashalgorithmus, Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 72 f.; Diedrich, Ethereum, S. 106 ff. 54 Merkle, in: Brassard, CRYPTO, S. 428 ff.; Lee, 12 Hastings Bus. L.J. 81, 93 f. (2016). 55 Fill/Meier, Blockchain kompakt, S. 6. 56 Die Überprüfung der nachfolgenden Hashwerte ist z. B. über https://keccak-256.cloxy. net/ möglich. 51
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Demgegenüber ergibt sich für denselben Satz mit einem Fragezeichen statt einem Ausrufezeichen am Satzende der Hashwert: e2ddb26cf930be6001d7fe1cad99c6edb6ccef761c6852c7e6214df1ebb36469
Kryptographische Hashfunktionen müssen darüber hinaus kollisionsresistent sein. Dies ist der Fall, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass divergierende Daten-Inputs identische Hashwerte, das heißt eine Hashkollision, hervorbringen.57 Hashs, die von einer kryptographischen Hashfunktion erzeugt wurden, gelten daher als einzigartig und eignen sich als eine Art digitaler Fingerabdruck zur eindeutigen Identifizierung des Eingabewertes.58 Dies macht es möglich, Daten beliebiger Größe allein anhand ihrer kryptographischen Hashwerte miteinander zu vergleichen.59 Der Vergleich der Hashwerte eines bestimmten Daten-Inputs zu verschiedenen Zeitpunkten gibt zudem Aufschluss darüber, ob im fraglichen Zeitraum Veränderungen an dem betrachteten Datensatz vorgenommen wurden. 2. Verkettung von Datenblöcken Soll die Blockchain eine zeitlich streng lineare Transaktionshistorie abbilden, ist es erforderlich, die zu Blöcken zusammengefassten Daten in eine irreversible chronologische Ordnung zu bringen. Hiermit steht die Struktur der Datenblöcke im Zusammenhang. Jeder Block besteht aus einem Block-header und dem Blockbody.60 Ersterer beinhaltet (mindestens) die folgenden Metadaten, auf deren Bedeutung an späterer Stelle noch detailliert einzugehen ist: (i) die Versionsnummer der Software; (ii) der hash des parent blocks; (iii) der root hash des merkle trees; (iv) der Zeitstempel; (v) der aktuelle Zielwert für den proof of work sowie (vi) die nonce.61 Der Block-body besteht aus einer Liste der verarbeiteten Transaktionsdaten.62 57 Beutelspacher/Neumann/Schwarzpaul, Kryptografie in Theorie und Praxis, S. 177 ff.; Eckert, IT-Sicherheit, S. 380 ff. 58 Tatsächlich sind Kollisionen nach keiner Hashfunktion völlig auszuschließen, da die Zahl der möglichen Daten-Inputs unendlich ist, während die Zahl der Ausgabewerte durch deren vorgegebene Größe begrenzt wird. Für die in der Praxis verwendeten Hashfunktionen ist keine Kollision bekannt. Sobald eine Kollision bekannt wird, entspricht die Funktion nicht länger dem Stand der Technik, Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 11; Spindler, ZGR 2018, 17, 46. 59 Drescher, Blockchain, S. 73, 82; Tsudik, 22 ACM SIGCOMM 29 (1992). 60 Zur Blockstruktur Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 196 ff.; Ribak, STOs, S. 33 f. 61 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 197; Bela, Coin-Kredite, S. 16 ff.; Fill/Meier, Blockchain kompakt, S. 23 f. 62 Zu den erforderlichen Transaktionsdaten zählen – insofern den Informationen eines herkömmlichen Überweisungsträgers nicht unähnlich – die Identifikation des übertragenden Kontos, die Empfängeradresse, die Anzahl/Menge der zu transferierenden Güter, die Ausführungszeit, Angaben zur Höhe der Transaktionsgebühr sowie die Autorisierung durch den die Transaktion anweisenden Teilnehmer, vgl. Drescher, Blockchain, S. 65.
A. Blockchain-Technologie
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a) Intrablockverkettung durch merkle trees Die durchschnittliche Anzahl der Transaktionen und damit einhergehend die Datenmenge pro Block-body unterscheidet sich je nach Blockchain. Während etwa die Bitcoin-Blockchain im Durchschnitt mehr als 2.000 Transaktionen pro Block zusammenfasst, wodurch ihre Block-bodies zur Zeit der Abfassung Größen von regelmäßig mehr als 1 MB erreichen,63 enthalten die zwischen 100 und 130 KB großen bodies der Ethereum-Blockchain für gewöhnlich Transaktionen im unteren dreistelligen Bereich.64 Nodes, welche die gesamte Blockchain samt Transaktionen lokal speichern (sog. full nodes), benötigen hierfür erhebliche Mengen an Speicherplatz – im Falle von Ethereum z. B. über 670 GB (Stand: Juni 2023).65 Da die wenigsten Nutzer in der Lage oder gewillt sind, die für die Speicherung der gesamten Blockchain erforderliche Hardware vorzuhalten und zudem die Nutzung über Geräte wie Smartphones und Tablets ausgeschlossen wäre, hat bereits Nakamoto die Möglichkeit vorgesehen, sogenannte light nodes zu betreiben, die am Netzwerk partizipieren, ohne die gesamte Blockchain zu speichern.66 Andere Blockchains wie Ethereum sind diesem Beispiel in teils abgewandelter Form gefolgt.67 Light nodes speichern lediglich die Block-header, die einen Bruchteil der Größe der Block-bodies ausmachen.68 Gleichwohl sind sie im Stande, die Integrität der Transaktionen, die für sie von Interesse sind, zu verifizieren. Hierfür sind sogenannte binäre hash-Bäume von entscheidender Bedeutung, die nach ihrem Erfinder Ralph Merkle auch als merkle trees bekannt sind.69 Die verzweigte Datenstruktur eines merkle trees gleicht einem auf dem Kopf stehenden Baum (vgl. Abbildung 2). Sie ermöglicht es, eine Vielzahl von Transaktionsdaten zu einem einzelnen Hashwert – 63
Vgl. https://www.blockchain.com/charts/avg-block-size (Stand: Juni 2023). Vgl. https://blockchair.com/ethereum/charts/average-block-size. Das „Fassungsvermögen“ eines Ethereum-Blocks variiert in Abhängigkeit vom „block gas limit“, über dessen Höhe das Protokoll wiederum in Abhängigkeit vom Auslastungsgrad des Netzwerks entscheidet (zur Zeit der Abfassung zwischen 15 und 30 Mio. gas). Gas ist Ethereums Messeinheit für Rechenleistung. Der Gasverbrauch hängt von der Komplexität der angestrebten Rechenoperation ab. So beträgt der Verbrauch für eine einfache Transaktion etwa 21.000 gas. Gas dient einerseits als eine in Ether (gas-Verbrauch x gas-Preis) zu entrichtende Transaktionsgebühr andererseits als Schutz gegen Denial-of-Service-Attacken. Ausführlich hierzu unter: https://ethereum.org/en/developers/docs/gas/; ferner Denga, ZBB 2022, 298, 301 ff. 65 Vgl. Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 180; Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 42 f. Über die aktuelle Größe verschiedener Blockchains gibt z. B. https://blockchair. com/ethereum/charts/blockchain-size Auskunft. 66 Im Bitcoin-Netzwerk sind solche Nodes auch als „Simplified Payment Verification Nodes“ (SPV Nodes) bekannt. Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 5; Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 183. 67 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 42 ff. 1 68 Im Falle von Bitcoin beträgt die Größe des headers 80 Byte. Das entspricht ca. 12:500 eines durchschnittlichen Block-body, s. Fn. 63. 69 Grundlegend: Merkle, in: IEEE Symposium on Security and Privacy, S. 122 ff. 64
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Abbildung 2: In einem Merkle Tree durch Hashing gebündelte Transaktionen, Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2008 (https://bitcoin.org/bitcoin.pdf), S. 4.
der Wurzel (root hash) – zu bündeln. Dazu wird für jede Transaktion zunächst ein hash erstellt (sog. leaf). Je zwei hashs gleicher Stufe werden kombiniert und in einem übergeordneten Hashwert abgebildet. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis an der Spitze der hierarchischen Struktur nur noch ein Hashwert – der root hash – steht. Dieser wird als digitaler Fingerabdruck sämtlicher Transaktionen im Header aufgenommen und stellt somit die kryptographische Verbindung der beiden Blockbestandteile her.70 Um zu prüfen, ob ein Block mit n leaves71 eine bestimmte Transaktion beinhaltet, kann ein light node mit nur log2 ðnÞ þ 1 hashes einen Validierungspfad erzeugen, der die fragliche Transaktion mit dem root hash verbindet.72 Auf eine Suchanfrage an das Netzwerk hin stellen die full nodes dazu die zur Validierung erforderlichen Transaktionsdaten zur Verfügung.73 Ein Beispiel aus Nakamotos Whitepaper:74 Will ein light node überprüfen, ob die Transaktion Tx3 zum abgebildeten Block gehört, kann er deren Hash3, den Hash23 und hieraus den root hash berechnen, wenn das Netzwerk Hash2 und Hash01 zur Verfügung stellt. Entspricht der berechnete Hashwert dem im header gespeicherten root hash, ist der Beweis erbracht, dass Tx3 im Block-body gespeichert ist. Führt die Nachberechnung dagegen zu einem abweichenden root hash, gehört die vermeint70 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 201 ff.; Drescher, Blockchain, S. 87 f.; Fill/Meier, Blockchain kompakt, S. 8 f. 71 Aufgrund der binären Struktur des merkle trees muss die Anzahl der einbezogenen Transaktionen 2n oder 2n - 1 betragen, wobei N = {1, 2, 3, …}. Im letzteren Fall wird die letzte Transaktion dupliziert, vgl. Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 203. 72 Merkle, in: IEEE Symposium on Security and Privacy, S. 122, 126. 73 S. in Bezug auf Bitcoin Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 183 ff. 74 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 4.
A. Blockchain-Technologie
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Abbildung 3: Validierung einer Transaktion mit Hilfe eines Merkle Trees, Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2008 (https://bitcoin.org/bitcoin.pdf), S. 4
liche Transaktion nicht zum Block und wird als potenzieller Manipulationsversuch zurückgewiesen. b) Interblockverkettung durch Referenzhashs Hashing stellt nicht nur die Verknüpfung der Bestandteile innerhalb des Blocks sicher, sondern verbindet die Block-header wie die Glieder einer Kette auch untereinander. Dazu wird der header jedes neuen Blocks mit einem Hashwert versehen, der aus den gebündelten Metadaten des jeweiligen Vorgängers generiert wurde. Als einzigartiges Abbild der einbezogenen Daten verweist ein solcher hash auf den header des parent blocks und wird deshalb Referenzhash genannt.75 Die Referenzhashs bilden eine zusammenhängende Verweiskette, die vom aktuellsten Block, dem head, bis zum genesis block reicht (vgl. Abbildung 4).76 Aufgrund der änderungssensiblen Natur der Referenzhashs bricht die Verweiskette, wenn die in die Berechnung einbezogenen Daten nachträglich modifiziert werden. Paradoxerweise liegt gerade in dieser Fragilität die integritätssichernde Stärke der Blockchain. Sie macht es unmöglich, Datenänderungen von anderen nodes unbemerkt durchzuführen.77 Bemüht sich ein unehrlicher node, eine manipulierte Transaktion in einen Block einzuschleusen, setzt er damit eine Kettenreaktion in Gang: Zunächst entsteht im Verhältnis zum root hash eine offenkundige Inkonsistenz (s. o.).78 Diese setzt sich im Referenzhash fort, in dessen Berechnung der root hash Eingang findet. Die Berechnung des Referenzhashs des nachfolgenden 75
Mit schematischen Beispielen Drescher, Blockchain, S. 127 ff. Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 195, 200 f. 77 Drescher, Blockchain, S. 138. 78 Vgl. Kuntz, AcP 220 (2020), 51, S. 58 f.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Abbildung 4: Interblockverkettung durch Referenzhashs.
header basiert wiederum auf dem nunmehr inkonsistenten hash des Vorgängers. Aus der ineinandergreifenden Datenstruktur folgt für Datenänderungen somit das Allesoder-Nichts-Prinzip: Wer in die Transaktionshistorie eingreift, muss jeden im Zusammenhang mit dem manipulierten Datenelement stehenden hash ebenfalls manipulieren, um die Konsistenz der Blockchain zu wahren.79 Wie noch zu zeigen sein wird, handelt es sich dabei um ein de facto aussichtsloses Unterfangen (A.V.1.). Blockchains sind deshalb „append-only“, das heißt, sie können fortgeschrieben, nicht aber im Nachhinein verändert werden. Nicht nur Manipulationen der Transaktionsdaten, sondern auch jede andere Modifikation des headers löst den beschriebenen Dominoeffekt aus. Dies gilt namentlich für die sogenannten Zeitstempel, die jeden Block mit einer präzisen Zeitangabe versehen und als Beweis dafür dienen, dass die im Block gespeicherten Daten zur angegebenen Zeit existierten.80 Da nach dem Blockchain-Algorithmus nur solche Blocks der Datenkette hinzugefügt werden, deren Zeitstempel einen späteren Validierungszeitpunkt ausweisen als denjenigen des letzten Blocks der Kette, dient das Instrument der Einhaltung einer chronologischen Ordnung.81
IV. Authentifizierung durch digitale Signaturen Für die Funktionsfähigkeit einer Blockchain ist der fortwährende Informationsaustausch zwischen den Netzwerkteilnehmern von vitaler Bedeutung. Als Äquivalent zu einer handschriftlichen Signatur stellen im virtuellen Transaktionsraum di79 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 196; Fill/Meier, Blockchain kompakt, S. 20; Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 21; Abramovicz, 58 Ariz. L. Rev. 359, 373 (2016). 80 Das Prinzip des sogenannten linked timestamping geht zurück auf Haber/Stornetta, 3 J. Cryptology 99, 103 ff. (1991). Hierauf Bezug nehmend Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 2. In Bezug auf Ethereum s. auch Bela, Coin-Kredite, S. 20 ff.; Diedrich, Ethereum, S. 191 f. 81 Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 17 f.; Spindler, ZGR 2018, 17, 45 f. Zu den algorithmischen Validierungsregeln allgemein Drescher, Blockchain, S. 140 f.
A. Blockchain-Technologie
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gitale Signaturen die Authentizität und Verbindlichkeit der Kommunikation sicher.82 Digitale Signaturen beruhen auf asymmetrischer Kryptographie.83 Dabei handelt es sich um ein Verschlüsselungssystem, das durch die mathematische Verbindung zwischen den komplementären Schlüsseln eines kryptographischen Schlüsselpaares, dem private key und dem public key, geprägt ist. Nachrichten, die mit dem private key verschlüsselt wurden, können nur mit dem dazugehörigen public key entschlüsselt werden und vice versa.84 Gleichzeitig ist es unmöglich, vom public key, der im Netzwerk vergleichbar einer Kontonummer öffentlich bekannt ist,85 auf den private key zu schließen, auf den allein der Verfügungsberechtigte wie ein Kontoinhaber auf den PIN zu seinem Konto Zugriff hat.86 Im Transaktionszusammenhang vermittelt der private key die faktische Herrschaftsmacht über die einer Blockchain-Adresse zugeordneten Informationsgüter.87 Um sich gegenüber dem Netzwerk als Berechtigter zu authentifizieren, versieht ein node die zu übermittelnden Transaktionsdaten mit einer digitalen Signatur. Dazu wendet er den private key auf den hash der Transaktionsdaten an.88 Das Ergebnis dieser Verschlüsselung, den sogenannten Ciphertext, kommuniziert der Nutzer zusammen mit den unverschlüsselten Transaktionsdaten an das Netzwerk. Gelingt es dem Empfänger den Ciphertext mit Hilfe des public key zu entschlüsseln und stimmen die unverschlüsselten Daten mit den entschlüsselten überein, ist bewiesen, dass die Nachricht vom Inhaber des private key stammt und nach der Verschlüsselung nicht manipuliert wurde.89 Die Kommunikation über das Netzwerk erfolgt lauffeuerartig. Nodes, die direkt mit dem mitteilenden Teilnehmer verbunden sind, erreicht die Information zuerst. 82 Beutelspacher/Neumann/Schwarzpaul, Kryptografie in Theorie und Praxis, S. 109. Nicht zu verwechseln sind digitale Signaturen mit dem Begriff der „elektronischen Signatur“ gem. Art. 3 Nr. 10 der eIDAS Verordnung ([EU] Nr. 910/2014), vgl. mit Blick auf die Vorgängerregelung § 2 Nr. 1 SigG a. F. Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 9 f. 83 Grundlegend Diffie/Hellmann, 22 IEEE T INFORM THEORY 644 (1976). 84 Beutelspacher/Neumann/Schwarzpaul, Kryptografie in Theorie und Praxis, S. 109 f. 85 Vgl. Spindler/Bille, WM 2014, 1357, 1358. Tatsächlich leitet sich die Kontokennung von Bitcoin und Ethereum aus dem public key ab, Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 57 ff.; Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 73 ff. Da der Empfänger einer Transaktionen lediglich anhand dieser Kennung identifiziert wird, herrscht „relative Anonymität“ bzw. Pseudonymität unter den Teilnehmern, hierzu sowie zu der Möglichkeit, die Identität einzelner Nutzer durch Datamining zu ermitteln Filippi/Wright, Blockchain and the Law, S. 38 f.; Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 50 f.; Voshmgir, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 2 Rn. 34. 86 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 56 f.; Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 9; Lerch, ZBB 2015, 190, 193. 87 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 17 f.; Beck/König, JZ 2015, 130, 131. 88 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 139 f.; Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 115 f. Die Verwaltung der privaten Schlüssel erfolgt mit Hilfe einer sog. wallet, Spindler/ Bille, WM 2014, 1357, 1358. 89 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 141; Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 116; Drescher, Blockchain, S. 104 ff.
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Sie leiten die Mitteilung umgehend an andere mit ihnen verbundene Nodes weiter, die ihrerseits dasselbe tun, bis die Information binnen Sekunden die Mehrzahl der Nodes erreicht hat (sog. unstructured flooding).90 Ist eine Transaktion Gegenstand der Mitteilung, führt jeder empfangende (full) node zunächst eine unabhängige Überprüfung durch. Nur wenn das Transaktionsregister den Absender als Inhaber der zu transferierenden Einheit ausweist und die Kommunikation alle erforderlichen Transaktionsdaten enthält, leitet der Empfänger die Transaktion an benachbarte (full) nodes weiter, damit sie der Datenkette als Teil des nächsten Blocks hinzugefügt werden kann.91
V. Verifikation durch anreizgesteuerte Konsensbildung Transaktionen gelten im Netzwerk erst dann als erfolgt, wenn sie Teil der als verbindlich akzeptierten Blockkette geworden sind.92 Das Hinzufügen von Blöcken ist Aufgabe der full nodes. Sie bündeln die an sie kommunizierten Transaktionsdaten, generieren die vom System vorausgesetzten Metadaten des header und übermitteln das Resultat an das Netzwerk, damit andere full nodes den so entstandenen Block ihrer lokalen Kopie der Blockchain hinzufügen können.93 Da in Peer-to-PeerNetzwerken die Vertrauenswürdigkeit jedes Teilnehmers ungewiss ist, unterziehen die Empfänger des neuen Blocks die übermittelten Daten einer unabhängigen Überprüfung. Fällt dieser Kontrollvorgang zufriedenstellend aus, bringen die „digitalen Gutachter“ dies implizit zum Ausdruck, indem sie den Block in ihre lokale Kopie der Datenkette aufnehmen und sich der Zusammenstellung des hieran anknüpfenden Datenpakets widmen.94 Da die Aktualisierung der Blockkopien aufgrund von Laufzeitunterschieden asynchron verläuft (s. o.), kann es vorkommen, dass im Netzwerk zur gleichen Zeit mehrere Blockkandidaten kursieren und die full nodes in unterschiedlicher Reihenfolge erreichen.95 Fügen die Systemteilnehmer ihrer jeweiligen Kopie der Da-
90 Vgl. Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 123. Grundlegend hierzu Risson/ Moors, 50 Com Net 3485, 3489 f. (2006). 91 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 218 f.; Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 20. 92 Drescher, Blockchain, S. 175. 93 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 3; Pesch, CryptocoinSchulden, S. 21; Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 220. 94 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 3: „Nodes express their acceptance of the block by working on creating the next block in the chain, using the hash of the accepted block as the previous hash.“ S. auch Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 21; Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 220. 95 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 3; Drescher, Blockchain, S. 166.
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tenkette infolgedessen auf der aktuellen Blockhöhe unterschiedliche Blöcke hinzu, entsteht eine Gabelung (sog. fork; vgl. Abbildung 5).96
Abbildung 5: Gegabelte Datenkette.
Trotz der dezentralen Speicherung muss die Transaktionshistorie für alle Teilnehmer logisch einheitlich bleiben. Im Falle einer fork bedarf es daher einer Abstimmung der Netzwerkteilnehmer darüber, welche Version die maßgebliche sein soll. Die konventionelle Lösung besteht darin, die Mehrheit entscheiden zu lassen. Gölte dabei der Grundsatz „one node, one vote“97, könnte ein potentieller Angreifer so viele Tarnadressen erzeugen, dass er in der Lage wäre, einen Mehrheitskonsens in seinem Sinne herzustellen (sog. sybil attack).98 Auf diese Weise wäre es einem unehrlichen node möglich, Mehrfachverfügungen vorzunehmen. Dazu müsste er lediglich eine Gabelung unterhalb oder auf Höhe des Blocks erzeugen, der seine erste Transaktion über eine digitale Einheit enthält, dem neuen Block eine mit der ersten konkurrierende Transaktion zuweisen und die Abspaltung mit Hilfe der gefälschten Stimmmehrheit zur maßgeblichen Version küren.99 Die erste Verfügung wäre damit revidiert. 1. Proof-of-Work-Verfahren Blockchains erfassen die Mehrheitsverhältnisse daher nach dem Prinzip „one CPU, one vote“ auf Grundlage der kumulierten Computerressourcen der am Verifizierungsverfahren teilnehmenden nodes.100 Maßgeblich ist mithin eine Größe, deren Verteilung im Netzwerk ein einzelner nicht ohne exorbitanten finanziellen Aufwand zu seinen Gunsten zu verzerren vermag. Darüber hinaus kann die Re96 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 240 ff. Solche temporären Gabelungen sind von sog. intentional permanent forks zu unterscheiden, wobei diese je nach Kompatibilität mit der bisherigen Datenkette weiter in hard und soft forks untergliedert werden, s. hierzu Spindler, ZGR 2020, 707, 717 f. 97 In Anlehnung an Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 3: „One-IP-address-one-vote“. 98 Grundlegend Douceur, in: Druschel/Kaashoek/Rowstron, Peer-to-Peer Systems, S. 251 ff.; s. auch Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 22; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 60; Narayanan/Clark, 60 COMMUN ACM 36, 40 (2017); Böhme/Christin/Edelmann u. a., 29 J. Econ. Perspect. 213, 218 f. (2015). 99 Vgl. in Bezug auf die an späterer Stelle zu erläuternde 51 %-Attacke Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 253 ff.; Abramovicz, 58 Ariz. L. Rev. 359, 379 (2016). 100 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 3.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
chenleistung – wie noch unter A.V.2. zu zeigen ist – im Rahmen der Blockverifizierung zu lukrativeren Zwecken eingesetzt werden als zur Manipulation der Konsensbildung. Dem liegt der Umstand zugrunde, dass das Erstellen der Blocks mit erheblichem Rechenaufwand einhergeht, der nur mit Hilfe leistungsstarker, mitunter speziell für diese Zwecke entworfener Hardware zu bewältigen ist.101 Hierfür sind sogenannte hash puzzle verantwortlich, die es zur Fertigstellung eines Blocks zu lösen gilt. Hash puzzles stellen die nodes vor ein kryptographisches Rätsel, das vereinfacht wie folgt formuliert werden könnte: „Ergänzt um welche numerische Variable ergibt sich für die Daten des header durch hashing ein Zielwert (target), der mit einer bestimmten Anzahl von Nullen (sog. leading zeros) beginnt?“102 Die gesuchte Variable wird als nonce (kurz für: „number used once“) bezeichnet.103 Da es sich bei kryptographischen Hashfunktionen wie dem Keccak-256 um Einweg-Funktionen handelt, ist es unmöglich, den gesuchten Eingabewert – präziser: die nonce, die in Kombination mit den bekannten Daten des header die Anforderungen an den Ausgabewert erfüllt – rechnerisch zu ermitteln.104 Die nonce kann stattdessen nur durch systematisches Ausprobieren gefunden werden (sog. Brute-Force-Methode).105 Die Anzahl der durchschnittlich erforderlichen Versuche nimmt dabei mit jeder für das target geforderten Null exponentiell zu.106 Das target wird vom System vorgegeben und im header jedes Blocks ausgewiesen.107 Der Zielwert ist so gewählt, dass das Netzwerk mit seiner gebündelten Rechenleistung im Durchschnitt immer gleich lange benötigt, 101
Für das mining von Bitcoins etwa werden speziell hierfür entworfene Prozessoren, sog. ASICs (kurz für: „application-specific integrated circuits“) eingesetzt. Der bis September 2022 verwendete Proof-of-Work-Algorithmus von Ethereum („Ethash“) galt dagegen als „ASIC-resistant“, vgl. hierzu Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 321; Wood, Ethereum: A Secure Decentralised Generalised Transaction Ledger, S. 14 f. 102 Hash puzzles dienten in ihrer ursprünglichen Konzeption der Abwehr von Junk-Mails, s. Dwork/Naor, in: Brickell, CRYPTO, S. 139 ff. S. präzisierend zur Aufgabenstellung im Hinblick auf die Darstellungsweise noch Fn. 107. 103 Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 30; Lee, 12 Hastings Bus. L.J. 81, 102 (2016). 104 S. hierzu bereits die Ausführungen unter A.III.1. 105 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 230 f.; Narayanan/Bonneau/Felten u. a., Cryptocurrency Technologies, S. 74; Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 31; Wood, Ethereum: A Secure Decentralised Generalised Transaction Ledger, S. 15. 106 Erforderlich sind durchschnittlich 16Z Versuche, wobei Z = Anzahl der vorgegebenen leading zeros. 107 Während das target als Dezimalzahl rein numerisch dargestellt wird, findet der Hashwert als Hexadezimalzahl Ausdruck in einer alphanumerischen Zifferfolge. Diese Diskrepanz in der Darstellung führt dazu, dass die kryptographische Aufgabe in zweierlei Weise beschrieben werden kann. Im Ergebnis führt die hexadezimale Darstellungsweise des hashs dazu, dass der Zielwert zu Beginn eine bestimmte Anzahl von Nullen aufweisen muss (s. o.). Stellt man dagegen auf die dezimale Darstellung ab, ist es akkurater, davon zu sprechen, der hash müsse einen Wert annehmen, der kleiner ist als das target, vgl. Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 20. Zu den Unterschieden der Darstellungssysteme Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 235.
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um eine nonce zu finden – bei Bitcoin etwa zehn Minuten.108 Da der zur Lösung des kryptographischen Rätsels durchschnittlich erforderliche Rechenaufwand mit stochastischen Mitteln vorhergesagt werden kann, gilt das Ermitteln der nonce als „proof of work“ – ein Beleg dafür, dass der Finder bestimmte Rechenressourcen investiert hat.109 2. Pekuniäre Incentivierung Die Verifizierungseinheiten nehmen die mit dem proof of work verbundenen Kosten (insbesondere für Hardware und Elektrizität)110 nicht aus altruistischen Motiven auf sich, sondern lassen sich von einem Anreizsystem leiten, das sich mit den Worten „Zuckerbrot und Peitsche“ zusammenfassen lässt. Der node, der das Hash-Rätsel zuerst löst, wird vom System mit einer automatischen Zuwendung in der Blockchain-eigenen Kryptowährung (z. B. Bitcoin oder Ether) honoriert (sog. block reward). Die Gutschrift setzt sich aus einer frisch „geprägten“ Einheit der digitalen Währung und (bzw. oder) einer Transaktionsgebühr zusammen, die die Teilnehmer entrichten, deren Transaktionen der Block enthält.111 Auf diese Weise wird die digitale Währung dezentral an das Netzwerk ausgegeben. Da die Gesamtmenge der virtuellen Münzen begrenzt ist, bezeichnet man das Wetteifern der full nodes im Proof-of-Work-Verfahren in Anlehnung an das Schürfen von Gold als mining, die involvierten nodes sind als miner bekannt.112 Damit nicht voranschreitender Wertverfall die Anreizwirkung der Belohnung gefährdet, halbiert das Protokoll der
108 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 4. Da die von den full nodes investierte Rechenleistung variiert, wird der Schwierigkeitsgrad in regelmäßigen Abständen neu kalkuliert, Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 235 ff. 109 Fill/Meier, Blockchain kompakt, S. 23; Wood, Ethereum: A Secure Decentralised Generalised Transaction Ledger, S. 14. 110 Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem durch das Proof-of-Work-Verfahren verursachten Stromverbrauch und dessen Beitrag zur Erderwärmung s. Gschnaidtner, in: Maume/ Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2 Rn. 85 ff.; Tapscott/Tapscott, Blockchain Revolution, S. 259 ff.; Denga, JZ 2021, 227, 230 f.; Goodkind/Jones/Berrens, 59 Energy Res. Soc. Sci. 1 (2020). 111 Vgl. Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 214. Der Ausschüttungsplan von Bitcoin sieht vor, die Ausschüttung neuer Münzen sukzessiv durch Transaktionsgebühren zu ersetzen, Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 4. Näher zu den Transaktionsgebühren: Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 26 ff. 112 Vgl. Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 22. Verbreitet und vom konkreten Konsensverfahren unabhängig ist auch von Validatoren (validators) die Rede, vgl. Grieger/von Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 403. Kollaborieren mehrere miners, indem sie ihre Rechenressourcen bündeln und Gewinne teilen, ist von mining pools die Rede, s. hierzu näher Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 250 ff. Die Konzentration von Rechenkapazität in einigen wenigen mining pools geht zulasten der Dezentralität des Verifizierungsprozesses und begünstigt die Herausbildung von Oligopolen, vgl. Werbach, Architecture of Trust, S. 119 ff.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Blockchain die Blockbelohnung in regelmäßigen Abständen und sorgt somit für eine künstliche Verknappung der zirkulierenden Krypto-Einheiten.113 Der miner, der als erster die gesuchte nonce findet, komplettiert mit ihr den header und übermittelt den Block zur Verifizierung an seine Mitstreiter. Während das Netzwerk zur Lösung des hash puzzler mehrere Trillionen hashs pro Sekunde ausführt,114 bedarf es zur Kontrolle des Arbeitsnachweises durch die empfangenden nodes jeweils nur einer einzigen Rechenoperation. Entpuppt sich die nonce als unrichtig oder entspricht der geschürfte Block aus anderen Gründen nicht den Protokollanforderungen, wird der Block freigegeben und die im Rennen um des kryptographischen Rätsels Lösung zunächst leerausgegangen Validatoren erhalten eine erneute Chance, sich die Belohnung zu sichern.115 Hierin besteht zugleich die Sanktion potentieller Saboteure, die den block reward verlieren und ihre Rechenressourcen somit vergeblich investiert haben.116 Ist der zu verifizierende Block keinen Monita ausgesetzt, bringen die „digitalen Gutachter“ dies zum Ausdruck, indem sie ihn in ihre eigene Kopie der Datenkette einreihen. Die Bestätigung des Blocks markiert zugleich den Startschuss für die Erstellung des nächsten Datenpakets.117 3. Konsensbildung auf spieltheoretischer Grundlage Kommt es zu einer fork, gilt der Zweig der Datenkette als maßgeblich, für den im Zuge des Proof-of-Work-Verfahrens die meiste Rechenleistung aufgewandt wurde. Dabei handelt es sich für gewöhnlich zugleich um die längste Verweiskette.118 Die miners erhalten bzw. behalten die Belohnung nur, wenn der geschürfte Block dem maßgeblichen Strang der Datenstruktur angehört. Daher richten sie ihre Rechenkapazitäten auf den Zweig mit den ihres (fortlaufend aktualisierten) Wissens nach meisten Blöcken.119 Die Arbeit am „richtigen“ Kettenende erfolgt mithin im wirtschaftlichen Eigeninteresse. Welcher von zwei Zweigen verlängert wird, wenn sich beide Enden auf derselben Blockhöhe befinden, hängt allein davon ab, ob der im Proof-of-Work-Verfahren letztlich erfolgreiche node zuerst von dem einen oder dem anderen Block erfährt.120 Dies mag willkürlich anmuten, ist zur Herausbildung eines 113
Wolf, Initial Coin Offerings, S. 43. Im Falle von Ethereum waren es bis zum Wechsel des Validierungsverfahrens im September 2022 (s. hierzu unter A.V.4.) über 1,0 x 1015 hashs/Sekunde, vgl. https://www.coinwarz. com/mining/ethereum/hashrate-chart. 115 Drescher, Blockchain, S. 158 f. 116 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 238; Drescher, Blockchain, S. 157. 117 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 220. 118 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 3; Wood, Ethereum: A Secure Decentralised Generalised Transaction Ledger, S. 13; Abramovicz, 58 Ariz. L. Rev. 359, 374 f. (2016). 119 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 3. 120 Drescher, Blockchain, S. 176. 114
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späteren Konsenses jedoch unerlässlich. Sobald ein Zweig über mehr Blöcke verfügt als ein anderer, orientieren sich die miners, denen die entsprechende Information bereits vorliegt, ebenfalls an diesem längeren Strang. Dies hat zur Folge, dass sich der Konsens mit jedem weiteren Block in der Datenstruktur deutlicher herauskristallisiert, bis schlussendlich die Versionsverläufe aller Teilnehmer konvergieren. Demnach gilt: Je weiter ein Block in der Kette zurückliegt, desto häufiger ist er bestätigt worden und desto sicherer ist davon auszugehen, dass er der maßgeblichen Blockkette angehört.121 Um über dieselbe digitale Einheit mehrfach zu verfügen, kann ein Angreifer wie unter A.V. geschildert eine manipulierte Verweiskette generieren und diese zur maßgeblichen Transaktionshistorie küren. Dazu müsste er jedoch in die Fortschreibung des besagten Datenstrangs so viel Rechenkapazität investieren, dass dieser den bislang maßgeblichen Zweig überholt.122 Ein solcher Angriff auf die Netzwerkintegrität ist als 51 %-Attacke bekannt, da der unehrliche node zu seiner Ausführung mehr Rechenleistung aufbringen müsste als die Gesamtheit der Validatoren, die an der korrekten Verweiskette arbeiten.123 Ausgehend von der Prämisse, dass sich die überwiegende Zahl der Netzwerkteilnehmer integer verhält und kein node in der Lage ist, alleine oder durch kollusives Zusammenwirken die Mehrheit der Rechenressourcen an sich zu reißen, ist eine nachträgliche Änderung der Datenkette unmöglich. Angriffe, die darauf abzielen, die maßgebliche Transaktionshistorie zu überschreiben, sind somit reine Sisyphusarbeit. Das Vertrauen in die Integrität der Teilnehmermehrheit stützt sich auf spieltheoretische Erwägungen und die verhaltenslenkende Wirkung des Anreizsystems. Selbst in dem hypothetischen Fall, dass jemand über die Mehrheit der Rechenleistung im System verfügt, sollte die Mitwirkung als protokolltreuer node profitabler erscheinen als die Manipulation der Transaktionshistorie.124 4. Proof-of-Stake-Verfahren Das von Bitcoin genutzte Proof-of-Work-Verfahren stößt in Fachkreisen auf Kritik. Grund hierfür ist einerseits der durch das rechenintensive Verfahren verur121 So gilt z. B. in der Bitcoin-Blockchain jeder Block, der mehr als sechsmal bestätigt wurde, als unabänderlich, Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 29, 239 f.; Narayanan/Bonneau/Felten u. a., Cryptocurrency Technologies, S. 69. 122 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 6; Narayanan/Bonneau/ Felten u. a., Cryptocurrency Technologies, S. 162 f. 123 Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 253 ff.; Drescher, Blockchain, S. 178; Ribak, STOs, S. 38; Spindler, ZGR 2020, 707, 714 f. 124 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 4; Narayanan/Clark, 60 COMMUN ACM 36, 42 (2017); Voshmgir, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 2 Rn. 35. Dies gilt umso mehr, da der Angriff einen Kursverfall der betroffenen Einheiten auslösen und die „Beute“ somit entwerten würde, vgl. Lee, 12 Hastings Bus. L.J. 81, 107 (2016).
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
sachte Stromverbrauch,125 andererseits die Befürchtung, der massenhafte Zusammenschluss von Validatoren zu sog. mining pools126 könnte 51 %-Attacken in den Bereich des Vorstellbaren rücken und das System hierdurch destabilisieren.127 Eine Alternative bietet das Proof-of-Stake-Verfahren, das namentlich die EthereumBlockchain nach einer längeren Testphase im September 2022 implementiert hat.128 In welchem Maße die zur Abstimmung berufenen nodes Einfluss auf die Fortsetzung der Blockkette nehmen, hängt bei diesem Ansatz von der Höhe ihres Einsatzes (sog. stake) in der Blockchain-spezifischen Kryptowährung ab.129 Wie beim Proof-ofWork-Verfahren motiviert die Aussicht auf eine Blockbelohnung die Validatoren zu protokollkonformem Verhalten. Durch manipulatives Abstimmungsverhalten riskieren unehrliche nodes, ihren Einsatz zu verlieren.130 In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass nicht bloß ein Proof-of-Stake-Verfahren existiert, sondern verschiedene Varianten kontrovers diskutiert werden. Ein als vermögensorientiert zu bezeichnender Ansatz sieht beispielsweise vor, Validatoren nach dem Zufallsprinzip zu bestimmen. Die Chance jedes Kandidaten soll dabei seinem Anteil am Gesamtvolumen der im Umlauf befindlichen Einheiten entsprechen.131
VI. Gestaltungsalternativen Blockchains lassen sich danach differenzieren, für wen die gespeicherten Daten einsehbar sind und wer berechtigt ist, an ihrer Gestaltung mitzuwirken.132 Um die Integrität dezentraler Transaktionsräume zu gewährleisten, unterwerfen sich zugangsfreie, für jedermann einsehbare (public-permissionless) Blockchains wie Bitcoin und Ethereum dem Gebot größtmöglicher Transparenz und Offenheit. Das wäre nicht möglich, ohne zugleich Einschränkungen in Bezug auf die Systemgeschwindigkeit und Datenvertraulichkeit in Kauf zu nehmen.133 Für den Technologieeinsatz im inner- und zwischenbetrieblichen Bereich sind indes gerade diese 125
S. bereits Fn. 110. Hierzu bereits Fn. 112. 127 S. Sorge/Krohn-Grimberghe, DuD 2012, 479, 481; Spindler, ZGR 2020, 707, 715 f. In vereinzelten Fällen hatten Bitcoin-Mining Pools bereits kurzzeitig die Mehrheit der Gesamtrechenkapazität inne, vgl. Lee, 12 Hastings Bus. L.J. 81, 107 (2016). 128 S. hierzu ausführlich unter: https://ethereum.org/en/developers/docs/consensus-mechanis ms/pos/#fork-choice. Mit Blick auf weitere Konsensmechanismen s. vertiefend Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 95 ff. 129 Ders., in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 96; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 67. 130 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 321. 131 Zu diesem Ansatz und dem damit verbundenen Nothing-at-Stake-Problem, Saleh, Blockchain Without Waste: Proof-of-Stake, S. 9 ff. 132 Glatz, Rethinking Law 0/2018, 22, 29; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 69 f. 133 Vgl. Drescher, Blockchain, S. 214 ff. Dezidiert zum Skalierungsproblem Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 68 ff. 126
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Attribute entscheidend. Aus diesem Grund haben sich Gestaltungsvarianten herausgebildet, bei denen die Betreiber über den Kreis der Nutzungs- und Einsichtsberechtigten entscheiden (sog. permissioned Blockchains).134 Im Gegensatz zu zugangsoffenen Blockchains liegt die Kontrolle über solche Systeme in den Händen einer oder mehrerer Parteien.135 Insbesondere im Bankenwesen, der Versicherungsbranche sowie im Energiesektor haben sich hierzu private Wirtschaftssubjekte zu Betreiberkonsortien zusammengeschlossen.136 Das Registersystem dient in diesem Zusammenhang der Dokumentation des Informations- und Güteraustauschs zwischen den Beteiligten.137 Da sich die Systeme aus einem zahlenmäßig überschaubaren Kreis ausgewählter Teilnehmer zusammensetzen, entfällt die „relative Anonymität“ der Mitwirkenden, die in offenen Netzwerken eine effektive Rechtsdurchsetzung erschwert.138 Datenänderungen sind infolgedessen nicht auf ein ressourcenverschlingendes Verifizierungsverfahren angewiesen, sondern erfolgen im Wege eines netzwerkweiten Konsens.139 Zugangsbeschränkte Blockchains sind hybride Erscheinungsformen.140 Ihnen liegt eine verteilte Datenspeicherung zugrunde. Gleichzeitig distanzieren sie sich vom dezentralen Ansatz zugangsfreier Systeme.141 Dies wirft die Frage auf, welchen Mehrwert geschlossene Blockchains gegenüber gewöhnlichen Datenbanklösungen bieten.142 Das Vertrauensproblem in koordinierungsfreien Systemen, zu dessen Lösung die Blockchain-Technologie ursprünglich entwickelt wurde, stellt sich hier nicht.143 Zumindest ein gesteigertes Maß an Standardisierung und Prozessautomatisierung ermöglicht die Blockchain-basierte Registerführung aber auch im zugangsbeschränkten Rahmen.144
134 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 22; Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 113 ff.; Spindler, ZGR 2020, 707, 712; Zetzsche/Buckley/Arner, 2018 U. Ill. L. Rev. 1361, 1372 (2018). 135 Filippi/Wright, Blockchain and the Law, S. 31; Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 22 f.; Scherer, Blockchain im Wertpapierbereich, S. 99 f.; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 70. 136 Als Vorreiter hat in dieser Hinsicht insbesondere die Corda-Blockchain Bekanntheit erlangt, die ursprünglich aus dem Bankenkonsortium „B3“ hervorging und inzwischen verschiedenen Interessengruppen als Plattform dient, vgl. https://www.r3.com/history/ sowie zu den Anfängen Sixt, Dezentrale Transaktionssysteme, S. 178 f. Mit weiteren Beispielen Glatz, Rethinking Law 0/2018, 22, 30. 137 Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 498 (2018). 138 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 23; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 69. Vgl. insoweit bereits Fn. 85. 139 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 23 f.; Glatz, Rethinking Law 0/2018, 22, 29; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 70. 140 Drescher, Blockchain, S. 218. 141 Kritisch hierzu Yermack, 21 Rev. Fin. 7, 10 (2017). 142 Skeptisch Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 70; Sixt, Dezentrale Transaktionssysteme, S. 179. 143 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 23. 144 Glatz, Rethinking Law 0/2018, 22, 29.
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B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token Die zur Kapitalbeschaffung im Rahmen eines ICO ausgegebenen Kryptowerte145 werden als Coins oder – häufiger – als Token bezeichnet.146 Begrifflich lässt sich wie folgt differenzieren:147 Basieren die virtuellen Einheiten wie unter A. beschrieben auf dem Protokoll einer Blockchain-Plattform, handelt es sich um Coins.148 Sie sind integraler Bestandteil des Anreizsystems des Netzwerks und eignen sich aufgrund ihrer künstlich erzeugten Knappheit als Wertträger bzw. Tauschmittel. Demgegenüber richtet sich die Speicherung und Übertragung von Token nach dem Programmcode einer als Smart Contract bezeichneten Software (s. hierzu C.), die in die Laufzeitumgebung einer bereits existierenden Blockchain eingebettet ist.149 Solche Token dienen als digitale Repräsentation von etwas.150 Dabei kann es sich im Ausgangspunkt um jeden beliebigen Inhalt handeln, den der Initiator den Einheiten anlässlich der Emission zuweist, etwa die Berechtigung an einem Vermögenswert, Stimmrechte oder – wie im Zusammenhang mit Token Sales ganz überwiegend der Fall – Ansprüche gegen den Emittenten. Durch diesen als „Tokenisierung“ bezeichneten Vorgang soll es möglich sein, der analogen Welt entspringende Werte und Güter in das digitale Transaktionsnetzwerk der Blockchain zu überführen.151 Traditionell eingeschränkt fungible Rechtspositionen werden auf diese Weise über Krypto-Marktplätze handelbar.152 Weil die virtuellen Einheiten durch die Tokenisierung einen Bezugspunkt außerhalb der Blockchain erhalten, werden sie in der 145 Eine technologieneutrale Legaldefinition des Oberbegriffs findet sich in § 1 Abs. 11 S. 4 KWG, s. hierzu Grieger/von Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 406 f.; Skauradszun, AcP 221 (2021), 353, 356 ff. 146 Eine einheitlich Terminologie hat sich bislang nicht herausgebildet, vgl. die Hinweise bei Grieger/von Poser/Kremer, ZfDR 2021, 394, 404 ff.; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 12 (Fn. 34). 147 Zum Folgenden Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 227; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 41 f.; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 12 f.; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 87 (Fn. 151). 148 Mitunter ist auch von „nativen Token“ oder „Protokoll-Token“ die Rede, Siedler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 7 Rn. 16; Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 155 ff.; Rohr/Wright, 70 Hastings L. J. 463, 470 ff. (2019). 149 Die Literatur spricht im Zusammenhang mit dieser Art virtueller Einheiten auch von „non-native Token“, „Alternative Coins“ (kurz: „Altcoins“) oder „App-Token“, Hahn/Wons, ICO, S. 14; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279; Rohr/Wright, 70 Hastings L. J. 463, 474 ff. (2019). 150 Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 87: „Ein ,Token‘ repräsentiert etwas.“ 151 Vgl. Erwägungsgrund (3) DLT-PilotVO; von Buttlar/Omlor, ZRP 2021, 169; Kaulartz/ Matzke, NJW 2018, 3278. 152 Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 199 (2020); Kaulartz, Rethinking Law 4/ 2019, 4, 5 f.; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 87. Das gegenteilige Konzept liegt sog. non-fungible tokens (NFTs) zugrunde. Sie dienen als digitales Abbild von etwas Einzigartigem, das gerade nicht beliebig austauschbar ist, z. B. einem Kunstwerk, s. hierzu Kaulartz/Schmid, CB 2021, 298 ff.; Wellerdt, WM 2021, 2379 ff. Für die Token-basierte Wagnisfinanzierung im hier verwendeten Sinne spielen sie keine Rolle.
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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Literatur mitunter als „extrinsisch“ beschrieben und von Kryptowerten abgegrenzt, denen ohne eine derartige Repräsentationsfunktion nur „intrinsische“ Bedeutung zukommt.153 Während der Token-Markt zunächst wie selbstverständlich davon ausging, dass sich tokenisierte Rechtspositionen über die Blockchain übertragen lassen, ist das Schrifttum bezüglich der zivilrechtliche Einordnung uneins. Das am 10. 6. 2021 in Kraft getretene „Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren“ sorgt insoweit nur teilweise für Klarheit. Nach einer kurzen Einführung in die Funktionsweise und das technische Design von Token (I.) wendet sich die Untersuchung daher der Frage zu, ob und unter welchen Voraussetzungen mit Token-Transaktionen die intendierte Rechtsübertragung einhergeht (II.).
I. Technische Funktionsweise Aus technischer Sicht sind für einen Token Sale die Erzeugung der virtuellen Einheiten sowie deren Übertragung von Interesse. Entsprechend der oben getroffenen begrifflichen Unterscheidung lässt sich zwischen Coins und Token differenzieren. 1. Erzeugung von Kryptowerten a) Coin-Erzeugung durch mining Coins wie Bitcoin und Ether entstehen durch mining, also als block reward für die an der Validierung von Transaktionen beteiligten nodes im Zuge des Proof-of-Workbzw. Proof-of-Stake-Verfahrens (s. ausführlich bereits A.V.2.). Die Maximalsumme der erzeugbaren Einheiten ist durch das Blockchain-Protokoll festgelegt.154 Um dem Wertverfall der ausgegebenen Coins vorzubeugen, reguliert das Protokoll zudem die Menge der als Belohnung zugeteilten Einheiten.155 b) Token-Erzeugung durch minting Für die Token-Erzeugung spielen Smart Contracts eine zentrale Rolle.156 Es handelt sich dabei um Software, die in die dezentrale Infrastruktur einer Blockchain 153 Wendehorst, IPRax 2020, 490, 494 f.; ähnlich Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 22: „aufgeladene“ und „autonome“ Token. 154 Im Falle von Bitcoin beträgt die Gesamtsumme z. B. knapp 21.000.000 Einheiten, s. Antonopoulos, Mastering Bitcoin, S. 2. 155 Hierzu bereits unter A.V.2. S. auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 43. 156 Unter C. werden Smart Contracts und ihre Bedeutung für die Blockchain-basierte Finanzierung noch gesondert betrachtet.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
eingebettet ist und beim Vorliegen ex ante definierter Voraussetzungen (sog. trigger) einen (potentiell) rechtserheblichen Ablauf, z. B. eine Transaktion, automatisch ausführt.157 Mit Hilfe solcher Programme können Token in unbegrenzter Anzahl generiert und ihre Parameter nach Belieben festgelegt werden.158 Für das als minting bezeichnete Verfahren greift die Praxis überwiegend (ca. 73 %) auf Smart Contracts zurück, die dem ERC20-Standard entsprechen.159 ERC20 bezieht sich auf ein 2015 von Fabian Vogelsteller auf GitHub veröffentlichtes und von der Ethereum-Community in der Folge als Standard akzeptiertes Muster für die Programmierung von Smart Contracts auf der Ethereum Blockchain.160 Durch weniger als 100 CodeZeilen lassen sich auf Grundlage dieser Vorlage die Bezeichnung und Gesamtzahl der zu erzeugenden Token, ihre maximale Stückelung sowie weitere technische Details festlegen.161 Dank der Standardisierung sind sämtliche ERC20-Token mit Ethereum-wallets und anderen Applikationen kompatibel, ohne dass es nach neuen Emissionen eines Updates bedürfte.162 2. Transaktion von Kryptowerten Anders als die Bezeichnung der digitalen Einheiten als „Coins“ und „Token“ nahelegt,163 wechselt bei einer Transaktion keine individualisierbare Datenmenge die Wallet.164 Vielmehr dienen die Begriffe als Metapher für die als Saldo ausgewiesenen Einträge des virtuellen Registers, das der Blockchain-Algorithmus bzw. ein Smart Contract verwaltet.165 Autorisiert ein Token-Halter die Transaktion einer bestimmten
157
Heckelmann, NJW 2018, 504; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618 ff. Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278. 159 Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3943. 160 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 227; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3278 f. Mit einem vollständigen Code-Beispiel Sandner/Braunberger/Gabriel, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 3 Rn. 6. 161 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 1; Borkert, ITRB 2018, 91, 92; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279. 162 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 44; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279. 163 Zum etymologischen Hintergrund: Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 221; Szostek, Blockchain and the law, S. 125 f. 164 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 2; dies., NJW 2018, 3278 – 3279. Insofern missverständlich dagegen Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117; Keding, WM 2018, 64, 66. 165 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 2; Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 4 Rn. 2; Szostek, Blockchain and the law, S. 126; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3278 f.; Kusserow, WM 2020, 586, 589; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 436 f.; Teichmann, ZfPW 2019, 247, 267 vgl. auch Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 2: „We define an electronic coin as a chain of digital signatures.“ 158
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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Anzahl von Einheiten,166 prüft der Smart Contract zunächst automatisiert die Verwendung des korrekten private keys sowie die hinreichende Deckung der belasteten Wallet. Fällt der Prüfvorgang positiv aus, nimmt die Software die Datenänderung vor, indem sie das Saldo der transferierenden wallet um den entsprechenden Betrag verringert und dem Empfänger denselben gutschreibt.167 Innovativ ist an alledem weniger das Buchungsprocedere als solches als vielmehr der Umstand, dass der gesamte Ablauf ohne die Einbeziehung von Intermediären von statten geht.168 Dank der Einbettung in das Softwareumfeld der Blockchain dokumentiert der Smart Contract Transaktionen fälschungssicher, irreversibel und frei von Dritteinflüssen.169 Transaktionskosten entstehen dabei lediglich in Form der zur Programmausführung erforderlichen Rechenleistung, für die der sendende Netzwerkteilnehmer eine moderate Gebühr entrichtet.170
II. Token-Transaktionen aus zivilrechtlicher Perspektive Token erlauben es, die von den Erwerbern im Zuge der Emission erlangten Rechtspositionen in den Transaktionsraum der Blockchain zu überführen. Dadurch soll die Verkehrsfähigkeit der Anlagewerte steigen, was zugleich eine Grundbedingung für das Entstehen von Sekundärmärkten ist.171 Die damit eröffnete Möglichkeit, Risikobeteiligungen am Kapitalmarkt liquide zu handeln, stellt das maßgebliche Abgrenzungskriterium zu bisherigen Formen der Wagnisfinanzierung dar und macht Direktinvestitionen in Start-Ups erstmals einem internationalen Anlegerpublikum zugänglich.172 Investoren werden der neuen Anlageklasse indes nur Vertrauen entgegenbringen, wenn sie gewiss sein können, mit dem Token zugleich die zugrundeliegenden Rechte zu erhalten.173 Daran ist auch den Emittenten gelegen, 166 Dazu muss der sendende node unter Verwendung seines private key eine Transaktion, welche die erforderlichen Ausführungsparameter (Zahl der zu transferierenden Einheiten, Empfängeradresse u.s.w.) enthält, an den public key des Smart Contracts richten. Durch diesen trigger wird die Ausführung des Programm-Codes initiiert. Hierzu ausführlich: Antonopoulos/ Wood, Mastering Ethereum, S. 230. 167 Dies., Mastering Ethereum, S. 229 f.; Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 2; dies., NJW 2018, 3278, 3278 f.; Paulus/ Matzke, ZfPW 2018, 431, 436. 168 Vgl. Catalini/Gans, 63 COMMUN ACM 80, 88 (2020); Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 93. 169 Zum deployment des Smart Contracts noch C.I.1. 170 Bei Ethereum bemisst sich die Transaktionsgebühr nach der Referenzgröße gas, s. insoweit schon Fn. 64. Zur Ausführung des Smart Contracts mit Hilfe der Ethereum Virtual Machine, s. C.I. 171 Koch, ZBB 2018, 359, 363. 172 Vgl. Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 13; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 90; Rohr/ Wright, 70 Hastings L. J. 463, 485 (2019); s. auch noch unter B.II.2.b)dd). 173 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 36.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
die sich durch Leistung an die Token-Halter von ihrer Verbindlichkeit befreien können wollen.174 Dass die Zuweisung virtueller Einheiten zu einem public key konstitutive Wirkungen für die materielle Rechtslage entfaltet, versteht sich indes keineswegs von selbst. Denn ein frisch emittierter Token wird nicht ipso iure zu dem Recht, das er vermitteln soll.175 Vielmehr ist im Ausgangspunkt zwischen materieller Rechtslage und „Token-Lage“ zu unterscheiden.176 Um die virtuell dokumentierte mit der tatsächlichen Rechtslage in Einklang zu bringen, müssen die eingeräumten Rechtspositionen mit den Token eine unauflösliche Verbindung eingehen. Der rechtssichere Handel auf Grundlage der Blockchain setzt mit anderen Worten voraus, dass Token und die Rechte, die sie repräsentieren, nicht getrennt voneinander übertragen werden können.177 Dazu müssten die Ledger-Einträge wertpapiergleiche Wirkungen entfalten.178 Diese Notwendigkeit hat auch der Gesetzgeber erkannt und mit der Einführung des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) erstmals die Möglichkeit geschaffen, entmaterialisierte Inhaberschuldverschreibungen zu begeben. Wertpapierrechtlicher Schutz soll danach nicht mehr ausschließlich urkundlich verbrieften Rechten vorbehalten sein. Vielmehr sollen identische Wirkungen durch die Eintragung in einem Wertpapierregister erzielt werden können (1.). Jenseits des begrenzten Anwendungsbereichs des Gesetzes bleiben die Rechtsfolgen einer Token-Transaktion umstritten (2.). 1. Elektronische Schuldverschreibungen nach dem eWpG Das „Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren“179 ist am 10. 6. 2021 in Kraft getreten. Zentrales Anliegen des Artikelgesetzes ist – wie bereits sein Name verrät – die Öffnung des deutschen Rechts für elektronische Wertpapiere. Zu diesem Zweck wird durch seinen Art. 1 das eWpG eingeführt. Flankierend enthält der Rechtsakt erforderlich werdende Änderungen in einer Reihe von Gesetzen wie dem DepotG, dem WpPG und dem KWG. Der Gesetzgeber ist damit der durch die Blockchain-Strategie der Bundesregierung ausgerufenen Zielvorgabe nachgekommen, einen Rechtsrahmen für die Digitalisierung des Wertpapierhandels zu schaffen.180 Nach der Vorstellung der Entwurfsverfasser soll das Potenzial innovativer 174
Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 36. 175 Dies., in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 7; Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 4 Rn. 11. 176 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 7; Schäfer/Eckhold, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 16a Rn. 40; Siedler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 7 Rn. 24; Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 825; Koch, ZBB 2018, 359, 363; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431, 1436. 177 Hildner/Danzmann, CF 2017, 385, 390; Koch, ZBB 2018, 359, 262 f. 178 S. zur Mobilisierungsfunktion von Wertpapieren sogleich unter B.II.1.a)aa). 179 BGBl. 2021 I Nr. 29, S. 1423. 180 Blockchain-Strategie der Bundesregierung, BT-Drs. 19/13433, S. 6.
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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Technologien für den Wertpapierverkehr nutzbar gemacht und Deutschland als Finanzplatz im internationalen Wettbewerb gestärkt werden.181 Wenngleich DLT-Innovationen den Anstoß für die Gesetzgebung gaben,182 handelt es sich bei dem eWpG nicht um ein reines „Blockchain-Gesetz“. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber einen technologieneutralen Regulierungsansatz, der auch anderen elektronischen Begebungsformen aufgeschlossen gegenüberstehen soll.183 Ob mit dem eWpG ein „Quantensprung“184 oder lediglich ein „zaghafter Schritt“185 hin zu einem entmaterialisierten Wertpapierrecht gelungen ist, beurteilt die Literatur uneinheitlich. Um die Tauglichkeit des neuen Rechtsrahmens für die Zwecke der Token-Finanzierung zu würdigen, sollen nachfolgend die wesentlichen Regelungen des eWpG beleuchtet werden. Dabei stehen nicht die Detailfragen der neuen lex lata im Vordergrund. Stattdessen sollen Schlaglichter auf die zentralen Regelungsgegenstände ihre Bedeutung im Finanzierungskontext erhellen. a) Kontextualisierung Um Brüche mit dem historisch gewachsenen Wertpapierrecht zu vermeiden, hat sich der Gesetzgeber dagegen entschieden, mit dem eWpG einen umfassenden Systemwechsel zu vollziehen. Elektronische Wertpapiere bleiben daher den sachenrechtlichen Wurzeln des Effektengiros verhaftet.186 Um die Konsequenzen dieser Pfadabhängigkeit greifbar zu machen, ist das eWpG zunächst in den historischen Kontext einer jahrzehntewährenden Entwicklung einzuordnen, im Zuge derer die Wertpapierurkunde ihre tradierten Funktionen weitestgehend eingebüßt hat. aa) Vorteile der wertpapiermäßigen Verbriefung Traditionell versteht man unter einem Wertpapier ein urkundlich verbrieftes Vermögensrecht (z. B. eine Forderung), mit dem sich im Rechtsverkehr bestimmte Wirkungen erzielen lassen.187 Durch die Verbriefung werden das Recht und die 181 182
863. 183
RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 1. Vgl. Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 1 Rn. 2 ff.; Sickinger/Thelen, AG 2020, 862,
RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 1; Voß, ZdiW 2021, 16, 17. Vgl. Mittwoch, WM 2021, 375 ff. (Zitat aus dem Titel); ähnlich Saive, ZRP 2020, 219, 221: „[b]ahnbrechend“. 185 Vgl. Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551 ff. (Zitat aus dem Titel); ähnlich Lehmann, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59. 186 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 40; Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 23. 187 Ders., in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 3a. Auf die Streitfrage, ob der Begriffsbildung ein enges oder weites Verständnis zugrunde zu legen ist, kommt es im hiesigen Kontext nicht an, s. zum Streitstand Habersack, in: MünchKomm BGB, Vor § 793 Rn. 8 ff. 184
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Urkunde unauflöslich miteinander verbunden.188 Die so erreichte Verdinglichung macht es möglich, das verbriefte Recht nach sachenrechtlichen Vorschriften (§§ 929 ff. BGB) zu übertragen. Dadurch erst wird es verkehrsfähig (sog. Mobilisierungsfunktion), denn anders als bei der Zession nach §§ 398 ff. BGB kann sich ein Erwerber nun darauf berufen, die Urkunde und mit ihr das verbriefte Recht gutgläubig erworben zu haben, §§ 932 ff. BGB: „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht an dem Papier.“189 Zur Umlauffähigkeit des Wertpapiers trägt weiterhin bei, dass sich der Erwerber keine Einwendungen entgegenhalten lassen muss, die aus dem Rechtsverhältnis des Ausstellers zu einem Vormann herrühren (vgl. §§ 796, 794 BGB); die schuldnerfreundlichen Maßgaben des Zessionsrechts (§§ 404 ff. BGB) greifen nicht ein.190 Der Besitz der Urkunde begründet zudem die Vermutung, dass der Inhaber zur Geltendmachung des verbrieften Rechts berechtigt ist (sog. Legitimationsfunktion, vgl. § 793 Abs. 1 S. 1 BGB).191 Der Aussteller kann dementsprechend mit schuldbefreiender Wirkung an den Inhaber leisten, selbst wenn dieser die Urkunde rechtsfehlerhaft erworben hat (sog. Liberationsfunktion, vgl. § 793 Abs. 1 S. 2 BGB).192 Des Weiteren kann der Schuldner seine Leistung davon abhängig machen, dass der Gläubiger ihm die schuldverbriefende Urkunde aushändigt (sog. Präsentationsfunktion, vgl. § 797 BGB).193 bb) Funktionsverlust der Wertpapierurkunde All diesen Vorzügen zum Trotz hat sich die Einzelurkunde im Hinblick auf die Anforderungen des kapitalmarktmäßigen Massengeschäfts als untauglich erwiesen. Zu umständlich und teuer wäre es, Wertpapiere in großer Anzahl herzustellen, aufzubewahren und zu verwalten – vom Verlustrisiko ganz zu schweigen.194 Physische Wertpapierurkunden haben folgerichtig nicht erst seit der Erschließung der Blockchain-Technologie erheblich an Bedeutung verloren. Die wesentlichen Weg-
188 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 3a. 189 Ders., in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 4; Ekkenga, in: MünchKomm HGB, P. Effektengeschäft Rn. 31; Fest, Anleihebedingungen, S. 171 f. 190 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 5; Fest, Anleihebedingungen, S. 168 ff. 191 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 6; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 1 II.1. (S. 8 f.). 192 Ekkenga, in: MünchKomm HGB, P. Effektengeschäft Rn. 34; Habersack, in: MünchKomm BGB, § 793 Rn. 41; Marburger, in: von Staudinger, BGB, § 793 Rn. 26 ff. 193 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 7. 194 Ders., in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 92; Habersack, in: MünchKomm BGB, Vor § 793 Rn. 33; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 1 III. (S. 14).
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punkte dieser Entwicklung lassen sich anhand der Funktionsweise des modernen Effektengiros und der bisherigen Rolle sogenannter Wertrechte nachzeichnen.195 (1) Girosammelverwahrung und Globalurkunden Der Effektenverkehr ist zunächst dazu übergegangen, Einzelurkunden in Girosammelverwahrung zu nehmen.196 Wertpapiere derselben Gattung werden dazu für eine Vielzahl von Depotkunden von einer Wertpapiersammelbank – dies ist seit 1990 die Clearstream Banking AG – in einem einheitlichen Sammelbestand verwahrt; als Rechtsgrundlage dienen insoweit die §§ 5 ff. DepotG.197 Der Hinterleger ist bei dieser Verwahrungsart nicht mehr Alleineigentümer „seiner“ Wertpapiere, sondern erwirbt in Höhe des Wertpapiernennbetrags Miteigentum am Sammelbestand, § 6 Abs. 1 DepotG. Dem liegt ein pyramidenförmiges Besitzkonstrukt zugrunde: Die Wertpapiersammelbank hält die Papiere als unmittelbarer Fremdbesitzer, der Depotbank steht der mittelbare Mitbesitz erster Stufe zu und die Depotkunden erlangen mittelbaren Mitbesitz zweiter (ggf. höherer) Stufe.198 Der zentrale Vorteil des kunstvollen Gebildes besteht darin, dass die verwahrten Bestände am Effektengiroverkehr teilnehmen können.199 Hierunter versteht man die stückelose Lieferung von Anteilen am Sammelbestand, die sich vergleichbar mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr allein durch Depotbuchungen vollzieht.200 Obwohl die Wertpapierurkunden dabei nicht im physischen Sinne übertragen werden, entfaltet die Buchung nach herrschender Meinung nicht nur schuld- sondern auch sachenrechtliche Wirkungen.201 Um eine schlichte Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB zu begründen, ist allerdings einiges an juristischer Akrobatik von Nöten: Die Depotbank des Veräußerers werde ermächtigt (§ 185 BGB), eine auf Übertragung des Miteigentums gerichtete Willenserklärung gegenüber der Bank des Erwerbers für den, den des angeht,202 abzu195
Mit einem umfassenden Überblick zur Geschichte s. Segna, Bucheffekten, S. 153 ff. Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 93; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 12 f. 197 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 93; Einsele, in: MünchKomm HGB, Q. Depotgeschäft Rn. 44. 198 BGHZ 207, 23, 28; Bauer, in: Kümpel/Mülbert/Früh u. a., Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 18.52; Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 93; Kumpan, in: Hopt, HGB, § 6 DepotG Rn. 2; s. zu Veranschaulichungszwecken die Abbildung bei Huber, ZIP 2021, 1573, 1578. 199 Canaris, in: Staub, HGB3, Rn. 2007 ff.; Einsele, in: MünchKomm HGB, Q. Depotgeschäft Rn. 52 ff. 200 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 93; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 1 III.1.c) (S. 16). 201 BGHZ 207, 23, 28; BGHZ 160, 121, 124; Segna, Bucheffekten, S. 185 ff. jew. m. w. Nachw. 202 Auf die Rechtsfigur des Geschäfts für den, den es angeht, greift man zurück, weil eine direkte Einigung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber typischerweise nicht zustande 196
80
2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
geben (Geheißerwerb).203 Schwierigkeiten bereitet dabei die Konstruktion des erforderlichen Besitzwechsels. Dieser komme dadurch zustande, dass die Wertpapiersammelbank ihren Besitzmittlungswillen auf die Depotbank des Erwerbers umstelle, welche wiederum ihren Besitzmittlungswillen auf den erwerbenden Depotkunden richte, wobei der gesamte Vorgang durch die entsprechende Buchung im Verwahrbuch der Wertpapiersammelbank nach außen dokumentiert werde.204 An seine Grenzen stößt dieser Begründungsansatz spätestens dann, wenn Forderungen oder Aktien – wie heute üblich – nicht mehr als einzelne Stücke, sondern als Sammel- bzw. Globalurkunde im Sinne des § 9a DepotG verbrieft werden.205 Für die depotrechtliche Lage ordnet § 9a Abs. 2 DepotG die sinngemäße Anwendung der für die Sammelverwahrung maßgeblichen Vorschriften an. In der Praxis machen Emittenten allerdings flächendeckend von der Möglichkeit Gebrauch, die Auslieferung von Einzelurkunden gem. § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG auszuschließen (sog. Dauerglobalurkunden).206 Soweit die herrschende Meinung207 den Depotkunden einen „vergeistigten“ Mitbesitz an der Globalurkunde zuschreibt, obwohl deren Herausgabe a priori ausscheidet, hat sich hiergegen zu Recht Kritik formiert.208 Will man an der sachenrechtlichen Konzeption des Effektengiros festhalten, bleibt nur die Möglichkeit, auf die Depotbuchung als maßgeblichen Publizitätsakt abzustellen. Angesichts der – hier nur angedeuteten – Konstruktionsschwierigkeiten lässt sich ein solches Ergebnis aber wohl nur rechtsfortbildend begründen.209 kommt, da die Parteien im anonymen Massenverkehr nicht persönlich in Erscheinung treten, s. Canaris, in: Staub, HGB3, Rn. 2025. 203 Bauer, in: Kümpel/Mülbert/Früh u. a., Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 18.62; Kumpan, in: Hopt, HGB, § 24 DepotG Rn. 2; Segna, Bucheffekten, S. 207 ff.; a. A. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 64 ff.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1682 (für Abtretung nach §§ 398 ff. BGB). 204 BGHZ 160, 121, 124; BGHZ 207, 23, 28; Bauer, in: Kümpel/Mülbert/Früh u. a., Bankund Kapitalmarktrecht, Rn. 18.106 ff.; Fest, Anleihebedingungen, S. 179; Klanten, in: Ellenberger/Bunte, BankR-Hdb, § 47 Rn. 107; Rögner, in: Scherer, DepotG, § 6 Rn. 6 f.; a. A. Einsele, in: MünchKomm HGB, Q. Depotgeschäft Rn. 110. 205 Es handelt sich dabei um ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich auch in vertretbaren Wertpapieren derselben Art hätten verbrieft werden können. Die Druck- und Verwahrungskosten lassen sich auf diese Weise abermals reduzieren, s. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 13 ff.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 1 III.2. (S. 16 f.). 206 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 94; Fest, Anleihebedingungen, S. 174. 207 BGHZ 161, 189, 191 f.; BGHZ 207, 23, 27 f.; Scherer/Martin, in: Scherer, DepotG, § 9a Rn. 29; Brand, ZBB 2015, 40, 44 ff.; Huber, ZIP 2021, 1573, 1576 f. m. w. Nachw. 208 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 104; Einsele, in: MünchKomm HGB, P. Effektengeschäft Rn. 97 f.; Lehmann, Finanzinstrumente, S. 366 ff.; Segna, Bucheffekten, S. 213 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680 f. 209 So Canaris, in: Staub, HGB3, Rn. 2026 f.; Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 105.
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Die juristischen Verrenkungen, derer es bedarf, um den Buchungsvorgang im Effektengiroverkehr „irgendwie in die Kategorien der §§ 929 ff. BGB zu pressen“210, machen deutlich, dass die Wertpapierurkunde im modernen Effektengirosystem nur noch als „Denkbehelf“211 taugt. De facto finden Wertpapiertransaktionen schon seit geraumer Zeit durch Einigung und Umbuchung statt.212 Zementiert wurde dieser Zustand durch Art. 3 Abs. 1 CSD-VO213, wonach Wertpapiere bei der Zulassung zum Handel durch Buchungen im Effektengiro erfasst sein müssen.214 (2) Registergestützte Wertrechte nach dem BuSchWG Einen gänzlichen Verzicht auf das Verkörperungselement gestatten sogenannte Wertrechte bzw. Bucheffekten. Als solche bezeichnet man unverbriefte, registermäßig dokumentierte Rechte, die Wertpapieren kraft gesetzlicher Anordnung gleichgestellt sind.215 Vor dem Inkrafttreten des eWpG konnten auf Grundlage der §§ 6 ff. BSchuWG216 lediglich Anleihen des Bundes als Schuldbuchforderungen (Wertrechte) begeben werden.217 Hinsichtlich der wertpapierrechtlichen Wirkungen eines Registereintrags differenziert das Gesetz zwischen Sammelschuldbuchforderungen (§ 6 BSchuWG) und Einzelschuldbuchforderungen (§ 7 BSchuWG). Bei Sammelschuldbuchforderungen wird die Clearstream Banking AG als Treuhänderin der gesamten Emission in das Schuldbuch eingetragen.218 Kraft der Fiktion gem. § 6 Abs. 2 S. 1 BSchuWG werden die Forderungen wie physische Wertpapiere, d. h. sachenrechtlich, behandelt.219 Die Gläubiger gelten dabei nach § 6 Abs. 2 S. 2 BSchuWG als Miteigentümer nach Bruchteilen an einem fingierten Sammelbestand. Die Erwerbsvorgänge vollziehen sich wie bei sammelverwahrten
210
Canaris, in: Staub, HGB3, Rn. 2022. Zöllner, in: FS Raiser, S. 249, 255. 212 Canaris, in: Staub, HGB3, Rn. 2022; Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 93; Scherer/Martin, in: Scherer, DepotG, § 9a Rn. 24. 213 Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 7. 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/ EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (CSD-VO), ABl. 2014 L 257, 1. 214 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 93. 215 S. grundlegend Opitz, Fünfzig Depotrechtliche Abhandlungen, S. 426 ff. 216 Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes (BSchuWG), 12. 7. 2006, BGBl. I 2006, S. 1466. 217 Zur Entwicklung Segna, Bucheffekten, S. 291 ff. 218 Ders., Bucheffekten, S. 298 ff. 219 Ders., Bucheffekten, S. 304 f. 211
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Urkunden gem. §§ 929 ff. BGB, wodurch die Börsenfähigkeit der Anleihe gewährleistet ist.220 Im Gegensatz dazu haben sich Einzelschuldbuchforderungen von der sachenrechtlichen Tradition des Wertpapierrechts gelöst.221 Bei ihnen erhält jeder individuelle Gläubiger einen Registereintrag. Verfügungen vollziehen sich nach zessionsrechtlichen Grundsätzen, wobei die Umschreibung im Schuldbuch gem. § 8 Abs. 1 BSchuWG konstitutiv wirkt.222 Abweichend von den bürgerlich-rechtlichen Zessionsvorschriften eröffnet § 8 Abs. 2 BSchuWG die Möglichkeit, Einzelschuldbuchforderungen gutgläubig zu erwerben. Trotz wiederholter Apelle aus dem Schrifttum, das Wertpapierrecht von seinen sachenrechtlichen Fesseln zu befreien,223 konnte sich der Gesetzgeber bis zuletzt nicht durchringen, Wertrechte auch außerhalb des öffentlichen Schuldenwesens einzuführen.224 Erst als Marktakteure begannen, die Blockchain-Technologie zu nutzen, um sich vom staatlich regulierten Wertpapierhandel unabhängig zu machen, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, dem Reformdruck nachzugeben. Dazu trug auch die Sorge bei, der Finanzplatz Deutschland könne den Anschluss an Staaten verlieren, die wie Frankreich, Liechtenstein und die Schweiz bereits DLT-Initiativen umgesetzt hatten.225 Für eine wertpapierrechtliche „Zeitenwende“226 hat der Reformwille des deutschen Gesetzgebers allerdings nicht ausgereicht. Vielmehr hat man sich mit dem eWpG für eine behutsame Fortentwicklung des bestehenden Wertpapierrechts entschieden, um Friktionen mit dem Effektengirosystem zu vermeiden. Das BSchuWG diente hierfür als Inspirationsquelle.227
220 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 95. 221 Ders., in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 96: „Wertrecht im engeren Sinne“. 222 Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 96. 223 S. bereits aus dem Jahr 1942 Opitz, Fünfzig Depotrechtliche Abhandlungen, S. 494, 512 ff.; hieran anknüpfend Zöllner, in: FS Raiser, S. 249, 255 ff. sowie aus jüngerer Zeit mit konkreten Reformvorschlägen u. a. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 561 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente, S. 218 ff.; Segna, Bucheffekten, S. 621 ff. und zuletzt Casper, BKR 2019, 209, 214 ff. S. überblicksartig zu diesen und weiteren Ansätzen ders., in: Baumbach/ Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 100 ff. 224 S. zu den erfolglos gebliebenen gesetzgeberischen Anläufen im Einzelnen Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 97 ff. 225 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 1; vgl. überblicksartig zu den gesetzgeberischen DLT-Aktivitäten der Europäischen Nachbarn Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, Einl. Rn. 34. 226 So noch die erwartungsvolle Betitelung bei Lehmann, BKR 2020, 431 ff. 227 Vgl. RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 29; Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 85 ff.; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, Einl. Rn. 23 f.
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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b) Anwendungsbereich Dem sachlichen Anwendungsbereich des eWpG unterfallen nach dessen § 1 „Schuldverschreibungen auf den Inhaber“, womit die in § 793 Abs. 1 BGB definierten Wertpapiere gemeint sind.228 Im Gewand solcher Inhaberschuldverschreibungen können nicht nur klassische Anleihen begeben werden. Vielmehr eignet sich die wertpapierrechtliche Einkleidung für „ein ganzes Universum verschiedener Instrumente“229.230 Dazu zählen auch solche mit einem mezzaninen Gepräge, z. B. (digitale) Genussscheine, die für die Token-basierte Wagnisfinanzierung eine zentrale Rolle spielen.231 Als elektronische Wertpapiere können darüber hinaus Pfandbriefe232 und bestimmte Investmentanteilsscheine233 (§ 95 Abs. 1 und 3 KAGB) ausgegeben werden.234 Anderen kapitalmarktgängigen Titeln bleibt die neue Begebungsform dagegen einstweilen verschlossen.235 Das gilt namentlich für Aktien, deren Einbeziehung die Regierungsbegründung für die Zukunft ankündigt.236 Im Hinblick auf Kryptowerte außerhalb des sachlich erfassten Wertpapierbereichs entfaltet das eWpG ausdrücklich keine Präjudizwirkungen; ein „allgemeines Blockchain-Gesetz“ hat man mit dem eWpG nicht schaffen wollen.237
228 Lehmann, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 60; Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 1 Rn. 19; Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2021, 460; dies kritisierend Ribak, STOs, S. 167 f. 229 Lehmann, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 62. 230 Entscheidend ist allein, dass den Inhaberschuldverschreibungen das Versprechen einer vermögenswerten Leistung i. S. v. § 241 Abs. 1 BGB zugrunde liegt, s. Habersack, in: MünchKomm BGB, § 793 Rn. 7 sowie im Hinblick auf Utility Token Casper, in: Möslein/ Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 25; Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 1 Rn. 17. 231 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 38; Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 24; Conreder, in: Conreder/Meier, eWpG, § 1 Rn. 14; Lehmann, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 62; Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 1 Rn. 26; Casper, AG 2022, 714, 721; Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2021, 460. S. hierzu noch ausführlich 4. Kap. A.II.2. 232 Hierzu Lehmann, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 64. 233 S. hierzu ders., in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 63 f.; Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 1 Rn. 21 ff.; Omlor, RDi 2021, 371, 372. 234 Für Direktinvestitionen im Venture Capital-Bereich spielen beide Instrumente keine Rolle, weshalb sie im Folgenden außen vor bleiben. 235 Kritisch insoweit Lehmann, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 61. 236 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 38. Die vorläufige Zurückhaltung des Gesetzgebers kritisieren Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 76; Lehmann, in: Omlor/Möslein/ Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 64 ff.; Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2552; Wieneke/Kunz, NZG 2021, 316, 317. Zu den de lege lata bestehenden Umsetzungshindernissen sowie den mit dem ZuFinG-E veröffentlichten Reformbestrebungen s. 4. Kap. A.III.1.a). 237 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 30; Lehmann, NJW 2021, 2318, 2319; Segna, WM 2020, 2301, 2303.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
c) Festhalten an der sachenrechtlichen Fundierung des Wertpapierrechts Das Leitmotiv des eWpG, das Wertpapierrecht fortzuentwickeln, anstatt umzuwälzen, zeigt sich am deutlichsten anhand seines § 2.238 Danach kann ein Wertpapier auch als elektronisches Wertpapier begeben werden (Abs. 1 S. 1). Damit ist zunächst gesagt, dass den Emittenten ein Wahlrecht zukommt – Entmaterialisierungszwang besteht nicht.239 Als elektronisches Wertpapier definiert § 2 Abs. 1 eWpG ein Wertpapier, bei dem die Eintragung in einem elektronischen Wertpapierregister im Sinne des § 4 Abs. 1 eWpG die Wertpapierurkunde ersetzt.240 Es entfaltet gem. § 2 Abs. 2 eWpG dieselben Rechtswirkungen wie ein urkundlich verbrieftes Wertpapier. Diese Rechtsfolgengleichstellung untermauert § 2 Abs. 3 eWpG durch die Fiktion, es handele sich bei den Registereinträgen241 um Sachen im Sinne des § 90 BGB.242 Der Gesetzgeber bringt dadurch unmissverständlich zum Ausdruck, dass mit dem elektronischen Wertpapier lediglich eine neue Begebungsmodalität geschaffen werden sollte, durch die die Rechtsnatur des Wertpapiers unangetastet bleibt.243 Ein Wechsel hin zu „reinen“ Wertrechten, d. h. solchen, die wertpapierrechtliche Funktionen vermitteln, ohne auf sachenrechtliche Grundsätze zurückzugreifen,244 vollzieht das eWpG nicht.245 d) Arten elektronischer Wertpapiere Die Regelungsstruktur des eWpG zeichnet sich durch eine doppelte Dichotomie aus. Zum einen unterscheidet das Gesetz zwischen Zentralregisterwertpapieren und Kryptowertpapieren, § 4 Abs. 2 und 3 eWpG. Beide Wertpapierarten können darüber hinaus als Sammel- oder Einzeleintragung begeben werden, § 8 Abs. 1 eWpG. 238
Vgl. Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 1; Ribak, STOs, S. 166 f. Fest, Anleihebedingungen, S. 186; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 8; Lehmann, BKR 2020, 431, 432; Linardatos, ZBB 2020, 329, 331; Segna, WM 2020, 2301, 2302. 240 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 38; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 9. 241 Allein diese bilden den Bezugspunkt der Sachfiktion, s. Bartlitz, in: Conreder/Meier, eWpG, § 2 Rn. 34; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 69 f.; a. A. Linardatos, ZBB 2020, 329, 332 (Verdinglichung des verbrieften Leistungsversprechens). 242 Zum Fiktionscharakter der Norm s. Omlor, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 137, 139 f.; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 67 f. Zum Erfordernis der Verkörperung s. noch ausführlich B.II.2.b)aa)(1). 243 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 38; Berger, in: FS Gehrlein, S. 15, 17. 244 Vgl. Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 13: „Wertrecht im engeren Sinne“. 245 Vgl. RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 40. Während manche Autoren den Ansatz gleichwohl für „revolutionär“ (Saive, ZRP 2020, 219) bzw. „[b]esonders innovativ“ (Mittwoch, WM 2021, 375, 379) halten, reagierte der überwiegende Teil des Schrifttums mit teils harscher Kritik, s. nur Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 35; ders., BKR 2019, 209, 213; Lehmann, BKR 2020, 431, 433 f. 239
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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aa) Zentralregister- und Kryptowertpapiere Zentralregisterwertpapiere sind gem. § 4 Abs. 2 eWpG elektronische Wertpapiere, die in einem zentralen Register eingetragen werden. Geführt wird das zentrale Register entweder von einer Wertpapiersammelbank (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 eWpG), sprich der Clearstream Banking AG, oder von einer vom Emittenten zu benennenden Depotbank (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 eWpG).246 Bei Kryptowertpapieren handelt es sich demgegenüber um Einträge in einem Krypowertpapierregister, § 4 Abs. 3 eWpG, das gem. § 16 Abs. 1 eWpG auf einem dezentralen, „fälschungssicheren Aufzeichnungssystem“ beruhen muss. Damit sind nach dem derzeitigen Stand der Technik in erster Linie Blockchain-Register gemeint, wenngleich eine Festlegung auf DLT-Anwendungen nicht bezweckt ist.247 Gem. § 16 Abs. 2 S. 1 eWpG kann der Emittent als registerführende Stelle einen beliebigen Dienstleister, aber auch sich selbst benennen; unterbleibt eine Benennung, gilt gem. § 16 Abs. 2 S. 2 eWpG der Emittent als registerführende Stelle. Das Institut des Registerführers steht prima facie in einem gewissen Widerspruch zum dezentralen Charakter des Kryptowertpapierregisters.248 Es bedarf seiner aber, um überhaupt einen Normadressaten zu definieren. Der Registerführer ist Pflichtensubjekt, selbst wenn die Verwaltung und Fortschreibung des Registers automatisiert erfolgen.249 Wie sich noch an späterer Stelle zeigen soll, erwächst hieraus die Notwendigkeit, die Rolle der registerführenden Stelle im materiellen Registerrecht systemkonsistent auszulegen.250 bb) Sammel- und Einzeleintragung Die in materiellrechtlicher Hinsicht folgenschwerere Unterscheidung ist die zwischen elektronischen Wertpapieren in Sammel- und Einzeleintragung nach § 8 Abs. 1 eWpG.251 Die Differenzierung betrifft die Frage, wer als formeller Inhaber des elektronischen Wertpapiers im Register steht. Hiervon hängt insbesondere ab, nach welchen Regeln über das verbriefte Recht verfügt werden kann und ob das elektronische Wertpapier börsenfähig ist. 246 Letztere Option ist erst durch den Regierungsentwurf eröffnet worden, s. Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2021, 460, 463. 247 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 59 f.; Berger, in: FS Gehrlein, S. 15, 16; Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 27; Blassl, AG 2022, 725, 726; Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2557; Lehmann, NJW 2021, 2318, 2320; Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2021, 460, 461; Segna, WM 2020, 2301, 2304; Voß, ZdiW 2021, 16, 18. 248 Hierauf hinweisend auch Kell, in: Müller/Pieper, eWpG, § 16 Rn. 54; Blassl, AG 2022, 725, 727; Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2557 f. 249 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 60; Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 88; Blassl, AG 2022, 725, 727. 250 S. B.II.1.e)bb)(2)(b). 251 Vgl. Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 58.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Die Sammeleintragung bildet das Pendant zur Sammelschuldbuchforderung gem. § 6 Abs. 1 BSchuWG.252 Hier wie dort gilt die Eintragung qua Fiktion als Wertpapiersammelbestand (§ 9 Abs. 1 S. 1 eWpG), an dem die Anleger Miteigentum nach Bruchteilen erwerben (§ 9 Abs. 1 S. 2 eWpG).253 Als Inhaber kann nicht nur die Clearstream Banking AG, sondern auch ein sonstiger Verwahrer eingetragen werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 eWpG). Die Inhaberschaft des Verwahrers lässt dabei keinen Rückschluss auf die materielle Rechtslage zu.254 Vielmehr fallen die formelle Legitimation und die materielle Berechtigung bei der Sammeleintragung regelmäßig auseinander, wobei der Inhaber gem. § 9 Abs. 2 S. 1 eWpG als gesetzlicher Ermächtigungstreuhänder fungiert.255 Wird die Wertpapiersammelbank in einem zentralen Register als Inhaber eingetragen,256 erfolgt gem. § 12 Abs. 3 eWpG die Einbeziehung der elektronischen Wertpapiere in den Effektengiroverkehr.257 Da nur unter dieser Voraussetzung ihre Börsenfähigkeit gewährleistet ist, handelt es sich insoweit um den praktisch bedeutsamsten Fall der Sammeleintragung.258 Die Einzeleintragung eignet sich demgegenüber primär für Kryptowertpapiere, wenngleich sie – anders als nach dem Referentenentwurf – nun auch Zentralregisterwertpapieren offensteht.259 Eingetragen wird gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 eWpG, wer das elektronische Wertpapier als Berechtigter hält. Das ist gem. § 3 Abs. 2 eWpG die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, der das Recht aus dem Wertpapier materiellrechtlich zugeordnet ist. Es handelt sich bei dem eingetragenen Inhaber mithin um den Gläubiger der verbrieften Forderung, der zugleich Eigentümer des elektronischen Wertpapiers ist. Anders als bei der Sammeleintragung stimmen Inhaberschaft und Berechtigung somit grundsätzlich überein, wofür nach § 27 eWpG eine widerlegbare Vermutung streitet.260 Der Gesetz252
RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 49; Lehmann, NJW 2021, 2318, 2321. Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 9 Rn. 2. 254 Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 98 f.; Lehmann, NJW 2021, 2318, 2321. 255 Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 38 f.; Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2556; Segna, WM 2020, 2301, 2310 („Zustand der permanenten Unrichtigkeit“). 256 Grundsätzlich kommt auch eine Sammeleintragung im Kryptowertpapierregister in Betracht. 257 Hierzu im Einzelnen Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 12 Rn. 13 ff.; Segna, WM 2020, 2301, 2307. 258 Vgl. Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 40; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 70. 259 Vgl. RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 50; Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 22; Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 87; Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 8 Rn. 9. 260 Vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drs. 19/29372, S. 53: „Personalunion von Inhaber und Berechtigtem“; Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 36 f.; Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 8 Rn. 10; Linardatos, ZBB 2020, 329, 339. 253
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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geber weist einzeleingetragenen elektronischen Wertpapieren dadurch eine mit klassischen Einzelurkunden vergleichbare Rechtsscheinfunktion zu.261 Dem entspricht es, dass die §§ 24 ff. eWpG ein spezielles, registerbasiertes Verfügungsregime aufstellen. Der Gleichlauf von Inhaberschaft und Berechtigung spiegelt die Erwartungshaltung wider, die der Rechtsverkehr ganz allgemein an Security Token stellt.262 Das scheint den Entwurfsverfassern bewusst gewesen zu sein, heißt es doch in der Begründung, die Einzeleintragung richte sich „an den privaten Kapitalmarkt, der weitgehend ohne Intermediäre auskommen möchte“.263 In funktionaler Hinsicht erscheint es vor diesem Hintergrund denkbar, bei einem STO statt „gewöhnlicher“ Token Kryptowertpapiere in Einzeleintragung zu emittieren.264 Die Teilnahme am börslichen Handel scheidet für sie allerdings aus.265 e) Materielles Registerrecht Die konzeptionellen Unterschiede zwischen elektronischen Wertpapieren in Sammeleintragung und solchen in Einzeleintragung kommen in materieller Hinsicht vor allem in divergierenden Übertragungsregimen zum Ausdruck (bb)). Die Entstehung der elektronischen Schuldverschreibung erfolgt dagegen in beiden Fällen auf die gleiche Weise. aa) Entstehung Ein elektronisches Wertpapier wird gem. § 2 Abs. 1 S. 2 eWpG dadurch begeben, dass der Emittent an Stelle der Ausstellung einer Wertpapierurkunde die Eintragung (§ 4 Abs. 4 eWpG) im elektronischen Wertpapierregister bewirkt.266 Angesichts der Gleichstellung mit physischen Wertpapieren (§ 2 Abs. 2 eWpG) ist es konsequent, dass die Eintragung lediglich den in § 793 Abs. 1 S. 1 BGB vorausgesetzten Skripturakt substituiert, die Entstehungsvoraussetzungen im Übrigen aber unberührt lässt.267 Nach Maßgabe der heute vorherrschenden Vertragstheorie samt ihrer Modifikation durch die Rechtsscheintheorie268 bedarf es neben der Skriptur eines Be261
Vgl. Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 8 Rn. 10. Vgl. hierzu noch unter B.II.2.b)aa) mit den Hinweisen in Fn. 500. 263 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 50. 264 Vgl. auch Vig, BKR 2022, 442 f. S. aber noch einschränkend unter B.II.1.f). 265 Mittwoch, WM 2021, 375, 381; Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2021, 460, 461. 266 Zum Inhalt der Eintragung s. ausführlich Lieder, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 103, 109 ff. 267 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 39; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 7. 268 S. nur BGH, Urt. v. 30. 11. 1972 – II ZR 70/71 = NJW 1973, 282, 283 f. (zum Wechsel); obiter dictum zur Inhaberschuldverschreibung zuletzt in BGH, Urt. v. 14. 5. 2013 – XI ZR 160/ 12 = ZIP 2013, 1270, 1271; Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Recht des Zahlungsverkehrs, A Rn. 33; Habersack, in: MünchKomm BGB, Vor § 793 Rn. 29 ff.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 3 II. (S. 33 ff.). 262
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
gebungsvertrages mit dem ersten Nehmer.269 Dies hat zur Folge, dass Token, die im Transaktionsraum einer unregulierten Blockchain emittiert wurden, nicht durch nachträgliche „Umtragung“ in ein Register im Sinne des § 4 Abs. 1 eWpG zu elektronischen Wertpapieren werden können.270 Vielmehr bedürfte es für eine solche „Wertpapierwerdung“ zusätzlich eines inhaltsändernden Verfügungsvertrags zwischen dem Emittenten und den jeweils Berechtigten.271 bb) Übertragung Hinsichtlich der Übertragung des (Mit-)Eigentums am elektronischen Wertpapier beschreitet das eWpG je nach Eintragungsart unterschiedliche Wege. (1) Elektronische Wertpapiere in Sammeleintragung Aufgrund der Sammelbestandsfiktion nach § 9 Abs. 1 eWpG in Verbindung mit § 9b Abs. 1 S. 1 DepotG gelten für elektronische Wertpapiere in Sammeleintragung sinngemäß die gleichen Regeln wie für Globalurkunden bzw. giroverwahrte Sammelbestände. Die Übereignung eines Miteigentumsanteils an der Sammeleintragung richtet sich unter Zugrundelegung der herrschenden Meinung272 folgerichtig nach den §§ 929 ff. BGB.273 Die fragile sachenrechtliche Konstruktion des Effektengiros hat der Gesetzgeber auf diese Weise in das eWpG inkorporiert. Da nicht einmal ein Papier existiert, das die Publizitätsfunktion des Besitzes erfüllen könnte, stellt sich dabei prononciert die Frage nach dem erforderlichen Rechtsscheinelement.274 Diesem Publizitätsdefizit kann das elektronische Register nicht abhelfen, da es – wie schon erwähnt – hinsichtlich der materiellen Rechtslage schweigt.275 Im Hinblick auf
269 Vgl. hiervon offenkundig ausgehend auch RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 39, 42; ferner Berger, in: FS Gehrlein, S. 15, 18 f.; Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 35 f.; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 7; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 71 f.; Segna, WM 2020, 2301, 2306. 270 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 42; Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 93; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 10; Linardatos, ZBB 2020, 329, 340. 271 Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 10. 272 S. Fn. 201 samt der nachfolgenden Ausführungen im Text. 273 Vgl. RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 50; Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 47 ff.; Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 46 ff.; Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 9 Rn. 6; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 73 f.; Preuße/ Wöckener/Gillenkirch, BKR 2021, 460, 461. 274 Kritisch insoweit u. a. Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 49 f.; Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 99 f.; Bialluchvon Allwörden, RDi 2021, 13, 14; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 73 f., 76; Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2556; Lehmann, BKR 2020, 431, 433; Omlor, RDi 2021, 371, 376; Segna, WM 2020, 2301, 2308 f.; s. mit lobenden Worten andererseits Voß, ZdiW 2021, 16, 17. 275 So auch Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 48.
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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elektronische Wertpapiere in Sammeleintragung bleibt es insoweit bei dem Befund, dass sich Übereignungen de facto durch Einigung und Depotbuchung vollziehen. (2) Elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung In seinem vierten Abschnitt trifft das eWpG Sonderregeln für Verfügungen über elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung. Konzeptionell streben die §§ 24 ff. eWpG dabei die Kongruenz von materieller und verlautbarter Rechtslage an, wobei § 24 eWpG den Grundsatz „keine Verfügungen außerhalb des Registers“ aufstellt.276 (a) Umtragung als konstitutiver Publizitätsakt Was dies auf tatbestandlicher Seite im Einzelnen bedeutet, konkretisiert § 25 Abs. 1 S. 1 eWpG für den Fall der Übereignung. Neben der dinglichen Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber277 ist es danach erforderlich, dass das elektronische Wertpapier auf Weisung des Berechtigten auf den Erwerber umgetragen wird. Der Gesetzgeber orientiert sich damit am Prinzip des derivativen rechtsgeschäftlichen Erwerbs (sog. eingeschränktes Separationsmodell).278 In funktionaler Hinsicht ersetzt dabei die Umtragung (§ 4 Abs. 8 eWpG) die bei physischen Urkunden erforderliche Übergabe als konstitutiv wirkenden Publizitätsakt.279 Damit gelingt dem eWpG die konsequente Loslösung vom Verkörperungselement der traditionellen Urkunde.280 Ein Eigentumserwerb außerhalb des Registers durch Abtretung des verbrieften Rechts mit anschließendem gesetzlichen Eigentumserwerb analog § 952 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht.281 (b) Erforderlichkeit einer zentralen Weisungsstruktur? Was Blockchain-basierte Transaktionen anbelangt, weckt das Weisungserfordernis bei einem Teil der Literatur Zweifel an der Innovationskraft des Übertragungsregimes.282 Als problematisch sieht man insbesondere die Vereinbarkeit mit den Funktionsbedingungen des Kryptowertpapierregisters an. Denn ihrem Inhalt nach enthält die Weisung die Aufforderung, die nach § 17 Abs. 1 Nr. 6 eWpG er276 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 66; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 24 Rn. 12; Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2558. 277 S. hierzu näher Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 44; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 25 Rn. 6; Ribak, STOs, S. 208 f. 278 Vgl. Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 25 Rn. 5; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 74. 279 Meier, in: Conreder/Meier, eWpG, § 24 Rn. 52; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 25 Rn. 7; Ribak, STOs, S. 202 f.; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 75; Wieneke/Kunz, NZG 2021, 316, 322. 280 Vgl. Lehmann, BKR 2020, 431, 434. 281 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 66; Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 42; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 25 Rn. 12; Omlor, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 137, 143 f.; Ribak, STOs, S. 203 ff.; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 75; Sickinger/Thelen, AG 2020, 862, 865; a. A. Meier, RDi 2021, 1, 7 f. 282 Linardatos, ZBB 2020, 329, 340 f.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
forderlichen Angaben über den Inhaber283 im Register zu ändern (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 eWpG).284 Adressat dieser Willenserklärung ist die registerführende Stelle gem. § 16 Abs. 2 eWpG.285 Prima facie scheint das eWpG damit vorauszusetzen, dass der Registerführer über eine „zentrale Schreibbefugnis“ verfügt, die es ihm ermöglicht, Inhaberwechsel im Register eigenständig vorzunehmen.286 Die Einbindung eines Intermediärs, der wie die Depotbank im Effektengiro Umbuchungsanweisungen ausführt, stünde jedoch in einem eklatanten Widerspruch zu der dezentralen Architektur, auf der das Kryptowertpapierregister bestimmungsgemäß aufbaut.287 Es kann schwerlich dem gesetzgeberischen Willen entsprochen haben, einen Anwendungsbereich für DLT-Register zu eröffnen, nur um deren Umsetzbarkeit im gleichen Atemzug durch eine zentrale Weisungsstruktur zu konterkarieren.288 Die Funktion der registerführenden Stelle ist daher vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Entscheidung für ein verteiltes Aufzeichnungssystem auszulegen.289 Das impliziert, dass von der registerführenden Stelle nicht zu erwarten ist, dass sie mit Hilfe eines „Generalschlüssels“ Änderungen im Register vornimmt.290 Vielmehr dürfte es ausreichen, eine technische Infrastruktur bereitzustellen (z. B. in Form von Smart Contracts), mit Hilfe derer signierte Transaktionen (vgl. § 18 Abs. 1 S. 5 eWpG) in chronologischer Reihenfolge in das dezentrale Netzwerk eingebracht werden können.291 Entgegen zahlreicher Stellungnahmen in der Literatur292 kommen somit keineswegs nur permissioned Blockchains mit einem hohen Zentralisierungsgrad,
283 Die Bezeichnung des Inhabers erfolgt aus datenschutzrechtlichen Gründen gem. § 17 Abs. 2 S. 2 eWpG durch Zuordnung einer eindeutigen Kennung, s. hierzu Kell, in: Müller/ Pieper, eWpG, § 17 Rn. 18. 284 Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 25 Rn. 7; Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 74. 285 Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 25 Rn. 8; Meier, RDi 2021, 1, 8. 286 Linardatos, ZBB 2020, 329, 340 f. vgl. ferner Bitkom Bundesverband, Stellungnahme zum eWpG-E, online abrufbar unter: https://tinyurl.com/da66tzca, S. 4; Matzke, Stellungnahme zum eWpG-E, online abrufbar unter: https://tinyurl.com/kt8hy68d, S. 16. 287 Kell, in: Müller/Pieper, eWpG, § 18 Rn. 5. 288 Dies., in: Müller/Pieper, eWpG, § 18 Rn. 5; Ribak, STOs, S. 173. 289 Kell, in: Müller/Pieper, eWpG, § 18 Rn. 5; s. auch Ribak, STOs, S. 173 f. mit dem zutreffenden Hinweis, dass zwischen dem fälschungssicheren Aufzeichnungssystem i. S. d. § 4 Abs. 11 eWpG und dem daran anknüpfenden Kryptowertpapierregister zu differenzieren ist. 290 Vgl. in diese Richtung aber Bitkom Bundesverband, (Fn. 286), S. 4; Matzke, (Fn. 286), S. 16; Reiter, in: Conreder/Meier, eWpG, § 16 Rn. 18 („vorprogrammierte Zwangsfunktion“); hiergegen zu Recht Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 4 Rn. 80. 291 So Kell, in: Müller/Pieper, eWpG, § 18 Rn. 8; ähnlich Bitkom Bundesverband, (Fn. 286), S. 7; Blockchain Bundesverband, Stellungnahme zum eWpG-E, online abrufbar unter: https://tinyurl.com/3tcj9hvc, S. 14; Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2560; i. E. auch Wieneke/Kunz, NZG 2021, 316, 322. 292 Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 92; Döding/Wentz, WM 2020, 2312, 2319; Linardatos, ZBB 2020, 329, 341; Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2020, 551, 556; Sickinger/Thelen, AG 2020, 862, 864; zweifelnd ferner Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2557 f.
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sondern auch public-permissionless Blockchains als technologische Grundlage des Kryptowertpapierregisters in Betracht.293 (c) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten Fallen der Inhalt des elektronischen Wertpapierregisters und die materielle Rechtslage auseinander,294 gestattet § 26 eWpG den gutgläubigen lastenfreien Erwerb, soweit eintragungsfähige Rechte Dritter betroffen sind. Das Recht der Erwerber zur Einsichtnahme stellt die notwendige Publizität des Registers sicher (vgl. § 10 Abs. 2 eWpG).295 Positive Kenntnis vom Registerinhalt ist aber nicht erforderlich; § 26 eWpG gewährt abstrakten Vertrauensschutz.296 Der mit öffentlichem Glauben versehene Registerinhalt umfasst die Angaben nach § 13 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 bzw. § 17 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 eWpG über den Inhaber, relative Verfügungshindernisse und die Rechte Dritter.297 Wer seine Inhaberstellung aufgrund einer unwirksamen Verfügung erlangt hat, ist dem Berechtigten gegenüber verpflichtet, die Korrektur des Registerinhalts zu veranlassen. Zwar enthält das eWpG insoweit keine dem § 894 BGB vergleichbare Sondervorschrift. Der Berichtigungsanspruch folgt aber aus § 2 Abs. 3 eWpG i. V. m. § 985 BGB sowie ggf. aus den Kondiktionsansprüchen nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 oder 2 BGB.298 f) Abschließende Würdigung Mit Blick auf das erklärte Ziel, durch die Öffnung des Wertpapierrechts gerade jungen Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern,299 ist dem eWpG nach alledem ein Teilerfolg zu bescheinigen. Die Einführung elektronischer Wertpapiere in Sammeleintragung leistet hierzu allerdings einen eher bescheidenen 293
Pieper, in: Müller/Pieper, eWpG, § 4 Rn. 81; Ribak, STOs, S. 173 ff. Das kann z. B. aufgrund eines gesetzlichen Erwerbstatbestands oder wegen eines rechtsfehlerhaften Erwerbs der Fall sein, vgl. Omlor, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 137, 148. 295 S. hierzu näher Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 48 ff.; Lieder, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 103, 126 ff.; Lehmann, NJW 2021, 2318, 2322 f. 296 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 67; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 26 Rn. 12; Omlor, RDi 2021, 371, 375. 297 Den guten Glauben an die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Veräußerers schützt § 26 eWpG abweichend vom Referentenentwurf nicht mehr, kritisch hierzu Omlor, in: Omlor/ Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 137, 152 f.; Ribak, STOs, S. 252 ff. 298 Vgl. RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 67: „nach allgemeinen Vorschriften zur Herausgabe verpflichtet“; Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 53; Berger, in: FS Gehrlein, S. 15, 23; Einsele, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 33, 40; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, § 2 Rn. 18; Omlor, RDi 2021, 371, 375. Dessen unbeschadet ist das Fehlen einer Möglichkeit zur Eintragung eines Widerspruchs nach dem Vorbild von § 899 BGB und § 16 Abs. 3 S. 3 GmbHG zu Recht kritisiert worden, s. Habersack, in: Omlor/ Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 89. 299 Vgl. RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 1; Müller, in: Müller/Pieper, eWpG, Einl. Rn. 4. 294
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Beitrag. Indem der Gesetzgeber mit § 9 eWpG an die sachenrechtliche Tradition giroverwahrter Wertpapiere anknüpft, bleibt das elektronische Register für die materiellrechtliche Lage funktionslos. Der durch die Begebungsform ermöglichte Effizienzgewinn beschränkt sich auf Kostenersparnisse durch den Verzicht auf die Einlieferung und Verwahrung physischer (Sammel-)Urkunden.300 Das allein dürfte Unternehmen, für die eine Finanzierung am öffentlichen Kapitalmarkt bislang nicht in Betracht kam, kaum dazu bewegen, ihre Zurückhaltung abzulegen. Das Übertragungsregime für elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung weiß dagegen konzeptionell zu überzeugen. Der auf Verfügungstransparenz abzielende Ansatz der §§ 24 ff. eWpG erlaubt es, die Vorzüge der Blockchain-Technologie für den Wertpapierhandel nutzbar zu machen, ohne in puncto Verkehrsfähigkeit Einschränkungen hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund erscheint es im Ausgangspunkt durchaus naheliegend, bei einem STO statt „gewöhnlicher“ Token Kryptowertpapiere in Einzeleintragung zu begeben. Als umso bedauerlicher muss man es bezeichnen, dass das Gesetz keine eindeutige Antwort auf die Frage gibt, welche Funktion der registerführenden Stelle bei der Änderung des Registerinhalts konkret zukommt. Will man die gesetzgeberische Entscheidung für eine dezentrale Aufzeichnungsarchitektur ernst nehmen, kann es insoweit nur um die Bereitstellung von technischen Schnittstellen zum eigentlichen Netzwerk gehen, nicht um originäre Schreibbefugnisse.301 Um der aufkeimenden Verunsicherung entgegenzuwirken, wäre eine Klarstellung durch die im Oktober 2022 in Kraft getretene Verordnung über Anforderungen an elektronische Wertpapierregister (eWpRV) wünschenswert gewesen.302 Zweifel an einer zeitnahen Etablierung des Kryptowertpapierregisters äußern einige Autoren zudem aufgrund der erheblichen Regulierungsdichte, mit der sich potentielle Betreiber konfrontiert sehen.303 Von vornherein vom Anwendungsbereich des eWpG ausgeschlossen bleiben einstweilen Eigenkapitalemissionen.304 Echte Equity Token werden daher vorerst allenfalls über unregulierte Blockchains erhältlich sein.305 Keine Bedeutung erlangt das eWpG schließlich für die Mehrheit der bereits durchgeführten STOs. Die nachträgliche Verbriefung durch Umtragung in ein elektronisches Wertpapierregister 300 Habersack, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 83, 99 f.; Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2020, 551, 555; Wieneke/Kunz, NZG 2021, 316, 319. 301 S. B.II.1.e)bb)(2)(b). 302 Stattdessen wird die aktive Rolle der registerführenden Stelle betont. Diese hat etwa nach § 15 Abs. 1 eWpRV „das von ihr geführte Kryptowertpapierregister so einzurichten, dass sie Änderungen des Registerinhalts rückgängig machen kann.“ 303 Vgl. im Hinblick auf die Genehmigungserfordernisse nach § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 6 und 8 i. V. m. § 32 KWG etwa Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 77; Lehmann, NJW 2021, 2318, 2323; ferner Dubovitskaya, ZIP 2020, 2551, 2558 f.; Vig, BKR 2022, 442, 448. 304 Kritisch insoweit Casper, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 28 Rn. 76; Lehmann, NJW 2021, 2318, 2323; Preuße/Wöckener/Gillenkirch, BKR 2021, 460, 465. 305 S. zu den Umsetzungshürden allerdings 4. Kap. A.III.1.
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und inhaltsändernden Verfügungsvertrag ist schon aufgrund der regelmäßig gegebenen Pseudonymität der Netzwerkteilnehmer in den meisten Fällen impraktikabel. 2. Token-Transaktionen jenseits des Anwendungsbereichs des eWpG In welchem Maße kapitalsuchende Unternehmen künftig von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, Kryptowertpapiere im Sinne des eWpG zu emittieren, bleibt abzuwarten. Außerhalb des gesetzlichen Anwendungsbereichs werden Emittenten und Investoren jedenfalls weiterhin vor der Frage stehen, ob TokenTransaktionen die gewünschten wertpapierähnlichen Wirkungen erzielen. Dabei stehen die Beteiligten zunächst vor der Herausforderung, das maßgebliche Sachrecht zu bestimmen. Denn angesichts des weltumspannenden Charakters der BlockchainTechnologie weisen Token-Transaktionen regelmäßig über nationale Grenzen hinaus. Sie finden gewissermaßen „überall“ statt.306 Dementsprechend schwer fällt die Lokalisierung einer Transaktion.307 Problematisch ist das vor allem deshalb, weil nationale Rechtsordnungen den für die Finanzierungsmethode essentiellen Tatbestand uneinheitlich beurteilen.308 Bevor sich die Untersuchung der materiellen Rechtslage zuwendet (b)), gilt es daher zu klären, wie die Übertragung von Security Token kollisionsrechtlich einzuordnen ist (a)). a) Kollisionsrechtliche Einordnung einer Token-Transaktion Welches Recht auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug Anwendung findet, hängt von den internationalprivatrechtlichen Regelungen der lex fori ab. Ist ein deutsches Gericht international zuständig, etwa nach Art. 18 Abs. 1 Var. 2 Brüssel IaVO309 weil ein Verbraucher mit Wohnsitz in Deutschland den Emittenten vor seinem Heimatforum verklagt,310 richtet sich die kollisionsrechtliche Beurteilung vorrangig 306
Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 813; Zimmermann, IPRax 2018, 566. Mitunter geht man gar davon aus, Token-Transaktionen seien ein „kollisionsrechtliches Nullum“, Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 828. 308 Mit einem rechtsvergleichenden Überblick s. Omlor, ZVglRWiss 119 (2020), 41, 45 ff. 309 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der geänderten Fassung vom 26. 11. 2014 (Brüssel Ia-VO), ABl. 2012 L 351, 1. 310 Das setzt nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) Brüssel Ia-VO voraus, dass der Beklagte in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeine Weise auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet. Im Zusammenhang mit einem Token Sale können sich aus den Angaben im Emissionsprospekt, dem Marketing-Material oder dem Whitepaper Indizien für eine Ausrichtung auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten ergeben, s. Barsan, RTDF 2017, 54, 64. Zu potentiellen Anhaltspunkten bei Internetangeboten s. EuGH, Urt. v. 7. 12. 2010, Rs. C-585/ 08, Slg. 2010, I-12527 (Pammer); hierzu weitergehend Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 17 Brüssel Ia-VO Rn. 13a f. Für eine ausführliche Darstellung der internationalen 307
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
nach den Art. 3 ff. EGBGB. Eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten, wie sie Art. 3 EGBGB voraussetzt, folgt im Zusammenhang mit einem Token Sale zumeist unproblematisch aus der Adressierung des internationalen Anlegerpublikums.311 Von einem grenzüberschreitenden Sachverhalt dürfte aber auch dann auszugehen sein, wenn sich das Token-Angebot ausnahmsweise nur an inländische Investoren richtet. Denn auch in diesem Fall beruht die Emission auf einer öffentlichen Blockchain, der es aufgrund ihres dezentralen, ubiquitären Gepräges an einem lokalisierbaren Standort fehlt.312 Eine Sonderkollisionsnorm für Token-Transaktionen existiert mit § 32 eWpG lediglich für die im Kryptowertpapierregister dokumentierten Einträge. Jenseits des Anwendungsbereichs des eWpG spricht viel dafür, die kollisionsrechtliche Einordnung von Security Token analog zur Anknüpfung von Wertrechten vorzunehmen.313 Sie verfügen wie Token über keinerlei physisches Substrat, sodass eine Anknüpfung nach der lex rei sitae von vornherein ausscheidet.314 Soweit auf Wertrechte nicht § 17a DepotG als spezielle Kollisionsnorm des Effektengiroverkehrs Anwendung findet,315 entscheidet das Statut des verbuchten Rechts (sog. Hauptstatut)316 über die mit einem Buchungsvorgang verbundenen Rechtsfolgen.317 Parallel hierzu bestimmt bei einem Token das Statut des tokenisierten Rechts die Rechtsordnung, nach der die Rechtsfolgen einer Transaktion zu beurteilen sind.318 Zuständigkeit im Rahmen eines Token Sales s. Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 175 ff.; Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 28 ff. 311 Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 188; Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 1; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 127. 312 Guillaume, in: Kraus, Blockchains, S. 49, 59; Lehmann, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 5 Rn. 24; Rühl, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 12 Rn. 5, 13; Skauradszun, ZfPW 2022, 56, 67; vgl. Zimmermann, IPRax 2018, 566. 313 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.37; vgl. Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 21, der aber auf die Ungewissheit eines Dogmatiktransfers hinweist. 314 In Bezug auf Wertrechte Mansel, in: von Staudinger, BGB, Anh. Art. 43 EGBGB Rn. 27; in Bezug auf Token Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 207 ff.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.37; Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 822; Martiny, IPRax 2018, 553, 559; Skauradszun, ZfPW 2022, 56, 72. 315 Zum Anwendungsbereich: Wendehorst, in: MünchKomm BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 248 ff. 316 Zur begrifflichen Unterscheidung zwischen Wertpapierrechtsstatut bzw. Hauptstatut und Wertpapiersachstatut s. Thorn, in: Grüneberg, BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 1. 317 Mansel, in: von Staudinger, BGB, Anh. Art. 43 EGBGB Rn. 27; Wendehorst, in: MünchKomm BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 211. 318 Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 219 ff.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.37; a. A. Lehmann, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 5 Rn. 144 ff. und Wendehorst, IPRax 2020, 490, 497 f., die sich für eine „gewisse Flexibilität“ bei der Anknüpfung aussprechen und neben dem Hauptstatut noch andere Anknüpfungsmomente, z. B. den Sitz des Emittenten, als potentiell maßgeblich erachten; ähnlich wohl Skauradszun, ZfPW 2022, 56, 66 f. A. A. ferner Schäfer/Eckhold, in:
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Qualifiziert das Hauptstatut eine Token-Transaktion als Zession des tokenisierten Rechts oder als unselbständige Voraussetzung einer solchen, richten sich die hiervon ausgehenden erga omnes-Wirkungen nach dem Zessionsstatut.319 Misst das Hauptstatut der Umbuchung dagegen die Bedeutung eines sachenrechtlichen Verfügungsaktes bei, unterstehen die dinglichen Folgen der Übertragung ebenfalls dem Statut des tokenisierten Rechts.320 Für ein hiervon abweichendes fiktives Sachstatut besteht daneben keine Notwendigkeit. Ein solches erachtet ein Teilen des Schrifttums im Zusammenhang mit Wertrechten für erforderlich, für die das Recht des Registerführungsortes eine Gleichstellung mit physischen Wertpapieren fingiert.321 Da für Blockchains kein lokalisierbarer Registerführungsort existiert, bleibt im Kontext einer Token-Transaktion schon unklar, worin der Anknüpfungspunkt eines fiktiven Sachstatuts bestehen sollte.322 Die Dominanz des Hauptstatuts ermöglicht zudem kohärente Regelungskonzepte, weil Inhalt und Übertragung des durch einen Security Token verkörperten Rechts nach derselben Rechtsordnung bestimmt werden.323 Im Zusammenhang mit einem STO kommen als Haupt- das Schuld- und das Gesellschaftsstatut in Betracht, je nachdem, ob der fragliche Token schuldrechtliche Ansprüche vermittelt oder eine mitgliedschaftliche Stellung einräumt. aa) Vertragsstatut nach der Rom I-VO Handelt es sich bei dem tokenisierten Recht um einen schuldvertraglichen Anspruch, richtet sich die Ermittlung des Vertragsstatuts nach der Rom I-VO324, die dem nationalen Kollisionsrecht innerhalb ihres Anwendungsbereichs in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark (s. Erwägungsgrund (46)) vorgeht. Seit dem Vollzug des Brexits wendet zudem das Vereinigte Königreich die Rom I-VO Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 16a Rn. 49, die wenig nachvollziehbar meinen, aus Art. 43 EGBGB folge, dass auf Security Token das Recht des Staates Anwendung findet, in welchem die Token emittiert werden. Wie dieser Staat bei einer dezentralen Emission zu lokalisieren sein sollte, bleibt offen. A. A. zudem Spindler, ZGR 2020, 707, 745 f., der für die Anwendbarkeit der lex fori plädiert, aber im gleichen Atemzug anerkennen muss, dass die Konsequenz eine kaum handhabbare „Rechtszersplitterung“ wäre. 319 Vgl. Wendehorst, in: MünchKomm BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 211. Hierauf ist in Fn. 582 noch zurückzukommen. 320 Vgl. Martiny, IPRax 2018, 553, 560. 321 Hierzu Mansel, in: von Staudinger, BGB, Anh. Art. 43 EGBGB Rn. 27 f.; Wendehorst, in: MünchKomm BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 210 f. 322 Vgl. Guillaume, in: Kraus, Blockchains, S. 49, 70: „[T]he geographical location of blockchain transactions is of no importance: only conflict-of-law rules that are independent of any location criterion are able to provide a satisfactory connection to a national legal order.“ 323 Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 219 ff.; Lehmann, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 5 Rn. 173; Wendehorst, IPRax 2020, 490, 497: Vermeidung „hinkende[r] Rechtslagen“. 324 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO), ABl. 2008 L 177, 6.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
unilateral als Teil des nationalen Rechts an.325 Internationales Einheitsrecht, durch das sich die kollisionsrechtliche Einordnung erübrigte, weil es den grenzüberschreitenden Sachverhalt unmittelbar regelt,326 existiert im Zusammenhang mit STOs nicht. Insbesondere ist der sachliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts nicht eröffnet, der gem. Art. 1 Abs. 1 CISG327 einen Warenkauf voraussetzt.328 (1) Eröffnung des Anwendungsbereichs Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Sekundärrechtsakts setzt gem. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO in territorialer Hinsicht einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus, wovon im Zusammenhang mit einem Token Sale ohne weiteres auszugehen ist (s. o.).329 Da es sich bei ICOs um ein vergleichsweise junges Phänomen handelt,330 ist auch der temporale Anwendungsbereich des Rechtsaktes gem. Art. 28 Rom I-VO zwangsläufig eröffnet. In sachlicher Hinsicht erstreckt sich die Rom I-VO auf alle Rechtsbeziehungen, die sich als vertragliches Schuldverhältnis in einer Zivil- und Handelssache darstellen. Nach der gebotenen unionsrechtlich autonomen Auslegung331 ist der Begriff des Schuldverhältnisses in einem extensiven Sinne zu verstehen.332 Er umfasst alle freiwilligen Verpflichtungen, die eine Partei gegenüber einer anderen eingeht.333 Die mit Security Token verbundenen Zahlungsund Mitwirkungsansprüche fallen ohne weiteres unter diese Definition. Auch eine Zivil- und Handelssache wird in aller Regel anzunehmen sein, da der Emittent keinerlei hoheitlichen Befugnisse ausübt. Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind auch bei Vorliegen der obengenannten Voraussetzungen die in Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO aufgeführten Sachmaterien. Hinsichtlich der im Zuge eines Token Sales begründeten Rechtsverhältnisse kommt die Bereichsausnahme gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I-VO in Betracht. Danach findet die Rom I-VO unter anderem auf Verpflichtungen aus handelbaren Wertpapieren keine Anwendung, soweit die Verpflichtungen aus diesen Wertpapieren aus 325
Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rn. 55 Rom I-VO. v. Hein, in: MünchKomm BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 14. 327 Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980, BGBl. 1989 II 588. 328 Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 178 ff., 186; Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 824. Vgl. in Bezug auf Currency Token ferner Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 54; Martiny, IPRax 2018, 553, 561. 329 S. bereits Fn. 311 und 312. 330 Der erste ICO, die Emission des Currency Tokens „Mastercoin“, datiert auf das Jahr 2013, hierzu: Wolf, Initial Coin Offerings, S. 29. 331 St. Rspr., vgl. zuletzt EuGH, Urt. v. 28. 7. 2016, Rs. C-191/15 = NJW 2016, 2727 ff. (Amazon); Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 6. 332 Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7; Thorn, in: Grüneberg, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 3. 333 EuGH, Urt. v. 21. 1. 2016, Rs. C-359/14 = NJW 2016, 1005, 1006; Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO Rn. 5. 326
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deren Handelbarkeit resultieren. Was unter den Begriff des handelbaren Wertpapiers fällt, definiert die Verordnung nicht selbst, sondern ist im Wege unionsrechtlichautonomer Auslegung zu ermitteln.334 Ein handelbares Wertpapier zeichnet sich danach durch seine Umlauf- und Transportfunktion aus, die sich in dem Umstand widerspiegelt, dass das verbriefte Recht dem Papier im Falle einer Übertragung folgt.335 Ob auch Token ein solches Maß an Umlauffähigkeit gewährleisten, soll das von der Rom I-VO berufene Sachrecht gerade beantworten.336 Die Frage kann an dieser Stelle einstweilen offenbleiben, da Token jedenfalls keine Wertpapiere im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I-VO sind.337 Unter den Begriff fallen nach bisher einhelliger Auffassung nur körperliche Urkunden, die durch Übergabe oder Indossament übertragen werden können.338 Will man dem in Erwägungsgrund (6) des Rechtakts zum Ausdruck kommenden Regelungsziel, die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen zu fördern, zum Durchbruch verhelfen, gibt es auch im Lichte der neuen technologischen Entwicklung keinen Anlass, hiervon abzurücken. Auch der Normzweck, Konflikte mit vorrangigen Staatsverträgen zu vermeiden,339 ist nicht einschlägig, da internationale Sonderregime gerade fehlen. Die mit Security Token verbundenen Rechte und Pflichten unterfallen nach hier vertretener Auffassung folglich nicht der Bereichsausnahme gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I-VO.340 Wer gegenteiliger Ansicht ist, gelangt infolge der dann angezeigten analogen Anwendung der Rom I-VO regelmäßig zu identischen Anknüpfungsergebnissen.341 Echte Equity Token fallen nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung. Für sie ist allein das Gesellschaftsstatut maßgeblich. Soweit für unechte Equity Token eine Ausgestaltung als stille Gesellschaft in Betracht kommt, bleibt es dagegen bei der Anwendbarkeit der Verordnung, da das fragliche Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Erwerber rein schuld-
334 Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 67; Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 59; v. Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 43. 335 Leible, in: NK-BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 56; Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 65; Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 59. 336 Methodisch fragwürdig erscheint insofern der Ansatz von Skauradszun, ZfPW 2022, 56, 68 f. mit Fn. 58, der die Transportfunktion von Token unter Verweis auf die Prospektgestaltung als selbstverständlich unterstellt. 337 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.37 (Fn. 60); a. A. Skauradszun, ZfPW 2022, 56, 68 f. 338 Unter Verweis auf die englische Sprachfassung Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 141; ferner Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO Rn. 15; Leible, in: NK-BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 56; v. Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 34. 339 S. Paulus, in: BeckOGK, Art. 1 Rom I-VO Rn. 85. 340 Im Ergebnis ebenso Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 186 f. 341 Vgl. Leible, in: NK-BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 59; Magnus, in: von Staudinger, BGB, Anh. Art. 1 Rom I-VO Rn. 34.
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rechtlicher Natur ist und die innere Organisation nicht nach außen in Erscheinung tritt.342 (2) Subjektive Anknüpfung gem. Art. 3 Rom I-VO Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO erlaubt es den Parteien, das auf ihren Vertrag anzuwendende Recht frei zu wählen. Für den Emittenten besteht darin eine naheliegende Möglichkeit, ein rechtssicheres Fundament für die Beziehungen zum globalen Anlegerpublikum zu schaffen.343 Insofern überrascht es nicht, dass sich verbreitet entsprechende Rechtswahlklauseln in den Emissionsbedingungen für Token Sales wiederfinden.344 Das wirksame Zustandekommen einer solchen Verweisungsabrede beurteilt sich gem. Art. 3 Abs. 5 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO losgelöst vom Hauptvertrag am Maßstab des gewählten Rechts.345 Das gilt auch für Rechtswahlklauseln in AGB,346 um die es sich bei den „Token Sale Agreements“347 und Emissionsprospekten348 regelmäßig handelt. Trotz des mit einer Verweisungsabrede verbundenen Gewinns an Rechtssicherheit verzichten Emittenten teils vollständig darauf, Angaben zum anwendbaren Recht zu machen.349 Das hat zu der Frage geführt, ob in solchen Fällen das Design des verwendeten Smart Contracts Aufschluss über das anzuwendende Recht geben kann.350 Zwar lässt Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO nicht nur eine ausdrückliche, sondern auch eine stillschweigende Rechtswahl zu. Ein entsprechender kollisionsrechtlicher Gestaltungswille muss sich in diesem Fall jedoch „eindeutig“ aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falls ergeben.351 Ein Indiz für 342 Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 1 Rom I-VO Rn. 21; Kindler, in: MünchKomm BGB, Bd. 13, Teil 10 Rn. 290; Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 87; v. Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 34; differenzierend: Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 74. 343 Vgl. Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 127. Kuntz (AcP 220 [2020], 51, 83) hält vor diesem Hintergrund gar eine Pflicht zur Rechtswahl als Regulierungsansatz für erwägenswert. 344 S. beispielhaft die Rechtswahlklausel im Wertpapierprospekt der Bitbond Finance GmbH v. 30. 1. 2019, abrufbar unter: https://www.bitbondsto.com/files/bitbond-sto-prospectusde.pdf, S. 54. 345 Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 101 f.; Rühl, in: Braegelmann/ Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 12 Rn. 20 ff. 346 Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 167. 347 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 38; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 127; Krüger/ Lampert, BB 2018, 1154, 1157; Weitnauer, BKR 2018, 231. 348 BGHZ 183, 220, 223. 349 So ergab die Auswertung öffentlicher ICO-Daten durch Zetzsche et al., dass ca. 65 % der Whitepaper, die bis zum 15. 2. 2019 veröffentlicht wurden, keine Rechtswahlklausel beinhalten, Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 283 (2019). 350 Vgl. Rühl, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 12 Rn. 19; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 81. 351 Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 71; Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 3 Rom I-VO Rn. 27.
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einen solchen Willen kann darin zu erblicken sein, dass die Parteien auf einzelne Vorschriften einer bestimmten nationalen Rechtsordnung Bezug nehmen.352 Vor diesem Hintergrund erscheint es möglich, auch Smart Contracts eine entsprechende Indizwirkung beizumessen, sofern deren Programmierung ersichtlich dem Vollzug bestimmter nationaler Regelungen dient und sie als Nebenabrede über die Vertragsdurchführung vom übereinstimmenden Parteiwillen gedeckt waren. Bei der Annahme eines realen Verweisungswillens ist jedoch „Zurückhaltung geboten“.353 Ein Smart Contract wird das einer konkludenten Rechtswahl abzuverlangende Maß an Klarheit nur in den seltensten Fällen aufweisen.354 Denn der zugrundeliegende Programmcode basiert auf simplen „Wenn-Dann-Befehlen“,355 die einen eindeutigen Rückschluss auf das gesetzliche Vorbild des Smart Contracts schwerlich zulassen. Eine stillschweigende Rechtswahl kommt daher zumeist nur „off-chain“ in Betracht. Ob die Wahl einer nationalen Rechtsordnung für die im virtuellen Raum verbundenen Parteien überhaupt eine interessengerechte Lösung bietet, wird in der Literatur bisweilen angezweifelt.356 Immerhin diene die Blockchain ihren Nutzern gerade dazu, sich von den Unzulänglichkeiten des staatlichen Rechts zu emanzipieren. Dann aber sei es nur konsequent, die Beteiligten ein Recht wählen zu lassen, das die Überzeugungen und selbstauferlegten Regeln der Krypto-Community widerspiegelt.357 Die Rom I-VO scheint derartigen privaten Normbeständen auf den ersten Blick durchaus zugewandt, heißt es doch in ihrem 13. Erwägungsgrund, die „Verordnung hinder[e] die Parteien nicht daran, in ihrem Vertrag auf ein nichtstaatliches Regelwerk […] Bezug zu nehmen“. Nach der zutreffenden herrschenden Meinung erstreckt sich die Rechtswahlfreiheit dennoch nur auf das staatlich gesetzte Recht eines Landes.358 Die Wahl einer „lex cryptographia“359 scheidet aus.360 In diese Richtung deutet bereits der Normtext, der an verschiedenen Stellen in der Verord352 Vgl. im Zusammenhang mit einem Reisevertrag etwa BGH, Urt. v. 23. 10. 2012 – X ZR 157/11 = NJW 2013, 308, 310; mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 59. 353 Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 91; Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 48. 354 Rühl, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 12 Rn. 19. 355 Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 9. 356 Guillaume, in: Kraus, Blockchains, S. 49, 71. 357 Dies., in: Kraus, Blockchains, S. 49, 71 ff. 358 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 3 Rom I-VO Rn. 21; Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 29; Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 40; Rühl, in: FS Kropholler, S. 187, 189 f.; v. Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 51; a. A. Hellgardt, RabelsZ 82 (2018), 654, 676 ff., der in der Rechtswahlschranke einen ungerechtfertigten Eingriff in das Unionsgrundrecht der Privatautonomie erblickt. 359 Filippi/Wright, Blockchain and the Law, S. 32. 360 So auch Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 187; Lehmann, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 5 Rn. 51; Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 40.
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nung explizit auf das Recht eines Staates rekurriert (Art. 2, Art. 3 Abs. 3 und 4, Art. 4, Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO).361 Auch die Entstehungsgeschichte des Sekundärrechtsaktes spricht entschieden gegen die Annahme, der Verordnungsgeber habe die Wahl nichtstaatlichen Rechts ermöglichen wollen.362 Denn Parlament und Rat sind dem Kommissionsvorschlag363, der in Art. 3 Abs. 2 eine entsprechende Wahlmöglichkeit vorsah,364 nicht gefolgt.365 Dem lag der berechtigte Einwand zugrunde, Privatkodifikationen entbehrten demokratischer Legitimation.366 Sie böten damit keine Gewähr für Vertragsgerechtigkeit.367 Zudem seien nichtstaatliche Normbestände regelmäßig lückenhaft und leisteten damit der Rechtsunsicherheit Vorschub.368 Letzteres lässt sich mit Blick auf die lex cryptographia nur unterstreichen. Denn ein klar konturierter Bestand an Gepflogenheiten und Prinzipien zeichnet sich für die Rechtsbeziehungen im virtuellen Transaktionsraum noch nicht ab, wie nicht zuletzt der Entscheidungsprozesse rundum die hard fork der Ethereum Blockchain demonstriert hat.369 Richtig verstanden weist der oben zitierte Erwägungsgrund somit nicht auf die kollisionsrechtliche Wählbarkeit nichtstaatlichen Rechts hin, sondern stellt lediglich klar, dass innerhalb der Grenzen des berufenen Sachrechts mit materiellrechtlicher Wirkung auf anationale Regelwerke verwiesen werden kann.370 (3) Objektive Anknüpfung gem. Art. 4 Rom I-VO Haben die Parteien keine oder eine nichtige Rechtswahl getroffen, ist das anwendbare Recht vorbehaltlich etwaiger Sonderkollisionsnormen nach dem objektiven Anknüpfungssystem des Art. 4 Rom I-VO zu ermitteln. Für bestimmte Vertragstypen stellt Art. 4 Abs. 1 lit. a) – h) Rom I-VO spezifische Anknüpfungsregeln
361 Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 40; Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 29. 362 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 3 Rom I-VO Rn. 21; Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 40. 363 KOM (2005) 650 endgültig. 364 Hierzu Mankowski, IPRax 2006, 101, 102 f. Schon nach dem Entwurf sollten Regelwerke, denen es an staatlicher Anerkennung und Klarheit fehlte (lex mercatoria), von der Rechtswahlfreiheit ausgeschlossen sein, KOM (2005) 650 endgültig, S. 6 zu Art. 3. 365 Wagner, IPRax 2008, 377, 379 f. 366 Ders., IPRax 2008, 377, 379. 367 Ders., IPRax 2008, 377, 379. 368 Ders., IPRax 2008, 377, 380. Hiervor warnend auch bereits Mankowski, IPRax 2006, 101, 102. 369 Vgl. hierzu die Hinweise im 1. Kap. A.IV.2. 370 Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 40; Rühl, in: FS Kropholler, S. 187, 189 f.; v. Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 54; Wagner, IPRax 2008, 377, 380.
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auf. Ob STOs einer dieser Bestimmungen unterfallen, hängt von den autonom zu bestimmenden Anwendungsbereichen der einzelnen Regelungen ab.371 In Betracht kommt insoweit die Einordnung als Kaufvertrag gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Rom I-VO. Dafür müsste jedoch eine körperliche Sache Vertragsgegenstand sein,372 was auf die virtuellen Einheiten ersichtlich nicht zutrifft.373 Das ist indes nicht der einzige Grund, weshalb es verfehlt wäre, die Sonderverbindung zwischen dem Emittenten und dem Investor auf einen Kaufvertrag zu reduzieren. Denn die Finanzierungsparteien schließen bei einem STO nicht nur einen Vertrag über die Ausgabe von Token, der vergleichbar mit einem Übernahmevertrag als Kauf- bzw. Tauschvertrag charakterisiert werden mag.374 Vielmehr richtet sich der Parteiwille auch darauf, die tokenisierten Forderungen zur Entstehung zu bringen.375 Ohne das zugrundeliegende Recht wären die Token schließlich wertlos – ein rechtliches und wirtschaftliches Nullum.376 Bei Lichte betrachtet ist für die Anknüpfung des tokenisierten Rechts somit nicht die Verschaffung digitaler Einheiten maßgeblich, sondern das Versprechen, an die Token-Inhaber bestimmte (oder bestimmbare) Zahlungen zu leisten. Eine solche Abrede ähnelt funktional einem Begebungsvertrag, mit dem Unterschied, dass nicht ein Papier sondern ein Datenbankeintrag mit einem Recht unterlegt wird.377 Typologisch kann es sich je nach Ausgestaltung um ein selbständiges Leistungsversprechen oder um einen Austauschvertrag (z. B. Genussrechtsvertrag) handeln.378 Auch den übrigen in Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO genannten Vertragstypen lässt sich die im Zuge der Emission getroffene Abrede nicht eindeutig zuordnen. Dem Zahlungsversprechen ist weder ein Dienstleistungselement nach Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO inhärent, noch erfolgt der Vertragsschluss innerhalb eines multilateralen Systems im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. h) Rom I-VO. Subsidiär unterliegt die Abrede gem. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO dem Recht des Staates, in dem die Partei, welche die vertragscharakteristische Leistung schuldet, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 371 Vgl. Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 4 Rom I-VO Rn. 14; Thorn, in: Grüneberg, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 4. 372 Ders., in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 4 Rom I-VO Rn. 18; Thorn, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom I-VO Rn. 23. 373 Pesch, Cryptocoin-Schulden, S. 67; Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 44; Martiny, IPRax 2018, 553, 561. 374 Vgl. Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 198. Zur umstr. Rechtsnatur eines Übernahmevertrags s. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 48 f. m. w. Nachw. zum Meinungsstand. 375 Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 199. 376 Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280. 377 Vgl. Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 199; Jünemann/ Wirtz, ZfgK 2018, 1117. 378 S. zur Rechtsnatur der tokenisierten Rechte sowie zur Unterscheidung von kausalen und abstrakten Forderungsrechten 4. Kap. A.II.2.a)cc) und dd). Zum problematischen Verhältnis von Begebungsvertrag und verbriefter Forderung im Anleiherecht s. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 50 ff.
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Charakteristisch in diesem Sinne ist diejenige Leistung, die den Vertrag von anderen unterscheidet.379 Die Leistung des Entgelts ist hierfür nicht aussagekräftig.380 Das gilt im Kontext eines Token Sales auch dann, wenn der Investor statt eines gesetzlichen Zahlungsmittels eine private Kryptowährung verwendet,381 immerhin kann eine bestimmte Summe Bitcoin oder Ether nicht nur als Entgelt für einen Token, sondern auch zur Zahlung diverser anderer Leistungen eingesetzt werden. Die vertragsprägende Leistung geht stattdessen vom Emittenten aus, der sich zu zukünftigen Zahlungen sowie gegebenenfalls zur Gewährung von Mitwirkungsmöglichkeiten und Informationen verpflichtet.382 Zur Anwendung gelangt damit das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Emittenten.383 Bei einer Gesellschaft ist dies gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO der Ort ihrer Hauptverwaltung. Anderes gilt nach Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu dem Recht eines anderen Staates aufweist. Da ein Rückgriff auf die Ausweichklausel nur in eindeutigen Fällen angezeigt ist,384 dürfte eine Korrektur des Verweisungsergebnisses im Zusammenhang mit Token Sales aber die Ausnahme bleiben.385 (4) Ausschluss von Finanzinstrumenten aus dem Anwendungsbereich der Sonderkollisionsnorm für Verbraucherverträge gem. Art. 6 Rom I-VO Handelt es sich bei dem Emittenten um einen Unternehmer und bei dem TokenInvestor um einen Verbraucher, modifiziert die Sonderanknüpfung gem. Art. 6 Rom I-VO zum Schutze des letzteren sowohl die Vorschriften über die Rechtswahl als auch die objektiven Anknüpfungsregeln, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers ausübt oder sie auf diesen Staat ausrichtet.386 Dies hätte zur Konsequenz, dass dem Verbraucher im Falle der Rechtswahl gem. Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO der 379 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 4 Rom I-VO Rn. 61; Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 174. 380 Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 177; Stürner, in: Erman, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 32. 381 A. A. Barsan, RTDF 2017, 54, Rn. 65. 382 Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 190 ff.; skeptisch Steinrötter, in: Maume/ Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 44. Vgl. im Zusammenhang mit traditionellen Anleihen Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 4 Rom I-VO Rn. 104; Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I-VO Rn. 329; Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 291. 383 Vgl. Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 824. 384 Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 294; Thorn, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom I-VO Rn. 135. 385 Vgl. Rühl, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 12 Rn. 26; a. A. Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 45. 386 Zum „Ausrichten“ s. bereits Fn. 310 (dort im Zusammenhang mit Art. 17 Abs. 1 lit. c] Brüssel Ia-VO).
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zwingende Schutz seines Aufenthaltsrechts nicht entzogen werden könnte. Mangels Rechtswahl käme gem. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dagegen bliebe es bei der Anknüpfung nach Maßgabe von Art. 3 bzw. 4 Rom IVO, wenn STOs dem Ausschlusstatbestand für „Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten“387 gem. Art. 6 Abs. 4 lit. d) Alt. 1 Rom I-VO unterfielen.388 Ausweislich der 28. Begründungserwägung des Rechtsaktes soll der Ausschluss vermeiden, dass Finanzinstrumente aufgrund der Anknüpfungsregeln nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom I-VO unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstehen, weil dadurch ihre Fungibilität beeinträchtigt würde.389 Was als Finanzinstrument qualifiziert, ergibt sich dem 30. Erwägungsgrund zufolge aus Art. 4 MiFID I390. Seit der Neufassung der Richtlinie kommt es gem. Art. 94 Abs. 3 MiFID II391 hinsichtlich der in Bezug genommenen Begriffsbestimmung auf den überarbeiteten Rechtsakt an.392 Der danach maßgebliche Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II verweist auf die in Anhang I Abschnitt C abschließend genannten Instrumente. Auf Token nimmt der Katalog nicht ausdrücklich Bezug. Die wiederholt geäußerte Befürchtung, die enumerative Definitionstechnik des Katalogs sei ungeeignet, mit der Innovationskraft des Finanzmarktes Schritt zu halten,393 bewahrheitet sich gleichwohl nur, wenn keine der genannten Kategorien Blockchain-basierte Werte miteinschließt. Im aufsichtsrechtlichen Kontext nimmt die herrschende Meinung an, jedenfalls bei Security Token handele es sich um „übertragbare Wertpapiere“.394 Für den an erster Stelle des 387 Die als „vollkommen missglückt“ kritisierte Formulierung soll das Bündel von Rechten und Pflichten umschreiben, die das Finanzinstrument als solches ausmachen, s. Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 45 f.; Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 320; Garcimartín Alférez, JPIL 5 (2009), 85, 90. 388 Garcimartín Alférez, JPIL 5 (2009), 85, 91. 389 Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 96 ff.; Heiderhoff, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 6 Rom I-VO Rn. 49; Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 6 Rom I-VO Rn. 89; Garcimartín Alférez, JPIL 5 (2009), 85, 90 f. 390 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (MiFID I), ABl. 2004 L 145, 1. 391 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (MiFID II), ABl. 2014 L 173, 349. 392 A. A. Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 66 f., die die MiFID I auch weiterhin für maßgeblich erachtet. 393 Rühl, in: BeckOGK, Art. 6 Rom I-VO Rn. 153; Mankowski, RIW 2009, 96, 102. 394 Hacker/Thomale, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 229, 234; Ribak, STOs, S. 548; Röh, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 72 WpHG Rn. 7; Scherer, Blockchain im Wertpapierbereich, S. 112; Spindler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 25 Rn. 17; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.106; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 99 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 51 f.; Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 572; Fußwinkel/Kreiterling, BaFin
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
besagten Katalogs aufgeführten Begriff hält Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II eine Legaldefinition bereit. Diese umschreibt zunächst die abstrakten Merkmale übertragbarer Wertpapiere, bevor Regelbeispiele, aufgeteilt in drei Untergruppen („Aktien“, „Schuldtitel“, „sonstige Wertpapiere“), den materiellrechtlichen Gehalt der erfassten Instrumente konkretisieren. (a) Abstrakte Merkmale eines übertragbaren Wertpapiers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II Ob ein Finanzinstrument als Wertpapier qualifiziert, hängt von seiner Eignung zum Handel am Kapitalmarkt ab.395 Der Legaldefinition nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II lassen sich hierfür drei abstrakte Voraussetzungen entnehmen, die inhaltlich ineinandergreifen: Die Übertragbarkeit des Wertpapiers ((aa)), die Standardisierung desselben ((bb)) sowie die Handelbarkeit im engeren Sinne ((cc)).396 Bei der Auslegung der Begriffselemente ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Richtlinie als kapitalmarktrechtliches Regelungsinstrument dem Markt- und Anlegerschutz dient.397 Da diese Regelungsziele unabhängig von der urkundlichen Verbriefung eines Rechts bestehen, fallen grundsätzlich auch entmaterialisierte Wertpapiere unter die Definition.398 Der die Richtlinie insoweit umsetzende § 2 Abs. 1 WpHG stellt dies ausdrücklich klar.399 Dass der Wertpapierbegriff, der Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I-VO zugrunde liegt, keine unverbrieften Rechte erfasst,400 steht hierzu keineswegs im Widerspruch, sondern ist Ausdruck der Relativität von Rechtsbegriffen.401 In systematischer Hinsicht rechtfertigt gerade diese Bedeutungsdivergenz die Existenz des Art. 6 Abs. 4 lit. d) Alt. 2 Rom I-VO, der gleichfalls auf Wertpapiere Bezug nimmt. Hätten Wertpapiere im Sinne der Bereichsausnahme Perspektiven 1/2018, 48, 61 f.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 673; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 16 f.; Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 857, 860; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 102; Patz, BKR 2019, 435, 436; Weitnauer, BKR 2018, 231, 233; Zickgraf, AG 2018, 293, 303; a. A. LG Berlin, Urt. v. 27. 5. 2020 – 2 O 322/18 = AG 2021, 204, 205; Schäfer/Eckhold, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 16a Rn. 47; Bialluch-von Allwörden, RDi 2021, 13, 17 ff.; Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2122. 395 Bauerschmidt, in: Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht, Art. 2 ProspektVO Rn. 11. 396 Petow, in: Heidel, AktR, KapMR, § 2 WpHG Rn. 3; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 4. 397 Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 9; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 4. 398 Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 55; Bauerschmidt, in: Assmann/Schlitt/ von Kopp-Colomb, Prospektrecht, Art. 2 Prospekt-VO Rn. 13; Schäfer/Eckhold, in: Assmann/ Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 16a Rn. 46; so auch BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 16. 8. 2019, S. 8. 399 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 6. 400 S. zuvor unter B.II.2.a)aa)(1). 401 Zur Kontextabhängigkeit von Rechtsbegriffen ausführlich Kuntz, AcP 215 (2015), 387, 393 ff.
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gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I-VO dieselbe Bedeutung wie solche nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II, wäre der Ausschlusstatbestand des Art. 6 Abs. 4 lit. d) Alt. 2 Rom I-VO redundant.402 Auch die divergierenden Regelungsziele der Rom I-VO einerseits und der MiFID II andererseits stehen mit dieser Auslegung im Einklang. Security Token bleiben mithin gem. Art. 6 Abs. 4 lit. d) Alt. 1 Rom I-VO von den abweichenden Anknüpfungsregeln für Verbraucherverträge unberührt, wenn sie sich für den Handel auf dem Kapitalmarkt eignen.403 (aa) Übertragbarkeit Aus dem Erfordernis der Handelbarkeit ergibt sich mittelbar, dass Marktteilnehmer in der Lage sein müssen, die Anlageinstrumente zu transferieren.404 Dies ist im Transaktionsraum der Blockchain von technischer Seite ohne weiteres möglich.405 Hiervon zeugt namentlich der an Kryptobörsen stattfindende Handel mit virtuellen Werten.406 Unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung der individuellen Transaktionen ist die Übertragbarkeit von Security Token somit grundsätzlich zu bejahen. Abweichendes mag allenfalls im Einzelfall gelten, wenn der Programmcode des Smart Contracts die Transaktionsmöglichkeit faktisch ausschließt (sog. freezing).407 (bb) Standardisierung Mit der Formulierung „Kategorien von Wertpapieren“ verdeutlicht Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II, dass der kapitalmarktmäßige Handel nur mit solchen Instrumenten in Betracht kommt, die standardisierte Rechte repräsentieren.408 Das ist der Fall, wenn Wertpapiere aufgrund übereinstimmender Ausstattungsmerkmale in einer Weise austauschbar sind, die ihren Handel allein anhand von Art und Anzahl ermöglicht.409 Dafür ist nicht etwa zu fordern, dass sämtliche Emittenten die Wert402
Vgl. Garcimartín Alférez, JPIL 5 (2009), 85, 91. Darüber hinaus ist in materieller Hinsicht eine funktionale Vergleichbarkeit mit den Regelbeispielen zu fordern, hierzu sogleich unter B.II.2.a)aa)(4)(b). 404 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 11; Zickgraf, AG 2018, 293, 296. Teile der Literatur sprechen der Übertragbarkeit eine eigenständige Bedeutung ab, weil diese in der Handelbarkeit aufgehe: Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 70; Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 14; Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 26. 405 S. bereits unter B.I.2. 406 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 101; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 663; Zickgraf, AG 2018, 293, 299. 407 Jeweils unter Verweis auf die Emission des EOS-Token: Wolf, Initial Coin Offerings, S. 108 f.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.93; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 37; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 664; Zickgraf, AG 2018, 293, 306. 408 Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 11; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 7. 409 Ders., in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 7; Zickgraf, AG 2018, 293, 299. 403
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
papiere einer bestimmten Gattung uniform ausgestalten.410 Wäre dem so, müssten Security Token angesichts der Diversität anzutreffender Gestaltungen als infungibel gelten.411 Stattdessen kommt es für die Feststellung hinreichender Standardisierung nach nahezu einhelliger Ansicht auf einen emittentenbezogenen Blickwinkel an.412 Hierfür lässt sich zwar aus dem Normtext des Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II, der auch mit dem gegenteiligen Auslegungsergebnis vereinbar wäre, nichts gewinnen.413 Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 lit. a) – c) MiFID II weist die Wertpapiereigenschaft jedoch gerade solchen Finanzinstrumenten zu, deren Ausgestaltung auf dem Kapitalmarkt derart variiert, dass von einer emittentenübergreifenden Standardisierung keine Rede sein kann.414 Schon im Hinblick auf Aktien im Sinne von lit. a) ist trotz der Satzungsstrenge erheblicher Gestaltungsspielraum gegeben.415 Das erkennt im deutschen Aktienrecht namentlich § 11 AktG explizit an, indem er auf die Möglichkeit hinweist, unterschiedliche Aktiengattungen zu kreieren.416 Noch weiterreichende Gestaltungsvarianz weisen die unter lit. b) genannten Schuldtitel auf. Emittenten können diese inhaltlich zum Beispiel durch Bestimmungen über die Zinshöhe und Laufzeit, die Möglichkeit der Wandlung sowie den Befriedigungsrang nach Belieben ausformen.417 Ähnliches gilt für die „sonstigen Wertpapiere“ im Sinne von lit. c), deren Komplexität bereits der Normtext andeutet.418 Auch der Sinn und Zweck des Standardisierungserfordernisses steht diesem Verständnis nicht entgegen.419 Standardisierte Instrumente sollen den schnellen und massenhaften Handel von Wertpapieren zu geringen Suchkosten ermöglichen und damit zur Effizienz des Kapitalmarktes beitragen.420 Dafür bedarf es keiner emittentenübergreifenden Uniformität. Ein gewisses Maß an Gestaltungsreichtum auch 410 So aber wohl Preuße, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpPG Rn. 5, demzufolge „je Emittent individuell gestaltbar[e]“ Gesellschaftsanteile in jedem Falle infungibel seien. 411 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.97; Zickgraf, AG 2018, 293, 300. 412 Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 70; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 109 f.; Fuchs, in: ders., WpHG, § 2 Rn. 14; Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 25; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.98 ff.; Zickgraf, in: Maume/ Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 39 ff.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 667 f.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 356; Zickgraf, AG 2018, 293, 300. 413 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 110; Fuchs, in: ders., WpHG, § 2 Rn. 14; Zickgraf, AG 2018, 293, 300. 414 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 110; Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 25; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.98 f.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 667; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 356. 415 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 110; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 667. 416 S. hierzu Kuntz/Engelhardt, ZGR 2021, 348, 379 f. m. w. Nachw. 417 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.99; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 356. 418 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.99. 419 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 110; Zickgraf, AG 2018, 293, 300. 420 Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 24.
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innerhalb einzelner Anlageklassen verursacht nicht etwa prohibitiven Informationsaufwand, sondern ist angesichts der inhomogenen Nachfrage für den Kapitalmarkt sogar von vitaler Bedeutung.421 Dem Ziel der Effizienzsteigerung ist durch die emittentenbezogene Standardisierung mithin Genüge getan. Mit der herrschenden Meinung ist das Standardisierungserfordernis damit bei einer Mehrzahl gleich ausgestalteter Token desselben Emittenten als erfüllt anzusehen. Dies ist von technischer Seite regelmäßig dadurch gewährleistet, dass alle Token einer Emission auf dem Programmcode desselben Smart Contracts beruhen. Dieser diktiert jedenfalls bei Verwendung des ERC20-Standards einheitliche (technische) Bedingungen für die gesamte Finanzierungsrunde.422 Aufgrund der AGB im Emissionsprospekt bzw. in den „Terms and Conditions“ herrschen zudem übereinstimmende Anlagebedingungen für alle Investoren. Praktisch bedeutet das für die Akteure auf dem Token-Markt, dass sie sich zwar über die konkrete rechtliche Ausstaffierung eines Security Token informieren müssen, diesen aber allein auf Grundlage der Anzahl und der Token-Bezeichnung handeln können.423 (cc) Handelbarkeit im engeren Sinne Um als Wertpapier zu qualifizieren, muss ein Token „am Kapitalmarkt gehandelt werden können“. Ein Indiz für die Handelbarkeit soll es nach Ansicht der Europäischen Kommission sein, dass mit den fraglichen Instrumenten Umsatzgeschäfte auf dem geregelten Markt (Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II) oder im Rahmen eines multilateralen Handelssystems (Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID II) stattfinden (können).424 Bislang ermöglichen lediglich spezielle Kryptobörsen den massenhaften Handel von Token, indem sie anhand von Angebot und Nachfrage die Preisbildung koordinieren.425 Mangels staatlicher Zulassung, derer es gem. Art. 44 Abs. 1 MiFID II bedarf, handelt es sich bei diesen Plattformen nicht um geregelte Märkte.426 Für die Einordnung als multilaterales Handelssystem (engl.: Multilateral Trading Facility, kurz: MTF) kommt es entscheidend darauf an, wie der Marktplatz Angebot und 421
Wolf, Initial Coin Offerings, S. 110; Zickgraf, AG 2018, 293, 300. Die Verwendung des ERC-20 Standards ist gleichwohl weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für die Annahme, Token aus einer bestimmten Emission seien fungibel. Denn über die inhaltliche Ausformung sagt der Programmcode nichts aus, vgl. Koch, ZBB 2018, 359, 366. 423 Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 668; Zickgraf, AG 2018, 293, 300. 424 Europäische Kommission, Questions and Answers on MiFID, v. 31. 10. 2008, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/files/mifid-2004-0039-commission-questions-answers_de, S. 22 a. E.: „If the securities in question are of a kind that is capable of being traded on a regulated market or MTF, this will be a conclusive indication that they are transferable securities, even if the individual securities in question are not in fact traded.“ 425 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 111; Zickgraf, AG 2018, 293, 301; mit Beispielen ferner Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 665; Weitnauer, BKR 2018, 231. 426 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 182 f.; Patz, BKR 2019, 435; Zickgraf, AG 2018, 293, 301. 422
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Nachfrage konkret zusammenführt (sog. Ordermatching).427 Erfolgt der Vertragsschluss auf algorithmischer Grundlage, sodass die Parteien nicht im Einzelfall darüber disponieren können, ob ein durch das System angebahntes Geschäftsverhältnis zustande kommt, ist von einem MTF auszugehen.428 Wählen die Marktteilnehmer die Orders dagegen manuell aus, dürfte die Einordnung als MTF scheitern.429 Da sich der von der MiFID II zugrunde gelegte Kapitalmarktbegriff nicht auf bestimmte Marktsegmente beschränkt, kommt die Einordnung von Token als Wertpapier aber auch unabhängig von einer etwaigen Indizwirkung in Betracht.430 Nach der gebotenen extensiven Auslegung zählen zum Kapitalmarkt alle Einrichtungen, die Angebot und Nachfrage zusammenführen und dabei einer Vielzahl potentieller Teilnehmer offenstehen.431 Das trifft auch auf solche Kryptobörsen zu, die weder als geregelter Markt noch als MTF einzustufen sind.432 Zweifel an der Handelbarkeit von Security Token könnte der Umstand wecken, dass sich der de facto stattfindende Handel bislang auf Kryptowährungen konzentriert.433 Zwar sollen laut der Emissionsbedingungen regelmäßig auch Security und Utility Token an entsprechenden Kryptobörsen gelistet werden können.434 Die dahingehende Erwartung der Investoren blieb aber häufig unerfüllt.435 Wie schon aus dem Gesetzestext hervorgeht („können“), setzt das Kriterium der Handelbarkeit indes nicht voraus, dass sich für die fraglichen Instrumente tatsächlich bereits ein liquider Markt gebildet hat.436 Die Kapitalmarktfähigkeit der Token ist vielmehr schon dann gegeben, wenn die abstrakte Möglichkeit eines zukünftigen Handels
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Hierzu ausführlich Fischer, ZBB 2020, 158, 160 ff. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 111; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 141; Fischer, ZBB 2020, 158, 162; Patz, BKR 2019, 435, 437. Eine solche Plattform betreibt etwa die Börse Stuttgart, vgl. https://www.bsdex.de/de/. 429 Fischer, ZBB 2020, 158, 162. 430 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 112; Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 12. 431 Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 28; vgl. auch Europäische Kommission, Q&A on MiFID (Fn. 424), S. 22 a. E.: „the concept [of capital markets] is broad and is meant to include all contexts where buying and selling interest in securities meet.“ 432 Hacker/Thomale, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 229, 232; Spindler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 25 Rn. 15; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 44; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 17; Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 857, 860; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 357; Zickgraf, AG 2018, 293, 301. 433 Veil, ZHR 183 (2019), 346, 357. 434 Ders., ZHR 183 (2019), 346, 357; s. beispielhaft den Wertpapierprospekt der Bitbond Finance GmbH, (Fn. 344), S. 25. 435 Ders., ZHR 183 (2019), 346, 357; s. mit einem beispielhaften Hinweis auf dieses „Fungibilitätsrisiko“ den Wertpapierprospekt der Bitbond Finance GmbH, (Fn. 344), S. 25 f. 436 Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 12; Fuchs, in: ders., WpHG, § 2 Rn. 17; Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 36. 428
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besteht.437 Dass dies auf Security Token zutrifft, belegt nicht zuletzt der Umstand, dass mit der voranschreitenden Etablierung der Anlageklasse neue, spezialisierte Plattformbetreiber auf den Markt streben wie unlängst der US-Anbieter „tZero“.438 Trotz der Möglichkeit, Token an Kryptobörsen zu handeln, bestreiten die instanzgerichtliche Rechtsprechung und ein Teil der Literatur die Kapitalmarkttauglichkeit der digitalen Einheiten.439 Dem liegt die Annahme zu Grunde, das Kriterium der Handelbarkeit erfordere ein gesteigertes Maß an Umlauffähigkeit, das nur gewährleistet sei, wenn Marktteilnehmer die Anlageinstrumente einwendungsfrei und gutgläubig erwerben könnten.440 Andernfalls müssten die Transaktionsparteien gerade im anonymen und in der Regel elektronisch abgewickelten Massenverkehr jederzeit damit rechnen, dass Dritte ihre Rechtsposition in Frage stellen.441 Für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes hätte die daraus resultierende Unsicherheit geradezu lähmende Wirkung.442 Ob Token das geforderte Maß an Verkehrsschutz gewährleisten, beantwortet weder die MiFID II noch die Rom I-VO, sodass nach dem oben dargestellten Ansatz auf das am Gerichtsstand geltende Recht zurückzugreifen ist.443 Hat ein deutsches Gericht über die Qualifikationsfrage zu befinden, käme es somit schon im Rahmen der kollisionsrechtlichen Einordnung einer Token-Transaktion auf die materiellrechtliche Beurteilung nach der lex fori an.444 Den Anforderungen des restriktiv 437
Schwennicke, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 8 Rn. 54; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 112; Zickgraf, AG 2018, 293, 300. 438 Vgl. hierzu Schiller, Was ist tZERO? – Die Security Token Plattform, 28. 08. 2019, abrufbar unter: https://blockchainwelt.de/tzero-blockchain/. 439 LG Berlin, Urt. v. 27. 5. 2020 – 2 O 322/18 = AG 2021, 204, 205; Schäfer/Eckhold, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 16a Rn. 56; Bialluch-von Allwörden, RDi 2021, 13, 17 ff.; Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2120; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1120; Kusserow, WM 2020, 586, 594 f.; Nathmann, BKR 2019, 540, 543. 440 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 9; Schnorbus, in: FrankKomm, WpPG/EU-Prospekt-VO, § 2 Rn. 5; Bialluch-von Allwörden, RDi 2021, 13, 19; Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2120; Kusserow, WM 2020, 586, 594 f. 441 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 9. 442 Fuchs, in: ders., WpHG, § 2 Rn. 18; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 9. 443 Vgl. Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 77 sowie kritisch zu dieser Konsequenz Höhlein/Weiß, RdF 2019, 116, 118. Vgl. im Zusammenhang mit der Bereichsausnahme für Wertpapiere gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I-VO auch: Magnus, in: von Staudinger, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 67; Martiny, in: MünchKomm BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 60. 444 Ein Teil der Autoren, die einen Rückgriff auf die lex fori für erforderlich erachten (s. Fn. 443: Dicke und Martiny), halten das Kollisionsrecht des Gerichtsstaates für maßgeblich. Da demselben jedoch keine Verweisung abzugewinnen ist, ohne zuvor die sachrechtliche Einordnung des fraglichen Instruments vorzunehmen (s. o.), droht ein „Regelungsvakuum“, das nur das Sachrecht des Gerichtsstaates auszufüllen vermag, vgl. in Bezug auf die Anknüpfung von Blockchain-Netzwerken im Allgemeinen, Zimmermann, IPRax 2018, 566, 570.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
verstandenen Wertpapierbegriffs werden Token danach nur gerecht, wenn sich deren Übertragung nach sachenrechtlichen Grundsätzen vollzieht, sodass die §§ 932 ff. BGB Anwendung finden.445 Dies sei mangels Körperlichkeit der Einheiten aber nicht der Fall, weshalb Token das für den kapitalmarktmäßigen Handel erforderliche Maß an Fungibilität fehle.446 Für einen Teil der Lehre kommt es dagegen auf die materiellrechtliche Beurteilung von Token schon deshalb nicht an, weil die Blockchain-Technologie ein funktionales Äquivalent zum Gutglaubenserwerb darstelle.447 Dies sei dem Umstand zu verdanken, dass aufgrund des Einsatzes kryptographischer Signaturen nur der Inhaber des private key über einen Token verfügen kann.448 Selbst wenn ausnahmsweise ein Nichtberechtigter in den Besitz des private key gelangen sollte, habe der Erwerber aufgrund der Anonymität des Netzwerks de facto keine Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs zu befürchten.449 Das kann nicht überzeugen. Denn der Schutz, den der Erwerber vermeintlich genießt, beruht in diesem Fall auf Defiziten der praktischen Rechtsdurchsetzung, nicht auf einer gesicherten Rechtsstellung wie sie der gesetzliche Gutglaubensschutz vermittelt.450 Die Faktizität des Token-Erwerbs kann die Schwäche des zugrundeliegenden Rechts aber nicht kompensieren. Zudem drohen Verfügungen Nichtberechtigter keineswegs nur, wenn sich ein Unbefugter des private key bemächtigt. Auch die gesamte Bandbreite rechtsgeschäftlicher Übertragungsmängel kann zur Unwirksamkeit des Erwerbs führen,451 und zwar unabhängig davon, ob sich dieser nun nach wertpapier- oder zessionsrechtlichen Grundsätzen vollzieht.452 Findet deutsches Recht Anwendung, kommt die Unwirksamkeit des Erwerbs zum Beispiel gem. § 105 BGB im Falle der Beteiligung eines Geschäftsunfähigen oder nach § 142 Abs. 1 BGB aufgrund der 445
Schmidtbleicher, in: Kümpel/Mülbert/Früh u. a., Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.36 ff.; Mayston, in: Heidel, AktR, KapMR, § 2 WpPG Rn. 3; Schnorbus, in: FrankKomm, WpPG/EU-Prospekt-VO, § 2 Rn. 5; Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2120; Bialluch-von Allwörden, RDi 2021, 13, 19. 446 S. die Hinweise in Fn. 439. 447 Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 18; Schwennicke, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 8 Rn. 55; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.95; Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 572; Hacker/ Thomale, ECFR 2018, 645, 666; Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 857, 860; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 357; Zickgraf, AG 2018, 293, 301 sowie mit Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 9 auch ein Vertreter des restriktiven Verständnisses der Handelbarkeit. 448 Zickgraf, AG 2018, 293, 301. 449 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.95; Zickgraf, AG 2018, 293, 301. 450 Ribak, STOs, S. 535 ff.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 115; Bialluch-von Allwörden/ von Allwörden, WM 2018, 2118, 2121; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1120; Koch, ZBB 2018, 359, 363 (Fn. 29). 451 So auch Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2121. 452 Grund hierfür ist, dass sowohl der Abtretung als auch der Übereignung ein rechtgeschäftliches Element inhärent ist. Im deutschen Recht folgt dies aus § 398 S. 1 BGB respektive § 929 S. 1 BGB.
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Anfechtung des Verfügungsgeschäfts in Betracht. Zwar wäre in diesem Fall auch die Übereignung eines konventionellen Wertpapiers nichtig. Ein Dritter könnte die Urkunde dann jedoch gutgläubig von dem vermeintlichen Rechtsvorgänger erwerben.453 Die Blockchain-Technologie gewährleistet im Vergleich zum gesetzlichen Gutglaubenserwerb mithin keinen gleichwertigen Verkehrsschutz. Die Frage nach der Umlauffähigkeit von Token erübrigt sich nach vorzugswürdiger Ansicht mithin nicht schon deshalb, weil der Handel im Transaktionsraum der Blockchain stattfindet. Die Kapitalmarkttauglichkeit von Token wäre unabhängig vom zivilrechtlichen Übertragungsmodus gleichwohl anzuerkennen, wenn mit dem Erfordernis der Handelbarkeit keine zusätzlichen Anforderungen an den Verkehrsschutz einhergingen. Die Stimmen in der Literatur, die eben dies vertreten,454 können sich auf den Normtext berufen, wonach die Wertpapiereigenschaft davon abhängt, dass die fraglichen Instrumente „am Kapitalmarkt gehandelt werden können“. Dass die Handelbarkeit eine bestimmte Übertragungsmethode oder ein damit verbundenes Schutzniveau voraussetzt, geht daraus nicht hervor.455 Indem die Definition das Erfordernis der Handelbarkeit auf den Kapitalmarkt bezieht, wird vielmehr deutlich, dass das maßgebliche Kriterium die Existenz eines Marktes für Anlageinstrumente der fraglichen Art ist, ganz gleich, ob der dort (potentiell) stattfindende Handel auf wertpapierrechtlichen oder zessionsrechtlichen Verfügungen beruht. In dieselbe Richtung weist die binnensystematische Verwendung des Begriffes der Handelbarkeit innerhalb der Richtlinie. So statuiert Art. 51 Abs. 1 S. 2 MiFID II, dass an einen geregelten Markt nur frei handelbare Wertpapiere zuzulassen sind. Als frei handelbar gelten nach Art. 1 Abs. 1 der delegierten Verordnung zur MiFID II456 übertragbare Wertpapiere, die zwischen den Parteien eines Geschäfts gehandelt und anschließend uneingeschränkt457 übertragen werden können. Da Art. 51 Abs. 1 S. 2 453
Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2121. Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 13; Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 72 ff.; Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 61 ff.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 116 f.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.95; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 45 ff.; ders., AG 2018, 293, 302. 455 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 116; Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 35; Höhlein/Weiß, RdF 2019, 116, 118; Zickgraf, AG 2018, 293, 302. 456 Delegierte Verordnung (EU) 2017/568 der Kommission vom 24. 5. 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel an geregelten Märkten (dVO-MiFID II), ABl. 2016 L87, 117. 457 Das Wort „uneingeschränkt“ fehlt in der deutschen Sprachfassung. Dabei handelt es sich jedoch um ein redaktionelles Versehen, wie der Vergleich mit der englischen („transferred without restriction“) und der französischen („transférée sans restrictions“) Sprachfassung offenbart. Die Notwendigkeit der uneingeschränkten Übertragbarkeit ergibt sich zudem als Umkehrschluss aus Art. 1 Abs. 2 dVO-MiFID II. Hierauf weist Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 62 (Fn. 78) schon im Zusammenhang mit dem Vorgängerrechtsakt hin. 454
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
MiFID II das Erfordernis der freien Handelbarkeit ausschließlich für die Zulassung am geregelten Markt aufstellt, kann dieselbe Voraussetzung nicht auch für übertragbare Wertpapiere, für die ein Markt jenseits dieses Segments besteht, konstitutiv sein.458 Anderenfalls wäre Art. 51 Abs. 1 S. 2 MiFID II redundant.459 Daraus folgt, dass die Richtlinie zwischen der freien und der einfachen Handelbarkeit unterscheidet, wobei übertragbare Wertpapiere jenseits des geregelten Marktes lediglich einfach übertragbar sein müssen.460 Zwar schweigt die Richtlinie zu den spezifischen Voraussetzungen der einfachen Handelbarkeit. Doch wird man davon ausgehen dürfen, dass an sie geringere Anforderungen zu stellen sind als an die freie Handelbarkeit, welche nur für den geregelten Markt und damit für das am stärksten reglementierte Marktsegment gilt.461 Folgerichtig lassen sich gewisse Einschränkungen der Umlauffähigkeit durchaus mit dem Kriterium der einfachen Handelbarkeit vereinbaren.462 Die Annahme, die Übertragbarkeit von Wertpapieren müsse ohne Einschränkungen gewährleistet sein, erscheint vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Die Befürworter eines restriktiven Verständnisses der Handelbarkeit wollen dennoch an dem Erfordernis des gutgläubigen Erwerbs festhalten, weil es anderenfalls an einem klaren Abgrenzungskriterium zwischen Wertpapieren und unverbrieften Forderungen fehle.463 Einer eindeutigen Trennlinie bedürfe es, um Friktionen zwischen den Anwendungsbereichen des VermAnlG und der ProspektVO464 bzw. dem WpPG zu vermeiden.465 Erstreckte sich der Wertpapierbegriff der Richtlinie, von dem die Reichweite der Prospekt-VO bzw. des WpPG abhängt (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 lit. a) Prospekt-VO bzw. § 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 WpPG), auf
458 Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 73; Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 61 f. 459 Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 73. 460 Dies., Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 73 f.; Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 61 ff.; Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 13. Das verkennt Kusserow, WM 2020, 586, 594, wenn er als Argument für die Notwendigkeit der uneingeschränkten Handelbarkeit auf die Begriffsdefinition der freien Handelbarkeit verweist. 461 Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 73. 462 Dies., Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern, S. 73 f.; Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 62 f.; Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, § 2 WpHG Rn. 13. 463 Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2120 f.; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1119; Kusserow, WM 2020, 586, 595. 464 Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 14. 6. 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (Prospekt-VO), ABl. 2017 L 168, 12. 465 Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2120 f.; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1119.
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unverbriefte Rechte, bliebe nach Ansicht dieser Autoren für das VermAnlG kein praktisch bedeutsamer Anwendungsbereich.466 Es ist richtig, dass eine trennscharfe Abgrenzung der erwähnten Rechtsakte im Interesse der Rechtssicherheit zu begrüßen wäre, doch ergibt sich daraus noch kein systematisches Argument gegen die extensive Auslegung des Wertpapierbegriffs. Denn dieser ist Richtlinien-autonom auszulegen und bleibt von der Reichweite nationaler Bestimmungen unberührt.467 Da das VermAnlG über keinen deutungsrelevanten Richtlinienhintergrund verfügt,468 verbietet es sich, die MiFID II unter Verweis auf das nationale Recht restriktiv auszulegen.469 Nicht das mitgliedstaatliche Recht lenkt die Auslegung des Sekundärrechts, sondern andersherum. Aus diesem Grund haben auch die Gesetzgebungsmaterialien zum WpPG,470 wonach es Finanzinstrumenten, die „nur mittels Abtretung übertragen werden“, an Fungibilität fehle,471 nicht das Gewicht eines gesetzeshistorischen Arguments für die Auslegung der Richtlinie.472 Soweit der Bundesgesetzgeber Richtlinienrecht umsetzt, legt er selbst bloß die Vorgaben des Sekundärrechts aus. Die Gesetzesbegründung genießt daher keine höhere Autorität als andere Auffassungen und kann ebenso wie solche nur durch die Überzeugungskraft ihrer Argumente zur Auslegung der Richtlinie beitragen.473 Anders als Vertreter des restriktiven Ansatzes im Hinblick auf Sinn und Zweck der Richtlinie befürchten,474 scheint die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes darüber hinaus keineswegs von der ungewissen zivilrechtlichen Einordnung der einzelnen Transaktionen abzuhängen. Anders wäre es nicht zu erklären, dass sich für verschiedene Token ein liquider Markt herausgebildet hat.475 Dem Regelungsziel der Richtlinie trägt mittelbar zudem der auf die Begriffsbestimmung der MiFID II verweisende Art. 6 Abs. 4 lit. d) Rom I-VO Rechnung, indem der Ausnahmetatbestand sicherstellt, dass die von der Richtlinie erfassten Instrumente ihre Umlauffähigkeit nicht dadurch einbüßen, dass auf sie unterschiedliche Rechtsordnungen 466
Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2120 f.; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1119. 467 St. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 22. 11. 1977, Rs. C-43/77, Slg. 1977, I 2175 (Riva). 468 Assmann, in: Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht, Einl. VermAnlG Rn. 37. 469 So zu Recht auch Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 47. 470 Auf diese berufen sich etwa Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2120 f. und Kusserow, WM 2020, 586, 594. 471 BT-Drs. 15/4999, S. 28. 472 Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 53 f. 473 Ders., Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 54. 474 S. Fn. 442. 475 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.95; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 669; Koch, ZBB 2018, 359, 366; Zickgraf, AG 2018, 293, 301.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Anwendung finden.476 Um die positive Wechselwirkung zwischen dem Kollisionsrecht und dem Aufsichtsrecht nicht auszuhebeln, spricht viel dafür, den Begriff des Finanzinstruments als Bindeglied beider Rechtsakte nicht ohne triftigen Grund in einem engen Sinne auszulegen. Gerade das hätte die Voraussetzung eines gutgläubigen Erwerbs für liquide, gleichwohl entmaterialisierte Anlageinstrumente zur Konsequenz. Auf sie fänden dann nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom I-VO regelmäßig unterschiedliche Rechtsordnungen Anwendung, wodurch die de facto fungible Anlageklasse ihrer Marktfähigkeit beraubt würde.477 Der Sinn und Zweck der Richtlinie, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu fördern, würde dadurch ins Gegenteil verkehrt. Die besseren Gründe sprechen damit gegen das Erfordernis eines gutgläubigen Erwerbs. Token erfüllen mithin unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung einer Transaktion die Anforderungen an die kapitalmarktmäßige Handelbarkeit. (b) Typologische Vergleichbarkeit mit den Regelbeispielen Um unter den Wertpapierbegriff der Richtlinie zu fallen, müssen Finanzinstrumente nach herrschender Ansicht nicht nur die abstrakten Merkmale des Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II erfüllen, sondern auch mit den in lit. a) – c) genannten Regelbeispielen funktional vergleichbar sein.478 Security Token stehen je nach Ausgestaltung in typologischer Nähe zu den in lit. a) genannten Aktien und den ihnen gleichzustellenden Wertpapieren oder zu den in lit. b) aufgeführten Schuldtiteln.479 So repräsentieren unechte Equity Token anders als Aktien zwar keine Mitgliedschaft an einem verbandsmäßig organisierten Unternehmen, doch bilden sie die mit einer Gesellschafterstellung verbundenen Rechte schuldvertraglich nach, sodass sie zumindest aus wirtschaftlicher Perspektive Aktien ähneln.480 Mit Debt Token gehen keine derartigen Teilhaberechte einher, sie sind aber mit den in lit. b) genannten Schuldtiteln vergleichbar, weil sie wie diese vermögensrechtliche Forderungen auf schuldrechtlicher Grundlage vermitteln.481
476
S. Erwägungsgrund (28) der Rom I-VO sowie die Hinweise unter Fn. 389. Vgl. in diese Sinne auch Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 41. 478 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 121 f.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 670; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 357; Zickgraf, AG 2018, 293, 302. A. A. Roth, in: KK-WpHG, § 2 Rn. 15. 479 Spindler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 25 Rn. 16 f.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 101 f.; Zickgraf, AG 2018, 293, 302 f. 480 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 124 f.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 671; Zickgraf, AG 2018, 293, 303. 481 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 125; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 361; Zickgraf, AG 2018, 293, 303. 477
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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(c) Zwischenergebnis Danach bleibt festzuhalten, dass Security Token als übertragbare Wertpapiere gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II qualifizieren. Als solche unterfallen sie dem Begriff der Finanzinstrumente gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II in Verbindung mit Anhang I Abschnitt C der Richtlinie. Dieser Begriff liegt dem Ausschlusstatbestand nach Art. 6 Abs. 4 lit. d) Rom I-VO zugrunde, sodass für Security Token die Anknüpfungsregeln nach Art. 3 und 4 Rom I-VO auch dann maßgeblich bleiben, wenn das tokenisierte Rechtsverhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher zustande kommt.482 Die Finanzierungsparteien können somit als Hauptstatut eine Rechtsordnung berufen, die für Token-Transaktionen eine rechtssichere Grundlage bietet. Die damit ermöglichte Regelungsarbitrage dürfte den vielfach beschworenen Wettstreit der Rechtsordnungen zusätzlich anfachen. Subsidiär gilt das Recht am Sitz des emittierenden Unternehmens, Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO. bb) Gesellschaftsstatut Soweit echte Equity Token in Rede stehen, entscheidet nach den unter B.II.2.a) dargestellten Grundsätzen das Gesellschaftsstatut über die Rechtsfolgen einer Transaktion. Dass die emittierende Gesellschaft auch insofern Gestaltungsspielräume genießt, ist das Resultat einer sich in drei Etappen vollziehenden Rechtsprechungsentwicklung. Im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht ist die lex societatis im Ausgangspunkt nach der gewohnheitsrechtlich anerkannten Sitztheorie zu ermitteln.483 Danach unterstehen die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen eines Verbandes dem Recht, das an seinem effektiven Verwaltungssitz gilt.484 Seit der EuGH die Verwaltungssitzanknüpfung in mehreren Leitentscheidungen für mit der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV unvereinbar erklärt hat,485 entspricht es allerdings ständiger BGH-Rechtsprechung, dass auf EU-ausländische Gesellschaften
482 I. E. so auch Hanner, Internationales Kryptowerterecht, S. 195 ff.; Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 41; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.165; a. A. wohl Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1158. 483 BGHZ 25, 134, 144; s. auch Kindler, in: MünchKomm BGB, Bd. 13, Teil 10 Rn. 5 sowie Ringe, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Internationales Gesellschaftsrecht Rn. 12 m. w. Nachw. zur Rspr. 484 Kindler, in: MünchKomm BGB, Bd. 13, Teil 10 Rn. 423 ff. 485 EuGH, Urt. v. 9. 3. 1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-01459 (Centros); EuGH, Urt. v. 5. 11. 2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919 (Überseering); EuGH, Urt. v. 30. 9. 2003, Rs. C167/01, Slg. 2003, I-10155 (Inspire Art); s. monographisch hierzu Jestädt, Niederlassungsfreiheit, passim, insbesondere S. 51 ff., 164 ff. Zur Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung ausführlich Kindler, in: MünchKomm BGB, Bd. 13, Teil 10 Rn. 111 ff.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
auch nach der Sitzverlegung in einen Aufnahmemitgliedstaat das bisherige Gründungsstatut Anwendung findet.486 Darüber hinaus hat der EuGH in der Rs. Cartesio (obiter dicens) klargestellt, dass eine wegzugswillige Gesellschaft, vom Wegzugsstaat grundsätzlich nicht daran gehindert werden darf, sich durch die Verlegung des Verwaltungs- und Satzungssitzes dem Gesellschaftsrecht eines anderen Mitgliedstaates zu unterwerfen.487 Ob ein solcher Herausformwechsel auch allein durch Satzungssitzverlegung, d. h. unabhängig von der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Zielstaat, von der Niederlassungsfreiheit erfasst wird, blieb in der Folgezeit umstritten.488 Durch die Entscheidung in der Rs. Polbud hat der EuGH die Frage im positiven Sinne entschieden.489 Der Schutz durch die Niederlassungsfreiheit setze keine tatsächliche Geschäftstätigkeit im Inkorporationsstaat voraus.490 Beschränkungen dürfe der Wegzugstaat nur in den engen Grenzen der Geeignetheit und Erforderlichkeit zum Schutz zwingender Allgemeininteressen auferlegen.491 Damit ist es einer Gesellschaft der Sache nach möglich, das für ihre Angelegenheiten maßgebliche Gesellschaftsstatut durch Rechtsformwechsel nachträglich zu wählen.492 Das Ausnutzen der dadurch eröffneten Möglichkeit zur Regulierungsarbitrage stelle keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit dar.493 cc) Abschließende Würdigung Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Orientierung am Hauptstatut eine zuverlässige Bestimmung des für Token-Transaktionen maßgeblichen Rechts ermöglicht. Entscheidend für den hier vertretenen Ansatz spricht, dass das tokenisierte Recht und dessen Übertragung nach dem Recht des gleichen Staates zu beurteilen ist. Die Anwendung widersprüchlicher Regelungskonzepte lässt sich dadurch vermei486 Erstmals BGHZ 154, 185, 188 ff. S. ferner Kindler, in: MünchKomm BGB, Bd. 13, Teil 10 Rn. 155 ff. m. w. Nachw. zur Rspr. Dasselbe gilt für Gesellschaften, die in EWRStaaten inkorporiert sind und solche, deren rechtmäßiges Bestehen die Bundesrepublik Deutschland auf staatsvertraglicher Grundlage anerkennt, BGH, Urt. v. 5. 7. 2004 – II ZR 389/ 02 = ZIP 2004, 1549 f.; ders., Niederlassungsfreiheit, S. 245 f.; Kindler, in: MünchKomm BGB, Bd. 13, Teil 10 Rn. 329 ff. Von diesen Fallgruppen abgesehen, das heißt soweit echte Drittstaaten betroffen sind, hält der BGH an der Sitztheorie fest, s. BGHZ 178, 192, 197 ff. (Trabrennbahn). 487 EuGH, Urt. v. 16. 12. 2008, Rs. C-210/06, Slg. 2008, I-96419704 (Cartesio) sowie im Anschluss hieran EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012, Rs. C-378/10 = NJW 2012, 2715 ff. (VALE). 488 S. überblicksartig Kieninger, NJW 2017, 3624, 3626 m. Nachw. zum Meinungsstand. 489 EuGH, Urt. v. 25. 10. 2017, Rs. C-106/16 = NJW 2017, 3639 (Polbud). 490 EuGH, Urt. v. 25. 10. 2017, Rs. C-106/16 = NJW 2017, 3639, 3640 f. (Polbud). 491 EuGH, Urt. v. 25. 10. 2017, Rs. C-106/16 = NJW 2017, 3642 (Polbud). Zur erforderlichen Konkretisierung gerechtfertigter Beschränkungen s. Schollmeyer, ZGR 2018, 186, 195 ff. 492 Kieninger, NJW 2017, 3624, 3626 f.; Schollmeyer, ZGR 2018, 186, 192. 493 EuGH, Urt. v. 25. 10. 2017, Rs. C-106/16 = NJW 2017, 3639, 3641 (Polbud).
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den. Bei wertender Betrachtung ist zudem nicht zu erkennen, dass Token eine engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates aufweisen als demjenigen, dem das tokenisierte Recht unterliegt. Die Einheit von Token und Recht entspricht schließlich gerade der wirtschaftlichen Funktion der Tokenisierung. Sowohl bei der Gestaltung von Debt und unechten Equity Token als auch bei der Ausgabe echter Equity Token eröffnen sich dem Emittenten Wahlmöglichkeiten bezüglich des anwendbaren „Token-Statuts“. Im ersten Fall genügt dazu eine Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO. Im zweiten Fall besteht die Möglichkeit, die emittierende Gesellschaft von Anfang an oder durch nachträgliche Verlegung des Satzungssitzes im gewünschten EU-Mitgliedstaat zu inkorporieren. In Bezug auf Drittstaaten kommt es grundsätzlich auf den tatsächlichen Verwaltungssitz der ausgebenden Gesellschaft an. b) Materiellrechtlicher Gehalt einer Token-Transaktion Soweit nach den oben dargestellten Grundsätzen deutsches Recht Anwendung findet, steht das juristische Schrifttum der Frage nach den zivilrechtlichen Wirkungen einer Token-Transaktion gespalten gegenüber. Ein Teil der Lehre qualifiziert Token als eine Wertpapierform sui generis.494 Die tokenisierte Rechtsposition folge dem Token, wobei sich die Verfügung nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen vollziehe.495 Nach anderer Ansicht werden Token als unkörperliche sonstige Vermögensgegenstände gem. §§ 413, 398 S. 1 BGB durch Abtretung übertragen.496 Eine dritte Literaturansicht erblickt in der Umbuchung eines Tokens im Ausgangspunkt nicht mehr als einen rechtlich neutralen Realakt.497 Bedeutung auf der Verfügungsebene erlange die Transaktion nur, wenn Emittent und Erwerber dies kraft vertraglicher Abrede festlegten.498 Von diesem Meinungsspektrum ausgehend hängt die materiellrechtliche Beurteilung einer Token-Transaktion zunächst davon ab, ob die digitalen Einheiten eigentumsfähig sind.
494 Ribak, STOs, S. 283 ff.; Koch, ZBB 2018, 359, 362 ff.; vgl. auch Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3282; sympathisierend ferner Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1156. 495 Ribak, STOs, S. 283 ff.; Koch, ZBB 2018, 359, 362 f. 496 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 114; Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 18; Schäfer/Eckhold, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 16a Rn. 52; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 126; Zickgraf, AG 2018, 293, 299. 497 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.46; Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 8; Engelhardt/Klein, MMR 2014, 355, 357; Kaulartz, CR 2016, 474, 478; Kaulartz/ Matzke, NJW 2018, 3278, 3280; Kusserow, WM 2020, 586, 589. 498 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 8 ff.; Siedler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 7 Rn. 21; Hildner/Danzmann, CF 2017, 385, 390; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280 f.; Kusserow, WM 2020, 586, 589.
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aa) Keine Übertragung nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen Hiervon gehen im Ergebnis die Stimmen im Schrifttum aus, denen zufolge auf Token die für Inhaber- bzw. Orderpapiere geltenden Vorschriften entsprechend Anwendung finden.499 Von einem funktionsbezogenen Standpunkt aus erscheint der Brückenschlag zu den wertpapierrechtlichen Übertragungsregimen konsequent. Immerhin beruht der Handel mit Security Token auf der allgemeinen Annahme, die virtuellen Einheiten wiesen ihre Inhaber als anspruchsberechtigt aus.500 Die einschlägigen Verkehrskreise schreiben Token mithin eine Legitimationsfunktion zu, wie sie für Inhaber-, aber auch Orderpapiere charakteristisch ist.501 Zudem soll sich der Schuldner eines tokenisierten Anspruchs durch Leistung an den Token-Inhaber von seiner Verbindlichkeit befreien können. Auch diesem praktischen Bedürfnis wird die Liberationsfunktion von Inhaber- bzw. Orderpapieren gerecht.502 Dass sich unter Rückgriff auf §§ 793 ff. BGB bzw. Art. 16 Abs. 1 WG die Verkehrserwartung begründen lässt, „das Recht an der tokenisierten Position [folge] dem Recht am Token“503, entbindet den Rechtsanwender aber nicht von der Notwendigkeit, zunächst die dogmatischen Amwendungsvoraussetzungen des Wertpapierrechts zu bestimmen. Der gesetzlichen Konzeption von Wertpapieren liegt die Anwendbarkeit sachenrechtlicher Vorschriften zugrunde.504 So lässt sich die Legitimations- und Liberationsfunktion auf die Vermutungswirkung zurückführen, die das Gesetz in § 1006 BGB an den Besitz einer Sache knüpft.505 Zugunsten desjenigen, der die tatsächliche Herrschaft über ein Inhaberpapier innehat, wird angenommen, er sei Eigentümer des Papiers. Diese Vermutung erstreckt § 793 Abs. 1 BGB auf das in dem Papier verbriefte Recht: Wer als Eigentümer der Urkunde anzusehen ist, soll auch als berechtigt gelten, die verbriefte Leistung zu beanspruchen.506 Für Orderpapiere gilt entsprechendes, wobei als spezielles legitimationsstiftendes Erfordernis eine ununterbrochenen Kette von Indossamenten hinzutritt.507 In beiden Fällen schlägt die Verbriefung die Brücke zwischen Sachen und Rechten und ermöglicht so, 499
S. Fn. 494. Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 25; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 130 f.; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3281 f.; Koch, ZBB 2018, 359, 362 f.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 350. 501 Zur Legitimationsfunktion bei Inhaberpapieren s. die Hinweise in Fn. 191 sowie speziell zu Orderpapieren die Erläuterungen bei Ribak, STOs, S. 323 ff. 502 Zur Liberationsfunktion bei Inhaberpapieren s. bereits die Hinweise in Fn. 192 sowie speziell zu Orderpapieren die Erläuterungen bei Ribak, STOs, S. 323 ff. 503 Koch, ZBB 2018, 359, 362. 504 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 171, 177; Micheler, Wertpapierrecht, S. 103 f. m. w. Nachw. Vgl. auch schon B.II.1.a)aa). 505 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 172 f. 506 Ders., Finanzinstrumente, S. 173. Vgl. aus rechtshistorischer Perspektive mit diesem Ansatz bereits von Savigny, Das Obligationenrecht, S. 135. 507 S. Ribak, STOs, S. 323 ff. m. w. Nachw. 500
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dass auf die letzteren die für Sachen geltenden Vorschriften (entsprechend) Anwendung finden.508 Bemerkenswert ist dies deshalb, weil das BGB im Übrigen zwischen Sachen und Rechten strikt differenziert und ihnen eine grundverschiedene Behandlung zuteil werden lässt.509 Das zeigt sich exemplarisch anhand der jeweiligen Übertragungsregime, die im einen Fall die Abtretung gem. §§ 398 ff. BGB und im anderen die Übereignung gem. §§ 929 ff. BGB vorsehen. Die mit der Verbriefung erreichte Anwendbarkeit sachenrechtlicher Vorschriften bringt den Vorteil mit sich, dass das zugrundeliegende Recht umlauffähig wird.510 Dazu trägt insbesondere bei, dass mit dem Wertpapier ein Rechtsscheinträger existiert, der als Anknüpfungspunkt für den dingliche Verkehrsschutz dient.511 Der gutgläubige Erwerber eines Inhaberpapiers etwa genießt nicht nur Schutz in seinem Vertrauen auf die Eigentümerstellung des Rechtsvorgängers, sondern auch darauf, dass der Veräußerer das verbriefte Recht tatsächlich innehat.512 Insbesondere anhand des wertpapierrechtlichen Übertragungsregimes zeigt sich somit, dass der Regelungsbereich in dogmatischer Abhängigkeit zum Sachenrecht steht. Wer fordert, Token nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen zu übertragen, muss daher in einem vorgelagerten Schritt begründen, dass diese eigentumsfähig sind. (1) Reichweite des Sachbegriffs gem. § 90 BGB Dingliche Rechte im Sinne des Dritten Buches des BGB können nur an Sachen bestehen. Darunter sind gemäß der Legaldefinition in § 90 BGB körperliche Gegenstände zu verstehen. Körperlich ist ein Gegenstand nach traditionellem Verständnis, wenn er als beherrschungsfähige, sinnlich wahrnehmbare Einheit räumlich zutage tritt.513 Daraus schlussfolgert die ganz herrschende Meinung, Token seien als rein virtuelles Phänomen keine Sachen.514 Diese Ansicht steht im Einklang mit der 508 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 171; Stieper, in: von Staudinger, BGB, § 90 Rn. 54 f.; Wilhelmi, in: Erman, BGB, Vor § 793 Rn. 2; Zöllner, in: FS Raiser, S. 249 f.; s. auch schon von Savigny, Das Obligationenrecht, S. 117. 509 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 198 ff.; J. Schmidt, in: Erman, BGB, Vor § 90 Rn. 3. 510 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 174, 177; Casper, BKR 2019, 209, 210. 511 S. zur Mobilisierungsfunktion des Wertpapiers auch schon B.II.1.a)aa). 512 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 174; Welter, in: Soergel, BGB, Vor § 793 Rn. 1; Zöllner, in: FS Raiser, S. 249, 250. S. zu den Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes bei Orderpapieren Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Art. 16 WG Rn. 13. 513 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 2; Lehmann, Finanzinstrumente, S. 185; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 1; J. Schmidt, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 1; Stieper, in: von Staudinger, BGB, Vor §§ 90 – 103 Rn. 9. 514 Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 4 Rn. 13; Omlor, in: Omlor/ Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 30; Scherer, Blockchain im Wertpapierbereich, S. 131; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 113; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 126; Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 822; Kusserow, WM 2020, 586, 588; Möslein/Omlor/ Urbach, ZIP 2020, 2149, 2151; Zickgraf, AG 2018, 293, 301. In Bezug auf intrinsische Coins/ Token, für die mit Blick auf die Sachqualität identische Wertungen Platz greifen ferner OLG Frankfurt, Urt. v. 19. 4. 2023 – 13 U 82/22 = BeckRS 2023, 9319; Pesch, Cryptocoin-Schul-
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bisherigen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wonach an Dateien und Programmen als solchen keine Eigentumsrechte, sondern allenfalls Immaterialgüterrechte bestehen können.515 Zum gegenteiligen Ergebnis gelangt John, der sich dafür ausspricht, den Begriff der Körperlichkeit in einem extensiven Sinne dahin auszulegen, dass unabhängig vom Vorhandensein eines physischen Substrats auch Token darunterfallen.516 Da John sich zur Herleitung der Sacheigenschaft von Token im Gegensatz zu den meisten Stellungnahmen aus der Literatur nicht auf den vermeintlich eindeutigen Normtext beschränkt,517 sondern auf alle zu berücksichtigenden Auslegungskriterien zurückgreift, verdient dessen Ansatz nähere Betrachtung. Dabei zeigt sich jedoch, dass auch im Hinblick auf Systematik, Entstehungsgeschichte und Ratio des Gesetzes keine Subsumtion unter den Sachbegriff gerechtfertigt ist. (a) Keine starre Auslegungsgrenze durch den Wortsinn Nach tradierter Auffassung markiert die umgangssprachliche Bedeutung eines Begriffs die äußere Grenze der in Betracht kommenden Auslegungsvarianten.518 Eine Deutung, die sich mit dem Wortsinn nicht vereinbaren lässt, sei Rechtsfortbildung.519 Auf diesen methodischen Trugschluss berufen sich im hiesigen Kontext jene Autoren, die die Subsumtion eines Token unter den Begriff der Körperlichkeit vorschnell als Gesetzesauslegung contra legem abtun.520 Die „Theorie der Wortsinngrenze“521 kürzt den Deutungsprozess in unzulässiger Weise ab, indem sie unterstellt, den semantischen Gehalt eines Begriffs allgemeingültig bestimmen zu können. Die Bedeutung, die der Gesetzgeber einem Ausdruck im konkreten Verwendungszusammenhang beilegt, kann von der alltagssprachlichen Gebräuchlichkeit jedoch durchaus abweichen.522 Gerade der Sachbegriff liefert hierfür ein passendes Beispiel, bezeichnet er doch in § 119 Abs. 2 BGB nach einhelliger Ansicht auch unkörperliche den, S. 100 ff.; J. Schmidt, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 3; Spiegel, Virtuelles Geld, S. 54 ff.; Engelhardt/Klein, MMR 2014, 355, 357; Langenbucher, AcP 218 (2018), 385, 405; Omlor, ZHR 183 (2019), 294, 308; Schlund/Pongratz, DStR 2018, 598, 600; Shmatenko/Möllenkamp, MMR 2018, 495, 497; Skauradszun, AcP 221 (2021), 353, 361 ff.; Spindler/Bille, WM 2014, 1357, 1359; Walter, NJW 2019, 3609, 3611. 515 BGH, Beschl. v. 21. 9. 2017 – I ZB 8/17 = MDR 2018, 227, 228; OLG Brandenburg, Urt. v. 6. 11. 2019 – 4 U 123/19 = NJW-RR 2020, 54, 56; LG Konstanz, Urt. v. 10. 5. 1996 – 1 S 292/95 = NJW 1996, 2696; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 2; Lehmann, Finanzinstrumente, S. 187 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 216; J. Schmidt, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 3; Stieper, in: von Staudinger, BGB, § 90 Rn. 12. S. auch Amstutz, AcP 218 (2018), 438, 541 ff. mit dem Versuch einer dateneigentumsrechtlichen Begriffsbildung. 516 John, BKR 2020, 76, 77 ff. 517 Vgl. so aber die Autoren in Fn. 514. 518 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 441; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 143. 519 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 143. 520 Explizit etwa Kusserow, WM 2020, 586, 588. 521 Bezeichnung nach Wank, Auslegung, S. 44. 522 Wank, Auslegung, S. 44.
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Gegenstände.523 Insofern ist es müßig, nach dem abstrakten Wortsinn zu fragen; der Gesetzgeber ist an diesen nicht gebunden.524 Das erkennt auch das BVerfG an, wenn es anmerkt, dass „[d]er Wortlaut des Gesetzes im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze [zieht]“.525 Was „Sache“ im Kontext des § 90 BGB meint, kann daher nicht unbesehen der systematischen Stellung des Begriffs, der Normgenese sowie der ratio legis ermittelt werden.526 Erforderlich ist ein Verstehensprozess, im Zuge dessen die Auslegungskanones einander wechselseitig erhellen, eine Vorgehensweise, die man als „hermeneutischen Zirkel“ bezeichnet.527 Die grammatikalische Auslegung dient hierfür nur als Ausgangspunkt,528 nicht als absolute Grenze. Dies vorausgestellt ist der traditionellen Auffassung zuzugestehen, dass der Normtext im ersten Zugriff nahelegt, ein „körperlicher Gegenstand“ sei ein solcher, der über einen Körper verfügt, mithin räumlich abgrenzbar zu Tage tritt.529 (b) Funktionale Sichtweise: Beherrschbarkeit als maßgebliches Kriterium? Aus einem teleologischen Blickwinkel könnte es dem Gesetzgeber allerdings darum gegangen sein, durch das Kriterium der Körperlichkeit dem Sachenrecht all jene Gegenstände unterzuordnen, die einer rivalisierenden Verwendung zugänglich sind.530 Dem entspricht die Funktion des dritten Buches als Zuordnungsregime.531 Physische Gegenstände können in Besitz genommen werden, sind beherrschbar und gewährleisten auf diese Weise eine faktische Zuordnung des Gegenstands zu einer Person.532 Insofern, so ließe sich argumentieren, handelt es sich bei der räumlichen Ausdehnung eines Gegenstands um ein hinreichendes, nicht um ein notwendiges Merkmal von Sachen. Denn der technische Fortschritt macht es möglich, auch über solche Gegenstände konkret und eindeutig zu verfügen, die nicht im engeren Sinne körperlich sind. Diese Einsicht hat im Schrifttum zu der Forderung geführt, den Sachbegriff nicht streng naturwissenschaftlich, sondern entsprechend der Ver-
523
Vgl. Kuntz, AcP 215 (2015), 387, 397 f. Wank, Auslegung, S. 44; ders., Begriffsbildung, S. 23 ff.; Kuntz, AcP 215 (2015), 387, 406 ff. 525 BVerfG, Beschl. v. 31. 10. 2016 – 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13 = NVwZ 2017, 617, 618. Hierauf bezieht sich auch John, BKR 2020, 76, 77. 526 Wank, Auslegung, S. 44; Kuntz, AcP 215 (2015), 387, 428 ff. 527 Hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 27 ff. sowie 145 ff. 528 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 437; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141; Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 39. 529 S. schon Fn. 513. S. aber auch John, BKR 2020, 76, 77. 530 Ders., BKR 2020, 76, 77 f. Vgl. auch C. Paulus, in: FS K. Schmidt (2019), S. 119, 129; Peukert, Güterzuordnung, S. 220; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 304. 531 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 218 ff.; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 303; John, BKR 2020, 76, 78. 532 Peukert, Güterzuordnung, S. 215. 524
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
kehrsanschauung und entwicklungsoffen auszulegen.533 Auch die Rechtsprechung orientiert sich in Zweifelsfällen an der (gegebenenfalls technisch vermittelten) Beherrschbarkeit.534 Daran fehle es im Zusammenhang mit Daten, weil diese „ohne besonderen finanziellen Aufwand beliebig kopierbar“ und damit nicht rivalisierend nutzbar seien.535 Wie John betont, kann hiervon in Bezug auf digitale Einheiten in einer zugangsoffenen Blockchain keine Rede sein.536 Solche Transaktionsräume lösen das double spending-Problem und ermöglichen so die verdrängende Verwendung digitaler Werte (s. o. unter A.II.2.). Ihrer Funktion nach stehen sie somit Urkunden näher als konventionellen Dateien.537 Gegen eine funktionale Betrachtungsweise lässt sich gleichwohl einwenden, dass der radikale Verzicht auf einen physischen Anknüpfungspunkt Unschärfen des Sachbegriffs provoziert. Einträge im distributed ledger gelten als eindeutig zuordbar, weil Mehrfachverfügungen nur durch eine nachträgliche Manipulation der Datenkette erreicht werden können, was durch das Blockchain-Protokoll nahezu ausgeschlossen ist. Doch wann ist ein Datenbankeintrag – um nichts anderes handelt es sich bei Token (s. o. unter B.I.) – fälschungssicher genug, um als Sache zu qualifizieren? Genügt es, dass 51 %-Attacken äußerst unwahrscheinlich sind? Ein solches Maß an Ungewissheit steht im Widerspruch zum absoluten Geltungscharakter dinglicher Positionen. Mag eine Relativierung des naturwissenschaftlichen Verständnisses von Sachen auch angezeigt sein, eröffnet die Abkehr vom Erfordernis der physischen Existenz einer Sache doch bedenkliche Wertungsspielräume. (c) Friktionen mit dem sachenrechtlichen Normgefüge Auch in systematischer Hinsicht fügt sich ein materieloser Sachbegriff nicht widerspruchslos in das Normgefüge des dritten Buches ein.538 So lässt sich schon das Institut „Besitz“ allenfalls unter Rückgriff auf eine äußerst weit verstandene Verkehrsanschauung mit Blockchain-Werten in Einklang bringen.539 Noch weniger passen andere sachenrechtliche Vorschriften zu Gegenständen, denen ein physisches Substrat fehlt.540 So erschließt sich nicht, wie ein Token wesentlicher Bestandteil 533 Stieper, in: von Staudinger, BGB, Vor §§ 90 – 103 Rn. 9; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 304; vgl. hierauf verweisend ferner John, BKR 2020, 76, 78. 534 Vgl. m. Nachw. Stieper, in: von Staudinger, BGB, § 90 Rn. 3; Stresemann, in: MünchKomm BGB, § 90 Rn. 8. 535 OLG Brandenburg, Urt. v. 6. 11. 2019 – 4 U 123/19 = NJW-RR 2020, 54, 56. 536 John, BKR 2020, 76, 77; vgl. auch Ribak, STOs, S. 284 f., 287 ff., 308 ff.; Koch, ZBB 2018, 359, 362 f. und Walter, NJW 2019, 3609, 3612, die Token zwar die Sachqualität absprechen, jedoch eine Analogie für möglich halten, hierzu näher unter B.II.2.b)aa)(2). 537 Vgl. Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3282; Koch, ZBB 2018, 359, 364. 538 So auch Lehmann, Finanzinstrumente, S. 254. 539 Vgl. so aber John, BKR 2020, 76, 80. 540 Hiervor warnte im historischen Kontext bereits Johow, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Sachenrecht, S. 20, abgedruckt in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines
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einer anderen Sache sein sollte (§ 93 BGB).541 Auch kann sich ein Token nicht mit einer anderen Sache vermischen oder vermengen (§ 948 BGB) oder derelinquiert werden (§ 959 BGB).542 Daraus folgt, dass dingliche Bestimmungen bestenfalls partiell auf virtuelle Güter Anwendung finden könnten, nämlich nur soweit, wie Einzelnormen nicht offenkundig an einen physischen Gegenstand anknüpfen. Das käme im Ergebnis einem Sachenrecht eigener Art gleich, was mit dem numerus clausus-Prinzip kaum vereinbar erscheint.543 Denn der hiermit verbundene Typenzwang verbietet es, dingliche Rechte zu kreieren, die das Gesetz nicht vorsieht.544 Eben dies wäre die praktische Konsequenz, fände auf bestimmte Sachen von vornherein nur ein Teilausschnitt sachenrechtlicher Vorschriften Anwendung. Darüber hinaus ließe sich nicht erklären, weshalb § 2 Abs. 3 eWpG die Sachqualität elektronischer Wertpapiere, einschließlich solcher, die als Kryptowertpapiere auf einer Blockchain basieren, fingiert. Wären Token Sachen, bedürfte es einer entsprechenden Fiktion gar nicht erst. Insofern ist der gesetzgeberische Wille, jedenfalls Security Token im Übrigen nicht als Sachen zu behandeln, deutlich erkennbar,545 wie sogleich aus gesetzeshistorischer Perspektive noch näher zu erläutern ist. (d) (Historischer) Gesetzgeberwille Der Gesetzgeber orientierte sich bei der Legaldefinition des § 90 BGB am römischrechtlichen Begriff der res corporales und verstand darunter „ein räumlich begrenzte[s] Stück[…] der unfreien Natur“.546 Die Mehrheit der Stimmen aus dem Schrifttum erblickt darin einen Hinweis auf die streng naturalistische Konzeption des Sachbegriffs, die sich die rechtsetzende Gewalt zu eigen gemacht habe, um die
Bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. III/1, dort S. 144: „Die Anwendung des Ausdrucks Sache auf unkörperliche Vermögensgegenstände verleitet zu analoger Anwendung von Sachenrechtsnormen auf Rechte, für welche sie nicht passen.“ 541 Vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 215 f. 542 Vgl. Lehmann, Finanzinstrumente, S. 254, 261 ff. 543 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 113 f.; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1119; Kusserow, WM 2020, 586, 588; Shmatenko/Möllenkamp, MMR 2018, 495, 497; a. A. Koch, ZBB 2018, 359, 364; Walter, NJW 2019, 3609, 3612. 544 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 1 Rn. 7. Diese Grundsätze gelten mutatis mutandis auch für den Wertpapierbereich, s. Lehmann, Finanzinstrumente, S. 13, 176. 545 Ähnlich Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 11; ders., in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 137, 139 f.; Skauradszun, ZfPW 2022, 56, 72; Vig, BKR 2022, 442, 445. 546 Johow, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Sachenrecht, S. 2, abgedruckt in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches III/1, dort S. 126. Zum Ganzen s. Lehmann, Finanzinstrumente, S. 198 ff.; C. Paulus, in: FS K. Schmidt (2019), S. 119, 121 ff.; Stieper, in: von Staudinger, BGB, Vor §§ 90 – 103 Rn. 2.
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Dichotomie zwischen Sachen und Rechten im BGB zu verankern.547 John dagegen bezweifelt die Aussagekraft der Gesetzgebungsmaterialien.548 Diese stünden keineswegs im Widerspruch zu der funktionalen Sichtweise, wonach Beherrschbarkeit anstatt Stofflichkeit körperliche Gegenstände prägt. Dabei stützt er sich auf eine Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen aus dem Jahr 1899, der zufolge die römischrechtlichen Begriffswurzeln „keine Beschränkung auf Körper im physikalischen Sinne“ implizierten, sondern als „Abstraktion von den damals bekannten als körperliche Rechtsobjekte in Betracht kommenden Dingen der Außenwelt“ zu verstehen seien.549 Dementsprechend ginge es auch dem historischen Gesetzgeber womöglich nicht darum, materielose Gegenstände per se vom Anwendungsbereich des Sachenrechts auszuschließen, sondern nur unbeherrschbare.550 Zwar spricht das Gesetz von „körperlichen“ Gegenständen, doch verbirgt sich dahinter möglicherweise keine Begriffsverengung auf naturwissenschaftliche Tatsachen, sondern ein abstraktes Konzept, das gewissermaßen für alles steht, was beherrschbar ist. Mit anderen Worten stand dem Gesetzgeber bei der Wortwahl möglicherweise nur nicht vor Augen, dass auch Gegenstände ohne physisches Substrat verdrängend verwendbar sein könnten. Den Gesetzesmotiven zu § 90 BGB ist daher in der Tat noch keine eindeutige Begrenzung des Sachbegriffs auf physische Formen zu entnehmen. Seit den Anfängen des BGB hat sich die Normsituation allerdings gewandelt. Insbesondere mit der Einführung des eWpG hat der Gesetzgeber sein Verständnis des Sachbegriffs konkretisiert.551 So heißt es in der Begründung zum eWpG, „dass die derzeit zwingende urkundliche Verkörperung von Wertpapieren aufgegeben wird“.552 Nun ist bekanntlich davor zu warnen, die „Torheiten der Ministerialbürokratie auf dem Umweg über die Gesetzesbegründung zum geltenden Recht zu erheben“.553 Die zitierte Rechtsauffassung liegt aber als raison d‘être dem gesamten eWpG zugrunde und erscheint insofern dogmatisch belastbar. Wäre die Übertragung von Security Token auch ohne die Eintragung im elektronischen Wertpapierregister problemlos nach sachenrechtlichen Grundsätzen möglich, kämen die Eintragungsund Publizitätserfordernisse für Kryptowertpapiere einer systematischen Erschwerung der elektronischen Begebung gleich. Das vermag sich logisch nicht zu erschließen und liefe dem gesetzgeberischen Anliegen diametral entgegen. Das eWpG hat nicht nur klarstellenden, sondern ermöglichenden Charakter. Die Abkehr von der physischen Urkunde bezieht sich dabei nur auf die im Gesetz erfassten elektronischen Wertpapiere, besteht für alle anderen Erscheinungsformen mithin fort. Zwar 547 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 198 ff.; C. Paulus, in: FS K. Schmidt (2019), S. 119, 121 ff.; Stieper, in: von Staudinger, BGB, Vor §§ 90 – 103 Rn. 2. 548 John, BKR 2020, 76, 79. 549 RGSt 32, 165, 173. 550 John, BKR 2020, 76, 79. 551 Vgl. zur Beachtlichkeit derartiger Wandlungen im Normgefüge Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 173. 552 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 29. 553 Canaris, Handelsrecht, § 5 Rn. 53 (zu § 15 Abs. 3 HGB a. F.).
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soll das Gesetz außerhalb des Wertpapierbereichs ausdrücklich keine Präjudizwirkung im Hinblick auf die Rechtsnatur von Kryptowerten entfalten.554 Soweit das wertpapierrechtliche Übertragungsregime für Security Token in Rede steht, lässt der Gesetzgeber aber keinen Zweifel, dass diesem nur die neu geschaffenen, stark reglementierten Wertpapierkategorien unterstehen sollen.555 (e) Zwischenergebnis Folgerichtig ist der von John favorisierte funktionale Ansatz abzulehnen. Der Gesetzgeber hält an einem engen Sachbegriff fest, der eine physische Verkörperung erfordert. Das mag aus rechtspolitischer Perspektive kritikwürdig erscheinen.556 Solange sich das Wertpapierrecht nicht de lege ferenda von seinen sachenrechtlichen Fesseln löst,557 scheidet für Token außerhalb des Anwendungsbereichs des eWpG jedoch die Einordnung als Wertpapier im zivilrechtlichen Sinne aus. (2) Keine Regelungslücke Ein Teil jener, die virtuellen Einheiten die Sachqualität absprechen, möchte das wertpapierrechtliche Übertragungsregime auf Token analog anwenden.558 Dabei soll – soweit Token funktionell mit Inhaberschuldverschreibungen gleichgesetzt werden – anstelle des Besitzes der Eintrag im dezentralen Register als Rechtsscheinträger dienen und zur Übereignung analog § 929 S. 1 BGB statt der Übergabe die Umbuchung im ledger genügen.559 Für eine Analogie spreche die bereits erörterte ökonomisch-funktionale Nähe von Token und Wertpapieren.560 Abgesehen von einer vergleichbaren Interessenlage setzt die Lückenschließung durch Analogie jedoch eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus.561 An einer solchen dürfte
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RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 30; Segna, WM 2020, 2301, 2303. A. A. Ribak, STOs, S. 301. 556 Mit entsprechender Kritik z. B. Lehmann, Finanzinstrumente, S. 171 ff. 557 Mit konkreten Forderungen nach einem entmaterialisierten Recht der Finanzinstrumente s. z. B. Lehmann, Finanzinstrumente, S. 222 ff.; Opitz, Fünfzig Depotrechtliche Abhandlungen, S. 430 ff.; Scherer, Blockchain im Wertpapierbereich, S. 150 ff.; Casper, BKR 2019, 209, 214 ff. 558 Ribak, STOs, S. 308 ff.; Koch, ZBB 2018, 359, 362; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 350; sympathisierend auch Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 45; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3282. S. ferner für eine analoge Anwendung der §§ 929 ff. BGB auf intrinsische Coins/Token: Spindler/Bille, WM 2014, 1357, 1363; Walter, NJW 2019, 3609, 3612. Vgl. mit einem entsprechenden Vorschlag für Bucheffekten auch schon Micheler, Wertpapierrecht, S. 183 ff. 559 Walter, NJW 2019, 3609, 3612. Literaturstimmen, die Token als Orderpapiere qualifizieren, erblicken in der Blockchain zudem ein funktionales Äquivalent zum Indossament, s. Ribak, STOs, S. 327 ff. 560 S. bereits die Ausführungen bei Fn. 500 und 536. 561 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 473. 555
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es schon im Hinblick auf den wertpapierrechtlichen numerus clausus fehlen.562 Dieser besagt, dass der Rechtsverkehr nicht mit wertpapierrechtlichen Positionen konfrontiert werden darf, die das Gesetz nicht kennt.563 Genau darauf liefe die Erstreckung wertpapierrechtlicher Übertragungsvorschriften auf Blockchain-Einträge jedoch hinaus.564 Aus demselben Grund kommt auch die Einordnung von Token als Inhaberpapier sui generis nicht in Betracht, zumal die Vertreter dieses neuartigen Instituts einer dogmatisch überzeugenden Herleitung, die über Utilitätserwägungen hinausgeht, schuldig bleiben.565 Zudem hat der Gesetzgeber durch das eWpG zu erkennen gegeben, dass er sich der problematischen Rechtsnatur von Kryptowerten durchaus bewusst ist.566 Wertpapierrechtliche Grundsätze sollen gleichwohl nur für die im eWpG detailliert ausgeformten Registerarten gelten. Von einer planwidrigen Regelungslücke kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein.567 Entgegen einer vereinzelten Literaturmeinung568 scheidet aus diesem Grund auch eine Analogie zu den §§ 873 ff. BGB jedenfalls im Hinblick auf Security Token aus.569 (3) Zwischenergebnis Danach bleibt festzuhalten, dass auf Token-Transaktionen wertpapierrechtliche Grundsätze weder direkt noch analog Anwendung finden.570 Dem steht im ersten Fall entgegen, dass das Gesetz von einem auf physische Gegenstände begrenzten Sachbegriff ausgeht, im zweiten Fall, dass eine Regelungslücke fehlt. Der zivilrechtliche Wertpapierbegriff unterscheidet sich insofern von dem kapitalmarktrechtlichen gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II, der kein Verbriefungserfordernis aufstellt (s. o.).571 Die Unanwendbarkeit des sachenrechtlichen Übertragungsregimes hat zur Folge, dass nach deutschem Recht zu beurteilende Token keinen einrede-
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Wolf, Initial Coin Offerings, S. 113 f.; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1119; Kusserow, WM 2020, 586, 588; Shmatenko/Möllenkamp, MMR 2018, 495, 497; a. A. Ribak, STOs, S. 317 ff., 330 ff. 563 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 176. 564 S. schon oben bei Fn. 544. A. A. Koch, ZBB 2018, 359, 364; Walter, NJW 2019, 3609, 3612. 565 Vgl. Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 130; Koch, ZBB 2018, 359, 363; hierzu kritisch auch Kusserow, WM 2020, 586, 588. 566 RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 30. 567 So auch Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 77. 568 Vgl. mit Blick auf Kryptowährungen Arndt, Bitcoin-Eigentum, S. 76 ff.; Ammann, CR 2018, 379, 382 ff. 569 Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 78. 570 Das wird i. E. ebenso für die mitunter erwogene Anwendung des § 952 BGB gelten, s. hierzu ders., in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 43 f. Auch die Einordnung als Rektapapier scheidet damit aus. 571 Lehmann, Finanzinstrumente, S. 14 f.; Scherer, Blockchain im Wertpapierbereich, S. 12 ff.; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 131.
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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freien Gutglaubenserwerb gewährleisten.572 Das führt zu der Frage, ob ein gleichwertiger Verkehrsschutz auf andere Weise, insbesondere unter Rückgriff auf zessionsrechtliche und rechtsgeschäftliche Grundsätze, konstruierbar ist (hierzu sogleich). bb) Token nicht als Zessionsgegenstand Sind Token weder als Sachen zu qualifizieren noch mit den Rechten identisch, die sie repräsentieren,573 bleibt nur die Einordnung als „sonstiger Gegenstand“ im Sinne von § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB.574 Als solcher unterliegt ein Token nach einer weiteren Literaturauffassung der zessionsrechtlichen Übertragung gem. §§ 413, 398 BGB.575 Dafür müsste der Token als solcher aber als subjektives Recht qualifizieren.576 Eine normative Herrschaftsmacht an immaterialgüterrechtlich ungeschützten Informationsgütern ist dem bürgerlichen Recht indes fremd.577 Das eWpG stellt insofern eine sektorielle Ausnahme dar. Der Vorschlag, das rechtsgeschäftliche Konsensprinzip im Wege eines Analogieschlusses auf Token zu erstrecken,578 erscheint – ungeachtet dogmatischer Bedenken – auch mit Blick auf den technisch-faktischen Gehalt einer BlockchainTransaktion wenig zielführend. Könnte ein Token Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Verfügung sein, wäre zu dessen Erwerb nicht mehr von Nöten als ein wirksamer Abtretungsvertrag zwischen der innehabenden und der erwerbenden Partei.579 Der Blockchain-Algorithmus setzt zur Vervollständigung einer Transaktion anderes voraus: Das Autorisieren der angestrebten Transaktion mit dem private key, die Übermittlung der Transaktionsdaten an das Netzwerk sowie die endgültige
572 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.47; Kusserow, WM 2020, 586, 591 f. 573 S. bereits Fn. 175. Missverständlich dagegen Wolf, Initial Coin Offerings, S. 114, der es für möglich hält, die §§ 398 ff. BGB auf Token direkt anzuwenden. 574 Spiegel, Virtuelles Geld, S. 67 f.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.43; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 114; Langenbucher, AcP 218 (2018), 385, 407; Schlund/Pongratz, DStR 2018, 598, 600. 575 Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 18; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 114; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 126; Zickgraf, AG 2018, 293, 299. 576 Vgl. Busche, in: von Staudinger, BGB, § 413 Rn. 3. 577 So auch Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 72. 578 Ders., in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 80. 579 Vgl. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.45; Spindler/Bille, WM 2014, 1357, 1362 f.; Schlund/Pongratz, DStR 2018, 598, 600; Skauradszun, AcP 221 (2021), 353, 374. A. A. Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 80, der eine Modifikation des Übertragungstatbestands dergestalt für möglich hält, dass die Token-Transaktion im technischen Sinne zur Voraussetzung des Token-Erwerbs im rechtlichen Sinne wird. Zu den fragwürdigen Konsequenzen s. Fn. 581 samt der dazugehörigen Ausführungen im Text.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Aufnahme selbiger in die Datenkette.580 Damit korrespondiert die Erwartung der einschlägigen Verkehrskreise: Ein Token gilt erst dann als erworben, wenn die Mehrheit der Netzwerkteilnehmer das Transaktionsregister entsprechend aktualisiert hat. Der vermeintlich rechtsgeschäftliche Charakter der Token-Übertragung hätte zudem eine Entkopplung von juristischer Token-Inhaberschaft und computertechnischer Blockchain-Lage zur Konsequenz.581 Wer im ledger als Inhaber ausgewiesen ist, wäre im Falle rechtgeschäftlicher Übertragungsmängel nicht Token-Inhaber im Rechtssinne. Damit wäre das Gegenteil dessen erreicht, was den Netzwerkteilnehmern vorschwebt: Blockchains verlören als Allokationsregister für digitale Einheiten jede Aussagekraft. Die Token-Übertragung als solche richtet sich somit weder nach §§ 413, 398 BGB, noch ist sie in entsprechender Anwendung zessionsrechtlicher Prinzipien vom Konsens der Parteien abhängig. Nach allgemeinen Grundsätzen abtretbar ist dagegen das dem Blockchain-Eintrag zugrundeliegende Recht. Eine Token-Transaktion ist daher nicht Gegenstand, sondern – wie sogleich zu zeigen sein wird – allenfalls Ausdruck einer Zession. Näherer Betrachtung bedarf insofern, wie der technische Vorgang der Datenänderung mit der Rechtsübertragung zusammenhängt.582
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S. ausführlich hierzu unter A.V. Vgl. Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 74. Die Rechtfertigung für den Widerspruch zur in Fn. 579 wiedergegebenen Auffassung erblickt Omlor anscheinend in den Systemvorgaben der Bitcoin-Blockchain. 582 Das auf die Voraussetzungen und Wirkungen der Zession anwendbare Recht ist nach Art. 14 Rom I-VO zu bestimmen (vgl. zur Bedeutung des Abtretungsstatuts im Gesamtkontext schon oben B.II.2.a)). Gem. Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO findet auf das Verhältnis zwischen dem Zedenten und dem Zessionar das Recht Anwendung, dem auch das Grundgeschäft zwischen diesen Parteien untersteht. Dabei handelt es sich im hier interessierenden Kontext typischerweise um einen Rechtskauf, dessen kollisionsrechtliche Beurteilung sich nach Art. 3 ff. Rom IVO richtet, s. Steinrötter, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 3 Rn. 52 ff.; Kerkemeyer, ZHR 184 (2020), 793, 824 f. Nach herrschender, aber nicht unstreitiger Auffassung erstreckt sich die Verweiswirkung des Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO auch auf alle verfügungsrechtlichen Aspekte der Zession einschließlich möglicher Drittwirkungen, s. hierzu ausführlich Hausmann, in: von Staudinger, BGB, Art. 14 Rom I-VO Rn. 46 f. De lege ferenda soll nach den Bestrebungen des Europäischen Normgebers das für die Drittwirkungen der Forderungsabtretung maßgebliche Kollisionsrecht Gegenstand einer eigenständigen Verordnung werden, die sich zur Zeit der Abfassung in erster Lesung vor dem Europäischen Parlament befindet. Art. 4 Abs. 2 lit. b) des Kommissionsvorschlags (COM [2018] 96 final) sieht vor, dass bei Finanzinstrumenten i. S. d. MiFID II das Forderungsstatut über die Drittwirkungen der Abtretung entscheidet. Die weitere materiellrechtliche Betrachtung beschränkt sich auf das deutsche Recht. 581
B. Fungibilisierung von Rechtspositionen durch Token
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cc) Token-Transaktion als Realakt mit (potentiell) rechtsgeschäftlicher Relevanz Die Übertragung eines Tokens ist richtiger Ansicht nach im Ausgangspunkt nicht mehr als ein Realakt.583 Als reines Faktum kommt ihm lediglich deklaratorische Bedeutung bei, wenn nicht rechtsgeschäftlich relevante Umstände hinzutreten.584 Letzteres wird indes regelmäßig der Fall sein, denn die Individuen hinter einem public key transferieren Token nicht ohne Kontext, sondern um eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Veräußert etwa ein Netzwerkteilnehmer Token über eine Kryptobörse, dient die Transaktion naheliegenderweise der Erfüllung der gegenüber dem Empfänger eingegangenen Verbindlichkeit.585 Diese beschränkt sich nach dem regelmäßig anzunehmenden Parteiwillen nicht auf die Beschaffung der Token als solche, sondern erstreckt sich auf das durch den Blockchain-Eintrag repräsentierte Recht.586 Dafür spricht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise Token als „digitale Zwillinge“587 der zugrundeliegenden Rechtspositionen betrachten. Zudem gliche ein (Security) Token ohne das dazugehörige Recht einer leeren Hülle, die zu übertragen wirtschaftlich sinn- und rechtlich folgenlos wäre.588 Vor diesem Hintergrund stellt sich aus der nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers die Vornahme der Transaktion als konkludente Abtretungsofferte dar.589 Die korrespondierende Annahme erklärt der Empfänger zumeist ebenfalls konkludent, wobei ihr Zugang gem. § 151 S. 1 BGB entbehrlich ist, da bei rechtlich lediglich vorteilhaften Geschäften – um ein solches handelt es sich bei der auf
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van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.46; Engelhardt/Klein, MMR 2014, 355, 357; Heckelmann, NJW 2018, 504, 508; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280; Kusserow, WM 2020, 586, 591; vgl. mit Blick auf die BitcoinBlockchain ferner Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 74. 584 Vgl. Hildner/Danzmann, CF 2017, 385, 388; Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 857, 859; Nathmann, BKR 2019, 540, 542; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 437. 585 Zeitlich fallen der Abschluss des Verpflichtungs- und des Erfüllungsgeschäfts typischerweise zusammen. Aus Vereinfachungsgründen soll dieser Aspekt hier einstweilen außen vor bleiben. 586 Vertragstypologisch handelt es sich beim Zweiterwerb eines Tokens somit um einen Rechtskauf gem. §§ 453 Abs. 1 Alt. 1, 433 BGB mit der Nebenpflicht, den stellvertretenden Token zu transferieren, vgl. Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280. Vgl. zur typologischen Einordnung des Ersterwerbs bereits die Anmerkungen im kollisionsrechtlichen Kontext unter B.II.2.a)aa)(3), die mutatis mutandis auch für die materiellrechtliche Seite Geltung beanspruchen. 587 Borkert, ITRB 2018, 91, 92. 588 Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280. 589 Dies., in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 9; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 15; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280; Kusserow, WM 2020, 586, 591; Nathmann, BKR 2019, 540, 542.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Rechtserwerb abzielenden Abtretung – eine entsprechende Verkehrssitte anzunehmen ist.590 Im praktisch relevantesten Veräußerungsszenario geht die Token-Transaktion somit regelmäßig Hand in Hand mit einer Zession. Das heißt jedoch nicht, dass der Token und das Recht zwangsläufig dasselbe Schicksal teilen. Vielmehr bleiben sie isoliert übertragbar.591 Insbesondere für den Token-Erwerber birgt dies das Risiko, dass die veräußernde Partei oder einer ihrer Rechtsvorgänger bereits off-chain über die fragliche Rechtsposition verfügt hat. Einen Gutglaubenserwerb von Forderungen sieht das Gesetz grundsätzlich nicht vor,592 so dass der Token ohne zusätzliche Vorkehrungen keine Gewähr für den Rechtserwerb bietet. Das gilt auch für den Fall, dass die Übertragungskette wegen einer nichtigen Zession in der Vergangenheit brüchig geworden ist. Um die Unzulänglichkeiten des gesetzlichen Verkehrsschutzes beim Handel mit Rechten zu kompensieren, schlagen manche Autoren vor, die Verknüpfung von Token und Recht durch vertragliche Abreden zu stärken.593 Den Token-Emittenten sei es im Rahmen privatautonomer Gestaltungsfreiheit möglich, für den Handel mit Rechten einen „gewillkürten Buchungszwang“ in den Emissionsbedingungen zu verankern.594 Diesem Appel ist die Kautelarpraxis in jüngerer Zeit bisweilen nachgekommen. So beinhalten beispielsweise die Emissionsbedingungen zum STO der Hamburger Immobilienverwaltungsgesellschaft FND German RE GmbH (vormals: „Fundament RE Germany GmbH“) einen Passus, demzufolge die Abtretung der begebenen Schuldverschreibungen „zwingend die Übertragung der [sie] repräsentierenden Fundament Token [voraussetzt]“.595 Auf dinglicher Ebene soll dies ein „beschränktes Abtretungsverbot“ gem. § 399 Alt. 2 BGB sicherstellen.596 Flankierend kommen schuldrechtliche Nebenabreden in Betracht. Diese können den jeweiligen Erwerber zum Beispiel verpflichten, über die tokenisierte Forderung nur unter der aufschiebenden Bedingung zu verfügen, dass eine bestätigte Transaktion 590 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 10; dies., NJW 2018, 3278, 3280; Kusserow, WM 2020, 586, 591. 591 Vig, BKR 2022, 442, 446. 592 Kieninger, in: MünchKomm BGB, § 398 Rn. 29; s. aber § 405 Var. 1 und § 2366 BGB. 593 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 12 ff.; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 15; Hildner/Danzmann, CF 2017, 385, 390; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3280 ff.; Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 857, 859; Nathmann, BKR 2019, 540, 542; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 438. 594 Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 438. 595 S. Wertpapierprospekt vom 11. 7. 2019 für das öffentliche Angebot von nachrangigen tokenbasierten Schuldverschreibungen der FND German RE GmbH, abrufbar unter: https://tin yurl.com/ydkbra5k, S. 49. 596 S. Wertpapierprospekt der FND German RE GmbH, (Fn. 595), a. a. O.; s. übereinstimmend aus dem Schrifttum auch Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3281. Zur Zulässigkeit von abgeschwächten Abtretungsausschlüssen s. Kieninger, in: MünchKomm BGB, § 399 Rn. 39 m. w. Nachw.
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im Netzwerk vorliegt.597 Da derartige Abreden stets nur inter partes wirken, sind sie im Vergleich zu Abtretungsbeschränkungen mit erga omnes-Wirkung jedoch von untergeordneter Bedeutung.598 Als Lückenbüßer für einen gesetzlichen Verkehrsschutz beim Handel mit tokenisierten Forderungen hat die privatvertragliche Buchungsanordnung zwei Nachteile: Zum einen ist sie anfällig für Wirksamkeitsmängel. So droht das Nichtigkeitsverdikt bei unverhältnismäßigen Verfügungsbeschränkungen etwa aus der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB.599 Zum anderen kann die vertragliche Lösung den gesetzlichen Gutglaubensschutz nicht gleichwertig ersetzen. Denn durch eine Verfügungsbeschränkung gem. § 399 Alt. 2 BGB kann der Emittent nur ausschließen, dass der Rechtsinhaber das Recht ohne den Token überträgt. Es ist ihm aber nicht möglich, den umgekehrten Fall, die Token-Transaktion ohne das Recht, mit absoluter Wirkung zu unterbinden.600 Zwar könnte der Veräußerer den Erwerber vertraglich dazu verpflichten, den digitalen Eintrag nicht ohne das dazugehörige Recht zu übertragen.601 Eingeschränkt wäre damit aber nur das rechtliche Dürfen, nicht das faktische Können des Erwerbers. Nicht zu verhindern sind darüber hinaus Brüche der Zessionskette, die dadurch zustande kommen, dass einzelne Erwerbsvorgänge keine Wirksamkeit erlangen. Auch wenn das fragliche Recht nicht wirksam zustande kommt oder nichtig ist, bleibt der Token-Erwerber schutzlos (s. hierzu C.III.3.). Somit ist zu konstatieren, dass auch privatautonome Vorkehrungen den Einklang von materieller Rechtslage und „Token-Lage“ nicht mit letzter Gewissheit herstellen können.602 Bestenfalls lässt sich das Risiko einer Inkongruenz auf diese Weise verringern. Das hat weitreichende Konsequenzen für die Verkehrsfähigkeit tokenisierter Rechte. dd) Entwicklungsszenarien im Lichte des unvollkommenen Verkehrsschutzes Um die Konsequenzen des unvollkommenen Verkehrsschutzes beim Handel mit tokenisierten Forderungen zu erfassen, hat man sich zunächst die wirtschaftliche Motivlage hinter einer Investitionsentscheidung vor Augen zu führen. Als Anlageklasse sind Security Token mit einem hohen Ausfallrisiko behaftet. Für die meisten 597 Vgl. hierzu sowie zur Vereinbarung einer „Blockchain-Form“ Wertpapierprospekt der FND German RE GmbH, (Fn. 595), S. 49; Kaulartz/Matzke, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 13, 15 ff.; dies., NJW 2018, 3278, 3281. 598 Vgl. dies., NJW 2018, 3278, 3281. 599 Vgl. hierzu Kieninger, in: MünchKomm BGB, § 399 Rn. 40. 600 Matzke/Kaulartz, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 14 Rn. 19; Omlor, in: Omlor/Link, Kap. 6 Rn. 96; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3281; Vig, BKR 2022, 442, 446. 601 Vgl. Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3281. 602 So i. E. auch Ribak, STOs, S. 377 ff.; Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 538.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Anleger kommt ein Investment vor diesem Hintergrund nur unter der Prämisse in Betracht, dass sich die Anlagewerte auf dem Sekundärmarkt jederzeit abstoßen lassen.603 Die Möglichkeit der jederzeitigen Desinvestition minimiert das Risiko eines Totalverlustes und lockt so Investoren, die ihr Kapital anderenfalls nicht für eine Wagnisfinanzierung zur Verfügung stellen würden.604 Ohne diese Flexibilität verlieren Token Sales ihr spezifisches Gepräge und lassen sich von herkömmlichen Instrumenten der Schwarmfinanzierung kaum unterscheiden. Der liquide Handel mit Token setzt funktionsfähige Märkte voraus. Entstehen können diese aber nur, wenn die Marktteilnehmer darauf vertrauen, dass die gehandelten Token sie gegenüber dem Emittenten zur versprochenen Leistung berechtigen. Die Analyse des materiellrechtlichen Gehalts einer Token-Transaktion hat indes offenbart, dass nach deutschem Recht zu beurteilende Security Token keine Gewähr für die Kohärenz von Rechts- und Token-Lage bieten. Das Gesetz sieht keinen umfassenden Vertrauensschutz für den Handel mit tokenisierten Rechten vor. Auch vertragliche Abreden können diese Schutzlücke nicht vollständig schließen. Von einem juristischen Standpunkt aus betrachtet ist das Vertrauen in den Markt mithin nicht uneingeschränkt gerechtfertigt. Gerade darin liegt möglicherweise eine Ursache für die ausbleibenden Erfolge deutscher STOs in jüngerer Zeit.605 Die offengelegten Schutzdefizite lassen für die Weiterentwicklung Token-basierter Finanzierungsmethoden drei Szenarien vorstellbar erscheinen. Zunächst könnten Emittenten versuchen, die Rechtsverhältnisse mit den Investoren dem Recht eines Staates zu unterstellen, der Token-Transaktionen konstitutive Wirkung für den Rechtserwerb beimisst. Das ist zum Beispiel nach dem liechtensteinischen Gesetz über Token und VT-Dienstleiter (TVTG) der Fall.606 Die „Flucht“ aus dem deutschen Recht ist nach dem hier vertretenen Ansatz mittels Rechtwahl bzw. (nachträglicher) Inkorporation im Mitgliedszielstaat grundsätzlich möglich.607 Zweitens könnten sich kapitalsuchende Unternehmen, die sich die Vorteile einer Token-basierten Finanzierung zu Nutze machen wollen, auf die nunmehr gesetzlich geregelten elektronischen Wertpapiere beschränken. Die §§ 24 ff. eWpG machen die Rechtslage ausdrücklich von der Registerlage abhängig, sodass Inkongruenzen weitestgehend vermieden werden.608 Das mit dem Kryptowertpapierregister dazu603
Vgl. Lehmann, Finanzinstrumente, S. 305 ff. Ders., Finanzinstrumente, S. 306; vgl. in diesem Sinne auch bereits von Savigny, Das Obligationenrecht, S. 117 f.: „Der Zweck derselben [gemeint sind handelbare Instrumente, Anm. d. Verf.] geht dahin, große Geldsummen zusammen zu bringen [sic!], indem sie vielen, auch nicht reichen, Geldbesitzern die leichte und bequeme Gelegenheit zu einer zinstragenden Geldanlage darbieten.“ 605 Das gilt etwa für den oben erwähnten STO der FND German RE GmbH, vgl. die Berichterstattung in der Börsen-Zeitung v. 30. 6. 2020, S. 3 („Fundament wehrt sich gegen Vorwürfe“). 606 S. hierzu Omlor, ZVglRWiss 119 (2020), 41, 55 ff. 607 S. B.II.2.a)cc). 608 S. B.II.1.e)bb)(2). 604
C. Automatisierung von Leistungsbeziehungen durch Smart Contracts
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gewonnene Maß an Rechtssicherheit geht allerdings u. U. mit technischen Limitationen und Kosten einher.609 Echte Equity Token sind vom Anwendungsbereich zudem a priori ausgeschlossen. Schließlich wäre es denkbar, dass Blockchain-basierte Finanzierungen dank des Einsatzes von Smart Contracts gegen zivilrechtliche Schutzlücken faktisch immun sind. Könnten sich Token-Inhaber gewiss sein, dass der Emittent an sie leistet, wäre weniger ihr Vertrauen in den gesetzlichen Verkehrsschutz als das in die Technologiegestützte Abwicklung für das Funktionieren des Marktes entscheidend. Etwaige Mängel ihrer rechtlichen Stellung müssten die pragmatisch denkenden Investoren nicht bekümmern. Das gilt umso mehr, da es den wahren Rechtsinhabern aufgrund der relativen Anonymität des Netzwerks nahezu unmöglich wäre, bei ihnen Regress zu nehmen.610 Daran zeigt sich einigen Autoren zufolge, dass die Macht des Faktischen das Recht im digitalen Raum zunehmend verdrängt.611 Wo das Rechtssystem technologiegesteuerten Vorgängen nicht mehr habhaft werde, böten Smart Contracts einen alternativen Ordnungsrahmen.612 Um zu beurteilen, ob sich die These von der Marginalisierung des Rechts im Hinblick auf STOs aufrechterhalten lässt, bedarf es einer vertiefenden Auseinandersetzung mit der Funktionsweise von Smart Contracts.
C. Automatisierung von Leistungsbeziehungen durch Smart Contracts In diesem Zusammenhang verdient zunächst der Umstand Beachtung, dass die konzeptionellen Grundlagen von Smart Contracts keineswegs eine Erfindung der Neuzeit sind. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen einander fremde Parteien einen gegenseitigen Vertrag als bindend anerkennen, stand schon lange vor der digitalen Revolution im Mittelpunkt wirtschaftsphilosophischer Erwägungen. Bereits 1651 prägte Thomas Hobbes die Vorstellung, dass kontrahierende Individuen einander nur Vertrauen entgegenbringen, wenn sie sich der Existenz staatlicher Durchsetzungsmechanismen bewusst sind, die nötigenfalls die vereinbarte Leistungserbringung erzwingen.613 Hieran anknüpfend führte Kronman 1985 aus, dass 609
Vgl. B.II.1.f). Vgl. schon Fn. 138 und den dazugehörigen Text. 611 Vgl. Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Legal Tech, Abschnitt 5.3 Rn. 24; Tapscott/Tapscott, Blockchain Revolution, S. 47; Werbach/Cornell, 67 Duke L. J. 313, 333 (2017). 612 Savelyev, 26 Inf. Commun. Technol. Law 116, 132 (2017): „Smart contracts do not need a legal system for their existence: they may operate without any overarching legal framework. De facto, they represent a technological alternative to the whole legal system.“ 613 Hobbes, Leviathan (Reprint 1965, Oxford Univ. Press), S. 105: „If a Covenant be made, wherein neither of the parties performe presently, but trust one another; in the condition of meer Nature, (which is a condition of Warre of every man against every man,) upon any reasonable suspition, it is Voyd; But if there be a common Power set over them bothe, with right and force sufficient to compell performance; it is not Voyd. For he that performeth first, 610
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
die Parteien ohne einen solchen Rückhalt gut beraten seien, das Leistungsrisiko durch eigene Vorkehrungen zu minimieren.614 Erfolgsversprechend sei unter anderem eine als „hands tying“ bezeichnete Strategie,615 zu deren Ausführung Maßnahmen ergriffen werden, „that make a promise more credible by putting it out of the promisor’s power to breach without incurring costs he could otherwise have avoided“.616 Zwar muss Kronman feststellen, dass die private Risikominimierung umso höhere Kosten verursacht, je zuverlässiger ein Vertragsbruch unterbunden werden soll.617 Doch immerhin sei es auf diese Weise möglich, sich vom staatlichen Rechtsund Durchsetzungssystem weitestgehend unabhängig zu machen, wo dieses eine schnelle, kostengünstige und interessengerechte Konfliktlösung nicht erwarten lässt.618 Inspiriert von den Möglichkeiten, die der digitale Fortschritt zwischenzeitlich eröffnet hatte, griff 1996 Nick Szabo den „hands tying“-Ansatz (implizit) auf und prägte so das Bild von „Smart Contracts“, deren Funktionsweise er wie folgt umschrieb: „The basic idea of smart contracts is that many kinds of contractual clauses […] can be embedded in the hardware and software we deal with, in such a way as to make breach of contract expensive (if desired, sometimes prohibitively so) for the breacher.“619 Zum Durchbruch verhalf der damit geborenen Idee, die Vertragsdurchführung durch den Einsatz von Software zu automatisieren, jedoch erst die Entwicklung der Blockchain-Technologie.620 Was genau unter einem „Smart Contract“ zu verstehen ist, beurteilt das einschlägige Schrifttum seither uneinheitlich, was zu einem Potpourri teils Blockchain-spezifischer,621 teils technologieneutraler, juristisch unterlegter Definitionsversuche geführt hat622.623 Im hier interessierenden has no assurance the other will performe after; because the bonds of words are too weak to bridle mens ambition, avarice, anger, and other Passions, without the feare of some coerceive Power […].“ 614 Kronman, 1 J. Law Econ. Organ. 5, 11 ff. (1985). 615 Hierzu grundlegend Schelling, 46 Am. Econ. Rev. 281, 282 ff. (1956). 616 Kronman, 1 J. Law Econ. Organ. 5, 18 ff. (1985). 617 Kronman, 1 J. Law Econ. Organ. 5, 29 f. (1985). 618 Kronman, 1 J. Law Econ. Organ. 5, 24 ff. (1985). 619 Szabo, Smart Contracts: Building Blocks for Digital Markets; hierzu vertiefend Braegelmann/Kaulartz, in: dies., Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 1 Rn. 10 ff. 620 Vgl. hierzu noch C.I. 621 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 127 f.; Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 4; Blocher, AnwBl 2016, 612, 618; Frankenreiter, JITE 175 (2019), 149, 152 f. 622 Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618: „[E]in Smart Contract [ist] eine Software, die rechtlich relevante Handlungen (insbesondere einen tatsächlichen Leistungsaustausch) in Abhängigkeit von digital prüfbaren Ereignissen steuert, kontrolliert und/oder dokumentiert […].“ Dem folgend Braegelmann/Kaulartz, in: dies., Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 1 Rn. 29; Paulus/Matzke, CR 2017, 769, 771 f.; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431 sowie mit Modifikationen um Nuancen Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 433 f. 623 Zum Ganzen: Caria, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 19 ff.; Finck, in: Fries/Paal, Smart Contracts, S. 1 ff. Als eine der ersten Jurisdiktionen hat
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Kontext genügt es, als „Smart Contract“ den im Softwareumfeld einer Blockchain laufenden Programmcode zu bezeichnen, der bei Eintritt digital überprüfbarer Bedingungen Transaktionen automatisch ausführt.624 Um zu erfassen, welche Implikationen damit für die Token-basierte Schwarmfinanzierung einhergehen, sind zunächst die Laufzeitvoraussetzungen für Smart Contracts auf der Ethereum-Plattform zu beleuchten (I.). Aus diesen ergibt sich von einem normativen Standpunkt aus betrachtet keineswegs eine Verdrängung des staatlichen Rechts (II.). Im Gegenteil zieht der Einsatz von Smart Contracts bei der Token-Begebung unmittelbare Rechtsfolgen nach sich (III.). Gegenüber der Faktizität des Codes treten diese jedoch in den Hintergrund, was Token Sales für Investoren attraktiv und riskant zugleich macht (IV.).
I. Ethereum als Smart Contract-Plattform Dass Smart Contracts rund 20 Jahre nach Szabos Vorarbeiten eine Renaissance erleben, ist in erster Linie Vitalik Buterin zu verdanken, der 2015 Ethereum, die erste turing-vollständige Blockchain-Plattform, aus der Taufe hob.625 Turing-Vollständigkeit bezeichnet die Fähigkeit des Systems, Programmcode jedweder Art auszuführen.626 Das macht Ethereum zu einer sogenannten General Purpose Blockchain, das heißt sie eignet sich im Gegensatz zu Single Purpose Blockchains wie Bitcoin nicht nur zur Dokumentation von Datenänderungen, sondern auch als Ausführungsplattform für Software.627 In der dezentralen Laufzeitumgebung von Ethereum und anderen zugangsoffenen General Purpose Blockchains (z. B. Stellar) können Smart Contracts erstmals effizient und sicher implementiert werden. Dafür spielen zwei Faktoren eine tragende Rolle: Erstens bringen derartige Blockchains die Besonderheit mit sich, dass einmal in ihrem System abgelegte Smart Contracts nicht mehr geändert werden können.628 Der Programmcode ist in der lokalen Kopie der Blockchain eines jeden (full) node enthalten und wird auf deren Computern dezentral ausgeführt. Im Falle eines netzwerkweiten Konsens resultiert die Programmausführung in einer Datenände2017 der U.S.-Bundesstaat Arizona eine Begriffsdefinition in das Gesetz aufgenommen, s. Arizona House Bill No. 2417, note 5. 624 Vgl. im Wesentlichen übereinstimmend Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 4; Blocher, AnwBl 2016, 612, 618. 625 Filippi/Wright, Blockchain and the Law, S. 27 f.; Swan, Blockchain, S. 21; Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 261. 626 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 8 f., 314; Werbach/Cornell, 67 Duke L. J. 313, 334 (2017). 627 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 6; Diedrich, Ethereum, S. 27 f.; Wilkens/ Falk, Smart Contracts, S. 8. 628 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 129; Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Legal Tech, Abschnitt 5.3 Rn. 19; Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 12; Giancaspro, 33 Comput. Law Secur. Rev. 825, 826 (2017); Paech, 80 Mod. L. Rev. 1073, 1083 (2017).
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
rung, die der Datenkette irreversibel und für alle Mitglieder überprüfbar hinzugefügt wird.629 Damit sind Smart Contracts angriffs- und manipulationsresistent – Eigenschaften, die bereits Szabo für die Vertrauenswürdigkeit der Software voraussetzte.630 Vor der Entwicklung der Blockchain konnte die Integrität von Smart Contracts jedoch nur mit Hilfe von kostspieligen Intermediären erreicht werden.631 Zweitens hilft das mit der Blockchain etablierte Konzept der Token prima facie über den Umstand hinweg, dass ein Smart Contract keine analogen Leistungshandlungen vornehmen, sondern nur über digitale Güter verfügen kann.632 Token dienen als virtuelle Abbilder von Rechten und sind als solche der faktischen Verfügungsmacht des Programmcodes zugänglich. Das darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zur Erfüllung der repräsentierten Ansprüche auf menschliches Zutun oder die Mitwirkung Dritter ankommen kann. Das wird deutlich, führt man sich die Einsatzmöglichkeiten (1.) und Limitationen (2.) von Smart Contracts im Rahmen eines Token Sales auf der Ethereum-Blockchain633 vor Augen. 1. Technische Voraussetzungen des Einsatzes von Smart Contracts im Rahmen eines Token Sales Um einen Smart Contract auf der Blockchain in Stellung zu bringen, ist es erforderlich, zunächst den Programmcode in ein für die Ausführung auf der Blockchain lesbares Format umzuwandeln (compiling).634 Mit der „Registrierung“ des Smart Contracts in der Laufzeitumgebung der Blockchain, dem sogenannten deploy629
Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 303 f.; Gatteschi/Lamberti/Demartini, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 37, 42; Glatz, in: Breidenbach/ Glatz, Legal Tech, Abschnitt 5.3 Rn. 19; Grimmelmann, 2 J. L. & Innovation 1, 8 f. (2019); Jacobs/Lange-Hausstein, ITRB 2017, 10, 13; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279. Für die Programmausführung ist bei Ethereum die sog. Ethereum Virtual Machine (EVM), eine Art simulierter Computer, verantwortlich. Aufgrund der global verteilten Programmausführung und Datenspeicherung liegt der Vergleich mit einem „world computer“ nahe, s. Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 26; Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 139 ff. 630 Szabo, Smart Contracts: Building Blocks for Digital Markets; hierzu auch Voshmgir, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 2 Rn. 4 f. 631 Szabo, Smart Contracts: Building Blocks for Digital Markets; Heckelmann, NJW 2018, 504, 505; Werbach/Cornell, 67 Duke L. J. 313, 335 (2017). 632 So Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Legal Tech, Abschnitt 5.3 Rn. 20; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 619 f. 633 Ethereum dient Erhebungen zufolge für ca. 90 % der Token Sales als Emissionsplattform, s. Haffke/Fromberger, ICO Market Report 2019/2020, S. 14; Hönig, ICO und Kryptowährungen, S. 56. 634 Namentlich wird die Programmiersprache (meist Solidity) in Bytecode umgewandelt, der von der Ethereum Virtual Machine ausgeführt werden kann, s. Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 128 f., 304 ff.
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ment,635 wird die Software sodann selbst zum Akteur des Netzwerks.636 Wie reale Nutzer erhält sie einen public key, über den das Programm gezielt „angesteuert“ und in Form von Transaktionen mit Daten-Inputs versorgt werden kann.637 Entspricht ein dergestalt eingehender Input den vorformulierten Bedingungen des Protokolls, führt das Programm die im Code angelegte Reaktion, zum Beispiel eine Änderung der Nutzersalden, automatisch aus.638 Anhand dessen wird deutlich, dass die Bezeichnung des Programms als smart nicht etwa andeuten soll, dass die Software eigenständige Entscheidungen trifft, wie es bei einer Künstlichen Intelligenz (KI) der Fall ist.639 Der Smart Contract fungiert vielmehr als eine Art automatisierter Registerverwalter, der exakt und vollkommen berechenbar das tut, was der Code ihm diktiert.640 Gerade das macht Smart Contracts für die Begebung von Token zu einem verlässlichen und vertrauensstiftenden Instrument. Dabei wird zur Vorbereitung des Token Sales zunächst ein neuer Smart Contract programmiert. Die Verwendung des ERC20-Standards macht es dabei möglich, durch die Anpassung einiger weniger Variablen die Anzahl, Stückelung, Bezeichnung und Übertragbarkeit der zu erzeugenden Einheiten festzulegen.641 Je nach Konfiguration entstehen die frischen Token mit dem deployment in der wallet des Initiators oder nach erfolgter Zuteilung direkt beim Investor.642 Um die Zuteilung anzustoßen, senden die Investoren eine im Ausgangspunkt beliebig große Menge einer Kryptowährung (in der Regel Ether) an den public key des Smart Contracts. Daraufhin weist die Software dem Investor eine bestimmte Anzahl an Token nach Maßgabe des vorgegebenen Umrechnungsschlüssels zu.643 Das zur Verfügung gestellte „Krypto-Kapital“ leitet der Smart 635 Hierzu ausführlich dies., Mastering Ethereum, S. 31 f., 112: Zum deployment bedarf es einer speziellen Transaktion, die den Programmcode enthält. 636 Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 10. 637 Zu der Unterscheidung zwischen „contract accounts“ und „externally owned accounts“ s. Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 26 f. Zum „Callen“ von Programmfunktionen s. dies., Mastering Ethereum, S. 129. Möglich ist es auch, mehrere Smart Contracts zu verknüpfen. Auf diese Weise lassen sich komplexe Strukturen wie dezentrale Applikationen (DApps) und DAOs errichten, vgl. Buterin, Ethereum White Paper; Paech, 80 Mod. L. Rev. 1073, 1083 f. (2017). 638 Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 9; Werbach/Cornell, 67 Duke L. J. 313, 332 (2017). 639 Dies hervorhebend bereits Szabo, Smart Contracts: Building Blocks for Digital Markets; s. auch Jacobs/Lange-Hausstein, ITRB 2017, 10, 13; Paulus/Matzke, CR 2017, 769, 772. Zu zukünftigen Anwendungsszenarien von KI im Blockchain-Kontext s. Wallis, in: DiMatteo/ Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 359 ff. 640 Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Legal Tech, Abschnitt 5.3 Rn. 19; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 436. 641 S. zur Token-Erzeugung durch minting bereits B.I.1.b). 642 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 45; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279. 643 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 45; Gatteschi/Lamberti/Demartini, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 37, 45; Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279.
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Contract an die wallet des Emittenten weiter.644 Dieser kann über die bereitgestellten Mittel typischerweise frei disponieren und das Kapital (nach vorherigem Umtausch in eine Fiat-Währung) zum Beispiel für Investitionen in das Unternehmenswachstum einsetzen. Streben die Initiatoren des Token-Sales eine komplexere Emissionsvariante an, lässt sich auch dies mit Hilfe des Programmcodes automatisieren.645 Möglich ist es etwa, den Umrechnungsschlüssel so anzupassen, dass Investoren im Rahmen eines Auktionsverfahrens einen „Frühzeichnungsrabatt“ erhalten. Ferner können die Initiatoren des Token Sales eine Mindestkapitalisierungsschwelle vorgeben, deren Unterschreiten zur Rückerstattung der eingezahlten Krypto-Mittel führt.646 Nach der Token-Emission dokumentiert der Smart Contact sämtliche Transaktionen im assoziierten Datenspeicher, indem er die Salden der jeweils betroffenen Nutzerkonten entsprechend verändert.647 Repräsentieren die Token Leistungsrechte, im Falle eines Security Tokens also zum Beispiel einen Anspruch auf Zahlung einer gewinnabhängigen „Dividende“, kann der Smart Contract zudem die Erfüllung (teil-)automatisiert abwickeln.648 Im Falle einer Dividendenzahlung transferiert die Software dazu den auszuschüttenden Betrag anteilig von einer wallet des Emittenten an die aktuellen Token-Inhaber. Wie der Smart Contract die Token-Zuteilung und im weiteren Verlauf die Leistungsbeziehung zwischen Emittent und Token-Inhaber gestaltet, ist für die Netzwerk-Teilnehmer dabei vollkommen transparent, vorausgesetzt, sie sind in der Lage, den (dekompilierten) Programmcode zu verstehen.649 Den technischen Limitationen von Smart Contracts ist es indes geschuldet, dass die Software das Pflichtenprogramm nicht vollkommen autonom abwickeln kann.
2. Limitationen Das zeigt sich etwa in solchen Fällen, in denen die informationstechnische Reaktion eines Smart Contracts von einer Bedingung der realen Welt abhängt. Sieht der Programmcode etwa vor, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Dividendenausschüttung von der wallet des Emittenten an die Token-Inhaber stattfindet (s. o.), ist die Software auf den Input externer Daten angewiesen, aus denen sich die Höhe des ausschüttungsfähigen Gewinns ergibt. Da ein Smart Contract derartige off-chainInformationen nicht eigenständig erheben kann, fungieren sogenannte oracles als 644
Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3279. Gatteschi/Lamberti/Demartini, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 37, 45. 646 S. vertiefend hierzu 4. Kap. C.IV.1. 647 S. hierzu auch schon B.I.2. 648 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 45; Schiemzik/Kübler, NWB 2018, 2038, 2046. S. zu den Limitationen aber noch sogleich unter C.I.2. 649 Vgl. Giancaspro, 33 Comput. Law Secur. Rev. 825, 831 (2017). 645
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Schnittstelle zwischen der realen und der virtuellen Welt.650 Dabei handelt es sich um Individuen oder computergestützte Systeme, die die erforderlichen Daten erheben und an Smart Contracts übermitteln.651 Um die Integrität der Daten-Inputs sicherzustellen, haben sich oracle-Dienstleister wie das in London ansässige Unternehmen „Provable“ darauf spezialisiert, die Unverfälschtheit der Datenübermittlung mit Hilfe ausgereifter Authentifizierungstechnologien zu überwachen.652 Die Einbindung von oracles in den Automatisierungsprozess hat jedoch zur Folge, dass die Parteien einer „korrumpierbaren Drittpartei“ vertrauen müssen.653 Auf diese Weise droht die Zentralisierung der Vertragsabwicklung durch die Hintertür.654 Dem könnte zu begegnen sein, indem dezentrale Oracle-Netzwerke wie ChainLink zur Verifizierung der fraglichen Informationen eingesetzt werden.655 Doch auch dann kann die Programmausführung für die Parteien unvorhergesehen verlaufen. Denn die fraglichen Informationen können mehrdeutig oder nicht zweifelsfrei zu bestimmen sein. Lässt etwa im eingangs erwähnten Beispiel das Kriterium der Gewinnhöhe Interpretationsspielraum oder bestehen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Datenquelle, werden sich die Parteien dem „Diktat der Technik“656 nicht widerspruchslos unterwerfen.657 Um einen Rückgriff auf althergebrachte Durchsetzungsmechanismen in solchen Fällen entbehrlich zu machen, schlagen Stimmen im Schrifttum programmierbare Schiedsstellen vor, die in den Programmablauf eingreifen und nach erfolgter Sachverhaltsaufklärung den Vollzug durch den Smart Contract freigeben oder abbrechen können.658 Ob eine solche Schiedsstelle besser
650 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 253; Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 12; Gatteschi/Lamberti/Demartini, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 37, 44; Frankenreiter, JITE 175 (2019), 149, 154 ff.; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 620; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 77; Werbach/Cornell, 67 Duke L. J. 313, 336 (2017). 651 Gatteschi/Lamberti/Demartini, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 37, 44; Frankenreiter, JITE 175 (2019), 149, 156; Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 545 f. (2018); s. zu möglichen Design-Features Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 255 ff. 652 S. hierzu die Angaben auf https://provable.xyz/ sowie die Erläuterungen bei Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 258 ff. 653 Vgl. Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 78. 654 Vgl. Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 261; Durovic/Jannsen, in: DiMatteo/ Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 61, 66; Frankenreiter, JITE 175 (2019), 149, 156; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 78; Werbach/Cornell, 67 Duke L. J. 313, 336 (2017). 655 S. hierzu die Angaben auf https://chain.link/ sowie Orcutt, Blockchain smart contracts are finally good for something in the real world, MIT Technology Review, 19. 11. 2018, abrufbar unter: https://tinyurl.com/35ct64d2; Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 261 f. 656 Specht, Diktat der Technik, S. 457. 657 Vgl. Frankenreiter, JITE 175 (2019), 149, 157; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 78. 658 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 35 ff.; Kaulartz, in: Fries/Paal, Smart Contracts, S. 73, 78 ff.; Werbach, Architecture of Trust, S. 213 ff. Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 624; Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 284 f.
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geeignet, weniger korrumpierbar und im höheren Maße legitimiert wäre als staatliche Gerichte, darf indes bezweifelt werden.659 Darüber hinaus beschränkt sich die selbstvollziehende Macht eines Smart Contracts auf Leistungen, die sich im Transaktionsraum der Blockchain vollziehen.660 Um dies zu verdeutlichen, lässt sich abermals an das Beispiel einer automatisierten Dividendenausschüttung im Rahmen eines STO anknüpfen: Die Software kann Ether von einer wallet des Emittenten anteilig an sämtliche Token-Inhaber transferieren. Ob das emittierende Unternehmen aber überhaupt einen ausschüttungsfähigen Gewinn erwirtschaftet, diesen in Ether umwandelt und einer dem Zugriff des Smart Contracts unterstehenden wallet überträgt, ist dem unmittelbaren Einfluss der Software vorenthalten. Soweit es zur Erfüllung auf menschliches Zutun ankommt, kann ein Smart Contract allenfalls durch Sanktionsmechanismen auf die Leistungserbringung hinwirken.661 Existieren entsprechende Schnittstellen, ist es möglich, dass sich diese auch auf Güter außerhalb der Blockchain erstrecken, wo sie jedoch den Umgehungsrisiken ausgesetzt sind, deretwegen man sich der Blockhain überhaupt erst bedient.662 Eine weitere Limitation von Smart Contracts ergibt sich aus dem Umstand, dass die Semantik der Software einer strikten Wenn-Dann-Logik folgt.663 Das ist erforderlich, um die deterministische Programmausführung zu gewährleisten.664 Unbestimmte Begriffe wie „verhältnismäßiger Aufwand“ oder „angemessene Dauer“ kann ein Smart Contract nicht prozessieren.665 Sie finden üblicherweise in komplexen und langfristig angelegten Vereinbarungen Verwendung, um den Unwägbarkeiten zukünftiger Entwicklungen Rechnung zu tragen.666 Auch das Gesetz verwendet sie in Generalklauseln (z. B. in §§ 138, 275, 276 BGB), um den Rechtsanwendern die Konkretisierung im Einzelfall zu überlassen.667 Da bei der Programmierung nicht jede Eventualität im Wege einer Wenn-Dann-Regel antizi-
659 Vgl. Ortolani, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 289, 303 ff.; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 78; Sklaroff, 166 U. Pa. L. Rev. 263, 300 f. (2017). 660 Vgl. Frankenreiter, JITE 175 (2019), 149, 154 f.; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 78; Simmchen, MMR 2017, 162, 164. 661 Frankenreiter, JITE 175 (2019), 149, 158. Vgl. zu automatisierten Nutzungssperren von vernetzten Sachen OLG Düsseldorf, Urt. v. 7. 10. 2021 – I-20 U 116/20 = ZIP 2021, 2541 ff. 662 Vgl. ders., JITE 175 (2019), 149, 155; Spindler, ZGR 2018, 17, 48. 663 Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 9. 664 Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 127 f. 665 Durovic/Jannsen, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 61, 64; Werbach, Architecture of Trust, S. 125; Giancaspro, 33 Comput. Law Secur. Rev. 825, 831 (2017); Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 623; Simmchen, MMR 2017, 162, 164; Spindler, ZGR 2018, 17, 48. 666 Werbach, Architecture of Trust, S. 126; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 76; Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 288. 667 Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 75 f.
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piert werden kann, bleiben Smart Contracts zwangsläufig unvollständig.668 Das begrenzt ihren Nutzen auf im hohen Maße standardisierte Prozesse, die sich durch präzise vorhersehbare Bedingungszusammenhänge auszeichnen.669 Bei langfristigen und komplexen Rechtsbeziehungen wie einem Gesellschaftsvertrag kommt dagegen allenfalls die Automatisierung schematisch ablaufender Einzelaspekte in Betracht.670 Die Rigidität von Smart Contracts rächt sich auch dann, wenn sich Fehler in den Software-Code einschleichen.671 Aufgrund der unabänderlichen Natur des Programms können diese nach dem deployment nicht mehr behoben werden.672 Für die dem Code unterworfenen Parteien kann das folgenschwere Konsequenzen haben, wie 2016 der durch einen Programmfehler ermöglichte DAO-Hack unter Beweis gestellt hat.673 3. Zwischenergebnis: Verbleibende Dependenz im Verhältnis zur Rechtsordnung Danach ist Folgendes festzuhalten: Zwar eröffnen Smart Contracts Automatisierungspotentiale gerade im Zusammenhang mit der Token-Begebung. Zur autonomen Abwicklung einer Leistungsbeziehung sind sie aber nur im Stande, soweit es dafür ausschließlich auf Bedingungen ankommt, die ihren Ursprung in der Blockchain selbst haben und zur Erfüllung nicht mehr erforderlich ist als eine Transaktion digitaler Einheiten. Sogenannte Ricardian Contracts, die konventionelle Verträge in deckungsgleiche maschinenlesbare Arrangements übersetzen,674 sind von technischer Seite bislang ebenso unerreichbar wie „einprogrammierte Gesetze“675.676 Für die involvierten Parteien besteht somit die Gefahr, dass der Programmablauf dem vertraglichen Pflichtenprogramm bzw. der Rechtsordnung im 668 DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, in: dies., Handbook of Smart Contracts, S. 3, 11; Filippi/ Wright, Blockchain and the Law, S. 200; Werbach, Architecture of Trust, S. 162; Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 288 f.; Sklaroff, 166 U. Pa. L. Rev. 263, 302 (2017). 669 Werbach, Architecture of Trust, S. 125; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 79. 670 Vgl. Bormann, ZGR 2017, 621, 636; Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 79. 671 Erbguth, in: Fries/Paal, Smart Contracts, S. 25, 30; Giancaspro, 33 Comput. Law Secur. Rev. 825, 833 f. (2017). 672 Hierzu sowie zu den begrenzten Möglichkeiten, nachträgliche Modifikationen vorzunehmen Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 11 f.; Sklaroff, 166 U. Pa. L. Rev. 263, 291 ff. (2017). 673 Zum DAO-Hack s. 1. Kap. A.IV.2. Um unerwünschten Ausführungsresultaten dieser Art vorzubeugen, empfiehlt das computerwissenschaftliche Schrifttum, Smart Contracts vor dem deployment eingehend zu testen, s. Matthes, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 4 Rn. 71 ff. 674 S. grundlegend Grigg, in: First IEEE International Workshop on Electronic Contracting, S. 25 ff.; hierzu auch Voshmgir, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 2 Rn. 5; Werbach, 33 Berkeley Tech. L.J. 487, 544 (2018). 675 Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 39; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 623. 676 So auch Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 269.
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Allgemeinen zuwiderläuft.677 Das wirft die Frage auf, ob es den benachteiligten Netzwerkteilnehmern in einem solchen Fall möglich ist, sich auf die Schutzmechanismen des staatlichen Rechts zu berufen.
II. Code should obey the Law (but it does not necessarily do so) Dass die Geltung von Recht und Gesetz in den Gefilden der Blockchain überhaupt der Erläuterung bedarf, hat mit der ablehnenden Haltung zu tun, die Anhänger cyberlibertärer Strömungen in der Frühphase des Diskurses einnahmen.678 In Anlehnung an den von Lawrence Lessig geprägten Aphorismus „code is law“679 vertreten sie die Ansicht, im Cyberspace ließen sich technikbasierte Regelungssysteme erschaffen, die einzig und allein den selbstauferlegten Normen der Nutzer unterworfen seien.680 Wie bereits Lessig betonte, ist der Cyberspace indes kein rechtliches Vakuum.681 Der verfassungsrechtlich verankerte Geltungsanspruch des Rechts erstreckt sich vielmehr auch auf jene Bereiche, in denen die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands praktischen Schwierigkeiten begegnet.682 Im Grundsatz gilt daher, was Thomas Riehm mit den Worten „code has to obey the law“683 umschreibt: Die Voraussetzungen und Folgen des Einsatzes von Smart Contracts ergeben sich aus der Rechtsordnung. Nichtsdestotrotz ist es möglich, dass die Gegebenheiten des Programmcodes auf die Interaktionen der Netzwerkteilnehmer einen bestimmenderen Einfluss ausüben, als es das Recht tut.684 Veranlasst ein Smart Contract etwa Dividendenausschüttungen an die Token-Inhaber, ganz gleich, ob deren Rechtsinhaberschaft materiellrechtlich feststeht, verliert die Rechtsordnung aus Sicht der Marktteilnehmer für den Handel mit tokenisierten Rechten an Bedeutung. In dieser Hinsicht konkurrieren Recht und Software um die verhaltenslenkende Vorherrschaft im Cyberspace.685 677
Riehm, in: Fries/Paal, Smart Contracts, S. 85, 87 ff.; Fries, AnwBl 2018, 86, 87 f.; Möslein, ZBB 2018, 208, 218; Raskin, 1 Geo. L. Tech. Rev. 305, 328 (2017); Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431, 1435 f. 678 Z. B. Atzori, Blockchain Technology and Decentralized Governance: Is the State Still Necessary?, S. 7; vgl. hierzu auch Chohan, Cryptoanarchism and Cryptocurrencies; Ekkenga, CR 2017, 762, 763 ff.; Yeung, 82 Mod. L. Rev. 207, 214 (2019). 679 Lessig, Code, S. 6. 680 Vgl. Filippi/Wright, Blockchain and the Law, S. 194. 681 Lessig, Code, S. 89. 682 Anzinger, in: Fries/Paal, Smart Contracts, S. 33, 56; Möslein, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 275, 278 f.; ders., ZHR 183 (2019), 254, 269 f. 683 Riehm, in: Fries/Paal, Smart Contracts, S. 85, 87. 684 Hierin liegt die eigentliche Bedeutung von Lessigs „code is law“, s. Lessig, Code, S. 89. S. auch Filippi/Wright, Blockchain and the Law, S. 194; Wu, 89 Va. L. Rev. 679, 707 ff. (2003). 685 S. in diesem Sinne auch Möslein, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 275, 277: „Code vs. Law“.
C. Automatisierung von Leistungsbeziehungen durch Smart Contracts
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Um bei diesem Kräftemessen die Oberhand zu behalten, muss das Rechtssystem in der Lage sein, softwareinduzierte Dispositionen gerichtlich zu überprüfen und – falls erforderlich – zu revidieren.686 Soweit die involvierten Netzwerkteilnehmer im Transaktionsraum der Blockchain anonym bleiben, ist der Rückgriff auf staatliche Durchsetzungsmechanismen indes wenig erfolgsversprechend (vgl. § 130 Nr. 1 ZPO).687 Im Kontext eines Token Sales existiert mit dem emittierenden Unternehmen jedoch eine identifizierbare und lokalisierbare Partei.688 Es überrascht daher nicht, dass das durch den Token Sale zustande kommende Verhältnis zwischen dem kapitalsuchenden Unternehmen und den Investoren bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen war.689 Jedenfalls insoweit gilt für Blockchaingestützte Vorgänge nicht nur normativ, sondern auch praktisch der Vorrang der Rechtsordnung.
III. Rechtsgeschäftliche Bedeutung im Rahmen der Token-Emission Vor diesem Hintergrund richtet sich der Blick im Folgenden auf die rechtsgeschäftlichen Implikationen, die der Einsatz von Smart Contracts bei der TokenBegebung nach sich zieht. Dabei ist zu differenzieren, ob die Software lediglich Vertragsgegenstand wird (1.) oder als integraler Bestandteil des Vertragsschlusses Bedeutung erlangt (2.). 1. Smart Contracts als Vertragsgegenstand Im Rahmen eines Token Sales dienen Smart Contracts dem praktischen Bedürfnis, die digitalen Einheiten ohne die Einbeziehung eines Finanzintermediärs an ein globales, weitestgehend anonymes Anlegerpublikum zu emittieren. Die Software fungiert dabei als kostengünstiges und zugleich vertrauensstiftendes Distributionsinstrument (s. bereits C.I.1.). Den technischen Ablauf der Emission beschreiben die Initiatoren vorab regelmäßig in den Begleitmaterialien, insbesondere im sogenannten Whitepaper. Rechtstechnisch handelt es sich dabei um eine vertragliche, die
686
Vgl. ders., ZBB 2018, 208, 218. Ders., in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 8; Werbach, Architecture of Trust, S. 161; Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 39 f.; Paech, 80 Mod. L. Rev. 1073, 1095 f. (2017).; s. auch schon den Text und die Hinweise bei Fn. 610. 688 Vgl. Werbach, Architecture of Trust, S. 161; Rodrigues, 104 Iowa L. Rev. 679, 721 (2019): „So far most ICOs […] have not organized purely on the blockchain. Instead they have opted for some identifiable group of promoters.“ 689 S. etwa LG Berlin, Urt. v. 27. 5. 2020 – 2 O 322/18 = AG 2021, 204 ff. Mit Hinweisen zu weiteren Gerichtsverfahren s. Ortolani, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 289, 302 f. 687
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Erfüllungsmodalitäten betreffende Nebenabrede,690 die von der Inhaltsfreiheit als Ausprägung der Privatautonomie ohne weiteres gedeckt ist. Das gilt auch dann, wenn sich der Emittent der (teil-)automatisierten Ausführung seiner mit der Begebung entstehenden Pflichten unterwirft.691 Da Smart Contracts im Rahmen des Token Sales lediglich den Emittenten einschränken, greifen die für andere Anwendungsszenarien diskutierten Gestaltungsgrenzen – insbesondere das Klauselverbot gem. § 309 Nr. 2 BGB – nicht ein.692 2. Smart Contracts als integraler Bestandteil des Vertragsschlusses Komplizierter liegen die Dinge, wenn ein Smart Contract nicht nur Vertragsgegenstand, sondern zugleich integraler Bestandteil des Vertragsschlusses wird. Das ist bei der Ausgabe von Token mit Hilfe eines Smart Contracts regelmäßig der Fall. Die Software dient dabei als Instrument zur Vertragsbegründung und -durchführung gleichermaßen. Umstritten ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob der Programmcode selbst das Pflichtenprogramm der Vertragsschließenden fixiert.693 Um dies zu beantworten, sind die vertragskonstituierenden Willenserklärungen, Angebot und Annahme (vgl. § 147 S. 1 BGB), nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen aus der Sicht eines objektiven Empfängers auszulegen, §§ 133, 157 BGB.694 a) Deployment als konkludente offerte ad incertas personas Die auf den Abschluss der Finanzierungsvereinbarung abzielende Erklärung geben die Initiatoren typischerweise konkludent mit dem deployment des Smart Contracts ab.695 Da sie sich aus Sicht eines objektiven Dritten der automatisierten Abwicklung der Token-„Begebung“ verbindlich unterwerfen wollen, ist dieser
690 Jacobs/Lange-Hausstein, ITRB 2017, 10, 12: „lediglich ,funktionaler Annex‘ zu einem Vertrag“. 691 Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 5; ders., ZHR 183 (2019), 254, 267 f. 692 Vgl. Riehm, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 9 Rn. 29 ff.; Lupu, InTeR 2020, 2, 5; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431, 1435 f. 693 Vgl. insofern aufgeschlossen Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 7; ablehnend dagegen Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 32; Djazayeri, jurisPR-BKR 12/2016, Anm. 1; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 621; Lupu, InTeR 2020, 2, 4; Söbbing, ITRB 2018, 43, 45. 694 Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 22; Ribak, STOs, S. 72; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 623; Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 277; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 441. 695 Durovic/Jannsen, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 61, 67.
C. Automatisierung von Leistungsbeziehungen durch Smart Contracts
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Vorgang als (u. U. bedingtes) Angebot ad incertas personas zu qualifizieren.696 Das folgt nach zutreffender Ansicht aus einer Gesamtschau der Umstände.697 Als Auslegungsmaterial erlangen dabei insbesondere das Whitepaper698, die in dem „Token Sale Agreement“ oder einem etwaigen Wertpapierprospekt spezifizierten Anlagebedingungen (AGBs) sowie alle weiteren der Emission vorausgehenden Äußerungen und Werbemaßnahmen Bedeutung.699 Der Angebotscharakter ergibt sich vor diesem Auslegungshintergrund insbesondere aus der (u. U. impliziten) Ankündigung, den Token Sale durch den „Upload“ eines Smart Contracts zu beginnen. Der Programmcode spielt für die Auslegung demgegenüber eine untergeordnete Rolle.700 Zwar weisen diejenigen Autoren, die es für möglich erachten, dem Computerprotokoll einen rechtserheblichen Willen zu entnehmen, zu Recht daraufhin, dass es den Parteien freisteht, sich einer Programmiersprache als Vertragssprache zu bedienen.701 Doch scheitert die Abbildung des vollständigen Pflichtenprogramms an technischen Hürden. Insbesondere können in den Programmcode nur solche Bedingungen aufgenommen werden, die der oben beschriebenen „Wenn-Dann-Logik“ der Software entsprechen.702 Wer sich mit dem (dekompilierten) Code auseinandersetzt, wird mithin, wenn er oder sie die verwendete Programmiersprache beherrscht, die Ausführungsparameter und den Ablauf des Smart Contracts nachvollziehen können. Darüber, welches Recht der Investor mit dem Token erwirbt, und unter welchen Voraussetzungen er hierüber verfügen kann, trifft der Code indes regelmäßig keine Aussage.703 Die Fixierung des vollständigen Pflichtenprogramms bleibt somit impraktikabel. Zumindest für die Auslegung der „on-chain“ zu berücksichtigenden Erfüllungsmodalitäten kann es sich aber anbieten, den Softwarecode als „programmiertechnische Umschreibung des von den Parteien Gewollten“ heranzuziehen.704 696 Carron/Botteron, in: Kraus, Blockchains, S. 101, 126; Durovic/Jannsen, in: DiMatteo/ Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 61, 67; Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 19; ders., ZHR 183 (2019), 254, 274 f.; a. A. wohl Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 621 („invitatio ad offerendum“). 697 Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 22. 698 Das Whitepaper fasst die wesentlichen Merkmale der Emission zusammen, hierzu noch unter E.I.2. 699 Carron/Botteron, in: Kraus, Blockchains, S. 101, 125; Ribak, STOs, S. 119 f.; Behme/ Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 67 f.; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 621; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1156; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 449. 700 Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 621; Lupu, InTeR 2020, 2, 4; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 449; Söbbing, ITRB 2018, 43, 45. 701 Durovic/Jannsen, in: DiMatteo/Cannarsa/Poncibò, Handbook of Smart Contracts, S. 61, 68 f.; Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 7; ders., ZHR 183 (2019), 254, 271. 702 Vgl. Caria, ERPL 2018, 731, 748; Raskin, 1 Geo. L. Tech. Rev. 305, 325 (2017). 703 Vgl. Bertram, MDR 2018, 1416, 1418. 704 Vgl. Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 22 ff.; Riehm, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 9 Rn. 2.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Abweichendes könnte gelten, wenn der Urheber705 des Smart Contracts den Programmcode zur ausschließlichen Quelle des Vertragsinhalts erklärt. Diesen Ansatz verfolgten namentlich die Initiatoren des Smart Contract-Projekts „The DAO“, indem sie auf ihrer Webseite den folgenden „Disclaimer“ veröffentlichten: „The terms of The DAO Creation are set forth in the smart contract code existing on the Ethereum blockchain at [address]. Nothing in this explanation of terms or in any other document or communication may modify or add any additional obligations or guarantees beyond those set forth in The DAO’s code“.706
Doch zum einen kann der Erklärende über die Auslegungsmaßstäbe und den Umfang der in die Deutung einzubeziehenden Anhaltspunkte nicht einseitig disponieren. Stattdessen kommt es gem. §§ 133, 157 BGB bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen auf den Empfängerhorizont und die aus dieser Sicht relevant erscheinenden Umstände an.707 Zum anderen ist bei der Erforschung des wirklichen Willens des Antragenden zu berücksichtigen, dass dieser die Bedeutung des Codes offenbar selbst für erläuterungsbedürftig hielt, sonst hätte es in den Begleitmaterialien keiner darüberhinausgehenden Hinweise bedurft.708 Entgegen dem Wortlaut seiner Aussage entspricht es daher dem nach außen erkennbar werdenden Willen des Initiators, ein Rechtsverhältnis anzudienen, dessen Bedingungen sich auch aus den Angaben jenseits des Softwarecodes ergeben. Alles andere hätte zur Folge, dass die Vereinbarung in weiten Teilen lückenhaft bliebe. Dass der Antragende genau das bezweckt, erscheint fernliegend. Für Erklärungen wie die obige, die das von den Parteien übereinstimmend Gewollte nicht widerspiegeln, gilt insofern der Grundsatz falsa demonstratio non nocet.709 Um Wirksamkeit zu erlangen, muss das an die Allgemeinheit gerichtete Angebot gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugehen. Das setzt nach der herrschenden Empfangstheorie voraus, dass die Erklärung dergestalt in den Machtbereich der jeweiligen Empfänger gelangt, dass mit deren Kenntnisnahme zu rechnen ist.710 Hiervon ist auszugehen, sobald der Datenblock, der die zum deployment des Programms erforderliche Transaktion enthält,711 der Datenkette für jedermann wahrnehmbar hinzugefügt wird.712
705 Hier im untechnischen, das heißt nichturheberrechtlichen (vgl. §§ 7 ff. UrhG), Sinne verstanden. 706 Abrufbar unter: http://web.archive.org/web/20160427071613/https://daohub.org/explai ner.html. Hierzu sowie mit weiteren Beispielen ausführlich Kolber, 21 Stan. Tech. L. Rev. 198, 217 ff. (2018). 707 Busche, in: MünchKomm BGB, § 133 Rn. 12 ff. Vgl. in diese Richtung auch Kaulartz/ Heckmann, CR 2016, 618, 623. 708 Ähnlich Kolber, 21 Stan. Tech. L. Rev. 198, 220 (2018). 709 S. hierzu Busche, in: MünchKomm BGB, § 133 Rn. 15. 710 Singer/Benedict, in: von Staudinger, BGB, § 130 Rn. 4 ff. 711 S. Fn. 635.
C. Automatisierung von Leistungsbeziehungen durch Smart Contracts
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b) Konkludente Annahme durch Transaktion an den Smart Contract Die Annahmeerklärung geben die Investoren ebenfalls konkludent ab, indem sie den Zuteilungsautomatismus des Smart Contracts durch eine Transaktion der jeweiligen Kryptowährung (z. B. Ether) in Gang setzen (s. hierzu unter C.I.1.).713 Wie beim Münzeinwurf in einen Warenautomaten erfolgt die Annahme dabei uno actu mit der Erfüllung der entstehenden Zahlungspflicht. Der Zugang der Erklärung ist im Regelfall gem. § 151 S. 1 Alt. 2 BGB entbehrlich, da der Antragende durch die Verwendung der Software konkludent seinen Verzicht hierauf erklärt.714 Lässt sich die Transaktion nicht unmittelbar auf das Tätigwerden eines menschlichen Investors zurückführen, hat vielmehr ein anderer Smart Contract sie ausgelöst, greifen die für die Zurechnung „automatisierter Willenserklärungen“ etablierten Grundsätze.715 Danach ist die Erklärung derjenigen Person zuzurechnen, die sich die automatisierte Programmausführung zum Zwecke des Vertragsschlusses zu Nutze macht.716 3. Geltung rechtsgeschäftlicher Grundsätze im Übrigen Die Beurteilung des zustande gekommenen Rechtsverhältnisses im Übrigen richtet sich nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen.717 Die Verwendung des Smart Contracts wirkt sich dabei weder auf die typologische Qualifikation der eingegangenen Vertragsbeziehungen noch auf die Anwendbarkeit des entsprechenden Leistungsstörungsrechts aus.718 Darüber hinaus ist die gesamte Bandbreite möglicher Wirksamkeitshindernisse zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wie sich die im Datenspeicher des Smart Contracts dokumentierte TokenLage darstellt.719 Selbst wenn keinerlei Verfügung über das eingeräumte Recht stattfand, lässt sich dem Transaktionsregister daher keine verlässliche Aussage über die Rechtslage entnehmen.
712 Vgl. Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 19; Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 33; Heckelmann, NJW 2018, 504, 505 f.; Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 275 f.; a. A. wohl Bertram, MDR 2018, 1416, 1419. 713 Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 275; Raskin, 1 Geo. L. Tech. Rev. 305, 322 (2017). 714 Möslein, in: Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, Kap. 8 Rn. 19; ders., ZHR 183 (2019), 254, 275. 715 Hierzu sowie weiterführend zu sog. autonomen Willenserklärungen s. Specht, Diktat der Technik, S. 44; Heckelmann, NJW 2018, 504, 506; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 440 ff.; Specht/Herold, MMR 2018, 40 ff. 716 Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 34; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 446. 717 BT-Drs. 19/851, S. 3; Wilkens/Falk, Smart Contracts, S. 30. 718 Dies., Smart Contracts, S. 35; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 449. 719 Vgl. Djazayeri, jurisPR-BKR 12/2016, Anm. 1; Lupu, InTeR 2020, 2, 5; Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 279 f.; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431, 454 ff.; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431, 1435 f.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
IV. Implikationen für Token-Investoren Das führt zurück zu der bereits am Ende des letzten Abschnitts aufgeworfenen Frage, ob der Einsatz von Smart Contracts die Schutzlücken schließt, denen Anleger beim Token-Handel jenseits des eWpG in juristischer Hinsicht ausgesetzt sind (s. B.II.2.b)dd)). Die vorausgegangene Untersuchung hat aufgezeigt, dass dies nur bedingt der Fall ist. Im Ausgangspunkt ermöglicht der Einsatz des dezentralen Emissionsinstruments lediglich die berechenbare Zuteilung von Token. Die Investoren können darauf vertrauen, die versprochenen Einheiten unter den im Code niedergelegten Bedingungen zu erhalten, obwohl kein kostspieliger Intermediär für die Zuteilung Sorge trägt. Insofern ermöglicht ein Smart Contract vor allem Effizienzgewinne und Kostenersparnisse gegenüber konventionellen Wertpapieremissionen.720 Der „Preis“ hierfür besteht in dem technologieimmanenten Risiko, dass unerkannt gebliebene Programmfehler zum Verlust des Kryptovermögens führen.721 Die Erfüllung der mit dem Token eigeräumten Rechte kann ein Smart Contract im Zusammenhang mit einem STO nur begrenzt gewährleisten. Ob das emittierende Unternehmen die geschuldete Erfolgsbeteiligung ausschüttet, vermag die Software allenfalls insofern zu beeinflussen, als im gegenteiligen Fall bestimmte Sanktionen eingreifen – die wiederum zunächst ein oracle veranlassen müsste (s. C.I.2.). Die Token-Investoren bzw. -Erwerber sind mithin auch weiterhin darauf angewiesen, dem Emittenten zu vertrauen.722 Im Falle, dass das finanzierte Unternehmen Ausschüttungen an die Token-Inhaber vornimmt, erlaubt die Software immerhin die zuverlässige Zuteilung an die jeweiligen wallets (s. C.I.1.). Hinsichtlich des Handels mit tokenisierten Rechten bleibt es bei dem Zwischenfazit (s. B.II.2.b)dd)), dass die verbreitete Zuversicht der Marktteilnehmer, mit dem Token stets auch das repräsentierte Recht zu erhalten, einer juristischen Grundlage entbehrt. Weder existiert ein gesetzlicher Verkehrsschutz noch lässt sich die resultierende Schutzlücke durch privatautonome Vorkehrungen schließen. Daran können auch Smart Contracts nichts ändern. Wer deutschem Recht unterliegende Token auf dem Sekundärmarkt erwirbt, muss sich damit trösten, dass der Markt den digitalen Einheiten bislang trotz der ungewissen rechtlichen Unterlegung einen Wert beimisst – sei es auch nur aufgrund juristischer Ignoranz.723 Die Kehrseite dessen zeigt sich, wenn ein Token-Erwerber doch einmal auf den Schutz staatlicher Gerichte zurückgreift, um seine behaupteten Ansprüche gegen den Emittenten durchzusetzen. Mangels einer gesetzlichen Vermutungswirkung, die an die Token-Inhaberschaft anknüpft, wird ihn in einem solchen Fall schon der Nachweis der Rechtsinhaberschaft vor Probleme stellen. 720
Giancaspro, 33 Comput. Law Secur. Rev. 825, 827 (2017); Möslein, ZHR 183 (2019), 254, 263. 721 S. Fn. 671. 722 Vgl. in diesem Sinne ebenso Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 223 f.; Werbach, Architecture of Trust, S. 127 f. 723 Vgl. Vig, BKR 2022, 442, 446: „faktische Legitimationswirkung“.
D. Kapitalmarktrechtliche Regulierung von STOs
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Nach alledem lässt sich festhalten, dass sich Security Token außerhalb des Anwendungsbereichs des eWpG als eine im hohen Maße vertrauensabhängige Anlageklasse entpuppen. Insbesondere die ungewisse zivilrechtliche Stellung der TokenErwerber ist für die Funktionsfähigkeit des Sekundärmarktes abträglich. Dass Smart Contracts das Finanzierungsmodell gegenüber juristischen Schutzdefiziten immunisieren (s. o.), hat sich nicht bestätigt. Sie können die Konsequenzen des unvollkommenen Verkehrsschutzes bestenfalls abschwächen. Der durch die Technologie ermöglichte Verzicht auf Intermediäre und die damit verbundene Reduktion von Transaktionskosten prädestinieren Token zwar geradezu für den virtuellen Handel. Die Marktteilnehmer begeben sich dazu jedoch in eine rechtlich prekäre Position. Das führt zu der Frage, ob andere Mechanismen als der zivilrechtliche Individualschutz und die teilautomatisierte Leistungsabwicklung zur Absicherung der Investoren beitragen können. Dem Anlegerschutz ist in diesem Sinne vor allem das Kapitalmarktrecht verpflichtet.
D. Kapitalmarktrechtliche Regulierung von STOs Angesichts der mannigfaltigen Risiken, denen sich Token-Investoren ausgesetzt sehen, lag der Fokus des juristischen Schrifttums bislang auf der kapitalmarktrechtlichen Regulierung von Token Sales. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob das öffentliche Angebot von Token Prospektpflichten auslöst.724 Die Veröffentlichung eines Prospekts dient dazu, all jene Informationen über den Emittenten und das angebotene Finanzprodukt offenzulegen, die ein Investor für eine rationale Anlageentscheidung benötigt.725 In diesem Sinne wirken Prospektpflichten den Informationsasymmetrien entgegen, die bei einem Token Sale in Bezug auf das beworbene Finanzinstrument und die finanzierte Geschäftsidee besonders virulent werden (hierzu ausführlich 3. Kap. C.I.2.).726 Die entscheidende Weichenstellung für die Anwendbarkeit prospektrechtlicher Vorschriften und weiterer Regulierungsregime geht von der Frage aus, ob Token als Wertpapiere im aufsichtsrechtlichen Sinne qualifizieren.727 Dies ist – wie bereits im kollisionsrechtlichen Kontext unter B.II.2.a)aa)(4) dargelegt – jedenfalls in Bezug
724 S. hierzu u. a. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 174 ff.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.82 ff.; Hacker/Thomale, in: Hacker/Lianos/Dimitropoulos, Regulating Blockchain, S. 229 ff.; Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2119 ff.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 100 ff.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 657 ff.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 354 ff.; Zickgraf, AG 2018, 293, 298 ff. 725 Vgl. Erwägungsgrund (3) der Prospekt-VO. 726 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 93 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 10 f.; Fußwinkel/Kreiterling, BaFin Perspektiven 1/2018, 48, 64; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 354. 727 Spindler, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 25 Rn. 13; ders., WM 2018, 2109, 2111.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
auf Security Token zu bejahen.728 Da die aufsichtsrechtliche Debatte im Übrigen weitestgehend ausgefochten erscheint,729 sollen die regulatorischen Konsequenzen im Folgenden lediglich in groben Pinselstrichen illustriert werden. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die MiCA-VO alle Token, die als Finanzinstrumente im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II qualifizieren, ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich ausnimmt. Für Security Token wird der neue Regulierungsrahmen somit keine unmittelbare Relevanz haben.730 Die für STOs relevanten Prospektpflichten ergeben sich stattdessen aus der Prospekt-VO (I.) sowie subsidiär aus dem VermAnlG (II.). Darüber hinaus kommt vereinzelt eine Regulierung nach dem KAGB in Betracht (III.). Der kapitalmarktmäßige Handel an einem regulierten Markt geht für die Emittenten zudem mit Marktfolgepflichten einher (IV.). Diesen regulatorischen Anforderungen passt sich der Markt zunehmend an, wenngleich zu konstatieren ist, dass das Kapitalmarktrecht spezifische Gefahren der Wagnisfinanzierung nicht adressiert (V.).
I. Prospektpflicht nach Art. 3 Prospekt-VO Die Prospekt-VO macht sich über Art. 2 lit. a) den Begriff der übertragbaren Wertpapiere gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II zu eigen. Als Prospektpflicht auslösende Tatbestände kommen gem. Art. 3 Abs. 1 Prospekt-VO das öffentliche Angebot von Wertpapieren im Unionsgebiet und gem. Art. 3 Abs. 3 Prospekt-VO die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in Betracht. Da Security Token bislang nur an Kryptobörsen gehandelt werden und diese dem Begriff des geregelten Marktes gem. Art. 2 lit. j) Prospekt-VO i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II nicht unterfallen,731 ist nur der erstgenannte Fall bei einem STO von Bedeutung. Das öffentliche Angebot im Sinne des Art. 2 lit. d) Prospekt-VO erfolgt bei einer TokenEmission – von Privatplatzierungen im Rahmen eines Pre-Sales abgesehen – durch die Veröffentlichung eines Whitepapers im Internet, das die Emissionsbedingungen sowie das zugrundeliegende Investitionsprojekt hinreichend konkret skizziert.732 Da die emissionsbezogenen Ausnahmetatbestände gem. Art. 1 Abs. 3 und 4 ProspektVO im Zusammenhang mit einem Token-Angebot an die Anlegeröffentlichkeit in
728
So i. E. auch die herrschende Ansicht, s. Verweise in Fn. 394. Insbesondere besteht Konsens, dass Token-Emissionen als solche – abgesehen von hier nicht zu vertiefenden Sonderkonstellationen – keine Erlaubnispflichten auslösen, s. nur Wolf, Initial Coin Offerings, S. 152 ff. 730 Michel/Schmitt, BB 2023, 905, 906; Vig, BKR 2022, 442, 444; Zickgraf, BKR 2021, 196, 198. 731 S. bereits Fn. 426. 732 Ribak, STOs, S. 572 f.; Schwennicke, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 8 Rn. 72; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.84 f.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 180 f. 729
D. Kapitalmarktrechtliche Regulierung von STOs
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aller Regel nicht eingreifen,733 ist im Vorfeld eines STOs gem. Art. 3 Abs. 1 ProspektVO typischerweise ein Wertpapierprospekt zu erstellen und der zuständigen Behörde gem. Art. 20 ff. Prospekt-VO zur Billigung und Veröffentlichung vorzulegen.734 Die inhaltlichen Anforderungen an den zu erstellenden Prospekt richten sich nach den allgemeinen Bestimmungen und hängen von der Art und Lage des Emittenten sowie der Einordnung des emittierten Instrumentes ab, Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 ProspektVO.735 Einer wiederholt formulierten Kritik aus dem Schrifttum zufolge werden die erforderlichen Mindestangaben dem spezifischen Charakter einer Token-Emission indes nicht gerecht.736 Nach Ansicht dieser Autoren bedarf es de lege ferenda eines modifizierten Publizitätsregimes, das den technologischen Besonderheiten der Finanzierungsmethode sowie dem frühen Entwicklungsstadium der emittierenden Unternehmen pointiert Rechnung trägt.737 Der deutsche Gesetzgeber hat sich dieser Kritik im Rahmen des Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren angenommen und in § 4 Abs. 3a WpPG STO-spezifische Pflichtangaben für Emissionen aufgestellt, für die lediglich ein Wertpapier-Informationsblatt zu veröffentlichen ist.738 In diesem Sinne von der Prospektpflicht befreit sind allerdings nur Angebote, deren Gesamtgegenwert nicht mehr als 8 Mio. EUR beträgt, § 3 Nr. 2 WpPG, und die nach Maßgabe des § 6 S. 1 WpPG im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vermittelt werden.
II. Subsidiäre Bedeutung des VermAnlG Publizitätspflichten nach §§ 6 ff. VermAnlG kommen gem. § 1 Abs. 2 VermAnlG nur in den seltenen Fällen in Betracht, in denen ein Security Token weder als 733 Ribak, STOs, S. 576 f.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.124 ff.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 185 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 75 ff.; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 19; Nathmann, BKR 2019, 540, 544; Weitnauer, BKR 2018, 231, 233. 734 Vgl. BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 16. 8. 2019, S. 9. S. hierzu ausführlich auch Ribak, STOs, S. 581 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 84 ff. 735 In Betracht kommen namentlich Erleichterungen nach Art. 15 Prospekt-VO für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) i. S. v. Art. 2 lit. f) Prospekt-VO, hierzu Wolf, Initial Coin Offerings, S. 189 f.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 81 ff. 736 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 198 ff.; Koch, ZBB 2018, 359, 367; Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54 ff.; Spindler, WM 2018, 2109, 2115; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 368. 737 S. mit konkreten Vorschlägen etwa Wolf, Initial Coin Offerings, S. 301 ff.; Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54 ff. sowie aus U.S.-amerikanischer Sicht Brummer/Kiviat/Massari, in: Brummer, Cryptoassets, S. 157 ff. 738 Vgl. hierzu RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 70 f.; Bialluch-von Allwörden, RDi 2021, 13, 17.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
Wertpapier ausgestaltet ist noch als Anteil an einem Investmentvermögen (dazu sogleich) qualifiziert.739 Ersteres ist insbesondere dann vorstellbar, wenn den virtuellen Einheiten aufgrund vorprogrammierter Verfügungsbeschränkungen die Handelbarkeit fehlt.740 Von derartigen Ausnahmefällen abgesehen ist das VermAnlG für STOs unbeachtlich.741
III. Regulierung nach dem KAGB Repräsentieren Security Token Anteile an einem Investmentvermögen, werden für das kapitalsuchende Unternehmen darüber hinaus der Erlaubnisvorbehalt gem. § 20 Abs. 1 KAGB sowie die Prospektpflichten nach §§ 164 f. bzw. 268 f. KAGB relevant.742 Das setzt gem. § 1 Abs. 1 S. 1 KAGB das Vorliegen eines Organismus für gemeinsame Anlagen voraus, der nicht außerhalb des Finanzsektors operativ tätig wird und Kapital von einer Vielzahl von Anlegern einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen der Anleger zu investieren.743 Ein Organismus für gemeinsame Anlagen entsteht, wenn das eingesammelte Vermögen in einem rechtlich oder wirtschaftlich verselbständigten Kapitalpool zusammengeführt wird, an dessen Gewinnen und Verlusten die Anleger partizipieren.744 Eine jedenfalls wirtschaftliche Verselbständigung in diesem Sinne dürfte im Zusammenhang mit einem Token Sale bereits dann anzunehmen sein, wenn das von den Investoren zur Verfügung gestellte (Krypto-)Kapital getrennt vom sonstigen Vermögen des Emittenten durch dessen wallet verwaltet wird.745 Die Beteiligung der Investoren an den Chancen und Risiken der Unternehmung ist bei Security Token per definitionem gegeben. Da Token-Emissionen branchenübergreifend als Kapitalquelle in Betracht kommen,746 hat der Ausschluss von außerhalb des Finanzsektors operativ tätig 739 Hierzu Wolf, Initial Coin Offerings, S. 138 f.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.134 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 117 ff.; Bialluch-von Allwörden/von Allwörden, WM 2018, 2118, 2122 f.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 103; Spindler, WM 2018, 2109, 2114; Weitnauer, BKR 2018, 231, 235. 740 Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 103 sowie die Hinweise in Fn. 407. 741 Vgl. auch BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 16. 8. 2019, S. 7. 742 Vgl. BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 16. 8. 2019, S. 10. S. hierzu im Detail Wolf, Initial Coin Offerings, S. 168 ff. und 190 ff. 743 Hierzu Wolf, Initial Coin Offerings, S. 131 ff.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20, 144 ff.; Patz/Bögeholz, Rethinking Law 4/2019, 28, 30 ff.; Spindler, WM 2018, 2109, 2116; Weitnauer, BKR 2018, 231, 234 f. 744 Zetzsche, in: Assmann/Wallach/Zetzsche, KAGB, § 1 Rn. 23 f. 745 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 133. 746 Vgl. aus empirischer Sicht Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 71 (2018); Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3943 f.
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werdenden Unternehmen allerdings zur Konsequenz, dass das KAGB für die überwiegende Zahl der Emittenten keine Rolle spielt.747 Hinsichtlich der verbleibenden ca. 15 – 25 Prozent748 der Token-finanzierten Projekte hängt die Qualifikation als Investmentvermögen davon ab, ob das eingesammelte Kapital nach einer festgelegten Anlagestrategie eingesetzt wird, um durch die Rendite eines Anlageobjekts Gewinne zugunsten der Anleger zu erwirtschaften.749 Dass sich die eingeworbenen Mittel aus Kryptowährungen zusammensetzen, steht der Einordnung dabei nicht entgegen.750 Damit bleibt festzuhalten, dass das KAGB zwar für spezifische Gestaltungen durchaus regulatorische Wirkungen entfalten kann, die überwiegende Zahl der STOs aber unberührt lässt.
IV. Marktfolgepflichten Da Security Token in der Regel als Finanzinstrumente gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II qualifizieren (s. B.II.2.a)aa)(4)(c)), löst ihr Handel an einem regulierten Markt i. S. v. Art. 2 Abs. 1 lit. a)–c) MMVO751 zudem Marktfolgepflichten aus.752 Token-Emittenten haben dann insbesondere das Verbot des Insiderhandels (Art. 14 MMVO), das Verbot der Marktmanipulation (Art. 15 MMVO), die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 MMVO) sowie die Pflicht zum Führen von Insiderlisten (Art. 18 MMVO) zu beachten.753
747 Hahn/Wons, ICO, S. 37; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.153; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 132 f.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 108; Hanten/Sacarcelik, RdF 2019, 124, 128; Jünemann/Wirtz, ZfgK 2018, 1117, 1120. 748 So Wolf, Initial Coin Offerings, S. 132 unter Verweis auf die Erhebung von Adhami/ Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 71 (2018). 749 Hierzu Zetzsche, in: Assmann/Wallach/Zetzsche, KAGB, § 1 Rn. 55 ff. 750 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 134 f.; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.147. 751 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 4. 2014 über Marktmissbrauch und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission vom 12. 6. 2014 (MMVO), ABl. Nr. L 173, S. 1 ff. 752 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.156; Weitnauer, BKR 2018, 231, 234; vgl. auch Zickgraf, AG 2018, 293, 307, der de lege ferenda eine grundsätzliche Erstreckung des Marktmissbrauchsrechts auf Kryptobörsen befürwortet. 753 S. ausführlich hierzu Maume, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 14 Rn. 16 ff.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
V. Marktseitige Reaktion auf regulatorische Hürden und verbleibende Schutzdefizite Bereits der kursorische Blick auf die potentiell zu berücksichtigenden Aufsichtsregime verdeutlicht, dass STOs für Emittenten mit erheblichen Belastungen und Haftungsrisiken einhergehen.754 Insbesondere die Prospektpflicht nach Art. 3 Abs. 1 Prospekt-VO macht eine ressourcenzehrende Vorbereitung der TokenEmission erforderlich.755 Das mit Blockchains assoziierte Bild einer von regulatorischen Eingriffen unberührten Finanzierungslandschaft756 gehört somit der Vergangenheit an. Vor diesem Hintergrund befürchten einige Kommentatoren, die „noch zarte Pflanze“757 der Token-basierten Finanzierung könnte unter der Last der kapitalmarktrechtlichen Aufsicht ersticken.758 In diese Richtung könnte auch der Umstand zu deuten sein, dass sich das Marktgeschehen seit dem verstärkten Durchgreifen nationaler Aufsichtsbehörden drastisch entschleunigt hat.759 Dass die zusätzlichen Finanzierungskosten eine prohibitive Wirkung entfalten und die Emissionsaktivität langfristig unterbinden, steht gleichwohl nicht zu erwarten.760 Denn zum einen bewegen sich die durchschnittlich eingeworbenen Erlöse erfolgreich abgeschlossener Token Sales im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.761 Im Verhältnis zur Finanzierungshöhe sind die ex-ante-Kosten somit noch immer moderat. Zum anderen zeichnet sich auf dem STO-Markt eine Tendenz zur stufenweisen Finanzierung ab.762 Dem Angebot an die Anlegeröffentlichkeit geht dabei häufig eine Finanzierung mit Venture Capital oder eine prospektfreie Token-Emission voraus, die von den Ausnahmetatbeständen gem. Art. 1 Abs. 3 und 4 Prospekt-VO profi-
754 S. zur drohenden Prospekthaftung Veil, ZHR 183 (2019), 346, 369 ff. Vgl. zur Prospekthaftung i. e. S. wegen Prospektfehlern im Zusammenhang mit dem sog. Envion-STO auch LG Berlin, Urt. v. 27. 5. 2020 – 2 O 322/18 = AG 2021, 204 ff. 755 Allein die mit der Prospekterstellung assoziierten Kosten belaufen sich typischerweise mindestens auf einen mittleren fünfstelligen Betrag, vgl. Borkert, ITRB 2018, 39, 41. Die Gesamtkosten eines STOs erreichen laut einer jüngeren Erhebung regelmäßig eine Größenordnung von mehr als 180.000 USD (& 160.000 EUR), Lambert/Liebau/Roosenboom, 59 Small Bus. Econ. 299, 309 (2022). 756 Vgl. Robinson II., 85 Tenn. L. Rev. 897, 901 (2018): „digital wild west“. 757 Koch, ZBB 2018, 359, 366. 758 Vor Überregulierung warnend u. a. Kuntz, AcP 220 (2020), 51, 89; Zickgraf, AG 2018, 293, 307. 759 S. 1. Kap. A.II.1. 760 So auch Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 573; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104. 761 Vgl. 6th ICO/STO Report der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, 28. 1. 2020, abrufbar unter: https://www.pwc.com/ee/et/publications/pub/Strategy&_ICO_STO_Study_Version_ Spring_2020.pdf, S. 2. So auch bereits Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 573; Klöhn/Parhofer/ Resas, ZBB 2018, 89, 104. 762 S. 1. Kap. A.II.2.
E. Ablauf eines Token Sales
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tiert.763 Aus diesen Kapitalquellen können die Anlaufkosten zumeist unschwer bestritten werden. Infolge der aufsichtsrechtlichen Durchdringung des Token-Marktes scheint darüber hinaus ein Teil der Emittenten vom dezentralen Emissionsmodell abzurücken. Statt zum Zwecke der Token-Ausgabe allein auf einen Smart Contract zu vertrauen (s. C.I.1.), greifen die kapitalsuchenden Unternehmen auf Emissionsplattformen, sog. Token Exchanges, zurück. Diese erfüllen bei der als Initial Exchange Offering (IEO) bezeichneten Emissionsvariante ähnliche Funktionen wie Crowdfunding-Plattformen im Kontext der konventionellen Schwarmfinanzierung (vgl. 1. Kap. A.I.).764 Neben der Akquise und Information potentieller Investoren versprechen Anbieter wie „Binance Launchpad“ die Umsetzung regulatorischer – insbesondere geldwäscherechtlicher765 – Anforderungen zu erleichtern, indem sie die Identifikation der Token-Erwerber ermöglichen.766 Ob die Rezentralisierung der kapitalmarktmäßigen Wagnisfinanzierung ein temporäres Phänomen bleibt oder sich gegenüber „herkömmlichen“ Token-Emissionen langfristig durchsetzt, ist im weiteren Verlauf der Untersuchung noch zu vertiefen. Im Zuge der Transformationstendenzen hin zu einem dezentralen Finanzwesen („DeFi“) gewinnen zudem Emissions- und Handelsplattformen an Bedeutung, die ihrerseits auf einer dezentralen, softwarebasierten Betriebsstruktur aufbauen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Initial Decentralized Exchange Offerings bzw. Initial DEX Offerings (kurz IDOs).767
E. Ablauf eines Token Sales Nachdem als tragende Säulen des Finanzierungsmodells die Blockchain-Technologie, Token sowie Smart Contracts identifiziert wurden, soll der folgende Abschnitt die bekannten Konzepte zu einem vollständigen Bild vom Ablauf eines Token Sales zusammenfügen. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die jüngeren Ent763
Vgl. schon Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104. Vgl. Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb, § 27 Rn. 21; Annunziata, ECFR 2020, 129, 130 (Fn. 3). 765 Vgl. hierzu Auffenberg, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 17 Rn. 1 ff.; Grzywotz, Virtuelle Kryptowährungen und Geldwäsche, passim; Maume/Haffke, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 15 Rn. 1 ff.; Fromberger/Haffke/Zimmermann, BKR 2019, 377, 379 ff. 766 Kaal, 46 J. Corp. L. 909, 921 f. (2021). Die Zuhilfenahme von Emissionsplattform wirft freilich ihrerseits regulatorische Fragen auf. Für kleinere Emissionen bis zu 5 Mio. EUR gibt seit dem 10. 11. 2021 die Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister (ECSP-VO) den Regulierungsrahmen vor, s. hierzu Uhink, ZdiW 2022, 63 ff. Außerhalb des Anwendungsbereichs der ECSP-VO ist die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 1c, § 32 KWG zu beachten. 767 Vgl. Georgiev, What is an IDO – Initial DEX Offering?, 13. 1. 2022, abrufbar unter: https://tinyurl.com/mrwprdtb. 764
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
wicklungen zu richten, die sich in Reaktion auf die regulatorische Durchdringung der Blockchain-gestützten Finanzierung eingestellt haben. Der Ablauf einer TokenEmission folgt keinem gesetzlich standardisierten Verfahren, sondern obliegt der Prozessgestaltung durch die jeweiligen Initiatoren.768 Dennoch haben sich unter den Gegebenheiten des Marktes wiederkehrende Handlungsschritte herauskristallisiert, die sich zeitlich in drei Phasen untergliedern lassen: Die Vorbereitungsphase (I.), die Durchführungsphase (II.) sowie die Erfüllungsphase (III.).
I. Vorbereitungsphase Ob sich zur Kapitalbeschaffung ein Token-Angebot an die Öffentlichkeit eignet, hängt naturgemäß von der individuellen Ausgangslage der jeweiligen Initiatoren ab. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass die Finanzierungsmethode zu einem fortgeschritteneren Zeitpunkt im Lebenszyklus der kapitalsuchenden Unternehmen relevant wird, als es noch in der Frühphase des Finanzierungsphänomens der Fall war. Zurückführen lässt sich dies u. a. auf die zunehmende Regulierung und Professionalisierung der Vorbereitungsphase. 1. Ausgangslage Am Anfang jedes Finanzierungsprojekts steht die Feststellung, dass die Umsetzung einer Geschäftsidee einen die eigenen Mittel übersteigenden Kapitalbedarf hervorruft. In der Frühphase des Finanzierungsphänomens haben vor allem Emittenten auf einen Token Sale zurückgegriffen, denen der Zugang zu herkömmlichen Quellen der Wagnisfinanzierung verschlossen war.769 Das galt insbesondere für Blockchain- und anderen Open Source-Projekte, deren gemeinfreies Geschäftsmodell aus Sicht von Venture Capital-Gebern nicht hinreichend renditeträchtig erschien.770 Indem die finanzierungsbedürftigen Unternehmen vor allem technologieaffine Anlegerkreise adressierten, konnten sie zudem early adopters für ihre Plattformen und Produkte gewinnen.771 Die Möglichkeit, schon in der Gründungsphase hohe Summen einzuwerben, ohne die Kontrolle über die Unternehmensgeschicke aus der Hand zu geben, verschaffte der Finanzierungsmethode rasch branchenübergreifende Popularität. Die sprungartige Verbreitung von Token Sale in den Jahren 2017 und 2018 gründete aber auch auf dem Umstand, dass sich zahlreiche Emittenten außerhalb des Geltungsbereichs 768
Wolf, Initial Coin Offerings, S. 34 f.; Nathmann, BKR 2019, 540, 541. S. insofern bereits 1. Kap. A.II. 770 Barsan, RTDF 2017, 54; Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 199 (2020); Schückes/Gutmann, 57 Small Bus. Econ. 1027, 1038 (2021). 771 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36; Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3946 f. 769
E. Ablauf eines Token Sales
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kapitalmarktrechtlicher Regulierung wähnten.772 Da überdies Anlaufkosten für die Finanzierung dank des technisch ermöglichten Verzichts auf kostspielige Intermediäre weitestgehend entfielen, stand die Finanzierung am Kapitalmarkt auch Unternehmen offen, die über wenig mehr verfügten als eine Geschäftsidee.773 Seit nationale Aufsichtsbehörden mit dem Irrglauben, Token-Emissionen unterlägen keinerlei Beschränkungen, aufgeräumt und im Falle des Zuwiderhandelns empfindliche Sanktionen verhängt haben, hat sich die Ausgangslage für Emittenten gewandelt. Insbesondere die in vielen Fällen erforderliche Prospekterstellung macht eine langfristigere, meist kostenintensive Vorbereitung eines Token-Angebots erforderlich.774 Die emittierenden Unternehmen haben zum Zeitpunkt des Token Sales dementsprechend zumeist bereits eine oder sogar mehrere Finanzierungsrunden durchlaufen. Als Finanzierungsquellen kommen im Vorfeld vor allem traditionelle Risikokapitalgeber in Betracht.775 Darüber hinaus ist es möglich, Token im Wege einer Privatplatzierung an einen ausgewählten Kreis meist institutioneller Investoren zu veräußern (sog. Pre-Sale).776 Solche nicht-öffentlichen Emissionen sind nach Art. 1 Abs. 3 und 4 Prospekt-VO regelmäßig prospektfrei und daher mit geringerem (finanziellen) Aufwand verbunden als eine Emission an die Allgemeinheit. Sofern die virtuellen Einheiten mangels technischer Realisierung noch nicht existieren, treffen die Parteien Bezugsrechtsvereinbarungen (simple agreements on future tokens, kurz: SAFTs), die den Investoren einen Anspruch auf die entsprechenden Token gewähren, sobald diese im Rahmen des Public Sales entstehen.777 Die Einbeziehung institutioneller Investoren im Vorfeld des eigentlichen Token Sales verdeutlicht, dass die Trennlinie zwischen der traditionellen Wagnisfinanzierung einerseits und der Token-basierten Schwarmfinanzierung andererseits zunehmend verschwimmt. Den damit verbundenen Fragen ist das vierte Kapitel gewidmet. 2. Formalisierung und Professionalisierung der Investorenansprache Der Erfolg einer Schwarmfinanzierung hängt maßgeblich davon ab, ob es den Initiatoren im Vorfeld der Emission gelingt, das Interesse der internationalen An-
772 Vgl. Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 6; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36. 773 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36. 774 Hierzu schon oben unter D.V. 775 Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3938; Zetzsche/Buckley/ Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 282 (2019): „[V]enture capitalists are becoming increasingly active at the pre-ICO stage as well as in ICOs.“ 776 Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 84; Gurrea-Martínez/Remolina León, in: Brummer, Cryptoassets, S. 117, 121 f.; Ribak, STOs, S. 124 ff.; Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 2 (2021); Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 13; Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3939. 777 S. insoweit bereits 1. Kap. A.II.2.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
legerschaft zu wecken.778 Die kapitalsuchenden Unternehmen betreiben daher zumeist frühzeitig Öffentlichkeitsarbeit. Um eine „Anlagestimmung“779 in der technikaffinen Zielgruppe zu erzeugen, konzentrierten die Initiatoren ihre Marketingmaßnahmen in der Frühphase des Finanzierungsphänomens vor allem auf Informationskanäle wie Telegram und IT-Community-Plattformen wie Reddit und GitHub.780 Ziel der Investorenansprache war es dabei, dem sogenannten Whitepaper eine größtmögliche Reichweite zu verschaffen. Das Whitepaper dient Interessenten als primäre Informationsquelle für eine Anlageentscheidung. Es stellt die hinter der Emission stehenden Gründer bzw. das Entwicklerteam vor, erläutert das Geschäftsmodell, dessen Finanzierung der Token Sale dient und nimmt zu seinem technischen Ablauf Stellung.781 Da Art und Umfang des Werbematerials anfänglich den Initiatoren anheimgestellt zu sein schien, schwankte der Informationsgehalt der Whitepaper erheblich.782 Sogar basale Angaben wie die Geschäftsanschrift der Initiatoren fehlten in vielen Fällen,783 was auf die hohe Anzahl betrügerischer Anbieter hindeutet, die versuchten, den Überschwang der Investoren während des ICO-Booms auszunutzen.784 Das Whitepaper wird typischerweise durch ein als „Terms and Conditions“ bezeichnetes Dokument ergänzt, das die Vertragsbedingungen des Token Sales im Verhältnis zu den Investoren näher ausgestaltet.785 Greifen die Emittenten auf eine Emissionsplattform zurück (s. o.), erfolgt die Investorenansprache über das jeweilige Portal.786 Dem geht üblicherweise ein Bewerbungsverfahren voraus, im Rahmen dessen die Plattformbetreiber die bewor-
778 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.55; Hahn/Wons, ICO, S. 19. 779 Zickgraf, AG 2018, 293, 294 unter Verweis auf die Begriffsverwendung des BGH im Bereich der Prospekthaftung, s. BGHZ 139, 225 ff. 780 Hahn/Wons, ICO, S. 19; Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 5; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 37; Zickgraf, AG 2018, 293, 294. In einigen Fällen haben Werbekampagnen zudem Celebrities für ihre Zwecke gewinnen können, vgl. Zetzsche/ Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 275 (2019). 781 Gurrea-Martínez/Remolina León, in: Brummer, Cryptoassets, S. 117, 124 f.; Hahn/ Wons, ICO, S. 20; Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 5; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 37 f. 782 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.49; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 38; Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 283 f. (2019). 783 Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 278 f. (2019). 784 Vgl. Dowlat, Cryptoasset Market Coverage Initiation: Network Creation, S. 23 ff., dessen Marktanalyse die Quote betrügerischer ICOs im Jahr 2017 auf 78 % schätzt; s. aber relativierend auch Liebau/Schueffel, The JJBA 2 (2019), 1 ff. Hinsichtlich verschiedener Betrugsmaschen s. Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1743 ff. (2022). 785 Hahn/Wons, ICO, S. 23 f.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 38. 786 S. schon Fn. 766.
E. Ablauf eines Token Sales
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benen Projekte einer vereinfachten Due Diligence unterziehen. Regelmäßig dürfte es sich dabei allerdings um wenig mehr als eine „Plausibilitätsprüfung“ handeln.787 Seit sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Veröffentlichung des Whitepapers die Schwelle zum öffentlichen Angebot gem. Art. 3 Abs. 1 Prospekt-VO regelmäßig überschreitet (s. o.), findet die maßgebliche Information der Anlegeröffentlichkeit durch den Wertpapierprospekt statt. Dieser folgt den strengen inhaltlichen und formalen Vorgaben gem. Art. 6 ff. Prospekt-VO. An der Prospekterstellung sind typischerweise professionelle Dienstleister beteiligt.788 Jedenfalls im Zusammenhang mit dem Angebot von Security Token gehört die rein informelle Investorenansprache somit der Vergangenheit an.789 Abgesehen von der Investorenansprache bedarf der Crowd Sale darüber hinaus der Vorbereitung in technischer und organisatorischer Hinsicht. Dazu ist etwa der für die Token-Ausgabe eingesetzte Smart Contract zu programmieren und idealiter einer Testphase zu unterziehen.790 Je nach Art der eingeräumten Rechte und Emissionsstruktur sind darüber hinaus u. U. gesellschaftsrechtliche Dispositionen erforderlich, z. B. eine Beschlussfassung der dazu berufenen Organe oder die Gründung einer als Emittentin fungierenden Zweckgesellschaft.791
II. Durchführungsphase Die eigentliche Durchführung der Token-Emission beginnt klassischerweise mit dem deployment des Smart Contracts. In diesem Zusammenhang ist umfassend auf die obigen Ausführungen unter C.I.1. zu verweisen. Die Dauer der „Zeichnungsperiode“ variiert zwischen einigen Minuten und mehreren Monaten, je nachdem, ob das Finanzierungsziel frühzeitig erreicht wird und wie lang die von den Initiatoren festgelegte „Zeichnungsfrist“ bemessen ist.792 Greift das kapitalsuchende Unternehmen zur Durchführung des Token Sales auf eine Emissionsplattform zurück, beginnt der Ausgabeprozess mit dem Aktivieren der Zeichnungsoption auf der Internetplattform. Um sich auf einem einschlägigen Portal zu registrieren, müssen sich die Netzwerkteilnehmer üblicherweise zunächst einem Identifikationsverfahren 787 Vgl. im Zusammenhang mit konventionellen Crowdinvestings Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 241. 788 Vgl. Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 3. 789 Vgl. Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 82: „Der Markt scheint […] ,erwachsen‘ zu werden.“ 790 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.54; Hahn/Wons, ICO, S. 19 f. 791 Vgl. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.53. Zur Ausgabekompetenz s. 4. Kap. B.I. 792 Ders., in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.56. Die durchschnittliche „Zeichnungsfrist“ beträgt ca. 40 Tage, Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3943.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
unterziehen, das die Einhaltung geldwäscherechtlicher Bestimmungen sicherstellen soll (s. D.V.). Anders als bei dem rein dezentral und weitestgehend anonym abgewickelten Vertragsschluss über einen Smart Contract ist es bei einem IEO auf diese Weise möglich, Investoren aus bestimmten Jurisdiktionen von dem Angebot auszuschließen und so dem Anwendungsbereich besonders restriktiver Aufsichtsregime zu entgehen.793 Mitunter führen die zu finanzierenden Unternehmen vergleichbare Registrierungsverfahren auch selbständig durch.794 Hieran zeigt sich abermals der regulierungsinduzierte Trend zur Rezentralisierung des Finanzierungsprozesses.795 Bei der Gestaltung der Emissionsbedingungen genießen die Initiatoren alle Freiheiten, die ihnen die Privatautonomie bietet. Das gilt namentlich in Bezug auf die vertragliche Gegenleistung, die in den meisten Fällen (ca. 66 %)796 in Form von Ether zu erbringen ist.797 Mit zunehmender Tendenz akzeptieren die Emittenten auch FiatWährungen, wobei die Leistungserbringung in diesem Fall off-chain stattfinden muss.798 Anders als bei Aktienplatzierungen geht der Token-Zuteilung kein Preisbildungsverfahren wie das sogenannte bookbuilding voraus.799 Die Emittenten legen den Ausgabepreis vielmehr einseitig nach dem Prinzip „take it or leave it“ fest.800 Um die Investitionsbereitschaft der Anleger zu maximieren, greifen die Initiatoren typischerweise auf zeitlich variable Preismodelle und Auktionsverfahren zurück.801 Verbreitet sollen etwa Frühzeichnerrabatte von bis zu 50 Prozent die Anlagestimmung unter den Investoren beflügeln.802 Da das Ausmaß der Nachfrage im Voraus häufig nur bedingt antizipiert werden kann, laufen Investoren, die sich zu einem frühen Zeitpunkt an dem Token Sale beteiligen, Gefahr, in ein unter- oder überfinanziertes Projekt zu investieren. Beide Fälle stellen ein Risiko für die Rentabilität 793 Vgl. Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 6; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 40. 794 Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 85; Vig, BKR 2022, 442, 445; s. z. B. Wertpapierprospekt der FND German RE GmbH, (Fn. 595), S. 12. 795 S. weiterführend zur Tendenz der Rezentralisierung im Blockchain-Umfeld Siegel, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 3 Rn. 82 ff. 796 Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3942. 797 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 39; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 13; Zetzsche/Buckley/ Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 279 (2019). 798 Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 289; Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 84; Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 1; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 13; Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 279 (2019). 799 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 39. Zum Bookbuilding-Verfahren s. Kuntz, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 8 Rn. 126 ff. 800 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 39; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95; Weitnauer, BKR 2018, 231. 801 Zu den verschiedenen Spielarten dieser Verfahren s. Nyffenegger/Schär, CF 2018, 121, 123 ff. 802 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 39; Barsan, RTDF 2017, 54, 55; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 13; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 91.
E. Ablauf eines Token Sales
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des Investments dar. Um dieser Gefahr zu begegnen und das Vertrauen der Anleger in die Redlichkeit der Initiatoren zu fördern, sehen die Anlagebestimmungen häufig sogenannte soft caps und hard caps vor. Erstere markieren die minimale Finanzierungsschwelle, die es zu überschreiten gilt, um das Projekt zum Erfolg zu führen. Unterschreiten die Emissionserlöse diesen Mindestbetrag, kommt es zur (gegebenenfalls automatisierten) Rückübertragung der eingeworbenen Beträge an die Investoren.803 Umgekehrt beschreibt die hard cap die maximale Finanzierungssumme, deren Erreichen das Ende der Zeichnungsperiode markiert.804 Wird dieser Schwellenbetrag nicht erreicht, endet der Token Sale mit dem Ablauf der festgelegten Zeichnungsfrist.805
III. Erfüllungsphase Mit der Kapitalbereitstellung treten die Investoren zunächst in Vorleistung.806 Was die finanzierte Gesellschaft zur Erfüllung im Gegenzug schuldet, hängt von den Anlagebedingungen und der Art des tokenisierten Rechts ab. Aus Investorenperspektive steht dabei der Anspruch auf Verzinsung des eingesetzten Kapitals im Vordergrund. Je nach Ausgestaltung des Security Tokens als fremd- oder eigenkapitalähnliches Anlageinstrument kommen insofern feste oder variable Zahlungsarrangements mit oder ohne Anspruch auf Rückzahlung des bereitgestellten Betrages in Betracht.807 Den Anlegern stehen in der Erfüllungsphase im Wesentlichen zwei Optionen offen: Zum einen können sie die Security Token halten und die periodisch fällig werdenden Ausschüttungen durch die finanzierte Gesellschaft abwarten.808 Ob und wann mit Zahlungen zu rechnen ist, hängt in diesem Zusammenhang abermals von den konkreten Anlagebedingungen und im Falle erfolgsabhängiger Beteiligungsansprüche zudem vom Entwicklungsstadium und der wirtschaftlichen Lage des finanzierten Unternehmens ab. Alternativ können die Token-Inhaber das tokenisierte Recht frühzeitig wirtschaftlich verwerten, indem sie es auf dem Sekundärmarkt veräußern.809 Gerade die zweitgenannte Möglichkeit hebt STOs von anderen Formen der Wagnisfinanzierungen ab und macht Token als Anlageklasse für private Anleger attraktiv (s. B.II.2.b)dd)). Das setzt indes voraus, dass die fraglichen Einheiten an 803 Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 84; Hahn/Wons, ICO, S. 18; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 40; Barsan, RTDF 2017, 54 f.; Zickgraf, AG 2018, 293, 294. 804 S. die Hinweise in Fn. 803. 805 S. bereits Fn. 792. 806 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 31. 807 Hierzu ausführlich 4. Kap. A.II.2.a)bb). 808 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 47. 809 Ders., Initial Coin Offerings, S. 46.
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2. Kap.: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales
einer Kryptobörse gelistet werden.810 Laut einer empirischen Auswertung von Token Sales aus dem Jahr 2018 geschieht dies bloß in ca. 65 Prozent der Fälle.811 Ohne die Möglichkeit, das tokenisierte Recht liquide zu handeln, besteht für Investoren die Gefahr, in einer unrentablen Beteiligung langfristig „gefangen“ zu sein. Die unter B.II.2.b) beschriebenen Verkehrsschutzdefizite verschärfen dieses Fungibilitätsrisiko zusätzlich. Ob das mit dem eWpG geschaffene Kryptowertpapierregister dem lahmenden Sekundärhandel neues Leben einhauchen wird, bleibt abzuwarten. Angesichts der im folgenden Kapitel näher zu erläuternden Hemmfaktoren im Bereich der Wagnisfinanzierung liegt die Annahme nahe, dass es mehr bedarf.
810 811
Ders., Initial Coin Offerings, S. 46. Hönig, ICO und Kryptowährungen, S. 59.
3. Kapitel
Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung aus dem Blickwinkel der Neuen Institutionenökonomik Die Frage nach dem ökonomischen Gepräge eines Token Sales hat in der juristischen Aufarbeitung des Finanzierungsphänomens bereits beträchtliche Aufmerksamkeit erfahren.1 Welche Potenziale, aber auch Risiken der Finanzierungsart eigen sind, versuchen die Protagonisten des Diskurses aufzuzeigen, indem sie TokenEmissionen dem Primärmarkt für konventionelle Wertpapiere gegenüberstellen.2 Dabei dominiert die Wahrnehmung, ICOs stünden Initial Public Offerings (IPOs) nicht nur begrifflich, sondern auch funktional nahe, sodass man sie als „[d]igitale Börsengänge“ umschreiben könne.3 Die bisherigen Ansätze zur Überwindung der ausgemachten Defizite konzentrieren sich dementsprechend auf die Instrumente des Kapitalmarktrechts.4 Das erscheint durchaus plausibel, führt man sich vor Augen, dass es sich bei Token Sales um Wagnisfinanzierungen am Kapitalmarkt handelt. Was dabei allzu leicht in den Hintergrund rückt, sind die Gemeinsamkeiten, welche Token Sales mit anderen Formen der Start-up-Finanzierung teilen. Immerhin versuchten anfänglich vor allem junge, wachstumsorientierte Technologieunternehmen Finanzierungslücken durch die neuartige Kapitalbeschaffungsmethode zu überbrücken.5 Die Erwartung, Token Sales würden traditionelle Risikokapitalgeber als primäre Finanzierungsquelle ablösen, hat sich gleichwohl nicht erfüllt. Venture Capital bleibt der Primus der Wagnisfinanzierung. Mit der zunehmenden Regulierung und Professionalisierung des Krypto-Umfelds haben Token-Emissionen al-
1 S. insbesondere Wolf, Initial Coin Offerings, S. 79 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 4 ff.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 93 ff. 2 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 81 ff.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 7; ders., AG 2018, 293. 3 Vogel/Müller/Luthiger u. a., AG 2017, R333; ebenso Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 11. 4 S. mit Hinweisen zum einschlägigen Schrifttum 1. Kap. A.III. 5 Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 286; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 35; Barsan, RTDF 2017, 54; Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 199 (2020); Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 24 (2021); Vogel/Müller/ Luthiger u. a., AG 2017, R333; Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 268 (2019).
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
lerdings für die Deckung des Kapitalbedarfs während der Wachstums- und Expansionsphase an Bedeutung gewonnen.6 Vor diesem Hintergrund resümiert Rodrigues, dass die Trennlinie zwischen privatem Risikokapital und dem öffentlichen Kapitalmarkt zunehmend verblasst.7 Ein ausschließlich kapitalmarktorientierter Blickwinkel wird dem nicht gerecht. Wer sich ein umfassendes Bild von den ökonomischen Potenzialen und Hemmfaktoren der Token-basierten Kapitalbeschaffung machen möchte, muss STOs auch in Relation zu traditionellen Formen der Wagnisfinanzierung setzen.8 Dies soll im Folgenden geschehen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, weshalb sich Tokens Sales entgegen mancher Prognose nicht als Frühphasenfinanzierungsmittel etabliert haben und welche Funktion der Kapitalbeschaffungsmethode nebst Venture Capital im gegenwärtigen Marktumfeld zukommt. Das wirtschaftstheoretische Fundament für die nachfolgende Untersuchung bietet die Neue Institutionenökonomik (NIÖ). Dieser Forschungsansatz modifiziert die neoklassische Theorie, deren Leitgedanken auf der Annahme idealtypischer Marktbedingungen basieren.9 In einem Ökosystem wie dem für Token Sales, in dem Informationsasymmetrien und Transaktionskosten auftreten, versagt das neoklassische Erklärungsmodell.10 Neoinstitutionalisten beziehen derartige Unvollkommenheiten in ihre ökonomische Analyse ein und sind so in der Lage, Funktionsdefizite innerhalb einer Institution zu identifizieren und Gegenstrategien zu entwickeln.11 Der Begriff „Institution“ bezeichnet dabei nicht nur Einrichtungen im engeren Sinne, sondern umfasst alle Systeme formeller und informeller Regeln einschließlich ihrer Durchsetzungsmechanismen.12 Somit fallen beispielsweise auch vertragliche Arrangements in den Analysebereich der Neuen Institutionenökonomik.13 Der im Vergleich zur neoklassischen Theorie erweiterte Blickwinkel des Forschungsfeldes spiegelt sich in seinen modifizierten Grundannahmen wider.14 6
S. insoweit bereits 1. Kap. A.II.2. Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 404 ff. (2019). 8 Ähnlich, aber aus empirischem Blickwinkel Ante/Sandner/Fiedler, 11 J. Risk Fin. Manag. 80 (2018); Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925 ff. 9 Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 41 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 1 f., 14 f. 10 Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 14: „Das neoklassische Denken unterstellt, daß das Wirtschaftsleben in einem bemerkenswert spezialisierten Umfeld, weit entfernt von der Realität stattfindet“. 11 Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 43 ff. 12 Dies., Institutionenökonomik, S. 20; Göbel, Neue Institutionenökonomik, S. 15 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 7; Voigt, Institutionenökonomik, S. 26 f. 13 Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 20. Damit besteht eine Schnittmenge zur ökonomischen Analyse des Rechts. Deren theoretische Ausrichtung ist jedoch im höheren Maße vom Modell des rationalen Nutzenmaximierers geprägt, vgl. hierzu Posner, Economic Analysis of Law, S. 3 f.; s. zum spannungsbehafteten Verhältnis der „Schwesterdisziplinen“ ausführlich Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 146 ff. 14 S. hierzu im Einzelnen Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 3 ff. 7
A. Interessenlage der Finanzierungsparteien
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Hierzu zählt zum einen die Einsicht, dass Entscheidungssubjekte nur über eingeschränkte Rationalität („bounded rationality“15) verfügen, zum anderen die damit verwandte Annahme, dass einzelne Marktakteure um ihres eigenen Vorteils willen zu Normverletzungen bereit sind, sich also opportunistisch verhalten.16 Zwar ist der NIÖ im Schrifttum vorgeworfen worden, den Idealzustand von Märkten aus dem Blick zu verlieren.17 Gerade die deskriptive, an der wirtschaftlichen Realität orientierte Perspektive des Forschungsansatzes, ist für die hiesigen Zwecke aber erkenntnisfördernd, weil sie den Analysefokus auf die Gestaltungsprobleme lenkt, mit denen sich Gründer und Investoren in der Finanzierungspraxis konfrontiert sehen. Hieraus leiten sich zudem die zentralen Gestaltungsaufgaben für die Kautelarjurisprudenz ab. Bevor sich die Untersuchung dem ökonomischen Potenzial (B.) von STOs zuwendet und die Limitationen in den Blick nimmt, die Token Sales mit anderen Formen der Wagnisfinanzierung, insbesondere Venture Capital, gemein haben (C.), erscheint es lohnenswert, sich die Motivlage der Finanzierungsparteien in Erinnerung zu rufen (A.). Diese dient im weiteren Verlauf als Gradmesser für die Eignung von STOs zur Finanzierung junger, wachstumsstarker Unternehmen.
A. Interessenlage der Finanzierungsparteien Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass die Interessen von Kapitalnehmern (I.) und Investoren (II.) im Bereich der Wagnisfinanzierung ebenso vielschichtig wie situationsabhängig sind. Um einen handhabbaren Maßstab für die Beurteilung verschiedenartiger Finanzierungsmethoden zu entwickeln, ist es erforderlich, die Betrachtung auf die dominanten Motive zu beschränken.
I. Kapitalnehmer Das primäre Interesse der Kapitalnehmer besteht darin, das wirtschaftliche Potential einer Geschäftsidee auszuschöpfen und auf diese Weise größtmögliche Gewinne zu erzielen. Um dieses Rentabilitätsziel zu realisieren, sind häufig die eigenen Mittel übersteigende Investitionen erforderlich, z. B. in die Produktion eines Prototyps oder die Einstellung von Fachkräften. Zur Überbrückung dieses Ressourcendefizits streben die Gründer eine Finanzierung zu möglichst geringen Kapital15
S. grundlegend Simon, 69 Q. J. Econ. 99 (1955). Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 4 ff. S. hierzu noch eingehend unter C.II. 17 Posner, JITE 149 (1993), 73 ff.; s. dagegen die lesenswerte Replik von Coase, JITE 149 (1993), 96 ff., der insbesondere den Vorwurf zurückweist, ökonometrische Methoden würden nicht hinreichend in die Erkenntnisfindung einbezogen. 16
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
kosten an.18 Hohe Kapitalkosten haben zur Folge, dass auch finanzierungswürdige Projekte, das heißt solche, die über einen positiven Kapitalwert19 verfügen, nicht realisiert werden.20 Darüber hinaus erhoffen sich finanzierungsbedürftige Unternehmen von der Beteiligung eines Investors unter Umständen strategische Vorteile im operativen Bereich. So leisten insbesondere Venture Capital-Geber klassischerweise aktive Managementunterstützung, indem sie den Gründern ihr spezifisches Knowhow zugänglich machen und wertvolle Kontakte zu potenziellen Kunden, Fachkräften und Kapitalgebern vermitteln.21 Auf Gründer geht zudem von privaten Annehmlichkeiten eine nicht zu unterschätzende Anreizwirkung aus. Sie erfahren in ihrer unternehmerischen Rolle soziale Anerkennung, genießen persönliche Autonomie, eignen sich gefragte Fertigkeiten an und gewinnen nützliche Kontakte – allesamt Faktoren, die ihrer professionellen Entwicklung zugutekommen.22 Um derartige Vorteile nicht wieder preiszugeben, sind die Kapitalnehmer daran interessiert, ihre Kontrolle über das Unternehmen im größtmöglichen Umfang zu erhalten. Gerade wenn Investoren sich am stimmberechtigten Eigenkapital der finanzierten Gesellschaft beteiligen, wie es bei Venture Capital-Finanzierungen der Regel entspricht,23 fürchten viele Gründer, ihr Handlungsspielraum könnte unverhältnismäßig beschnitten werden.24 STOs hingegen werden bislang überwiegend genutzt, um Mezzanine-Kapital einzuwerben.25 Gerade die Möglichkeit, Kapitallücken zu schließen, ohne den Investoren im Gegenzug mitgliedschaftliche Kontrollrechte einzuräumen, hat dem Vernehmen nach zur Popularität der Finanzierungsmethode beigetragen.26
18 Der Begriff „Kapitalkosten“ bezeichnet die Summe, der mit der Finanzierung einhergehenden Kosten. Dieser Betrag entspricht der Rendite, die Kapitalgeber für die Kapitalüberlassung erwarten, s. Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 229 ff. 19 Der Kapitalwert ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die den diskontierten Gegenwartswert aller zukünftigen Zahlungsströme des zu finanzierenden Projekts repräsentiert, Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 108 ff.; Klein/Coffee/Partnoy, Business Organization, S. 322 ff. 20 Dies., Business Organization, S. 336. 21 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 4; Schefczyk, Venture Capital, S. 35 ff.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 4, 47; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 82; Denga, ZGR 2021, 725, 730. Vgl. zum produktivitätsfördernden Einfluss dieser „value-adding services“ aus empirischer Perspektive Croce/Martí/Murtinu, 28 J. Bus. Vent. 489 (2013). 22 Brehm, VC-Vertragswerk, S. 19; Kuntz, Gestaltung, S. 46; Berglöf, 10 J. Law Econ. Organ. 247, 252 (1994); Hart, 39 J. Econ. Lit. 1079, 1085 ff. (2001). 23 Kuntz, Gestaltung, S. 45 f. 24 Grundlegend: Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 352 (1976). 25 S. hierzu ausführlich 4. Kap. A.II.1. 26 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36 f.; Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 207 (2020); vgl. Weitnauer, BKR 2018, 231, 236.
A. Interessenlage der Finanzierungsparteien
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II. Investoren Per definitionem verfolgen auch Investoren vorrangig Renditeziele. Für Venture Capital-Geber steht in diesem Zusammenhang nicht die laufende Verzinsung des eingesetzten Kapitals im Vordergrund. Vielmehr streben sie eine ertragreiche Beteiligungsauflösung nach in der Regel nicht mehr als sieben Jahren an (sog. Exit).27 Dies geschieht im Erfolgsfall im Wege eines Börsengangs oder – weitaus häufiger – durch den Unternehmensverkauf an einen strategischen Investor (sog. Trade Sale) oder Finanzinvestor (sog. Secondary Sale); im Falle eines Misserfolgs endet die Beteiligung mit der Liquidierung des Portfoliounternehmens.28 Da die Rentabilität des Investments in direkter Abhängigkeit zum Wachstum des finanzierten Unternehmens steht, sind Venture Capital-Geber daran interessiert, nur in Geschäftsideen mit entsprechendem Wertsteigerungspotenzial zu investieren und ihr Gedeihen zu fördern.29 Wer sich als Investor an einem STO beteiligt, erwirbt einen i. d. R. schuldrechtlichen Anspruch auf periodische Erfolgsbeteiligung mit oder ohne fixer Verzinsung des bereitgestellten Kapitals.30 Token eignen sich somit grundsätzlich zum langfristigen Halten.31 Eine bei weitem bedeutsamere Rolle als solche Anleger, die eine Rendite durch dividendenähnliche Ausschüttungen anstreben, spielten auf dem ICOMarkt aber zunächst Akteure, die auf Veräußerungsgewinne durch kurzfristige Kurssteigerungen spekulierten.32 Die langfristige Profitabilität des finanzierten Geschäftsmodells dürfte dabei für viele Token-Investoren zweitrangig gewesen sein. Stattdessen beruhte die Anlageentscheidung – so scheint es jedenfalls – vielfach auf dem Kalkül, die aufgeheizte Marktstimmung werde sich zeitnah in Kursgewinnen niederschlagen. Um dergestalt von der Volatilität der Anlageklasse zu profitieren, sind die als „Trader“ bezeichneten Investoren auf liquide Sekundärmärkte angewiesen. Inwieweit die positive Wertentwicklung auf dem Token-Zweitmarkt mit einer positiven Unternehmensentwicklung korreliert, ist an späterer Stelle noch kritisch zu hinterfragen (s. unter C.I.4.). Mit dem Renditeinteresse der Kapitalgeber eng verbunden ist das Ziel, die Investitionskosten zu minimieren. Denn je höher diese ausfallen, desto höher sind auch die Anforderungen an die erwartete Rendite.33 Das führt dazu, dass in einem Markt mit hohen Investitionskosten systematisch besonders wachstumsträchtige und riskante Unternehmungen den Vorzug erhalten, was die Diversifikation des Portfolios 27
Cumming/Johan, Venture Capital, S. 5; Denga, ZGR 2021, 725, 730. Kuntz, Gestaltung, S. 13; Schefczyk, Venture Capital, S. 38 ff.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil H. Rn. 11 ff. 29 S. insoweit bereits die Hinweise in Fn. 21. 30 S. detailliert zur inhaltlichen Ausformung der Finanzinstrumente 4. Kap. A.II.2.a)bb). 31 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 47. 32 Ders., Initial Coin Offerings, S. 47; Hildner/Danzmann, CF 2017, 385, 389; Krüger/ Lampert, BB 2018, 1154, 1155. 33 S. Fn. 18. 28
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
für die beteiligten Kapitalgeber erschwert.34 Zu den Investitionskosten tragen namentlich die sogleich unter B.I. zu besprechenden Transaktionskosten bei. Daneben können – sowohl bei Token-Investoren als auch bei Venture CapitalGebern – weitere, nicht-monetäre Zielsetzungen treten. Das mögen im ersten Fall beispielsweise ideelle Erwartungen sein,35 im zweiten strategische oder wirtschaftspolitische Motive, wie es beim sog. Corporate Venture Capital36 oder der Finanzierung durch öffentliche Kapitalgeber37 der Fall ist. Derartige nicht-monetäre Zwecke bleiben im Weiteren außen vor.
B. Ökonomisches Potenzial Auch wenn die frühen, geradezu überschwänglichen Lobeshymnen auf die neue Finanzierungsart inzwischen verhallt sind,38 findet das ökonomische Potenzial Token-basierter Crowd Sales im Schrifttum breite Anerkennung.39 Der Verzicht auf Finanzintermediäre manifestiert sich in zweierlei Hinsicht: Zum einen lassen sich bei einem Token Sale Transaktionskosten einsparen, die bei konventionellen, zentralisierten Finanzierungsmethoden den Kapitalzugang verteuern (I.). Zum anderen führt das Entstehen liquider Token-Märkte zur „Demokratisierung“ der Anlageklasse Risikokapital (II.). Unter III. ist auf die impliziten Voraussetzungen eines wohlfahrtsfördernden Einsatzes der Finanzierungsmethode einzugehen.
I. Reduktion von Transaktionskosten Das mit dem Einsatz der Blockchain-Technologie verbundene Ziel, die Transaktionskosten der Kapitalbeschaffung zu verringern, knüpft an ein zentrales Petitum der Neuen Institutionenökonomik an. 34 Zur Bedeutung der Portfoliodiversifizierung s. grundlegend Markowitz, 7 J. Finance 77 (1952); vgl. hierzu ferner Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, S. 174 ff. 35 Vgl. mit Blick auf ICO-Initiatoren Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 610 f. (2019); Schückes/Gutmann, 57 Small Bus. Econ. 1027, 1035 ff. (2021). 36 Hierzu Schefczyk, Venture Capital, S. 20; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 23 f.; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 82 f. 37 Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 20 ff. 38 So z. B. Amsden/Schweizer, Are Blockchain Crowdsales the New „Gold Rush“?, S. 44: „The ICO market […] holds superior potential to both revolutionize the entire fundraising process, as well as challenge the business models of established industries with financed ventures.“ 39 Vgl. überblicksweise Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36 f.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8; Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B., 64 (2018); Catalini/Gans, 63 COMMUN ACM 80, 86 f. (2020); Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 94 f.
B. Ökonomisches Potenzial
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1. Theoretische Grundlagen Ronald Coase hat das ökonomische Bewusstsein dafür geschaffen, dass die Übertragung von Verfügungsrechten mit spezifischen Kosten einhergeht, die sich weder auf die Herstellung noch die Erbringung der jeweiligen Güter zurückführen lassen, sondern einzig durch die Anbahnung und Abwicklung der Transaktion zustande kommen.40 Diese sogenannten Transaktionskosten spiegeln Coase zufolge die Kosten für die Inanspruchnahme des Marktes wider.41 Sie bilden zugleich das theoretische Gravitationszentrum der Transaktionskostenökonomik (TKÖ), die wiederum als tragende Säule des neoinstitutionalistischen Modellgebäudes gilt.42 Laut Oliver Williamson, dem Theorienvater des Transaktionskostenansatzes, besteht der primäre Zweck von Institutionen darin, Transaktionskosten einzusparen.43 Hieran seien Regelsysteme und Governance-Strukturen zu messen.44 Auch Finanzierungsarrangements sind mit Transaktionskosten verbunden. Diese lassen sich ganz im Sinne der Williamson’schen Klassifizierung in ex ante- und ex post-Kosten unterteilen.45 Vor dem Abschluss einer Finanztransaktion fallen einerseits Such- und Informationskosten, andererseits Verhandlungs- und Entscheidungskosten an.46 All diese Kosten zeugen von der Tatsache, dass die Marktakteure lediglich über unvollkommene Informationen verfügen:47 Die Parteien müssen zunächst geeignete Kapitalanbieter bzw. Kapitalnachfrager ausfindig machen und – das betrifft vorrangig die Investoren – Klarheit über die Qualität der Anlagemöglichkeit erlangen.48 Im Rahmen der Verhandlungen tauschen die Parteien sodann Informationen über ihre jeweiligen Preisvorstellungen aus und ermitteln die Be-
40 Coase, 4 Economica 386, 390 f. (1937); s. hierzu ferner Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 178; zur Umschreibung von Transaktionskosten als Marktnutzungskosten ferner Göbel, Neue Institutionenökonomik, S. 200 ff. 41 Coase, 4 Economica 386, 390 (1937); s. in diesem Sinne auch Voigt, Institutionenökonomik, S. 23 f. 42 Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 194. 43 Williamson, Institutions of Capitalism, S. 20; s. überblicksartig auch Erlei/Leschke/ Sauerland, Institutionenökonomik, S. 177 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 194 ff. 44 Williamson, Institutions of Capitalism, S. 1 f. 45 Ders., Institutions of Capitalism, S. 20 ff.; s. auch die entsprechende Systematisierung bei Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 136. 46 Grundlegend für die dreiteilige Taxonomie Dahlman, 22 J. L. & Econ. 141, 147 f. (1979); s. entsprechend auch Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 73 ff.; Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 178. 47 Dahlman, 22 J. L. & Econ. 141, 148 (1979); Voigt, Institutionenökonomik, S. 24; zum partiellen Bedeutungswandel des Begriffs „bounded rationality“ (s. Fn. 15) in der TKÖ s. Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 56 f. 48 Vgl. Dahlman, 22 J. L. & Econ. 141, 148 (1979) sowie im VC-Kontext Schefczyk, Venture Capital, S. 60.
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
reitschaft der Gegenseite, sich bestimmter Vertragsbedingungen zu unterwerfen.49 Nach dem Abschluss der Transaktion entstehen den Parteien Überwachungs- und Durchsetzungskosten.50 Diese werden notwendig, weil sich die Parteien opportunistisch verhalten könnten, z. B. indem sie sich auf Kosten des jeweils anderen über Vereinbarungen hinwegsetzen oder die Unvollständigkeit des Vertrags zu ihrem Vorteil ausnutzen.51 All diese Transaktionskosten verteuern die Finanzierungsbeziehung. Dies wirkt sich negativ auf die Kontrahierungschancen der Marktteilnehmer aus. Denn zu einer ökonomisch effizienten52 Finanztransaktion wird es unter der (letztlich unzutreffenden53) Annahme rationaler Entscheidungsträger nur kommen, wenn das bereitgestellte Kapital für die finanzierte Partei einen größeren Nutzen aufweist als für den Kapitalgeber.54 Diese als „kooperativer Überschuss“ bezeichnete Differenz spiegelt den Spielraum wider, innerhalb dessen ein Verhandlungserfolg für beide Parteien ökonomisch vorteilhaft wäre.55 Sie erlaubt es dem Kapitalnehmer, eine Gegenleistung anzubieten, deren quantifizierter Nutzen56 für den Finanzier über dem des bereitgestellten Kapitals liegt und die gleichzeitig für die finanzierte Partei von geringerem Nutzen ist als das eingeworbene Kapital.57 Übertreffen die Transaktionskosten den kooperativen Überschuss, erreichen sie eine prohibitive Höhe.58 Die Mittelbereitstellung scheitert dann selbst bei solchen Unterfangen, die in einer Welt ohne Transaktionskosten einen positiven Nettonutzen beider Finanzierungsparteien erwarten ließen.59 Das hat zur Folge, dass das vor49 Dahlman, 22 J. L. & Econ. 141, 148 (1979). Man denke nur an den sich häufig über Wochen erstreckenden Verhandlungsprozess im Vorfeld einer Venture Capital-Finanzierung, vgl. hierzu Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 16 ff. 50 S. Fn. 46. 51 Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 179 f.; vgl. auch Williamson, Institutions of Capitalism, S. 30 ff., der neben begrenzter Rationalität und opportunistischem Verhalten die sog. Faktorspezifität als dritte Prämisse der TKÖ aufstellt. Die aus opportunistischem Verhalten entstehenden Kosten werden von der Agency-Theorie, einem weiteren Zweig der NIÖ, in den Mittelpunkt gerückt, s. hierzu vertiefend unter C.II. 52 Effizienz sei hier in dem Sinne verstanden, dass derjenige die Ressource „Kapital“ nutzt, der sie am höchsten bewertet, vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 61. 53 S. noch unter C.I.4. 54 Grundlegend zur sog. „Verhandlungslösung“ Coase, 3 J. L. & Econ. 1, 8 ff. (1960). S. hierzu auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 60 ff. 55 Ders., Effizienz als Rechtsprinzip, S. 61 f. 56 Der quantifizierte Nutzen des Kapitalgebers spiegelt sich im Kapitalwert der Investitionsmöglichkeit wider, s. Fn. 19. 57 Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 71; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 61 f. sowie mit Blick auf die Rolle des Staates im Kontext der Regulierung von ICOs Wolf, Initial Coin Offerings, S. 75 ff. 58 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 61 f.; mit einem vereinfachten Beispiel s. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 80 f. 59 Vgl. im VC-Kontext Schefczyk, Venture Capital, S. 60.
B. Ökonomisches Potenzial
171
handene Kapital ineffizient allokiert wird und kann im drastischsten Fall zum Kollaps des jeweiligen Finanzierungsmarktes führen.60 2. Transaktionskosten der Finanzintermediation Blockchain-basierten Schwarmfinanzierungen sagt man das Potenzial nach, die Transaktionskosten der Finanzierung zu reduzieren, weil sie – jedenfalls im Ausgangspunkt – ohne Finanzintermediäre auskommen.61 Das unterscheidet sie von konventionellen Kapitalbeschaffungsmethoden: So dienen im Rahmen eines herkömmlichen Crowdinvestings etwa spezialisierte Internetplattformen als zentrale Anlaufstelle für private Investoren.62 Im Bereich der traditionellen Wagnisfinanzierung sind es Venture Capital-Gesellschaften, die als Bindeglied zwischen die Kapitalgeber und das Portfoliounternehmen treten.63 Durch die Inanspruchnahme derartiger Intermediäre entstehen zusätzliche Transaktionskosten,64 sowohl in Form handfester Entgelte65 als auch durch subtilere Reibungsverluste wie Agenturkonflikte66. All diese Kosten vermeiden Token Sales, indem ein Smart Contract die Ausgabe der virtuellen Einheiten vornimmt.67 Damit hilft die Finanzierungsmethode der bis in die 1990-er Jahre zurückreichenden Kritik ab, wonach die Unverzichtbarkeit von Intermediären zu ineffizienten Marktprozessen führt.68 Der Wegfall von Intermediationskosten bleibt nicht auf den Primärmarkt beschränkt, sondern wirkt sich auch auf den Token-Handel aus. Während im traditionellen Wertpapierbereich Clearingstellen erforderlich sind, übernimmt auf dem 60 Zum Marktversagen Wolf, Initial Coin Offerings, S. 87 ff.; Brunner/Kehrle, VWL, S. 364. 61 Scherer, Blockchain im Wertpapierbereich, S. 93; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8; Adhami/Giudici/ Martinazzi, 100 J. Econ. B., 64 (2018); Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 11; Klöhn/Parhofer/ Resas, ZBB 2018, 89, 94; Lutzenberger, GmbHR 2018, R231; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 347 f. 62 Bradford, 2012 Colum. Bus. L. Rev. 1, 5 (2012); Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 241. 63 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 11; Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 160; Black, 48 UCLA L. Rev. 781, 802 (2001); Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 493 (1990). S. auch schon 1. Kap. A.I. 64 Hellwig, in: Giovannini/Mayer, Financial Integration, S. 35, 42. 65 S. zur Provision bei Schwarmfinanzierungen Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 147; zur Vergütung von VC-Firmen Schefczyk, Venture Capital, S. 21; Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 491 (1990). 66 S. grundlegend zu diesen „Delegationskosten“ Diamond, 51 Rev. Econ. Stud. 393 (1984); vgl. ferner Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 321 f.; Päßler, Informationsintermediation, S. 83 ff. 67 S. zum technischen Ablauf bereits 2. Kap. C.I.1. 68 So etwa Mendelson/Peake, 19 J. Corp. L. 443 (1994); vgl. hierzu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 419 f.
172
3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Token-Zweitmarkt der Smart Contract die automatisierte „Umbuchung“.69 Das ermöglicht die kostengünstige und rasche Abwicklung von Transaktionen ohne die Einbindung von Intermediären.70 Dies ist einer der Gründe, weshalb Token geradezu prädestiniert für den grenzüberschreitenden Handel erscheinen. Ein zweiter liegt in dem Umstand, dass mit Hilfe des Smart Contracts mikroskopische Bruchteile der digitalen Einheiten transferiert werden können.71 Damit steht die Anlageklasse auch Kleinstanlegern offen.72
II. Liquide Sekundärmärkte und die „Demokratisierung“ von Risikokapital Die Möglichkeit des liquiden Handels unterscheidet Token von sonstigen Wagnisanlagen.73 Sowohl die im Rahmen des Crowd Investments begebenen mezzaninen Instrumente als auch die Eigenkapitalbeteiligungen im Venture Capital-Bereich unterliegen typischerweise Vinkulierungsregelungen und Andienungspflichten, die ihre Handelbarkeit ausschließen.74 Tokenisierte Rechte sind dagegen fungibel ausgestaltet und können jedenfalls „on-chain“ frei übertragen werden. Die Erwartung, Token über den Sekundärmarkt abstoßen zu können, steigert die rationale Anlagebereitschaft der Kapitalgeber.75 Sie sind nicht in einem Wagnis „gefangen“, sondern können ihre Beteiligung durch die Veräußerung der Token jederzeit in Liquidität umwandeln.76 Damit gewinnen für sie auch solche Investitionsmöglichkeiten an Attraktivität, die in einem illiquiden Markt mit dem Risiko eines Totalverlustes behaftet wären.77 Der Kapitalmarkt eröffnet dem internationalen
69
S. zum technischen Ablauf 2. Kap. B.I.2. Benos/Garratt/Gurrola-Perez, 4 LEDGER 121, 129 ff. (2019). 71 So sieht der ERC20-Standard etwa eine Stückelung in bis zu 1018 Bruchteile vor, van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.24. 72 Ders., in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.64. 73 Vgl. Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 296 f.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8; Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B., 64 (2018); Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 11; Howell/ Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3947. 74 Mit Blick auf Crowdinvestings Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153, 158. Zu VCBeteiligungen Kuntz, Gestaltung, S. 705 ff. Auf dem U.S.-amerikanischen Venture CapitalMarkt haben sich derweil bereits seit 2009 Sekundärmärkte für Start-up Beteiligungen herausgebildet. Diese stehen jedoch von vornherein nur professionellen Investoren offen und sind darüber hinaus von zentralen Plattformanbietern abhängig, s. Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 15 ff. et passim (2012). 75 Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 90. 76 Vgl. zum „investor lock-in“ im Venture Capital-Bereich Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 8 ff. (2012). 77 S. insofern bereits 2. Kap. B.II.2.b)dd). 70
B. Ökonomisches Potenzial
173
Anlegerpublikum damit einen direkten Zugang zu einer Anlageklasse, die zuvor überwiegend institutionellen Investoren vorbehalten war.78 Die so ermöglichte „Demokratisierung“ der Kapitalaufbringung grenzt Token Sales markant von bisherigen Formen der Wagnisfinanzierung ab.79 Den Venture Capital-Markt dominiert etwa eine überschaubare Zahl finanzkräftiger Fonds.80 Die Entscheidung darüber, in welche Unternehmen diese Fonds ihre Mittel investieren, trifft eine kleine, vergleichsweise homogene Gruppe von Fondsmanagern. Diese Entscheidungsträger haben häufig ähnliche Bildungswege beschritten, legen identische Bewertungsmaßstäbe an und verfolgen vergleichbare Anlagestrategien.81 Das trägt dazu bei, dass sich der Investitionsfokus von Venture Capital-Fonds lediglich auf einen Teilausschnitt des unternehmerischen Spektrums konzentriert.82 Diese Limitation der traditionellen Wagnisfinanzierung wird dadurch verschärft, dass institutionelle Anleger nur eine geringe Anzahl augenscheinlich entwicklungsträchtiger Zielgesellschaften in den Prüf- und Auswahlprozess einbeziehen, um die damit verbundenen Informationskosten zu minimieren.83 Mit Token Sales ist die Erwartung verbunden, dass das beteiligte Anlegerpublikum heterogener zusammengesetzt ist. Dadurch soll es der Kapitalgebergruppe möglich sein, mehr Informationen und ein größeres Spektrum von Kenntnissen und Anlagepräferenzen in die Investitionsentscheidung einzubeziehen. Auf diese Weise könnten Token-Emissionen Unternehmen zur Finanzierung verhelfen, deren Entwicklungspotenzial konventionellen Wagnisfinanciers verborgen bleibt.84 In der Vergangenheit hatte bereits die zunehmende Verbreitung herkömmlicher Schwarmfinanzierungen die Erwartung geweckt, die „Weisheit der Vielen“85 würde es dem Anlegerkollektiv ermöglichen, professionelle Investoren zu übertrumpfen.86 78 Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8; Fußwinkel/ Kreiterling, BaFin Perspektiven 1/2018, 48, 63 f.; Weitnauer, BKR 2018, 231, 232. 79 Vgl. Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 303; Glatz, in: Breidenbach/Glatz, Legal Tech, Abschnitt 4.2 Rn. 25; Cai/Gomaa, 22 J. Priv. Equity 93, 94 (2019); Kaal, 46 J. Corp. L. 909, 920 (2021); Reyes/Packin/Edwards, 59 Wm. & Mary L. Rev. Online 1, 5 (2017); Rohr/Wright, 70 Hastings L. J. 463, 485 (2019). 80 S. kritisch hierzu Lerner/Nanda, 34 J. Econ. Perspect. 237, 245 ff. (2020). 81 Dies., 34 J. Econ. Perspect. 237, 250 f. (2020); vgl. auch Klöhn, Kapitalmarkt, S. 125; Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 257. 82 Vgl. Lerner/Nanda, 34 J. Econ. Perspect. 237, 245 ff. (2020). 83 Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 256; s. aber auch zur gegenläufigen Tendenz in jüngerer Zeit Ewens/Nanda/Rhodes-Kropf, 128 J. Fin. Econ. 422, 423 ff. (2018): „,spray and pray‘ investment approach“. 84 Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3945. 85 Surowiecki, Wisdow of Crowds, passim. Grundlegend zu diesem Effekt aus dem finanzwirtschaftlichen Schrifttum Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 581 (1984); Treynor, 43 Fin. Anal. J. 50 (1987). 86 Vgl. hierzu Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 53 ff.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 66 ff.; Schulz, Crowdinvesting, S. 63 ff.; Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 257 f., allerdings jeweils mit skeptischem Resümee.
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Im Vergleich zur Internet-basierten Schwarmfinanzierung erreichen Token Sales einen im Durchschnitt fast 40-fach größeren Anlegerkreis,87 sodass anzunehmen sein könnte, der Pluralitätsvorteil käme hier umso stärker zum Tragen. Ob dem so ist, hängt von vier Voraussetzungen ab:88 (i) Die Investorengruppe setzt sich aus dezentral organisierten Individuen zusammen, (ii) die Informationen jedes einzelnen findet Einlass in die kollektive Anlageentscheidung, (iii) die Gruppenmitglieder entscheiden unabhängig voneinander und (iv) das Kollektiv zeichnet sich durch Informationsvielfalt aus. Während bei einem Token Sale dank des dezentralen Begebungsmechanismus die Bedingungen (i) und (ii) als problemlos erfüllt anzusehen sind, bestehen Zweifel an der Unabhängigkeit und Heterogenität der Anlegergruppe.89 Hierauf ist unter C.I.4. zurückzukommen. Von der Blockchain-basierten Finanzierung könnten zudem junge Unternehmen profitieren, die aufgrund ihrer geographischen Lage vom „Big Money“90 abgeschnitten sind.91 Venture Capital-Geber investieren bevorzugt in Geschäftsideen, die ortsnah oder zumindest im Inland realisiert werden.92 Dieses „local bias“ lässt sich auf die spezifischen Bedürfnisse der Finanzierungsbeziehung zwischen Gründern und VC-Investoren zurückführen: Managementunterstützung und Überwachungsmaßnahmen lassen sich am besten „vor Ort“ durchführen.93 Die Konsequenz ist eine ausgeprägte lokale Konzentration des Venture Capital-Marktes, in den USA etwa im Silicon Valley.94 Um auch abseits solcher „Hubs“ finanzkräftige U.S.-Investoren zu akquirieren, sahen sich deutsche Wachstumsunternehmen (sog. Scale-ups) in der Vergangenheit mitunter gezwungen, eine Delaware Corporation als Holdinggesellschaft zu gründen (sog. „Delaware-Flip“).95 Empirische Analysen des ICOMarktes lassen den Schluss zu, dass der Finanzierungserfolg bei einem Token Sale weitaus weniger standortabhängig ist als im Venture Capital-Bereich.96 Die Erschließung des Kapitalmarktes trägt insofern zur Internationalisierung der Wagnisfinanzierung bei. 87
So lag die durchschnittliche Investorenanzahl erfolgreich durchgeführter ICOs einer Studie zufolge bei ca. 4.700, s. Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 15 (2021), verglichen mit ca. 122 Anlegern pro Crowdinvesting, s. Mollick, 29 J. Bus. Ventur. 1, 5 (2014). 88 Surowiecki, Wisdow of Crowds, S. 22. 89 Ähnlich mit Blick auf herkömmliche Schwarmfinanzierungen Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 257 f. 90 Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 45. 91 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 8. 92 Cumming/Dai, in: Cumming, Handbook of Venture Capital, S. 897 ff.; Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1087 (2003); Lerner/Nanda, 34 J. Econ. Perspect. 237, 249 (2020). 93 S. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 491 ff. m. w. Nachw. 94 Zu den spezifischen Bedingungen im Silicon Valley s. Kuntz, Gestaltung, S. 203 ff. 95 Hölzle/Spieß/Weitnauer, GWR 2018, 150 ff. 96 Gschnaidtner, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2 Rn. 41; Zetzsche/ Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 284 f. (2019).
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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III. Implizite Annahmen Die vorausgegangene Betrachtung hat offenbart, dass Token Sales das Potenzial innewohnt, die Kontrahierungschancen auf dem Finanzierungsmarkt zu erhöhen und so Geschäftsideen zur Realisierung zu verhelfen, die anderenfalls am fehlenden Kapitalzugang gescheitert wären. Dem liegen zwei interdependente Annahmen zugrunde, die es unter C. zu überprüfen gilt: Erstens, die durch den Verzicht auf Finanzintermediäre erreichte Kostenersparnis übertrifft den Mehrwert, den die Einbeziehung einer Zwischeninstanz geboten hätte. Anderenfalls wäre die Disintermediation ökonomisch ineffizient.97 Zweitens, ein funktionsfähiger Sekundärmarkt für Token existiert. Schon im Lichte der Erkenntnisse aus dem zweiten Kapitel bedarf es insofern der Relativierung.98 Wie sich im Weiteren zeigen wird, leidet der Token-Handel zudem unter strukturellen Defiziten.
C. Ökonomische Hemmfaktoren Die Hemmfaktoren, die Token Sales daran hindern, ihr ökonomisches Potenzial zu entfalten, sind im Bereich der Wagnisfinanzierung keineswegs unbekannt:99 Im Vorfeld der Kapitalbereitstellung beeinträchtigen Informationsdefizite die allokative Effizienz des Marktes (I.). Nach der Emission entstehen Prinzipal-Agent-Konflikte, welche die Rentabilität der Investition in Form von Agenturkosten gefährden (II.). Während sich insbesondere im Bereich der Venture Capital-Finanzierung privatautonome Bewältigungsmechanismen herausgebildet haben, stehen Token-Finanzierungen erst am Anfang einer solchen Entwicklung. Ob den aufgezeigten Funktionsdefiziten mit den Mitteln des Kapitalmarktrechts beizukommen ist, bedarf eingehender Prüfung.
I. Ex ante: Unsicherheit und Informationsasymmetrie Die Investitionsentscheidungen jedes rationalen Anlegers beruht auf einer Renditeprognose. Wie akkurat diese Prognose ausfällt, hängt davon ab, in welchem Umfang der Investor über Zugang zu relevanten Informationen verfügt und ob er in
97 Benston/Smith, 31 J. Finance 215 (1976); vgl. auch Hellwig, in: Giovannini/Mayer, Financial Integration, S. 35, 42 sowie mit Blick auf VC-Finanzierungen Schefczyk, Venture Capital, S. 61. 98 S. ausführlich 2. Kap. B.II.2.b)dd) und 2. Kap. C.IV. 99 Zur Universalität der nachfolgenden Probleme im Bereich der Frühphasenfinanzierung s. Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1076 f. (2003); Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 403 (2019).
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
der Lage ist, diese zutreffend auszuwerten.100 In frühen Finanzierungsphasen ist die Informationslage angesichts der ungewissen Entwicklung des finanzierten Unternehmens und aufgrund des strukturellen Informationsgefälles im Gründer-InvestorVerhältnis besonders prekär. Das gilt im Ausgangspunkt für Wagnisfinanzierungen jedweder Art.101 Infolge der Disintermediation erreicht das Informationsdefizit auf dem STO-Markt aber ein besonders gravierendes Ausmaß.102 1. Unsicherheit Von „Unsicherheit“ ist im ökonomischen Kontext die Rede, wenn es dem Entscheidungssubjekt unmöglich ist, die Eintrittswahrscheinlichkeit zukünftiger Entwicklungen zu bestimmen.103 Für die Renditeprognose des Token-Investors sind einerseits Informationen über das Finanzprodukt, andererseits Informationen über den Emittenten und die Qualität seiner Geschäftsidee relevant.104 Unsicherheit umgibt vor allem die Frage, ob das emittierende Unternehmen eine profitable Geschäftsidee verfolgt. Dies zu beantworten, fällt im Zusammenhang mit jungen Unternehmen schon deshalb schwer, weil es an Erfahrungswerten und aussagekräftigen Finanzdaten fehlt.105 Hinzu kommt, dass die durch Token Sales finanzierten Wagnisse häufig innovative, technisch komplexe Geschäftsideen verfolgen, beispielsweise im FinTech-Bereich. Diese zu verstehen und risikoadäquat zu bewerten, verlangt den Investoren nicht nur ein hohes Verständnisvermögen ab. Sie sehen sich auch mit den besonderen Unwägbarkeiten eines schnelllebigen Marktsegments konfrontiert.106
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Dies ist Ausdruck der begrenzten Rationalität des Entscheidungssubjekts, s. grundlegend Simon, 69 Q. J. Econ., 99 (1955); hierzu aus dem deutschen Schrifttum u. a. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 112 f. 101 Vgl. Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 157 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 44; Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1076 (2003); Trester, 22 J. Bank. Finance 675, 677 (1998). 102 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.65; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 93 f.; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 10; Fußwinkel/Kreiterling, BaFin Perspektiven 1/2018, 48, 64; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 654; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 354. 103 Grundlegend Knight, Risk, Uncertainty and Profit, S. 197 ff.; s. auch Voigt, Institutionenökonomik, S. 23; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 110 f. 104 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 93. 105 Ders., Initial Coin Offerings, S. 93; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 10; Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 74 (2018); Fisch, 34 J. Bus. Ventur. 1, 10 (2019); Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95; Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 4 (2020); s. im VC-Kontext auch Cumming/Johan, Venture Capital, S. 11; Gompers/ Lerner, VC Cycle, S. 157; Kuntz, Gestaltung, S. 44; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 229 f. 106 Vgl. Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 10; Adhami/ Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 65 (2018); Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 4 (2020).
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor Blockchain-basierter Finanzierungen ergibt sich aus der Volatilität des zur Verfügung gestellten Krypto-Kapitals. Hätte ein Anleger am 16. Februar 2021 im Rahmen eines Token Sales Ether investiert, hätte er vier Tage später feststellen müssen, dass die Kryptowährung um 17 % im Wert gestiegen ist.107 Die entgangene Möglichkeit, den Wertzuwachs durch einen Verkauf der Currency Token zu realisieren, stellt für den Investor Opportunitätskosten dar.108 Weitere drei Tage später, am 23. Februar 2021, war der Ether-Kurs um 18 % im Vergleich zum (hypothetischen) Investitionszeitpunkt gesunken.109 Daran zeigt sich, dass auch der Kapitalnehmer der Unsicherheit zukünftiger Währungsschwankungen ausgesetzt ist. Für solche marktseitig vermittelten Einflüsse – im ökonomischen Schrifttum spricht man von pekuniären Externalitäten110 – ist die Kapitalbeschaffung im Krypto-Ökosystem besonders anfällig.111 Ungewiss sind darüber hinaus die Fähigkeiten der Gründer. Von ihrem Knowhow, Einsatz und kaufmännischem Geschick hängt ab, ob und mit welchem Erfolg die Geschäftsidee in die Tat umgesetzt wird.112 Während Venture Capital-Investoren über die Ressourcen und Kapazitäten verfügen, derer es bedarf, um die Entwicklung und Anstrengung der Gründer aktiv zu fördern, sie anzuleiten und zu beraten,113 fehlt Token-Investoren jedwede Einflussmöglichkeit. 2. Informationsasymmetrie Dass die Wagnisfinanzierung mit einem hohen Maß an Unsicherheit einhergeht, macht Token Sales nicht per se zu einer ökonomisch ineffizienten Kapitalbeschaffungsmethode. Die Ungewissheit des unternehmerischen Erfolgs liegt in der Natur der Frühphasenfinanzierung und geht – positiv gewendet – mit der Chance auf substanzielle Wertsteigerungen einher. Zu Marktstörungen kann es aber kommen, wenn die Unsicherheit der Investition von ausgeprägten Informationsasymmetrien begleitet wird.114 Diese resultieren aus dem Umstand, dass die Kapitalnehmer über 107 Am 16. 2. 2021 (21:24 Uhr) betrug der Marktwert eines Ethers 1.430,50 EUR. Am 20. 2. 2021 (14:24 Uhr) ist der Kurs auf 1.675,33 EUR gestiegen, s. die Kursinformationen unter: https://coinmarketcap.com/de/currencies/ethereum/. 108 S. zum Begriff der Opportunitätskosten Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 58 f. 109 Am 23. 2. 2021 (12:54 Uhr) betrug der Marktwert eines Ethers 1.167,98 EUR, vgl. Fn. 107 und den dortigen Nachweis. 110 S. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 109. 111 Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 70 (2018); Matzke, Rethinking Law 4/ 2019, 54, 55 f. 112 Kuntz, Gestaltung, S. 44; Cumming, 20 J. Bus. Ventur. 573, 583 (2005); Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1077 (2003). 113 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 4; Kuntz, Gestaltung, S. 44; Schefczyk, Venture Capital, S. 35 ff. 114 Die grundlegenden Beiträge zum Verhalten bei asymmetrischer Information werden im ökonomischen Schrifttum teilweise unter dem Begriff der „Informationsökonomik“ zusam-
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
einen Informationsvorsprung gegenüber den Investoren verfügen.115 Sie können die Realisierbarkeit und das Marktpotenzial der Geschäftsidee sowie ihre eigenen Fähigkeiten besser einschätzen als jeder Außenstehende.116 Das Informationsgefälle erstreckt sich zudem auf das Anlageinstrument als solches. Das betrifft bei einem STO einerseits die Ausgestaltung der Ausgabebedingungen, andererseits den Code des Smart Contracts, der die Funktionsweise der emittierten Einheiten steuert.117 Zwar ist der Programmcode der Smart Contracts für jedermann einsehbar. Gerade komplexe Vollzugsmechanismen sind aber nur für Anleger mit entsprechenden Programmierkenntnissen nachvollziehbar, wodurch die Initiatoren hinsichtlich des sensiblen Bereichs der Leistungserfüllung über einen Informationsvorsprung verfügen. Da der Finanzierungserfolg maßgeblich von der Renditeprognose der Investoren abhängt (s. o.), besteht für die Kapitalnehmer ein Anreiz, negative Informationen zurückzuhalten oder zu beschönigen.118 Im Zusammenhang mit Token Sales ist dieses Verhaltensrisiko (sog. moral hazard) besonders präsent, weil die Kapitalbeschaffungsmethode klassischerweise auf nur eine Finanzierungsrunde ausgelegt ist. Die disziplinierende Wirkung eines Reputationsmarktes, wie er bei Außenfinanzierungen typischerweise besteht,119 entfällt somit.120 Insofern überrascht es nicht, dass eine vollumfängliche und unverfälschte Informationsweitergabe jedenfalls vor der aufsichtsrechtlichen Durchdringung des Emissionsgeschehens allzu häufig nicht stattfand:121 Die für Anleger als primäre Informationsquelle dienenden Dokumente ließen elementare Angaben regelmäßig vermissen. So enthielten einer empirischen Auswertung zufolge etwa rund 40 % der Angebotsmaterialien keine aussagekräftigen Finanzdaten.122 Eine Analyse der eingesetzten Smart Contracts durch Cohney et mengefasst, s. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 226 sowie mit einem umfassenden Überblick Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 93 ff.; Stiglitz, 115 Q. J. Econ. 1441 (2000). 115 Grundlegend für die Wagnisfinanzierung Leland/Pyle, 32 J. Finance, 371 (1977); s. auch Tirole, Corporate Finance, S. 237 ff. 116 Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 158; Schefczyk, Venture Capital, S. 58. 117 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 93 f. 118 S. nur Leland/Pyle, 32 J. Finance, 371 (1977). 119 S. grundlegend Diamond, 97 J. Polit. Econ. 828 (1989). 120 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 206; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 11; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 71; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95; Spindler, WM 2018, 2109, 2110. 121 Mit Blick auf freiwillig bereitgestellte Informationen in Whitepapers s. Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 67 ff. (2018); Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 287 (2019). Mit Blick auf die Programmierung von Smart Contracts Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 610 ff. (2019). Vgl. ferner aus dem deutschen Schrifttum Hoche/Lerp, in: Kunschke/Schaffelhuber, FinTech, Teil VI Rn. 7; Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 10; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95; Spindler, WM 2018, 2109, 2110; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 354; Zickgraf, AG 2018, 293, 298. 122 Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 287 (2019).
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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al. deckte zudem auf, dass der Programmcode der Ausgabesoftware die Versprechungen aus den Whitepapers in zahlreichen Fällen nicht implementierte.123 Derart desinformiert fällt es Token-Investoren schwer, gute von schlechten Angeboten zu unterscheiden und ihre Zahlungsbereitschaft entsprechend anzupassen. Dabei kommt erschwerend zum Tragen, dass für Token-Emissionen kein etabliertes Preisbildungsverfahren existiert. Die Emittenten legen den Ausgabepreis vielmehr einseitig nach dem Prinzip „take it or leave it“ fest.124 Skeptische Bewertungen besser informierter Marktakteure wirken sich daher von vornherein nicht auf den TokenPreis aus.125 Die tradierte mittlere Markteffizienzhypothese, wonach der Marktpreis alle öffentlich verfügbaren Informationen widerspiegelt,126 bewahrheitet sich mit Blick auf den Token-Primärmarkt somit nicht. 3. Adverse Selektion Das prekäre Informationsniveau auf dem Token-Markt lässt sich durch den Effekt der adversen Selektion (sog. Negativauswahl oder lemons-Problem)127 erklären:128 Investoren sind außerstande, ehrliche von unehrlichen Emittenten zu unterscheiden. Ihre Zahlungsbereitschaft orientiert sich daher an der durchschnittlichen Qualität der am Markt verfügbaren Angebote, wobei sich das Risiko wahrheitswidriger Information in einem Preisabzug niederschlägt.129 Das hat zur Konsequenz, dass aufrichtige Emittenten systematisch geringere Erlöse erzielen, als es ihnen in einem Markt ohne Informationsasymmetrien möglich wäre. Ehrliche Emittenten „subventionieren“ mit anderen Worten die unehrlichen.130 Wollen die Qualitätsemittenten die systembedingte Unterbewertung ihrer Token vermeiden, bleibt ihnen nichts anderes, als den Markt zu verlassen. Das wiederum setzt eine negative Preisspirale in
123
Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 639 (2019). S. schon 2. Kap. E.II. 125 Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 11; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95. Zu den unabhängig von Informationsdefiziten bestehenden Bewertungsproblemen im Zusammenhang mit Security Token s. Gaberle/Kühn, in: Omlor/ Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 4 Rn. 65 ff.; Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 208 f. (2020). 126 Grundlegend: Fama, 25 J. Finance 383 (1970). Vgl. ferner Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 57 f. 127 S. grundlegend Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 (1970). 128 So auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 94. 129 Vgl. Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488, 489 (1970); Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, 132 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 175. 130 Schmolke, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, § 5 Rn. 275; Black, 48 UCLA L. Rev. 781, 786 f. (2001); Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 602 (1984). 124
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Gang, die sich – sofern keine marktseitige Reaktion oder regulatorische Intervention folgt – fortsetzt, bis der Emissionsmarkt zum Erliegen kommt.131 4. Irrationaler Überschwang Angesichts dieser eklatanten Informationsdefizite stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb Anleger ab Mitte des Jahres 2017 gleichwohl zu Scharen in Token investierten – und warum sie kaum ein Jahr später das Interesse an der neuen Assetklasse verloren zu haben schienen.132 a) Verhaltensökonomik – Konzept und Kritik Einen möglichen Erklärungsansatz liefert die Verhaltensökonomik.133 Wegbereiter dieser noch vergleichsweise jungen Forschungsrichtung war Herbert Simon, der den Paradigmenwechsel – weg vom neoklassischen Idealtypus des homo oeconomicus134, hin zum Leitbild der begrenzten Rationalität – einleitete.135 Die Verhaltensökonomik hat durch ihren empirisch-experimentellen Ansatz die Finanzmarktforschung dafür sensibilisiert, dass Anleger systematisch auf Heuristiken zurückgreifen und Urteilsverzerrungen unterliegen.136 Die Vorhersagekraft des Forschungszweigs wird im ökonomischen Schrifttum allerdings bisweilen in Frage
131 Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 137; Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 602 (1984); vgl. ausführlich im ICO-Kontext auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 93 ff. 132 Vgl. Gschnaidtner, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2 Rn. 38; Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 290 f. (2019). 133 Zur Entstehungsgeschichte und den theoretischen Grundlagen des Forschungsfeldes aus ökonomischer und juristischer Perspektive s. Gilovich/Griffin, in: Gilovich/Griffin/Kahnemann, Heuristics and Biases, S. 1 ff.; Sunstein/Jolls/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471 (1998) sowie aus dem deutschsprachigen Schrifttum Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 59 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, S. 90 ff.; Kumpan, Interessenkonflikt, S. 70 f.; Englerth/Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, § 8 Rn. 484 ff.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 ff. 134 Hierzu Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 29 ff.; Towfigh, in: Towfigh/ Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, § 2 Rn. 69 ff. Das Modell des rationalen Nutzenmaximierers liegt auch der Markteffizienzhypothese zugrunde, vgl. Fn. 126 sowie Klöhn, Kapitalmarkt, S. 84 ff. 135 S. Fn. 15 sowie Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 55. Neben begrenzter Rationalität gehören zu den theoretischen Grundpfeilern der Verhaltensökonomik „begrenzte Willenskraft“ und „begrenztes Eigeninteresse“, s. Sunstein/Jolls/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1477 ff. (1998). 136 Den Grundstein für die heuristics and biases-Forschung legten Tversky/Kahnemann, 185 Science 1124 (1974). S. ausführlich zur Herausbildung der verhaltenswissenschaftlichen Finanzmarktforschung Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 130 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, S. 80 ff.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 145 ff.
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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gestellt.137 So mangelt es nicht an Versuchen, empirisch belegte Abweichungen vom Idealverhalten zu rationalisieren.138 Zudem fuße das Forschungsfeld auf Laborexperimenten, deren Ergebnisse sich auf die Lebenswirklichkeit nicht übertragen ließen.139 Da die kognitiven Verzerrungen Einzelner im Massenverkehr mal in die eine, mal in die andere Richtung wirkten, sei an der Markteffizienzhypothese festzuhalten.140 Bei näherer Betrachtung erscheint diese Kritik nur bedingt stichhaltig. Gerade die empirische Erforschung des Kapitalmarktgeschehens hat dazu beigetragen, Verhaltensweisen vorherzusagen, für die sich kein rationales Narrativ konstruieren lässt.141 Ebenso wenig trifft es zu, dass sich Anomalien auf der Makroebene verflüchtigten, denn sie treten systematisch auf,142 und zwar sowohl bei privaten Akteuren als auch – in moderaterer Ausprägung – bei professionellen Anlegern.143 Gerade im Hinblick auf die hier interessierenden Marktphänomene stellt die Verhaltensökonomik daher eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Finanzierungstheorie dar.144 b) Erklärungsansätze für die Blasenbildung auf dem Token-Markt Die Erkenntnisse der Verhaltensökonomik machte sich Robert Shiller zu eigen, um das Entstehen von Spekulationsblasen zu beschreiben.145 Die Facetten dieses Phänomens, die Shiller unter dem Begriff „irrationaler Überschwang“146 zusammenfasst, scheinen sich auch im ICO-Hype der Jahre 2017/2018 widerzuspiegeln.147 Empirisch gesicherte Erkenntnisse bezüglich des Auftretens und der Ausprägung der nachfolgend zu erläuternden Effekte existieren für den Token-Markt indes noch nicht. Die weiteren Ausführungen stehen daher unter dem Vorbehalt der noch aus137 Eine detaillierte Zusammenfassung der einzelnen Kritikpunkte findet sich bei Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 125 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, S. 140 ff. 138 S. u. a. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 128 ff.; Fama, 49 J. Fin. Econ. 283, 297 ff. (1998); Mitchell, 43 Wm. & Mary L. Rev. 1907, 1945 ff. (2002); Posner, 50 Stan. L. Rev. 1551, 1553 ff. (1998). 139 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 130 ff.; Mitchell, 43 Wm. & Mary L. Rev. 1907, 1979 (2002); Posner, 50 Stan. L. Rev. 1551, 1570 (1998). 140 Fama, 49 J. Fin. Econ. 283 (1998). 141 S. nur Klöhn, Kapitalmarkt, S. 147 m. w. Nachw. Vgl. ferner die Hinweise unter b). 142 Hierauf hinweisend Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 131. 143 Hierfür finden sich in der empirischen Forschung etliche Belege, vgl. ders., Verhaltensökonomik und Normativität, S. 132 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, S. 124; Koehler/Brenner/ Griffin, in: Gilovich/Griffin/Kahnemann, Heuristics and Biases, S. 686 ff. jew. m. w. Nachw. 144 Zum Nebeneinander der Theorienströmungen vgl. Klöhn, Kapitalmarkt, S. 144. 145 Shiller, Irrational Exuberance, passim, insb. S. 130 ff.; ders., 17 J. Econ. Perspect. 83, 90 ff. (2003). 146 Der Begriffsschöpfer war indes nicht Shiller selbst, sondern Alan Greenspan, seinerzeit Vorsitzender der U.S.-Notenbank, s. hierzu Shiller, Irrational Exuberance, S. 3 f. 147 Vgl. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 648 ff. (2019); Sherman, 107 GLJ Online 17, 24 ff. (2018).
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
stehenden empirischen Aufarbeitung. Sie sollen mögliche Erklärungsansätze aufzeigen und sind insofern rein präsumtiver Natur. aa) Noise traders Shiller zufolge sind sogenannte Feedback-Loops für die Wechselwirkungen verantwortlich, die auf den Kapitalmärkten zur Blasenbildung führen.148 Anfängliche Kursanstiege, die beispielsweise durch eine positive Berichterstattung ausgelöst worden sind, wecken die Erwartung, die Nachfrage werde weiterhin zunehmen. Das wiederum hat zusätzliche Kurssprünge zur Folge und setzt einen selbstverstärkenden Prozess in Gang.149 Auf dem ICO-Markt waren es vor allem die frühen Erfolge von Token Sales wie dem von Tezos und Filecoin im Laufe des Jahres 2017,150 durch welche die Finanzierungsmethode in das Bewusstsein von Anlegern und Initiatoren drang. Dabei könnte ein als Representativitätsheuristik (representativeness heuristic) bezeichneter Prognosefehler die kollektive Erwartung geschürt haben, künftige Emissionen würden eine mindestens ebenso große Nachfrage hervorrufen.151 Diese Heuristik beschreibt die Tendenz, einen meist leicht wahrnehmbaren152 Einzelfall (hier: der Erfolg früher ICOs) als repräsentativ für eine ganze Klasse von Fällen zu erachten.153 Anleger scheinen geglaubt zu haben, in der ausgeprägten Token-Nachfrage einen Trend zu erkennen, den sie offenbar unter keinen Umständen verpassen wollten (sog. trend chasing).154 Zu der Anlagebereitschaft dieser Investoren könnte darüber hinaus der sogenannte house money effect beigetragen haben.155 Dieser besagt, dass Anleger bereit sind, mit unverhofften Gewinnen (sog. windfall profits) größere Risiken einzugehen
148
Shiller, Irrational Exuberance, S. 60 ff.; ders., 17 J. Econ. Perspect. 83, 91 ff. (2003); s. auch Roehner/Sornette, 16 Eur. Phys. J. B 729, 731 ff. (2000) S. grundlegend zum positive feedback trading zuvor bereits DeLong/Shleifer/Summers u. a., 45 J. Finance 379 (1990). 149 Shiller, Irrational Exuberance, S. 61 f.; ders., 17 J. Econ. Perspect. 83, 91 (2003). 150 Mit Hintergründen zu Filecoin s. Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3964 ff.; zu Tezos s. Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 270 (2019) (Fn. 9). 151 Dem liegt das Prinzip adaptiver Erwartungen zugrunde, vgl. Shiller, Irrational Exuberance, S. 60 unter Verweis auf Barberis/Shleifer/Vishny, 49 J. Fin. Econ. 307, 315 f. (1998). 152 Dies steht im Zusammenhang mit der sog. Verfügbarkeitsheuristik, s. hierzu Tversky/ Kahnemann, 185 Science 1124, 1127 f. (1974) sowie die Ausführungen im Text bei Fn. 168. 153 Grundlegend Tversky/Kahnemann, 185 Science 1124 ff. (1974). S. hierzu auch Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 94 f. 154 Vgl. DeLong/Shleifer/Summers u. a., 45 J. Finance 379 (1990). 155 Vgl. zur Rolle des house money effect als Investitionsbeweggrund Shiller, Irrational Exuberance, S. 56 f.
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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als mit ihrem übrigen Vermögen.156 Solche Zufallsgewinne hatten zuvor etliche Token-Investoren durch die Kursrallye der Kryptowährungen Bitcoin und Ether erzielt. Den Risikoappetit zahlreicher Anleger dürfte dies nicht unerheblich angeregt haben.157 Die anfängliche Überreaktion (sog. short-term momentum)158 des ICO-Primärmarktes scheint zudem ein regelrechtes Herdenverhalten159 unter den Anlegern ausgelöst zu haben.160 Der herding-Effekt basiert auf Informationskaskaden:161 Der Anlageentschluss früher Investoren setzt sich in dem Entscheidungsverhalten der Nachzügler fort, weil diese annehmen, die Erstgenannten hätten auf Grundlage überlegener Informationen investiert.162 Dieser Imitationsprozess scheint auf dem ICO-Markt in verschiedenerlei Hinsicht verstärkt – mitunter gar provoziert – worden zu sein.163 So sind Anlageempfehlungen vor allem in der Frühphase des Finanzierungsphänomens vorwiegend über private Informationskanäle und Messenger-Dienste wie Telegram verbreitet worden.164 Hierzu trug nicht zuletzt der Umstand bei, dass einige Initiatoren für das Werben neuer Anleger Preisnachlässe, sog. referral bonuses, versprachen.165 Da Individuen dazu neigen, interpersonal kommunizierten Informationen besonderes Gewicht beizumessen,166 dürften die von den frühen Investoren ausgehenden Investitionssignale für die Anlegerschaft besonders salient gewesen sein und zu einer lauffeuerartigen Verbreitung des „Geheimtipps“ geführt haben. 156 Grundlegend Thaler/Johnson, 36 Mgmt. Sci. 643 (1990). Es handelt sich dabei um einen Unterfall des mental accounting, s. hierzu Klöhn, Kapitalmarkt, S. 98. 157 Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 654 (2019). 158 Grundlegend Bondt/Thaler, 40 J. Finance 793 (1985). S. hierzu auch Klöhn, Kapitalmarkt, S. 111 f. m. w. Nachw. zum ökonomischen Schrifttum. 159 Grundlegend zum Herding s. Banerjee, 107 Q. J. Econ. 797 (1992). Mit Blick auf herding-Effekte auf dem Kapitalmarkt s. Klöhn, Kapitalmarkt, S. 124 ff. 160 Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 11; Cai/Gomaa, 22 J. Priv. Equity 93, 94 (2019); Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95; vgl. auch Panin/ Kemell/Hara, in: Hyrynsalmi/Suoranta/Nguyen-Duc u. a., Software Business, S. 237, 245: „Seeing other investors choose to invest into a new ICO can encourage potential investors who may otherwise be on the fence about doing so.“ 161 Banerjee, 107 Q. J. Econ. 797 (1992); Bikhchandani/Hirshleifer/Welch, 12 J. Econ. Perspect. 151 (1998); s. aus dem deutschsprachigen Schrifttum hierzu Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 103 f. 162 Bikhchandani/Hirshleifer/Welch, 12 J. Econ. Perspect. 151, 154 (1998). 163 Überblicksartig hierzu auch Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95 f. 164 Amsden/Schweizer, Are Blockchain Crowdsales the New „Gold Rush“?, S. 19; Panin/ Kemell/Hara, in: Hyrynsalmi/Suoranta/Nguyen-Duc u. a., Software Business, S. 237, 246. 165 S. Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 96 u. a. zu der Frage, ob in derartigen Empfehlungen nach deutschem Recht eine gem. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung zu erblicken ist (s. dort Fn. 55). 166 Kuran/Sunstein, 51 Stan. L. Rev. 683 (1999); s. hierzu aus dem deutschsprachigen Schrifttum Klöhn, Kapitalmarkt, S. 124.
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Durch plakative Werbekampagnen auf Social Media-Plattformen scheinen sich einige Initiatoren zudem die sogenannte Verfügbarkeitsheuristik zunutze gemacht zu haben.167 Diese beschreibt die menschliche Tendenz, bei der Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses leicht verfügbare und dadurch mental präsente Informationen überproportional ins Kalkül zu ziehen.168 Das könnte erklären, weshalb Nutzer, denen die Anpreisungen der neuen Assetklasse auf den einschlägigen Plattformen allgegenwärtig erscheinen musste, offenbar besonders häufig in Token investierten.169 Die Sogwirkung, die von derartigen Marketingmaßnahmen vor allem auf unerfahrene Investoren ausgeht,170 könnte zudem durch den sogenannten framing effect verstärkt worden sein. Dieser beschreibt den Umstand, dass nicht nur der Inhalt einer Information, sondern auch der Kontext, in welchem sie eingebettet ist, das menschliche Entscheidungsverhalten beeinflusst.171 Die Berichterstattung über die Blockchain-Technologie im Allgemeinen und über Token Sales im Besonderen war von einem „new era“-Narrativ172 geprägt: Die Technologie eröffne nie da gewesene (Rendite-)Möglichkeiten; Token Sales seien die Finanzierungsmethode der Zukunft.173 In zahlreichen Fällen dürfte dies die selektive Beurteilung der Anlageklasse begünstigt haben, wobei die wahrgenommenen Chancen anscheinend überbetont, die Risiken vernachlässigt wurden.174 Die auf künstlichen Zeitdruck („false urgency“) ausgelegten Auktionsverfahren dürften das Übrige dazu beigetragen haben, dass sich zahlreiche Investoren, ohne einen zweiten Gedanken zu verschwenden, der „Anlegerherde“ anschlossen.175 Die so zustande gekommene Informationskaskade scheint unabhängige Investitionsentscheidungen des Anlegerkollektivs verhindert zu haben.176 Statt der 167 S. zu derartigen Marketing-Aktivitäten Panin/Kemell/Hara, in: Hyrynsalmi/Suoranta/ Nguyen-Duc u. a., Software Business, S. 237, 245 f. 168 Tversky/Kahnemann, 185 Science 1124, 1127 f. (1974); s. aus dem juristischen Schrifttum Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 93 f. 169 Vgl. Cai/Gomaa, 22 J. Priv. Equity 93, 94 (2019). 170 Selbstredend sind auch professionelle Anleger nicht vor derartigen Urteilsverzerrungen gefeit, s. Fn. 143. 171 Tversky/Kahnemann, 211 Science 453 (1981); s. auch Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 101 ff. und Kumpan, Interessenkonflikt, S. 72 m. w. Nachw. 172 Vgl. hierzu im Kontext des Aktienmarktes Shiller, Irrational Exuberance, S. 96 ff. 173 Vgl. Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 287. 174 Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 22 (2021). 175 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 71; Cai/Gomaa, 22 J. Priv. Equity, 93 (2019); Klöhn/ Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95. Zu den verschiedenen Spielarten dieser Verfahren s. Nyffenegger/Schär, CF 2018, 121, 123 ff. 176 Vgl. zu dieser Voraussetzung informierter Kollektiventscheidungen oben unter B.II. Ob sich die Anlegerschaft heterogen zusammensetzt, ist, soweit ersichtlich, empirisch noch nicht nachvollzogen worden. In der medialen Berichterstattung werden Token-Investoren als „technikaffine junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren“ beschrieben, s. Graf, Sind Security Token Offerings besser als ICOs?, 26. 03. 2019, abrufbar unter: https://tinyurl.com/7nj8xvyy, Zitat dort von Philipp Sandner. Träfe dies zu, bestünden Parallelen zur demographischen
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„Weisheit der Vielen“ haben offenbar noise traders177 das Marktgeschehen bestimmt und dafür gesorgt, dass sich die Token-Preise zunehmend von ihren Fundamentalwerten entfernten. Allem Anschein nach trieb die Investoren dabei nicht die akkurate Bewertung vielversprechender Projekte, sondern „irrationaler Überschwang“ in die Anlageklasse.178 bb) Professionelle Spekulanten Von den stimmungsorientierten, oftmals privaten Klein- und Kleinstanlegern sind professionelle Händler zu unterscheiden, die den Anlagetrend antizipiert zu haben scheinen.179 Für sie kann es vollkommen rational gewesen sein, der Herdenbewegung durch großvolumige Investitionen zuvorzukommen, obwohl ihnen die zweifelhafte Qualität zahlreicher Angebote womöglich deutlich vor Augen stand (sog. rational trend-chasing oder rational herding).180 Das Kalkül der (besser) informierten Markseite beruhte dabei anscheinend auf der Erwartung, die Anlageklasse auf dem Zenit der Preisentwicklung vor allen anderen über den Sekundärmarkt wieder verlassen zu können. Diese trading-Strategie dürfte zur rasanten Nachfrageentwicklung auf dem Token-Markt entscheidend beigetragen haben. Institutionelle Investoren könnten dabei aufgrund der vielfach im Rahmen eines Pre-Sales eingeräumten Rabatte in doppelter Hinsicht von der aufgeheizten Marktlage profitiert haben.181 cc) Zwischenergebnis Die sich wechselseitig verstärkende Beteiligung privater und professioneller Investoren scheint nach alledem ein wesentlicher Faktor für das Entstehen der Spekulationsblase182 in den Jahren 2017 – 2018 gewesen zu sein.183 Unter ihrem
Zusammensetzung der Anlegerschaft bei herkömmlichen Crowdinvestings, s. hierzu Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 52; Schulz, Crowdinvesting, S. 64 unter Verweis auf einen Bericht des Bundesministeriums der Finanzen aus dem Jahr 2016. 177 Als solche werden uninformierte Marktteilnehmer bezeichnet, s. Black, 41 J. Finance 529, 531 (1986): „Noise trading is trading on noise as if it were information. People who trade on noise are willing to trade even though from an objective point of view they would be better off not trading. Perhaps they think the noise they are trading on is information.“ Hierzu auch Klöhn, Kapitalmarkt, S. 46 f. 178 Gschnaidtner, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 2 Rn. 13; Anson, 21 J. Priv. Equity 41, 50 (2018). 179 Vgl. zu den unterschiedlichen Adressaten eines Token-Angebots Koch, ZBB 2018, 359, 361. 180 Vgl. Devenow/Welch, 40 Eur. Econ. Rev. 603 (1996) mit einem Literaturüberblick zum rational herding. Anzeichen für dieses Phänomen ließen sich auch auf dem Markt für konventionelle Crowdinvestings ausmachen, s. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 55 f. m. w. Nachw. 181 Zur Gewährung von „Frühzeichnerrabatten“ s. 2. Kap. E.II. 182 Zur Definition s. Roehner/Sornette, 16 Eur. Phys. J. B 729, 730 (2000).
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Einfluss war es auch unprofitablen Unternehmen und betrügerischen Initiatoren möglich, erhebliche Summen einzuwerben. Zahlreiche Anleger wurden auf diese Weise um ihr Investment gebracht, wobei private und unerfahrene Investoren, denen es nicht gelang, ihre Token-Positionen rechtzeitig abzustoßen, besonders häufig betroffen gewesen zu sein scheinen.184 Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass das unweigerliche Platzen der Spekulationsblase das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Token-Marktes nachhaltig erschüttert hat.185 5. Unzulängliche Eindämmung durch kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten Auf die Gefahren, die aus der asymmetrischen Informationsverteilung resultieren, reagiert das Kapitalmarktrecht mit Offenlegungspflichten.186 Hiervon sind – wie im zweiten Kapitel überblicksartig dargestellt – auch die Emittenten von Security Token betroffen. Hintergrund des Regulierungsansatzes ist das Informationsmodell: Das zwingende Bereitstellen bewertungsrelevanter Informationen soll die Anleger befähigen, informierte Investitionsentscheidungen zu treffen und so die negative Preisspirale zu durchbrechen, die anderenfalls zum Marktkollaps führt (s. C.I.3.).187 Doch kann der Token-Markt angesichts seiner regulatorischen Durchdringung bereits als kuriert gelten? Stimmen aus dem Schrifttum erheben zu Recht Zweifel.188 Mit Blick auf die Prospektpflicht gem. Art. 3 Prospekt-VO konzentriert sich der Diskurs auf drei Kritikpunkte. Erstens geht mit dem Billigungsprozess durch die Finanzmarktaufsicht keine Verifizierung der bereitgestellten Informationen geschweige denn eine inhaltliche Bewertung der Anlagemöglichkeit einher.189 Gem. Art. 9 Abs. 8 UAbs. 2 ProspektVO prüft die zuständige Behörde den vorgelegten Prospekt lediglich auf Kohärenz, Vollständigkeit und Verständlichkeit hin.190 Die materielle Richtigkeit der offen183
Sherman, 107 GLJ Online 17, 24 ff. (2018); Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 290 f. (2019). 184 Vgl. Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 438 (2019): „The elderly, the ignorant, and the unwary may be seduced by the unscrupulous – and these individuals have much more to lose precisely because they have much less to lose.“ (Kursivsetzung im Original). 185 Vgl. allg. zu den negative Allokationseffekten der Blasenbildung Klöhn, Kapitalmarkt, S. 74. 186 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 306 ff.; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 54 ff. 187 Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 395; Merkt, ZfbF Sonderheft 55/06, 24. 188 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 194 ff.; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 23 f. 189 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 203; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 23; Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54. 190 Vgl. Schlitt/Ries, in: Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht, Art. 9 Prospekt-VO Rn. 13.
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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gelegten Informationen wird somit nicht schon im Zuge des Billigungsprozesses abschließend festgestellt, sondern erst im Rahmen eines etwaig folgenden Haftungsprozesses.191 Das behördliche Verfahren befreit Anleger mithin weder von der Notwendigkeit, die Qualität der Kapitalanlagemöglichkeit kritisch zu hinterfragen, noch bietet sie eine Gewähr für die Richtigkeit der verfügbar gemachten Informationen. Zweitens, so eine verbreitete Kritik, sind die Pflichtangaben des Wertpapierprospektes nicht auf die Spezifika eines Token Sales zugeschnitten, weshalb sie sich a priori nur bedingt als Beurteilungsgrundlage für Anleger eignen.192 Die in den Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben ergeben sich gem. Art. 13 Abs. 1, 44 Prospekt-VO aus der delegierten Verordnung zur Ergänzung des Rechtsaktes (Prospekt-DVO)193. Die konkreten Inhalte geben die Anhänge zur Prospekt-DVO vor, wobei je nach Art der fraglichen Emission und der Emittenten-Kategorie unterschiedliche Zuordnungen zu berücksichtigen sind. Initiatoren, die der KMU-Definition unterfallen, können sich gem. Art. 15 Abs. 1 lit. a) Prospekt-VO für einen EUWachstumsprospekt entscheiden,194 dessen obligatorischen Inhalte dem frühen Entwicklungsstadium des emittierenden Unternehmens Rechnung tragen. Angaben zu den spezifischen Rahmen- und Ausgabebedingungen, von denen ein rationaler Token-Investor seine Anlageentscheidung abhängig machen würde, finden aber auch in diesem Fall keinen zwingenden Einlass in den Prospekt. So erfährt ein Investor auf Grundlage des Prospekts etwa nicht, welche technische Infrastruktur dem Token Sale zugrunde liegt, wie der Programmcode des Smart Contracts ausgestaltet ist und welche Wechselkursrisiken mit der Bereitstellung und Ausschüttung von Kryptowährungen einhergehen.195 Unklar bleibt darüber hinaus, ob und in welchem Umfang eine vorherige Privatplatzierung stattgefunden hat und bis wann mit dem Listing der Token an einer Kryptobörse zu rechnen ist.196 Uneingeschränkten Zuspruch verdient vor diesem Hintergrund die Forderung nach einem neuen Inhaltskatalog, der den
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Wolf, Initial Coin Offerings, S. 203. Ders., Initial Coin Offerings, S. 198 ff.; Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 574; Hacker/ Thomale, ECFR 2018, 645, 692 f.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104; Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54; relativierend Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 23 f. 193 Delegierte Verordnung (EU) 2019/980 der Kommission v. 14. 03. 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Aufmachung, des Inhalts, der Prüfung und der Billigung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission (Prospekt-DVO), ABl. 2019 L 166, 26. 194 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 189 f.; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 23. 195 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 201; Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 574; Klöhn/ Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104; Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54 ff.; Spindler, WM 2018, 2109, 2115. 196 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 201 f.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104. 192
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
spezifischen Bedingungen der Token-Finanzierung prononciert Rechnung trägt.197 Eine entsprechende Sonderregelung existiert mit § 4 Abs. 3a WpPG bislang nur für prospektbefreite Token-Angebote, für die ein Wertpapier-Informationsblatt zu veröffentlichen ist.198 Drittens fehlt es dem STO-Ökosystem an professionellen Marktteilnehmern und Informationsmittlern, die über die analytischen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen verfügen, um die offengelegten Informationen sachgemäß zu würdigen.199 Auf dem traditionellen Kapitalmarkt werten institutionelle Investoren die Emissionsprospekte aus und lassen ihre Beurteilung über einen Preisbildungsmechanismus wie das Bookbuilding-Verfahren in den Ausgabepreis einfließen.200 Hiervon profitieren mittelbar auch die weniger informierten Privatanleger.201 Auf dem TokenMarkt scheitert diese marktseitige Preiskontrolle zum einen daran, dass die Initiatoren den Ausgabepreis der Token einseitig festlegen (s. o.). Zum anderen richtet sich der Token Sale als solcher vorrangig an Kleinanleger, während professionelle Investoren in früheren Finanzierungsrunden oder im Rahmen einer Privatplatzierung zum Zuge kommen.202 Darüber hinaus kommt auf den konventionellen Finanzmärkten Anlageberatern, Banken, Rating-Agenturen, der Wirtschaftspresse und weiteren Informationsmittlern die Aufgabe zu, öffentlich verfügbare Informationen zu analysieren, zu bündeln und den Anlegern in verständlicher Weise zugänglich zu machen.203 Die Komplexität und schiere Menge dieser Angaben übertrifft nicht nur die kognitive Verarbeitungskapazität des durchschnittlichen Kleinanlegers.204 Für ihn kann die Suche nach entscheidungserheblichen Informationen auch ökonomisch ineffizient sein, weil die erforderlichen Such- und Informationskosten eine prohibitive Höhe erreichen. Übernehmen professionelle Informationsmittler diese Aufgabe, profitieren Anleger
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Mit konkreten Vorschlägen insoweit etwa Wolf, Initial Coin Offerings, S. 331 ff.; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 692 ff.; Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54 ff. 198 S. 2. Kap. D.I. 199 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 202; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104. 200 Vgl. Kuntz, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 8 Rn. 126 ff.; Klöhn/ Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104. 201 Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 104. 202 Dies., ZBB 2018, 89, 104; vgl. zum parallel gelagerten Problem bei konventionellen Schwarmfinanzierungen Klöhn, ZIP 2017, 2125, 2128 f. 203 Leyens, Informationsintermediäre, S. 12 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 417 ff.; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 320 f.; Päßler, Informationsintermediation, S. 19 ff.; Merkt, ZfbF Sonderheft 55/06, 24, 41; Paredes, 81 Wash. U. L. Rev. 417, 452 ff. (2003). 204 Dieses Problem wird im ökonomischen und juristischen Schrifttum unter dem Stichwort information overload diskutiert, s. hierzu ausführlich Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 429 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, S. 185 ff.; Paredes, 81 Wash. U. L. Rev. 417 (2003).
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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von Skalen- und Verbundeffekten (economies of scale and scope).205 Auf dem STOMarkt greifen solche Intermediäre erst allmählich Fuß, sodass Anleger bei der Analyse eines Token-Angebots weitestgehend auf sich allein gestellt bleiben (hierzu sogleich unter C.I.6.a)). Vor diesem Hintergrund steht zu erwarten, dass die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten nicht genügen werden, um das strukturelle Informationsgefälle auf dem Token-Markt zu kompensieren. In den Vordergrund rückt damit die Frage nach den Bewältigungsstrategien des Marktes. 6. Bewältigungsstrategien des Marktes und ihre Limitationen Auf Märkten mit ausgeprägten Informationsasymmetrien haben sich Institutionen herausgebildet, die dem Problem der adversen Selektion entgegenwirken. Das ökonomische Schrifttum unterscheidet den Informationsbeschaffungsansatz (screening) und den Informationsübertragungsansatz (signaling).206 a) Screening, insbesondere durch Finanzintermediäre Im Screening-Modell baut die uninformierte Markseite Informationsdefizite ab, indem sie Nachforschungen anstellt und ungesicherte Informationen überprüft.207 Auf dem Token-Markt verfügen Anleger im Falle einer Direktemission allerdings über äußerst begrenzte Möglichkeiten, die zur Verfügung gestellten Informationen zu verifizieren.208 Jedenfalls privaten Investoren fehlen in der Regel die Fähigkeiten und Mittel, derer es für eine umfassende Informationsbeschaffung bedürfte.209 Zudem besteht ein Trittbrettfahrerproblem: Für den individuellen Anleger steht der ihm zuteilwerdende Vorteil des Informationsgewinns im eklatanten Missverhältnis zu den erforderlichen Kosten.210 Warum also sollte er diese Kosten zum Wohle der anderen Investoren auf sich nehmen?211 Ein kollektiver Versuch, das Emissionsan205
Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 423; Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 600 (1984), s. dort insbesondere Fn. 146 zum produktionstheoretischen Hintergrund der Begrifflichkeit. 206 Stiglitz, 115 Q. J. Econ. 1441, 1452 (2000); vgl. ferner Göbel, Neue Institutionenökonomik, S. 170 ff. 207 Grundlegend Stiglitz, 65 Am. Econ. Rev. 283 (1975); mit Blick auf den Kapitalmarkt Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 603 (1984). 208 Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 10; Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 4 ff. (2020). 209 Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 4 (2020); vgl. zu den parallel gelagerten Erkenntnishürden bei konventionellen Crowdinvestings Schedensack, Crowdinvesting, S. 188 ff. 210 Das gilt insbesondere für Kleinstanleger, vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 193 f. 211 S. grundlegend zum Trittbrettfahrerproblem im Kontext der Informationsbeschaffung Diamond, 51 Rev. Econ. Stud. 393, 394 (1984). S. spezifisch zu Token Sales Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 6 (2020).
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
gebot zu durchleuchten, scheitert zudem an den Koordinierungsproblemen der verteilten Anlegerschaft.212 Das führt dazu, dass entsprechende Bemühungen von Seiten der Token-Investoren von vornherein unterbleiben. Aus derartigen Informationshindernissen und den damit einhergehenden Kosten schöpfen in der ökonomischen Theorie Finanzintermediäre ihre Daseinsberechtigung.213 Indem sie öffentliche Angaben überprüfen und nach verdeckten Informationen suchen, sind sie in der Lage, den Informationsvorsprung der Emittenten zu nivellieren.214 Investoren schenken ihnen Vertrauen, weil sie als sogenannte repeat players215 wiederkehrend am Markt auftreten und daher einen starken Anreiz haben, Reputationsschäden zu vermeiden.216 Durch ihren Einsatz sinken die Informationsund Suchkosten, die jeder Investor für eine rationale Anlageentscheidung aufwenden müsste.217 Übersteigt dieser Kostenvorteil die Transaktionskosten der Intermediation, ist die Einbeziehung der zentralen Instanz ökonomisch vorteilhaft, sodass im Ergebnis mehr Kapitalanbieter und -nachfrager zusammenfinden.218 Im Bereich der konventionellen Wagnisfinanzierung nehmen Venture CapitalGesellschaften die Rolle des Finanzintermediärs ein.219 Vor einer Investitionsentscheidung unterziehen sie das finanzierungsuchende Unternehmen einer eingehenden Due Diligence-Prüfung.220 Dabei profitieren die Kapitalgeber von der Expertise und Erfahrung der Portfoliomanager.221 Auf dem Token-Markt fand eine vergleichbare Durchleuchtung der emittierenden Unternehmen lange nicht statt.222 Orientierung boten lediglich Rating-Websites wie icobench.com.223 Da einige dieser
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Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 6 (2020). Benston/Smith, 31 J. Finance 215 (1976); Black, 48 UCLA L. Rev. 781, 787 (2001); Leland/Pyle, 32 J. Finance 371, 382 ff. (1977); vgl. auch schon oben unter C.I.5. 214 Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 423; Hopt, ZGR 2000, 779, 796 f.; Merkt, ZfbF Sonderheft 55/06, 24, 41. 215 Grundlegend zur Unterscheidung zwischen one-shooters und repeat players s. Galanter, 9 Law Soc. Rev. 95, 97 (1974); s. auch Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 96 (Fn. 56) m. Nachw. zum ökonomischen Schrifttum. 216 Leyens, Informationsintermediäre, S. 171 ff., 198 ff.; Black, 48 UCLA L. Rev. 781, 787 (2001). Flankierend kommt das gesetzliche Haftungsregime hinzu, vgl. Merkt, ZfbF Sonderheft 55/06, 24, 41 f. 217 Diamond, 51 Rev. Econ. Stud. 393, 394 (1984). 218 S. Fn. 97. 219 S. bereits Fn. 63. 220 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 305 ff.; Yun, in: Cumming, Handbook of Venture Capital, S. 303 ff.; Black, 48 UCLA L. Rev. 781, 802 (2001). 221 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 11. 222 Vgl. Weitnauer, BKR 2018, 231, 236. 223 S. https://web.archive.org/web/20220704181554/https://icobench.com/. 213
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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Plattformen auf einem „pay to be rated“-Modell basieren, wurde die Objektivität und Unabhängigkeit ihrer Bewertungen allerdings angezweifelt.224 Mittlerweile kommt Token-Investoren das verstärkte Auftreten von Emissionsplattformen zugute.225 Die Betreiber dieser Portale unterziehen die beworbenen Projekte einer Plausibilitätsprüfung, womit die Informationslage der Investoren der bei konventionellen Schwarmfinanzierungen gleicht.226 Als repeat players haben die Emissionsplattformen ein genuines Interesse, betrügerische Initiatoren vor der Veröffentlichung des Zeichnungsangebots zu entlarven.227 Andererseits geht von der typischerweise provisionsbasierten Vergütung auch auf sie eine fragwürdige Anreizwirkung aus.228 Die emittierenden Unternehmen bezahlen die einschlägigen Portale für die erfolgreiche Vermittlung einer Finanzierung, nicht dafür, dass die Token-Investoren im Nachhinein eine Rendite erwirtschaften. Mittelfristig besteht für die Plattformen daher ein Anreiz, möglichst vielen Emittenten einen Marktzugang zu eröffnen, auch solchen, denen kein profitables Geschäftsmodell zugrunde liegt.229 Wo derartigen Gefahren durch maßgeschneiderte Offenlegungspflichten und Erlaubnisverfahren begegnet wird, kann die Mitwirkung von Intermediären aber durchaus zum Abbau von Informationsdefiziten beitragen. Einen solchen Regulierungsrahmen bietet insbesondere die zum 10. 11. 2021 in Kraft getretene Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister, deren Anwendungsbereich sich allerdings auf „kleinere“ Emissionen bis zu einem Volumen von fünf Millionen Euro beschränkt.230 b) Signaling, insbesondere durch die Beteiligung institutioneller Investoren Beim signaling geht die Initiative für den Informationstransfer von der informierten Marktseite aus. Dazu übermittelt diese Signale, die auf die Qualität ihres
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Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 649 (2019). Allgemein zum Problem des rating shopping s. Leyens, Informationsintermediäre, S. 193 f. sowie Schantz, Ratingagenturen, S. 129 f. 225 S. hierzu bereits 2. Kap. D.V. 226 Varmaz/Varmaz/Günther u. a., in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 1 Rn. 11; Amsden/Schweizer, Are Blockchain Crowdsales the New „Gold Rush“?, S. 42; zur „sehr begrenzten Due-Diligence-Prüfung“ bei Crowdinvestings s. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 50; Schedensack, Crowdinvesting, S. 144 f.; Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 256; Klöhn/ Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 145. 227 Amsden/Schweizer, Are Blockchain Crowdsales the New „Gold Rush“?, S. 42; Collao/ Winship, Ita. L. J. 5 (2019), 731, 741 ff.; vgl. Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 21 f. (2020). 228 Vgl. Collao/Winship, Ita. L. J. 5 (2019), 731, 743. 229 Vgl. zu diesem als „competition of laxity“ bezeichneten Problem im Zusammenhang mit Ratingagenturen auch Schantz, Ratingagenturen, S. 127 f. sowie bei konventionellen Crowdinvestings Klöhn/Hornuf, ZBB 2012, 237, 258. 230 Hierzu sowie zum Regulierungsrahmen außerhalb des Anwendungsbereichs des Rechtsaktes Uhink, ZdiW 2022, 63 ff.
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Angebots schließen lassen.231 Das ursprünglich für den Arbeitsmarkt konzipierte Modell beansprucht auch auf dem öffentlichen Kapitalmarkt sowie im Bereich der privaten Wagnisfinanzierung Geltung.232 Es überrascht daher nicht, dass Teile des finanzökonomischen Schrifttums signaling auch mit Blick auf den Token-Markt als ein probates Mittel zur Überwindung von Informationsasymmetrien ansehen.233 Als Qualitätssignale werden in diesem Zusammenhang insbesondere die Veröffentlichung des Programmcodes der eingesetzten Smart Contracts sowie ein aussagekräftiges Whitepaper diskutiert.234 Glaubwürdig erscheinen Qualitätssignale aus Sicht uninformierter Marktteilnehmer allerdings nur, wenn sie kostspielig und nicht ohne weiteres zu imitieren sind.235 Vor der regulatorischen Durchdringung des Token-Primärmarktes konnte davon keine Rede sein.236 Smart Contracts lassen sich mit Hilfe des ERC20-Standards in Minutenschnelle aufsetzen und der globalen Öffentlichkeit auf Portalen wie GitHub präsentieren.237 Zur Erstellung des Whitepapers bedarf es weder einer ausgeklügelten Innovation noch eines proof of concept, sondern lediglich einer mehr oder minder plausiblen Geschäftsidee.238 Wer der Versuchung unterlag, trügerische oder beschönigende Signale zu senden, hatte auf dem Token-Markt daher leichtes Spiel.239 Das begünstigte die Entwicklung eines lemon-Marktes (s. o. bei C.I.3.), auf dem unausgereifte Geschäftsideen und missbräuchliche Angebote seriöse Emittenten in den Schatten stellten.240 Ein glaubwürdiges Qualitätssignal kann demgegenüber von der – im Zusammenhang mit STOs ohnehin obligatorischen – Erstellung eines Wertpapierprospekts
231 Grundlegend Spence, 87 Q. J. Econ. 355 (1973). S. ferner Connelly/Certo/Ireland u. a., 37 J. Manage. 39 (2011). 232 Mit Blick auf den Kapitalmarkt Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 603 (1984). Zur Anwendung im Venture Capital-Kontext Busenitz/Fiet/Moesel, 29 Entrep. Theory Pract. 1 (2005). 233 S. etwa Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 67 (2018); Cai/Gomaa, 22 J. Priv. Equity 93, 95 (2019); Fisch, 34 J. Bus. Ventur. 1, 3 f. (2019). 234 Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 67 (2018); Ante/Sandner/Fiedler, 11 J. Risk Fin. Manag. 80, 83 ff. (2018); Fisch, 34 J. Bus. Ventur. 1, 3 f. (2019); vgl. zu den Missbrauchsrisiken durch Dritte im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Quellcodes Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1752 f. (2022). 235 Connelly/Certo/Ireland u. a., 37 J. Manage. 39, 45 (2011). 236 Vgl. Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 5 (2020). 237 S. hierzu 2. Kap. E.I.2. 238 Vgl. Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 5 (2020). 239 Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 6 (2020). 240 Catalini/Gans, 63 COMMUN ACM 80, 87 (2020); Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 596 f. (2019); Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 90; vgl. zur Verbreitung betrügerischer Angebote bereits 2. Kap. E.I.2. sowie die dortigen Hinweise auf die Empirie in Fn. 782.
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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ausgehen.241 Der Prospekt allein bietet zwar keine Gewähr für die Richtigkeit der veröffentlichten Angaben (s. o.). Angesichts des erforderlichen Aufwands sowie der substanziellen Haftungsrisiken242 werden Investoren die Existenz eines Prospekts aber immerhin als Indiz für die seriösen Absichten des Emittenten deuten können.243 aa) „Zertifizierung“ durch Venture Capital-Investoren Vertrauenssteigernd wirkt sich nach der sogenannten Zertifizierungstheorie zudem die Beteiligung eines institutionellen Investors aus, dem überlegene Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen. Mit seiner Investition signalisiert er dem Markt, dass er auf Grundlage seiner Informationen zu einer positiven Renditeprognose gelangt.244 Eine solche Zertifizierungsfunktion schreibt das ökonomische Schrifttum namentlich Venture Capital-Gebern zu.245 Wie bereits erwähnt haben solche „smart money“-Investoren246 auf dem Token-Markt in jüngerer Zeit an Bedeutung gewonnen. Sie beteiligen sich im Vorfeld einer Emission entweder auf konventionellem Wege am Kapital der finanzierungssuchenden Gesellschaft oder beziehen im Rahmen einer Privatplatzierung selbst Token.247 Um die persönliche Eignung der Gründer und das Marktpotenzial der Geschäftsidee beurteilen zu können, unterzieht der Venture Capital-Investor die Zielgesellschaft typischerweise einer gründlichen Due Diligence-Prüfung (sog. selection effect).248 Nach Finanzierungsabschluss profitieren die finanzierten Unternehmen zudem von der Managementbetreuung durch die Wagniskapitalgeber (sog. treatment effect).249 Beides trägt dazu bei, dass Venture Capital-finanzierte Unternehmen empirischen Untersuchungen zufolge auch in der Zeit nach einem Token Sale signifikant bessere Leistungsdaten vorzuweisen haben als Emittenten ohne institutionelle Investoren.250 Für 241 Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 6; Kaulartz, Rethinking Law 4/2019, 4, 5. 242 S. hierzu ders., in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 91 ff.; Spindler, WM 2018, 2109, 2115 f. Vgl. auch den Prospekthaftungsfall im Zusammenhang mit dem Envion-STO, LG Berlin, Urt. v. 27. 5. 2020 – 2 O 322/18 = AG 2021, 204 ff. 243 Dafür ist nach der signaling-Theorie zudem die Wahrnehmbarkeit des Signals erforderlich, Connelly/Certo/Ireland u. a., 37 J. Manage. 39, 45 (2011). 244 Tirole, Corporate Finance, S. 250; Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 605 (1984); Leland/Pyle, 32 J. Finance 371, 384 (1977). 245 Megginson/Weiss, 46 J. Finance 879 (1991). 246 Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 219; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil A. Rn. 47. 247 Ante/Sandner/Fiedler, 11 J. Risk Fin. Manag. 80, 93 (2018); Block/Groh/Hornuf u. a., 57 Small Bus. Econ. 865, 869 (2020); Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 655 (2019); Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 282 (2019). 248 Fisch/Momtaz, 64 J. Corp. Finance 1, 5 (2020); s. zum screening durch institutionelle Investoren bereits unter C.I.6.a). 249 Dies., 64 J. Corp. Finance 1, 5 (2020); zur Managementunterstützung s. bereits A.I. 250 Dies., 64 J. Corp. Finance 1, 19 (2020).
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
die Initiatoren eines STOs besteht damit eine zusätzlich Möglichkeit, dem Anlegerpublikum die eigene Qualität zu signalisieren.251 bb) Limitationen der Zertifizierungstheorie Der mutmaßliche Beitrag professioneller Kapitalgeber zum Entstehen der ICOBlase in den Jahren 2017 und 2018252 gibt derweil Anlass, auf die Limitationen der Zertifizierungstheorie hinzuweisen. Diese kommen zum Tragen, wenn die professionellen Frühphasenfinanzierer selbst (überwiegend) Token halten und ihre Beteiligung somit über den Sekundärmarkt jederzeit abstoßen können. Auf den Auswahleffekt ist in diesen Fällen nur bedingt Verlass, da sich die Investoren möglicherweise nicht (allein) durch die Qualität der finanzierten Geschäftsidee zu ihrem Engagement motivieren lassen haben, sondern auf kurzfristige Kursgewinne spekulieren, z. B. weil sie eine feedback trading-Strategie verfolgen.253 Als sich der Token-Markt ab 2017 aufzublähen begann, scheinen von genau diesem Investitionsverhalten trügerische Anlagesignale an den Markt ausgegangen zu sein.254 Die Aussicht auf einen vorgezogenen Exit über den Sekundärmarkt kann darüber hinaus die Bereitschaft der Kapitalgeber mindern, sich für die langfristige Profitabilität der Unternehmung einzusetzen.255 Der mit institutionellen Investoren assoziierte treatment-Effekt bleibt in diesen Fällen aus. Durch diese Einschränkungen ist der Zertifizierungstheorie jedoch auch bei einer liquiden Beteiligung der institutionellen Investoren nicht per se die Grundlage entzogen. Denn zum einen kommt für die Kapitalgeber häufig nur ein vorgezogener Teil-Exit in Betracht, da sich ihre Beteiligung typischerweise aus liquiden (Tokenbasierten) und illiquiden Bestandteilen zusammensetzt.256 Zudem soll typischerweise die Chance gewahrt werden, an den Erträgen eines etwaigen Exits im klassischen Sinne zu partizipieren.257 Zum anderen geht im gereiften Marktumfeld von Reputationseffekten eine disziplinierende Wirkung auf die als repeat players auftretenden Risikofinanzierer aus.258
251
Ackermann/Bock/Bürger, in: Moritz/Block/Golla u. a., Entrepreneurial Finance, S. 277, 291; Fisch/Momtaz, 64 J. Corp. Finance 1, 2 ff. (2020); Momtaz, J. Bus. Ventur. 1, 22 (2020). 252 S. hierzu C.I.4.b)bb). 253 Ziel einer solchen Strategie ist es, die durch positive Investitionssignale ausgelösten Marktbewegungen vorwegzunehmen, vgl. Klöhn, Kapitalmarkt, S. 126; DeLong/Shleifer/ Summers u. a., 45 J. Finance 379 (1990). 254 S. C.I.4.b)bb). 255 Vgl. Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 30 (2012). 256 Vgl. Interview vom 1. 3. 2022. 257 Vgl. Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 31 (2012). 258 Vgl. ders., 65 Vand. L. Rev. 1, 31 (2012).
C. Ökonomische Hemmfaktoren
195
7. Zwischenergebnis Die vorausgegangene Analyse hat offenbart, dass der vollständige Verzicht auf Intermediäre strukturelle Informationsdefizite auf dem Token-Primärmarkt provoziert. Die Prämissen für eine effizientere Wagnisfinanzierung durch Token Sales (s. B.III.) sind nicht erfüllt: Der durch Disintermediation erreichbare Kostenvorteil vermag die Informations- und Suchkosten nicht zu kompensieren, die aus dem Verzicht auf Finanzintermediäre resultieren. Diese Kosten erreichen eine prohibitive Höhe, sodass es zum Marktversagen kommt. Im Lichte dessen erscheint es wenig überraschend, dass Venture Capital-Geber ihre Vormachtstellung im Bereich der Start-up-Finanzierung verteidigt haben. Bei einem isolierten STO fehlt es an wirkungsvollen Mechanismen zur Bewältigung des Informationsdefizits zwischen Anlegern und finanzierter Gesellschaft. Kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten allein können dies nicht verhindern. Vielmehr bedarf es neben der staatlichen Intervention auch einer marktseitigen Reaktion. Das allmähliche Einschreiten von Informationsintermediären und institutionellen Anlegern, insbesondere Venture Capital-Investoren, dürfte insofern als positives Signal zu werten sein.259 Zielführend erscheint mit Blick auf die Interessenlage der Marktteilnehmer insbesondere ein komplementärer Finanzierungsansatz, im Rahmen dessen eine klassische Venture Capital-Finanzierung der Beteiligung des Anlegerpublikums vorausgeht.260 Dem Ideal einer ohne Dritte auskommenden Kapitalbeschaffung läuft diese Entwicklung freilich zuwider. Transaktionskostenersparnisse verspricht der Einsatz der Blockchain-Technologie aber immerhin für die Abwicklung der Leistungsbeziehung sowie für den Token-Handel auf dem Sekundärmarkt.261 Um zu beurteilen, wie sich Venture Capital und Token Sales zueinander verhalten, genügt es derweil nicht, die Untersuchung auf die ökonomische Gemengelage bis zum Investitionszeitpunkt zu beschränken. Interessengegensätze bestimmen die Finanzierungsbeziehung auch in der Erfüllungsphase, d. h. ab dem Zeitpunkt der Kapitalbereitstellung. Daraus ergeben sich weitere Hemmfaktoren von STOs sowie Implikationen für das Verhältnis der Finanzierungsarten.
II. Ex post: Prinzipal-Agent-Konflikte Das Problem asymmetrischer Information wirkt über den Investitionszeitpunkt hinaus. In der Erfüllungsphase holt es die Parteien im Gewand der Agenturproble259
Vgl. in diesem Sinne auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 206 ff.; Zickgraf, in: Maume/ Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 3; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 96. 260 Vgl. Himmer, Blockchain-basiertes Fundraising, S. 23; Fisch/Momtaz, 64 J. Corp. Finance 1, 2 (2020); Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1756 (2022). 261 Vgl. Benos/Garratt/Gurrola-Perez, 4 LEDGER 121, 129 ff. (2019).
196
3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
matik ein. Dem liegt ein weiteres analytisches Konzept der Neuen Institutionenökonomik zugrunde: die Prinzipal-Agent-Theorie262.263 Das Modell geht von einer dichotomen Rollenverteilung aus, innerhalb derer der Beauftragte (sog. Agent) Angelegenheiten des Auftraggebers (sog. Prinzipal) wahrnimmt. Da es den Parteien unter der Annahme ungewisser Voraussicht unmöglich ist, vollständige Verträge zu schließen,264 räumt der Prinzipal dem Agenten einen gewissen Entscheidungsspielraum ein.265 Solche Konstellationen entstehen nicht nur im Zusammenhang mit der Aufgabendelegation im engeren Sinne, sondern auch, wenn mindestens zwei Parteien zur Verfolgung eines geteilten Ziels gemeinsame Anstrengungen unternehmen.266 Dabei kann der Agent geneigt sein, statt der Interessen des Prinzipals eigene Ziele zu verfolgen (sog. moral hazard267).268 Wohlfahrtsschädigend wirken sich in diesem Zusammenhang einerseits Handlungen aus, die dem Agenten möglich sind, weil der Prinzipal ihn nicht lückenlos überwachen kann (hidden action), andererseits das Ausnutzen von Informationen, die dem Prinzipal verborgen bleiben (hidden information).269 Beide Vorgehensweisen bezeichnet die ökonomische Lehre zum Teil als „opportunistisches Verhalten“.270 Die Existenz von Interessengegensätzen innerhalb der Prinzipal-Agent-Beziehung verursacht in dreifacher Hinsicht Kosten: (i) Dem Prinzipal entstehen Überwachungskosten, um die Missbrauchsmöglichkeiten des Agenten einzudämmen; (ii) der Agent nimmt Bindungskosten auf sich, wenn er unerwünschte Verhaltensweisen glaubhaft ausschließen will und (iii) es kommt zu residualen Verlusten, und zwar 262
Grundlegend: Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305 (1976). Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 31 f. Mit Blick auf das Verhältnis der Agency-Theorie zum Transaktionskostenansatz s. Williamson, 43 J. Finance 567 (1988). 264 D. h. Verträge, die alle Eventualitäten im Prinzipal-Agent-Verhältnis erschöpfend regeln, vgl. Williamson, Institutions of Capitalism, S. 78 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 25 ff. S. hierzu im Finanzierungskontext allgemein Aghion/Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473, 476 (1992) sowie im Hinblick auf Wagnisfinanzierungen Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 880 (2003); Hart, 39 J. Econ. Lit. 1079, 1083 f. (2001). 265 Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 308 (1976); s. hierzu auch Armour/Hansmann/ Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 29 ff.; Erlei/ Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 71; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 173; Shleifer/Vishny, 52 J. Finance 737, 741 (1997). 266 Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 309 (1976). 267 Holmstrom, 10 Bell J. Econ. & Manage. Sci, 74 (1979). 268 Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 308 (1976); s. hierzu auch Perridon/Steiner/ Rathgeber, Finanzwirtschaft, S. 622; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 175 f.; Voigt, Institutionenökonomik, S. 86. 269 Grundlegend Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37 ff. S. hierzu auch Kumpan, Interessenkonflikt, S. 62 f.; Göbel, Neue Institutionenökonomik, S. 158 f.; Richter/ Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174; Voigt, Institutionenökonomik, S. 86 f. 270 S. etwa die Begriffsverwendung bei Williamson, Institutions of Capitalism, S. 51 (Fn. 8); dem folgend etwa Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 29 ff. 263
C. Ökonomische Hemmfaktoren
197
immer dann, wenn eine Wohlfahrtsmaximierung durch den Agenten nicht gelingt.271 Diese sog. Agenturkosten tragen genau wie sonstige Transaktionskosten zu den Finanzierungskosten bei und beeinflussen damit Art und Modus der Kapitalbeschaffung.272 Im Kontext der Token-basierten Wagnisfinanzierung entstehen Agenturkonflikte zum einen im vertikalen Verhältnis zwischen Gründern und Investoren (1.), zum anderen im horizontalen Verhältnis zwischen unterschiedlichen Investorengruppen oder sogar innerhalb ein und derselben (2.).273 1. Vertikale Konflikte im Verhältnis zwischen Investoren und Gründern Nach der Prinzipal-Agent-Theorie lassen sich Agenturkonflikte im Kontext der Außenfinanzierung auf die (partielle) Trennung von Inhaberschaft und Leitung zurückführen:274 Sofern nicht ausschließlich die Gründer am Gesellschaftskapital beteiligt sind, besteht für sie ein Anreiz, sich auf Kosten der Gesellschaft an deren Ressourcen zu bereichern. Denn die wirtschaftlichen Folgen einer daraus resultierenden Wohlfahrtsminderung tragen sie nur anteilig.275 Dieses moralische Risiko prägt auch Wagnisfinanzierungen mit Venture Capital.276 Da die Gründer hier typischerweise über begrenzte finanzielle Eigenmittel verfügen, treffen sie Verluste im Falle des Scheiterns des Wagnisses im geringeren Umfang als die übrigen Kapitalgeber.277 Die daraus resultierenden Fehlanreize bleiben aber keineswegs auf Eigenkapitalbeteiligungen beschränkt. Auch im Verhältnis zu Fremdkapitalgebern
271
Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 308 (1976); s. hierzu auch Erlei/Leschke/ Sauerland, Institutionenökonomik, S. 71 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177. 272 Vgl. Klein/Coffee/Partnoy, Business Organization, S. 376 ff.; Williamson, 43 J. Finance 567, 575 ff. (1988). Diese Sichtweise steht im harschen Kontrast zum neoklassischen „Irrelevanztheorem“ von Modigliani/Miller, wonach – auf das Wesentliche reduziert – die Finanzierungsstruktur auf den Wert einer Unternehmung am Kapitalmarkt keinen Einfluss hat, s. Modigliani/Miller, 48 Am. Econ. Rev. 261 (1958). 273 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 43 f.; ders., in: Drygala/Wächter, Venture Capital, S. 25; Bartlett, III, 54 UCLA L. Rev. 37 (2006). 274 Grundlegend: Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301 (1983). Vgl. mit Blick auf die damaligen Aktiengesellschaften auch schon Smith, Wealth of Nations, S. 741: „The directors of such companies, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own.“ 275 Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 304 (1983); Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 312 f. (1976); vgl. hierzu auch Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 71 f., 86 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177 ff. 276 Vgl. Bartlett, III, 54 UCLA L. Rev. 37, 48 ff. (2006); Bergemann/Hege, 22 J. Bank. Finance 703, 710 (1998); Cumming, 20 J. Bus. Ventur. 573, 579 ff. (2005); Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1077 (2003). 277 Kuntz, Gestaltung, S. 45.
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
kommen Agenturkonflikte zum Tragen, wobei sich besondere Anreizprobleme aus der asymmetrischen Risikotragung im Insolvenzfall ergeben.278 Die meisten Agenturprobleme, denen sich Token-Investoren ausgesetzt sehen, sind im Kontext der Wagnisfinanzierung wohl bekannt (a)). Andere hängen mit der kapitalmarktmäßigen Handelbarkeit der tokenisierten Rechte zusammen und können insofern als STO-spezifisch bezeichnet werden (b)). a) Für Wagnisfinanzierungen typische Agenturkonflikte Mit der Kapitalbereitstellung gehen die Token-Investoren in Vorleistung. Ab diesem Zeitpunkt obliegt es der finanzierten Gesellschaft, vertreten durch die Gründer,279 das (Krypto-)Kapital in der vereinbarten Weise einzusetzen. Wie für Wachstumsfinanzierungen typisch, wird die Erfüllung der eingeräumten Forderungen einschließlich der dividendenähnlichen Beteiligungsrechte vor allem durch die folgenden Agenturprobleme in Frage gestellt. Im Zusammenhang mit Wagnisfinanzierungen betont das ökonomische Schrifttum, dass die Kapitalgeber und Gründer jeweils sowohl Agenten als auch Prinzipale sein können.280 Da sich der Beitrag der Token-Investoren jedenfalls in der bisherigen Finanzierungspraxis auf die Kapitalbereitstellung beschränkt hat, konzentriert sich die folgende Darstellung auf die Rolle der Gründer als Agenten der Kapitalgeber. aa) Unterinvestition Die wirtschaftliche Entwicklung der finanzierten Unternehmen hängt maßgeblich von den Anstrengungen der Gründer ab. Die Aussicht, dass ein beachtlicher Anteil zukünftiger Gewinne den Token-Investoren zugutekommt, kann sich jedoch nachteilig auf ihre Leistungsbereitschaft auswirken.281 Statt den Aufwand zu betreiben, den die Produktentwicklung, die Mitarbeiterakquise oder die Erschließung neuer Märkte mit sich bringen, lenken sie ihre Arbeitskraft in eigene Projekte.282 Das gilt umso mehr, wenn die Gewinnschwelle aufgrund laufender Rückzahlungsver-
278
Vgl. Schefczyk, Venture Capital, S. 50. Aus praktischer Sicht ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt des Token Sales, schon eine Vorfinanzierung des Unternehmens durch Venture Capital-Geber oder im Rahmen einer Privatplatzierung stattgefunden haben kann (vgl. Fn. 247). Falls und soweit damit eine Beteiligung am Gesellschaftskapital einhergeht, sind diese Kapitalgeber dem wirtschaftlichen „Lager“ der Gründer zuzuordnen. Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden gleichwohl nur von „Gründern“ die Rede sein. 280 S. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 45 mit einer schematischen Darstellung sowie Kuntz, in: Drygala/Wächter, Venture Capital, S. 25, 50. 281 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 48; Bergemann/Hege, 22 J. Bank. Finance 703, 710 (1998); vgl. auch schon Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 313 (1976). 282 Vgl. Tirole, Corporate Finance, S. 16. 279
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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pflichtungen in weite Ferne rückt.283 Das als Unterinvestition bezeichnete Anreizproblem führt dazu, dass das Wachstumspotenzial des finanzierten Unternehmens nicht ausgeschöpft oder die Geschäftsidee gar nicht erst realisiert wird.284 Da die Token-Investoren nicht kontrollieren können, ob die Gründer den erforderlichen Arbeitseifer an den Tag legen, fehlt ihnen jedwede Möglichkeit, disziplinierend in die Unternehmensleitung einzugreifen. bb) Asset stripping Es liegt – zumindest faktisch – weitestgehend im Ermessen der Gründer, wozu sie die zur Verfügung stehenden Gesellschaftsmittel einsetzen. Zwar stipulieren die Anlagebedingungen u. U. eine Zweckbindung, doch welche Maßnahmen zur Erreichung dieses Zwecks beitragen, lässt sich selten zweifelsfrei feststellen.285 Darüber hinaus bleibt für die individuellen Token-Investoren zumeist intransparent, wie die bereitgestellten Mittel konkret verwendet werden.286 Das mag manch einen Gründer dazu verleiten, das eingeworbene Kapital für unternehmensfremde Zwecke einzusetzen.287 Als Beispiele führt die ökonomische Literatur extravagante Investitionen in die Büroausstattung und fragwürdige „Dienstreisen“ auf Karibikinseln an.288 Zudem können Gründer versucht sein, Projekte weiterzuverfolgen, die zwar wirtschaftlich wenig aussichtsreich erscheinen, von denen sie aber persönlich profitieren (z. B. prestigeträchtige Forschungsprojekte).289 Durch diese als asset stripping bezeichnete Vereinnahmung privater Vorteile werden den Kapitalgebern im wirtschaftlichen Ergebnis Vermögenswerte entzogen.290 cc) Hold-ups Als hold-ups bezeichnet das ökonomische Schrifttum Situationen, in denen eine Partei bestehende Abhängigkeiten ausnutzt, um ein Entgegenkommen der anderen 283
Grundlegend Myers, 5 J. Fin. Econ. 147, 155 (1977); s. auch Cumming/Johan, Venture Capital, S. 54; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 179. 284 Bergemann/Hege, 22 J. Bank. Finance 703, 710 (1998). 285 Vgl. zur ähnlich gelagerten Situation bei herkömmlichen Schwarmfinanzierungen Schedensack, Crowdinvesting, S. 267 f. 286 Vgl. Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1743 (2022). 287 Vgl. Trouvain, Asset Stripping, S. 7 ff.; Gompers, 50 J. Finance 1461, 1464 f. (1995); Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 313 (1976). Im drastischsten Fall – dem sog. exit fraud – tauchen die Initiatoren nach der Durchführung des Token Sales mitsamt dem eingeworbenen (Krypto-)Kapital ab, s. hierzu Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1743 f. (2022). 288 S. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 55, der diese Gefahr vor allem bei fremdfinanzierten Wagnissen gegeben sieht, sowie Tirole, Corporate Finance, S. 17. 289 Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 174 f.; Gompers, 50 J. Finance 1461, 1464 f. (1995); zu weiteren Erscheinungsformen s. Trouvain, Asset Stripping, S. 9 ff. 290 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 55; Kuntz, Gestaltung, S. 57.
200
3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Vertragsseite zu erzwingen.291 Die unterlegene Verhandlungsposition der einlenkenden Partei beruht darauf, dass ihr infolge beziehungsspezifischer Investitionen wirtschaftlich gleichwertige Alternativen fehlen. Den abgerungenen Vorteil, die sog. Quasi-Rente, kann die überlegene Partei für sich vereinnahmen.292 Zu derartigen Erpressungskonstellationen kann es im Zusammenhang mit der Innovationsfinanzierung zum Beispiel dann kommen, wenn die Gründer drohen, sich aus dem Unternehmen zurückzuziehen.293 Da die Unternehmung gerade in den frühen Entwicklungsphasen auf die spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse der Gründer angewiesen ist, gefährdet ihr Ausstieg die Renditeerwartung der Investoren nachhaltig.294 Im Zusammenhang mit einem STO kommt als Drohmittel zudem die Ankündigung ausbleibender Zahlungsströme für den Fall in Betracht, dass die Token-Anleger nicht den Weg für eine Anschlussfinanzierung frei machen.295 Das resultierende Erpressungspotenzial kann die Geschäftsleitung ausnutzen, um die Anlagemodalitäten neu zu verhandeln oder die Kapitalgeber gegen eine geringe Abfindung aus der Beteiligung zu drängen.296 dd) Verwässerung Interessengegensätze können die Finanzierungsbeziehung zudem belasten, wenn die Gründer mit Dritten, insbesondere mit neuen Investoren, Vereinbarungen erzielen, die sich wirtschaftlich nachteilig auf die Token-Anleger auswirken. Das als trilateral bargaining297 bezeichnete Problem wird insbesondere im Zusammenhang mit der Verwässerung der Anteile früherer Investoren virulent. Diese Gefahr spielt im Venture Capital-Bereich vor allem im Zusammenhang mit sog. down rounds298 eine bedeutsame Rolle.299 Erwirbt ein neuer Investor Stimm- und Beteiligungsrechte zu einem geringeren Anteilspreis als ein früherer Kapitalgeber, stellt sich dies aus dessen Sicht als Entwertung seiner Beteiligung dar: Er erzielt gemessen am inves291
Erlei/Leschke/Sauerland, Institutionenökonomik, S. 182 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 156. 292 S. grundlegend Williamson, Institutions of Capitalism, S. 52 ff. 293 Brehm, VC-Vertragswerk, S. 18; Cumming/Johan, Venture Capital, S. 52; Kuntz, Gestaltung, S. 52; ders., in: Drygala/Wächter, Venture Capital, S. 25, 45; Antonczyk/Breuer/ Mark, FB 2008, 225, 228; Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255 (1999). 294 Vgl. Denga, ZGR 2021, 725, 731. 295 S. hierzu 4. Kap. B.III.2.b)bb). 296 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 52; Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255, 256 (1999). 297 Grundlegend Aghion/Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473 (1992). Vgl. im VC- Kontext Berglöf, 10 J. Law Econ. Organ. 247, 249 ff. (1994); Cumming, 20 J. Bus. Ventur. 573, 581 f. (2005). 298 Hiervon ist im VC-Jargon die Rede, wenn Beteiligungen auf Basis einer niedrigeren Anteilsbewertung eingeräumt werden als in der vorherigen Finanzierungsrunde, s. Gump, in: Halloran, Venture Capital, 10 A-3 f. 299 Brehm, VC-Vertragswerk, S. 135; Kuntz, Gestaltung, S. 55; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 128.
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tierten Kapital geringere Erträge und erhält weniger Stimmrechte als der hinzutretende Investor.300 Parallel hierzu kann den Inhabern echter Equity Token die Verwässerung ihrer wirtschaftlichen und mitgliedschaftlichen Stellung durch die Vergabe weiterer Eigenkapitalbeteiligungen drohen. Aber auch die in der Praxis weitaus häufiger anzutreffenden Inhaber mezzanin-ausgestalteter Security Token müssen die vermögensmäßige Entwertung ihrer Forderungen fürchten. Das gilt zum Beispiel für den Fall, dass spätere Kapitalgeber zu günstigeren Konditionen am unternehmerischen Erfolg der Gesellschaft beteiligt werden und somit mittelbar davon profitieren, dass die Token-Investoren überzahlt haben.301 In der Vergangenheit warben ICO-Initiatoren damit, dass Anleger vor der Verwässerung ihres Token-Vermögens geschützt seien, da der Smart Contract die maximale Token-Anzahl begrenze.302 Selbst wenn sich dieses Versprechen im Programmcode niederschlägt,303 sind die Token-Inhaber indes keineswegs vor Verwässerungseffekten gefeit. Denn zum einen lässt sich technisch nicht verhindern, dass die Emittenten einen weiteren Smart Contract aufsetzen, um einen erneuten Toke Sale zu initiieren.304 Zum anderen haben auch Kapitalmaßnahmen abseits der Blockchain Konsequenzen für die wirtschaftliche Stellung der Token-Investoren. Nimmt die finanzierte Gesellschaft etwa zum Zwecke der Überbrückungsfinanzierung ein Darlehen (sog. venture loan305) in Anspruch, wirkt sich dies mittelbar auf die Ertragsaussichten der Token-Investoren aus. ee) Risk-shifting Sind die emittierten Token fremdkapitalartig ausgestaltet, besteht für die Gründer ein Anreiz, Projekte zu verfolgen, die risikoreicher sind als das ursprünglich der Finanzierung zugrunde gelegte Geschäft.306 Denn aufgrund der Haftungsbeschränkung in der Kapitalgesellschaft ist der Maximalverlust der Gründer auf die von ihnen geleistete Einlage begrenzt; eine Nachschusspflicht trifft sie nicht.307 Da es an verwertbaren Gegenständen im Vermögen der Gesellschaft typischerweise mangelt, tragen in erster Linie die Fremdkapitalgeber die wirtschaftlichen Konsequenzen 300
Kuntz, Gestaltung, S. 55 f. Vgl. mit Blick auf den umgekehrten Fall (Verwässerung durch Security Token) Weitnauer, BKR 2018, 231, 236. 302 Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 613, 636 (2019). 303 Einer empirischen Analyse zufolge geschieht dies nur in rund 2/3 der Fälle, s. dies., 119 Colum. L. Rev. 591, 636 (2019). 304 Vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 90. Bei konventionellen Crowdinvestings halten sich Emittenten diese Möglichkeit teils explizit offen, vgl. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 236. 305 Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169 (2010); Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162 ff. 306 Vgl. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 55 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 59; Rivera, 55 J. Financ. Quant. Anal. 1333 (2020). 307 Kuntz, ZIP 2021, 597, 598. 301
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
einer Insolvenz. Die Chance auf zusätzliche Erträge, die mit dem erhöhten Risiko einhergeht, kommt dagegen den Gründern zugute, die Bilanzgewinne vollständig oder zumindest mehrheitlich für sich beanspruchen können.308 Besonders reizvoll wird ein solcher risk shift nach überkommener Auffassung, wenn die finanzierte Gesellschaft bereits insolvenzbedroht ist.309 Anstatt zum Wohle der Gläubiger Verluste zu begrenzen, können die Gründer in diesem Fall geneigt sein, „alles auf eine Karte zu setzen“, um im Falle eines Misserfolgs nicht selbst leerauszugehen (sog. gambling for resurrection).310 Wirtschaftlich betrachtet kommt die nachträgliche Erweiterung des Investitionsrisikos einer Vermögensschädigung zulasten der Kapitalgeber gleich, weil deren Token angesichts des gesteigerten Ausfallrisikos Wertverluste erleiden.311 ff) Überinvestition Wie bereits erwähnt, haben Token-Investoren typischerweise keinen Einfluss auf die konkrete Verwendung des bereitgestellten Kapitals. Problematisch ist das vor allem dann, wenn für die Gründer kein Anreiz besteht, unprofitable Projekte frühzeitig abzubrechen.312 Dieses Überinvestitionsproblem stellt sich – wie oben gesehen – vor allem in Krisensituationen.313 Im ICO-Kontext wurde es zudem dadurch verschärft, dass die Emittenten in der Lage waren, durch einen einzigen Token Sale mehr Kapital aufzunehmen, als sie auf mittlere Sicht zur Verwirklichung der Geschäftsidee benötigten.314 Dazu trugen neben der Möglichkeit, den Begebungsprozess zeitlich beliebig in die Länge zu strecken,315 auch die positiven Kursausschläge der eingeworbenen Kryptowährungen bei.316 Überschüssige Liquidität verleitet die Entscheidungsträger, in Projekte mit negativem Kapitalwert zu investieren und fördert damit einen ineffizienten Ressourceneinsatz (sog. agency costs of free cash flow).317 Das erklärt, weshalb viele Initiatoren an Geschäftsideen festhielten, die im 308 Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 334 (1976); Trester, 22 J. Bank. Finance 675, 677 (1998). Vgl. mit einem vereinfachten Beispiel zudem Klein/Coffee/Partnoy, Business Organization, S. 374 f. 309 Aus empirischer Sicht wird dies in jüngerer Zeit zunehmend in Zweifel gezogen, s. überblicksweise Kuntz, ZIP 2021, 597, 599. 310 Ders., Gestaltung, S. 60; Admati/Pfleiderer, 49 J. Finance 371, 372 (1994); Rivera, 55 J. Financ. Quant. Anal. 1333, 1355 (2020). 311 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 59. 312 Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 174 f.; Admati/Pfleiderer, 49 J. Finance 371, 372 (1994); Gompers, 50 J. Finance 1461, 1464 (1995). 313 S. Fn. 310. 314 Vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 68. 315 Hierzu kritisch Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 96. 316 S. hierzu unter C.I.1. 317 Jensen, 76 Am. Econ. Rev. 323 (1986); Shleifer/Vishny, 52 J. Finance 737, 742 (1997); vgl. zum Problem der Überkapitalisierung bei konventionellen Crowdinvestings ferner Schedensack, Crowdinvesting, S. 185 f.
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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Bereich der traditionellen Wagnisfinanzierung bereits als gescheitert gölten. Solche im Jargon als „living dead“318 bezeichnete Unternehmen bleiben hinter den Wachstumserwartungen zurück, erwirtschaften keinen nennenswerten Profit und siechen auf Kosten der Kapitalgeber allmählich dahin. b) STO-spezifische Probleme Die aus der Wagnisfinanzierung bekannten Agenturkonflikte spitzen sich zu, wenn dem Token Sale von vornherein keine weitere Finanzierungsrunde folgen soll.319 Auf herkömmlichen Finanzierungsmärkten trägt die Gewissheit, dass man sich in naher Zukunft erneut an den Kapitalmarkt zu wenden haben wird, dazu bei, dass die Kapitalnehmer bestehende Missbrauchspotenziale nicht ausnutzen.320 Ohne diese Reputationskontrolle entfällt ein disziplinierendes Element der Wachstumsfinanzierung. Zwar bedingt der Trend zur stufenweisen Finanzierung, dass Token Sales den Kapitalbedarf der emittierenden Unternehmen immer seltener langfristig decken, sodass auch sie zu repeat players werden.321 Doch bleibt das Problem vor allem bei der Finanzierung kurzfristiger Projekte akut. Hinzu kommt, dass Konflikte zwischen den Gründern und den Token-Investoren anders als im Venture Capital-Bereich nicht durch das wechselseitige Interesse an einer langfristigen Zusammenarbeit moderiert werden. Die Beteiligung von Venture Capital-Gebern an einem Portfoliounternehmen fällt in die ökonomische Kategorie der relationalen Verträge.322 Sie ist in ein fortdauerndes Beziehungsgeflecht eingebettet, das Raum für flexible, „außervertragliche“ Konfliktbewältigung bietet.323 Dagegen gleicht die Kapitalbereitstellung durch den Token-Investor einem einmaligen, standardisierten Austauschvorgang. Ein ökonomisch motiviertes Interesse, sich mit den Investoren „gut zu stellen“, haben die Gründer nicht. Etwas anderes mag allenfalls gelten, soweit die Emission dazu dient, eine Nutzer- oder Kundengemeinschaft aufzubauen.324 Zusätzliches Konfliktpotenzial umgibt die Frage nach dem Zugang der TokenInhaber zum Sekundärmarkt. Für Anleger stellt die kapitalmarktmäßige Handelbarkeit der Token ein zentrales Motiv für die Investitionsentscheidung dar.325 Ob und 318
Bartlett, Equity Finance, § 13.5 (S. 302), zitiert nach Kuntz, Gestaltung, S. 49. Vgl. Zickgraf, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 11 Rn. 11; Behme/ Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 71; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 95. 320 S. Shleifer/Vishny, 52 J. Finance 737, 749 (1997) m. w. Nachw. 321 Zur Differenzierung zwischen one-shooters und repeat players s. Fn. 215. 322 Schefczyk, Venture Capital, S. 62. 323 S. zur Kategorie der relationalen Verträge grundlegend Macneil, 72 Nw. U. L. Rev. 854, 886 ff. (1978). Hierzu ferner Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 184 ff. 324 Vgl. zu dieser Zweckrichtung Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 70 (2018); Cai/Gomaa, 22 J. Priv. Equity 93 (2019). 325 S. Fn. 77 samt den dazugehörigen Ausführungen. 319
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
wann ein Listing an einer Kryptobörse beantragt wird, liegt jedoch typischerweise im Ermessen des Emittenten. Konkrete Listing-Pflichten sehen die Anlagebedingungen in der Regel nicht vor, zumal die Entscheidung über die Aufnahme zum Handel bei den Plattformbetreibern liegt.326 Das kann zur Folge haben, dass sich die emittierten Token im Nachhinein „als vollkommen illiquide herausstellen“.327 Die Investoren bleiben dann ähnlich wie bei herkömmlichen Schwarmfinanzierungen in dem Investment „gefangen“. Aus Anlegersicht potenziert sich dadurch die Gefahr, Opfer opportunistischer Verhaltensweisen zu werden. Doch auch im idealtypischen Fall, dass die Token auf dem Sekundärmarkt gehandelt werden, sind die Anleger spezifischen Nachteilen der Finanzierungsmethode ausgesetzt. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa das Risiko von Marktmanipulationen durch die Gründer. Diesen vorzubeugen, ist zwar Sinn und Zweck der MMVO,328 doch erschwert die relative Anonymität des Netzwerks zumindest in zugangsoffenen Blockchains die Durchsetzung der einschlägigen Verhaltensregeln. c) Privatautonome Konfliktbewältigung („private ordering“) Die greifbare Gefahr, dass die Gründer den ihnen eingeräumten Handlungsspielraum missbrauchen, um Kooperationsvorteile nachträglich umzuverteilen, wirkt sich negativ auf die Zahlungsbereitschaft der Investoren aus.329 Der in Abzug gestellte Betrag repräsentiert dabei die Agenturkosten der Finanzierungsbeziehung. Vor diesem Hintergrund lautet die zentrale Empfehlung der Neuen Institutionenökonomik, Agenturkonflikten durch geeignete Arrangements vorzubeugen.330 Geboten sei dies vor allem dort, wo das Gesetz keine hinreichenden Vorkehrungen trifft.331 Williamson spricht in diesem Zusammenhang von private ordering.332 Ziel 326
Vgl. etwa Wertpapierprospekt vom 11. 7. 2019 für das öffentliche Angebot von nachrangigen tokenbasierten Schuldverschreibungen der FND German RE GmbH, abrufbar unter: https://tinyurl.com/ydkbra5k, S. 26: „Die Tokeninhaber haben weder einen Anspruch gegen die Emittentin noch gegen die jeweilige Handelsplattform, dass der Fundament Token zum Handel zugelassen wird.“ Zur Listing-Praxis und den variierenden Anforderungen an die Aufnahme zum Handel s. Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3936 ff. 327 So explizit der warnende Hinweis im Wertpapierprospekt der FND German RE GmbH, (Fn. 326), a. a. O. Vgl. auch Hackober/Bock, 91 J. Bus. Econ. 1085, 1090 f. (2021). Laut der empirischen Auswertung von Haffke/Fromberger war mehr als die Hälfte der 2019 emittierten Token ein Jahr später noch nicht oder nicht mehr gelistet, s. ICO Market Report 2019/2020, S. 34. 328 S. hierzu 2. Kap. D.IV. 329 Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 313 (1976); Shleifer/Vishny, 52 J. Finance 737, 743 (1997); vgl. auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 212 f.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 192 f. 330 S. nur Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 194 ff. 331 Vgl. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman/Armour/Davies u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 29, 31 f. 332 Williamson, Institutions of Capitalism, S. 9.
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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der Parteien sollte es danach sein, einen privaten Ordnungsrahmen zu schaffen, der Fehlanreizen entgegenwirkt, Missbrauchspotenziale minimiert und Verfahrensregeln bereithält, um unvorhergesehene Interessenkollisionen aufzulösen.333 Einen Ansatzpunkt hierfür biete der Vertrag, der dem Agenturverhältnis zugrunde liegt.334 Da ein Unternehmen aus ökonomischem Blickwinkel nichts anderes ist als ein Netzwerk von Verträgen („nexus of contracts“),335 rückt im Finanzierungszusammenhang die Kapital aufnehmende Gesellschaft als Arena widerstreitender Interessen in den Vordergrund. Arrangements, die die interne Organisation der Gesellschaft betreffen oder die sich auf die Beziehung zwischen Unternehmensleitung und externen Stakeholdern (z. B. Gläubigern) auswirken, fasst das rechtsökonomische Schrifttum unter dem Begriff „corporate governance“ zusammen.336 Eine effektive corporate governance lindert nicht nur Agenturkonflikte in der Erfüllungsphase, sondern wirkt sich auch positiv auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes aus.337 In diesem Zusammenhang betont Hellgardt, dass ohne angemessene Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen nicht sichergestellt sei, dass auf dem Primärmarkt eingeworbenes Kapital im Sinne der Anleger verwendet wird. Das habe vertrauensschädigende Konsequenzen und münde in der sukzessiven Abwanderung der Investoren.338 In der Diktion der Prinzipal-Agent-Theorie bedeutet dies nichts anderes, als dass die Agenturkosten eine prohibitive Höhe erreichen, sodass auch Projekte mit einem „an sich“ positiven Kapitalwert keine Finanzierung 333 Williamson, Institutions of Capitalism, S. 32: „Since the efficacy of court ordering is problematic, contract execution falls heavily on the institutions of private ordering. The organizational imperative that emerges in such circumstances is this: Organize transactions so as to economize on bounded rationality while simultaneously safeguarding them against the hazards of opportunism“ (Hervorhebung im Original). Vgl. hierzu auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 140; Kuntz, Gestaltung, S. 491 f. Konkrete Maßnahmen diskutiert das ökonomische Schrifttum unter den Schlagworten monitoring, reporting und Anreizverträgen, s. hierzu Göbel, Neue Institutionenökonomik, S. 172 ff. m. w. Nachw. 334 Vgl. Williamson, Institutions of Capitalism, S. 68 ff. Als „Vertrag“ bezeichnet die wirtschaftswissenschaftliche Literatur dabei nicht nur Verträge im juristischen Sinne, sondern auch jede tatsächliche Vereinbarung, deren Erfüllung durch soziale Durchsetzungsmechanismen gesichert ist, s. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 166. 335 Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 302 (1983) unter Verweis auf Jensen/Meckling, 3 J. Financ. Econ. 305, 311 (1976); mit dem Versuch einer Systematisierung innerhalb der ökonomischen Theorien Hart, 89 Colum. L. Rev. 1757 (1989); s. kritisch zu den juristischen Implikationen dieser Sichtweise Kuntz, Gestaltung, S. 26 ff. 336 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 145; Hopt, ZGR 2000, 779, 782. Klassischerweise wird je nach Wirkrichtung der Mechanismen zwischen interner und externer corporate governance differenziert, s. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 153 f.; Hopt, ZGR 2000, 779, 783 ff., 787 ff. Zur Begriffsgeschichte s. Cheffins, in: Wright/Siegel/Keasey u. a., Handbook of Corporate Governance, S. 46 ff. 337 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 186 ff.; Black, 48 UCLA L. Rev. 781, 845 ff. (2001); s. zusammenfassend und mit skeptischer eigener Stellungnahme auch Uhlmann, Individualschutz, S. 315 ff. 338 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 188 f.; Kumpan, Interessenkonflikt, S. 58.
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
erhalten. Die Einrichtung vertraglicher Anreiz- und Kontrollstrukturen setzt an eben diesem Kostenfaktor an. Darüber hinaus tragen wirkungsvolle Vorkehrungen zur Überbrückung von vorvertraglichen Informationsasymmetrien bei. Sie erschweren opportunistische Verhaltensweisen, weshalb unehrliche Initiatoren sie meiden. Potenziell kann ein Emittent dem Markt durch effektive Governance-Strukturen somit die eigene Redlichkeit signalisieren.339 Paradigmatisch für die Umsetzung des Governance-Ansatzes steht die privatautonome Ausgestaltung der konventionellen Wagnisfinanzierung durch Venture Capital.340 Die Einrichtung vertraglicher Anreiz- und Kontrollstrukturen trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass die Finanzierungsbeziehung eine dynamische Verbindung ist.341 Nicht alle Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Anreizstruktur lassen sich bei Vertragsschluss antizipieren. Erforderlich sind deshalb prozedurale Regeln, die es den Parteien erlauben, das Rechtegeflecht situationsadäquat auszurichten.342 Konfliktbewältigungsmechanismen vergleichbarer Art kommen nicht nur auf dem Gebiet der externen Eigenfinanzierung zum Tragen, sondern – in abgeschwächter Form – auch im Zusammenhang mit Fremdfinanzierungen, z. B. auf dem Markt für herkömmliche Crowdinvestings.343 Auf dem STO-Markt stellen vertragliche Mechanismen zum Schutze der Investoren dagegen noch immer die Ausnahme dar.344 Das lässt es notwendig erscheinen, nach den konkreten Möglichkeiten privatautonomer Konfliktbewältigung im Zusammenhang mit Token-Finanzierungen zu fragen. Von Interesse ist dabei nicht nur, wie eine privatautonome Selbstregulierung aussehen könnte, sondern auch, unter welchen Voraussetzungen sich entsprechende Regelungen auf dem Finanzierungsmarkt etablieren könnten. Diesen Fragen geht das vierte Kapitel nach (s. 4. Kap. C.III. – V.). 2. Horizontale Konflikte der Investoren untereinander Auf horizontaler Ebene lassen sich zwei Arten von Konfliktkonstellationen unterscheiden: Solche im Verhältnis der Token-Inhaber untereinander und solche, die aus der Vorfinanzierung durch konventionelle Wagniskapitalgeber resultieren. 339 Vgl. Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1080 f. (2003). Dazu müssen die Signale leicht wahrnehmbar, kostspielig und schwer zu imitieren sein, s. o. bei Fn. 235. 340 Vgl. Cumming/Johan, in: Wright/Siegel/Keasey u. a., Handbook of Corporate Governance, S. 515, 522 ff.; Schefczyk, Venture Capital, S. 64; Admati/Pfleiderer, 49 J. Finance 371 (1994); Bartlett, III, 54 UCLA L. Rev. 37, 51 ff. (2006); Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1069 (2003). 341 Kuntz, Gestaltung, S. 47; Bartlett, III, 54 UCLA L. Rev. 37, 44 (2006); Hart, 39 J. Econ. Lit. 1079, 1083 (2001). 342 Kuntz, Gestaltung, S. 47; Hart, 39 J. Econ. Lit. 1079, 1084 (2001). 343 Vgl. Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 155 ff. 344 Vgl. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 646 (2019); Fahlenbrach/ Frattaroli, 35 FMPM 1, 3 (2021). S. aber auch Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 74 (2018), die auf eine beginnende Entwicklung hinweisen.
C. Ökonomische Hemmfaktoren
207
In die erste Kategorie fällt das Risiko, dass institutionelle Token-Investoren die zeitliche Staffelung der Emission ausnutzen, um auf Kosten späterer Anleger von Ausgaberabatten zu profitieren.345 Diese als pump-and-dump bezeichnete Strategie machten sich professionelle Spekulanten vor allem zu Zeiten des allgemeinen ICOÜberschwangs zu Nutze. Dazu bezogen sie rabattierte Token im Rahmen eines PreSales und priesen die Investitionsmöglichkeit öffentlich an, nur um ihr Investment bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder über den Sekundärmarkt abzustoßen und so aus der aufgeheizten Marktlage Profit zu schlagen.346 Durch die resultierenden Kursstürze erlitt das Token-Vermögen zahlreicher Privatanleger frühzeitig Werteinbußen. Weniger anrüchig, für die Anlegerseite aber nicht minder problematisch sind Fälle, in denen Token-haltende Wagnisinvestoren die marktseitige Nachfrage als Ausweg aus einem scheiternden Projekt nutzen. Der vorgezogene Exit über den Kapitalmarkt ermöglicht es den Kapitalgebern, ihr Investitionsrisiko auf die uninformierte Marktseite abzuwälzen.347 Die positive Signalwirkung, die der Beteiligung institutioneller Investoren zugeschrieben wird, bedarf vor diesem Hintergrund der Relativierung:348 Ohne geeignete Vorkehrungen ergeben sich aus der zeitlichen Staffelung des Ausgabeprozesses in Verbindung mit der Handelbarkeit der Token erhebliche Missbrauchspotenziale. Agenturprobleme auf horizontaler Ebene drohen indes nicht nur in den Fällen, in denen Wagniskapitalgeber selbst Token halten. Sind sie auf konventionelle Weise an der emittierenden Gesellschaft beteiligt, resultiert Konfliktpotenzial aus den divergierenden Zielen der Investorengruppen. Während Venture Capital-Gesellschaften die Rentabilität ihres Investments durch einen profitablen Exit maximieren wollen,349 streben STO-Investoren dividendenähnliche Auszahlungen an.350 Damit sind konfligierende Erwartungen an die Unternehmensführung verbunden. Aus Sicht der Exit-orientierten Wagnisfinanziers besteht die vorrangige Aufgabe der Geschäftsleitung darin, den Unternehmenswert schnellstmöglich zu steigern. Dazu ist es erforderlich, Umsätze zu skalieren und die Geschäftsentwicklung durch zweckmäßige Investitionen voranzutreiben. Bilanzgewinne haben dagegen jedenfalls in den ersten 345
Amsden/Schweizer, Are Blockchain Crowdsales the New „Gold Rush“?, S. 18. Hönig, ICO und Kryptowährungen, S. 72 f.; Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 23 f. (2021); Hornuf/Kück/Schwienbacher, 58 Small Bus. Econ. 1741, 1745 (2022). Solche die positive Anlagestimmung ausnutzenden Marktteilnehmer werden in der finanzökonomischen Literatur als „stimmungsorientierte technische Händler“ bzw., wenn sie versuchen andere durch Täuschung zum nachteiligen Handel zu bewegen, als „Bluffer“ bezeichnet, s. hierzu Klöhn, Kapitalmarkt, S. 53 ff., 56. 347 S. hierzu auch noch 4. Kap. A.II.2.b)cc)(3). 348 S. insoweit bereits C.I.6.b)bb). 349 Vgl. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 4 f.; Schefczyk, Venture Capital, S. 38 ff.; Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1074 (2003). 350 S. insoweit auch schon unter A.II. 346
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
Jahren nach der Gründung keine Priorität.351 Daraus kann sich für die Venture Capital-Investoren ein Anreiz ergeben, strategische Entscheidungen zum Nachteil der Token-Inhaber zu beeinflussen.352 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die institutionellen Anleger ihre überlegenen Erkenntnismöglichkeiten ausnutzen, um Token-Investoren für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Das ist ihnen insbesondere dann möglich, wenn sie mit den Gründern ein kollusives Bündnis eingehen, um prospektive oder gegenwärtige Privatanleger über die Erfolgswahrscheinlichkeit des finanzierten Projekts zu täuschen.353 Als verbreitete Form der Irreführung in diesem Sinne gilt im Venture Capital-Bereich die beschönigende Darstellung erzielter Fortschritte, etwa hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Meilensteine (sog. window dressing).354 Das wird im hiesigen Kontext zum Beispiel dann relevant, wenn Gründer und externe Eigenkapitalgeber die Token-Investoren dazu bewegen wollen, weiteres Kapital freizugeben.355 Innerhalb der Token-Anlegergruppe können Fehlanreize entstehen, wenn es darum geht, gemeinschaftlich im Interesse der Gruppe tätig zu werden, um z. B. über Änderungsvorschläge der Initiatoren abzustimmen oder die vereinbarungsgemäße Verwendung der überlassenen Mittel zu überwachen. Diesen sogenannten Kollektivhandlungsproblemen ist im Zusammenhang mit der Frage nach der Anpassungsfähigkeit der Finanzierungsbeziehung an späterer Stelle noch im Detail nachzugehen.356 Zur Prävention von horizontalen Agenturkonflikten empfiehlt das ökonomische Schrifttum ähnlich wie im Zusammenhang mit vertikalen Prinzipal-Agent-Konstellationen die Errichtung geeigneter Governance-Strukturen.357 Auch insofern stellt sich daher die Frage, welche Gestalt privatautonome Vorkehrungen konkret annehmen könnten (s. insb. 4. Kap. B.II. und C.IV.3.). Anders als einige der kapitaleinwerbenden Gesellschaften sind institutionelle Investoren zudem repeat players und als solche auf ihren „guten Ruf“ angewiesen.358 Angesichts der drohenden Reputationsschäden sind missbräuchliche Verhaltensweisen aus Investorenperspektive daher a priori weniger attraktiv. 351 Vgl. Cumming/Johan, in: Wright/Siegel/Keasey u. a., Handbook of Corporate Governance, S. 515, 527. 352 Vgl. zu entsprechenden Konflikten im Verhältnis verschiedener Venture Capital-Investoren Kuntz, Gestaltung, S. 46; Schefczyk, Venture Capital, S. 56 f.; Bartlett, III, 54 UCLA L. Rev. 37, 71 ff. (2006). 353 Vgl. Dessí, 36 Rand J. Econ. 255, 256 (2005). 354 Vgl. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 53 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 54; Cornelli/ Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1 (2003). 355 S. im Zusammenhang mit der gestaffelten Kapitalüberlassung 4. Kap. C.III.1.b). 356 S. 4. Kap. B.III.3.a)aa). 357 Vgl. Bartlett, III, 54 UCLA L. Rev. 37, 46 (2006). 358 Vgl. Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1085 f. (2003); Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 424 f. (2019). Zur Charakterisierung der emittierenden Unternehmen als one-shooters s. C.II.1.b).
C. Ökonomische Hemmfaktoren
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III. Fazit: STOs als komplementäre Finanzierungsmethode Die Untersuchung der ökonomischen Hemmfaktoren hat offenbart, dass STOs in ihrer ursprünglichen, disintermediatisierten Ausprägung dem gemeinsamen Interesse von Kapitalnachfragern und -anbietern an einer kostenminimalen Finanzierung nicht gerecht werden. Im Vorfeld der Token-Emission schränken Informationsasymmetrien die Funktionsfähigkeit des Finanzierungsmarktes ein. Die Informations- und Suchkosten individueller Anleger erreichen dabei in vielen Fällen eine prohibitive Höhe. Ob kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten genügen, um ein Marktversagen zu verhindern, erscheint fraglich. Im Erfüllungsstadium stellen darüber hinaus Interessenkonflikte auf vertikaler und horizontaler Ebene die Effizienz der Finanzierungsmethode in Frage. Die zu Tage tretenden Agenturprobleme sind für Wagnisfinanzierungen in vielerlei Hinsicht charakteristisch. Anders als beispielsweise im Bereich der Venture Capital-Finanzierung haben sich im Zusammenhang mit STOs aber noch keine Governance-Strukturen etabliert, die den Anreiz- und Überwachungsproblemen effektiv entgegenwirken. Aus Sicht der finanzierungssuchenden Unternehmen manifestieren sich die besagten Limitationen in einer ausgeprägten Nachfrageunsicherheit. Ob und mit welchem Erfolg eine Finanzierung zustande kommt, ist vielfach nicht absehbar.359 Die These, Token Sales eröffneten eine Alternative zu konventionellen Formen der Wagnisfinanzierung, erscheint vor diesem Hintergrund unhaltbar. Als ausschließliches Finanzierungsmittel sind STOs in der Frühphase schlichtweg ineffizient. Für wachstumsorientierte Start-Ups bleibt Venture Capital daher auch in Zukunft eine unverzichtbare Kapitalquelle, zumal das private Anlegerpublikum die Gründer nicht auf operativer Ebene zu unterstützen vermag, wie es smart-moneyInvestoren tun.360 Ihre anfängliche Zurückhaltung haben Venture Capital-Geber im Hinblick auf Blockchain-basierte Geschäftsmodelle inzwischen abgelegt und investieren massiv in das Krypto-Ökosystem.361 Die mangelnde Verfügbarkeit von Risikokapital, die für Start-Ups aus dem DLT-Sektor den Anstoß gab, auf alternative, Blockchain-basierte Kapitalquellen zu vertrauen, kann somit als überwunden gelten. Das heißt indes nicht, dass Token Sales als bloßes Intermezzo in der Historie der Wagnisfinanzierung wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Vielmehr kann das unbestreitbare Potenzial der Finanzierungsart zur Entfaltung gelangen, 359 Vgl. Lambert/Liebau/Roosenboom, 59 Small Bus. Econ. 299, 310 (2022), deren empirische Untersuchung ergab, dass rund 60 % der emittierenden Unternehmen ihre Finanzierungsziele verfehlen. 360 Block/Groh/Hornuf u. a., 57 Small Bus. Econ. 865, 870 f. (2020); Hackober/Bock, 91 J. Bus. Econ. 1085, 1091 (2021). Vgl. aus der Perspektive der Finanzierungspraxis Männel, ITSA Panel: Venture Capital in Blockchain, 7. 9. 2021 (ab 30:50), abrufbar unter: https://www. youtube.com/watch?v=tUHfFxOcvg0. Vgl. in Bezug auf konventionelle Crowdinvestings ferner Schedensack, Crowdinvesting, S. 104 f. Zum Interesse der Gründer an aktiver Managementunterstützung s. A.I. 361 Hackober/Bock, 91 J. Bus. Econ. 1085, 1087 (2021). S. m. w. Nachw. zur Finanzierungspraxis 1. Kap. A.II.2.
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3. Kap.: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung
wenn sie als komplementäre Kapitalbeschaffungsmethode zum Einsatz kommt.362 Die stufenweise Finanzierung des emittierenden Unternehmens erscheint angesichts der regulatorischen Hürden nicht nur aus einem praktischen Blickwinkel geboten,363 sie kann auch in ökonomischer Hinsicht dazu beitragen, die identifizierten Hemmfaktoren zu überwinden. So ermöglicht die Einbindung institutioneller Investoren im Vorfeld der Emission etwa positive Qualitätssignale an den Anlegermarkt.364 In der Erfüllungsphase können Token-Investoren darüber hinaus von dem Kontroll- und Anreizsystem profitieren, das im Zusammenhang mit Venture CapitalFinanzierungen standardmäßig errichtet wird.365 Die Gründer ziehen ihrerseits Nutzen aus der Beteiligung professioneller Risikokapitalgeber, da sie bedarfsgerechte Unterstützung auf operativer Ebene erhalten. Wie noch an späterer Stelle zu zeigen sein wird, kann eine Token-basierte Anschlussfinanzierung auch aus Sicht der Venture Capital-Investoren mit Vorteilen verbunden sein.366 Dass das Nebeneinander konventioneller und Blockchain-basierter Finanzierungsansätze im ökonomischen Sinne Erfolg verspricht, konnte empirisch bereits nachvollzogen werden.367 Soweit den beschriebenen Agenturproblemen durch die Beteiligung institutioneller Kapitalgeber abgeholfen werden kann, sind zudem positive Folgewirkungen im Hinblick auf den Token-Primärmarkt zu erwarten.368 Das führt zu der Frage, auf welche Weise sich STOs mit konventionellen Formen der Wagnisfinanzierung in Einklang bringen lassen. Das Aufeinandertreffen von Gründern, institutionellen Investoren und privaten Anlegern schafft neuartige Regulierungsprobleme. Wie das Zusammenspiel der Finanzierungsarten mit Hilfe privatautonomer Gestaltungsmittel zu realisieren sein könnte und welche Implikationen sich daraus für den juristischen Ordnungsrahmen ergeben, untersucht das folgende Kapitel.
362
Vgl. Fisch/Momtaz, 64 J. Corp. Finance 1, 2 (2020); Hackober/Bock, 91 J. Bus. Econ. 1085, 1086 f. (2021). 363 S. 2. Kap. D.V. 364 S. zum Zertifizierungseffekt unter C.I.6.b)aa). 365 Vgl. im Zusammenhang mit konventionellen Schwarmfinanzierungen Schedensack, Crowdinvesting, S. 194. Gewisse Limitationen des Zertifizierungsmodells sind in jenen Fällen zu beachten, in denen die Wagniskapitalgeber selbst (überwiegend) Token halten und somit über einen direkten Sekundärmarktzugang verfügen. Die dadurch eröffnete Möglichkeit, einen vorzeitigen (Teil-)Exit vorzunehmen, kann sich auf die Investitionsziele und somit auf die strategische Ausrichtung der Finanzierungsakteure auswirken, s. C.I.6.b)bb). 366 S. 4. Kap. A.II.2.b)bb) und A.II.2.b)cc)(3). Spezialisierte VC-Geber investieren mitunter sogar gezielt in Start-Ups, die einen späteren Token Sale anstreben, s. Hahn, ITSA Panel: Venture Capital in Blockchain, 7. 9. 2021 (ab 21:34), online abrufbar unter: https://www.youtu be.com/watch?v=tUHfFxOcvg0. 367 Fisch/Momtaz, 64 J. Corp. Finance 1, 19 (2020); Hackober/Bock, 91 J. Bus. Econ. 1085, 1092 ff. (2021). 368 Vgl. insoweit unter C.II.1.c).
4. Kapitel
Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital Löst man sich von der Annahme, dass ein Token Sale als ausschließliches Finanzierungmittel den Kapitalbedarf des emittierenden Unternehmens dauerhaft zu decken vermag, rückt die Frage in den Vordergrund, in welcher Beziehung STOs zu sonstigen Kapitalbeschaffungsmethoden stehen. Die vorausgegangene Untersuchung hat verdeutlicht, dass innovative, wachstumsstarke Unternehmen aufgrund praktischer und ökonomischer Zwänge auf institutionelle Kapitalgeber angewiesen bleiben. Die Eignung von Token Sales zur Wagnisfinanzierung ist daher vor allem daran zu messen, wie sich die Kapitalbeschaffungsmethode mit herkömmlichen Venture Capital-Finanzierungen in Einklang bringen lässt. Das Hinzutreten der Token-Investoren in das Interessengeflecht zwischen Gründern und Risikokapitalgebern verursacht neuartige Regulierungsprobleme, die nach einem austarierten Ordnungsrahmen verlangen. Als instruktiv für die Bewältigung dieser Probleme erweisen sich die Erfahrungen, die bereits mit anderen Formen der Start-up-Finanzierung, insbesondere mit traditionellen Crowdinvestings, gesammelt werden konnten. Dabei soll sich zeigen, dass die Unterschiede zwischen „analog“ aufgenommenem Kapital und Emissionen im virtuellen Raum weit weniger schwer wiegen als gemeinhin angenommen.1 Wie der Einsatz von STOs nebst traditionellen Wagnisfinanzierungsquellen zu beurteilen ist, hängt von der konkreten Art der tokenisierten Rechtspositionen ab. In einem ersten Schritt stellt sich daher die Frage nach der juristischen Qualifikation der in Betracht kommenden Gestaltungen (A.). Sodann wendet sich die Untersuchung den Regulierungsproblemen zu, die sich ergeben, wenn ein Unternehmen Token zur Kapitalaufnahme zwischen verschiedenen Finanzierungsrunden ausgibt (B.). Hieran anknüpfend gilt ein besonderes Augenmerk dem gesetzlichen und privatautonomen Ordnungsrahmen im Lichte der spezifischen Schutzinteressen der Token-Anleger (C.). Als kapitalaufnehmende Gesellschaften finden dabei die GmbH und die Aktiengesellschaft Berücksichtigung.2 Während die GmbH als Unternehmensträgerin 1
Vgl. hiervon ausgehend auch Florstedt, ZBB 2021, 112, 113. Als emittierende Rechtsträger kommen grundsätzlich Gesellschaftsformen jedweder Art in Betracht. Schon aufgrund der einhergehenden Haftungsrisiken bedienten sich kapitalaufnehmende Unternehmen in der Vergangenheit Zweckgesellschaften als Emissionsvehikel. In dieser Funktion haben neben Kapitalgesellschaften auch die GmbH & Co. KG sowie Stiftungen Bedeutung erlangt, s. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.157 f.; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154 f. 2
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
von Start-Ups weite Verbreitung erreicht hat, fristet die Aktiengesellschaft unter jungen Wachstumsunternehmen bislang ein Schattendasein.3 Angesichts der im Aktienrecht angelegten Kapitalmarktorientierung könnte die Rechtsform jedoch gerade für solche Unternehmungen an Attraktivität gewinnen, die mittels eines Token Sales frühzeitig den Zugang zum Kapitalmarkt anstreben.4
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs Welches Recht ein Token repräsentiert und wie dieses inhaltlich ausgestaltet sein soll, richtet sich nach den spezifischen Bedürfnissen der Wagnisfinanzierung (I.). Zudem ist zwischen der Fremdfinanzierung durch die Emission tokenisierter Gläubigerrechte (II.) und der Beteiligungsfinanzierung mittels echter Equity Token (III.) zu differenzieren.
I. Anforderungsprofil der zur Finanzierung im Venture Capital-Bereich eingesetzten Token Als Token Sales in den ersten Jahren des Finanzierungsphänomens von dem Bestreben getrieben waren, möglichst hohe Summen in kürzester Zeit einzuwerben, beschränkten sich die in den Emissionsdokumenten getroffenen Ausführungen zur Rechtsstellung der Investoren zumeist auf einige rudimentäre Regelungen.5 Mit der inzwischen vollzogenen Professionalisierung der Angebote haben auch die Anlagebedingungen an Komplexität dazugewonnen.6 Über Laufzeit, Art und Modus der vermögensmäßigen Beteiligung, Nebenpflichten des Emittenten und dergleichen mehr finden sich seither detaillierte Bestimmungen im Emissionsprospekt.7 Die Komposition der Rechte und Pflichten der Finanzierungsparteien hat dabei dem 3 Laut einer Erhebung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC aus dem Jahr 2017 entscheiden sich ca. 95 % der Start-Ups für die Rechtsform der GmbH oder UG. Der Verbreitungsgrad der AG liegt bei ca. 2 %, abrufbar unter: https://bit.ly/3hqFTJb. Vgl. zu den institutionellen Hindernissen der Aktiengesellschaft als Rechtsform für junge Unternehmen Schedensack, Crowdinvesting, S. 170 ff.; Theiß, Kleine AG, S. 59 ff. 4 S. zudem Mailänder, in: Weitnauer, Venture Capital, Teil D. Rn. 289, dem zufolge sich die Aktiengesellschaft als Gründungsrechtsform in jüngerer Zeit wachsender Popularität erfreut. 5 So ließen etwa etliche Angebote basale Angaben wie die Laufzeit der tokenisierten Rechte vermissen, vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 83. 6 Vgl. zur Professionalisierung des ICO-Ökosystems bereits 2. Kap. E.I.2. 7 S. z. B. den Wertpapierprospekt vom 11. 7. 2019 für das öffentliche Angebot von nachrangigen tokenbasierten Schuldverschreibungen der FND German RE GmbH, abrufbar unter: https://tinyurl.com/ydkbra5k, S. 57 ff.
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Entwicklungsstadium der noch jungen Unternehmen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus werden bei der Angebotsgestaltung die Interessen der Gesellschafter, d. h. die von Gründern und Venture Capital-Gebern, Berücksichtigung finden müssen.8 1. Liquiditätsschonung Die Eigenart der Wagnisfinanzierung spiegelt sich zunächst in dem Umstand wider, dass die straff gespannte Liquiditätsdecke der emittierenden Gesellschaft bei der Ausgestaltung der tokenisierten Vermögensrechte Berücksichtigung finden muss. Da es Start-Ups in den frühen Wachstumsphasen an stetigen Zahlungsströmen mangelt bzw. erzielte Gewinne zur Finanzierung der weiteren Expansion eingesetzt werden sollen, widerspricht eine jährliche oder gar quartalsweise Festverzinsung des bereitgestellten Kapitals den Liquiditätsbedürfnissen des im Wachstum befindlichen Unternehmens.9 Die Renditechancen der Token-Investoren werden daher jedenfalls zum Teil auf partiarischen, gegebenenfalls endfälligen Vergütungselementen beruhen müssen. Diese sind Ausdruck des Risikokapitalcharakters des Investments und verleihen ihm einen eigenkapitalähnlichen Charakter.10 Die Liquiditätsbeschränkungen der emittierenden Unternehmen wirken sich ferner auf die Laufzeit sowie die Rückzahlbarkeit der bereitgestellten Mittel aus. Es gilt zu vermeiden, dass die Anleger ihren Kapitaleinsatz durch Ausübung eines Kündigungsrechts nach Belieben zurückfordern können. Anderenfalls drohte die prompte Zahlungsunfähigkeit infolge eines massenhaften Kapitalabzugs.11 Eine zeitlich (nahezu) unbegrenzte Kapitalvergütung, wie sie für sogenannte ewige Anleihen charakteristisch ist,12 erscheint mit den Zielen der Wagnisfinanzierung indes ebenso wenig kompatibel.13 Im Gegensatz zu den Emissionen während des ICOBooms ist die zweite Generation von Token Sales nicht mehr auf eine einzige Finanzierungsrunde ausgelegt. Wagniskapitalgeber streben einen ertragreichen Exit binnen fünf bis sieben Jahren an.14 Eine deutlich über diesen Zeitraum hinausgehende Teilhabe der Token-Investoren übertrifft nicht nur den Planungshorizont der auf rapides Wachstum ausgerichteten Geschäftsmodelle, sondern kann dem Ziel der mittelfristigen Beteiligungsauflösung sogar zuwiderlaufen.15 Das Interesse der In8 Immerhin sind es typischerweise die geschäftsführenden Gründer, die in organschaftlicher Vertretung der Gesellschaft einen Token Sale initiieren. 9 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 45 f.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 162; Berger, ZBB 2008, 92, 94; Cumming, 20 J. Bus. Ventur. 573, 607 (2005). 10 Vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 87. 11 Vgl. dies., ZfPW 2019, 66, 87. 12 S. hierzu Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 18.19 f.; Thomas, ZHR 171 (2007), 684 ff. 13 So aber Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 83 f., die von einer einzigen Finanzierungsrunde ausgehen. 14 Cumming/Johan, Venture Capital, S. 5. 15 Vgl. mit Blick auf traditionelle Crowdinvestings Weitnauer, GWR 2015, 309, 312.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
itiatoren eines Token Sales geht somit regelmäßig dahin, einerseits einen vorzeitigen Kapitalabzug durch die Anleger zu verhindern, andererseits die Ablösbarkeit der Token-Investments spätestens zum Zeitpunkt der Beteiligungsauflösung sicherzustellen.16 2. Einflusswahrung Darüber hinaus wird den Gesellschaftern an der einflusserhaltenden Gestaltung der tokenisierten Rechte gelegen sein. Die Bereitschaft der Wagnisfinanziers, einem Unternehmen mit ungewisser Entwicklungsperspektive Kapital zur Verfügung zu stellen, basiert auf der Prämisse, dass ihnen im Gegenzug substanzielle Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensgeschicke eingeräumt werden.17 Eine über legitime Sicherungsinteressen hinausgehende Mitwirkung durch außenstehende, womöglich sogar pseudonym bleibende Anleger ist damit unvereinbar.18 Auch die Gründer werden eine weitreichende Begrenzung ihres unternehmerischen Handlungsspielraums schon deshalb ablehnen, weil für sie private Vorteile mit der Einflussstellung einhergehen.19 3. Renditezielverträglichkeit und Anreizerhaltung Aus Sicht der Gesellschafter ist es schließlich wichtig, dass ein STO ihre jeweiligen Renditeziele nicht gefährdet. Venture Capital-Investoren bedingen sich gegenüber den Gründern üblicherweise weitreichende Dividenden- und Liquidationspräferenzen aus, um eine Minimalverzinsung des eingesetzten Kapitals sicherzustellen.20 Im Falle eines wirtschaftlichen Misserfolgs gewährleisten derartige Befriedigungsvorzüge, dass die Ansprüche der Wagniskapitalgeber aus der verbleibende Vermögensmasse vor den Residualansprüchen der Gründer bedient werden.21 Weitaus größere Bedeutung für die Renditekalkulation der Venture CapitalInvestoren erlangen Erlösvorrechte derweil im Living-Dead-Szenario22, d. h. für den Fall einer hinter den Wachstumserwartungen zurückbleibenden Unternehmensentwicklung mit einem annähernd neutralen Ergebnis.23 Liquidationspräferenzen stel16
S. hierzu noch unter B.III.2. Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 105 ff.; Gump, in: Halloran, Venture Capital, 10 A-11; Bratton, 100 Mich. L. Rev. 891, 922 ff. (2002). 18 S. im Detail hierzu noch unter A.II.3.b). 19 S. insofern bereits 3. Kap. A.I. 20 Kuntz, Gestaltung, S. 74, 100, 524; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 209; Zätzsch, in: Drygala/Wächter, Venture Capital, S. 103; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 185 f. sowie aus der Praktikerliteratur Bank/Möllmann, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 3 Rn. 442 ff. 21 Kuntz, Gestaltung, S. 74 f. 22 Zum Begriff der „Living Dead“ s. 3. Kap. C.II.1.a)ff). 23 Kuntz, Gestaltung, S. 74 f., 102; Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 883 f. (2003). 17
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len in diesem Fall sicher, dass die aus einer Beteiligungsauflösung hervorgehenden Erlöse vorrangig den Investoren zugutekommen.24 Erheben darüber hinaus auch Token-Investoren Anspruch auf Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen sowie auf Beteiligung an etwaigen Gewinnen oder ExitErlösen, kann dies die zwischen Gründern und Risikokapitalgebern bestehende Verteilungsordnung konterkarieren. Venture Capital-Geber werden die resultierende wirtschaftliche Verwässerung ihrer Beteiligung vielfach nur akzeptieren, wenn die Zugriffsrechte des Anlegerpublikums dem Umfang nach beschränkt sind oder die Token-Halter als Kehrseite ihrer Erfolgsbeteiligung auch Verluste anteilig zu tragen haben. Hat die Partizipation der Token-Investoren zur Folge, dass die Gesellschafter keine angemessene Rendite zu erwarten haben, wirkt sich dies negativ auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Gründer und Risikokapitalgeber aus. Gerade von ihren Anstrengungen hängt indes der Erfolg der gesamten Unternehmung ab.25 Im Interesse aller Beteiligten ist daher eine anreizerhaltende Finanzierungsstruktur anzustreben.
II. Finanzierung durch die Emission tokenisierter Gläubigerrechte Bislang werden Token-Investoren überwiegend auf schuldrechtlicher Grundlage an dem zu finanzierenden Unternehmen beteiligt.26 Der im Vertragsrecht vorherrschende Grundsatz der Gestaltungsfreiheit macht es dabei möglich, die Rechtsstellung der Anleger flexibel an das oben skizzierte Anforderungsprofil der Wagnisfinanzierung auszurichten. Zudem lässt sich eine Verwässerung der mitgliedschaftlichen Beteiligungsverhältnisse auf diese Weise vermeiden.27 Ausgehend von der im ICO-Kontext geläufigen Nomenklatur bietet es sich an, je nach Ausmaß der eingeräumten Mitwirkungsrechte zwischen Debt Token28 (2.) und unechten Equity Token (3.) zu differenzieren,29 ohne dass damit bereits eine Feststellung über die Rechtsnatur der tokenisierten Positionen einherginge. Beide Token-Typen lassen 24 „Liquidation“ meint in diesen Fällen nicht die Abwicklung im gesellschaftsrechtlichtechnischen Sinne, sondern bezeichnet alle Formen des Exits, z. B. in Form der Anteilsveräußerung, s. Kuntz, Gestaltung, S. 538; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 211. 25 S. insoweit schon 3. Kap. C.II.1.a)cc). 26 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 75. 27 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 36 f.; Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 207 (2020). 28 Die Bezeichnung als „Debt“ Token erscheint im hiesigen Kontext misslich, handelt es sich bei den tokenisierten Rechten angesichts ihres partiarischen Gepräges doch gerade nicht um reine Fremdkapitalinstrumente, vgl. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.181. 29 S. zur Nomenklatur der Security Token schon 1. Kap. A.IV.3.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
sich – abermals einer näheren dogmatischen Verortung harrend – in Anlehnung an Florstedt der Rechtsfigur des „schuldrechtlichen Beteiligungskapitals“ zuordnen. Sie dienen der Kapitalbeschaffung außerhalb des Verbandsrechts, wobei die Verzinsung des eingesetzten Kapitals oder dessen Rückerstattung der Höhe nach vom Unternehmenserfolg abhängt.30 Im ökonomischen Schrifttum hat sich für derartige Beteiligungsinstrumente die Bezeichnung als „Mezzanine-Kapital“ etabliert. 1. Ökonomische Einordnung als Mezzanine-Kapital „Mezzanine-Kapital“ dient als Sammelbegriff für Finanzierungsinstrumente, die weder dem Fremdkapital noch dem Eigenkapital eindeutig zugeordnet werden können, sondern Attribute beider Finanzierungsformen vereinen.31 Je nach Ausprägung dieser Merkmale unterscheidet das ökonomische Schrifttum zwischen eigenkapitalnahen (equity mezzanine) und fremdkapitalnahen (debt mezzanine) Instrumenten.32 Die vielgestaltigen Erscheinungsformen der Praxis sind das Ergebnis eines teils steuerrechtlich, teils betriebswirtschaftlich induzierten Versuches, ein „optimales“ Finanzierungsinstrument zu kreieren (sog. financial engineering).33 Als vorteilhaft gelten dabei vor allem solche Kompositionen, die es erlauben, das Mezzanine-Instrument steuerrechtlich als Fremdkapital zu behandeln, handelsbilanziell aber als Eigenkapital auszuweisen. Auf diese Weise lässt sich die Abzugsfähigkeit der laufenden Zahlungen im Rahmen der Körperschaftssteuer erreichen, ohne den Verschuldungsgrad des finanzierten Unternehmens zu erhöhen.34 Das macht Mez30
Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 406 ff.; ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 11. Vgl. BT-Drs. 17/1720, S. 28; Drukarczyk, Finanzierung, S. 409; Fleischer, in: MHLS, GmbHG, Syst. Darst. 5 Rn. 97; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1090; Natusch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 5; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, S. 351; Schürnbrand/Verse, in: MünchKomm AktG, Vor §§ 182 – 191 Rn. 34; Wöhe/Bilstein/Ernst u. a., Unternehmensfinanzierung, S. 197 ff.; Golland/Gehlhaar/ Grossmann u. a., BB Beilage 2005, Nr. 14, 1, 2; kritisch angesichts der fehlenden Trennschärfe des Begriffspaares Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 33 ff., insb. S. 76. Der Begriff „Mezzanine“ leitet sich vom italienischen „mezzanino“ ab, womit in der Architektur ein Zwischengeschoss bezeichnet wird. Verbreitet ist auch von „hybriden Finanzierungsinstrumenten“ die Rede, vgl. Gleske/Laudenklos, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Teil D. Rn. 1; Hingst, in: FS Schäfer, S. 635 f. 32 Hingst, in: FS Schäfer, S. 635, 642 ff.; Natusch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 8 ff.; Parmentier, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 1 Rn. 150; Wöhe/Bilstein/Ernst u. a., Unternehmensfinanzierung, S. 204; Golland/ Gehlhaar/Grossmann u. a., BB Beilage 2005, Nr. 14, 1, 2. Als weitere Zwischenform identifizieren einige Autoren Mezzanine-Instrumente, deren Ausprägung sich im Zeitablauf wandelt (hybrid mezzanine). In die letztgenannte Kategorie sollen z. B. Wandelanleihen fallen, Drukarczyk, Finanzierung, S. 409 f. 33 Fest, Anleihebedingungen, S. 7 ff.; Fleischer, in: MHLS, GmbHG, Syst. Darst. 5 Rn. 97; Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft, S. 26 f.; Schürnbrand/Verse, in: MünchKomm AktG, Vor §§ 182 – 191 Rn. 34. 34 Hingst, in: FS Schäfer, S. 635, 639 ff.; Parmentier, in: Ekkenga, Handbuch der AGFinanzierung, Kap. 1 Rn. 145; Protz, Anforderungsprofil, S. 129; Schürnbrand/Verse, in: 31
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zanine-Kapital vor allem als Finanzierungsmittel für kleine und mittelständische Unternehmen sowie für die Wachstums- und Überbrückungsfinanzierung attraktiv.35 Es überrascht daher nicht, dass auch bei konventionellen Crowdinvestings überwiegend mezzanine Instrumente zum Einsatz kommen.36 Innovativ ist an der Kapitalaufnahme mittels Debt und unechten Equity Token somit nicht schon das hybride Gepräge der Finanzierungsinstrumente per se, sondern vor allem deren Emission im Transaktionsraum der Blockchain. Hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der Instrumente und ihrer jeweiligen Eignung zur Wagnisfinanzierung ist zwischen den beiden Spielarten des tokenisierten Mezzanine-Kapitals zu unterscheiden. 2. Debt Token Als Debt Token bezeichnete Finanzierungsinstrumente gewähren ihren Inhabern zumeist dividendenähnliche Vermögensrechte auf schuldrechtlicher Grundlage. Organisatorische Mitwirkungsrechte sind mit ihnen nicht verbunden.37 Im Bereich der Wagnisfinanzierung eignen sich Debt Token insbesondere als Mittel zur Zwischenfinanzierung (s. hierzu b)). a) Dogmatische Einordnung als Genussrecht In ihrer typischen Ausgestaltung sollen Debt Token bzw. die durch sie verkörperten Rechtspositionen als Genussrechte zu qualifizieren sein.38 Diese Erkenntnis kann indes nur den Ausgangspunkt für die weitere Ergründung des materiellrechtlichen Gehalts der Finanzierungsinstrumente bilden. Denn inwiefern sich Genussrechte von anderen Mezzanine-Instrumenten unterscheiden, welchen GestaltungsMünchKomm AktG, Vor §§ 182k–191 Rn. 35; Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297. Das ökonomische Schrifttum beschreibt die idealtypischen Eigenschaften von Mezzanine-Kapital als „magisches Fünfeck“: (i) Es erfüllt als Haftkapital eine Pufferfunktion, (ii) um hierdurch handelsbilanziell die Eigenkapitalquote zu erhöhen, (iii) gestattet dabei nur eine ergebnisabhängige Verzinsung und (iv) erlaubt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Ausschüttungen als Betriebsausgaben, (v) ohne den Kapitalgebern ein Recht auf unternehmerische Mitsprache nennenswerten Umfangs zu vermitteln, s. Wöhe/Bilstein/Ernst u. a., Unternehmensfinanzierung, S. 200. 35 Hingst, in: FS Schäfer, S. 635, 641 f.; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1091; Natusch, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 81; Rolke, Finanzierung von KMU, S. 138 ff.; Servatius, Gläubigereinfluss, S. 30 f.; Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297. 36 Schedensack, Crowdinvesting, S. 174. 37 S. 1. Kap. A.IV.3.c)aa). 38 Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 201; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 58; van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.186; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 277; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 82; Koch, ZBB 2018, 359, 365.
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grenzen sie unterliegen und was dies für die Rechtsstellung der Kapitalgeber im Einzelnen bedeutet, ist Gegenstand jahrzehntewährender Kontroversen.39 aa) Begriff und Ursprung Der Begriff „Genussrecht“ wird in einer Reihe aktien-, steuer- sowie aufsichtsrechtlicher Vorschriften als selbstverständlich vorausgesetzt,40 aber nirgends legaldefiniert. Dies ist nicht etwa auf ein legislatorisches Versäumnis zurückzuführen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Einführung von § 174 AktG 1937, der Vorgängernorm des § 221 AktG, bewusst von einer gesetzlichen Definition abgesehen, um die noch im Fluss befindliche Ausbildung verschiedener Genussrechtstypen durch die Kautelarjurisprudenz nicht zu behindern.41 Diese rechtspolitische Entscheidung ist im Zuge späterer Aktienrechtsreformen unangetastet geblieben,42 sodass es bis heute der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft überlassen bleibt, einen normübergreifenden Kernbestand an Definitionsmerkmalen zu identifizieren.43 Der von Teilen des Schrifttums vertretene Ansatz,44 den Genussrechtsbegriff je nach Regelungsbereich unterschiedlich zu fassen, liefe auf eine terminologische Zersplitterung hinaus, begünstigte Wertungswidersprüche und ist daher abzulehnen.45 Den jeweiligen Regelungszielen kann zudem auf Ebene der teleologischen Auslegung ohne Weiteres Rechnung getragen werden.46 39 Vgl. Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 400: „Man weiß, wie sehr sich gerade die Grundformen schuldrechtlichen Beteiligungskapitals […] phänomenologisch gleichen, sich aber rechtlich durch willkürlich anmutende Indizien schlecht oder […] gar nicht abgrenzen lassen“ (Fußnoten im Original hier ausgelassen). 40 So etwa in § 221 Abs. 3 und 4 AktG; § 8 Abs. 3 S. 2 KStG; § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG; § 1 Abs. 2 Nr. 5 VermAnlG; § 23 UmwG. S. mit weiteren Hinweisen auf das alte Recht ferner Rikovsky, Genussrecht, S. 31 (Fn. 3). 41 S. Begründung des Reichsjustizministeriums zum Entwurf eines Gesetztes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, 1930, S. 124, wiedergegeben bei Schubert, Aktienrechtsreform der Weimarer Republik, S. 966. Ausführlich zur historischen Entwicklung des Genussrechts und dessen Ursprüngen im französischen Recht Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 79 ff.; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 32 ff.; Frantzen, Genußscheine, S. 37 ff. 42 Vgl. Begründung zum RegE AktG 1965, wiedergegeben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 316; Stellungnahme der Bundesregierung vom 5. 10. 1984, BT-Drs. 10/2079, S. 8 sowie Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 119. 43 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 78; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 329; Frantzen, Genußscheine, S. 1 f. 44 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 606; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 323; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 23; vgl. auch Lutter, ZGR 1993, 291, 307, der zwischen Genussrechten im Sinne von § 221 Abs. 3 AktG und solchen im Sinne von § 10 Abs. 5 KWG a. F. differenziert. 45 Ähnlich Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 81 f.; Luttermann, Genußrechte, S. 92 ff.; Prosser, Anlegerschutz bei Genussscheinen, S. 19; Rikovsky, Genussrecht, S. 32 f. 46 Prosser, Anlegerschutz bei Genussscheinen, S. 19; Rikovsky, Genussrecht, S. 34.
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In einem normübergreifenden Begriffssinne zeichnet sich das Genussrecht dadurch aus, dass es schuldvertragliche Ansprüche auf gesellschaftertypische Vermögensrechte einräumt.47 Praktische Bedeutung erlangt in dieser Hinsicht insbesondere das Recht auf Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös.48 Die Weitläufigkeit dieser historisch gewachsenen Definition belässt den Parteien erhebliche Gestaltungsfreiheit.49 Da dem Genussrecht jedwede korporationsrechtliche Natur fehlt, können Mitwirkungs- und Kontrollrechte allerdings nur auf schuldrechtlicher Grundlage und nur in dem Maße eingeräumt werden, wie es das zwingende Verbandsrecht zulässt.50 Wenngleich im Finanzierungszusammenhang bislang Genussrechte im Vordergrund standen, die gegen eine Bareinlage begeben werden,51 ist anerkannt, dass sie auch als Gegenleistung für sonstige vermögenswerte Zuwendungen in Betracht kommen,52 mithin auch im Austausch für Kryptowährungen. Einigkeit besteht ferner darüber, dass das Genussrecht zu seiner Begründung keiner wertpapiermäßigen Verbriefung bedarf.53 Damit eignet es sich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des eWpG für die Übertragung qua Token-Transaktion, wobei in diesem Fall die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätze, insbesondere die §§ 413, 398 ff. BGB,
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BGHZ 119, 305, 309 f. (Klöckner); Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, § 13 Rn. 1; Claussen, in: FS Werner, S. 81; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 74; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 64; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 328; Leuschner; in: GKGmbHG, § 29 Rn. 219 f.; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 48; Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275; Rikovsky, Genussrecht, S. 33; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II.2.d) (S. 521); Sethe, AG 1993, 293, 297. 48 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 74; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 65; Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275, 276; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 20. Eine Kumulation beider Rechte ist zwar möglich, mit Blick auf § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, der die steuerliche Abzugsfähigkeit von Ausschüttungen für diesen Fall versagt, aber regelmäßig unerwünscht, s. hierzu Gleske/Laudenklos, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Teil D. Rn. 15 f.; Lühn, Genussrechte, S. 131 ff.; Mihm, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 429. 49 BGHZ 119, 305, 309 (Klöckner); Frantzen, Genußscheine, S. 5; Gleske/Laudenklos, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Teil D. Rn. 57; Hirte, in: GKAktG, § 221 Rn. 328; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 17 Rn. 21. 50 Vgl. BGHZ 119, 305, 316 f. (Klöckner); BGHZ 120, 141, 147 (Bremer Bankverein); Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 607; Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 78; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 514; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 65; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1104. 51 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 80; Wöckener/Becker, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.4. 52 Claussen, in: FS Werner, S. 81; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 334; Seiler, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 221 Rn. 29; zur Gratisausgabe s. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 85. 53 BGHZ 218, 183, 189 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 63; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 28.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
eingreifen.54 Wird das Genussrecht gleichwohl als Inhaber-, Order- oder Rektapapier verbrieft, um dessen kapitalmarktmäßige Umlauffähigkeit zu erhöhen, ist von Genussscheinen die Rede.55 Mangels spezialgesetzlicher Regelung finden auf sie die allgemeinen wertpapierrechtlichen Vorschriften Anwendung.56 Im Zusammenhang mit einem Token Sale kommt gem. § 1 eWpG die Verbriefung als digitale Inhaberschuldverschreibung in Betracht.57 Aus dem Verzicht auf das Verbriefungserfordernis und die damit verbundene Emanzipation von der Schuldverschreibung schließt die herrschende Meinung, dass der Begriff des Genussrechts keine massenweise Begebung oder dessen fungible Ausgestaltung voraussetzt.58 Da jedenfalls die hier interessierenden Token Sales ein breites Anlegerpublikum adressieren, kann einstweilen dahinstehen, ob – dies wäre Konsequenz der h. M. – auch bilaterale Genussrechtsverträge existieren. Von Bedeutung ist die „systemprägende Grundsatzfrage[…]“59 aber insbesondere für die an späterer Stelle zu diskutierende Zuweisung der Begebungskompetenz (hierzu unter B.I.2.). Obwohl die Begebung von Genussrechten nur im Aktienrecht eine gesonderte Regelung erfahren hat (§ 221 AktG), entspricht es einhelliger Auffassung, dass Unternehmen jedweder Rechtsform entsprechende Mezzanine-Instrumente emittieren können.60 So wurde der Genussschein etwa während seiner „Renaissance“61 in den 1980er Jahren für mittelständische Unternehmen im Rechtskleid der GmbH als probates Mittel zur Finanzierung über den Kapitalmarkt angesehen.62 Die Mög54 Zur Übertragbarkeit von Genussrechten s. Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 397; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 149. Zur Rechtsübertragung qua Token-Transaktion s. 2. Kap. B.II.2.b)cc). Zur Begebung mit Hilfe eines Smart Contract s. 3. Kap. C.III.2. 55 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 75; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 396; Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275, 278; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II.2.d) (S. 521); Sethe, AG 1993, 293, 297. 56 Lühn, Genussrechte, S. 42; Rikovsky, Genussrecht, S. 35. 57 Vgl. BT-Drs. 19/26925, S. 38; Sickinger/Thelen, AG 2020, 862, 863. 58 Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 111 ff.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 66; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 334; Luttermann, Genußrechte, S. 97 ff.; Rikovsky, Genussrecht, S. 34; Sethe, AG 1993, 293, 309; implizit auch BGHZ 120, 141 (Bremer Bankverein). A. A. Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 94; Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 411 ff.; ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 521 ff.; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 241. 59 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 516 (Kursivsetzung im Original hier ausgelassen). 60 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 615; Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 163; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 8; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 337; Leuschner; in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 219; Sethe, AG 1993, 293, 307 f. 61 Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 379. 62 Lorch, Börsenfähiger Genußschein, S. 169 ff.; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 64 ff.; Vollmer, ZGR 1983, 445, 456 ff.; vgl. aus jüngerer Vergangenheit auch Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1105. Zum Ganzen s. Fleischer, in: MHLS, GmbHG, Syst. Darst. 5
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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lichkeit Blockchain-basierter Emissionen hat diesem Bestreben neue Aktualität verliehen, wenngleich unter veränderten Vorzeichen.63 bb) Inhaltliche Ausformung Mangels gesetzlicher Vorgaben obliegt es den Parteien, Art und Inhalt des Genussrechts in den Ausgabebedingungen näher zu bestimmen.64 Dabei genießen sie Gestaltungsfreiheit,65 was in praxi zu einem bunten Strauß an Erscheinungsformen geführt hat.66 Im Zusammenhang mit einem STO ist es den Initiatoren möglich, die durch den Debt Token repräsentierten Vermögensrechte an die spezifischen Bedingungen der Wagnisfinanzierung auszurichten. Die relevantesten Stellschrauben im juristischen Sinne seien im Folgenden genannt. (1) Erfolgsbeteiligung Um die Token-Anleger an den Wachstumschancen des finanzierten Unternehmens teilhaben zu lassen und zugleich eine liquiditätsschonende Kapitalaufnahme zu ermöglichen, sehen die durch Debt Token repräsentierten Ansprüche eine partiarische Vergütungskomponente vor. Dies entspricht der für Genussrechte gängigen Gestaltung.67 Im Vordergrund steht dabei die Beteiligung am Gewinn der emittierenden Gesellschaft.68 Eine Teilhabe am Liquidationserlös69 sehen die Emissionsbedingungen dagegen typischerweise nicht vor.70 Als Bemessungsgrundlage für den Gewinn dient etwa die Höhe des Jahresüberschusses, der Bilanzgewinn oder die Rn. 97; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 338; Kersting, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 29 Rn. 90. 63 Vgl. Florstedt, ZBB 2021, 112. 64 Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 117; Frantzen, Genußscheine, S. 14 f.; Rikovsky, Genussrecht, S. 37; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 78. 65 BGHZ 119, 305, 309 (Klöckner); Claussen, in: FS Werner, S. 81, 82; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 66; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 337; Lühn, Genussrechte, S. 41. 66 Durchaus treffend ist daher vom „chamäleonartigen Charakter“ des Genussrechts die Rede, Luttermann, Genußrechte, S. 94 (Fn. 75, unter Verweis auf dessen Aufsatz). 67 Als gesellschaftertypischer Genuss kommen daneben auch Bezugs- oder Vorerwerbsrechte sowie die Nutzung bestimmter Einrichtungen der Gesellschaft in Betracht, s. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 65; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 329. In der letztgenannten Möglichkeit erblicken Behme/Zickgraf (ZfPW 2019, 66, 73) einen dogmatischen Anknüpfungspunkt für Utility Token, die einen dauerhaften Zugriff auf eine Dienstleistung, ein Produkt oder eine Plattform gewähren. 68 Vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 69. 69 Die Teilhabe am „Liquidationserlös“ meint im hiesigen Zusammenhang die Beteiligung am Liquidationsmehrerlös, also an dem nach Befriedigung der Gläubiger verbleibenden Vermögen einschließlich stiller Reserven, s. Frantzen, Genußscheine, S. 131 ff.; Hirte, in: GKAktG, § 221 Rn. 329. 70 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 280 m. w. Nachw. Einer Kombination beider Vergütungskomponenten stehen steuerliche Erwägungen entgegen, s. Fn. 48.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Dividende.71 Die Verzinsung kann dabei auf zweierlei Weise ausgestaltet werden:72 Bemisst sie sich der Höhe nach variabel anhand der Bezugsgröße, ist von einem gewinnorientierten Genussrecht die Rede. In diese Kategorie fällt auch die Kombination aus einer variablen Vergütungskomponente und einer festen Minimalverzinsung. Gewinnabhängige Genussrechte gewähren einen grundsätzlich festen Verzinsungsanspruch, der jedoch entfällt, soweit er nicht aus dem Gewinn bedient werden kann.73 Um das im Wachstum befindliche Unternehmen vor periodischen Liquiditätsabflüssen zu bewahren, kann in allen Vergütungsvarianten die Endfälligkeit des Zinsanspruchs vereinbart werden (sog. roll-up).74 Um bestimmen zu können, in welcher Höhe die Genussrechtsinhaber partizipieren, bedarf es eines Zuweisungsmaßstabs. Dazu ist eine Beteiligungsquote der Genussrechtsinhaber zu definieren (sog. Quotengenussrecht).75 Sollen die Debt Token einen vermögensmäßigen Anteil am Gesamtunternehmen repräsentieren, kann in Anlehnung an die Quotenbildung bei konventionellen Crowdinvestings das Verhältnis des durch den Token Sale aufgenommenen Kapitals zur Post-MoneyBewertung76 herangezogen werden.77 Dies sei an einem vereinfachten Beispiel illustriert: Beträgt die Pre-Money-Bewertung des emittierenden Start-Ups 45 Mio. EUR und nimmt es durch den Token Sale Kryptowährungen im Wert von 5 Mio. EUR auf (Post-Money-Bewertung: 50 Mio. EUR), gebühren den Token-Inhabern insgesamt 10 % der Gewinne. Bei einem Investment im Wert von 1.000 EUR hätte ein einzelner
71 Vgl. Frantzen, Genußscheine, S. 102 ff.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 95 f.; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.13. 72 Zum Ganzen: Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 95 f.; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 25a; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 65; Seiler, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 221 Rn. 36 f.; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.13. 73 Falls die Ausschüttung danach scheitert, kann eine Nachzahlung in künftigen Gewinnperioden vorgesehen werden, s. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 96; Wöckener/ Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.13. 74 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 689; Lühn, Genussrechte, S. 26; Golland/Gehlhaar/Grossmann u. a., BB Beilage 2005, Nr. 14, 1, 4. 75 Hiervon zu unterscheiden sind „Nominalgenussrechte“, deren Zuweisungsquote relativ zum Grund- bzw. Stammkapital berechnet wird, Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 96; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 64. Unterschiede zwischen beiden Formen zeigen sich bei Kapitalmaßnahmen der Gesellschaft, s. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 547 sowie unter C.I.3.a). 76 Die Pre-Money-Bewertung entspricht der Unternehmensbewertung vor der Kapitalaufnahme. Die Post-Money-Bewertung ergibt sich aus der Summe von Pre-Money-Bewertung und Investment. 77 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 176; Schulz, Crowdinvesting, S. 20; Klöhn/ Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 156 ff.
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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Anleger somit Anspruch auf einen rechnerischen Anteil an den Gewinnströmen in Höhe von 0,002 %.78 Da finanzierungssuchende Unternehmen im Venture Capital-Bereich üblicherweise noch keine nennenswerten Erträge erwirtschaften, spielt die Gewinnteilhabe für die Renditeerwartung der Anleger indes eine untergeordnete Rolle.79 Start-Ups, für die ein Token Sale als komplementäre Kapitalquelle in Betracht kommt, verfolgen Geschäftsmodelle, die auf eine rapide Wertsteigerung ausgerichtet sind. Soll das Genussrecht dieser Zielsetzung Rechnung tragen, erscheint es erwägenswert, die Token-Inhaber bei Zeitablauf, vorzeitiger Beendigung sowie anlässlich eines ExitEreignisses durch sog. (Equity) Kicker am Unternehmenswert zu beteiligen. Auch hierfür finden sich Vorbilder in der Gestaltungspraxis konventioneller Crowdinvestings, wo die jeweiligen Zahlungsansprüche als „Bonuszinsen“ bezeichnet werden.80 In der damit einhergehenden (virtuellen) Teilhabe an den stillen Reserven81 der Gesellschaft erblickt der überwiegende Teil des Schrifttums ein für Genussrechte typisches Vermögensrecht.82 Zur Berechnung der „Bonuszinsen“ kann entweder an einen fiktiv typisierten Unternehmenswert angeknüpft werden,83 oder, im Falle eines Kontrollwechsels, unmittelbar an die realisierten Erlöse aus der Anteilsveräußerung.84
78
Diese sind das Ergebnis des Anteils des individuellen Token-Vermögens an der gesamten
1:000 EUR ) multipliziert mit dem Gewinnanteil der Token-Inhaber i. H. v. Token-Menge ( 5 Mio: EUR 10 %. 79 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 7. 2021 = ZIP 2021, 1665, 1667: „Solche Unternehmen sind in einer – mehr oder weniger langen – Anfangsphase meist nicht ertragsfähig […].“ 80 Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 136 ff.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 176 ff.; Schulz, Crowdinvesting, S. 19; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 161; Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153, 154. 81 Stille Reserven entstehen, wenn sich der tatsächliche Wert eines Wirtschaftsgutes erhöht, ohne dass sich die Wertsteigerung in der Bilanz widerspiegelt. Die resultierende Unterbewertung geht auf das Höchstwertprinzip zurück, wonach Buchwerte von Wirtschaftsgütern nicht die Zugangsbewertung in Höhe der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten übersteigen dürfen. S. zum Ganzen Keul, in: MHdB GesR, Bd. II, § 85 Rn. 14 ff. 82 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 732 f.; Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, § 13 Rn. 9; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 114; Lühn, Genussrechte, S. 54; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 81; Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297, 1302; a. A. Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 415. S. zur steuerrechtlichen Einordnung sogleich unter (a). 83 Hierzu definieren die Anlagebedingungen beim konventionellen Crowdinvesting EBIToder Umsatzmultiples, s. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 136 f.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 177; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 161. S. einführend zur Bewertung mit Multiplikatoren Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, S. 473 ff. 84 Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 136 f.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 178.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Ein mit Blick auf die Anreizsituation bedeutsames Gestaltungsmittel stellen zudem Abreden über die Rangfolge der Ausschüttungen dar.85 Typischerweise stehen die Beteiligungsansprüche der Genussberechtigten auf einer Stufe mit denen der Gesellschafter oder haben, z. B. im Falle einer partiellen Festverzinsung, gegenüber dem Gewinnrecht der Gesellschafter sogar Vorrang.86 Will man verhindern, dass die Dividenden- und Liquidationspräferenzen der Venture Capital-Geber ausgehöhlt werden,87 können die Emissionsbedingungen aber auch eine nachrangige (posterioritätische) Ausschüttung an die Genussberechtigten vorsehen.88 Ebenso lassen sich Höchstgrenzen des erfolgsabhängigen Zinsanspruchs festlegen (sog. caps).89 Auf diese Weise kann ein gestaffeltes Vergütungssystem errichtet werden, das auf die Renditeziele und damit die Anreizsituation von Gründern, Venture Capital-Investoren und Token-Anlegern Rücksicht nimmt. Denkbar wäre etwa eine Regelung, wonach den Venture Capital-Gebern bis zur Höhe ihres Investments der priorisierte Zugriff auf die Erlöse aus einem Exit gebührt, bevor die Genussberechtigten Anspruch auf Ausschüttung eines erlösabhängigen Bonuszinses bis zu einer bestimmten Maximalhöhe erhalten. Der verbleibende Teil des Erlöses könnte sodann der Verteilungsregelung im Verhältnis zwischen Gründern und Venture Capital-Investoren unterfallen.90 Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Vermarktung von Finanzprodukten als umso schwieriger gilt, je weiter sich dessen Vergütungskomponente von marktüblichen Standards entfernt.91 Eine Möglichkeit, die Ausführung auch komplexer Verteilungsregelungen zu vereinfachen, liegt in der Verwendung von Smart Contracts. Diese – das ist an anderer Stelle deutlich geworden – bleiben indes auf Daten-Inputs angewiesen und vermögen eine voll-automatisierte Anspruchsabwicklung nicht zu leisten.92 Im idealtypischen Fall sind die emittierten Token darüber hinaus auf einem liquiden Sekundärmarkt handelbar, sodass die Anleger durch die Veräußerung der tokenisierten Vermögensrechte Wertsteigerungen jederzeit realisieren bzw. sich abzeichnende Verluste frühzeitig begrenzen können.
85
Nicht zu verwechseln sind diese mit Nachrangabreden, s. hierzu unter (3). Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 549; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 329; Lühn, Genussrechte, S. 47. 87 S. hierzu oben bei A.I.3. 88 Vgl. Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 409; Frantzen, Genußscheine, S. 119 f.; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 329; Lühn, Genussrechte, S. 47; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 6; Ernst, AG 1967, 75, 77. 89 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 689. 90 Zu den verschiedenen Spielarten der Liquidationspräferenz s. Kuntz, Gestaltung, S. 77 f.; Zätzsch, in: Drygala/Wächter, Venture Capital, S. 103 ff. 91 Vgl. Protz, Anforderungsprofil, S. 126. 92 S. 2. Kap. C.I.2. 86
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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(a) Exkurs: Abzugsfähigkeit von Ausschüttungen trotz Teilhabe an den stillen Reserven? Die vorausgegangene Betrachtung hat gezeigt, dass sich das Renditepotenzial eines Token-Investments u. U. primär aus der Beteiligung an der Unternehmenswertentwicklung ergibt.93 Die ausschließliche Teilhabe am laufenden Gewinn ist in der Früh- und Wachstumsphase der finanzierten Unternehmen angesichts der typischerweise kargen Ertragslage kaum interessengerecht. Für die emittierenden Gesellschaften wird eine entsprechende Vergütungsgestaltung indes häufig nur in Betracht kommen, wenn sich Ausschüttungen im Rahmen der steuerlichen Einkommensermittlung gewinnmindernd auswirken.94 Davon profitieren Start-Ups zwar noch nicht, solange sie ohnehin keine Gewinne erwirtschaften. Sobald sie die Gewinnschwelle überschreiten, können angehäufte Defizite aber als Verlustvortrag geltend gemacht werden.95 Nach § 8 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 KStG sind Ausschüttungen als Betriebsausgaben anzuerkennen, wenn Genussrechte entweder keine Beteiligung am Gewinn oder keine Beteiligung am Liquidationserlös gewähren (sog. obligationsähnliche Genussrechte).96 Von einer Teilhabe am Liquidationserlös ist nach der Rechtsprechung des BFH auszugehen, wenn das Genussrechtskapital zuzüglich der anteiligen stillen Reserven zurückzuzahlen ist.97 Nur dann haben die Genussrechtsinhaber nach Ansicht der Finanzgerichte eine beteiligungsähnliche Stellung inne, die es in teleologischer Hinsicht rechtfertigt, Ausschüttungen wie solche auf das Eigenkapital zu behandeln und sie der Sphäre der Einkommensverwendung zuzuordnen.98 Daraus folgert ein Teil des Schrifttums, dass auch eine Beteiligung an den stillen Reserven zu einem Zeitpunkt vor der Liquidation genügt, um ein beteiligungsähnliches Genussrecht zu begründen.99 Nichts anderes dürfte nach dieser Auffassung gelten, wenn Genussrechte ihren Inhabern anlässlich eines Exits, der vorzeitigen Ablösung oder aufgrund schlichten Zeitablaufs neben der Rückzahlung des Genussrechtskapitals eine Teilhabe an der Wertentwicklung des emittierenden Unternehmens gewähren.100 93
Vgl. BT-Drs. 19/26925, S. 38. Vgl. Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 660. Zu den Zielen des Einsatzes von Mezzanine-Kapital s. bereits A.II.1. 95 Vgl. Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1201 f. (2010). 96 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 675; Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 576. 97 BFHE 267, 1, 10 (zu § 20 EStG); 210, 272, 276 (zu § 17 EStG). 98 BFHE a. a. O.; Kratzsch, BB 2005, 2603, 2607 ff.; kritisch zur Doktrin Schmid, DStR 2020, 2633 ff. 99 Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 459; Hey/Isler/Janetzko u. a., in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rn. 187 (312. EL 07/2022); Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 591; Rengers, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8 KStG Rn. 203 (162. EL 05/2022). 100 Offenlassend Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 660. 94
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Denn die am Geschäftswert orientierte Erfolgsbeteiligung berechnet sich in diesem Fall auf Grundlage der (hypothetisch) am Markt erzielbaren Preise, mithin unter (mittelbarer) Berücksichtigung der stillen Reserven.101 Ein derart weitgehendes Verständnis vom Begriff der Teilhabe am Liquidationserlös verlöre indes den Bezugspunkt des § 8 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 KStG aus dem Blick.102 Wenn vom „Liquidationserlös“ die Rede ist, bezieht sich das Gesetz nicht etwa auf die Liquidation des Genussrechts,103 sondern auf das Abwicklungsendvermögen der liquidierten Körperschaft im Sinne des § 11 Abs. 3 KStG.104 Dem kann man nicht entgegenhalten, der materielle Gehalt des Finanzinstruments bleibe vom formalen Beendigungszeitpunkt der Kapitalüberlassung unberührt.105 Denn die stillen Reserven in der Bilanz eines Unternehmens werden durch die Tatbestände, an welche die wertorientierte Erfolgsvergütung anknüpft (Zeitablauf, Kündigung, Kontrollwechsel), nicht aufgedeckt. Sie mögen als Bewertungsfaktor in die Berechnung des Geschäftswertes einfließen. Eine Beteiligung an den durch die Liquidation gehobenen stillen Reserven der Gesellschaf ist damit aber nicht verbunden.106 Ohne die liquidationsbezogene Beteiligung geht von dem Genussrecht keine eigenkapitalähnliche Belastung des Gesellschaftsvermögens aus, die es rechtfertigte, Ausschüttungen bei der Einkommensermittlung unberücksichtigt zu lassen. (b) Zwischenergebnis Es bleibt somit festzuhalten, dass sich die Vergütungskomponente von Genussrechten flexibel an die Gestaltungsbedürfnisse der Wagnisfinanzierung anpassen lässt. Diesem Zweck dienen etwa Abreden über die Endfälligkeit der Zinszahlung, Posterioritätsvereinbarungen und die unternehmenswertbezogene Zusatzvergütung. Letztere ist nach hier vertretener Auffassung auch in Kombination mit einer Gewinnbeteiligung möglich, ohne dass dadurch die Abzugsfähigkeit von Ausschüttungen vereitelt würde.
101 Das gilt auch, wenn im Multiple-Verfahren (vgl. Fn. 83) nur ein approximierter Unternehmenswert ermittelt wird, Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, S. 473. 102 Ablehnend auch Frotscher, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8 KStG Rn. 389 (138. EG 04/2017); Gosch, in: ders., KStG, § 8 Rn. 151; Bott/Hamacher/Schober u. a., in: Bott/Walter, KStG, § 8 Rn. 838 (160. EL 05/2022); vgl. auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 282 f. zur gleichfalls zu verneinenden Frage, ob die Realisierung von stillen Reserven durch die Token-Veräußerung dem obligationenartigen Charakter des repräsentierten Genussrechts entgegensteht. 103 So aber Kratzsch, BB 2005, 2603, 2608; dagegen Frotscher, in: Frotscher/Drüen, KStG/ GewStG/UmwStG, § 8 KStG Rn. 389 (138. EL 04/2017). 104 BFHE 267, 1, 10 (zu § 20 EStG); Gosch, in: ders., KStG, § 8 Rn. 151. 105 So aber Hey/Isler/Janetzko u. a., in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rn. 187 (312. EL 07/2022); Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 591. 106 Frotscher, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8 KStG Rn. 389 (138. EG 04/2017); vgl. ferner Schmid, DStR 2020, 2633, 2636.
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(2) Rückzahlbarkeit und Verlustbeteiligung Als Pendant zur Erfolgsbeteiligung können die Genussrechtsbedingungen eine Verlustteilnahme vorsehen. Im klassischen Sinne ist hiervon die Rede, wenn während der Laufzeit auftretende Verluste die Beteiligungsquote der Genussrechtsinhaber verringern.107 Darüber hinaus können die Genussrechtsinhaber am Verlust teilnehmen, indem sich der grundsätzlich bestehende Rückzahlungsanspruch um einen Verlustanteil108 reduziert.109 Als Bezugsgröße werden typischerweise der Jahresfehlbetrag oder der Bilanzverlust herangezogen.110 Beide Formen der laufenden Verlustanrechnung – Verminderung der Berechnungsgrundlage für künftige Ausschüttungen und Reduzierung des Rückzahlungsanspruchs – lassen sich auch kombinieren, wodurch es zur vermögensmäßigen Aushöhlung des Gläubigerrechts kommen kann.111 Für gewöhnlich verpflichtet sich der Emittent daher, das Genussrechtskapital aus späteren Gewinnen vorrangig vor anderen Verwendungen wiederaufzufüllen.112 Die herrschende Lehre nimmt auch ohne eine ausdrückliche Besserungsabrede eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung hergeleitete Wiederauffüllungspflicht des Emittenten an.113 Die Gestaltungsfreiheit erlaubt es den Parteien, über das Ob und Wie der Verlustteilnahme frei zu disponieren.114 Da die Vereinbarung den Inhalt der Primär107 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 165; Lühn, Genussrechte, S. 48; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 67; Rikovsky, Genussrecht, S. 39; s. auch Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 103 f., der im Zusammenhang mit der laufenden Verlustteilnahme anschaulich von einem „beweglichen Kapitalkonto“ spricht. 108 Dieser kann der Beteiligungsquote entsprechen. Möglich ist aber auch eine über- oder unterproportionale Verlustteilnahme, Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 103. 109 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 165; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 548; Frantzen, Genußscheine, S. 122 f.; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 39; vgl. dazu BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166 (Corealcredit). 110 Frantzen, Genußscheine, S. 123; Rikovsky, Genussrecht, S. 40. Zur kontroversen Frage, welche Bedeutung der Verwendung des Begriffs „Bilanzverlust“ in den Anlagebedingungen zukommt s. BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166 ff. (Corealcredit); OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 9. 2020 – 6 U 137/19 = AG 2021, 758 ff.; Mülbert, in: FS Hüffer, S. 679, 683 ff.; Habersack, NZG 2014, 1041 ff. 111 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 104. 112 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, § 13 Rn. 8; Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 127; Frantzen, Genußscheine, S. 128 f.; Merkt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 221 Rn. 72; Habersack, NZG 2014, 1041, 1042. 113 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 693; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 105; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 302; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 72; s. auch Frantzen, Genußscheine, S. 244 f. unter Rekurs auf eine angebliche Treue- und Fürsorgepflicht des Genussrechtsschuldners; einschränkend Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 441; ablehnend im Hinblick auf fungible Finanztitel Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 613. 114 Zur Verlustteilnahme in Form der Kapitalherabsetzung s. BGHZ 119, 305 (Klöckner); Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 548; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 107 ff.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
leistungspflicht bestimmt, unterliegt eine entsprechende Klausel gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB keiner AGB-Inhaltskontrolle.115 Fehlt es an einer Abrede über die Verlustbeteiligung, ist das Genussrechtskapital spätestens zum Beendigungszeitpunkt vollständig zurückzuzahlen.116 Für eine Auszahlungssperre in Krisenzeiten, wie sie unter dem Stichwort der „erweiterten Finanzierungsverantwortung“ im alten Recht diskutiert wurde,117 besteht seit Einführung der Freistellungsregeln in § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG und § 57 Abs. 1 S. 4 AktG durch das MoMiG118 kein Raum.119 Sofern ein Anleger das tokenisierte Genussrecht im Austausch für Kryptowährungen erhält, kann in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung fraglich sein, worauf sich der Rückzahlungsanspruch richtet. Entscheidend dürfte sein, wie das Risiko zwischenzeitlich eintretender Kursschwankungen nach den Genussrechtsbedingungen verteilt ist. Ergibt eine hierauf bezogene Auslegung, dass Kursbewegungen in die Risikosphäre des Emittenten fallen, schuldet dieser die Zahlung einer dem Investment im Überlassungszeitpunkt wertmäßig entsprechenden Summe der Kryptowährung. Im Kontext der Wagnisfinanzierung unterstreicht die Vereinbarung einer Verlustteilnahme den Risikokapitalcharakter der Mezzanine-Beteiligung. Die Teilhabe am Verlust bis zur vollen Höhe ist nach der für die Praxis maßgeblichen Stellungnahme des Hauptfachausschusses (HFA) des Instituts für Wirtschaftsprüfer (IDW) 1/ 1994 überdies Voraussetzung dafür, dass das Genussrechtskapital in der Bilanz als Eigenkapitalposten ausgewiesen werden kann.120 Den Eigenkapitalgebern erlaubt eine entsprechende Abrede, das Gesellschaftsvermögen in Verlustsituationen vor einer zusätzlichen Belastung durch die Ansprüche der Token-Gläubiger zu schützen. Da Bilanzverluste gerade im Bereich der Frühphasenfinanzierung nicht zwangsläufig auf eine erfolglose Geschäftsentwicklung schließen lassen, sondern im Gegenteil notwendige Folge des angestrebten Investitions- und Wachstumskurses sein können,121 erscheint eine unbegrenzte Verlustteilnahme allerdings ungeeignet, um
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BGH, Urt. v. 29. 04. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1169 (Corealcredit); OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 9. 2020 – 6 U 137/19 = AG 2021, 758, 762; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 259; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 35a. 116 Frantzen, Genußscheine, S. 122; Rikovsky, Genussrecht, S. 39. 117 S. hierzu aus dem aktuellen Schrifttum Habersack, in: GK-GmbHG, Anh. § 30 Rn. 1 ff.; Ekkenga, ZHR 185 (2021), 792, 807 ff. m. Nachw. 118 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23. 10. 2008, BGBl. 2008 I, S. 2026. 119 S. stellvertretend für die ganz h. M. Ekkenga, ZHR 185 (2021), 792, 807 ff.; a. A. Wilhelm, Dritterstreckung, S. 16 f., 121 ff., 425 (gesellschaftergleiche Kapitalbindung von „Quasi-Eigenkapital“ durch Analogieschluss). 120 IDW-Stellungnahme HFA 1/1994, WPg 1994, 419, 420; hierzu Alvensleben, in: Häger/ Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 817 ff.; Mihm, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 412. 121 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 7. 2021 = ZIP 2021, 1665, 1667.
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die Kapitalgeberrisiken beitragsgerecht zu verteilen.122 Als Äquivalent zur gestaffelten Teilhabe am Unternehmenserfolg wird vielfach nur ein abgestuftes Belastungssystem eine austarierte Risikozuweisung ermöglichen. So könnten die Parteien etwa vereinbaren, dass die Verlustbeteiligung der Genussrechtsinhaber erst ab einem vordefinierten Mindestdefizit eingreift und nur bis zu einer festgelegten Höchstgrenze reicht.123 (3) Nachrangabrede Weit verbreitet sind im Zusammenhang mit Genussrechtsemissionen zudem Abreden im Sinne von § 39 Abs. 2 InsO, denen zufolge die Genussberechtigten im Falle einer Insolvenz oder Liquidation nachrangig gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern zu befriedigen sind.124 Ein solcher Rangrücktritt kann sich sowohl auf laufende Ausschüttungen als auch auf den Rückzahlungsanspruch erstrecken.125 Teile des Schrifttums setzen ihn missverständlich mit der Verlustteilnahme gleich.126 Zwar trifft es zu, dass die Gläubiger eines nachrangigen Genussrechts einen wirtschaftlichen Totalverlust zu befürchten haben.127 Darin materialisiert sich indes das allgemeine Emittenten- bzw. Bonitätsrisiko, welches sich durch die Nachrangabrede lediglich erhöht.128 Außerhalb einer Insolvenz geht mit dem Rangrücktritt keine laufende Verlustteilnahme einher.129 Für eine Nachrangabrede existieren im Zusammenhang mit der Emission tokenisierter Genussrechte gleich drei Motive: Zum einen kann nach § 19 Abs. 2 S. 2 InsO durch einen Rücktritt im Rang hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO genannten Forderungen erreicht werden, dass Genussrechtsverbindlichkeiten nicht in der Überschuldungsbilanz zu passivieren 122 Hierin mag ein Grund dafür zu erblicken sein, dass Verlustbeteiligungsklauseln bei konventionellen Crowdinvestings keine Verwendung mehr finden, vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 175; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 160. 123 Vgl. mit einem Praxisbeispiel Frantzen, Genußscheine, S. 125. 124 Ders., Genußscheine, S. 129; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.15; Mock, NZI 2014, 102, 104. Die Rechtsnatur einer solchen Rangrücktrittsvereinbarung ist umstritten. Die Rechtsprechung erblickt in ihr einen verfügenden Schuldänderungsvertrag, BGHZ 204, 231, 242; a. A. Ekkenga, ZHR 185 (2021), 792, 829 ff. (zeitweilige Aufgabe der Gläubigerposition); K. Schmidt, ZIP 2015, 901, 907 (pactum de non petendo). 125 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 712; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 111, 113. 126 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 711; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 102; Lühn, Genussrechte, S. 49; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 68. 127 So das Argument für die Äquivalenz im wirtschaftlichen Sinne, s. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 102. 128 Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 425. 129 Darüber besteht Konsens, vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 102.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
sind.130 Damit dient der Rangrücktritt der prophylaktischen Abwehr der materiellen Insolvenz infolge bilanzieller Überschuldung.131 Das ist vor allem für Emittenten von Bedeutung, die frühen Anlegern ein Disagio132 als Investitionsanreiz einräumen.133 Denn die Emission unter-pari führt dazu, dass die finanzierte Gesellschaft weniger Kapital aufnimmt, als sie den Investoren nominell schuldet, sodass ihr ohne eine Nachrangvereinbarung frühzeitig die Überschuldung drohte.134 Welche Anforderungen an einen insolvenzvermeidenden Rangrücktritt im Zusammenhang mit Mezzanine-Kapital zu stellen sind, hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2015 konkretisiert.135 Danach ist neben der Subordination „im Insolvenzverfahren“ zu verlangen, dass der Rangrücktritt den Zeitraum vor der Verfahrenseröffnung erfasst. Erforderlich sei mithin eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, die Gläubiger daran hindert, ihre Forderung geltend zu machen, sofern beim Schuldner als Folge einer Zahlung Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zumindest einzutreten drohte.136 Sehen die Genussrechtsbedingungen einen Rangrücktritt vor, ist zudem gewährleistet, dass die Token-Emission nicht als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft qualifiziert.137 Um ein solches handelt es sich gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG bei der Annahme fremder Gelder als Einlagen sowie bei der Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird. Da beide Tatbestandsvarianten voraussetzen, dass das betreffende Unternehmen Buch- oder Bargeld entgegennimmt,138 kommt ein Einlagengeschäft im Zusammenhang mit Token Sales, bei denen ausschließlich Kryptowährungen als Gegenleistung akzeptiert werden,
130 Zur grundsätzlichen Passivierungspflicht von Genussrechtsverbindlichkeiten s. Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 169; Rikovsky, Genussrecht, S. 130 f. Zur Anwendbarkeit der §§ 19 Abs. 2 S. 2, 39 Abs. 2 InsO auf außenstehende (Genussrechts-)Gläubiger, s. BGHZ 204, 231, 235 f.; Mock, NZI 2014, 102, 103; K. Schmidt, ZIP 2015, 901, 903; s. auch Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 102; Rikovsky, Genussrecht, S. 161 ff., die sich jeweils für eine Analogie aussprechen. 131 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2015, 901, 902. 132 Als „Disagio“ wird die Differenz zwischen dem Nominalwert und dem Ausgabepreis bezeichnet, vgl. BGHZ 219, 35, 50; Krepold, in: Ellenberger/Bunte, BankR-Hdb, § 53 Rn. 59; Ruoff/Matzen, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 5. Teil Rn. 11.6. 133 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.182. 134 Ders., in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.182. 135 BGHZ 204, 231. 136 BGHZ 204, 231, 238 f.; monographisch hierzu Rikovsky, Genussrecht, S. 136 ff. 137 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.187; vgl. mit Blick auf konventionelle Schwarmfinanzierungen Schedensack, Crowdinvesting, S. 338 f.; Bader, WM 2014, 2249, 2252. 138 Schürmann/Langner, in: Ellenberger/Bunte, BankR-Hdb, § 53 Rn. 59; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 1 Rn. 12.
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von vornherein nicht in Betracht.139 Vor dem Hintergrund, dass tokenisierte Genussrechte jenseits des Anwendungsbereichs des eWpG der Verbriefung als Schuldverschreibung nicht zugänglich sind und das mit einem STO eingesammelte Kapital von einer unbekannten Vielzahl von Anlegern, mithin vom Publikum stammt, besteht in allen anderen Fällen aber durchaus ein Bedürfnis, die Kapitalaufnahme mittels Token-Emission vom Einlagengeschäft abzugrenzen.140 Diesem Zweck dient die qualifizierte Nachrangvereinbarung, indem sie die unbedingte Rückzahlbarkeit der akquirierten Mittel ausschließt.141 Schließlich ist die Nachrangigkeit der Genussrechtsverbindlichkeit erforderlich, um sie handelsbilanziell im Eigenkapital passivieren zu können.142 Nach einer Literaturansicht sollen die Anlagebedingungen im Zusammenhang mit einem STO auch ohne explizite Regelung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu vervollständigen sein, dass im Insolvenzfall eine Nachrangabrede Platz greift.143 Dies ergebe sich aus der „ökonomischen ratio“ der schuldrechtlichen Beteiligung, die darin bestehe, eine Gesellschafterstellung möglichst weitgehend zu replizieren.144 Angesichts der wirtschaftlichen Belastung, die für die Genussberechtigten mit einer derartigen Abrede einherginge, muss dem widersprochen werden. Den Anlegern ist nach der regelmäßig gegebenen Interessenlage bei Vertragsschluss nicht daran gelegen, auf die Durchsetzbarkeit ihres Rückzahlungsanspruchs in Krisenzeiten zu verzichten – und zwar gerade weil ihnen das Risiko einer ungünstigen Unternehmensentwicklung greifbar vor Augen steht. Aus dem Umstand, dass die Parteien eine wie auch immer geartete Erfolgsbeteiligung anstreben, kann zudem nicht geschlossen werden, auch im Übrigen sei eine eigenkapitalnahe Gestaltung gewünscht. Das belegt die Finanzierungspraxis: Hier begegnen auch Titel, die zwar über ein partiarisches Vergütungselement verfügen, ansonsten aber ein obligationenartiges Gepräge aufweisen.145 Darüber hinaus bleibt unklar, welchen Umfang und welche Reichweite ein stillschweigend vereinbarter Nachrang annehmen sollte.146 Von einer inhaltlich hinreichend bestimmbaren Nachrangabrede ist daher nur auszugehen, wenn die Genussrechtsbedingungen ausdrücklich eine entsprechende Anordnung treffen.147 139 Hofert, Regulierung der Blockchains, S. 130 ff.; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 145; Langenbucher, AcP 218 (2018), 385, 416. 140 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 145. 141 Vgl. Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 1 Rn. 27. 142 IDW-Stellungnahme HFA 1/1994, WPg 1994, 419, 420; hierzu Alvensleben, in: Häger/ Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 816; Hingst, in: FS Schäfer, S. 635, 639; Mihm, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 410. 143 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 84. 144 Dies., ZfPW 2019, 66, 84. 145 Vgl. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 43 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 77; Rikovsky, Genussrecht, S. 42. 146 Eine Auslegungsregel hält § 39 Abs. 2 InsO lediglich hinsichtlich der Rangtiefe bereit. 147 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 54.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
(4) Dauer der Kapitalüberlassung Im Zusammenhang mit Finanzierungsgenussrechten erfolgt die Kapitalüberlassung in der Regel über eine Laufzeit von fünf bis zehn Jahren.148 Soll das Genusskapital als handelsbilanzielles Eigenkapital strukturiert werden, gilt eine Überlassungsdauer von fünf Jahren als Minimum.149 Zwar können die Parteien auch eine unbefristete Mezzanine-Beteiligung vereinbaren,150 doch dürfte dies im Bereich der Wagnisfinanzierung angesichts des zeitlich begrenzten Investitionshorizonts regelmäßig nicht gewollt sein.151 Während für die Kapitalgeber die Teilhabe am kurz- bis mittelfristigen Unternehmenserfolg im Vordergrund steht, sind die Initiatoren eines STO darauf bedacht, den Zugang zu weiteren Kapitalquellen nicht dadurch zu erschweren, dass Genussrechtsverbindlichkeiten das Ertragspotenzial der finanzierten Gesellschaft auf unbestimmte Zeit belasten. Unter Verkehrsschutzgesichtspunkten erscheint problematisch, dass die in Umlauf gebrachten Token ohne entsprechende Vorkehrungen auch nach Beendigung der Genussrechtsbeziehung im Programmspeicher des Smart Contracts fortbestehen. Um zu verhindern, dass sie ad infinitum im virtuellen Raum zirkulieren und so unter Umständen Anlass zur Rechtsscheinhaftung des Emittenten geben, empfiehlt es sich, eine Möglichkeit zur Löschung der virtuellen Einheiten vorzusehen. Im Anwendungsbereich des eWpG ist der Emittent bereits durch das Umtragungserfordernis gem. § 29 Abs. 1 eWpG vor einer doppelten Inanspruchnahme geschützt. Die Löschung des entsprechenden Registereintrags erfolgt gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 18 Abs. 1 Nr. 1 eWpG u. a. auf Weisung des Inhabers gegenüber der registerführenden Stelle durch Kenntlichmachung als gegenstandslos, § 4 Abs. 9 eWpG.152 Findet die Emission über eine öffentliche Blockchain wie Ethereum statt, muss eine Löschungsmöglichkeit von vornherein in den Programmcode des zur Emission eingesetzten Smart Contracts implementiert werden. Von technischer Seite ist dies mit Hilfe einer sog. Burning-Funktion möglich, die es erlaubt, Token beim Eintritt
148 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 666; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.16. 149 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 656; Mihm, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 413. In der für die Praxis maßgeblichen IDW-Stellungnahme (HFA 1/1994, WPg 1994, 419, 420) ist nur von einem nicht näher bestimmten „längeren“ Zeitraum die Rede. 150 Frantzen, Genußscheine, S. 136 f.; Lühn, Genussrechte, S. 50. In Abkehr zur früheren Finanzverwaltungspraxis (s. hierzu Gosch, in: ders., KStG, § 8 Rn. 151) soll nach dem BMFSchreiben v. 11. 4. 2023, DStR 2023, 836, 839 allein aus der Dauer der Kapitalüberlassung nicht auf eine Beteiligung am Liquidationserlös i. S. v. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG geschlossen werden können. 151 S. insofern schon oben unter A.I.1. Anders stellte sich die Situation bei den auf einmalige Kapitalzufuhr ausgerichteten STOs der erste Generation dar, deren Whitepapers vielfach überhaupt keine Laufzeitregelung enthielten, s. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 83. 152 Lehmann, NJW 2021, 2318, 2323; Linardatos, ZBB 2020, 329, 345 f.; abweichend Casper/Richter, ZBB 2022, 65, 79 f. (Löschung des Datensatzes).
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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vordefinierter „Trigger“ zu löschen oder dem Zugriff von Nutzern dauerhaft zu entziehen.153 Um die Gesellschaft vor Liquiditätsabflüssen zu schützen, vereinbaren die Parteien einer Mezzanine-Finanzierung üblicherweise die Tilgung zum Laufzeitende.154 Aus dem gleichen Grund schließen die Genussrechtsbedingungen eine Kündigungsmöglichkeit der Kapitalgeber vorsorglich im größtmöglichen Umfang aus.155 Qualifizieren die tokenisierten Rechtspositionen im Einzelfall als partiarische Darlehen,156 griffe anderenfalls das Kündigungsrecht der Darlehensgeber nach § 488 Abs. 3 (bei unbefristeten Darlehen) und § 490 Abs. 1 BGB ein.157 Das allen Dauerschuldverhältnissen immanente Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB können die Parteien hingegen nicht abbedingen.158 Ein wichtiger Grund in diesem Sinne besteht jedoch nur in Ausnahmefällen, z. B. bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen oder wenn der erwerbswirtschaftliche Unternehmenszweck aufgegeben wird.159 Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse taugt nicht als Kündigungsgrund; schließlich zeichnen sich Finanzierungsgenussrechte in ihrer typischen Ausprägung gerade durch die Äquivalenz von Chancen und Risiken aus.160 Qualifiziert das Genussrechtsverhältnis im Einzelfall als stille Gesellschaft,161 ist ferner das Kündigungsrecht gem. § 234 Abs. 1 S. 2 HGB i. V. m. § 723 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB der Disposition der Parteien entzogen.162 153
Zum technischen Ablauf s. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 624 f. (2019). Vgl. mit Blick auf coins (zum Terminus s. 2. Kap. B.) ferner Antonopoulos/ Wood, Mastering Ethereum, S. 134; Höhlein/Weiß, RdF 2019, 116, 121. 154 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 667. 155 Vgl. Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 41. 156 Zur Abgrenzung s. A.II.2.a)cc)(1)(b). 157 Zum dispositiven Charakter der Kündigungsrechte des Darlehensgebers s. K.P. Berger, in: MünchKomm BGB, § 488 Rn. 240 sowie § 490 Rn. 22. Die abweichenden Vorschriften für Allgemein-Verbraucherverträge i. S. v. § 491 Abs. 2 S. 1 BGB sind a priori unbeachtlich, da es sich beim Darlehnsnehmer – der emittierenden Gesellschaft – nicht um einen Verbraucher handelt. Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 670 spricht sich in Anlehnung an eine Stellungnahme zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung (s. Frantzen, Genußscheine, S. 142 f.) für eine analoge Anwendung der §§ 488 Abs. 3, 489 BGB auf unbefristete Genussrechtsverhältnisse aus. 158 OLG Zweibrücken, Urt. v. 20. 5. 2021 – 4 U 34/20 = AG 2021, 718, 729; vgl. mit Blick auf Schuldverschreibungen BGHZ 210, 263, 273; s. ferner Frantzen, Genußscheine, S. 146 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 17 Rn. 21; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 41; Thielemann, Genußrecht, S. 191 ff. Von einem Teil des Schrifttums wird die Anwendbarkeit des § 314 BGB auf Schuldverschreibungen (mithin auch solcher nach dem eWpG) derweil kategorisch bestritten, s. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 235 ff. mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand. 159 Lühn, Genussrechte, S. 51 f.; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 41; Wöckener/ Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.16. 160 Frantzen, Genußscheine, S. 151; Lühn, Genussrechte, S. 51; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.16. 161 Zur Abgrenzung s. A.II.2.a)cc)(1)(c).
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Im Zuge der Anbahnung einer Folgefinanzierung kann für die kapitalaufnehmende Gesellschaft das Bedürfnis entstehen, die Beteiligungen außenstehender Token-Investoren vorzeitig abzulösen.163 Um für diesen Fall Vorsorge zu treffen, können die Anlagebedingungen ein Sonderkündigungsrecht der emittierenden Gesellschaft vorsehen.164 (5) Gläubigerschützende Nebenpflichten und Mitwirkungsrechte Aufgrund seiner rein schuldrechtlichen Natur kann das Genussrecht seinen Inhabern keine mitgliedschaftliche Stellung vermitteln – dafür wäre die formale Beteiligung am gesellschaftsrechtlichen Stamm- bzw. Grundkapital erforderlich.165 Das Abspaltungsverbot gem. § 717 S. 1 BGB schließt es zudem aus, zugunsten der Genussberechtigten „mitgliedschaftsentkleidete Teilhaberechte“ wie etwa das Stimmrecht, das Anfechtungsrecht oder das Recht zur Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung zu begründen.166 Je weiter sich Genussrechte von einer rein obligationenartigen Ausgestaltung entfernen, desto empfindlicher wirken sich andererseits opportunistische Verhaltensweisen der emittierenden Gesellschaft auf die vermögensmäßige Stellung der Genussberechtigten aus.167 In den Grenzen des zwingenden Verbandsrechts möglich und in unterschiedlicher Ausprägung üblich ist es daher, den Inhabern eigenkapitalnah ausgestalteter Genussrechte bestimmte Kontroll- und Informationsrechte auf schuldrechtlicher Grundlage einzuräumen.168 Ein Mindestmaß an Information und Haftungsschutz steht den Gennussrechtsinhabern zudem schon ex lege zu.169 162
S. hierzu Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 90 m. w. Nachw. Hierzu unter B.III. 164 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 556; Thielemann, Genußrecht, S. 191 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 358. S. hierzu auch noch unter B.III.2.b)aa). 165 BGHZ 119, 305, 309 (Klöckner); 120, 141, 146 f. (Bremer Bankverein); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 15; Claussen, in: FS Werner, S. 81; Fest, Anleihebedingungen, S. 370 ff.; Fischer, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 11 Rn. 26; Frantzen, Genußscheine, S. 10; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 86; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 26; Lühn, Genussrechte, S. 42; Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275, 276; Rikovsky, Genussrecht, S. 36; Ekkenga, ZHR 185 (2021), 792, 797 ff.; in Bezug auf tokenisierte Gläubigerrechte ferner Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 78 ff. 166 BGHZ 119, 305, 316 f. (Klöckner); 120, 141, 147 (Bremer Bankverein); Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 180 f.; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 538; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 119; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 331; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 26; Leuschner; in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 223; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 85; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 23; Sethe, AG 1993, 351, 355; Stöber, NZG 2017, 1401, 1407; a. A. Lorch, Börsenfähiger Genußschein, S. 303 ff.; Vollmer, ZGR 1983, 445, 462 ff. 167 Für einen Überblick zu den bei einem STO relevant werdenden Agenturkonflikten s. 3. Kap. C.II.1. 168 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 166 f.; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 181; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 120; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 331; 163
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Aus dem Interesse der Eigenkapitalgeber an einer einflusserhaltenden Finanzierungsstruktur folgt zugleich, dass eine als „Einmischung“ empfundene Mitwirkungsmöglichkeit der Mezzanine-Kapitalgeber das Genussrecht für die Zwecke der Wagnisfinanzierung unbrauchbar machte.170 Veritabler Einfluss auf die Unternehmensleitung oder den Willensbildungsprozess geht mit dem Genussrecht indes weder von Gesetzes wegen noch nach der üblichen Ausgestaltung durch die Emissionsbedingungen einher.171 Eine Ausnahme können sog. Covenants darstellen, durch die sich die emittierende Gesellschaft zur Einhaltung im Voraus definierter, eng umgrenzter Vorgaben verpflichtet. Diese dienen der Absicherung der Ansprüche der Kapitalgeber und stehen in einem an späterer Stelle noch genauer zu beleuchtenden Spannungsverhältnis zur Leitungsautonomie der Verbandsführung.172 Im Zusammenhang mit Debt Token-Emissionen fand eine Absicherung der Anlegerinteressen durch schuldrechtliche Mechanismen bislang kaum statt.173 Welche Gestalt ein interessenwahrender Kapitalgeberschutz annehmen könnte, ist unter C. Gegenstand einer detaillierten Analyse. (6) Ergebnis Die vorläufige Bestandsaufnahme vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten hat verdeutlicht, dass das Genussrecht dank seines „chamäleonartigen Charakters“174 in der Lage ist, den Anforderungen der Wagnisfinanzierung gerecht zu werden. Das Mezzanine-Instrument ermöglicht eine liquiditätsschonende, einflusswahrende und zugleich renditezielverträgliche Strukturierung des STO. Welchen Gestaltungsgrenzen das Genussrecht unterliegt und inwiefern es sich im Gewand eines Token für den kapitalmarktmäßigen Handel eignet, hängt von seiner Rechtsnatur ab. cc) Rechtsnatur Die dogmatische Einordnung des Genussrechts ist aufgrund seiner vielfältigen Erscheinungsformen bis heute nicht abschließend geklärt.175 Der Diskurs in Wissenschaft und Rechtsprechung fußt auf dem Konsens, dass das Genussrecht keine Leuschner; in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 223; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 86; Protz, Anforderungsprofil, S. 108 ff.; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 71; Stöber, NZG 2017, 1401, 1407. 169 Hierzu unter C.II.2. Vgl. plakativ Luttermann, Genußrechte, S. 550: „Genußrechte sind […] keine rechtlosen Vagabunden.“ 170 S. hierzu unter A.I.2. 171 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 752. 172 S. unter C.III.3.a). 173 Vgl. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 86. 174 S. Fn. 66. 175 S. mit einem Überblick zum Meinungsspektrum Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 169 ff.; Rikovsky, Genussrecht, S. 46 ff.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Mitgliedschafts-, sondern ausschließlich Gläubigerrechte vermittelt (s. o.). Dieses Charakteristikum teilt es indes mit anderen mezzaninen Instrumenten, was zu intrikaten Abgrenzungsfragen insbesondere im Verhältnis zur stillen Gesellschaft gem. §§ 230 ff. HGB sowie zum partiarischen Darlehen führt (hierzu sogleich).176 Als Überkommen können jene Stellungnahmen aus dem Schrifttum gelten, die sich bemühten, das Genussrechtverhältnis in das Korsett eines einzelnen gesetzlich normierten Schuldverhältnisses zu zwängen.177 Der wechselhafte Charakter des Genussrechts ist mit der pauschalen Zuordnung zu einem einzigen Vertragstypus schlichtweg unvereinbar.178 (1) Schuldverhältnis eigener Art? Die herrschende Meinung in Rechtsprechung179 und Literatur180 begnügt sich mit der Feststellung, das Genussrecht sei ein Dauerschuldverhältnis sui generis. Aus diesem habe der Genussberechtigte Anspruch auf eine näher zu bestimmende Erfolgsbeteiligung und schulde der Gesellschaft im Gegenzug eine Leistung in Geld.181 Die formelhafte Berufung auf einen Vertragstypus eigener Art droht indes den Blick dafür zu versperren, dass die Ausstattungsmerkmale eines vermeintlichen Genussrechts vielfach mit denen anderer gesetzlich geregelter Dauerschuldverhältnisse übereinstimmen.182 Diese phänomenologische Überschneidung insbesondere mit der stillen Beteiligung und dem partiarischen Darlehen ist notwendige Folge der vom Gesetzgeber zugestandenen Gestaltungsoffenheit. Sie hat zur Konsequenz, dass das – in seiner Existenz bisweilen bestrittene (s. o.) – Proprium des Genussrechts nur im Wege der Negativabgrenzung gegenüber artverwandten Vertragstypen zu
176 Vgl. BGH, Urt. v. 26. 9. 1957 – II ZR 42/56 = WM 1957, 1335, 1336: „Übergänge […] fließend und einer generellen sowie logisch ohne weiteres bestimmbaren Abgrenzung nicht zugänglich“; Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 401. 177 So aber Meilicke, BB 1989, 465, 466; Schön, JZ 1993, 925, 930 (jeweils für Einordnung als stilles Gesellschaftsverhältnis); sympathisierend Altmeppen, in: ders., GmbHG, § 14 Rn. 11; ferner Thielemann, Genußrecht, S. 63 (partiarisches Darlehen). 178 Vgl. Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 173 ff.; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 122 ff.; Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 148; Rikovsky, Genussrecht, S. 47 ff.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 136. 179 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529; BGHZ 119, 305, 330 (Klöckner); 156, 38, 43 (Deutsche Hypothekenbank). 180 Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 122 ff.; Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 56 f.; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 27; Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275, 277; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 82; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 23; Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297, 1301. 181 BGHZ 119, 305, 330 (Klöckner). 182 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 87; Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 22; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 277; Rikovsky, Genussrecht, S. 63; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 136.
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bestimmen ist.183 Der Begriff des Genussrechts fungiert in diesem Sinne als Auffangtatbestand für sämtliche Finanzierungstitel, die mitgliedschaftstypische Vermögensrechte begründen.184 Zu Recht merkt Ebert vor diesem Hintergrund an, dass weniger die Frage nach der Rechtsnatur des Genussrechts Zweifeln unterliegt als der Maßstab für eine sachgerechte Abgrenzung von ähnlichen Instituten.185 Dass es sich bei dem Versuch der Unterscheidung nicht bloß um begriffsjuristisches Glasperlenspiel handelt, zeigt sich daran, dass die herrschende Meinung weitreichende Rechtsfolgen an die Zugehörigkeit eines Finanzierungsinstruments zum einen oder anderen Beteiligungstypus knüpft.186 Danach besteht beispielsweise nur bei Genussrechten gem. § 221 Abs. 4 AktG ein Bezugsrecht der Aktionäre, während alleinig die stille Gesellschaft als Teilgewinnabführungsvertrag qualifizieren soll und als solche nach § 294 Abs. 2 AktG der konstitutiv wirkenden Eintragung im Handelsregister bedarf.187 Die zuvor als relevant identifizierten Attribute eines zum Zwecke der Wagnisfinanzierung emittierten Genussrechts machen eine Abgrenzung gegenüber der Gewinnschuldverschreibung, dem partiarischen Darlehen sowie der stillen Beteiligung erforderlich. Methodischer Ausganspunkt muss dabei die Auslegung der Genussrechtsbedingungen und der sich daraus im Einzelfall ergebende materielle Gehalt des Finanzierungsinstruments sein.188 Die vertragliche Bezeichnung durch die Parteien ist nicht verbindlich, sondern kann allenfalls als zusätzliches Indiz im Rahmen der Auslegung Berücksichtigung finden.189 Das folgt schon aus dem Grundsatz falsa demonstratio non nocet.190 Anderenfalls obläge es zudem den Parteien, durch ihre Wortwahl die ihnen günstig erscheinenden Rechtsfolgen zu 183
Rikovsky, Genussrecht, S. 63; ähnlich Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 177: „Es ist […] die Frage zu stellen, ob bei gewissen Ausgestaltungen des Genussrecht überhaupt noch von einem Genussrechtsverhältnis zu sprechen ist, oder ob vielmehr das Wesen eines anderen Rechtsverhältnisses so sehr in den Vordergrund tritt, dass eben dieses Rechtsverhältnis vorliegt und gerade kein Genussrechtsverhältnis.“ 184 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 21 f.; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 14. 185 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 177. 186 S. hierzu unter B.I.2.a)bb)(1). 187 S. hierzu noch unter B.I.2.a)aa). Mit weiteren Beispielen über das Aktienrecht hinaus s. Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 401. 188 Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 148 f.; Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 22; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 277; Rikovsky, Genussrecht, S. 63; a. A. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 55. 189 BFHE 221, 25, 30 f. (indizielle Bedeutung vor allem in „Grenzfällen“); Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 622; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 512; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 64; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 119 f.; Lühn, Genussrechte, S. 61; Rikovsky, Genussrecht, S. 34; Wöckener/ Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.10. 190 So auch Luttermann, Genußrechte, S. 97 (Fn. 91).
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
berufen. Dies böte nach der faktischen Verteilung der Verhandlungsmacht letztlich dem Emittenten die Möglichkeit, sich strategisch zu verhalten.191 (a) Abgrenzung von der Gewinnschuldverschreibung § 221 Abs. 1 S. 1 AktG definiert Gewinnschuldverschreibungen als „Schuldverschreibungen, bei denen die Rechte der Gläubiger mit Gewinnanteilen von Aktionären in Verbindung gebracht werden“. Das Abgrenzungsbedürfnis zum Genussrecht kommt dadurch zustande, dass beiden Instrumenten ein partiarisches Vergütungselement innewohnt. Dieses kann sowohl in einer Gewinnbeteiligung192 im engeren Sinne als auch in einer Teilhabe am Liquidationsüberschuss zum Ausdruck kommen.193 Von einem Genussrecht unterscheidet sich die Gewinnschuldverschreibung zunächst durch die obligatorische Verbriefung des Forderungsrechts.194 Im Zusammenhang mit einem Token Sale kommt die Begebung einer Gewinnschuldverschreibung somit nur im Anwendungsbereich des eWpG in Betracht.195 Ist das Forderungsrecht (digital) verbrieft, ergibt sich das zentrale Abgrenzungsmerkmal gegenüber dem Genussschein aus dem Umstand, dass die Gewinnschuldverschreibung die Rückzahlbarkeit des eingesetzten Kapitals zum Nennbetrag voraussetzt.196 Sofern tokenisierte Forderungsrechte – wie im Finanzierungszusammenhang häufig der Fall (s. o.) – mit einer Verlustbeteiligung einhergehen, scheidet die Annahme einer Gewinnschuldverschreibung daher aus.197 Eine bloße Nachrangvereinbarung ist nach hier vertretener Auffassung indes nicht mit einer Verlustbeteiligung
191 Vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 31; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 120; Mack, Beteiligung Dritter, S. 69 sowie sinnbildlich aus der Praktikerliteratur Klier/Kuzmicki/von Schweinitz, in: Jesch/Striegel/ Boxberger, RHdb Private Equity, § 28 Rn. 65: „In der Praxis gibt es eine Reihe mezzaniner Finanzierungen die gern mit dem Etikett des ,Genussrecht‘ arbeiten […].“ 192 Abzulehnen sind Stellungnahmen, die darauf abzielen, einen strukturellen Unterschied zwischen der Gewinnbeteiligung des Genussrecht und derjenigen bei der Gewinnschuldverschreibung zu konstruieren, s. hierzu m. Nachw. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 69. 193 Vgl. BGHZ 28, 259 (Harpen-Bonds); Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 58. Keine Gewinnschuldverschreibung liegt vor, wenn andere mitgliedschaftstypische Vermögensrechte gewährt werden, ders., in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 68. 194 Ders., in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 58; Lühn, Genussrechte, S. 62. 195 S. hierzu unter 2. Kap. B.II.1.b). Eine Verbriefung kann ferner dann vorliegen, wenn den Token physische Wertpapierurkunden zugrunde liegen, deren Inhaberschaft im ledger lediglich dokumentiert wird, s. hierzu sowie zu den resultierenden depotrechtlichen Problemen Kusserow, WM 2020, 586, 589 ff. 196 Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 44; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 322; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 71; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 355. 197 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 58.
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gleichzusetzen198 und somit für sich genommen als Abgrenzungsmerkmal untauglich.199 (b) Abgrenzung vom partiarischen (Nachrang-)Darlehen Das unverbriefte Äquivalent zur Gewinnschuldverschreibung ist das partiarische Darlehen. Bei diesem handelt es sich um eine Sonderform des in §§ 488 ff. BGB geregelten Darlehensvertrags, bei der die Parteien eine gewinn- oder erfolgsorientierte Kapitalverzinsung vereinbaren.200 Mit der Gewinnschuldverschreibung hat das partiarische Darlehen gemein, dass es im Gegensatz zum Genussrecht die Rückzahlbarkeit der Valuta voraussetzt, § 488 Abs. 1 S. 2 BGB.201 Ist der Rückzahlungsanspruch mit einer Rangrücktrittsabrede versehen, spricht man von einem Nachrangdarlehen.202 Das partiarische Nachrangdarlehen, d. h. die Kombination eines partiarischen Darlehens mit einer Nachrangabrede, hat sich im Bereich der konventionellen Crowdinvestings als dominante Beteiligungsform etabliert.203 Bei einem STO steht dem Gewinnanspruch der Anleger jedoch vielfach eine Beteiligung am Defizit des emittierenden Unternehmens gegenüber. Auf diese Weise soll das Gesellschaftsvermögen in Verlustphasen vor einer unverhältnismäßigen Inanspruchnahme durch die Token-Investoren geschützt werden.204 Ist das dem Debt-Token zugrundeliegende Vermögensrecht in diesem Sinne mitgliedschaftsähnlich ausgestaltet, scheidet eine darlehensvertragliche Qualifikation aus.205 Die von konventionellen Schwarmfinanzierungen abweichende Gestaltung erklärt sich aus der Tatsache, dass sich das finanzierte Unternehmen bei einem STO in einem fortgeschritteneren Entwicklungsstadium befindet. Durch ein Crowdinvesting lässt sich der Kapital198 S. hierzu unter A.II.2.a)bb)(3). Vgl. auch Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 456. 199 A. A. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 58; vgl. insofern inkonsistent ferner Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 322. 200 Freitag, in: von Staudinger, BGB, § 488 Rn. 70; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 28. 201 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 618; Lühn, Genussrechte, S. 64; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.11; Sethe, AG 1993, 293, 297; a. A. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 108 f., 121. 202 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 114 ff.; Freitag, in: von Staudinger, BGB, § 488 Rn. 98. Wer dagegen auf eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise zurückgreift und den Rangrücktritt mit der Verlustteilnahme gleichsetzt (s. Fn. 126), muss auch in diesem Fall das Vorliegen der darlehenstypischen Rückzahlungspflicht verneinen. 203 Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 75; Heuer, Regulierung von Crowdinvesting, S. 62; Schedensack, Crowdinvesting, S. 168 ff.; Bader, WM 2014, 2249; Herr/Bantleon, DStR 2015, 532, 533 f.; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 149; Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153. 204 S. bereits oben bei A.II.2.a)bb)(2). 205 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 277; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 85.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
bedarf regelmäßig nur in der Early-Stage-Phase decken.206 Token-Emissionen kommen dagegen als Ergänzungsfinanzierung in der Wachstums- und Expansionsphase zum Einsatz. Ihre Ausgestaltung hat deshalb auf die Interessen der bereits investierten Venture Capital-Geber Rücksicht zu nehmen, was in concreto bedeutet, dass die Initiatoren eine Beteiligung der Anleger nicht nur an den Chancen, sondern auch an den Risiken der Unternehmung anstreben. (c) Abgrenzung von der stillen Beteiligung Die Partizipation am Gewinn und Verlust rückt das zwischen Mezzanine-Kapitalgebern und emittierender Gesellschaft bestehende Rechtsverhältnis in die sachliche Nähe zur stillen Beteiligung gem. §§ 230 ff. HGB.207 Eine stille Beteiligung kommt zustande, wenn die Parteien zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks einen Gesellschaftsvertrag schließen, kraft dessen der „Stille“, ohne ein Gesellschaftsvermögen zu bilden, mit einer Einlage208 am kaufmännischen Unternehmen des anderen beteiligt ist und dafür am Gewinn – fakultativ auch am Verlust – teilnimmt.209 Es handelt sich bei der stillen Gesellschaft um eine reine Innengesellschaft im Sinne des § 705 BGB:210 Sie erlangt weder Rechtsfähigkeit noch tritt sie nach außen in Erscheinung (vgl. § 230 Abs. 2 HGB).211 Wie beim Genussrechtsverhältnis entsteht zwischen dem stillen Teilhaber und der unternehmenstragenden Gesellschaft ein schuldrechtlich zu qualifizierender Leistungsanspruch.212 Beide, der Genussberechtigte wie auch der stille Teilhaber, stehen der unternehmenstragenden Gesellschaft somit als Dritte gegenüber.213 Während sich das Genussrecht aber nach h. M. in einem reinen Austauschverhältnis erschöpft, zeichnet sich die stille Beteiligung durch die gegenseitige Verpflichtung ihrer Mitglieder zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks aus.214 Dieser ist auf die Ge206
Schedensack, Crowdinvesting, S. 70. Bestimmte Ausstattungsmerkmale sind indes nach einhelliger Ansicht mit einer typischen stillen Gesellschaft unvereinbar, so z. B. die Beteiligung nur am Liquidationserlös oder die Verbriefung, s. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 111 f.; Mack, Beteiligung Dritter, S. 64; Oettmeier, Ausgestaltung, S. 99 f. 208 Als bilanzierungsfähiger Vorteil in diesem Sinne kommt auch ein Investment in Kryptowährungen in Betracht, s. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 289. 209 Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 4.3; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 2. 210 Allg.M. s. nur Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 12; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 7. 211 Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 4.4. 212 Ders., in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 4.3; Gehrlein, in: EBJS, HGB, § 230 Rn. 4. 213 Frantzen, Genußscheine, S. 16; Rikovsky, Genussrecht, S. 51. 214 BGH, Urt. v. 5. 3. 1959 – II ZR 145/57 = WM 1959, 434, 436; BGHZ 156, 38, 43 (Deutsche Hypothekenbank); BFHE 221, 25, 30 (Abgrenzung hinsichtlich der divergierenden ertragssteuerlichen Behandlung von Genussrechten und stiller Beteiligung); Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 621; Blaurock, in: ders., 207
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winnerzielung im Rahmen des kaufmännischen Unternehmens des Inhabers gerichtet.215 Zwar hätten auch Genussberechtigte aufgrund der Erfolgsabhängigkeit der Verzinsung ein genuines Interesse an einer positiven Gewinnentwicklung beim Genussrechtsschuldner. Die stille Gesellschaft kennzeichne aber der darüber hinaus gehende Wille ihrer Mitglieder, die Gewinnerzielung in enger persönlicher Verbundenheit zu fördern (sog. animus societatis). Ein dergestalt personalistisch geprägter Zusammenschluss der Beteiligten sei dem Genussrechtsverhältnis fremd.216 So unterscheidungskräftig das Merkmal der gemeinsamen Zweckvereinbarung im dogmatischen Ausganspunkt erscheint, so problematisch erweist sich dessen Anwendung im Einzelfall. Denn ob der Kapitalüberlassung nach dem Willen der Vertragsschließenden die Verpflichtung zur gemeinsamen Zweckverfolgung zugrunde liegt, lässt sich nur im Wege der Auslegung ermitteln.217 Die mangelnde Trennschärfe des Kriteriums zwingt Rechtsanwender dabei zu diffusen, bisweilen willkürlich erscheinenden Differenzierungen.218 (aa) Vergleichbarkeit mit stillen Publikumsgesellschaften So könnte man mit Blick auf einen Token Sale annehmen, das Vorliegen einer stillen Gesellschaft wäre schon deshalb zu verneinen, weil eine kooperative Zweckverfolgung angesichts der unter den Anlegern vorherrschenden Anonymität a priori ausgeschlossen sei.219 Doch finden auch stille Publikumsgesellschaften220 heute allgemeine Anerkennung.221 Wie bei einer Token-Emission beteiligen sich an einer solchen Gesellschaft einander unbekannte Kapitalgeber mit dem primären Ziel, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 5.38; Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 62; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 119; Frantzen, Genußscheine, S. 16; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 81; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 53; Thielemann, Genußrecht, S. 60; Sethe, AG 1993, 293, 297. 215 Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 4.9. 216 BGH, Urt. v. 5. 3. 1959 – II ZR 145/57 = WM 1959, 434, 436; BGHZ 156, 38, 43 (Deutsche Hypothekenbank); BFHE 221, 25, 30; Frantzen, Genußscheine, S. 16; Thielemann, Genußrecht, S. 59; Wagner, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 18 Rn. 36. 217 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 3. 12. 2004 – 10 K 225/01 = DStRE 2006, 15, 16; Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 622; Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 5.38; Lühn, Genussrechte, S. 61 f.; Oettmeier, Ausgestaltung, S. 97; Protz, Anforderungsprofil, S. 492; vgl. mit Blick auf partiarische Darlehen ebenso BGHZ 127, 176. 218 Kritisch auch Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 182; Oettmeier, Ausgestaltung, S. 97; Rikovsky, Genussrecht, S. 58. Vgl. auch schon die Hinweise in Fn. 176. 219 Vgl. Koch, ZBB 2018, 359, 365; mit Blick auf Genussrechtsemmissionen ferner Oettmeier, Ausgestaltung, S. 98. 220 Von solchen ist die Rede, wenn sich eine Vielzahl untereinander fremder Anleger kapitalistisch an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt, die Mitgliedschaftsrechte auf dem öffentlichen Kapitalmarkt anbietet, vgl. Kauffeld, in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 18.10. 221 Hierauf zu Recht hinweisend Rikovsky, Genussrecht, S. 54, 57 f.
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durch das Halten oder Veräußern ihrer Anteile eine attraktive Rendite zu erwirtschaften. Obwohl von einer darüber hinaus gehenden Zweckverfolgung in „enger persönlicher Verbundenheit“ schwerlich die Rede sein kann,222 tröstet sich die h. M. mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Zulässigkeit atypischer Gestaltungen im Gesellschaftsrecht.223 Nach diesen Grundsätzen lässt allein das von Anonymität und individuellem Renditestreben geprägte Erscheinungsbild eines Debt Token-Sales noch nicht den Schluss zu, die Kapitalüberlassung sei auf ein reines Austauschverhältnis beschränkt. (bb) Kein numerus clausus der vertraglichen Risikotragung Damit das Kriterium der Zweckvereinbarung im Kontext der massenweisen Begebung an kapitalistisch motivierte Anleger nicht zur Fiktion verkommt, ist in Anlehnung an eine Entscheidung des BFH224 zu fordern, dass sich die stille Beteiligung durch ein substantielles „Mehr“ von der bloßen Kapitalüberlassung abhebt.225 Dieses „Mehr“ erblickt ein Teil der Literatur in der Beteiligung des MezzanineKapitalgebers am unternehmerischen Risiko im Allgemeinen226 und am Verlust im Speziellen227. Nimmt ein Genussberechtigter an Verlusten der emittierenden Gesellschaft teil, sei zwingend darauf zu schließen, dass die Parteien mehr verbinde als das bloße Streben nach Gewinn.228 In der eigenkapitalnahen Ausgestaltung finde das gemeinsame Verständnis der Parteien Ausdruck, dass die Einlage nicht nur der Gewinnerzielung dient, sondern auch als Haftkapital zur Verfügung stehen soll.229 Da Debt Token häufig eine eigenkapitalähnliche Beteiligung am Risiko der finanzierten Gesellschaft bezwecken, wären die zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen nach dieser Auffassung regelmäßig als stille Beteiligungen zu qualifizieren. Dem ist mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung230 und Literatur231 zu widersprechen. Denn ob die Finanzierungsparteien über das geteilte Interesse an 222 Dies konstatierend auch Rikovsky, Genussrecht, S. 57 f.; s. auch Wagner, in: Assmann/ Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 19 Rn. 40, der das Erfordernis der gemeinsamen Zweckverfolgung für die Publikums-GbR aus diesem Grund als obsolet betrachtet; s. andeutungsweise auch Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 395 f. 223 Kauffeld, in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 18.11; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 57 II 3 (S. 1670). 224 BFHE 221, 25, 32 f. 225 Vgl. Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 173; Rikovsky, Genussrecht, S. 61. 226 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 173; Rikovsky, Genussrecht, S. 61 f. 227 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 89 ff.; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 279 ff.; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 52. 228 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 1 c) bb) (S. 1843): „Wer außer am Gewinn auch am Verlust beteiligt ist, kann nur Gesellschafter sein.“ 229 Rikovsky, Genussrecht, S. 62. 230 BGHZ 156, 38, 43 (Deutsche Hypothekenbank); 119, 305, 330 (Klöckner). 231 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, § 13 Rn. 7; Fest, Anleihebedingungen, S. 83; ders., in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 378; Koch, in: ders., AktG,
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einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung hinaus eine gemeinsame Zweckverfolgung anstreben, lässt sich nicht unbesehen des vertraglichen Arrangements in seiner Gesamtheit beantworten.232 Zudem ist der wirtschaftlichen Zielsetzung der Parteien Geltung zu verschaffen.233 Wer dagegen die Risikobeteiligung zum zwingenden Qualifikationsmerkmal erhebt, läuft Gefahr, den privatautonomen Gestaltungsspielraum, den das Genussrecht nach der Intention des Gesetzgebers eröffnet, voreilig zu begrenzen.234 Das hat nichts mit einer „Umgehung“ der gesetzlichen Rechte des Stillen zu tun,235 sondern spiegelt den Umstand wider, dass das Gesetz keinen numerus clausus der vertraglichen Risikotragung kennt. Die Beteiligung am unternehmerischen Risiko mag somit als ein Indiz für das Vorliegen einer stillen Gesellschaft gedeutet werden, als alleiniges Abgrenzungsmerkmal taugt dieses aber nicht. (cc) Notwendigkeit einer indizienorientierten Gesamtbetrachtung Im Rahmen der gebotenen indizienorientierten Gesamtbetrachtung relativiert sich die Aussagekraft einer Beteiligung der Kapitalgeber am unternehmerischen Risiko der emittierenden Gesellschaft. Zweifel an der Subsumtion von Debt Token unter die §§ 230 ff. HGB lässt zunächst der Umstand aufkommen, dass den Kapitalgebern die Möglichkeit zur unternehmerischen Einflussnahme im größtmöglichen Umfang verwehrt sein soll.236 Echte Mitwirkungskompetenzen gehen indes auch mit einer stillen Beteiligung nicht zwangsläufig einher.237 Lediglich das Informationsrecht gem. § 233 Abs. 3 HGB ist der Dispositionsfreiheit der Parteien entzogen.238 Der Geschäftsinhaber unterliegt im Verhältnis zu den stillen Teilhabern allerdings bestimmten Treuepflichten.239 Seiner Entscheidungsfreiheit sind infolgedessen engere Grenzen gezogen, als es bei einer rein schuldrechtlichen Beziehung der Fall wäre. Das dürfte der Vorstellung der Vertragsschließenden regelmäßig nicht entsprechen. Grundsätzlich zutreffend ist in § 221 Rn. 27; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 109; Luttermann, Genußrechte, S. 162; Stöber, NZG 2017, 1401, 1404. 232 Vgl. BGHZ 127, 176, 184 f.; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 3. 12. 2004 – 10 K 225/ 01 = DStRE 2006, 15, 16; Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 622; Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 5.38; Lühn, Genussrechte, S. 61 f.; Protz, Anforderungsprofil, S. 492. 233 Vgl. Fn. 232. 234 Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 28; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 27; Stöber, NZG 2017, 1401, 1404. 235 So aber Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 89. 236 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 276 f.; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 86. Vgl. auch Fischer, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 11 Rn. 15, der die Mitwirkungsmöglichkeit des Kapitalgebers für das ausschlaggebende Kriterium erachtet. 237 Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 195; Lamprecht, in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 12.36. 238 Seffer/Erhardt, in: MHdB GesR, Bd. II, § 81 Rn. 31. 239 Gehrlein, in: EBJS, HGB, § 230 Rn. 42 f.; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 185 ff.
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diesem Zusammenhang der Einwand, dass Informationsrechte und Treuepflichten nicht tatbestandliche Voraussetzung, sondern Rechtsfolge der stillen Gesellschaft sind.240 Das heißt allerdings nicht, dass die Frage, inwieweit die Rechtsfolgen der stillen Gesellschaft mit den wirtschaftlichen Zielen der Parteien übereinstimmen, im Rahmen der Auslegung außer Acht zu lassen wäre. Ob es umgekehrt für eine Qualifikation als stille Gesellschaft spricht, wenn die Token-Inhaber über begrenzte Informationsrechte verfügen oder Covenants bestimmte Verhaltenspflichten stipulieren, erscheint zweifelhaft.241 Solche Nebenbestimmungen dienen der Absicherung der Gläubigeransprüche und finden auch im Zusammenhang mit typischen Fremdkapitaltiteln standardmäßig Verwendung.242 Ähnliches gilt für Vergütungsbestandteile, die die Unternehmenswertentwicklung abbilden. Während Stimmen in der Literatur die rechnerische Beteiligung am finanzierten Unternehmen als ein starkes bzw. zwingendes Indiz für das Vorliegen einer (atypischen) stillen Gesellschaft werten,243 kann gleiches nicht auch für die im Bereich der Wagnisfinanzierung verbreiteten Kicker-Komponenten244 zutreffend sein.245 Denn eine unmittelbare schuldrechtliche Beteiligung am Vermögen der kapitalaufnehmenden Gesellschaft gewähren diese nicht. Vielmehr legen die Ausgabebedingungen eine virtuelle Beteiligungsquote fest, nach der sich die im Beendigungs- bzw. Exit-Fall fällig werdenden Bonuszahlungen richten.246 Die Parteien bezwecken eine an der Wertentwicklung orientierte Zusatzverzinsung des eingesetzten Kapitals. Dazu wird der Unternehmenswert lediglich näherungsweise mit Hilfe des Multiplikatoren-Verfahrens bestimmt bzw. im Exit-Fall anhand des erzielten Erlöses bemessen.247 Einer „echten“ Beteiligung am Gesellschaftsvermögen entspricht das nicht.248 Gegen die Annahme, Debt Token verkörperten in ihrer typischen Ausgestaltung stille Beteiligungen, lässt sich schließlich einwenden, dass die tokenisierten Rechtspositionen frei veräußerlich sein sollen, um einen liquiden Zweithandel zu 240 Vgl. K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 64; ähnlich Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 89; Rikovsky, Genussrecht, S. 53. 241 So aber OLG Hamm, Urt. v. 2. 3. 1999 – 27 U 257 – 98 = ZIP 1999, 1530, 1523. 242 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 149 f.; Fettes, Covenants, S. 83 ff.; Gehrlein, in: EBJS, HGB, § 230 Rn. 77; Heuer, Regulierung von Crowdinvesting, S. 127; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 106 f.; Mack, Beteiligung Dritter, S. 66; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 64. Vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 2 III.1.c) (S. 126), der insoweit von „[g]esellschaftsähnliche[n] Rechtsverhältnisse[n]“ spricht. 243 Vgl. Gehrlein, in: EBJS, HGB, § 230 Rn. 77; Protz, Anforderungsprofil, S. 546; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 60. 244 S. hierzu oben bei A.II.2.a)bb)(1) sowie im Detail noch unter B.II. 245 Schedensack, Crowdinvesting, S. 261. 246 Ders., Crowdinvesting, S. 261. 247 S. unter A.II.2.a)bb)(1). 248 Schedensack, Crowdinvesting, S. 261.
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ermöglichen.249 Dies können stille Beteiligungen nicht uneingeschränkt gewährleisten.250 Denn zur rechtswirksamen Übertragung wäre eine Vertragsübernahme erforderlich, die bei einer mehrgliedrigen Gesellschaft die Mitwirkung jedes einzelnen Teilhabers voraussetzte.251 Spielt die Identität der Mitglieder keine Rolle, liegt es indes nahe, dass sich die Gesellschafter bereits bei Vertragsschluss mit allen zukünftigen Übertragungen einverstanden erklären – u. U. konkludent.252 Teilhaberwechsel wären in diesem Fall auch ohne eine im Einzelfall herbeizuführende Konsensbildung möglich. Ihr personalistisches Gepräge steht der gesteigerten Umlauffähigkeit stiller Beteiligungen aber in anderer Hinsicht entgegen. Denn zu den Strukturprinzipien jeder Personengesellschaft zählt die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft.253 Der liquide Handel mit tokenisierten Rechtspositionen basiert aber darauf, dass diese in Bruchteile zerlegt und als solche gehandelt werden können.254 Während die Übertragung eines Bruchteils einer Forderung im Wege der Teilabtretung – hinreichende Bestimmbarkeit vorausgesetzt255 – keinen Bedenken begegnet,256 ist eben dies im Zusammenhang mit stillen Beteiligungen ausgeschlossen.257 Darüber hinaus kann die Mitgliedschaft an einer stillen Gesellschaft im Unterschied zur Genussrechtsforderung nicht Gegenstand eines abstrakten Leistungsversprechens sein. Hiervon hängt entscheidend ab, zu welchem Grad das schuldrechtliche Beteiligungskapital für den kapitalmarktmäßigen Handel „mobilisiert“ werden kann.258 Der zentrale Verpflichtungstatbestand des § 780 S. 1 BGB bezieht sich auf Forderungen im Sinne von § 241 Abs. 1 S. 1 BGB (sog. Schuldverhältnis i. e. S.).259 Eine solche – durch die Emissionsbedingungen näher ausgestaltete – 249
Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 86 f. Vgl. Protz, Anforderungsprofil, S. 551; Oettmeier, Ausgestaltung, S. 97. 251 Gehrlein, in: EBJS, HGB, § 230 Rn. 71; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 244; Polzer, in: MHdB GesR, Bd. II, § 74 Rn. 14; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 176. 252 Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 10.34; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 245. 253 St.Rspr. vgl. BGHZ 24, 106, 108 f.; s. aus dem Schrifttum nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 I 2 b) (S. 1312). Zu den anzuerkennenden Einschränkungen dieses Dogmas s. Schäfer, in MünchKomm BGB, § 705 Rn. 187 ff. m. w. Nachw. 254 Vgl. 3. Kap. B.I.2. 255 Gerade hierfür erweist sich die Dokumentation von Inhaberwechseln durch TokenTransaktionen als nützlich. 256 Vgl. BGHZ 167, 337, 341; Busche, in: von Staudinger, BGB, § 398 Rn. 43; Kieninger, in: MünchKomm BGB, § 398 Rn. 63 ff. 257 Vgl. Fleischer, in: MünchKomm HGB, § 105 Rn. 248. Möglich wäre lediglich die isolierte Übertragung von zur Forderung erstarkten Ansprüchen aus der Mitgliedschaft. 258 Zur Abstraktion der Genussrechtsforderung s. sogleich unter A.II.2.a)dd). 259 Vgl. ausführlich (in Bezug auf Anleihen, denen § 780 BGB als bürgerlich-rechtliche Grundform wertpapierrechtlicher Verpflichtungstatbestände zugrunde liegt) Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 27 ff. 250
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Leistungspflicht kann das Genussrecht beinhalten.260 Bei der stillen Beteiligung handelt es sich dagegen um ein „komplexes schuldrechtliches Rechtsverhältnis, aus dem sich einzelne Forderungsrechte bzw. korrespondierende Pflichten, Gestaltungsrechte und ,Rechtslagen‘ ergeben können“ (sog. Schuldverhältnis i. w. S.).261 Im Gegensatz zu Genussrechten ist stillen Beteiligungen der Vorzug der erhöhten (wertpapiermäßigen) Handelbarkeit somit abzusprechen.262 In der Gesamtschau spricht danach viel dafür, dass die Parteien bei einem DebtToken Sale keine Verpflichtung zur gemeinsamen Zweckverfolgung eingehen wollen.263 Lässt die inhaltliche Ausformung der Finanzierungsbeziehung auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Ziele der Beteiligten keinen eindeutigen Schluss zu, wird die in den Emissionsbedingungen verwendete Formulierung den Ausschlag geben müssen.264 (2) Ergebnis Über die Rechtsnatur des Genussrechts lässt sich danach zusammenfassend Folgendes sagen: Die Weite des Genussrechtsbegriffs provoziert phänomenologische Überschneidungen mit artverwandten Mezzanine-Instrumenten. Selbständige Bedeutung gewinnt das Genussrecht seiner Natur als Auffangtatbestand entsprechend nur dort, wo die Merkmale keines anderen Vertragstypus erfüllt sind. Mit Blick auf das typische Gepräge eines Debt Token-Sales ergeben sich Abgrenzungsprobleme vor allem im Verhältnis zur stillen Beteiligung. Während die dogmatische Trennungslinie in dem Kriterium der gemeinsamen Zweckverfolgung rasch gefunden ist, bedarf dessen Feststellung einer indizienorientierten Gesamtbetrachtung im Einzelfall. Als Ergebnis einer solchen spricht viel dafür, dass die Finanzierungsparteien bei einer Debt Token-Emission keine gesellschaftsrechtliche Verbindung im Sinne der §§ 230 ff. HGB anstreben. Das insofern allein einschlägige Genussrechtsverhältnis lässt sich als Dauerschuldverhältnis sui generis qualifizieren.265 Hinsichtlich der gesetzlichen Verwendung des Genussrechtsbegriffs ist eines klarzustellen: Ob bloß das soeben freigelegte Proprium des Rechtsinstituts in Bezug genommen werden soll oder aber „das Genussrecht“ als Oberbegriff zu verstehen ist, dem auch artverwandte 260
Zur Konstruktion wiederkehrender Leistungspflichten s. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 35; zur inhaltlichen Ausgestaltung durch Emissionsbedingungen s. dies., Anleiheschuldverhältnis, S. 57 ff. 261 Vgl. dies., Anleiheschuldverhältnis, S. 27 (Zitat dort). 262 Vgl. Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 620; Kraus, in: Weitnauer, Venture Capital, Teil C. Rn. 168; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 111; Luttermann, Genußrechte, S. 115. 263 So im Ergebnis auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 276 f.; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 86 f. 264 S. insoweit schon Fn. 189 mit den dazugehörigen Ausführungen im Text. 265 Vgl. Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 177.
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Finanzinstrumente unterfallen, kann nur eine am Zweck der jeweiligen Norm orientierte Auslegung beantworten.266 dd) Kausales oder abstraktes Forderungsrecht? Um Genussrechtsforderungen zwecks kapitalmarktmäßiger Handelbarkeit zu mobilisieren, werden die Mezzanine-Instrumente traditionell durch abstrakte und inhaltsgleiche Schuldversprechen nach § 780 BGB begründet.267 Der emittierenden Gesellschaft sind in diesem Fall Einwendungen aus dem kausalen Grundverhältnis gegenüber dem ersten und jedem nachfolgenden Forderungsinhaber abgeschnitten.268 Unabhängig von der dogmatischen Einordnung des Kausalgeschäfts269 bleibt die Genussrechtsforderung auf diese Weise vom Inhalt und von etwaigen Mängeln aus dem Grundverhältnis zum Ersterwerber unberührt. Die so erreichte Abstraktheit des Finanzinstruments wird typischerweise durch den wertpapierrechtlichen Bestands- und Gutglaubensschutz komplettiert.270 Im Zusammenhang mit einem Token Sale können digitale „Genussscheine“ als Inhaberschuldverschreibung nur im Anwendungsbereich des eWpG entstehen.271 Jenseits des eWpG ist das Höchstmaß wertpapiermäßiger Umlauffähigkeit für tokenisierte Forderungen de lege lata unerreichbar. Dem Emittenten steht es aber immerhin frei, das Finanzierungsinstrument als abstrakte, also vom Rechtsgrund der Zuwendung losgelöste, Forderung zu begeben. Dazu ist gem. § 780 S. 1 BGB allerdings die schriftliche Erteilung des Schuldversprechens erforderlich, wobei § 780 S. 2 BGB die Erteilung in elektronischer Form explizit ausschließt. Im rein dezentralen Emissionsverfahren mittels eines Smart Contracts kann das Genussrecht daher nur als kausales Schuldverhältnis zustande kommen.272 Anders verhält es sich, wenn 266
Vgl. Fn. 46 mit den dazugehörigen Ausführungen. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, § 13 Rn. 7; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 117 (dort Fn. 99); Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 773; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 536; ders., in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 409; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 204; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 57; abweichend Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 396. Vgl. auch Frantzen, Genußscheine, S. 21 f.; Heuer, Regulierung von Crowdinvesting, S. 128 f., die die Abstraktion der Genussrechtsforderung zum typprägenden Merkmal erheben, hiergegen Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 176. 268 Vgl. Fest, Anleihebedingungen, S. 193 f.; Habersack, in: MünchKomm BGB, § 780 Rn. 1 f.; Hau, in: von Staudinger, BGB, Vor §§ 780 ff. Rn. 1 ff. 269 In Betracht kommt in Abhängigkeit von der Transaktionsstruktur die Einordnung als Kaufvertrag, kaufähnlicher Vertrag mit geschäftsbesorgungsrechtlichen Elemente, als gemischttypischer Vertrag oder Vertrag sui generis, vgl. überblicksartig m. Nachw. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 48 ff. 270 Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 773; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 536; ders., in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 409; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 204; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 57. 271 S. hierzu 2. Kap. B.II.1.b). 272 Vgl. Kusserow, WM 2020, 586, 587. 267
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dem Token Sale ein Identifikationsverfahren vorausgeht, wie es insbesondere bei Emissionen über spezialisierte Plattformen (Initial Exchange Offerings) zunehmend der Regel entspricht.273 Sind die Ersterwerber bekannt, kann ihnen ein schriftliches Angebot i. S. v. § 780 S. 1 BGB unterbreitet werden, das diese spätestens im Zuge der Token-Zuteilung (konkludent) annehmen, wobei der Zugang der Annahmeerklärung in der Regel gem. § 151 S. 1 BGB entbehrlich ist.274 Die Erwerber tokenisierter Genussrechtsforderungen sind dann zwar nicht wertpapierrechtlich legitimiert, genießen also insbesondere keinen Gutglaubensschutz, haben aber immerhin keine Einwendungen aus dem Token-Kauf275 zu befürchten. ee) Zulässigkeit aktiengleicher Genussrechte Die Möglichkeit, dem Genussrecht ein beteiligungsartiges Gepräge zu verleihen, ist im GmbH-Recht unumstritten.276 Bei Emittenten in der Rechtsform der Aktiengesellschaft wird die Zulässigkeit von Genussrechten, die die vermögensrechtliche Stellung eines Aktionärs imitieren, dagegen in Frage gestellt.277 Der Begründung „aktiengleicher“ Genussrechte stünden die in §§ 139 ff. AktG niedergelegten Vorschriften über Vorzugsaktien entgegen. Diese regelten abschließend, unter welchen Voraussetzungen Eigenkapital ohne korrespondierende mitgliedschaftliche Teilhaberechte geschaffen werden kann.278 Der privatautonomen Gestaltungsfreiheit sei insofern durch § 23 Abs. 5 AktG ein Riegel vorgeschoben.279 Dieser Umgehungsthese ist mit der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum zu widersprechen.280 Die §§ 139 ff. AktG adressieren lediglich die Ausgestaltung der Mitgliedschaft im Verband. Eine korporative Wirkung in diesem Sinne geht von Genussrechtsvereinbarungen nicht aus. Vorzugsaktien vermitteln 273
S. hierzu 2. Kap. E.II. Vgl. Marburger, in: von Staudinger, BGB, § 780 Rn. 1. 275 Zur Rechtsnatur s. Fn. 269. 276 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 135 f.; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 219. 277 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 123 ff.; Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 46; Lorch, Börsenfähiger Genußschein, S. 221 ff.; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 88; Reuter, Gutachten B zum 55. DJT, S. 25 f.; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 79; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 384 ff.; s. im Zusammenhang mit Token Sales auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 287; Koch, ZBB 2018, 359, 365. 278 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 128; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 79; offengelassen in BGHZ 119, 305, 311 (Klöckner). 279 Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 46; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 363; Reuter, Gutachten B zum 55. DJT, S. 25 f. 280 Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 403; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 542; Frantzen, Genußscheine, S. 179 ff.; Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 43; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 75 f.; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 34; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 17 Rn. 24; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 29; Sethe, AG 1993, 293, 300 ff. 274
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eine vollwertige mitgliedschaftliche Stellung mit eingeschränktem (aber u. U. wiederauflebendem) Stimmrecht, Genussrechte bloß ein relativ wirkendes Gläubigerrecht.281 „Aktiengleich“ ist damit von vornherein nur die wirtschaftliche Funktion der Genussrechte.282 Diese funktionale Äquivalenz war dem Gesetzgeber wohl bekannt, als er auf eine nähere inhaltliche Ausgestaltung des Genussrechts verzichtete.283 Dass die §§ 139 ff. AktG ein implizites Umgehungsverbot aufstellen, kann vor diesem Hintergrund nicht überzeugen. Insbesondere kann die vermeintliche Exklusivität des stimmrechtslosen Eigenkapitals nicht auf § 23 Abs. 5 AktG gestützt werden, der lediglich die Satzungsautonomie beschränkt, nicht aber die Vertragsfreiheit per se.284 Die Brisanz des Theorienstreits ist freilich begrenzt, da selbst die Vertreter der Umgehungsthese einen Widerspruch zum zwingenden Aktienrecht nahezu einhellig ablehnen, sofern das Genussrecht eine bloß „aktienähnliche“ Ausgestaltung erfährt.285 Auch der BGH hat sich von einem strikten numerus clausus der Eigenkapitalfinanzierung distanziert.286 Als „aktienähnlich“ werden – mit Abweichungen im Detail – Genussrechte angesehen, die ihre Inhaber in vermögensrechtlicher Hinsicht gegenüber Vorzugsaktionären privilegieren, z. B. indem sie im Insolvenzfall die Befriedigung im Rang vor den Gesellschaftern gestatten.287 Eine Gleichstellung mit Vorzugsaktien scheidet zudem bei Genussrechten aus, die ihre Inhaber nicht auch am Liquidationserlös beteiligen.288 Das ist in der Finanzierungspraxis – erst recht bei einem STO – fast ausnahmslos der Fall.289 b) Venture Debt als funktionales Äquivalent? Nun, da die dogmatischen Konturen sowie die grundlegenden Gestaltungsoptionen typischer Debt Token-Emissionen offenliegen, rückt die Frage in den Vor281 Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 29; Schön, JZ 1993, 925, 931; Sethe, AG 1993, 293, 306. 282 Sethe, AG 1993, 293, 306. 283 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 631; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 542; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 34. 284 Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 34. 285 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 127 f.; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 79; a. A. inzwischen nur noch Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 360 ff. 286 BGHZ 119, 305, 310 ff. (Klöckner). 287 BGHZ 119, 305, 311 f. (Klöckner); 120, 141, 147 (Bremer Bankverein); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 45; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 128; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 79; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 387. 288 Der kumulativen Beteiligung am Gewinn und Liquidationserlös stehen steuerrechtliche Erwägungen entgegen, s. hierzu Fn. 48. 289 Spezifisch zu STOs Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 90. Vgl. ferner Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 542; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 75 f.; Rikovsky, Genussrecht, S. 42 f.; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 79; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 17 Rn. 24; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 33; Wöckener/Becker, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.9.
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dergrund, welche Funktion die Kapitalbeschaffungsmethode im Kontext der Wagnisfinanzierung einnimmt. Trotz seiner Offenheit für liquiditätsschonende, einflusswahrende sowie anreizerhaltende Strukturierungen (s. A.II.2.a)bb)(6)) fristete Mezzanine-Kapital als Finanzierungsquelle für Start-Up- und Wachstumsunternehmen bislang ein Schattendasein.290 Bedeutung erlangten die schuldrechtlichen Beteiligungsinstrumente vor allem im Rahmen konventioneller Crowdinvestings.291 Die auf diese Weise akquirierten Mittel decken den Kapitalbedarf der jungen Unternehmen aber regelmäßig nur in der Seed-Phase.292 Mit Durchschnittsvolumen von deutlich weniger als 500.000 EUR büßen Crowdinvestings ihr Finanzierungspotenzial in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien ein.293 Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass Debt Token-Sales herkömmlichen Schwarmfinanzierungen zwar ihrer Struktur nach ähneln. Funktional stehen sie aber einer weiteren Kapitalquelle nahe: Den sog. Risikodarlehen. aa) Komplementäre Finanzierungsfunktion Bei Risikodarlehen bzw. – so die Bezeichnung im Jargon – Venture Debt294 handelt es sich um eine atypische Form der Fremdkapitalfinanzierung, die auf das spezifische Risikoprofil junger, wachstumsstarker Unternehmen ausgerichtet ist.295 Wie STOs erfüllen auch Risikodarlehen eine komplementäre Finanzierungsfunktion.296 Als Ergänzung zum traditionellen Venture Capital kommen sie vor allem für Unternehmen in Betracht, die bereits einen gewissen Reifegrad erreicht haben und operative Zahlungsströme vorweisen können.297 Für die Fremdkapitalgeber – Ban-
290 Vgl. Brehm, VC-Vertragswerk, S. 7; Kuntz, Gestaltung, S. 12; empirisch: Antonczyk/ Breuer/Mark, FB 2008, 230, 235; spezifisch zu Genussrechten s. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 135; s. aber auch Achleitner/Gerl, in: FS Baums, S. 1, 3, die Mezzanine-Kapital das Potential zuschreiben, Finanzierungslücken junger Wachstumsunternehmen zu schließen. 291 S. Fn. 36. 292 Vgl. insofern bereits unter A.II.2.a)cc)(1)(b). 293 Vgl. Heuer, Regulierung von Crowdinvesting, S. 34. 294 Synonym ist von Venture Lending, Venture Leasing und Growth Loans die Rede, s. Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 29. 295 Ders., Risikodarlehen, S. 38 f.; Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162. Traditionelle Bankenfinanzierungen bleiben Start-Up-Unternehmen aufgrund der ausgeprägten Informationsdefizite und mangels Sicherheiten verschlossen, s. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 11; Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1174 ff. (2010); Rassenfosse/Fischer, 10 Strat. Entrepreneurship J. 235, 236 f. (2016). 296 Vgl. Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 39; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil C. Rn. 143; Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1173 (2010); Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162. 297 Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 39; Mann, 85 Cornell L. Rev. 134, 156 f. (1999); Thom/ Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162; vgl. auch Kuntz, Gestaltung, S. 99 sowie empirisch Cumming, 20 J. Bus. Ventur. 573, 608 (2005).
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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ken und spezialisierte Venture Debt-Fonds298 – dient die Beteiligung reputationsträchtiger Venture Capital-Investoren dabei als ausschlaggebendes Investitionssignal.299 Vergleichbar den Token-Anlegern verzichten sie auf eine gründliche Due Diligence und vertrauen bei der Auswahl geeigneter Zielunternehmen stattdessen auf die Urteilsfähigkeit der Wagniskapitalgeber.300 Die Risikokalkulation der Venture Debt-Geber basiert dabei auf der Erwartung, die am Eigenkapital beteiligten Investoren würden als klassische repeat players301 dafür Sorge tragen, dass ihre Zinsund Rückzahlungsforderungen bedient werden. Das Engagement der Venture Capital-Investoren fungiert aus Sicht der Fremdkapitalgeber somit als „CashflowSubstitut“.302 Das Entwicklungspotenzial der finanzierten Unternehmung ist für die Venture Debt-Geber derweil keineswegs irrelevant. Denn zum einen versprechen sie sich von den „High Flyers“303 ihres Portfolios positive Reputationseffekte, zum anderen basiert ihre Renditeerwartung entscheidend auf erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteilen.304 Unter diesen – hierin liegt eine weitere Parallele zu Debt Token – nehmen Kicker-Komponenten eine herausragende Position ein.305 bb) Perspektive der Eigenkapitalgeber Die komplementäre Funktionsweise von Venture Debt bleibt nicht auf die Perspektive der Fremdkapitalgeber beschränkt, sondern spiegelt sich auch in den Beweggründen der Gesellschafter – sprich der Gründer und Venture Capital-Investoren – wider. Diese stehen der Fremdkapitalaufnahme bisweilen nicht vorbehaltlos gegenüber, begründet doch gerade die Möglichkeit, dass das Darlehen306 durch
298 Hierzu Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 51 ff.; Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2163. 299 Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 56 ff.; Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1190 f. (2010); Rassenfosse/Fischer, 10 Strat. Entrepreneurship J. 235, 250 (2016); Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2162 f. 300 Mann, 85 Cornell L. Rev. 134, 159 f. (1999): „a determination by a reputable venture capitalist that a particular company warrants investment provides considerable validation of the portfolio company’s business plan“. S. zum Zertifizierungseffekt auch schon 3. Kap. C.I.6.b)aa). 301 Zum Begriff s. 3. Kap. C.I.6.a). 302 Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 57 f. (Zitat dort); Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1184 f. (2010): „VCs make an implicit promise to repay venture loans out of their present and future equity investment“; Mann, 85 Cornell L. Rev. 134, 158 f. (1999); Rassenfosse/Fischer, 10 Strat. Entrepreneurship J. 235, 248 f. (2016). 303 Als solche werden jene Portfoliounternehmen bezeichnet, die einen besonders rapiden Wachstumskurs einschlagen, s. Schmidt, 58 J. Finance 1139, 1148 (2003). 304 Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1189 (2010). 305 S. insofern noch B.II.1. 306 In Deutschland dominiert aus aufsichtsrechtlichen Gründen die Strukturierung als Anleihe, s. Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2164.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Kündigung vorzeitig fällig gestellt wird, ein greifbares Liquiditätsrisiko.307 Auch dürfte die Vorstellung, dass das Investment den Venture Debt-Gebern als „CashflowSubstitut“ zugutekommt, manch einem Wagniskapitalgeber Unbehagen bereiten.308 Nichtsdestotrotz gibt es aus Gesellschaftersicht eine Reihe von Gründen, die die Fremdkapitalfinanzierung in der Wachstumsphase lohnenswert erscheinen lassen. Diese dürften mutatis mutandis auch für die Kapitalaufnahme mittels eines Debt Token Sales Geltung beanspruchen. Die Erweiterung des Liquiditätsrahmens um bis zu 30 Mio. EUR309 verschafft der finanzierten Gesellschaft in erster Linie zusätzliche Zeit bis zur nächsten Finanzierungsrunde.310 Das ist aus Sicht der Bestandsgesellschafter vor allem dann attraktiv, wenn infolge einer down round311 eine ungünstige Unternehmensbewertung droht, die im Zusammenspiel mit der Aufnahme neuer Eigenkapitalgeber zur Verwässerung der Beteiligungsverhältnisse führte.312 Die Zwischenfinanzierung mittels Venture Debt eröffnet den Gesellschaftern die Chance, zunächst bestimmte Meilensteine wie das Überschreiten der Profitabilitätsschwelle zu erreichen und eine negative Anschlussbewertung auf diese Weise abzuwenden.313 Der zusätzliche Finanzierungsspielraum ist aus Sicht der bereits investierten Venture Capital-Geber ferner dann von Vorteil, wenn sie die Schaffung einer ihren Anteilen übergeordneten Serie (sog. senior equity) ablehnen, eine Anschlussfinanzierung aus eigenen Mitteln aber ausscheidet.314 Diese Situation kann vor allem dann eintreten, wenn sich die ca. zehnjährige Laufzeit des Venture Capital-Fonds dem Ende neigt.315 In einer prosperierenden Gesellschaft kann die Hebelwirkung des Fremdkapitals (sog. leverage effect)316 darüber hinaus zur Verbesserung der Eigenkapitalrendite beitragen.317 307
Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2163. Im Gegensatz zu den Emissionsbedingungen eines Debt Token Sales (s. A.II.2.a)bb)(3)) sehen Risikodarlehnsverträge keine Rangrücktrittsvereinbarung, geschweige denn eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre vor. 308 Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1196 (2010). 309 So das Ergebnis der Auswertung von Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 70; abweichend Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162 (bis zu 10 Mio. EUR); Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil C. Rn. 143 (bis zu 5 Mio. EUR). Die Finanzierungsvolumen entsprechen damit annährend den durch STOs durchschnittlich eingeworbenen Summen, s. 2. Kap. D.V. 310 S. Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 59; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil C. Rn. 143; Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1196 (2010): „venture debt’s main financial attraction for equity investors is that it extends the start-up’s ,runway‘, or the time until its next equity round is needed.“ 311 Zum Begriff s. 3. Kap. C.II.1.a)dd). 312 Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 62; Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1196 f. (2010). 313 Ulrich, in: Jesch/Striegel/Boxberger, RHdb Private Equity, § 17 Rn. 5; Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162. 314 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 96 f. 315 S. Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 59 ff. 316 S. hierzu ausführlich Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft, S. 562 ff.; Wöhe/ Bilstein/Ernst u. a., Unternehmensfinanzierung, S. 45 ff.
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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Beiden Finanzierungsmaßnahmen – der Aufnahme von Venture Debt und der Emission von Debt Token – wohnt mit Blick auf ihre Signalwirkung somit eine gewisse Ambiguität inne: Die Zwischenfinanzierung kann von einer zielstrebigen Wachstumsstrategie zeugen, oder aber darauf schließen lassen, dass infolge ausbleibender Erfolge Finanzierungsalternativen fehlen bzw. nur zu nachteiligen Konditionen verfügbar sind.318 cc) Strukturelle Unterschiede Bei allen Gemeinsamkeiten, die Risikodarlehen und Debt Token Sales in funktionaler Hinsicht verbinden, unterscheiden sich die Finanzierungsformen doch in einigen zentralen Punkten. Das betrifft die jeweils einzuplanende Vorlaufzeit ((1)), die als Kapitalgeber auftretenden Personen bzw. Personengruppen ((2)) sowie die Möglichkeit eines vorgezogenen (Teil-)Exits der Venture Capital-Geber ((3)). (1) Vorlaufzeit Ein zentraler Vorteil von Venture Debt liegt in dem Umstand begründet, dass frisches Kapital in der Regel binnen eines Monats abrufbar ist und somit als Reaktion auf kurzfristige Engpässe in Betracht kommt.319 Jedenfalls prospektpflichtige Token Sales dürften dagegen in weniger als sechs Monaten nicht zu realisieren sein.320 Für Spontanreaktionen sind sie somit ungeeignet. (2) Kapitalgeber Ein zweiter offensichtlicher Unterschied hängt damit zusammen, dass der kapitalaufnehmenden Gesellschaft bei Venture Debt-Finanzierungen nur ein einziger Finanzier bzw. ein Konsortium von Kapitalgebern gegenübersteht. Token Sales adressieren hingegen ein breites Anlegerpublikum. Hieraus resultieren verschiedenartige Regulierungskonflikte, denen es an späterer Stelle noch im Detail nachzugehen gilt. Zu den Vorteilen einer frühzeitigen Kapitalmarktexposition zählt die gesteigerte Wahrnehmbarkeit des finanzierten Unternehmens, seiner Produkte und Dienstleistungen (sog. Marketingeffekt).321 Die Verteilung des Investitionsrisikos auf eine Vielzahl von Anlegern hat darüber hinaus zur Folge, dass die Finanzierung über den Kapitalmarkt mit verhältnismäßig geringen Zinsaufschlägen assoziiert ist.
317
Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 63; Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1197 (2010); Thom/ Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2163. 318 Vgl. Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 67 f. 319 Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2163. 320 Vgl. Lambert/Liebau/Roosenboom, 59 Small Bus. Econ. 299, 309 (2022). 321 Vgl. Hahn/Wons, ICO, S. 7. Zu Marketingeffekten beim Crowdinvesting Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 56 f.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 98.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Das gilt jedenfalls, solange die Anleger ihr Verlustpotenzial durch die Möglichkeit der jederzeitigen Desinvestition begrenzen können.322 (3) Exit-Kanal für Venture Capital-Investoren Dieser letztgenannte Aspekt, die (idealtypische) Liquidität tokenisierter Beteiligungsformen, erweitert die Motivlage der Gründer und Venture Capital-Investoren um eine entscheidende Facette. Traditionell gehen Risikokapitalgeber durch ihr Investment ein langfristiges Engagement ein.323 Da kein liquider Zweitmarkt für Venture Capital-Beteiligungen existiert,324 ist das investierte Kapital bis zu einem möglichen Exit in der finanzierten Gesellschaft gebunden (vgl. § 57 AktG).325 Das ändert sich grundlegend, wenn die Risikokapitalgeber anstelle oder – häufiger – ergänzend zu einer herkömmlichen Eigenkapitalbeteiligung Token beziehen, die über den Sekundärmarkt veräußert werden können. Für die Investoren eröffnet sich dadurch ein alternativer Exit-Kanal.326 Dieser erlaubt es den Kapitalgebern, ihren Liquiditätsbedarf z. B. dann zu stillen, wenn Rückzahlungen an die Fondsanleger fällig werden oder andere Portfoliounternehmen der Venture Capital-Gesellschaft eine Kapitalspritze benötigen.327 Traditionell besteht für die Wagnisfinanzierer in derartigen Situationen ein Anreiz, auf einen übereilten, wirtschaftlich suboptimalen Exit zu drängen (sog. grandstanding).328 Die in finanzieller Hinsicht Leidtragenden sind in diesem Fall all jene, die im Rahmen eines späteren Exits Aussicht auf eine (höhere) Erlösbeteiligung gehabt hätten. Das betrifft insbesondere die Gründer, aber auch Mezzanine-Kapitalgeber mit einem Kicker-Recht. Ein Token-basierter (Teil-) Exit kann in einer solchen Gemengelage als „Druckventil“ dienen.329 Idealiter verschafft die Liquidierung der Token-Position den Investoren genug wirtschaftlichen Spielraum, um einen geeigneten Exit-Zeitpunkt für die verbleibenden Anteile abzuwarten. Das wirtschaftliche Schicksal von Venture Capital-Gebern, Gründern und Kicker-Berechtigten wird dabei in Bezug auf den liquiden Anteil der Beteiligung entkoppelt.330
322
Vgl. insofern 3. Kap. B.II. Vgl. 1. Kap. A.I. 324 Vgl. 3. Kap. B.II. 325 Vgl. Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 10 ff. (2012): „investor lock-in“. Diese Bindungswirkung beschränkt sich im Ausgangspunkt auf das gezeichnete Kapital. Ein schuldrechtliches Agio wird von der Ausschüttungssperre gem. § 150 AktG nicht erfasst, vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 665 ff. 326 Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb1, § 21 Rn. 17. 327 Vgl. Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 17 f., 21 ff. (2012). 328 S. hierzu Gompers, 42 J. Fin. Econ. 133 (1996). 329 Vgl. Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 21 (2012). 330 Vgl. ders., 65 Vand. L. Rev. 1, 27 ff. (2012). 323
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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Für die Token-Anleger ist die Möglichkeit, dass Venture Capital-Investoren den Sekundärmarkt für einen vorgezogenen Exit nutzen, ein zweischneidiges Schwert.331 Einerseits profitieren sie, soweit ihr Gläubigerrecht eine Kicker-Komponente enthält, von der Eindämmung des grandstanding-Problems. Andererseits besteht das Risiko, dass die Einbeziehung der Anlegeröffentlichkeit primär dem investorenseitigen Interesse an einem vorzeitigen Exit dient, statt den tatsächlichen Finanzierungsbedürfnissen der emittierenden Gesellschaft Rechnung zu tragen. Ein Token Sale eröffnet Frühinvestoren mit liquiden Beteiligungspositionen einen Ausweg aus einem wenig aussichtsreichen Investment. Im Verhältnis zu den Gründern kann daraus ein Interessenkonflikt erwachsen, der auf die prospektiven Token-Anleger ausstrahlt.332 Um sicherzustellen, dass die Emission unter dem Einfluss der Wagnisinvestoren nicht in diesem Sinne zweckentfremdet wird, bedarf es kautelarjuristischer Vorkehrungen, z. B. in Form sog. lock-ups.333 dd) Ergebnis Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass STOs und Venture Debt in funktionaler Hinsicht durchaus Parallelen aufweisen. Die Kapitalgeber profitieren jeweils von der Signalwirkung einer bereits erfolgten Venture Capital-Finanzierung. Die Bestandsgesellschafter gewinnen durch die Zwischenfinanzierung zudem in beiden Fällen kostbare Zeit, um eine suboptimale Bewertung zu verhindern. Beide Kapitalbeschaffungsmethoden zeichnen sich insofern durch ihren komplementären Finanzierungscharakter aus. Die funktionalen Gemeinsamkeiten beider Kapitalquellen sollten derweil nicht darüber hinwegtäuschen, dass STOs strukturelle Besonderheiten aufweisen, die sich auf ihr Finanzierungspotential im Venture Capital-Bereich unmittelbar auswirken. Im Gegensatz zu Risikodarlehen eignen sich STOs etwa nicht als Reaktionsmöglichkeit auf spontane Liquiditätsengpässe. Zudem gehen nur mit einem Token Sale die Chancen und Risiken der kapitalmarktmäßigen Wagnisfinanzierung einher. Das spiegelt sich in der spezifisch mit der Finanzierungsart verbundenen Möglichkeit wider, eine liquide Beteiligungsform für institutionelle Risikoinvestoren zu schaffen. In den Fällen, in denen diese selbst handelbare Token halten oder beziehen, besteht das Risiko, dass das Interesse der Investoren an einem vorgezogenen Exit die Entscheidung für einen Token Sale beeinflusst. Damit die Finanzierungsziele der Gesellschaft nicht in den Hintergrund rücken, bedarf es kautelarjuristischer Vorkehrungen.
331
S. im Hinblick auf die ambivalenten Signalwirkungen bereits 3. Kap. C.I.6.b)bb). Damit liegt zugleich ein horizontaler Agenturkonflikt vor. Der vorgezogene Exit über den Kapitalmarkt ermöglicht es den Kapitalgebern im wirtschaftlichen Ergebnis, ihr Investitionsrisiko auf die uninformierte Marktseite abzuwälzen, s. 3. Kap. C.II.2. 333 S. C.IV.3. 332
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3. Unechte Equity Token Hinter der Bezeichnung „unechte Equity Token“ verbirgt sich eine zweite Ausprägungsform tokenisierter Mezzanine-Instrumente.334 Sie zielen darauf ab, die Anleger nicht nur in monetärer Hinsicht mit echten Gesellschaftern auf eine Stufe zu stellen, sondern diese auch mit gesellschaftertypischen Verwaltungsrechten auszustatten.335 Dazu werden den Token-Inhabern auf schuldrechtlicher Grundlage Informationsansprüche, Vorschlags- und Stimmrechte eingeräumt. Obwohl dem Anlegerkollektiv mangels formeller Beteiligung am Stamm- bzw. Grundkapital jegliche mitgliedschaftliche Legitimation fehlt,336 soll es an der Leitung und Lenkung des finanzierten Unternehmens aktiv teilhaben. Folgerichtig präsentiert sich nicht nur die dogmatische Einordnung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses in einem anderen Licht (a)). Auch die Tauglichkeit für die Zwecke der Wagnisfinanzierung ist abweichend zu beurteilen (b)). a) Dogmatische Qualifikation als (atypische) stille Beteiligung Im Unterschied zur Qualifikation von Debt Token lässt sich im Zusammenhang mit unechten Equity Token nicht davon sprechen, das zugrundeliegende Rechtsverhältnis erschöpfe sich in einer reinen Austauschbeziehung.337 Die Teilhabe der Token-Inhaber geht über die bloße Absicherung von Gläubigerrechten weit hinaus. Indem ihnen Einfluss auf die Unternehmensgeschicke zugesichert wird, erreicht ihre Rechtsstellung mitgliedschaftliche Intensität.338 Sie stehen der finanzierten Gesellschaft mithin nicht als außenstehende Kapitalgeber gegenüber, sondern werden selbst Teil einer mit der Unternehmung gesellschaftsrechtlich verflochtenen Einheit.339 Dabei tragen sie nach der Zielsetzung der Parteien durch ihre Entscheidungen selbst zum unternehmerischen Gedeihen bei.340 Die Inhaber unechter Equity Token sind mit der emittierenden Gesellschaft folglich durch eine gemeinsame Zwecksetzung verbunden. Da der numerus clausus des Gesellschaftsrechts der privatautonomen Schaffung neuartiger Verbandsformen entgegensteht,341 kann die zugrundeliegende Rechtsbeziehung nur als stille Beteiligung im Sinne der §§ 230 ff. HGB qualifizieren.342 In seiner atypischen Ausprägung kann das eigenkapitalnahe Be334
S. insoweit bereits 1. Kap. A.IV.3.c)bb). Wolf, Initial Coin Offerings, S. 53 f. 336 S. hierzu bereits unter A.II.2.a)bb)(5). 337 Ebenso Wolf, Initial Coin Offerings, S. 286 f. 338 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 286. 339 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 286 f. 340 Ders., Initial Coin Offerings, S. 287. 341 S. hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II.1. (S. 96 ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 2 IV.2.a)aa) (S. 137 ff.). 342 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 288 f. Zu den Charakteristika der stillen Gesellschaft s. o. bei A.II.2.a)cc)(1)(c). 335
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teiligungsinstrument dem Stillen weitgehende Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmensgeschicke vermitteln.343 Grenzen sind der Gestaltungsfreiheit lediglich durch die Verbandsautonomie der unternehmenstragenden Gesellschaft gesetzt.344 b) Mitspracherechte als Störfaktor im Finanzierungsgefüge In der Vergangenheit erfreuten sich atypische stille Beteiligungen im Zusammenhang mit konventionellen Crowdinvestings vorübergehend einiger Beliebtheit.345 Doch erwies sich die Einbindung einer Vielzahl von Investoren in die Unternehmensleitung rasch als impraktikabel, sodass das Beteiligungsinstrument im Bereich der Schwarmfinanzierung binnen weniger Jahre jegliche Relevanz verlor.346 Es steht zu erwarten, dass unechten Equity Token ein ähnliches Schicksal beschieden ist.347 Jedenfalls soweit diese als komplementäre Kapitalquelle zum Einsatz kommen, erscheint eine einflussreiche Stellung der Token-Inhaber mit dem Lenkungsanspruch der Venture Capital-Investoren unvereinbar.348 Zu groß ist die Gefahr, dass „räuberische“ Token-Anleger Entscheidungen blockieren oder ihr Störpotential in anderer Weise ausspielen.349 Hinzu kommt, dass der Bereitschaft der Token-Investoren, informationslastige Entscheidungen gewissenhaft vorzubereiten, schon aus rationalen Erwägungen heraus Grenzen gesetzt sind.350 Dem legitimen Interesse der Anleger, sich vor opportunistischen Verhaltensweisen zu schützen, kann darüber hinaus mit Hilfe schuldrechtlicher Mechanismen hinreichend Geltung verschafft werden.351
343 BGHZ 8, 157, 160; Gehrlein, in: EBJS, HGB, § 230 Rn. 66; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 68; Lamprecht, in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 12.36; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II.2.c)bb) (S. 1847); Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348. 344 S. mit Blick auf die Aktiengesellschaft nur Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348 ff. 345 Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 168 ff. 346 Schedensack, Crowdinvesting, S. 163; Schulz, Crowdinvesting, S. 21; Klöhn/Hornuf/ Schilling, ZBB 2016, 142, 168 ff. 347 In diesem Zusammenhang dürfte auch der Umstand einzuordnen sein, dass TokenInvestoren empirischen Untersuchungen zufolge bei 85 % der STOs keine Mitspracherechte erhielten, s. Lambert/Liebau/Roosenboom, 59 Small Bus. Econ. 299, 313 (2022). 348 S. zum Erfordernis einer einflusswahrenden Strukturierung schon unter A.I.2. 349 Vgl. mit Blick auf herkömmliche Schwarmfinanzierungen Schedensack, Crowdinvesting, S. 163. 350 Dieser unter dem Stichwort „rationale Apathie“ diskutierte Aspekt wird im Zusammenhang mit der Kollektivierung von Token-Anlegern noch vertieft, s. B.III.3.a)aa)(1)(a). 351 Hierzu noch im Detail unter C.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
III. Beteiligungsfinanzierung mittels echter Equity Token Echte Equity Token gewähren eine nicht nur schuldrechtlich nachempfundene, sondern reale Beteiligung am Stamm- bzw. Grundkapital der emittierenden Gesellschaft.352 Art und Inhalt des zugrundeliegenden Mitgliedschaftsrechts ergeben sich dabei unmittelbar aus Gesetz und Satzung. Durch die Emission tokenisierter Unternehmensanteile erschiene auch für nicht börsennotierte Start-Ups eine Beteiligungsfinanzierung durch das Anlegerpublikum realisierbar.353 De lege lata begegnet die Ausgabe von und der Handel mit tokenisierten Aktien und GmbH-Anteilen indes gesellschaftsrechtlichen Hürden (1.), welche die Gestaltungspraxis auf verschiedenerlei Weise zu umgehen versucht (2.). Darüber hinaus stünde die Eigenfinanzierung durch eine unbestimmte Vielzahl von Anlegern im Spannungsverhältnis zur Rolle und Funktion professioneller Venture Capital-Investoren. Das heißt indes nicht, dass die Tokenisierung des Gesellschaftskapitals für die Zwecke der Wagnisfinanzierung belanglos wäre (3.). 1. Gestaltungshindernisse Der Token-basierte Handel von Gesellschaftsanteilen setzt voraus, dass Aktien (a)) bzw. GmbH-Anteile (b)) virtuell begründet und übertragen werden können. a) Gestaltungshindernisse im Hinblick auf tokenisierte Aktien Auf den ersten Blick erscheint die Aktiengesellschaft als kapitalmarktaffine und auf stete Veränderungen des Mitgliederbestands ausgerichtete Gesellschaftsform für die Token-basierte Eigenkapitalaufnahme geradezu prädestiniert.354 Für die Verkehrsfähigkeit der Aktie355 gilt jedoch gerade deren Verbriefung als conditio sine qua non.356 Obwohl die Aktienurkunde im modernen Effektengirosystem nur noch als „geistige Krücke“357 dient,358 gründe das für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts notwendige Vertrauen auf dem wertpapierrechtlichen Verkehrs- und Gut352
S. 1. Kap. A.IV.3.c)bb). Vgl. Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 515. 354 Koch, ZBB 2018, 359, 365. 355 Den Begriff der „Aktie“ verwendet das Gesetz im doppelten Sinne. Er bezeichnet einerseits einen mit der Mitgliedschaft im Verband gleichbedeutenden Anteil am Grundkapital der Gesellschaft, vgl. § 1 Abs. 2 AktG. Andererseits dient er als Synonym für die Aktienurkunde, also das Wertpapier, in welchem die Mitgliedschaft unter Einschluss dazugehöriger Teilrechte verbrieft ist, vgl. § 13 AktG. Der Verwendung des Terminus liegt im Weiteren der erstgenannte Begriffssinn zugrunde. 356 Vgl. Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 23; Mock, in: GK-AktG, § 10 Rn. 3, 55; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III.2.a) (S. 771). 357 So treffend Zöllner, in: FS Raiser, S. 249, 255. 358 Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 23 f.; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 11; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rn. 5. Vgl. insoweit bereits 2. Kap. B.II.1.a)bb). 353
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glaubensschutz.359 Die Verbriefung der Aktie ist bislang – jedenfalls faktisch – zudem für die Börsenzulassung gem. § 32 BörsG erforderlich.360 Dass das depotrechtliche Regelungsmodell die Existenz einer körperlichen Urkunde zu seiner Voraussetzung macht, zog bereits lange vor der Entwicklung DLTgestützter Register Kritik auf sich. Dabei führten vor allem dogmatische Zweifel an dem besitzrechtlichen Fundament des stückelosen Effektenverkehrs zu der Forderung, die dauerglobalverbriefte Aktie durch Wertrechte abzulösen.361 Im Lichte der durch die Blockchain-Technologie eröffneten Möglichkeiten haben sich weitere Literaturstimmen diesem Plädoyer angeschlossen.362 Depotrechtliche Erwägungen sind für die erneuerte Kritik indes von untergeordneter Bedeutung. Der Diskurs konzentriert sich stattdessen auf das Potenzial, das entmaterialisierten Aktien im Hinblick auf die Binnenorganisation der Aktiengesellschaft innewohnt. So betonen Literaturstimmen, dass man die Verwaltung des Mitgliederbestands durch digitale Aktien erheblich vereinfachen könnte.363 Bislang müssen Aktionäre, um ihre Rechte in der Hauptversammlung wahrnehmen zu können, in einem aufwendigen und fehleranfälligen Verfahren identifiziert werden. Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)364 hat dazu mit den §§ 67a ff. AktG kaskadenartige Mitteilungspflichten eingeführt, die eine Informationsweitergabe entlang der Intermediärskette vorsehen.365 Ließen sich Anteilsübertragungen unmittelbar auf der Blockchain nachverfolgen (sog. traceable shares), wäre eine effiziente und eindeutige Aktionärsidentifikation in Echtzeit reali-
359 Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 10; Mock, in: GK-AktG, § 10 Rn. 55, 76 ff.; Zöllner, in: FS Raiser, S. 249, 259; Brand, ZBB 2015, 40, 41 f. 360 S. Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 32 BörsG Rn. 30 f.; Guntermann, AG 2021, 449, 451. 361 Segna, Bucheffekten, passim, insb. S. 613 ff.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678 ff. Vgl. Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 692 m. w. Nachw. 362 Omlor, in: Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, Kap. 6 Rn. 98; von Buttlar/ Omlor, ZRP 2021, 169, 171; Casper, BKR 2019, 209 ff.; Möslein/Omlor/Urbach, ZIP 2020, 2149, 2159 f.; vgl. ferner Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 538 ff., die sich für die sachenrechtliche Erfassung von Token aussprechen und damit i. E. wohl ebenfalls Wertrechte meinen. 363 Mit Blick auf das deutsche Aktienrecht Möslein, in: FS Windbichler, S. 889, 894 ff.; ders., in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 179, 187 f.; Beurskens, NZG 2021, 353; Guntermann, AG 2021, 449, 452; Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 201 ff.; Möslein/Omlor/Urbach, ZIP 2020, 2149, 2154 f.; Zetzsche, AG 2019, 1, 13. S. zur internationalen Diskussion darüber hinaus Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 209 f. (2020); van der Elst/Lafarre, EBOR 2019, 111, 124 ff.; Geis, 113 Nw. U. L. Rev. 227, 254 ff. (2018); Laster/Rosner, 73 Bus. Lawyer 319, 333 (2018); Panisi/Buckley/Arner, 2 JBLP 189, 211 ff. (2019); Tu, 96 Ind. L.J. 223, 240 ff. (2020). 364 Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) v. 12. 12. 2019, BGBl. 2019 I, S. 2637. 365 S. dazu ausführlich Eisenschmidt, Deanonymisierung, S. 122 ff.; Merkt, in: FS Vetter, S. 447 ff.; Kuntz, AG 2020, 18 ff.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
sierbar.366 Damit ebnete man den Weg für direkte Kommunikationskanäle – sowohl im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Mitgliedern367 als auch auf horizontaler Ebene zwischen den Aktionären368. Im Zusammenhang mit der verbandsinternen Willensbildung könnten die Eigenschaften der Blockchain zudem zur Förderung der Transparenz und Rechtssicherheit beitragen.369 Manche Autoren halten sogar eine (teil-)automatisierte Durchsetzung von Aktionärsrechten mit Hilfe von Smart Contracts für vorstellbar.370 Nachdem der Gesetzgeber die Einführung elektronischer Aktien bereits mit der Verabschiedung des eWpG ankündigte,371 präsentierten das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium der Finanzen mit dem ZuFinG-E jüngst konkrete Reformentwürfe. De lege ferenda sollen elektronische Aktien hiernach in die Wertpapierregistersystematik des eWpG eingebettet werden, wobei die Ausgabe von Kryptonamensaktien gem. § 10 Abs. 6 AktG-E einer Satzungsregelung vorbehalten sein soll. 372 aa) Zulässigkeit unverbriefter Aktien im Ausgangspunkt Dessen ungeachtet wird die Ausgabe tokenisierter Mitgliedschaftsrechte mitunter bereits „heute“ und unabhängig vom Regulierungsrahmen des eWpG aktienrechtlich für zulässig erachtet.373 Im Ausgangspunkt ist dem beizupflichten.374 Denn die Mitgliedschaft im Verband entsteht unabhängig von ihrer Verbriefung.375 Um Ak366 Lehmann, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 59, 66; Möslein, in: FS Windbichler, S. 889, 894 f.; ders., in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 179, 187; Geis, 113 Nw. U. L. Rev. 227, 254 ff. (2018); Möslein/Omlor/Urbach, ZIP 2020, 2149, 2154; Zetzsche, AG 2019, 1, 13. 367 Beurskens, in: FS Seibert, S. 71, 85 ff.; van der Elst/Lafarre, EBOR 2019, 111, 128; Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 203 f. (2020); Guntermann, AG 2021, 449, 453; Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 203 ff.; Noack, ZHR 183 (2019), 105, 137 f.; Laster/Rosner, 73 Bus. Lawyer 319, 331 (2018); Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 551 ff.; Zetzsche, AG 2019, 1, 15 f. 368 Beurskens, in: FS Seibert, S. 71, 87 f.; Geis, 113 Nw. U. L. Rev. 227, 272 f. (2018); Guntermann, AG 2021, 449, 454. 369 Beurskens, in: FS Seibert, S. 71, 89 f.; Panisi/Buckley/Arner, 2 JBLP 189, 214 ff. (2019); Yermack, 21 Rev. Fin. 7, 23 ff. (2017). 370 Möslein, in: FS Windbichler, S. 889, 896 f.; ders., in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 179, 188 f.; Laster/Rosner, 73 Bus. Lawyer 319, 331 (2018); Möslein/Omlor/Urbach, ZIP 2020, 2149, 2155. 371 BT-Drs. 19/26925, S. 38. 372 S. hierzu Guntermann, AG 2023, 426, 427 ff. 373 Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 518 ff. 374 Vgl. Topp, Elektronische Aktien, S. 138 ff.; Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 519 f.; implizit auch Guntermann, AG 2021, 449, 455 f. A. A. wohl Koch, ZBB 2018, 359, 365; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1156. 375 BGHZ 122, 180, 194; RGZ 52, 417, 423; Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 2; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 8; Koch, in: ders., AktG, § 10 Rn. 2; Mock, in: GK-
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tionär zu werden, bedarf es lediglich der Übernahmeerklärung des Aktienzeichners sowie der Eintragung der Gründung bzw. Kapitalerhöhung im Handelsregister.376 Die Verbriefung in einer Aktienurkunde hat für das Entstehen der Mitgliedschaft mit anderen Worten lediglich deklaratorische Bedeutung.377 Bestätigung findet dies in § 214 Abs. 4 S. 1 AktG, der Gesellschaften adressiert, die „keine Aktienurkunden ausgegeben haben“.378 Das unverbriefte Mitgliedschaftsrecht kann gem. §§ 413, 398 BGB übertragen werden, wobei der gutgläubige Aktienerwerb in diesem Fall ausscheidet.379 Sofern in einer Token-Transaktion zugleich der konkludente Abschluss eines Zessionsvertrags zu erblicken ist,380 kann der Gesellschafterwechsel somit durchaus im virtuellen Raum von statten gehen. Die Kongruenz von materieller Rechtslage und TokenInhaberschaft ist ohne einen wertpapierrechtlichen Verkehrsschutz, wie ihn das ZuFinG-E durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des eWpG anstrebt, jedoch keineswegs gewährleistet. Im Gegenteil unterliegt die Verkehrsfähigkeit papierloser Aktien den gleichen Einschränkungen wie der Handel mit tokenisierten Rechten im Übrigen.381 bb) Formbedürftigkeit der Zeichnung Die Zuteilung unverbriefter Aktien im Wege eines Token Sales wird zudem durch die Formbedürftigkeit der Zeichnungserklärung gem. § 185 Abs. 1 S. 1 AktG erschwert.382 Neben der Beweissicherung ist es Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses, dem Zeichner unmissverständlich vor Augen zu führen, welche Verpflichtungen er gegenüber der Gesellschaft eingeht.383 Dieser Hinweis- und WarnAktG, § 10 Rn. 54; Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 696; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rn. 32; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 10 Rn. 3; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 10 Rn. 34. 376 BGHZ 122, 180, 194; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 8; Mock, in: GK-AktG, § 10 Rn. 54; Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 696; Schaper, AG 2016, 889. 377 BGHZ 122, 180, 194; Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 2; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 8; Mock, in: GK-AktG, § 10 Rn. 54; Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 696; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rn. 32; Schaper, AG 2016, 889. 378 Mock, in: GK-AktG, § 10 Rn. 54; Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rn. 32. Normen, die wie § 13 AktG an die physische Aktienbegebung anknüpfen, laufen mit Blick auf papierlose Aktien entweder ins Leere oder lassen sich durch Auslegung handhabbar machen, vgl. mit weiteren Beispielen Guntermann, AG 2021, 449, 456 sowie spezifisch zu § 13 AktG Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 524. 379 Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 33; Koch, in: ders., AktG, § 10 Rn. 2; Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 699; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 10 Rn. 3. 380 S. hierzu 2. Kap. B.II.2.b)cc). 381 Auch insofern sei auf 2. Kap. B.II.2.b)cc) verwiesen. 382 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.175; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 102. 383 Schürnbrand/Verse, in: MünchKomm AktG, § 185 Rn. 3.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
funktion wird eine rein virtuell ablaufende Token-Emission nicht gerecht. Zwar kann die Zeichnungserklärung gem. § 126 Abs. 3 BGB auch in elektronischer Form abgegeben werden. Die gem. § 126a Abs. 1 BGB dazu erforderliche qualifizierte elektronische Signatur kann der Zeichner aber nicht im Wege einer Token-Transaktion leisten.384 Ebenso wenig ist der Formzwang durch die Verwendung der Blockchain-Technologie substituierbar.385 Die wirksame Zeichnung kann daher nur off-chain im Rahmen eines zentralisierten Verfahrens gelingen. cc) Anspruch auf Globalverbriefung Ist diese erste Hürde genommen, folgen aus der Begründung der Gesellschafterstellung weitere Umsetzungsprobleme. Diese resultieren vor allem daraus, dass Aktionäre die Verbriefung ihrer Mitgliedschaft verlangen können (vgl. §§ 10 Abs. 5, 213 Abs. 2 AktG).386 Zwar ist es möglich, den Anspruch auf Einzelverbriefung gem. § 10 Abs. 5 AktG statutarisch auszuschließen. Das Recht auf die Begebung einer Globalurkunde ist nach herrschender, allerdings nicht unumstrittener Auffassung jedoch satzungsfest.387 Hierfür spricht entscheidend, dass der mitgliedschaftliche Verbriefungsanspruch nach der gesetzlichen Konzeption als Transmissionsriemen depotgesetzlicher Vorschriften dient:388 Die Begebung einer Globalurkunde ist Voraussetzung dafür, dass die Aktie Gutglaubensschutz genießt und in den Effektengiroverkehr einbezogen werden kann.389 Dieser Funktionszusammenhang stand auch dem Gesetzgeber vor Augen, als er die Möglichkeit des Verbriefungsausschlusses durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich390 (KonTraG) über die Einzelurkunde hinaus ausdehnte. Ausweislich der Empfehlung des Rechtsausschusses, auf deren Grundlage das KonTraG 1998 beschlossen wurde, bezweckte die sprachliche Veränderung des § 10 Abs. 5 AktG 384 Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3282; Kusserow, WM 2020, 586, 587; Paulus/ Matzke, ZfPW 2018, 431, 457. 385 Kusserow, WM 2020, 586, 587 f.; a. A. Kaulartz/Matzke, NJW 2018, 3278, 3282. 386 Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 10; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 13; Mock, in: GK-AktG, § 10 Rn. 56; Schaper, AG 2016, 889. Dieser Verbriefungsanspruch war bereits vor der Verabschiedung des § 10 Abs. 5 AktG durch das Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts (BGBl. 1994 I, S. 1961) allgemein anerkannt, s. RGZ 85, 327, 330 f. 387 Für zwingenden Anspruch auf Verbriefung in einer Globalurkunde: OLG München, Urt. v. 4. 5. 2005 – 23 U 5121/04 = AG 2005, 584, 585; Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 12; Einsele, in: MünchKomm HGB, Q. Depotgeschäft Rn. 60; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 62; Koch, in: ders., AktG, § 10 Rn. 12; Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 697; Sailer-Coceani, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 12 Rn. 5; Solveen, in: Hölters/Weber, AktG, § 10 Rn. 27; Schaper, AG 2016, 889. A. A.: Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 10 Rn. 55; Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 519 ff. 388 Vgl. Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 698. 389 Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 12; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 62; Topp, Elektronische Aktien, S. 149 ff. 390 BGBl. 1998 I, S. 768.
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lediglich Kostenersparnisse.391 Der Anspruch einzelner Aktionäre auf die Ausstellung einer Mehrfachurkunde über ihren jeweiligen Anteil sollte unter dem Vorbehalt anderslautender Satzungsbestimmungen stehen. Das Recht, die Aktie durch Globalverbriefung aller Anteile in das wertpapierrechtliche Schutzsystem einzubeziehen, wurde dadurch nicht zur Disposition gestellt.392 Erst recht wollte der historische Gesetzgeber durch die Präzisierung keinen Paradigmenwechsel vom urkundenbasierten Effektengiro zu reinen Wertrechten einleiten.393 An dieser gesetzgeberischen Entscheidung lässt sich auch unter Verweis auf den Wandel der Normsituation nicht rütteln.394 Zwar trifft es zu, dass die Gesetzesauslegung unter dem Eindruck sich verändernder Gegebenheiten nicht sklavisch den historischen Motiven der Legislative verhaftet bleibt.395 Doch lässt die Verfügbarkeit neuer Technologien nicht ohne weitere Anhaltspunkte den Schluss zu, die wertpapiermäßige Verbriefung sei für den gutgläubigen Rechtserwerb nunmehr verzichtbar.396 Immerhin wurden auch schon 1998 Depotbewegungen de facto elektronisch abgewickelt, ohne dass dieser Umstand das Verbriefungserfordernis obsolet gemacht hätte. Zudem hat der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des eWpG gerade erst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich mit Blick auf die Verkehrsfähigkeit von Aktien einen Systemwechsel für die Zukunft vorbehält.397 Solange dies nicht geschehen ist, kann im Einsatz der Blockchain-Technologie kein „funktionales Äquivalent“ zum wertpapierrechtlichen Verkehrsschutz erblickt werden.398 Denn die Token-Inhaberschaft als solche gestattet gerade keinen verbindlichen Rückschluss auf die materielle Rechtslage.399 Die Möglichkeit, Aktionären den Zugang zum wertpapierrechtlichen Schutzsystem zu versperren, hätte überdies rechtsformübergreifende Wertungswidersprüche zur Folge. Denn mit der Schaffung des § 16 Abs. 3 GmbHG durch das Gesetz zur 391 BT-Drs. 13/100038, S. 25; s. auch Einsele, in: MünchKomm HGB, Q. Depotgeschäft Rn. 60; Koch, in: ders., AktG, § 10 Rn. 12. 392 BT-Drs. 13/100038, S. 25. 393 BT-Drs. 13/100038, S. 25; Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 10 Rn. 12; Heider, in: MünchKomm AktG, § 10 Rn. 62; Koch, in: ders., AktG, § 10 Rn. 12; Solveen, in: Hölters/ Weber, AktG, § 10 Rn. 27. 394 So aber Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 521 f. 395 BVerfGE 34, 269, 288 (Soraya); Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 170 ff.; Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6 Rn. 69 ff. 396 Zu Recht wird davor gewarnt, den vermeintlichen Wandel der Normsituation als Leerformel zu verwenden, in deren Schatten die methodengerechte Auslegung zurücktritt, s. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6 Rn. 73 ff. m. w. Nachw. 397 S. Fn. 372 mit den dazugehörigen Ausführungen im Text. Auf dieses argumentum e contrario verweist auch Möslein, in: Omlor/Möslein/Grundmann, Elektronische Wertpapiere, S. 179, 203 f. 398 So aber Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 521. Vgl. zur Kritik an diesem Argumentationsmuster bereits 2. Kap. B.II.2.a)aa)(4)(a)(cc). 399 Das räumen auch Maume/Fromberger an späterer Stelle ein, s. ZHR 185 (2021), 507, 537 f.
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Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen400 (MoMiG) hat der Gesetzgeber sogar für die kapitalmarktferne GmbH ein unabweisbares Bedürfnis nach Verkehrsschutz anerkannt.401 Dass das Erreichen eines vergleichbaren Schutzniveaus ausgerechnet für die publikumsgewandte Aktiengesellschaft satzungsdispositiv sein soll, erscheint inkonsistent.402 (1) Rechtsfolgen verwehrter Verbriefung All das müsste den pragmatisch veranlagten Token-Emittenten (die Aktiengesellschaft) nicht weiter beunruhigen, wenn der mitgliedschaftliche Anspruch undurchsetzbar wäre. Hiervon gehen namentlich Maume/Fromberger aus, denen zufolge die Geltendmachung des Verbriefungsanspruchs durch einen Token-Inhaber der Fallgruppe venire contra factum proprium unterfällt.403 Dieser Befund muss Zweifel wecken. Zwar unterliegt jeder Aktionär gegenüber der Gesellschaft404 und seinen Mitgesellschaftern405 bestimmten Treuebindungen, die ihn u. a. zur verantwortungsvollen Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen Rechte verpflichten.406 Der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben geht in dieser gesellschaftsrechtlichen Loyalitätspflicht weitestgehend auf. Die Geltendmachung des Verbriefungsanspruchs stellt jedoch keinen Treueverstoß dar – weder gegenüber der Gesellschaft noch gegenüber den Aktionären. Die in § 10 Abs. 5 AktG getroffene Regelung macht deutlich, dass der Verbriefungsanspruch als untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft allenfalls durch die Satzung ausgeschlossen werden kann. Wäre den Aktionären die Berufung auf dieses Mitgliedschaftsrecht verwehrt, weil sie sich zunächst auf die Übernahme eines unverbrieften Gesellschaftsanteils eingelassen haben, liefe das auf eine Inhaltsänderung der Mitgliedschaft durch die Hintertür hinaus. Derartige Drittwirkungen kann nur die Satzung entfalten, und zwar nur in dem Maße wie es das Gesetz gestattet, § 23 Abs. 5 AktG.407 Andernfalls hätte die Verbandsverfassung für die Ausgestaltung der Aktie keine Aussagekraft. Nachfolgenden Anteilseignern, erst recht solchen, die ihre Mitgliedschaft off-chain
400
BGBl. 2008 I, S. 2026. Vgl. Altmeppen, in: ders., GmbHG, § 16 Rn. 60; Heidinger, in: MünchKomm GmbHG, § 16 Rn. 28 ff. Monographisch ferner Omlor, Verkehrsschutz, S. 93 ff. 402 Für die „kleine“ Aktiengesellschaft mit einem überschaubaren Aktionärsbestand gilt i. E. nichts anderes, vgl. Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 697 sowie Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rn. 88, der nur im Zusammenhang mit vinkulierten Namensaktien Einschränken für möglich hält, weil den „Risiken eines unkontrollierten Mitgliederwechsels“ in diesem Fall Einhalt geboten sei. 403 Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 522 f. 404 BGHZ 18, 350, 365. 405 BGHZ 103, 184 (Linotype); 129, 136 (Girmes). 406 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11 Rn. 50 ff. 407 A. Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 13; Kuntz, Gestaltung, S. 322; Pentz, in: MünchKomm AktG, § 23 Rn. 40. 401
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erwerben, fehlte dann jegliche Möglichkeit, von der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit der Aktie Kenntnis zu erlangen. (2) Zwischenergebnis Danach bleibt festzuhalten, dass Aktionäre den Anspruch auf Globalverbriefung jederzeit – notfalls im Wege der Leistungsklage – gegenüber der Gesellschaft durchsetzen können. Dieses Risiko schwebt wie ein Damoklesschwert über jeder papierlosen Aktienemission. dd) Reformbedarf De lege lata bleibt die Ausgabe tokenisierter Aktien ohne dazugehörige Urkunden somit eine bloß theoretische Möglichkeit.408 Angesichts der Effizienzgewinne, die der Verzicht auf das Verbriefungserfordernis insbesondere im Kontext der Aktionärsidentifikation und -teilhabe erwarten lässt, bleibt zu hoffen, dass die mit dem ZuFinG-E angestoßene Reforminitiative zeitnah zum Abschluss geführt wird. Neben punktuellen Änderungen des Aktienrechts bedarf es einer möglichst friktionslose Verzahnung mit dem wertpapierrechtlichen Verkehrsschutz sowie dem Depotrecht, wofür der Referentenentwurf vielversprechende Ansätze liefert.409 b) Gestaltungshindernisse im Hinblick auf tokenisierte GmbH-Anteile Geschäftsanteile einer GmbH weisen bestimmungsgemäß eine geringere Verkehrsfähigkeit auf als Aktien. Bereits der Gesetzgeber der Weimarer Republik sah es mit der personalistischen Konzeption410 der seinerzeit neu geschaffenen GmbH für unvereinbar an, dass Geschäftsanteile zum Gegenstand eines spekulativen Handels werden.411 Eine wertpapiermäßige Verbriefung und Übertragung von GmbH-Anteilen sieht das Gesetz daher nicht vor.412 Bei dieser Einschränkung der Verkehrsfähigkeit beließ man es jedoch nicht, denn – so die Begründung aus dem Jahr 1891 – 408
So i. E. auch Topp, Elektronische Aktien, S. 159 ff. S. hierzu ausführlich Guntermann, AG 2023, 426, 427 ff. 410 Die GmbH sollte eine Mittelstellung zwischen der individualistischen OHG und der kapitalistischen, von der konkreten Zusammensetzung der Anteilseigner unabhängigen Aktiengesellschaft einnehmen, wozu eine gewisse Kontinuität der Mitgliedschaft für notwendig befunden wurde, s. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Nr. 660, S. 3728, abrufbar unter: https://www.reichs tagsprotokolle.de; hierzu auch Fleischer, in: MünchKomm GmbHG, Einleitung Rn. 71; Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 360 f. 411 S. Stenographische Berichte (Fn. 410), S. 3729. 412 Stenographische Berichte (Fn. 410), S. 3729; Weller/Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 4; Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 361. Vgl. zu entsprechenden, vom Gesetzgeber aber nicht aufgegriffenen Ansätzen aus dem Schrifttum Omlor, Verkehrsschutz, S. 145 ff. m. Nachw. 409
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
„auch die Uebertragung durch eine […] einfache Cessionserklärung würde unter Umständen ausreichen, um die für einen Handel mit den Antheilen nothwendige Leichtigkeit der Veräußerung zu begründen“.413 Dass die Verfasser mit ihrer Einschätzung richtig lagen, hat spätestens der – zeitweise – florierende Handel mit tokenisierten Rechten bewiesen. aa) Erschwerung der Anteilsübertragung durch Formzwang Die Ausgabe von und der Handel mit virtuellen GmbH-Anteilen scheitert vor diesem Hintergrund nicht allein am Fehlen des wertpapierrechtlichen Verkehrsschutzes. Als unüberwindbares Hindernis erweist sich vielmehr das Erfordernis der notariellen Beurkundung des Abtretungsvertrags (§ 15 Abs. 3 GmbHG) und des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts (§ 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG).414 Es „macht die Übertragung von GmbH-Anteilen zu einem umständlichen, zeit- und kostenaufwendigen Prozess, der sich nicht mit den Anforderungen eines Marktes für derartige Anteilsrechte in Einklang bringen läßt“.415 Gerade darin liegt die ratio des Beurkundungszwangs: Die für die Kapitalmarktfähigkeit erforderliche Leichtigkeit des Handels soll GmbH-Anteilen fehlen (sog. Erschwerungsfunktion).416 Der gesteigerten Umlauffähigkeit von GmbH-Anteilen steht nach traditioneller Auffassung zudem die Satzungsautonomie (§ 45 Abs. 1 GmbHG) entgegen. Ein hinreichend hoher Grad an Standardisierung könne sich aufgrund der Gestaltungsfreiheit nicht einstellen. In der Konsequenz erreichten die Informations- und Suchkosten ein für den kapitalmarktmäßigen Handel lähmendes Niveau.417 Im Lichte rechtsvergleichender Erkenntnisse, wonach auch in Jurisdiktionen ohne Satzungsstrenge ein hoher Standardisierungsgrad zu beobachten ist, muss diese Hypothese allerdings bezweifelt werden.418 413
Stenographische Berichte (Fn. 410), S. 3729. Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 207; Borkert, ITRB 2018, 91, 93; Hahn/Wilkens, ZBB 2019, 10, 15 (dort Fn. 64); Koch, ZBB 2018, 359, 365; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1156; Maume, NZG 2021, 1189, 1191; Paal, ZGR 2017, 590, 610. Bei der Zeichnung von Anteilen aus einer Kapitalerhöhung ist ferner die Formbedürftigkeit der Übernahmeerklärung gem. § 55 Abs. 1 GmbHG zu berücksichtigen, s. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.170. 415 Kecker, Fungibilisierung, S. 76 (Fußnoten im Original hier ausgelassen). 416 BGHZ 13, 49, 51 f.; 75, 352, 354; Kecker, Fungibilisierung, S. 106 ff.; Löbbe; in: GKGmbHG, § 15 Rn. 43; Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 361 ff.; Winter/Schümmer, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 15 Rn. 15. Daneben erfüllt die notarielle Form eine Klarstellungsfunktion, s. Stenographische Berichte (Fn. 410), S. 3729. 417 Fleischer, in: MHLS, GmbHG, Syst. Darst. 5 Rn. 112; Kecker, Fungibilisierung, S. 79 f.; Reuter, Gutachten B zum 55. DJT, S. 34 f.; Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 212. S. zur Standardisierungshypothese aus dem aktienrechtlichen Schrifttum ferner Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. 31 f., Pentz, in: MünchKomm AktG, § 23 Rn. 158; Röhricht/Schall, in: GK-AktG, § 23 Rn. 174 jew. m. w. Nachw. 418 S. Kuntz, Gestaltung, S. 348 ff. 414
A. Gestaltung, Qualifikation und Einsatzmöglichkeiten von STOs
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bb) Rechtspolitischer Ausblick Um die Handelbarkeit von GmbH-Anteilen herzustellen, wäre ein gesetzgeberisches Tätigwerden erforderlich. Überlegungen in diese Richtung formulierte im Zusammenhang mit potentiellen Anwendungsfällen der Blockchain-Technologie zuletzt die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.419 Bestrebungen, die GmbH-Beteiligung zu fungibilisieren, sind indes kein Novum.420 Im Anschluss an entsprechende Forderungen aus der wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Literatur421 erarbeitete die Arbeitsgruppe „Zweiter Börsenmarkt“ bereits 1987 einen konkreten Reformvorschlag, der u. a. die Abschaffung des Beurkundungszwangs sowie die Verbriefung von Anteilen vorsah.422 Rechtspolitischer Hintergrund dieser Vorschläge war das Ziel, die Eigenkapitalausstattung kleiner und mittelständischer Unternehmen zu verbessern.423 Um insbesondere der Gefahr einer diskontinuierlichen Geschäftspolitik zu begegnen, hätte die Öffnung der GmbH für das Anlegerpublikum allerdings mit tiefgreifenden Änderungen der Verbandsorganisation einhergehen müssen.424 Entsprechende Reformvorschläge aus dem Schrifttum425 hat der Gesetzgeber verworfen und stattdessen beschlossen, die Attraktivität der Aktiengesellschaft als Rechtskleid für kleine und mittelständische Unternehmen zu steigern.426 Mit dem Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts427 von 1994 wurden zu diesem Zweck u. a. Erleichterungen im Zusammenhang mit den Einberufungsformalitäten, dem Bezugsrechtsausschluss sowie der unternehmerischen Mitbestimmung eingeführt.428 Vor dem Hintergrund dieser Weichenstellungen ist mit einer Abkehr vom personalistischen Gepräge der GmbH in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen.429 Die Blockchain-Technologie dürfte dem bereits eingeschlagenen Digitalisierungskurs 419 Eckpunktepapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 25. Juni 2019, S. 5 f., abrufbar unter: https://www.cducsu.de/sites/default/files/2019-06/Positionspapier%2 0Blockchain%20Papier_Neu_1.pdf. 420 Vgl. Fleischer, in: MHLS, GmbHG, Syst. Darst. 5 Rn. 110 ff. 421 S. Heindl, Börseneinführung, S. 30 ff. 422 Hierzu Theiß, Kleine AG, S. 85 ff.; Claussen, GmbHR 1988, 417 ff.; Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 189 ff. 423 Heindl, Börseneinführung, S. 19 ff.; Kecker, Fungibilisierung, S. 65 ff.; Reuter, Gutachten B zum 55. DJT, S. 8 ff.; Schmidt, JZ 1984, 771 ff. 424 Kecker, Fungibilisierung, S. 152 ff.; Claussen, GmbHR 1988, 417, 422; ders., ZHR 153 (1989), 216, 233; Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 207 ff.; a. A. Heindl, Börseneinführung, S. 70 ff. 425 S. Kecker, Fungibilisierung, S. 165 ff.; Semler, in: FS Stimpel, S. 507, 523 ff.; Peltzer, ZfgK 1983, 983 ff. 426 BT-Drs. 12/6721, S. 5 f. 427 BGBl. 1994 I, S. 1961. 428 BT-Drs. 12/6721, S. 5 ff.; Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, S. 43 ff.; Theiß, Kleine AG, S. 88 ff. sowie mit Blick auf die Änderungen im Einzelnen S. 96 ff. 429 Vgl. Maume, NZG 2021, 1189, 1194 f.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
des GmbH-Rechts430 aber neue Pfade ebnen. Einen Gewinn an Rechtssicherheit verspricht in diesem Zusammenhang insbesondere der Vorschlag, die Gesellschafterliste in ein Blockchain-Register zu überführen.431 2. Umgehungsgestaltungen Die aufgezeigten Hindernisse bei der Begebung von und dem Handel mit tokenisierten Gesellschaftsanteilen versucht die Gestaltungspraxis auf verschiedenerlei Weise zu umgehen. Dabei zeichnet sich ab, dass Emittenten in der Rechtsform der Aktiengesellschaft und solche im Rechtskleid der GmbH unterschiedliche Wege beschreiten. a) Umgehungsgestaltungen durch Emittenten im Rechtskleid der Aktiengesellschaft Bislang nur theoretischer Natur ist die Möglichkeit, die Eigentumsverhältnisse an Aktienurkunden auf der Blockchain nachzubilden (aa)). Treuhandgestaltungen werden schon heute praktiziert (bb)). aa) Verwahrungslösung Die im Schrifttum diskutierte Verwahrungslösung besteht darin, Aktieneigentum durch „digitale Zwillinge“ abzubilden.432 Dazu orientiert man sich an der Funktionsweise sogenannter Asset-Backed-Token. Diese repräsentieren absolute Rechte an analogen Vermögenswerten, z. B. das Eigentum an beweglichen Sachen.433 In entsprechender Anwendung dieses Prinzips hält man es für möglich, verbriefte Aktien zu begeben, ihnen eine entsprechende Anzahl von Token zuzuordnen und Übereignungen ohne körperliche Bewegung der korrespondierenden Urkunden zu vollziehen. Dazu sei es erforderlich, die Aktienurkunden für die Aktionäre zu verwahren und die Token-Transaktion zum maßgeblichen Übertragungsakt zu küren.434 Dem Verbriefungsanspruch der Aktionäre wäre auf diese Weise Genüge getan, da die „Aktien-Token“ die Aktienurkunden nicht ersetzten, sondern ihnen lediglich als 430 S. mit einer Bestandsaufnahme Bormann, ZGR 2017, 621, 624 ff.; Paal, ZGR 2017, 590, 593 ff. sowie aus jüngerer Zeit Stelmaszczyk/Kienzle, ZIP 2021, 765 ff. 431 S. Maume, NZG 2021, 1189, 1192; Möslein/Omlor/Urbach, ZIP 2020, 2149, 2157 ff.; sympathisierend auch Paal, ZGR 2017, 590, 611; skeptisch dagegen Bormann, ZGR 2017, 621, 637 ff. 432 Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 207, 217; Maume/ Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 516 f. 433 Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 209; Saive, K&R 2018, 615. 434 Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 207, 217; Maume/ Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 516.
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digitale Spiegelbilder gegenüberstünden. Um die Aktienurkunden bzw. einen Miteigentumsanteil an denselben im Wege einer Token-Transaktion zu übereignen, könne der gem. § 929 S. 1 BGB erforderliche Besitzwechsel durch das Übergabesurrogat nach § 931 BGB zustande kommen.435 Das gelänge freilich nur, wenn dem Token-Transfer gleich in zweifacher Hinsicht rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommt, nämlich als dinglich wirkende Einigung gem. § 929 S. 1 BGB und als Abtretungsvertrag über den Herausgabeanspruch aus dem Besitzmittlungsverhältnis mit dem Verwahrer.436 Eine gangbare Lösung ist damit aber noch nicht gefunden. Das liegt nicht nur daran, dass die fortbestehende Abhängigkeit von den Besitzverhältnissen an der Aktienurkunde das Potenzial der Blockchain-Technologie ungenutzt lässt.437 Der Verwahrungsansatz steht auch im Konflikt mit dem depotrechtlichen Übertragungssystem. Denn um einer eigenen Lizenzpflicht gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i. V. m. § 32 Abs. 1 KWG zu entgehen, müsste die emittierende Gesellschaft die Aktienurkunden einem Kreditinstitut anvertrauen, das über eine Depotbanklizenz verfügt.438 Sind die Aktien in einer Sammelurkunde verbrieft, kommt gem. § 9a Abs. 1 S. 1 DepotG nur die Übergabe an eine Wertpapiersammelbank im Sinne des § 1 Abs. 3 DepotG in Betracht. Die Einbeziehung der Wertpapiere in das Effektengirosystem wäre in diesem Fall unvermeidbar.439 Da die Übereignung girosammelverwahrter Aktien nach h. M. durch Einigung und die im Wege der Depotbuchung veranlasste Umstellung des Besitzmittlungswillens erfolgt,440 bliebe die Token-Inhaberschaft jedenfalls für die besitzrechtliche Lage letztlich unerheblich. bb) Treuhandgestaltungen Um Token-Inhaber und Aktionäre wirtschaftlich auf eine Stufe zu stellen und zugleich die papierlose Übertragbarkeit der Anteile herzustellen, bedienen sich emittierende Aktiengesellschaften mitunter Treuhandgestaltungen.441 Erhebliche mediale Aufmerksamkeit erzeugte in dieser Hinsicht das öffentliche Angebot der publity AG.442 Die angebotenen Token repräsentierten eine treuhänderische Beteiligung an den Aktien der PREOS Global Office Real Estate & Technology AG (Preos 435 Zur sachenrechtlichen Konstruktion im Einzelnen Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 211 f.; Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 516. 436 S. zur rechtsgeschäftlichen Dimension der Token-Transaktion 2. Kap. B.II.2.b)cc). 437 Vgl. Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 516 f. 438 Vgl. Kusserow, WM 2020, 586, 590. 439 Vgl. ders., WM 2020, 586, 590. 440 S. 2. Kap. B.II.1.a)bb). Für die Übertragung blankoindossierter Namensaktien gilt gem. § 68 Abs. 1 S. 2 AktG i. V. m. § 14 Abs. 2 Nr. 3 WG Entsprechendes, s. Koch, in: ders., AktG, § 68 Rn. 5; Mülbert, in: FS Nobbe, S. 691, 700. 441 Vgl. Wolf, Initial Coin Offerings, S. 105 f.; Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 515 f.; Krüger/Lampert, BB 2018, 1154, 1156; Lutzenberger, GmbHR 2018, R231. 442 Vgl. Guntermann, AG 2021, 449 m. Nachw.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
AG), deren Hauptaktionärin die emittierende Gesellschaft war.443 In dieser Funktion war sie im Verhältnis zur Preos AG unmittelbar mitgliedschaftlich berechtigt. Im Innenverhältnis zu den Token-Inhabern sollte die publity AG jedoch der treuhänderischen Verpflichtung unterliegen, die Aktien in deren Interesse und auf deren Rechnung zu halten und zu verwalten.444 Die dergestalt erreichte Trennung von Mitgliedschaft und wirtschaftlicher Berechtigung erlaubt es, den Treugeber durch eine Token-Transaktion auszutauschen, ohne dem gesellschaftsrechtlichen Regime samt seiner Verbindungen zum Wertpapier- und Depotrecht zu unterfallen.445 Die zum Treugeber bestehende Rechtsbeziehung ist dabei schuldrechtlich, nämlich als Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis zu qualifizieren.446 Sie allein bildet den Bezugspunkt der Token-basierten Übertragung. Dazu bedarf es nach der gesetzlichen Konzeption (vgl. § 664 Abs. 2 BGB bzw. §§ 675, 613 S. 2 BGB) der Vertragsübernahme mit Zustimmung des Treuhänders,447 welche dieser im Falle eines Token Sales typischerweise bereits in den Emissionsbedingungen erteilt.448 Aus einem aktienrechtlichen Blickwinkel ist gegen die treuhänderische Beteiligung am Anteil des Hauptaktionärs nichts einzuwenden.449 Insbesondere begründet die durch den Treugeber gemittelte Teilhabe der Token-Inhaber keinen Verstoß gegen das Abspaltungsverbot gem. § 8 Abs. 5 AktG.450 Darüber hinaus kann der Treuhänder sein Stimmrecht nach einhelliger Auffassung jedenfalls dann entsprechend den konträren Weisungen der Treugeber uneinheitlich ausüben, wenn er über mehrere Anteile verfügt.451
443
S. Wertpapierprospekt vom 23. 11. 2020 für das öffentliche Angebot von Blockchainbasierten Wertpapieren sui generis durch die publity AG, abrufbar unter: https://www.publity. org/wp-content/uploads/2020/11/publity_AG_Token_Wertpapierprospekt_20201123_final.pdf. 444 S. Wertpapierprospekt vom 23. 11. 2020 für das öffentliche Angebot der publity AG (Fn. 443), S. 87 f. 445 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 105 f. Zur weiterführenden Frage, ob das Gesellschaftsverhältnis auf das Treuhandverhältnis „durchschlagen“ kann, s. Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, passim. 446 Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, S. 38 f.; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, Vor § 230 Rn. 72; s. ferner Grundmann, Treuhandvertrag, S. 92 ff., der die Interessenwahrung i. e. S. als typusprägende Hauptpflicht identifiziert; hieran anschließend Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 50 f. 447 Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, S. 139 f.; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, Vor § 230 Rn. 85. 448 Wolf, Initial Coin Offerings, S. 107; s. exemplarisch Wertpapierprospekt vom 23. 11. 2020 für das öffentliche Angebot der publity AG (Fn. 443), S. 88. 449 Hierzu und zum Folgenden auch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 106. 450 Dauner-Lieb, in: KK-AktG, § 8 Rn. 49; Heider, in: MünchKomm AktG, § 8 Rn. 92; Mock, in: GK-AktG, § 8 Rn. 203. 451 M. Arnold, in: MünchKomm AktG, § 133 Rn. 27; Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, S. 257 f.; Koch, in: ders., AktG, § 133 Rn. 21 jew. m. w. Nachw.; a. A. noch RGZ 118, 67, 70.
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In wirtschaftlicher Hinsicht bleibt jedoch zu konstatieren, dass Treuhandgestaltungen den Mehrwert der Blockchain-basierten Beteiligungsfinanzierung regelrecht ins Gegenteil verkehren.452 Die Daseinsberechtigung der Technologie gründet schließlich gerade in der Disintermediation. Die Zwischenschaltung des Treuhänders um der Tokenisierung willen hat den gegenteiligen Effekt. b) Umgehungsgestaltungen durch Emittenten im Rechtskleid der GmbH „[P]hantasievoll konstruierte Vorgehensweisen“ zur Umgehung der GmbHrechtlichen Übertragungshindernisse lassen sich bis in das frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen, als entsprechende Bemühungen in einem florierenden Handel mit GmbH-Anteilen mündeten.453 Seitdem stand die Reichweite des Beurkundungszwangs wiederholt im Zentrum juristischer Kontroversen.454 Nach dem heutigen Diskussionsstand wird das Token-basierte Treuhand-Modell durch die Formbedürftigkeit der Übertragung konterkariert (aa)). In Betracht kommen aber Unterbeteiligungskonstruktionen, wodurch die Frage nach einer sachgerechten Abgrenzung in den Vordergrund rückt (bb)). aa) Formbedürftigkeit der Übertragung der Treugeberstellung an GmbH-Anteilen Nach herrschender Meinung sind die für die Abtretung eines GmbH-Anteils geltenden Formvorschriften im Wege der teleologischen Extension auf die Übertragung der Treugeberstellung zu erstrecken.455 Hierfür spricht, dass der Austausch des Treugebers wirtschaftlich einem Gesellschafterwechsel gleichkommt: Der Treugeber kann den Treuhänder hinsichtlich der Frage, wie jener die Gesellschafterrechte wahrzunehmen hat, umfassend instruieren.456 Wird die Treugeberstellung als „wirtschaftliches Surrogat des Geschäftsanteils“ zum Gegenstand Token-basierter Übertragungen, verfehlt das Beurkundungserfordernis seinen Zweck, einen
452
Ähnlich Wolf, Initial Coin Offerings, S. 107. S. hierzu ausführlich Kecker, Fungibilisierung, S. 12 ff., mit einer rechtlichen Bewertung der damaligen Marktpraktiken ab S. 40 ff. (Zitat auf S. 60). 454 S. überblicksartig ders., Fungibilisierung, S. 97 ff. 455 BGH, Urt. v. 8. 4. 1965 – II ZR 77/63 = NJW 1965, 1376, 1377; Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, S. 143 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 108; Ebbing, in: MHLS, GmbHG, § 15 Rn. 213; Löbbe, in: GK-GmbHG, § 15 Rn. 207; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, Vor § 230 Rn. 85; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 15 Rn. 230; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 15 Rn. 57; a. A. RGZ 80, 99, 102 f. 456 BGH, Urt. v. 8. 4. 1965 – II ZR 77/63 = NJW 1965, 1376, 1377. 453
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spekulativen Anteilshandel zu erschweren.457 Die formfreie Übertragung der Treugeberstellung im Wege einer Token-Transaktion scheidet daher aus.458 bb) Unterbeteiligungsmodell Als Alternative zur Treuhandlösung kursiert im Schrifttum der Vorschlag, TokenInhaber als Unterbeteiligte an GmbH-Anteilen partizipieren zu lassen.459 Von einer Unterbeteiligung ist nach allgemeinem Begriffsverständnis die Rede, wenn ein Gesellschafter (der Hauptbeteiligte) einem Außenstehenden (dem Unterbeteiligten) durch Gesellschaftsvertrag eine obligatorische Mitberechtigung an seinem Anteil an der Hauptgesellschaft einräumt.460 Die Mitberechtigung bezieht sich dabei auf die mit dem Anteil verbundenen Vermögensrechte.461 Der Rechtsnatur nach handelt es sich um eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck darin besteht, den Anteil an der Hauptgesellschaft gemeinschaftlich zu halten, zu nutzen und zu verwalten.462 Anders als bei der Übertragung der treuhänderischen Beteiligung an einem GmbH-Anteil findet das Formerfordernis nach § 15 Abs. 3, 4 GmbHG auf den Austausch des Unterbeteiligten keine Anwendung.463 Der Verzicht auf eine teleologische Erstreckung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass der Unterbeteiligte aufgrund der Zweckbindung in der Innen-GbR nicht einseitig darüber entscheidet, wie Gesellschafterrechte in der Hauptgesellschaft auszuüben sind. Insofern ist der Unterbeteiligte nicht als wirtschaftlich Berechtigter des GmbH-Anteils anzuse457
Vgl. mit paralleler Argumentation zur Übertragung des Abtretungsanspruchs BGHZ 75, 352, 354 f.; Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, S. 144; Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 371 (Zitat dort). 458 So auch van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.171; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 108; unkritisch dagegen Maume, NZG 2021, 1189, 1192. 459 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.172; Borkert, ITRB 2018, 91, 93. Die Unterbeteiligungen an Aktien kommt mutatis mutandis ebenso in Betracht, van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.175. 460 Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, S. 22; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, Vor § 705 Rn. 33; Weller/Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 244; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 36 f. 461 Löbbe, in: GK-GmbHG, § 15 Rn. 218; Weller/Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 244. 462 BGHZ 50, 316, 319 ff.; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, Vor § 705 Rn. 34; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 269; Weller/Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 245; Schäfer, in: MünchKomm BGB, Vor § 705 Rn. 97; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 45. 463 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 8. 8. 1985 – 15 U 233/83 = GmbHR 1987, 57; OLG Schleswig, Urt. v. 23. 5. 2002 – 5 U 58/01 = GmbHR 2002, 652, 654; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 110; Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 30.29; Weller/Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 267; Servatius, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 15 Rn. 59. Wie bei der Treuhand bedarf es allerdings der Zustimmung des Hauptbeteiligten, s. K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 248.
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hen.464 Der formfreien Übernahme der Unterbeteiligung durch eine Token-Transaktion steht daher nichts im Wege. (1) Abgrenzung von der Treuhand Die unterschiedlich zu beurteilende Reichweite des Formzwangs führt zu der Frage, wie die Treuhand von der Unterbeteiligung abzugrenzen ist. Nach zutreffender, aber nicht unumstrittener Auffassung sind beide Vertragstypen streng voneinander zu unterscheiden.465 Das maßgebliche Abgrenzungsmerkmal stellt der gemeinsame Zweck i. S. d. § 705 BGB dar.466 Verfolgen die Parteien einen gemeinsamen Zweck, handelt es sich um eine als Innen-GbR zu qualifizierende Unterbeteiligung, fehlt eine entsprechende Zwecksetzung, ist von einer Treuhand am Gesellschaftsanteil auszugehen. Anknüpfen lässt sich insoweit an die bereits im Zusammenhang mit der Grenzziehung zwischen Genussrecht und stiller Gesellschaft erörterten Grundsätze (s. A.II.2.a)cc)(1)(c)). Auch im hiesigen Kontext hängt die Qualifikation nicht von der Wortwahl der Parteien ab, sondern von der materiellen Ausgestaltung des Innenverhältnisses.467 Zum ausschlaggebenden Kriterium erhebt die h. M. dabei die Frage, ob der Hauptgesellschafter den Gesellschaftsanteil ausschließlich im fremden Interesse hält, oder ob ihm eine „Eigenquote“ verbleibt, mit der er selbst an dem Gewinn und Verlust teilnimmt, der auf den Anteil entfällt.468 Das greift zu kurz.469 Erforderlich ist eine an den wirtschaftlichen Zielen der Parteien orientierte Gesamtbetrachtung.470 Neben der Verteilung der Vermögensrechte erlangt dabei insbesondere die Zuweisung von mit dem Geschäftsanteil zusammenhängenden Verwaltungsrechten an Bedeutung. Als starkes Indiz für eine Treuhand ist es dabei zu werten, wenn dem mittelbar Beteiligten umfangreiche Weisungsrechte gegenüber dem Hauptgesellschafter zustehen, weil diese auf eine unbedingte In464 Vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 23. 5. 2002 – 5 U 58/01 = GmbHR 2002, 652, 654; Weller/ Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 249. 465 Gehrlein, in: EBJS, HGB, § 230 Rn. 104; Weller/Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 249; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 64 ff.; a. A. jedenfalls mit Blick auf „Publikums-Treuhandgesellschaften“ Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 30.11 f.; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 274; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 203, 211 jeweils unter Verweis auf BGH, Urt. v. 13. 6. 1994 – II ZR 259/92 = ZIP 1994, 1180, 1181, der aber – richtig verstanden – nur auf die begriffliche, nicht auf die materiellrechtliche Schnittmenge hinweist. 466 BGH, Urt. v. 13. 6. 1994 – II ZR 259/92 = ZIP 1994, 1180, 1181; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 61 ff. 467 BGH, Urt. v. 13. 6. 1994 – II ZR 259/92 = ZIP 1994, 1180, 1181; Weller/Reichert, in: MünchKomm GmbHG, § 15 Rn. 249. 468 BGH, Urt. v. 13. 6. 1994 – II ZR 259/92 = ZIP 1994, 1180, 1181; Blaurock, in: ders., Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 30.10; Harbarth, in: Staub, HGB, § 230 Rn. 274; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 203. 469 Kritisch insoweit zu recht Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 57 ff. 470 Vgl. ders., Unterbeteiligung und Treuhand, S. 67 ff. S. insoweit auch schon A.II.2.a) cc)(1)(c)(cc).
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teressenwahrungspflicht schließen lassen.471 Die darin zum Ausdruck kommende Hierarchie im Verhältnis zwischen den Parteien ist für die Treuhand charakteristisch. (2) Zwischenergebnis In der Gesamtschau bleibt festzuhalten, dass die Unterbeteiligung an einem GmbH-Anteil grundsätzlich als Bezugspunkt Token-basierter Übertragungen in Betracht kommt. Auch mehrgliedrige Unterbeteiligungsgesellschaften können durch einen Token Sale erschaffen werden. Sofern der GmbH-Gesellschafter nach der materiellen Ausgestaltung des Innenverhältnisses aber lediglich als verlängerter Arm der Anleger fungiert, spricht viel dafür, dass es sich bei dem fraglichen Konstrukt um eine Treuhandgestaltung handelt. Angesichts des abtretungsersetzenden Charakters der Treuhand ist in diesem Fall das Beurkundungserfordernis gem. § 15 Abs. 3, 4 GmbHG zu beachten. Im Übrigen lässt sich nur wiederholen, dass die aufgezeigten Ansätze dem Anliegen der Blockchain-Technologie, auf Intermediäre zu verzichten, diametral entgegenwirken. 3. Einsatzpotenzial im Kontext der Wagnisfinanzierung Im Bereich der Venture Capital-Finanzierung gehören Absprachen über die Anteilsvinkulierung sowie Vorkaufsrechte und Andienungspflichten zum standardisierten Repertoire jeder Beteiligungsvereinbarung.472 Derartige Kautelen sollen sicherstellen, dass außenstehende Dritte nicht ohne das Einverständnis der Investoren in den Gesellschafterkreis eintreten.473 Zu groß wäre die Gefahr, dass „Störenfriede“ die Beschlussfassung erschweren, interne Informationen missbrauchen oder einem Exit im Wege stehen. Dieses Risiko potenzierte sich ins Unermessliche, beteiligte sich eine Vielzahl unter Umständen anonym bleibender Token-Inhaber als dritte Gesellschaftergruppe neben Venture Capital-Investoren und Gründern. Das Störpotenzial wäre sogar noch größer als im Zusammenhang mit unechten Equity Token,474 da sich die Einwirkungsmöglichkeiten der mitgliedschaftlich beteiligten Anleger unmittelbar auf Ebene der Kapitalgesellschaft niederschlügen. Als komplementäre Finanzierungsquelle scheidet die Emission echter Equity Token daher aus. Daraus zu schließen, die Tokenisierung des Gesellschaftskapitals hätte für die Wagnisfinanzierung keine Bewandtnis, wäre jedoch verfehlt. Das zeigt sich, sobald man den Blick von dem hier im Vordergrund stehenden Zusammenspiel konven471
Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 72 f. S. nur Kuntz, Gestaltung, S. 705 ff., 733 ff. 473 Thelen, RNotZ 2020, 121, 134. Darüber hinaus sollen die Regelungen das vorzeitige Ausscheiden der Gründer verhindern, vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 156 ff. 474 S. hierzu bereits unter A.II.3.b). 472
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tioneller und Blockchain-basierter Finanzierungsmethoden vorübergehend löst. Denn die im Schrifttum diskutierten Vorteile tokenisierter Gesellschaftsanteile ließen sich im Venture Capital-Bereich durchaus fruchtbar machen. Da sich der Gesellschafterkreis der Portfoliounternehmen auch nach mehreren Finanzierungsrunden auf eine überschaubare Anzahl von Akteuren beschränkt, bereitet die Gesellschafteridentifikation als solche zwar weniger Schwierigkeiten als in Publikumsgesellschaften.475 Die sorgfältige Dokumentation der Beteiligungsverhältnisse genießt angesichts ihrer Bedeutung für spätere Erlösverteilungen aber einen hohen Stellenwert. Sie bereitet traditionell umso mehr Schwierigkeiten, je komplexer sich die Anteilsklassen ausdifferenzieren. Gerade darin liegt eine der Stärken der Blockchain-Technologie.476 Durch die Dokumentation interner Vorgänge in einer privaten Blockchain ließe sich einerseits das gewünschte Maß an Geheimhaltung wahren, andererseits ein transparentes Bild von der Kapital- und Beteiligungssituation gewinnen. Auf diese Weise könnte beispielsweise der Due Diligence-Prozess künftiger Investoren beschleunigt werden. Mit der präzisen Abbildung der Beteiligungsverhältnisse hängt ein weiterer Vorteil zusammen: der potentielle Einsatz von Smart Contracts.477 Diese könnten Abreden der Investitionsvereinbarung, die an die Anteilsinhaberschaft anknüpfen, (teil-)automatisiert vollziehen. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die wasserfallartige Verteilung von Erlösen auf verschiedene Anteilsklassen478, VestingAbreden479 oder Konversionsrechte480. Die erzielbaren Effizienzgewinne bedeuteten nicht nur eine administrative Entlastung der Finanzierungsparteien, sondern böten vor allem zusätzlichen Schutz vor nachträglicher Übervorteilung. Die Möglichkeit, den privatautonomen Ordnungsrahmen durch technische Vollzugsmechanismen zu flankieren, macht die Tokenisierung von Beteiligungskapital zu einer vielversprechenden Entwicklungsperspektive für die konventionelle Venture Capital-Finanzierung.
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung Im Zuge der vorausgegangenen Betrachtung hat sich gezeigt, dass nur Debt Token Sales dem Anforderungsprofil der Wagnisfinanzierung entsprechen. Anders als 475
Vgl. zum Potential Blockchain-gestützter Aktionärsidentifikation Fn. 366. Vgl. Yermack, 21 Rev. Fin. 7 (2017). Zu Recht wird in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass der Blockchain-Einsatz keine Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der materiellen Rechtslage bietet, vgl. Beurskens, in: FS Seibert, S. 71, 78. 477 Vgl. Möslein, in: FS Windbichler, S. 889, 896 f.; Laster/Rosner, 73 Bus. Lawyer 319, 331 (2018); Möslein/Omlor/Urbach, ZIP 2020, 2149, 2155 f. 478 S. hierzu Zätzsch, in: Drygala/Wächter, Venture Capital, S. 103 ff. 479 Hierzu unter C.III.2. 480 S. hierzu Kuntz, Gestaltung, S. 546 ff. 476
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Equity Token stellen die typischerweise als Genussrechte zu qualifizierenden Instrumente die Einflussstellung der Gründer und Venture Capital-Investoren nicht grundlegend in Frage. Sie erfüllen eine mit Venture Debt vergleichbare Funktion, wobei sie als komplementäres Finanzierungsmittel vor allem in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien Bedeutung erlangen.481 Als Form der Zwischenfinanzierung haben Debt Token Sales zweierlei zu leisten. Einerseits müssen sie sich in die bestehende Beteiligungsstruktur möglichst friktionslos einfügen, andererseits dürfen sie weder einer Anschlussfinanzierung noch der Beteiligungsauflösung durch einen späteren Exit entgegenstehen. Die Bewältigung dieser janusköpfigen Gestaltungsaufgabe verlangt nach Antworten auf folgende Fragen: Zunächst gilt es zu klären, wem in der Aktiengesellschaft und in der GmbH die Kompetenz zukommt, über eine Token-Emission zu entscheiden und ob den Gesellschaftern ein Bezugsrecht zusteht (I.). Aus dem Kanon der unter A.II.2.a)bb) aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten werden sodann solche identifiziert, die zur Herstellung einer weitestgehenden Zielkonvergenz unter den Kapitalgebergruppen geeignet erscheinen. Als pars pro toto erfahren dabei Kicker-Komponenten nähere Berücksichtigung (II.). Anschließend wendet sich die Analyse der Frage zu, welcher Weichenstellungen es bedarf, um Anschlussfinanzierungen sowie die Exit-Fähigkeit der finanzierten Gesellschaft sicherzustellen (III.). Zuletzt richtet sich der Blick auf die Steuerungswirkungen, die mit der Aufnahme von (gesellschaftsrechtlichem) Fremdkapital zusammenhängen (IV.).
I. Kompetenzverteilung und Token-Bezugsrecht Cum grano salis lässt sich sagen, dass der idealtypischen Aufteilung in Fremdund Eigenkapital eine dichotome Kompetenzverteilung bei Kapitalgesellschaften entspricht:482 Die Entscheidung, über das Ob und Wie der Fremdfinanzierung, obliegt dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung.483 Die Aufnahme von Eigenkapital fällt dagegen in die Beschlusszuständigkeit der Gesellschafter.484 Um die Gesellschafterminderheit vor Verwässerungseffekten zu schützen, wird die Zuständigkeit der Gesellschafter für Kapitalerhöhungen von einem Bezugsrecht flankiert.485 481
S. A.II.2.b). S. zum Folgenden sowie zu den Einschränkungen Lörsch, Kompetenzfragen, S. 64 f. 483 Für die Aktiengesellschaft: Parmentier, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 2 Rn. 1 f.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 17 Rn. 9. Für die GmbH: Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 187; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1105. 484 S. mit Blick auf die idealtypische Form der Eigenkapitalbeschaffung durch die effektive Kapitalerhöhung § 182 Abs. 1 AktG bzw. § 55 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 1 GmbHG, hierzu Lörsch, Kompetenzfragen, S. 64 f. Vgl. auch BR-Drs. 847/08, S. 36 a. E. 485 S. § 186 Abs. 1 AktG (analog) als Grundnorm des Bezugsrechts in Aktiengesellschaft und GmbH; hierzu einführend Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 20 Rn. 14, § 49 Rn. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 III.2.d) (S. 901). 482
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Als mezzanine Finanzierungsquelle entziehen sich Debt Token Sales dieser eindeutigen Zuordnung. Die resultierende Unsicherheit gewinnt im Kontext der Wagnisfinanzierung dadurch an Brisanz, dass die Leitungsorgane der Portfoliogesellschaften klassischerweise von den Gründern bekleidet werden, während die Risikokapitalgeber jedenfalls während der ersten Finanzierungsrunden über eine Minderheitsbeteiligung in der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung verfügen. Diese Gemengelage gibt Anlass zu der Frage, ob die Gründer einen Debt Token Sale notfalls gegen den Willen der Venture Capital-Investoren beschließen können und ob in einem solchen Fall ein gesetzliches Bezugsrecht eingreift. 1. Konkurrenz zwischen Gläubigeransprüchen und Vermögensrechten der Mitglieder Den Ausgangspunkt für die folgenden Erwägungen markiert die Tatsache, dass die Vergütungsansprüche der Debt Token-Inhaber in wirtschaftlicher Konkurrenz zu den Vermögensrechten der Gesellschafter stehen.486 Indem die Token-Gläubiger wie Anteilseigner an den Gewinnen, dem Liquidationserlös oder der Unternehmenswertentwicklung partizipieren,487 verwässert die vermögensrechtliche Stellung der Mitglieder.488 Das gilt umso mehr, da Forderungen der Mezzanine-Kapitalgeber grundsätzlich vor den Residualansprüchen der Teilhaber zu befriedigen sind. Ob und inwieweit dies die Mitwirkung der Gesellschafter gebietet, ist für die AG und die GmbH separat zu beantworten. 2. Ausgabekompetenz und Bezugsrecht in der Aktiengesellschaft Das normative Fundament für Mezzanine-Finanzierungen bilden im Aktienrecht § 221 AktG und die §§ 291 ff. AktG. In welchem systematischen Verhältnis die Regelungsbereiche stehen, ist lebhaft umstritten. a) Normativer Rahmen: § 221 AktG vs. §§ 291 ff. AktG § 221 AktG adressiert drei verschiedene Finanzierungsinstrumente, nämlich Gewinnschuldverschreibungen, Wandelschuldverschreibungen und Genussrechte. Anhand der systematischen Stellung der Norm im Abschnitt für die Kapitalbeschaffung ist ohne Weiteres erkennbar, dass § 221 AktG Finanzierungsformen erfasst, die zwar mit Kapitalerhöhungen (erster bis vierter Unterabschnitt) nicht auf einer Stufe stehen, aber dennoch zur Eigenfinanzierung eine gewisse sachliche Nähe aufweisen.489 486
Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 72 f. S. hierzu unter A.II.2.a)bb)(1). 488 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 72; Weitnauer, BKR 2018, 231, 236. 489 Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 10. 487
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Der Zusammenhang zwischen mezzaninen Beteiligungsformen und den §§ 291 ff. AktG ist weitaus weniger offensichtlich, betreffen diese Vorschriften doch die Konzernbildung durch Unternehmensvertrag. Ein Einfallstor für Finanzierungssachverhalte eröffnet allerdings § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG, der Teilgewinnabführungsverträge den Regelungen für Unternehmensverträge unterstellt.490 Durch den Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrags verpflichtet sich die Aktiengesellschaft, einen Teil ihres Gewinns an einen anderen abzuführen. Unter einer Gewinnabführung versteht das Gesetz jede Beteiligung am periodisch ermittelten Unternehmenserfolg.491 Damit zeichnet sich die Verbindung zu mezzaninen Finanzinstrumenten mit partiarischen Vergütungselementen bereits ab. Der Brückenschlag wird möglich, weil ein Teilgewinnabführungsvertrag Schuld- und nicht Organisationsvertrag ist,492 weder eine konzernbildende Wirkung voraussetzt493 noch auf den Vertragsschluss mit „anderen Unternehmen“ beschränkt bleibt494. Vor diesem Hintergrund hat die herrschende Meinung keine Mühe, stille Beteiligungen als Teilgewinnabführungsvertrag zu qualifizieren.495 Aber auch Genussrechte mit gewinnorientierter Vergütung ließen sich problemlos unter die Legaldefinition des Teilgewinnabführungsvertrags subsumieren.496 Um die resultierende Anwendungs490
S. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 76 ff.; Marzinkowski, Mezzanine-Finanzierung, S. 29 ff. 491 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, § 292 Rn. 61 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 25. Klargestellt sei mit Blick auf die typische Gestaltung von Debt Token, dass sich das Erfordernis einer „periodischen“ Gewinnbeteiligung nicht auf die laufende Gewinnteilnahme beschränkt, sondern auch die Beteiligung am Liquidationserlös sowie (Non-Equity) Kicker erfasst, s. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 157 ff.; a. A. Marzinkowski, Mezzanine-Finanzierung, S. 47 ff. 492 S. Begründung zum RegE AktG 1965, wiedergegeben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 378: „schuldrechtliche Verträge mit Austausch von Leistung und Gegenleistung“; Altmeppen, in: MünchKomm AktG, § 292 Rn. 7; Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 4; Schmidt, ZGR 1984, 295, 304. 493 Von einer Erheblichkeitsschwelle hat der Gesetzgeber in Abkehr von der Vorgängernorm des § 256 AktG 1937 (drei Viertel vom Gesamtgewinn) bewusst verzichtet, s. Begründung zum RegE AktG 1965, wiedergegeben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 379; Schmidt, ZGR 1984, 295, 303 f. 494 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, § 292 Rn. 46. S. im Gegensatz hierzu § 291 Abs. 1 AktG. 495 BGHZ 156, 38, 43 (Deutsche Hypothekenbank); BGH, Urt. v. 8. 5. 2006 – II ZR 123/ 05 = ZIP 2006, 1201, 1202; Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 29; Habersack, in: FS Happ, S. 49, 53 f.; Kauffeld, in: Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, § 8 Rn. 20; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 292 Rn. 15; Marzinkowski, Mezzanine-Finanzierung, S. 50 ff.; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 116; Veil, Unternehmensverträge, S. 158; Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348; differenzierend zwischen typischer und atypischer stillen Beteiligung Schulze-Osterloh, ZGR 1974, 427, 440 ff. 496 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 235; Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 81 ff.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 324; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 72; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 93; Marzinkowski, Mezzanine-Finanzierung, S. 76 f.; differenzierend Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/
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kollision zwischen § 221 AktG und § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG aufzulösen, bedürfen Telos und Rechtsfolgenseite beider Normen der Gegenüberstellung. aa) Übereinstimmendes Telos, divergierende Rechtsfolgen Soweit § 221 AktG die Ausgabe von Genussrechten und Gewinnschuldverschreibungen adressiert, stimmt der Normzweck der Regelung mit demjenigen des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG überein.497 Beide Normen dienen nach herrschender Ansicht dem Schutz der Aktionäre vor der Beeinträchtigung ihres Gewinnverwendungsrechts.498 Den Gesellschaftern droht anders als bei Kapitalerhöhungen zwar keine Veränderung des Mitgliederkreises.499 Die schuldrechtliche Beteiligung Dritter am unternehmerischen Erfolg komme aber einer faktischen Erweiterung des Aktionärskreises gleich.500 Auch in diesen Fällen sollen die Gesellschafter daher per Hauptversammlungsbeschluss darüber disponieren können, ob ihre vermögensrechtliche Stellung in der eingangs erläuterten Weise verwässert wird.501 Bei näherer Betrachtung bleiben Sinn und Zweck des Normenpaares nach dieser Umschreibung konturenlos.502 Die Ausgabe von mezzaninen Finanzierungsmitteln berührt das Gewinnverwendungsrecht der Aktionäre stets nur mittelbar, indem die geschuldete Erfolgsbeteiligung als ergebnismindernder Aufwand in die Gewinn- und Verlustrechnung einfließt.503 Gleiches droht indes bei allen anderen Austauschverträgen.504 Auch ein festverzinsliches Darlehen wirkt sich mittelbar auf die Gewinnhöhe aus, ohne dass der Gesetzgeber zum Schutze der Aktionäre eine präventive Äquivalenzkontrolle für geboten hält.505 Der „tiefere Grund“ für die Existenz der § 221 AktG und § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG muss daher in einem Gefahrenmoment
Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.30. Gleiches gilt für partiarische Darlehen (str.), s. Altmeppen, in: MünchKomm AktG, § 292 Rn. 69 m. Nachw. 497 Lörsch, Kompetenzfragen, S. 92; Gehling, WM 1992, 1093, 1096. 498 Zu § 221 AktG: Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 490; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 2, 20, 62; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 1; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 9; Krecek/Röhricht, ZIP 2010, 413, 414. Zu § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG: Lörsch, Kompetenzfragen, S. 84 ff.; Veil, Unternehmensverträge, S. 155; Gehling, WM 1992, 1093, 1096; Schulze-Osterloh, ZGR 1974, 427, 433 f. 499 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 4. 500 Vgl. Veil, Unternehmensverträge, S. 155 501 Vgl. Begründung zum RegE AktG 1965, wiedergegeben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 379; Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 23a; Veil, Unternehmensverträge, S. 158. 502 So zu Recht Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 4. 503 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 4; Veil, Unternehmensverträge, S. 157; SchulzeOsterloh, ZGR 1974, 427, 432 f. 504 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 4; Schmidt, ZGR 1984, 295, 306; Schulze-Osterloh, ZGR 1974, 427, 432. 505 Schulze-Osterloh, ZGR 1974, 427, 432 f.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
wurzeln, das gewinnorientierten Beteiligungsarten eigen ist.506 Namentlich K. Schmidt hat als solches die Opazität erfolgsabhängiger Vergütungselemente identifiziert.507 Die Angemessenheit der Gegenleistung ist im Zusammenhang mit derartigen Abreden besonders schwer zu beurteilen, die Intensität der Beeinträchtigung des Gewinnrechts ungewiss.508 Hieraus erwächst im Vergleich zu „gewöhnlichen“ Austauschverträgen ein gesteigertes Schutzbedürfnis der Aktionäre. Dem teleologischen Gleichlauf beider Normen stehen markante Unterschiede auf der Rechtsfolgenseite gegenüber.509 Diese resultieren daraus, dass die Instrumente des § 221 AktG dem Regelungsregime der Kapitalerhöhung entlehnt sind, während für Teilgewinnabführungsverträge das konzernrechtliche Schutzsystem eingreift.510 Im Einzelnen: Sowohl § 221 Abs. 1, 3 AktG als auch § 293 Abs. 1 AktG sehen einen qualifizierten Hauptversammlungsbeschluss vor. Doch während das konzernrechtliche Zustimmungserfordernis auf das Außenverhältnis durchschlägt, entfaltet § 221 Abs. 1 S. 1 AktG lediglich Innenwirkungen („dürfen“).511 Darüber hinaus besteht nach § 294 Abs. 2 AktG ein konstitutiv wirkendes Eintragungserfordernis, das dem § 221 AktG fehlt.512 Nur nach § 221 Abs. 4 i. V. m. §§ 186 ff. AktG haben die Aktionäre derweil ein Bezugsrecht.513 Eine Ausschüttungssperre existiert nach § 301 S. 1 AktG wiederum allein bei (Teil-)Gewinnabführungsverträgen.514 bb) Abgrenzung Angesichts der aufgezeigten Divergenzen wird die Frage, welches der kollidierenden Regelungsregime für die Ausgabe tokenisierter Genussrechte maßgeblich ist, umso bedeutsamer. Wie sich sogleich zeigen soll, hält die herrschende Meinung nur scheinbar eine eindeutige Antwort bereit. (1) Typologischer Ansatz der herrschenden Meinung Die heute herrschende Auffassung beantwortet die Abgrenzungsfrage dergestalt, dass dem § 221 AktG als lex specialis im Verhältnis zu § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG 506 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 4 (Zitat dort); Schmidt, ZGR 1984, 295, 306; vgl. auch Fischer, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 11 Rn. 54. 507 Schmidt, ZGR 1984, 295, 306; sich anschließend Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 411 f.; ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 6. 508 Florstedt (in: FS K. Schmidt [2009], S. 399, 412) bezeichnet dies als „Hebelkraft“ der gewinnorientierten Vergütung. 509 Vgl. Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 400: „[dem] Gleichlauf im Tatbestand fehlt die Entsprechung auf Rechtsfolgenseite“. Mit einer prägnanten Gegenüberstellung s. ders., in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 411; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 92. 510 S. ders., Kompetenzfragen, S. 76, 91 f., der darin einen „Systembruch“ erkennt. 511 Hierzu ders., Kompetenzfragen, S. 73 f. und 87 f. m. w. Nachw. 512 Hierzu ders., Kompetenzfragen, S. 74 f. und 88 f. m. w. Nachw. 513 Hierzu ders., Kompetenzfragen, S. 75 f. m. w. Nachw. 514 Hierzu, insbesondere zur Reichweite der Norm, ders., Kompetenzfragen, S. 89 ff.
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Vorrang zukommt.515 Werden im Zuge eines Token Sales Genussrechte ausgegeben, ist danach ausschließlich § 221 AktG maßgeblich.516 Handelt es sich bei dem mezzaninen Finanzierungsinstrumenten dagegen um stille Beteiligungen, hält die herrschende Meinung die §§ 291 ff. AktG für anwendbar.517 Dem liegt im Kern eine typologische Betrachtungsweise zugrunde, die auf den ersten Blick eine präzise Zuordnung mezzaniner Instrumente zu ermöglichen scheint. Bei Lichte besehen entpuppt sich der typologische Ansatz aber als Pyrrhussieg.518 Denn infolge der Konturenlosigkeit des Genussrechtsbegriffs entbehrt das Instrument auf der Subsumtionsebene einer trennscharfen Abgrenzbarkeit gegenüber artverwandten Erscheinungsformen wie der stillen Gesellschaft.519 In Zweifelsfällen kann für die typologische Qualifikation gar die Bezeichnung des Finanzinstruments den Ausschlag geben,520 sodass es de facto in das Belieben der Vertragsschließenden gestellt wäre, welches Schutzregime eingreift.521 Auch unter Einbeziehung teleologischer Erwägungen vermag die Ungleichbehandlung von Genussrechten und stillen Beteiligungen nicht zu überzeugen. Das Unterscheidungskriterium der gemeinsamen Zweckverfolgung ändert nichts an der Schutzbedürftigkeit der Aktionäre. Der eintretende Verwässerungseffekt ist der gleiche, ob die Gesellschaft eine gewinnbezogene Vergütung nun an Genussberechtigte abführt oder an stille Teilhaber.522 Der typologische Ansatz führt in eine dogmatische Sackgasse, weil § 221 AktG, soweit die Norm von „Genussrechten“ spricht, nicht auf deren Proprium abzielt, den Ausschnitt des Mezzanine-Instruments also, der keine Schnittmenge mit anderen anerkannten Vertragstypen aufweist.523 Vielmehr verwendet das Gesetz den Begriff im hiesigen Kontext als Auffangtatbestand für Finanztitel, die geeignet sind, den 515 BGHZ 156, 38, 42 ff. (Deutsche Hypothekenbank); Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 163 ff.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 325; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 72; ders., in: FS Happ, S. 49, 54; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 375; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 70; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 73; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.31; Sethe, AG 1993, 293, 310. A. A. Emmerich, in: Emmerich/ Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 31; abweichend auch Marzinkowski, Mezzanine-Finanzierung, S. 81 ff., dem zufolge § 221 AktG nur die §§ 293 – 299 AktG verdrängt, nicht hingegen die Kapitalschutzmechanismen nach §§ 300 Nr. 2, 301 AktG. 516 S. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 90. 517 S. Fn. 495. 518 Ähnlich Lörsch, Kompetenzfragen, S. 73. 519 S. ausführlich unter A.II.2.a)cc)(1). 520 S. am Ende des Abschnitts A.II.2.a)cc)(1)(c)(cc). 521 Kritisch insofern auch Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 524; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 109 f., 123 f. 522 Vgl. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 131 f. 523 Nur in diesem Fall verspräche der Versuch der Abgrenzung – Unschärfen auf der Subsumtionsebene außen vor gelassen – Erfolg.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Verwässerungseffekt hervorzurufen, vor dem die Aktionäre nach der ratio legis geschützt werden sollen.524 Eine Beschränkung auf eine bestimmte typologische Einkleidung ist damit nach hier vertretener Auffassung ebenso wenig verbunden wie im Zusammenhang mit dem Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG.525 (2) Rechtsfolgenkonsistenz durch Berücksichtigung der Größe des Kapitalgeberkreises Vielversprechend erscheint vor diesem Hintergrund die Rückbesinnung auf die früher herrschende Lehre, wonach das maßgebliche Unterscheidungskriterium in der massenweisen Gewährung des Genussrechts zu erblicken ist.526 Dem § 221 AktG unterfallen danach nur größere Genussrechtsemissionen, bilaterale Genussrechtsverträge sind nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG zu qualifizieren.527 Zwar kann weder dem Normtext noch der Gesetzgebungsgeschichte eine Beschränkung des § 221 AktG auf Massenemissionen entnommen werden.528 Den entscheidenden Fingerzeig in diese Richtung gibt der Gesetzgeber aber durch die unterschiedliche Ausgestaltung der konkurrierenden Schutzsysteme.529 So geht das Bezugsrecht nach § 221 Abs. 4 AktG i. V. m. §§ 186 ff. AktG ersichtlich ins Leere, wenn die Gesellschaft lediglich mit ausgewählten Kapitalgebern kontrahiert.530 Dabei handelt es sich keineswegs bloß um eine rechtstatsächliche Begleiterscheinung ohne Aussagekraft für die dogmati524
Zu den beiden Bedeutungsebenen „Vertragstyp“ und „Sammelbegriff“ s. A.II.2.a) cc)(2). 525 Vgl. zum Teilgewinnabführungsvertrag OLG München, Beschl. v. 29. 10. 2008 – 31 Wx 92/07 = ZIP 2009, 318, 319; Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 23a. 526 Mit Unterschieden im Detail s. Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 241; Wünsch, in: FS Strasser, S. 871, 877; Ernst, AG 1967, 75, 77 sowie aus dem jüngeren Schrifttum Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 411 ff.; ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 525 (abstrakte Schuldversprechen); Lörsch, Kompetenzfragen, S. 165 ff. 527 Im Gegensatz hierzu wendet die herrschende Meinung § 221 AktG auch auf zweiseitige Genussrechtsverträge an: BGHZ 120, 141, 145 (Bremer Bankverein) (implizit); Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 111 ff.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 369; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 66 f.; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 25; Luttermann, Genußrechte, S. 97 ff. Sethe, AG 1993, 293, 309. Auf den massenhaften Abschluss von stillen Beteiligungen finde § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG Anwendung: OLG Celle, Urt. v. 15. 5. 1996 – 9 U 41/95 = AG 1996, 370 (Abschluss von über 55.000 stillen Beteiligungen). 528 Zum Genussrechtsbegriff s. bereits A.II.2.a)aa). Zur als aleatorisch beschriebenen Gesetzesgenese s. Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 120 ff.; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 523; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 167 ff. 529 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 525; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 172; vgl. auch Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 74, ohne daraus jedoch die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, widersprüchlich insofern insb. Rn. 73. 530 Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 413; ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 525; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 172 f.
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sche Auslegung.531 Denn das Bezugsrecht ist ausweislich seiner systematischen Verbindung zur Kapitalerhöhung sowie zu den Finanztiteln nach § 221 Abs. 1 AktG auf die massenweise Ausgabe zugeschnitten.532 Aus diesem Blickwinkel erklärt sich ferner, weshalb im Anwendungsbereich des § 221 AktG lediglich die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands beschränkt ist. Schlügen Fehler bei der Beschlussfassung auf das Außenverhältnis durch, wäre die Marktfähigkeit der emittierten Instrumente erheblich beeinträchtigt.533 Vice versa gelangt das Schutzsystem nach §§ 293 ff. AktG erst dann zu konsistenten Rechtsfolgen, wenn Individualverträge ihren Bezugspunkt bilden.534 So mag man in der Außenwirkung des Hauptversammlungsbeschlusses nach § 293 Abs. 1 AktG einen Ausgleich dafür erblicken, dass den Aktionären gerade kein Bezugsrecht auf Teilgewinnabführungsverträge zusteht.535 Durch das konstitutive Eintragungserfordernis gem. § 294 AktG trägt der Gesetzgeber darüber hinaus dem Publizitätsinteresse Rechnung, das bei außenstehenden Personenkreisen in Bezug auf partiarische Individualverträge besteht.536 Schließlich muss bezweifelt werden, dass die Ausschüttungshöchstgrenze nach § 301 AktG kapitalmarktgängige Finanztitel adressiert, soll deren Entgeltberechnung doch grundsätzlich aus den Emissionsbedingungen heraus erkennbar sein.537 Gegen die teleologische Präzisierung der § 221 und §§ 291 ff. AktG anhand der jeweiligen Schutzsysteme führt die herrschende Meinung im Wesentlichen zwei Argumente ins Feld. Zum einen weist sie darauf hin, dass es für die Vermögenssphäre der Aktionäre keinen Unterschied mache, ob kleinere schuldrechtliche Beteiligungen an das Publikum oder – wie im Fall Bremer Bankverein538 – großvolumige Genussrechte an
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So aber sinngemäß Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 127 ff. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 172 f.; Wünsch, in: FS Strasser, S. 871, 877. 533 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 525; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 150; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 173. 534 S. Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 412 f.; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 174. 535 Ders., Kompetenzfragen, S. 173. Im Schrifttum ist vereinzelt die Forderung formuliert worden, den Aktionären bei der massenhaften Ausgabe von stillen Beteiligungen ein Bezugsrecht analog § 221 Abs. 4 AktG einzuräumen, Veil, Unternehmensverträge, S. 159 f.; ders./Walla, in: Spindler/Stilz, AktG, § 292 Rn. 23.1; a. A. BGHZ 156, 38, 43 (Deutsche Hypothekenbank); Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 292 Rn. 25. 536 Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 412; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 173. Vgl. auch Begründung zum RegE AktG 1965, wiedergegeben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 382: „Die Gläubiger der Gesellschaft müssen sich darüber unterrichten können, ob und in welchem Umfang etwaige Gewinne abgeführt […] werden müssen.“ 537 Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 412 f.; a. A. Marzinkowski, MezzanineFinanzierung, S. 81 ff. 538 BGHZ 120, 141. 532
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einzelne Kapitalgeber ausgegeben werden.539 Zum Schutze der Anteilseigner verbiete es sich daher, den Genussrechtsbegriff restriktiv auszulegen.540 Diese Kritik verfängt jedoch nicht, da der Aktionärsschutz bei bilateralen Genussrechtsverträgen mit Gewinnbeteiligung durch § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG gewährleistet ist.541 Schutzlücken sind nicht zu befürchten. Der zweite Einwand stützt sich auf den im Jahr 2001 in Kraft getretenen § 294 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AktG. Als Reaktion auf praktische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit stillen Publikumsgesellschaften erleichtert die Norm die Eintragung „einer Vielzahl von Teilgewinnabführungsverträgen“.542 Hieraus schließt die herrschende Meinung, der Gesetzgeber erkenne den massenhaften Abschluss von Teilgewinnabführungsverträgen an.543 Der nach dem Kapitalgeberkreis differenzierenden Auffassung sei damit die Grundlage entzogen. Diese Interpretation dürfte den Aussagegehalt des § 294 Abs. 1 Hs. 2 AktG indes überspannen. Ziel der Reform war es, die Registergerichte angesichts der praktizierten Handhabung stiller Publikumsgesellschaften zu entlasten.544 Dass der Gesetzgeber implizit zentrale Abgrenzungsfragen der Mezzanine-Finanzierung zu beantworten gedachte, erscheint fernliegend.545 Die Einwände der herrschenden Meinung begründen daher keine Zweifel an der dogmatischen Stringenz des Unterscheidungsmerkmals der massenweisen Einräumung. (3) Konkretisierung des Merkmals „massenweise“ Hängt danach das einschlägige Schutzsystem für Debt Token Sales von der Größe des Kapitalgeberkreises ab, drängt sich die Folgefrage auf, unter welchen Voraussetzungen von einer Massenemission auszugehen ist. Die Definitionsversuche des älteren Schrifttums, wonach „die Ausgabe von Genußrechten mit einem kollektiven Element“546 oder „eine größere Emission gleichartiger Genußrechte“547 zu fordern ist, hat die herrschende Meinung zu Recht als zu unbestimmt zurückgewiesen.548 Dieser Kritik begegnet Lörsch mit seinem Vorschlag, zum Zwecke der Abgrenzung 539
Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 66; Sethe, AG 1993, 293, 309. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 66. 541 Lörsch, Kompetenzfragen, S. 171 f. 542 RegBegr. BT-Drs. 14/6855, S. 21; Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 294 AktG Rn. 12. 543 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 73. 544 S. Fn. 542. 545 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 523; Lörsch, Kompetenzfragen, S. 174 f. 546 Wünsch, in: FS Strasser, S. 871, 877. 547 Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 241 f. mit Verweis auf weitere Definitionsversuche. 548 Eyber, Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag, S. 165; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 66. 540
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ein Tatbestandsmerkmal fruchtbar zu machen, das von der Lehre bereits hinreichend ausgeleuchtet und handhabbar gemacht worden ist: Das öffentliche Angebot im kapitalmarktrechtlichen Sinne.549 Anzuknüpfen wäre demnach an die Begriffsbestimmung gem. Art. 2 lit. d) Prospekt-VO, der in Abgrenzung zur Privatplatzierung die Ansprache eines unbestimmten bzw. unbegrenzten Personenkreises voraussetzt.550 Zwar verfolgen Kapitalmarkt- und Aktienrecht auf einer übergeordneten Ebene divergierende Regelungsziele.551 Die Prospekt-VO und § 221 AktG teilen aber das Anliegen, aus ihrem jeweiligen Anwendungsbereich solche Sachverhalte fernzuhalten, bei denen die Gesellschaft mit ausgewählten Kapitalgebern kontrahiert.552 Das spricht dafür, die Ansprache eines unbestimmten Personenkreises auch im Kontext der hier interessierenden Abgrenzungsfrage als subsumtionsfähiges Kriterium zugrunde zu legen. Bei einem Token Sale bestehen am Vorliegen eines öffentlichen Angebots regelmäßig keine Zweifel.553 Zu weit geht dagegen die Forderung von Florstedt, nur abstrakte Schuldversprechen in den Anwendungsbereich des § 221 AktG einzubeziehen.554 Zwar ist dem Merkmal die gewünschte Unterscheidungskraft nicht abzusprechen. Der stattfindende Handel mit Security Token hat jedoch verdeutlicht, dass auch kausale Forderungen einer massenhaften Emission zugänglich sind.555 Mag der Verkehrsschutz in diesem Fall auch lückenhaft sein, das Schutzbedürfnis der Aktionäre bleibt das gleiche. Insbesondere ist nicht einzusehen, weshalb man ihnen ein Bezugsrecht verwehren sollte. Die Abstraktheit der emittierten Forderungen taugt daher allenfalls als Indiz für das Vorliegen eines öffentlichen Angebots. (4) Ergebnis Damit bleibt mit Blick auf die Ausgangsfrage festzuhalten, dass Debt TokenEmissionen in den Anwendungsbereich des § 221 AktG fallen. Die Hauptversammlung ist gem. § 221 Abs. 1, 3 AktG im Vorfeld zu beteiligen, wobei ihr Beschluss keine Außenwirkungen zeitigt.556 Das gilt entgegen der herrschenden Meinung auch dann, wenn die tokenisierten Rechtspositionen als stille Beteiligungen oder partiarische Darlehen zu qualifizieren sind (Genussrechte i. w. S.). Für die Abgrenzung zum Teilgewinnabführungsvertrag kommt es nicht auf die vertragsty549
Lörsch, Kompetenzfragen, S. 176 ff. Preuße, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpPG Rn. 18. 551 Dies selbst einräumend Lörsch, Kompetenzfragen, S. 180. 552 Ähnlich ders., Kompetenzfragen, S. 180: „Parallelproblem“. 553 S. bereits 2. Kap. D.I. 554 Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 412 f.; ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 525. 555 Zur Handelbarkeit von Token vgl. 2. Kap. B.II.2.a)aa)(4)(a)(cc). Zur Möglichkeit, im Rahmen eines Debt Token Sales abstrakte Forderungen zu emittieren s. A.II.2.a)dd). 556 Möglich ist auch ein Ermächtigungsbeschluss analog § 221 Abs. 2 AktG, s. BGH, Urt. v. 26. 9. 1994 – II ZR 236/93 = AG 1995, 83; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 149. 550
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pologische Zuordnung an, sondern auf die Frage, ob gewinnorientierte Beteiligungsinstrumente massenweise begeben werden. b) Behandlung „obligationsähnlicher“ Genussrechte Ein weiterer Meinungsstreit entzündet sich an der Frage, ob auch Genussrechte, die den Berechtigten eine gewinnabhängige Festverzinsung gewähren,557 dem § 221 AktG unterfallen. Die Ausgabe solcher „obligationsähnlichen Genussrechte“558 kann im Zusammenhang mit einem Debt Token Sale von Interesse sein, um die Liquidität der emittierenden Gesellschaft zu schonen. Gegen ihre Einbeziehung in das Schutzsystem des § 221 AktG spricht nach Ansicht einer stimmstarken Mindermeinung, dass gewinnabhängige Verzinsungsabreden weniger invasiv in die vermögensrechtliche Sphäre der Aktionäre eingreifen als gewöhnliche Fremdkapitalinstrumente:559 Nur wenn ein Gewinn anfällt, wird das Gesellschaftsvermögen durch einen der Höhe nach begrenzten Verzinsungsanspruch belastet. Dem hält die herrschende Meinung entgegen, die Kapitalgeber ließen sich als Ausgleich für den Nachteil einer bloß gewinnabhängigen Verzinsung einen überdurchschnittlich hohen Festzins versprechen.560 Die Aktionäre seien daher auch im Zusammenhang mit obligationsähnlichen Genussrechten schutzbedürftig. Dabei wird jedoch verkannt, dass das spezifische Gefahrenmoment, vor dem § 221 AktG seinem Sinn und Zweck nach Schutz bieten soll,561 bei der Vereinbarung einer Maximalverzinsung nicht zum Tragen kommt.562 Die Norm nimmt hochverzinste Finanzierungsvereinbarungen nicht pauschal von der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands aus.563 Vielmehr wird der Gefahr nachteiliger Geschäftsabschlüsse allein durch die Haftungsandrohung des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG abgeholfen.
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Zu dieser Gestaltungsvariante s. A.II.2.a)bb)(1). So die in der Literatur geläufige Bezeichnung, s. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 527; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 330; Gehling, WM 1992, 1093, 1094. 559 Fischer, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 11 Rn. 54; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 527; Stadler, in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, § 221 Rn. 98; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 69; Gehling, WM 1992, 1093, 1094 f.; Krecek/Röhricht, ZIP 2010, 413, 415 ff.; Lutter, ZGR 1993, 291, 306 f. 560 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 100; Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 33; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 330; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 25b; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 66; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 22; Sethe, AG 1993, 293, 298 f.; s. – allerdings ohne Problematisierung – auch BGHZ 120, 141, 145 ff. (Bremer Bankverein). 561 S. zum präzisierungsbedürftigen Schutzzweck B.I.2.a)aa). 562 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 527. Anderes gilt, wenn zusätzliche Kicker-Komponenten den Malus der gewinnabhängigen Festverzinsung kompensieren, da sich auch dann die spezifische Gefahr „nach oben offener“ Vergütungsabreden realisiert, vgl. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 113. 563 Fischer, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 11 Rn. 54. 558
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Richtigerweise gilt für bloß gewinnabhängige Genussrechte somit das gleiche wie für sonstige Fremdkapitaltitel:564 Die Aktionäre verfügen weder über eine Beschlusskompetenz in der Hauptversammlung noch steht ihnen ein Bezugsrecht zu. c) Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Venture Capital-Investoren Angesichts der drohenden Verwässerungseffekte werden sich Venture CapitalInvestoren mit dem in § 221 Abs. 1 S. 2 AktG verankerten Minderheitenschutz nicht begnügen.565 Verfügen sie – wie im Regelfall – über stimmberechtigte Vorzugsaktien,566 ist ihnen ein Vetorecht derweil schon insofern sicher, als die Aktionäre jeder Aktiengattung gem. § 221 Abs. 1 S. 4 in Verbindung mit § 182 Abs. 2 AktG einen Sonderbeschluss im Sinne des § 138 AktG zu fassen haben.567 § 221 Abs. 1 S. 3 AktG ermöglicht es überdies, die Beschlussfassung statutarisch an „weitere Erfordernisse“, etwa die Zustimmung bestimmter Aktionäre,568 zu binden. Auf schuldrechtlicher Ebene dienen zudem Stimmbindungsvereinbarungen dazu, das Abstimmungsverhalten im Interesse der Wagniskapitalgeber zu lenken.569 Fremdfinanzierungen, für die keine Hauptversammlungskompetenz besteht, z. B. die Emission obligationsähnlicher Genussrechte (s. o.), können nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG einem Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats unterworfen werden.570 d) Bezugsrecht der Aktionäre nach § 221 Abs. 4 i. V. m. § 186 AktG Beschließt die Hauptversammlung einen Debt Token Sale, steht den Aktionären das Bezugsrecht gem. § 221 Abs. 4 in Verbindung mit § 186 AktG zu.571 Den An564
Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 527. Vgl. Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 172 f. sowie zur Aufnahme von Venture Debt Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2163 (Fn. 15). 566 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 557; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 260. 567 S. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 200; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 145, Hirte, in: KK-AktG, § 221 Rn. 114. S. zum sog. Class Voting auch Kuntz, Gestaltung, S. 563 f. 568 Vgl. stellvertretend für die h. M. Koch, in: ders., AktG, § 182 Rn. 10; Stein, in: MünchKomm AktG, § 179 Rn. 142; Zetzsche, in: KK-AktG, § 179 Rn. 400 sowie Kuntz, Gestaltung, S. 619 ff. m. Nachw. zur Gegenansicht. 569 Hierzu Kuntz, Gestaltung, S. 625 f. 570 Vgl. Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 175 f. Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats können sich nach h. M. nur auf Vorstandshandeln beziehen, s. Arnold, in: MünchKomm AktG, § 133 Rn. 64; Kuntz, Gestaltung, S. 610; a. A. im Kontext des § 221 AktG anscheinend Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 152. Zur Möglichkeit, die innere Organisation des Aufsichtsrats am Kontrollbedürfnis der Investoren auszurichten, s. Kuntz, Gestaltung, S. 601 ff. 571 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 90. 565
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teilseignern ist es so möglich, ihre wirtschaftliche Stellung zu stabilisieren oder den verwässerungsbedingten Nachteil durch die Verwertung des Bezugsrechts auszugleichen.572 Für Wagniskapitalgeber eröffnet der Bezug von Debt Token zudem die Möglichkeit, einen Teil ihres Investments bereits vor dem Exit zu kapitalisieren, vorausgesetzt für die tokenisierten Instrumente existiert ein hinreichend liquider Sekundärmarkt.573 Investoren, die einen Token Sale antizipieren, sichern ihr Bezugsrecht daher mitunter statutarisch oder durch Stimmbindungsvereinbarungen ab.574 Obwohl § 221 Abs. 4 S. 2 AktG nicht auf § 187 AktG verweist, ist die Vorschrift nach einhelliger Auffassung entsprechend anzuwenden.575 Das Bezugsrecht der Aktionäre genießt infolgedessen Vorrang gegenüber den vertraglichen Zusagen im Rahmen eines Token Sales. Soll das Anlegerpublikum das gesamte Emissionsvolumen erwerben können, muss das Bezugsrecht der Aktionäre daher gem. § 221 Abs. 4 S. 2 in Verbindung mit § 186 Abs. 3 und 4 AktG ausgeschlossen werden. Entsprechend den bei Kapitalerhöhungen etablierten Grundsätzen, wonach der Ausschluss im Gesellschaftsinteresse erforderlich, geeignet und angemessen zu sein hat,576 muss der Beschluss einer materiellen Inhaltskontrolle standhalten.577 Die Anforderungen an das Überwiegen des Gesellschaftsinteresses sind dabei umso höher, je intensiver die vermögensrechtliche Verwässerung auszufallen droht.578 Bei einem STO ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Teilnahme der Venture Capital-Investoren den Vermarktungserfolg gefährden könnte. Dazu trägt namentlich das gesteigerte Risiko bei, dass „Insider“ ihren Wissensvorsprung auf Kosten der Anleger am Sekundärmarkt kapitalisieren.579 Lässt sich der Finanzie572
Hofmeister, Bezugsrechtsausschluß, S. 51; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 223. Vgl. Dell’Erba, in: Möslein/Omlor, FinTech-Hdb1, § 21 Rn. 17; Kaal, 46 J. Corp. L. 909, 920 (2021). 574 Vgl. Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3938. Rechtstechnisch kann dazu etwa gem. § 221 Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 186 Abs. 3 S. 3 AktG als „weiteres Erfordernis“ eines Bezugsrechtsausschlusses die Zustimmung des Investors vorausgesetzt werden, vgl. Fn. 568. 575 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 231; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 168, Hirte, in: KK-AktG, § 221 Rn. 412; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 46. 576 BGHZ 71, 40, 46 (Kali + Salz); s. hierzu Ekkenga, in: KK-AktG, § 186 Rn. 64 ff.; Schürnbrand/Verse, in: MünchKomm AktG, § 186 Rn. 92 ff. 577 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 241; Wünsch, in: FS Strasser, S. 871, 885 f.; a. A. Hirte, in: KK-AktG, § 221 Rn. 409. Dass Rechtfertigungsbedarf nur besteht, soweit den Vermögensrechten der Erwerber das spezifische Gefahrenmoment erfolgsorientierter Vergütungen innewohnt, ist vor dem Hintergrund der unter b) getroffenen Feststellungen selbsterklärend. Die h. M. bejaht gleichwohl auch bei „obligationsähnlichen Genussrechten“ das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung, wobei je nach inhaltlicher Ausgestaltung zu differenzieren sei, s. BGHZ 120, 141, 146 ff. (Bremer Bankverein); Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 636; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 187; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 43. 578 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 241. 579 Vgl. zu Missbrauchsrisiken im Verhältnis der Kapitalgeber 3. Kap. C.II.2. 573
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rungserfolg ohne einen Bezugsrechtsausschluss nicht sinnvoll verwirklichen, erscheint eine sachliche Rechtfertigung naheliegend.580 Der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss gem. § 221 Abs. 4 S. 2 in Verbindung mit § 186 Abs. 3 S. 4 AktG scheidet bei einem Debt Token Sale aus, weil die ausgegebenen Rechte keinen Bezug zum Grundkapital aufweisen.581 3. Ausgabekompetenz und Bezugsrecht in der GmbH Im GmbH-Recht existiert mit Blick auf Mezzanine-Finanzierungsmaßnahmen weder eine spezielle Kompetenznorm noch eine dem § 221 Abs. 4 AktG vergleichbare Regelung über ein Bezugsrecht der Gesellschafter. Um dieses normative Vakuum zu füllen, rekurriert das Schrifttum teils auf die aktienrechtlichen Regelungen, teils auf die allgemeine GmbH-rechtliche Kompetenzordnung. a) Ausgabekompetenz Die überwiegende Literaturauffassung folgert aus dem Schweigen des Gesetzes, dass die Ausgabe von Genussrechten jedenfalls im Ausgangspunkt dem Kompetenzbereich der Geschäftsführung unterfällt.582 Gleichzeitig herrscht Konsens darüber, dass es unter noch näher zu bestimmenden Voraussetzungen geboten sein kann, die Gesellschafterversammlung zu beteiligen.583 Hier endet die inhaltliche Übereinstimmung: In welchen Fällen im Einzelnen und mit welchen Mehrheitserfordernissen es der Zustimmung der Gesellschafter bedarf und ob ihrem Beschluss Außen- oder bloß Innenwirkung zukommt, ist höchst umstritten. Ein Teil des Schrifttums hält eine Satzungsgrundlage oder jedenfalls einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung im Zusammenhang mit der Gewinnbeteiligung Dritter sogar stets für erforderlich.584 Der Diskurs konzentriert sich dabei auf die Gewinnteilhabe im Rahmen von Teilgewinnabführungsverträgen, lässt sich aber ohne Weiteres auf Genussrechte und sonstige Instrumente mit partiarischem Gepräge 580
Ob es dagegen ausreicht, auf die Ermöglichung eines vertraglichen Bezugsrechts zugunsten der bereits investierten Token-Inhaber zu verweisen, erscheint fraglich, vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 674 ff. (zum Ausschluss des Bezugsrechts auf Aktien zugunsten einzelner Venture Capital-Investoren). 581 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 192; Hirte, in: KK-AktG, § 221 Rn. 409; Hofmeister, Bezugsrechtsausschluß, S. 130 ff.; Wöckener/Becker, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.25. 582 Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 654; Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 234; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1112; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 196, 221; Pentz, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 140; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 137 f. S. mit Blick auf STOs auch Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 91. 583 Zum Kriterium „Angemessenheit der Gegenleistung“ s. u. bei B.I.3.a)aa)(2); zur Fallgruppe „außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme“ s. u. B.I.3.a)bb)(2). 584 S. hierzu unter B.I.3.a)aa)(1) und B.I.3.a)bb)(1).
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ausweiten.585 Um Licht in das Meinungsdickicht zu bringen, richtet sich das Augenmerk zunächst auf jene Argumentationslinien, die die Mitwirkung der Gesellschafter zur Wirksamkeitsvoraussetzung erklären (aa)). Anschließend werden die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsverlagerung im Innenverhältnis beleuchtet (bb)). Zu berücksichtigen ist schließlich, dass sich Investoren in der Venture CapitalPraxis für Fragen der Kapitalaufnahme Zustimmungsvorbehalte ausbedingen (cc)). aa) Zustimmung der Gesellschafter als Wirksamkeitsvoraussetzung Dass gewinnorientierte Beteiligungsinstrumente die vermögensrechtliche Stellung der Gesellschafter verwässern und sogar aushöhlen können, ist hinlänglich bekannt. Soweit Literaturstimmen daraus ableiten, es bedürfe zur wirksamen Begründung entsprechender Abreden einer Satzungsgrundlage respektive eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses, sind jedoch Zweifel angebracht. Als unzutreffend erweist sich insofern bereits die Prämisse, dass die Gewinnbeteiligung Dritter in das korporative Gefüge des betroffenen Verbandes eingreift. (1) Keine Erstreckung der „Supermarkt-Grundsätze“ Diese Eingriffsthese verbirgt sich etwa hinter der Forderung, die Wirksamkeit schuldrechtlicher Gewinnbeteiligungen von einem Zustimmungsbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit nach Maßgabe der §§ 53, 54 GmbHG abhängig zu machen.586 In der Argumentation der Befürworter spiegeln sich die vom BGH im sog. Supermarkt-Beschluss587 etablierten Grundsätze wider. Der Senat hatte in der Leitentscheidung u. a. über den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags zu befinden. Da der Unternehmensvertrag in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreife und die Kompetenz der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung über die Gewinnverwendung überlagere, sei sein Abschluss der Vertretungsmacht der Geschäftsführer entzogen.588 Nichts anderes dürfe nach Ansicht der genannten Autoren für nur partielle Gewinnbeteiligungen gelten. Auch in diesen Fällen werde in das Gewinnverwendungsrecht der Gesellschafter nach § 29 GmbHG sowie in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 1 GmbHG eingegriffen.589 In konsequenter Anwendung dieses Begründungsansatzes entfalten nicht nur 585 Der Begriff „Teilgewinnabführungsvertrag“ beschränkt sich auch im GmbH-Recht nicht auf bestimmte Vertragstypen. Vgl. Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 235 f.; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 221. 586 So Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 37; Liebscher, in: MünchKomm GmbHG, Anh. § 13 Rn. 806; RidNiebler, Genußrechte für die GmbH, S. 86 ff.; vgl. auch Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 208, 234 (nur bei fehlender/unangemessener Gegenleistung) sowie Servatius, in: MHLS, GmbHG, Syst. Darst. 4 Rn. 380 (Dreiviertelmehrheit analog § 293 Abs. 1 AktG). 587 BGHZ 105, 324. 588 BGHZ 105, 324, 331 ff. 589 S. abermals die Hinweise in Fn. 586.
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bilaterale Teilgewinnabführungsverträge satzungsüberlagernde Wirkungen, sondern auch massenhaft emittierte Mezzanine-Instrumente mit partiarischem Gepräge.590 Wie der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 mit Blick auf Teilgewinnabführungsverträge zu Recht klargestellt hat, geht die Zusage ergebnisabhängiger Zahlungen indes nicht zwangsläufig mit einem Eingriff in das Gewinnstammrecht einher.591 Die hier in Rede stehenden Instrumente stellen lediglich einen gewinnschmälernden Kostenfaktor dar.592 Der einzige Unterschied zu Verbindlichkeiten aus anderen Austauschverträgen besteht darin, dass sich die Verzinsung am Ergebnis der Gesellschaft bzw. im Falle von Kicker-Komponenten an deren Wertentwicklung orientiert. Der mitgliedschaftliche Anspruch nach § 29 GmbHG ist hiervon ebenso wenig betroffen wie die Ergebnisverantwortung der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 1 GmbHG.593 Insofern unterscheidet sich die schuldrechtliche Gewinnbeteiligung grundlegend von der organisationsvertraglichen Gewinnabführung, welche dem Supermarkt-Beschluss zugrunde lag.594 Wollte man dies anders sehen, wären Wertungswidersprüche zur aktienrechtlichen Kompetenzverteilung bei der massenhaften Ausgabe partiarischer Beteiligungsinstrumente unvermeidbar: Wenn schon Aktionäre gem. § 221 Abs. 1, 3 AktG lediglich im Innenverhältnis zur Mitwirkung berufen sind,595 leuchtet nicht ein, weshalb es zum Schutze der GmbH-Gesellschafter einer Beschlussfassung mit Außenwirkung bedürfen sollte. Immerhin sind jene im Gegensatz zu Aktionären in der Lage, Alleingänge der Geschäftsleitung durch das Weisungsrecht gem. § 37 Abs. 1 GmbHG zu unterbinden.596 Eine Erstreckung der Supermarkt-Grundsätze auf schuldrechtliche 590 Vgl. mit Blick auf Genussrechte implizit Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 234. 591 BGHZ 223, 13, 21. Vgl. zuvor bereits BayOblG, Beschl. v. 18. 2. 2003 – 3Z BR 233/ 02 = ZIP 2003, 845; LG Darmstadt, Urt. v. 24. 8. 2004 – 8 O 96/04 = AG 2005, 488; Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 210 f., 229 f., 235 f.; Habersack, in: FS Happ, S. 49, 54 f.; Schmidt, ZGR 1984, 295, 309 ff. Ob satzungsüberlagernde Wirkungen anzunehmen sind, wenn die verpflichtete Gesellschaft einen Großteil der Gewinne abzuführen hat, ließ der Senat offen, vgl. in diesem Zusammenhang noch im Text zu Fn. 604. 592 Vgl. BGHZ 223, 13, 21; BayOblG, Beschl. v. 18. 2. 2003 – 3Z BR 233/02 = ZIP 2003, 845, 847; Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 241; Beckmann, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 29 Rn. 51; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1115; Leuschner, in: GKGmbHG, § 29 Rn. 221; Mack, Beteiligung Dritter, S. 157 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 138; Schmidt, ZGR 1984, 295, 310. 593 BGHZ 223, 13, 21 f.; Mack, Beteiligung Dritter, S. 157 ff. 594 BayOblG, Beschl. v. 18. 2. 2003 – 3Z BR 233/02 = ZIP 2003, 845, 847; LG Darmstadt, Urt. v. 24. 8. 2004 – 8 O 96/04 = AG 2005, 488, 490; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.32. 595 Das gilt nach hier vertretener Auffassung – daran sei erinnert – für sämtliche schuldvertraglichen Beteiligungsinstrumente mit partiarischem Vergütungselement, die massenhaft begeben werden, s. B.I.2.a)bb)(4). 596 Vgl. BGHZ 223, 13, 22 f.; Habersack, in: FS Happ, S. 53, 54 f.; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1118 f.; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 197 (jeweils mit Blick auf analoge Anwendung der §§ 292 ff. AktG).
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Gewinnbeteiligungen im Allgemeinen und auf kapitalmarktgängige MezzanineInstrumente im Speziellen ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt.597 (2) Keine Änderung des Verbandszwecks Auch dem zweiten Begründungsansatz liegt die unzutreffende Prämisse zugrunde, die schuldrechtliche Beteiligung Dritter sei geeignet, in das Verbandsgefüge einzugreifen. Vertreter dieser Ansicht weisen darauf hin, dass die Gesellschaft im Falle einer unangemessen hohen Erfolgsbeteiligung partiell gewinnlos gestellt werde. Ohne eine gleichwertige Gegenleistung laufe die Abrede auf eine fremdnützige Gewinnerwirtschaftung und damit auf die Änderung des Verbandszwecks hinaus. Dafür bedürfe es analog § 33 Abs. 1 S. 2 BGB einer einstimmigen Satzungsänderung.598 Abgesehen davon, dass dieser „Äquivalenzvorbehalt“599 für die Praxis „ein gravierendes Maß an Rechtsunsicherheit“ bedeutete,600 vermag der Begründungsansatz nicht zu überzeugen, weil er die Überschreitung des Gesellschaftszwecks mit der Zweckänderung gleichsetzt.601 Richtiger Ansicht nach begründet ein dem Gewinnziel der Gesellschaft abträglicher und insofern zweckwidriger Vertragsabschluss einen internen Pflichtenverstoß; die Wirksamkeit des Geschäfts bleibt hiervon unberührt.602 Für schuldrechtliche Gewinnbeteiligungen gilt insofern nichts anderes als für Austauschverträge im Übrigen. Die Gesellschafter sind vor exorbitanten Gewinnbeteiligungen zudem durch die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht geschützt.603 Ist die vom Kapitalgeber im Austausch für die Erfolgsbeteiligung zugesagte Gegenleistung praktisch nicht existent, erscheint aus Gründen des Umgehungsschutzes darüber hinaus die Anwendung der „SupermarktGrundsätze“ geboten (sog. verdeckter Gewinnabführungsvertrag).604 Abgesehen von 597 Abweichendes gilt für „atypische“ Kombinationen, bei denen die Gewinnbeteiligungen mit einer beherrschungsvertragsähnlichen Einflussstellung der Kapitalgeber einhergeht, s. BayOblG, Beschl. v. 18. 2. 2003 – 3Z BR 233/02 = ZIP 2003, 845, 847. Dies ist im Zusammenhang mit Debt Token Sales nicht der Fall, wohl aber bei unechten Equity Token, vgl. hierzu A.II.3. 598 Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 201, 214; Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 AktG Rn. 37a. 599 Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 201. 600 So zu Recht Schmidt, ZGR 1984, 295, 310 f. Ekkenga (in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 211, 231, 235) schlägt vor, die Rentabilitätsquoten im Innenverhältnis als Maßstab der Äquivalenzkontrolle heranzuziehen. Unter den Gestaltungsbedingungen der Wagnisfinanzierung muss die Folgefragen lauten, auf welche Anteilsklasse es dabei ankommen soll (Stammanteile oder Vorzugsanteile). Darüber hinaus bleibt unklar, wie „Bonuszinsen“ und sonstige Kicker-Komponenten in die Kalkulation einzubeziehen sind. 601 Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, KonzernR Rn. 97; Leuschner, in: GKGmbHG, § 29 Rn. 203; K. Schmidt, in: MünchKomm HGB, § 230 Rn. 114. 602 Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 203; Mack, Beteiligung Dritter, S. 167 ff. 603 Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 203; Schmidt, ZGR 1984, 295, 311. 604 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 210; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 205.
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derartigen Grenzfällen besteht bei einem Debt Token Sale kein auf das Außenverhältnis durchschlagendes Mitwirkungserfordernis der Gesellschafterversammlung. bb) Zuständigkeit im Innenverhältnis Ob die Emissionsentscheidung zumindest im Innenverhältnis der Zustimmung der Gesellschafter bedarf, muss angesichts der vom Aktienrecht abweichenden Organstruktur differenziert beantwortet werden. (1) Keine Beschlusskompetenz analog § 221 Abs. 1 und 3 AktG Entgegen einer vereinzelt gebliebenen Literaturansicht605 scheidet die analoge Anwendung der aktienrechtlichen Kompetenzregelung aus.606 Zwar können auch GmbH-Gesellschafter von den Verwässerungseffekten betroffen sein, vor denen § 221 AktG seinem Sinn und Zweck nach Schutz bieten soll. Anders als Aktionäre können die Gesellschafter einer GmbH die Emissionsentscheidung kraft ihres Weisungsrechts aber jederzeit an sich ziehen.607 Die Gesellschafter verfügen zudem über umfassende Kontrollrechte (§§ 51a, 51b GmbHG), die sie in die Lage versetzen, Alleingänge der Geschäftsführung zu unterbinden.608 Die Interessenlage bei der Begründung von Genussrechten durch eine GmbH ist vor diesem Hintergrund eine gänzlich andere als im Aktienrecht. Hinzu kommt, dass ein ausreichender Schutz der Gesellschafter auf Grundlage der ungeschriebenen Mitwirkungserfordernisse im GmbH-Recht gewährleistet ist (dazu sogleich). Die für einen Analogieschluss erforderliche Regelungslücke fehlt mithin.609 (2) Ungeschriebene Gesellschafterkompetenz Das Direktionsrecht gliche einem stumpfen Schwert, erhielten die Gesellschafter keine Gelegenheit, rechtzeitig ihr Veto zu einer Geschäftsführungsmaßnahme zu erheben. Nach gefestigter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur trifft die Geschäftsführung gegenüber der Gesellschafterversammlung daher eine ungeschriebene Vorlagepflicht im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Maßnah-
605
384 f.
S. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 53; Lutter, in: FS Döllerer, S. 383,
606 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 234; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1112 f.; Mack, Beteiligung Dritter, S. 114 f.; i. E. auch Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 85 ff., die allerdings eine Satzungsgrundlage für erforderlich hält. 607 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 234; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1112 f. Vgl. mit paralleler Argumentation hinsichtlich eines Analogieschlusses zu § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG die Hinweise in Fn. 596. 608 Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1112; vgl. Habersack, in: FS Happ, S. 53, 55. 609 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 234.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
men.610 Als „außergewöhnlich“ gelten in diesem Zusammenhang Vorhaben, die wegen ihrer Bedeutung oder des mit ihnen zusammenhängenden Risikos Ausnahmecharakter haben.611 Um diese abstrakte Formel für die Praxis handhabbar zu machen, haben sich Fallgruppen herausgebildet. So soll die Vorlagepflicht etwa eingreifen, wenn die Billigung einer Geschäftsführungsmaßnahme zweifelhaft erscheint oder zumindest ein erkennbares Bedürfnis besteht, sich im Gesellschafterkreis über das Vorgehen zu verständigen.612 Vor diesem Hintergrund liegt nach verbreiteter Auffassung die Einbeziehung der Gesellschafter im Zusammenhang mit Genussrechtsemissionen nahe.613 Die Begründungen hierfür gehen auseinander: Teils wird die Einbeziehung der Gesellschafter angesichts der spezifischen Gefahren erfolgsabhängiger Verzinsungsabreden kategorisch bejaht.614 Andere stellen auf die konkrete Ausstattung der Finanzierungsinstrumente ab und befürworten eine Vorlagepflicht zum Beispiel dann, wenn neben einer Gewinnbeteiligung eine Teilhabe an den stillen Reserven der emittierenden Gesellschaft vorgesehen ist.615 Wieder andere orientieren sich an quantitativen Kriterien, z. B. an dem Verhältnis von Genussrechts- und Stammkapital oder an der Zinshöhe.616 Derartige Versuche einer Verallgemeinerung dürften der Vielfalt mezzaniner Beteiligungsformen und -anlässe jedoch kaum gerecht werden. Im Zusammenhang mit einem Debt Token Sale sprechen neben dem Ausmaß der wirtschaftlichen Verwässerung vor allem die Risiken einer Kapitalaufnahme vom internationalen Anlegerpublikum für den Ausnahmecharakter der Maßnahme. Neben regulatorischen und technologischen Unwägbarkeiten sind mit der Adressierung des Kapitalmarkts mannigfaltige Reputations- und Anreizeffekte verbunden.617 Die Tragweite eines STOs macht es daher in aller Regel erforderlich, den Gesellschaftern die Möglichkeit zur Intervention einzuräumen. 610 BGHZ 220, 354, 370 f.; Altmeppen, in: ders., GmbHG, § 37 Rn. 23; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Paefgen, in: GK-GmbHG, § 37 Rn. 19; a. A. Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 37 Rn. 16a. Zur im Detail streitigen dogmatischen Begründung der Vorlagepflicht s. Stephan/Tieves, in: MünchKomm GmbHG, § 37 Rn. 139. 611 OLG Karlsruhe, Urt. v. 4. 5. 1999 – 8 U 153/97 = NZG 2000, 264, 267; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11. 612 Stephan/Tieves, in: MünchKomm GmbHG, § 37 Rn. 139, 144. 613 Vgl. Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 654; Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 227 f., 242; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1127 ff.; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 199; Lutter, in: FS Döllerer, S. 383, 384 f.; Mack, Beteiligung Dritter, S. 224 ff.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 138; Sethe, AG 1993, 293, 314. 614 Ebert, Mezzanine Kapitaltitel, S. 227, 242; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 221; Lutter, in: FS Döllerer, S. 383, 384 f. 615 Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1127 ff. 616 Sethe, AG 1993, 293, 314. 617 In diesem Zusammenhang ist umfassend auf die Ausführungen im 2. Kapitel und 3. Kapitel zu verweisen.
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cc) Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Venture Capital-Investoren Venture Capital-Investoren werden sich mit der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nicht zufriedengeben, erst recht nicht, wenn – wie hier vertreten – die einfache Stimmmehrheit genügt, um die Geschäftsführungsmaßnahme im Innenverhältnis zu legitimieren. Die Kapitalgeber bedingen sich daher umfassende Zustimmungsvorbehalte für Fremd- und Mezzanine-Finanzierungen aus.618 Diese können statutarisch verankert oder in der Geschäftsordnung geregelt werden.619 Hiervon bleibt zwar die organschaftliche Vertretungsmacht der Geschäftsführung unberührt (§ 37 Abs. 2 GmbHG), das Überschreiten der Binnenschranken kann aber nach allgemeinen Missbrauchsgrundsätzen auf das Außenverhältnis durchschlagen.620 b) Token-Bezugsrecht Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung über ein Bezugsrecht der Gesellschafter nimmt die Literatur mehrheitlich als gegeben hin; eine analoge Anwendung des § 221 Abs. 4 AktG lehnt man ohne nähere Begründung ab.621 Für tokenisierte Beteiligungstitel gelte Entsprechendes.622 Zwingende Gründe, GmbH-Gesellschafter anders zu behandeln als Aktionäre, sind bei näherer Betrachtung indes nicht ersichtlich.623 Der Gesetzgeber hat sich jeglicher Regelung mitgliedschaftsähnlicher Vermögensrechte im GmbH-Recht enthalten. Hieraus auf eine bewusste Regelungslücke zu schließen, überzeugt nicht, wenn man mit der herrschenden Meinung624 ein Bezugsrecht der Gesellschafter bei Kapitalerhöhungen anerkennt.625 Der analogen Anwendung des § 186 AktG liegt 618
Vgl. insofern schon Fn. 565. Buck-Heeb, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 37 Rn. 10; Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 202; Kuntz, Gestaltung, S. 635; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 200; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 139. Mit entsprechender Empfehlung spezifisch im Zusammenhang mit einem STO s. Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 91. 620 Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 202. 621 Beckmann, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 29 Rn. 51; Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 234; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 222; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 140; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.26. 622 Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 91. 623 So i. E. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 53; Lutter, in: FS Döllerer, S. 383, 385; Mack, Beteiligung Dritter, S. 117 ff.; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 48 f.; Sethe, AG 1993, 293, 315; sympathisierend Kersting, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 29 Rn. 91: bei Finanzierungsgenussrechten „erwägenswert“. 624 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 19 ff.; Bormann, in: Gehrlein/Born/ Simon, GmbHG, § 55 Rn. 17 ff.; Lieder, in: MünchKomm GmbHG, § 55 Rn. 103; Priester/ Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 42 ff.; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 55 Rn. 20; a. A. Ulmer/Casper, in: GK-GmbHG, § 55 Rn. 52 ff. 625 Mack, Beteiligung Dritter, S. 120 ff.; Sethe, AG 1993, 293, 315. 619
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nämlich die zutreffende Wertung zugrunde, dass die Gesellschafterminderheit in der GmbH des Schutzes vor Verwässerungseffekten in gleicher Weise bedarf wie Aktionäre.626 Diese Parallelität der Schutzsysteme bleibt nicht auf Fälle beschränkt, in denen das Stimmrecht der Gesellschafter durch eine Kapitalmaßnahme ausgehöhlt zu werden droht.627 Anderenfalls wäre den Gesellschaftern einer GmbH das Bezugsrecht bei der Ausgabe stimmrechtslos gestellter Anteile von vornherein zu verwehren, was – soweit ersichtlich – niemand ernsthaft vertritt. Genügt für die Übertragung des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes demnach die Verwässerung von Vermögensrechten, ist es zur analogen Anwendung des § 221 Abs. 4 AktG nur noch ein kleiner Schritt. Die Interessenlage gleicht dabei derjenigen in der Aktiengesellschaft: Auch in der GmbH bedingt die massenhafte Ausgabe von Mezzanine-Instrumenten die wirtschaftliche Verwässerung der mitgliedschaftlichen Vermögensrechte, auch hier sind die spezifischen Gefahren erfolgsabhängiger Vergütungsabreden präsent.628 Das Direktionsrecht der Gesellschafterversammlung ändert daran nichts, da es nur der Mehrheit zugutekommt. Jedenfalls soweit für die Finanzierungsmaßnahme eine interne Vorlagepflicht besteht (s. o.), erscheint es daher konsequent, den Gesellschaftern der GmbH ein Bezugsrecht analog § 221 Abs. 4 AktG zuzugestehen.629 Ein Bezugsrechtsausschluss ist entsprechend den für die Aktiengesellschaft geltenden Maßgaben möglich.630 Darüber hinaus bleibt es den Gesellschaftern unbenommen, durch die Satzung abweichende Regelungen zu treffen.631
II. Zielkonvergenz durch Kicker-Vergütung Im Zusammenhang mit der Entscheidung für einen STO stellt sich für die Initiatoren die Frage, ob ihr Token-Angebot am Kapitalmarkt auf ausreichend Nachfrage stößt. Denn wie manch ein Emittent bereits schmerzlich feststellen musste, ist die Euphorie für die Assetklasse bei vielen Anlegern verflogen. Stattdessen beherrscht Nachfrageunsicherheit das Marktgeschehen.632 Als Determinante des Absatzerfolgs hat sich seit der Professionalisierung des Emissionsumfelds die privat-
626
Bormann, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 55 Rn. 17; Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 45. 627 Anders wohl Beckmann, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 29 Rn. 51. 628 Mack, Beteiligung Dritter, S. 121. 629 S. Fn. 623. 630 Mack, Beteiligung Dritter, S. 128 ff.; s. hierzu B.I.2.d). 631 Vgl. zur Möglichkeit der satzungsmäßigen Zubilligung Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 656; Kersting, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 29 Rn. 91; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 140. 632 Vgl. 3. Kap. C.III.
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autonome Ausformung der Token-Angebote herauskristallisiert.633 Gemäß den Erkenntnissen der finanzökonomischen Forschung sollten Emittenten vor diesem Hintergrund darauf bedacht sein, die Agenturkosten der Finanzierungsbeziehung durch vertragliche Vorkehrungen zu minimieren. Auf diese Weise kann der kooperative Überschuss gesteigert und die Wahrscheinlichkeit eines ökonomisch vorteilhaften Vertragsschlusses maximiert werden.634 Um Konflikten zwischen den Kapitalgebergruppen vorzubeugen, lautet die Handlungsempfehlung der neoinstitutionellen Theorie, unter den Beteiligten einen größtmöglichen Interessengleichklang herzustellen.635 Im Venture Capital-Bereich bestimmt das Ziel eines ertragsreichen Exits das gemeinsame Streben von Investoren und Gründern.636 Das entscheidungslenkende Motiv der Geschäftsführung eines Start-Ups ist es demnach, einen rapiden Wertzuwachs für das Unternehmen zu ermöglichen. Als vertragliches Instrument zur Herstellung einer weitestgehenden Zielkonvergenz zwischen Eigenkapitalgebern und Token-Erwerbern rücken vor diesem Hintergrund Kicker-Komponenten in den Fokus. Nachdem sie als Gestaltungsvariante von Genussrechten bereits kursorisch Erwähnung gefunden haben (s. A.II.2.a)bb)(1)), soll ihre Funktionsweise und Eignung im Folgenden einer detaillierteren Würdigung unterzogen werden. 1. Typen und Funktionsweise Durch Kicker-Komponenten partizipieren die Kapitalgeber an der Wertentwicklung der finanzierten Unternehmung (sog. upside potential).637 Aufgrund der zumeist spärlichen Ertragslage junger Wachstumsunternehmen kann das Vergütungselement zum eigentlichen „Renditetreiber“638 für die Token-Investoren werden.639 Insofern dient es den Kapitalgebern als Kompensation für eine geringe variable Verzinsung bzw. das Fehlen einer Festverzinsung. Die Teilhabe der Investoren am Wertsteigerungspotenzial schont den Cashflow der Gesellschaft während der Laufzeit der Finanzierungsbeziehung. Gleichzeitig fördert die Vergütungsabrede den Interessengleichklang unter den Beteiligten und trägt dadurch zur Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen bei.640 Insofern überrascht es nicht, dass KickerKomponenten im Zusammenhang mit Crowdinvestings und Risikodarlehen, den 633 Vgl. Lambert/Liebau/Roosenboom, 59 Small Bus. Econ. 299, 313 ff. (2022); Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 430 (2019). 634 Vgl. 3. Kap. B.I.1. 635 S. hierzu 3. Kap. C.II.1.c). 636 Vgl. 3. Kap. A.II. 637 Hingst, in: FS Schäfer, S. 635, 638 f.; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1110. 638 Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 324. 639 Vgl. im Kontext konventioneller Crowdinvestings Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 286 f.; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 163. 640 Vgl. Lühn, Genussrechte, S. 34. S. zu den Einschränkungen unter 2.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Finanzierungsmethoden also, die STOs strukturell bzw. funktional am nächsten kommen, weite Verbreitung erlangt haben.641 Zwischen den Kicker-Typen, die bei Venture Debt-Finanzierungen zum Einsatz kommen und jenen, die für Crowdinvesting-Verträge relevant werden, bestehen indes markante Unterschiede. Im Hinblick auf STOs ist dabei vor allem die Unterscheidung zwischen Equity Kickern und Non-Equity Kickern von Bedeutung. a) Equity Kicker Im Zusammenhang mit Risikodarlehen gehören Equity Kicker zum Marktstandard.642 Sie gewähren den Kapitalgebern das Recht, Gesellschaftsanteile zu beziehen (sog. warrant) oder die Rückzahlungsforderung ganz oder teilweise in eine Eigenkapitalbeteiligung zu wandeln (sog. covertible warrant).643 Dadurch erlangen die Darlehnsgeber den Status echter Verbandsmitglieder und können Wertsteigerungen im Zuge einer Beteiligungsauflösung unmittelbar realisieren. Den Bestandsgesellschaftern ist allerdings daran gelegen, nur ausgewählte Kapitalgeber mit Mitgliedschaftsrechten und den damit verbundenen Einflussmöglichkeiten auszustatten.644 Einer Vielzahl nicht näher bekannter Token-Investoren eine „Eintrittskarte“ in die Gesellschaft zu verschaffen, kommt daher nicht in Betracht.645 b) Non-Equity Kicker Wie bei konventionellen Schwarmfinanzierungen können daher nur Non-Equity Kicker die Beteiligung der Token-Anleger am Unternehmenswachstum gewährleisten. Mit Unterschieden im Detail dienen solche Abreden dazu, die wirtschaftliche Stellung der Gesellschafter bei einem Exit-Event auf schuldrechtlicher Grundlage zu replizieren.646 Dazu gewähren sie den Berechtigten einen bedingten Zahlungsanspruch, der sich der Höhe nach am typisierten Unternehmenswert, einer virtuellen 641
S. im Zusammenhang mit Risikodarlehen: Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 79 ff.; Thom/ Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2166 f. Und im Zusammenhang mit Crowdinvestings: Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 137 f.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 176 ff.; Schulz, Crowdinvesting, S. 19; Bader, WM 2014, 2249, 2251; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 161 ff. 642 Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 96. 643 Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2166; vgl. aus der Praxis der MezzanineFinanzierung ferner Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 324; Golland/Gehlhaar/ Grossmann u. a., BB Beilage 2005, Nr. 14, 1, 3 f. S. zu den damit einhergehenden Kompetenzfragen Lörsch, Kompetenzfragen, S. 147 ff. 644 S. A.III.3. 645 Vgl. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 138; Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1110 f.; Weitnauer, GWR 2015, 309, 312. 646 Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1110; Servatius, Gläubigereinfluss, S. 28 f.; Golland/Gehlhaar/Grossmann u. a., BB Beilage 2005, Nr. 14, 1, 4; Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2166.
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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Schlussbilanz oder dem konkreten Veräußerungserlös (sog. virtuelle Equity Kicker) orientiert.647 Der Anspruch wird mit dem vertraglich definierten Exit-Fall oder bei vorzeitiger Ablösung der schuldrechtlichen Beteiligung durch Kündigung fällig.648 Unter einem „Exit“ versteht man dabei in der Regel jeden Börsengang und jede Form des Unternehmensverkaufs (share deal oder asset deal).649 Da Schuldnerin des Anspruchs die unternehmenstragende Gesellschaft ist, preisen die Erwerber die Verbindlichkeit beim Anteilskauf, dem häufigsten Fall der Beteiligungsauflösung, von vornherein in ihre Bewertung ein.650 Der einbehaltene Teil des Kaufpreises kann der Gesellschaft dann zugeführt und zur Ablösung der Verbindlichkeiten verwendet werden.651 Um die Renditeaussichten von Gründern, Venture Capital-Gebern und Token-Investoren interessengerecht aufeinander abzustimmen, kann durch die Ausschüttungsstaffelung zudem ein feingranulares Verteilungssystem errichtet werden. Verwiesen sei insofern auf die Ausführungen unter A.II.2.a)bb)(1). 2. Anlegerrisiken im Zusammenhang mit Kicker-Komponenten So intuitiv Kicker-Komponenten als Mittel zur Eingliederung der Token-Erwerber in das Gefüge zwischen Gründern und Risikokapitalgebern auf den ersten Blick erscheinen, so unvollständig wäre das Bild ohne einen Hinweis auf die damit verbundenen Risiken. Als instruktiv erweisen sich hier abermals die Erfahrungen aus dem Bereich der konventionellen Schwarmfinanzierung. Kritisch beurteilt man dort vor allem die mangelnde Transparenz gängiger Abreden.652 Unerfahrene Anleger können gerade bei komplexen Vergütungsstrukturen die Höhe und Wahrscheinlichkeit einer „Bonuszahlung“ nicht zutreffend erfassen.653 Darüber hinaus besteht für die Eigenkapitalgeber unter Umständen ein erheblicher Anreiz, die eigene Rendite auf Kosten der Token-Investoren zu optimieren.654 Aus der CrowdinvestingPraxis steht hierfür sinnbildlich der Fall „Protonet“: Nachdem das Hamburger StartUp seinen Geschäftsbetrieb im Zuge einer Restrukturierung an eine amerikanische Holding übertrug, entbrannte Streit darüber, ob der Vorgang als Exit-Ereignis zu bewerten war und Zahlungspflichten gegenüber den Crowdinvestoren auslöste. Die nunmehr vermögenslose Protonet GmbH bestritt dies.655 Eine juristische Aufarbeitung der erhobenen Vorwürfe soll hier nicht geleistet werden. Der Fall macht aber 647 Zu den verschiedenen Spielarten s. Lörsch, Kompetenzfragen, S. 47. Mit einem Berechnungsbeispiel Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 137. 648 Klingberg, in: FS Westermann, S. 1087, 1124. 649 Vgl. Schulz, Crowdinvesting, S. 19; Bader, WM 2014, 2249, 2251; Klöhn/Hornuf/ Schilling, ZBB 2016, 142, 163. 650 Schedensack, Crowdinvesting, S. 177; Weitnauer, GWR 2015, 309, 312. 651 Schedensack, Crowdinvesting, S. 177 f. 652 S. mit einem illustrativen Beispiel ders., Crowdinvesting, S. 213 f. 653 Vgl. insofern abermals am Ende des Abschnitts A.II.2.a)bb)(1). 654 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 214. 655 Hierzu Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 285 f.; Schedensack, Crowdinvesting, S. 214.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
deutlich, dass die Vergütungsabrede als neuralgischer Punkt einer Finanzierungsbeziehung besonderer Sorgfalt bedarf. Entsteht bei Anlegern der Eindruck, die emittierende Gesellschaft halte sich vertragliche Schlupflöcher offen, droht nicht nur ein Misserfolg am Kapitalmarkt, sondern auch ein nachhaltiger Imageschaden für die Unternehmung. Zu einer wirtschaftlichen Entwertung der Token-Beteiligungen kommt es ferner, wenn die Mezzanine-Kapitalgeber im Zusammenhang mit virtuellen Equity Kickern über den wahren Erwerbspreis getäuscht werden, z. B. indem die Altgesellschafter und der Erwerber nachgelagerte Zusatzzahlungen (sog. earn-outs) oder schwer zu bewertende Gegenleistungen vereinbaren.656 Die Kenntnisnahme von derartigen Umgehungsstrategien wird den Anlegern dadurch erschwert, dass sich die Parteien eines Unternehmenskaufs üblicherweise zur gegenseitigen Verschwiegenheit verpflichten.657 Die aufgezeigten Konfliktlagen verdeutlichen, dass sich das Problem opportunistischer Verhaltensweisen durch Kicker-Komponenten keineswegs erledigt. Ein vollständiger Interessengleichlauf lässt sich auf diese Weise nicht verwirklichen. Vielmehr bildet die Vergütungsabrede nur einen Baustein eines komplexen Ordnungsrahmens, zu dem darüber hinaus insbesondere anlegerschützende Vorkehrungen zählen. Ihnen ist der Abschnitt C. gewidmet. Eine Annährung der jeweiligen finanziellen Zielvorstellungen leistet die Vergütungsgestaltung aber allemal.
III. Anschlussfinanzierung, Exit-Fähigkeit und Adaptabilität Als Form der Zwischenfinanzierung deckt ein Debt Token Sale den Kapitalbedarf der emittierenden Gesellschaft nur temporär ab.658 Die Strukturierung des STOs sollte vor diesem Hintergrund nicht nur mit den Zielen der Bestandsgesellschafter vereinbar sein, sondern auch die Bedürfnisse potentieller Anschlussinvestoren im Blick behalten.659 Darüber hinaus muss im Interesse aller Beteiligter sichergestellt werden, dass der Token Sale nicht den Weg zu einem späteren Exit versperrt.660 Das gibt auf einer übergeordneten Ebene Anlass zu der Frage, wie anpassungsfähig die Finanzierungsbeziehung zwischen Token-Gläubigern und finanzierter Gesellschaft ist.
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Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 214 f. Ders., Crowdinvesting, S. 214 f. 658 Die Überbrückungsdauer hängt von der Höhe des monatlichen Liquiditätsabflusses ab (sog. burn rate), s. Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil C. Rn. 123. 659 Vgl. im Kontext konventioneller Schwarmfinanzierungen Schedensack, Crowdinvesting, S. 164; Weitnauer, GWR 2015, 309, 312. 660 Vgl. Weitnauer, BKR 2018, 231, 236. Zum geteilten Interesse an einem ertragreichen Exit soeben unter B.II. 657
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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1. STO als „Jugendsünde“ prosperierender Start-Ups? Auf künftige Risikokapitalgeber sowie Kaufinteressenten kann die schuldrechtliche Beteiligung einer Vielzahl von Token-Investoren abschreckend wirken.661 Das liegt vor allem daran, dass für sie nicht absehbar erscheint, welche langfristigen Belastungen mit einem STO in administrativer, personeller und finanzieller Hinsicht einhergehen. Angesichts der geringen Verbreitung der Finanzierungsmethode fehlt es insoweit an belastbaren Erfahrungswerten. Zusätzlicher Aufwand entsteht über die Dauer der Finanzierungsbeziehung zum Beispiel dadurch, dass sich die emittierende Gesellschaft verpflichtet, die Token-Anleger über bestimmte betriebswirtschaftliche Entwicklungen zu informieren.662 Dazu müssen digitale Kommunikationskanäle errichtet und die fraglichen Informationen aufbereitet und präsentiert werden. All dies bindet Unternehmensressourcen.663 Die erhöhte Sichtbarkeit eines Start-Ups, dessen Token international gehandelt werden, mag für manche Kapitalgeber einen besondere Investitionsanreiz darstellen.664 Unter Umständen dominiert aber die Wahrnehmung, dass die frühzeitige Kapitalmarktexposition eine ungestörte Zielverfolgung erschwert, z. B. weil die Gründer die Öffentlichkeitswirkungen ihrer Entscheidungen im höheren Maße zu berücksichtigen haben.665 Wie im Kontext konventioneller Schwarmfinanzierungen der Fall „Protonet“ gezeigt hat, geht von öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten mit dem Anlegerpublikum zudem ein beachtliches Reputationsrisiko aus.666 Professionelle Investoren wollen derartige „Nebenschauplätze“ unbedingt vermeiden. Die Anlegerklagen im Zusammenhang mit dem Envion-STO haben das Marktumfeld zudem für die Haftungsrisiken sensibilisiert, die im Lichte zunehmender Regulierung mit der Token-basierten Kapitalaufnahme einhergehen.667 Realisieren sich solche Gefahren, droht den Eigenkapitalgebern der Totalverlust ihres Investments. Eine Anschlussfinanzierung bzw. ein Exit kann schließlich daran scheitern, dass die wirtschaftliche Beteiligung der Token-Inhaber den Renditevorstellungen von Investoren bzw. Kaufinteressenten zuwiderläuft. Für einen Private Equity-Investor mag ein Unternehmenskauf beispielsweise nur dann in Betracht kommen, wenn es möglich erscheint, die Ertragslage des Portfoliounternehmens zu steigern und das Ergebnis vollständig zu vereinnahmen. 661 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 164; Weitnauer, GWR 2015, 309, 312; Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153, 157. 662 Hierzu unter C.II. 663 Vgl. zur parallel gelagerten Problematik bei konventionellen Schwarmfinanzierungen Herr/Bantleon, DStR 2015, 532, 539. 664 Vgl. Fn. 321. 665 Vgl. Hahn/Wons, ICO, S. 7. 666 S. hierzu Fn. 655. Vgl. aus der Perspektive der Finanzierungspraxis Mueller, ITSA Panel: Venture Capital in Blockchain, 7. 9. 2021 (ab 26:12), abrufbar unter: https://www.youtu be.com/watch?v=tUHfFxOcvg0. 667 S. LG Berlin, Urt. v. 27. 5. 2020 – 2 O 322/18 = AG 2021, 204 ff.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Ohne geeignete Vorkehrungen kann sich ein Token Sale somit gerade für jene Unternehmen als Wachstumshindernis erweisen, die Aussicht auf eine erfolgreiche Anschlussfinanzierung oder einen Exit hätten. 2. Kautelarjuristische Ansätze zur Flexibilisierung der Finanzierungsbeziehung Während das Beteiligungsarrangement zwischen Gründern und Venture CapitalInvestoren von Natur aus ein dynamisches Vertragswerk ist, das eine situative Neuverteilung von Zugriffsrechten ermöglicht,668 haben die Ausgabebedingungen bei einem Token Sale ein im Ausgangspunkt statisches Gepräge.669 Das kann sich als Nachteil erweisen, wenn die unveränderte Beteiligung der Token-Inhaber aus den aufgezeigten Gründen mit den Zielen eines Anschlussinvestors oder Unternehmenserwerbers kollidiert. Auch veränderte Marktbedingungen oder unvorhergesehene betriebswirtschaftliche Entwicklungen können Anpassungsbedarf hervorrufen. So wäre die Auszahlung eines Bonuszinses beim Erreichen bestimmter Meilensteine etwa von Nachteil, wenn dafür auf eine lukrative Investitionsmöglichkeit verzichtet werden müsste, von der auch die Token-Inhaber profitierten. Crowdinvesting-Verträge beinhalten im Hinblick auf Folgefinanzierungen und Exits bestimmte Anpassungsmechanismen, deren Einsatz auch im hier diskutierten Kontext in Betracht zu ziehen ist. Diese Mechanismen stehen zugleich stellvertretend für die drei kautelarjuristischen Ansätze, durch die eine Flexibilisierung der Finanzierungsbeziehung erreicht werden kann: Ex ante definierte Vertragsanpassungen (a)), einseitige Änderungs- bzw. Ablösungsrechte (b)aa)) sowie konsensuale Änderungen der Beteiligungsbedingungen (b)bb)). Die Funktionsweise dieser Wirkmechanismen soll im Folgenden exemplarisch aufgezeigt und anschließend vor dem Hintergrund der zu berücksichtigenden Anpassungskosten gewürdigt werden (c)). a) Vorgezeichnete Vertragsanpassungen am Beispiel von Verwässerungsklauseln Im Hinblick auf Folgefinanzierungen sehen Crowdinvesting-Verträge einen Mechanismus vor, nach dem sich die Beteiligungsquote der Schwarmfinanzierer bei späteren Kapitalerhöhungen automatisch verwässert.670 Die hierfür maßgeblichen Erwägungen lassen sich auf die Interessenlage bei einem STO übertragen: Wäre die Beteiligungsquote der Token-Anleger starr definiert,671 würde sich ihr Anteil am wirtschaftlichen Erfolg relativ zu den „echten“ Gesellschaftern erhöhen, ohne dass 668
S. Kuntz, Gestaltung, S. 47. Vgl. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.166 ff. 670 Schedensack, Crowdinvesting, S. 178; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 166. 671 Zur Bestimmung der Beteiligungsquote s. A.II.2.a)bb)(1). 669
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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von ihrer Seite zusätzliches Kapital beigesteuert würde. Die Finanzierungsanreize für Kapitalgeber wären gering, da ihr Investment nicht ausschließlich dem Unternehmenswachstum zugutekäme, sondern auch den Vorteil der Token-Inhaber subventionierte.672 Eine beitragsgerechte Lösung kann z. B. dadurch erreicht werden, dass sich die Beteiligungsquote der Token-Anleger um den Faktor verringert, um welchen sich das Eigenkapital durch die Aufnahme des Investors erhöht.673 Ein wirtschaftlicher Nachteil ist damit für die Token-Investoren nur verbunden, wenn die Beteiligung der Neuinvestoren auf einer geringeren Bewertung basiert als zum Zeitpunkt der Emission, insbesondere also im Falle einer down round.674 Zum Schutz vor diesem Szenario können die Emissionsbedingungen Anti-Dilution-Regelungen vorsehen (s. C.III.4.). b) Ad hoc-Maßnahmen am Beispiel der Beendigung der Token-Beteiligung Angesichts der verbreiteten Präferenz von Kapitalgebern und Käufern für „einfache Eigentümerstrukturen“ ist es aus Sicht der emittierenden Gesellschaft wünschenswert, die Token-Beteiligungen mit geringem Aufwand beenden respektive ablösen zu können. Auf diese Weise können die aufgezeigten Finanzierungs- und Exit-Hemmnisse gegen eine im Idealfall klar definierte Summe mit einem Schlag ausgeräumt werden. aa) Einseitige Beendigung Die aus Sicht der finanzierten Gesellschaft komfortabelste Beendigungsmöglichkeit besteht in einem einseitigen Sonderkündigungsrecht.675 Genussrechte und sonstige Mezzanine-Instrumente stehen derartigen Abreden aufgeschlossen gegenüber.676 Von der Beendigungsmöglichkeit sollte freilich nicht willkürlich Gebrauch gemacht werden können. Anderenfalls könnte die finanzierte Gesellschaft eine an sich feste Laufzeit nach Belieben verkürzen.677 Stattdessen sind die Kündigungsgründe genau zu definieren. Darüber hinaus ist auf eine Verzahnung mit etwaigen Kicker-Abreden zu achten, die aus der Anlegerperspektive als Kompensation für die vorzeitige Beendigungsmöglichkeit angesehen werden. Um die Token auch tech672 Vgl. plastisch Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 166: „[der] Gewinn der Schwarmfinanzierer käme aus den Taschen der Neuanleger“. 673 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 178; Schulz, Crowdinvesting, S. 20; Klöhn/ Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 166. 674 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 178; Schulz, Crowdinvesting, S. 20; Klöhn/ Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 166. 675 Vgl. Weitnauer, GWR 2015, 309, 312. 676 S. insofern bereits am Ende des Abschnitts A.II.2.a)bb)(4). 677 Vgl. Sethe, AG 1993, 351, 358, der insofern auf den Billigkeitsgrundsatz des § 315 BGB rekurriert.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
nisch aus dem Umlauf zu nehmen, empfiehlt es sich zudem, eine „Burning-Funktion“ im Smart Contract zu implementieren.678 bb) (Mehrheitlich) Konsensuale Ablösung Als Alternative zur einseitigen Kündigung durch den Emittenten kommt die einvernehmliche Auflösung der Finanzierungsbeziehung in Betracht. Dies ist durch Parteiabrede zwischen den Mezzanine-Kapitalgebern und der finanzierten Gesellschaft grundsätzlich jederzeit möglich.679 Der konsensuale Ansatz überlässt den Token-Investoren die Entscheidung, ob sie das Abfindungsangebot der finanzierten Gesellschaft akzeptieren oder ablehnen. Dabei sind die Anleger allerdings nicht individuell aufgerufen, über die Fortsetzung der schuldrechtlichen Beteiligung zu entscheiden. Vielmehr unterwerfen sie sich einem kollektiven Abstimmungsmechanismus, wobei die Entscheidung der Anlegermehrheit für alle Token-Inhaber bindend ist (sog. Community Exit).680 Dem gesetzlichen bzw. privatautonomen Rahmen derartiger Kollektivbindungen wendet sich die Untersuchung sogleich zu (3.). Entscheidend für die Umsetzung im hiesigen Kontext ist, dass die Token-Halter mit Hilfe eines Smart Contracts ohne größeren administrativen Aufwand an der Abstimmung beteiligt werden können, und zwar auch dann, wenn ihre Identität der Gesellschaft nicht bekannt ist.681 Für die Kapitalgeber kann das partizipative Element einen zusätzlichen Investitionsanreiz darstellen, weil sie selbst – wenn auch im Kollektiv – über die Angemessenheit des Abfindungsangebots entscheiden. Bereits im Kontext konventioneller Schwarmfinanzierungen ist allerdings darauf hingewiesen worden, dass dem einvernehmlichen Aufhebungsmodus das Risiko nachteiliger Ablösungsangebote innewohnt.682 So können die Token-Investoren in ihrer Entscheidungsfreiheit insofern beschränkt werden, als ihnen das Ausbleiben jeglicher Rückflüsse in Aussicht gestellt wird, falls sie nicht den Weg für eine Anschlussfinanzierung frei machen.683 Dabei handelt es sich aus institutionenökonomischer Perspektive um ein klassisches Hold-up-Problem: Die Verhandlungsmacht verschiebt sich nach Vertragsschluss zugunsten der finanzierten Gesellschaft, wodurch sich diese Sondervorteile ausbedingen kann (sog. Quasi-Rente).684 Da die Token-Investoren zum Erfolg der Unternehmung nicht länger beitragen, gibt es für 678
S. insoweit unter A.II.2.a)bb)(4). Vgl. Baums, in: FS Adams, S. 141, 144. 680 Vgl. im Kontext konventioneller Crowdinvestings Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 177; Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153, 154. 681 Insofern bestehen Parallelen zum Einsatz der Blockchain-Technologie zum Zwecke der Aktionärsidentifikation, vgl. Fn. 366. 682 Schedensack, Crowdinvesting, S. 212. 683 Mit Verweis auf entsprechendes Geschäftsgebaren in der Crowdinvesting-Praxis s. ders., Crowdinvesting, S. 212. 684 S. hierzu 3. Kap. C.II.1.a)cc). Zum umgekehrten Fall eines hold-ups durch die Kapitalgeber s. Fn. 693. 679
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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die Verhandlungsparteien der anvisierten Finanzierung bzw. Akquisition keine Anreize, dem Kapitalgeberpublikum mit einem „fairen“ Angebot entgegenzukommen. Dazu trägt auch bei, dass es den Anlegern für gewöhnlich kaum möglich ist, die Angemessenheit des Ablösungsangebots zu beurteilen, da sie weder am Verhandlungstisch vertreten sind noch in die Konditionen der Folgefinanzierung bzw. des Unternehmenskaufs Einblick nehmen können.685 Aufgrund dieses Informationsgefälles besteht für sie ein systematisches Risiko, gegen eine unverhältnismäßig geringe Abfindung aus der schuldrechtlichen Beteiligung gedrängt zu werden. c) Anpassungskosten Der durch eine Anschlussfinanzierung oder einen bevorstehenden Exit ausgelöste Anpassungsbedarf steht paradigmatisch für das Bedürfnis der Finanzierungsparteien, ihre Beziehung an sich wandelnden Gegebenheiten auszurichten.686 Wie sich anhand der Klauselgestaltung bei konventionellen Crowdinvestings zeigen ließ, stehen den Vertragsschließenden dazu im Wesentlichen drei Gestaltungsvarianten zur Verfügung: Die automatische Vertragsanpassung beim Eintreten ex ante definierter Voraussetzungen, die Zuweisung des Leistungsbestimmungsrechts an eine Vertragspartei (oder einen Dritten) sowie die konsensuale Anpassung des Pflichtenprogramms. Aus dem Blickwinkel der Transaktionskostenökonomik sollte das Gestaltungsmittel den Vorzug erhalten, das mit den geringsten Anpassungskosten assoziiert ist. Denn falls die anfallenden Transaktionskosten den quantifizierten Nutzen einer vertraglichen Adjustierung übersteigen, wird die Anpassung mikroökonomisch sinnlos und unterbleibt.687 Vor diesem Hintergrund lassen sich einige verallgemeinerungsfähige Aussagen über die Eignung kautelarjuristischer Anpassungsmechanismen für Vertragsbeziehungen mit einer Kapitalgebermehrheit ableiten. So leuchtet zunächst unmittelbar ein, dass Klauseln wie der geschilderte Verwässerungsmechanismus, die unter vordefinierten Bedingungen direkt in das inhaltliche Programm der Finanzierungsabrede eingreifen, Nachverhandlungen entbehrlich machen und dadurch Transaktionskosten vermeiden.688 Solche vertraglichen Automatismen folgen einer strikten Wenn-Dann-Logik und bilden insofern einen potentiellen Anknüpfungspunkt für den Vollzug durch Smart Contracts.689 Zugleich liegt auf der Hand, dass nur jene Bereiche der Finanzierungsbeziehung einer vorgezeichneten Anpassung zu685
Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 212. Dies ist eine notwendige Folge der praktischen Unmöglichkeit, lückenlose Verträge zu entwerfen, s. aus der ökonomischen Literatur grundlegend Hart/Moore, 56 Econometrica 755 (1988); Macneil, 72 Nw. U. L. Rev. 854, 865 (1978). 687 Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 93 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 39. 688 Zu den Nachverhandlungskosten s. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 103 ff. sowie sogleich unter B.III.3.a)aa). 689 Vgl. insoweit 2. Kap. C.I.2. 686
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
gänglich sind, für die bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses interessengerechte Lösungswege feststehen. Angesichts der Unmöglichkeit, sämtliche Kontingenzen der Finanzierung vorherzusehen, bleibt der Vertrag zwangsläufig unvollständig.690 Dieser Einschränkung können die Parteien begegnen, indem sie das Beteiligungsarrangement für situative Anpassungen öffnen. Wird zu diesem Zweck einer Vertragsseite das Bestimmungsrecht über ausgewählte Regelungsinhalte zugewiesen, entfällt insoweit die Notwendigkeit, sich im Zuge kostenträchtiger Verhandlungen zu einigen. Zugleich besteht für die sich unterwerfende Partei – regelmäßig die Kapitalgebergruppe – das Risiko, dass die Einwirkungsmacht einseitig zu ihren Ungunsten missbraucht wird.691 Die im Zweifel anzunehmende Verpflichtung auf eine „Bestimmung nach billigem Ermessen“ gem. § 315 Abs. 1 BGB garantiert als Abwägungsprinzip mit Richtliniengehalt nur Schutz vor offensichtlich willkürlichem Rechtsgebrauch.692 Der verbleibende Entscheidungsspielraum ist aus Sicht der Gläubigermehrheit gleichbedeutend mit steigenden Agenturkosten. Dem kann nur durch eine restriktive Definition der zur Anpassung ermächtigenden Tatbestände und eine enge Fassung der Änderungsmöglichkeiten entgegengewirkt werden, was jedoch zu Lasten der angestrebten Flexibilität ginge. Wie sich im Zusammenhang mit der Abfindung von Token-Inhabern gezeigt hat, ist die Gläubigermehrheit auch bei konsensualen Vertragsanpassungen nicht vor opportunistischen Verhaltensweisen gefeit. Die Missbrauchsgefahr reduziert sich aber zumindest insofern, als der änderungswillige Emittent auf die Mitwirkung der formal gleichberechtigen Kapitalgeber angewiesen ist und deren Interessen daher nicht schlechterdings außer Acht lassen kann.693 Eine einvernehmliche Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen scheitert allerdings, wenn die Transaktionskosten der Nachverhandlung eine prohibitive Höhe erreichen. Soll das Token-Publikum in den Anpassungsprozess eingebunden werden, wie dies vereinzelte Stimmen im Schrifttum bereits fordern,694 bedarf es daher eines geeigneten institutionellen Rahmens. Wie ein solcher aussehen könnte, ist im Zusammenhang mit Schwarmfinanzierungen bislang kaum beleuchtet worden.695 Beachtliche Aufmerksamkeit hat die Fragestellung dagegen im Kontext der Anleiherestrukturierung erfahren.696 Die 690 S. Fn. 686. Ähnlich mit Blick auf die Anleiherestrukturierung Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 29 f. 691 Vgl. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 29. 692 Vgl. Rieble, in: von Staudinger, BGB, § 315 Rn. 395 ff. 693 Unter Umständen kann sich das Blatt sogar wenden und ein hold-up durch die Gläubiger drohen, vgl. Reps, Debt Governance, S. 200 f.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 56 f. 694 van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.168. 695 Mit einem Überblick zu den in der Praxis vorzufindenden Pooling-Vereinbarungen lediglich Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 176 f. 696 Hiervon zeugt die umfassende monographische Aufarbeitung seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen, BGBl. I 2009, S. 2512 (SchVG), s. insbesondere Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 3 ff.; Grünewald, Mehrheits-
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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ökonomischen Grundlagen jener Diskussion sind nicht nur für die Adaptabilität von Token Sales von Bedeutung, sondern strahlen auch auf Fragestellungen im Bereich des Anlegerschutzes aus, denen an späterer Stelle noch vertieft nachzugehen ist. Es lohnt sich daher, die Möglichkeiten und Voraussetzungen für die Bildung eines Token-Anlegerkollektivs näher zu betrachten. Dies soll im Folgenden geschehen. 3. Kollektivierung der Token-Inhaber Bei der Kapitalaufnahme vom Anlegerpublikum resultieren spezifische Regulierungsprobleme daraus, dass die durch den Token Sale entstehende Zufallsgemeinschaft keinerlei Innenbindungen unterliegt. Zwar beruhen die Forderungsrechte der Investoren auf übereinstimmenden Emissionsbedingungen. Ohne eine besondere gesetzliche oder vertragliche Anordnung bleiben die tokenisierten Ansprüche aber hinsichtlich Bestand, Übertragbarkeit und Geltendmachung selbständig.697 Jeder Token-Gläubiger kann mangels einheitlicher causa individuell über das Schicksal seiner Forderung disponieren.698 Dieser ungeteilten Rechtsmacht über die schuldrechtliche Beteiligung stehen gleichgerichtete wirtschaftliche Ziele der Anlegergesamtheit gegenüber.699 Daraus ergeben sich zwei überschneidende Problemkreise. Zum einen erweist sich die einheitliche und konsensuale Anpassung der Beteiligungsverhältnisse als impraktikabel, weil es dazu einer gleichlautenden Einigung mit jedem einzelnen Gläubiger bedürfte. Zum anderen verfehlen anlegerschützende Mechanismen ihren Zweck, da es an Anreizen mangelt, von ihnen Gebrauch zu machen oder ihre unkoordinierte Geltendmachung dem Gruppeninteresse zuwiderläuft. a) Institutionelle Voraussetzungen einer Problemlösung Um diese Hemmschuhe der Token-basierten Kapitalaufnahme abzulegen, bedarf es eines genaueren Ursachenverständnisses. Aus dem Blickwinkel der Institutionenökonomik liegt der Ursprung mangelnder Anpassungsfähigkeit und defizitärer bzw. gruppenschädlicher Rechtswahrnehmung in den sogenannten Kollektivhand-
herrschaft, S. 89 ff.; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, passim; Matjuschkin, Bondholder Governance, passim; Reps, Debt Governance, S. 185 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, passim; Simon, SchVG und Treuepflichten, S. 128 ff. 697 Vgl. mit Blick auf Teilschuldverschreibungen Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 89 ff., 111 ff.; Hartwig-Jacob, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 1 Rn. 13; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 13 ff.; Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 28 f. 698 Vgl. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 91 f.; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 14 f. A. A. Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 323 ff. (Teilgläubigerschaft i. S. v. § 420 Alt. 2 BGB). 699 Vgl. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 15: „schlichte Interessengemeinschaft“ (Kursivsetzung im Original).
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
lungsproblemen (aa)). Hieraus lassen sich in einem zweiten Schritt die institutionellen Voraussetzungen einer Problemlösung ableiten (bb)). aa) Kollektivhandlungsprobleme Der Begriff der Kollektivhandlungsprobleme beschreibt eine Reihe von Einzelproblemen, die sich aus der Divergenz zwischen Individual- und Gruppeninteressen ergeben. Selbst wenn die rational nach eigener Wohlfahrtsmaximierung strebenden Mitglieder einer Gruppe übereinstimmende Ziele verfolgen, verhalten sie sich nicht so, wie es ihrem gemeinsamen Interesse entspräche.700 Diese maßgeblich von Olson geprägte These ist im Schrifttum wiederholt aufgegriffen und auf die Situation einer Anleihegläubigermehrheit übertragen worden.701 Mit Blick auf die Kollektivhandlungsprobleme der Debt Token-Anleger lässt sich hieran anknüpfen, wobei sich punktuelle Besonderheiten aus dem Mezzanine-Charakter der Beteiligung ergeben. (1) Konsensuale Vertragsadjustierung Die Gründe für eine bei Vertragsschluss nicht vorhergesehene Anpassung der Finanzierungsbedingungen sind vielfältig.702 Den prominentesten Fall bilden Restrukturierungskonstellationen, bei denen sich die Gläubigermehrheit auf finanzwirtschaftliche Sanierungsbeiträge einlässt (Forderungsverzicht, -stundung etc.), um eine Insolvenz der notleidenden Gesellschaft abzuwenden.703 Nachverhandlungen können aber auch aufgrund einer positiven Unternehmensentwicklung erforderlich werden, im Kontext der Wagnisfinanzierung etwa, um eine Expansion oder einen Exit zu ermöglichen. Hierauf konzentriert sich die weitere Betrachtung. Unter der Annahme einer weitestgehenden wirtschaftlichen Zielkonvergenz im Verhältnis zwischen Gründern, Risikokapitalgebern und Mezzanine-Finanzierern entspräche ein Verhandlungserfolg in solchen Situationen dem gemeinsamen Interesse aller Kapitalgeber.704 Die Token-Inhaber profitierten aufgrund von Kicker-Komponenten und möglichen Kursgewinnen von einem steigenden Unternehmenswert. Im Falle der vorzeitigen Ablösung des Investments könnten sie eingetretene Wertzuwächse zudem in Form von Abfindungszahlungen realisieren. Die Konsensfindung mit der unorganisierten und im Blockchain-Netzwerk pseudonym bleibenden Zufallsge700
Grundlegend Olson, Logik des kollektiven Handelns, S. 1 f. S. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 3 ff.; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 19 ff.; Reps, Debt Governance, S. 185 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 42 ff. 702 Mit einem Überblick s. Reps, Debt Governance, S. 189 ff. 703 Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 3 ff.; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 15 ff.; Reps, Debt Governance, S. 189 f.; vgl. zur Rolle der Genussrechtsgläubiger im Insolvenzfall Mock, NZI 2014, 102, 104 f. Im Zusammenhang mit Debt Token ist der Anpassungsbedarf in der Unternehmenskrise vergleichsweise gering, soweit insolvenzvermeidende Nachrangabreden eingreifen, s. hierzu A.II.2.a)bb)(3). 704 Vgl. zur wirtschaftlichen Zielrichtung der Eigen- und Mezzanine-Kapitalgeber B.II. 701
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meinschaft der Token-Investoren wird allerdings durch erhebliche Koordinierungsprobleme und Verhaltensrisiken erschwert.705 (a) Mobilisierungshindernisse Diese beginnen bereits bei dem Versuch, die Token-Gläubiger für eine Verhandlung zu mobilisieren. Dabei sind die technischen Voraussetzungen für eine individuelle Investorenansprache im Ausgangspunkt günstiger als bei konventionellen Wertpapieremissionen. Anders als bei den undurchsichtigen Verwahrketten des Effektengiros können die Token-Inhaber anhand ihres Public Keys jederzeit genau bestimmt werden.706 Gerade darin liegt ein entscheidender Vorteil des Blockchain-Einsatzes.707 Existieren mit dem Smart Contract kompatible Schnittstellen (z. B. DApps708), ist es dem Emittenten möglich, jederzeit mit den aktuellen Token-Inhabern in Kontakt zu treten, ohne deren Identität zu kennen.709 Eine flächendeckende Einbeziehung der Token-Inhaber scheitert gleichwohl, soweit Anleger das Verhandlungsangebot entweder aufgrund schlichter Unaufmerksamkeit oder aus rationalen Erwägungen heraus ignorieren.710 Von rationaler Apathie im letztgenannten Sinne ist die Rede, wenn ein Kapitalgeber aufgrund einer Kosten-Nutzen-Abwägung nicht bereit ist, in die Interaktion mit der finanzierten Gesellschaft zu investieren.711 Um sich ein Bild von den Folgen einer Vertragsänderung zu machen und auf dieser Grundlage über das Ansinnen des Emittenten zu entscheiden, muss jeder Token-Investor Informationskosten auf sich nehmen.712 Einem Ablösungsangebot wird ein rational agierender Anleger beispielsweise nur zustimmen, wenn die Einmalzahlung mindestens dem Gegenwartswert der Beteiligung entspricht, was sich ohne bewertungsrelevante Informationen nicht beurteilen 705 Der Gang der Untersuchung orientiert sich hier an der Darstellung bei Reps, Debt Governance, S. 191 ff. 706 S. zum „Identifizierungsproblem“ bei der Ansprache von Anleihegläubigern Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 20; Reps, Debt Governance, S. 191; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 61 f. 707 Einschränkungen folgen aus dem Risiko einer inkongruenten Rechts- und Token-Lage, s. 2. Kap. B.II.2.b)dd). 708 Hierzu Antonopoulos/Wood, Mastering Ethereum, S. 35 f.; Ribak, STOs, S. 121 f. 709 Zu den technischen Anforderungen Blockchain-basierter Kommunikationskanäle vgl. Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 199 f.; Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 553 f. 710 Vgl. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 3; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 20 f.; Reps, Debt Governance, S. 191 f.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 59 f.; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 62. 711 Hierzu grundlegend in Bezug auf die Überwachung des Managements in Publikumsgesellschaften Berle/Means, The Modern Corporation, passim; Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 66 f. 712 Vgl. Olson, Logik des kollektiven Handelns, S. 52; Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5 Rn. 12. Die Informationskosten setzten sich aus den Kosten der eigentlichen Informationsbeschaffung und -auswertung sowie aus den Opportunitätskosten des erforderlichen Zeitaufwands zusammen, vgl. Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 60.
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ließe. Je kleiner das Investment eines Token-Anlegers desto wahrscheinlicher ist es, dass die Informationskosten den individuellen Mehrwert einer Verhandlungslösung übertreffen und eine Entscheidung in der Sache unterbleibt.713 Aus Sicht des Einzelnen ist ein solches Verhalten rational, obwohl es dem Gruppeninteresse widerspricht. (b) Kooperationshindernisse Soweit es gelingt, die Token-Inhaber zu mobilisieren, sieht sich die finanzierte Gesellschaft einer Vielzahl von Verhandlungspartnern gegenüber, von denen im Ausgangspunkt jeder Einzelne hinsichtlich seiner Bereitschaft zur Vertragsänderung zu befragen ist.714 Der distributive Charakter der Nachverhandlung kann sich dabei negativ auf die Kooperationsbereitschaft der Beteiligten auswirken.715 Dieses Risiko manifestiert sich im sog. Hold-out- und Hold-up-Problem. (aa) Hold-outs Von hold-outs ist die Rede, wenn individuelle Kapitalgeber eine Vertragsanpassung aus strategischem Kalkül verweigern.716 Für die als Akkordstörer717 bezeichneten Gläubiger besteht ein ökonomischer Anreiz, als Trittbrettfahrer (free rider) von den Zugeständnissen der anderen Kapitalgeber zu profitieren, ohne selbst an der Adjustierung der Finanzierungsbedingungen mitzuwirken.718 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Vertragsanpassung der Entwicklungs- und Wachstumsfähigkeit des finanzierten Start-Ups zugutekommt. Hiervon versprechen sich neben den Gesellschaftern auch die Token-Inhaber einen vermögenswerten Vorteil, sei es in Form verbesserter Vergütungschancen oder steigender Token-Kurse.719 713
Vgl. Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 66 f.; Schmidtbleicher, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 13; Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5 Rn. 12. 714 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 192; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 61. 715 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 192 f. 716 Vgl. Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 26; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 43; ders., in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 9. 717 Der Terminus geht zurück auf BGHZ 116, 319 und steht im engeren Sinne für die obstruktiven Verhaltensweisen einzelner Anleihegläubiger in Bezug auf vorinsolvenzliche Sanierungsbemühungen, s. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 22 (dort Fn. 99). Im hier verwendeten weiteren Sinne bezieht er sich allgemein auf dissentierende Kapitalgeber bei der Vertragsanpassung. 718 Vgl. Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 100 ff.; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 21 ff.; Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 42 ff.; Reps, Debt Governance, S. 196 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 50 ff.; Simon, SchVG und Treuepflichten, S. 143; Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5 Rn. 11. 719 Insofern kann man in Bezug auf die erfolgreiche Vertragsanpassung von einem Kollektivgut sprechen. Kollektivgüter zeichnet aus, dass von ihnen eine Gruppe profitiert (in concreto die Token-Inhaber), ohne dass einzelne Gruppenmitgliedern von ihnen ausge-
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Beharrt ein Investor auf die ursprünglichen Emissionsbedingungen, kann er aus der Wertsteigerung finanziellen Nutzen ziehen,720 ohne selbst durch die Inkaufnahme geminderter Gläubigerrechte zur Zielerreichung beizutragen. Dabei spekuliert er darauf, dass die angestrebte Maßnahme auch ohne sein Mitwirken zustande kommt.721 Geht das Kalkül auf, kann sich der dissentierende Token-Inhaber überdurchschnittlicher Erträge gewiss sein.722 Dieser Fehlanreiz wird durch die heterogene Informationslage innerhalb der Anlegergruppe begünstigt und tritt mit umso größerer Wahrscheinlichkeit auf, je mehr Kapitalgeber als Verhandlungspartner involviert sind.723 Die Verweigerungshaltung der Akkordstörer bleibt für die Verzichtsbereitschaft der übrigen Token-Investoren nicht ohne Folgen. Denn ihr Anteil an einem möglichen Kooperationsgewinn verringert sich mit jedem zusätzlichen Dissidenten.724 Scheitert infolgedessen eine Verhandlungslösung in toto, führt die individuell rationale Vorgehensweise zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen.725 (bb) Hold-ups Das Hold-up-Problem ist in seiner klassischen Ausprägung als Prinzipal-AgentKonflikt bereits bekannt.726 Doch auch auf horizontaler Ebene im Verhältnis der Token-Anleger kann es infolge ungleich verteilter Verhandlungsmacht als Kollektivhandlungsproblem zum Tragen kommen.727 Grund hierfür ist die Tatsache, dass eine gescheiterte Vertragsanpassung für manche Token-Investoren mit größeren Nachteilen verbunden ist als für andere, weil die erstgenannten aufgrund beziehungsspezifischer Investitionen stärker an den Emittenten gebunden sind und somit im höheren Maße von ihrer unternehmerischen Entwicklung abhängen.728 Das kann schlossen werden können, s. Olson, Logik des kollektiven Handelns, S. 13 f. sowie mit Blick auf die Anleiherestrukturierung Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 43 ff. 720 Zur Erinnerung: Unkooperative Gläubiger müssen sich Vertragsanpassungen im Verhältnis der übrigen Beteiligten nicht entgegenhalten lassen, s. o. bei B.III.3. 721 Vgl. Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 102; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 50 f., der die Vorgehensweise als „,Poker‘“ bezeichnet. 722 Vgl. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 23; Reps, Debt Governance, S. 196 f. 723 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 194 ff., 198. 724 Vgl. Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 26; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 23 f.; Reps, Debt Governance, S. 198 f.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 51 f.; ders., in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 10. 725 Die Nachverhandlung erinnert damit an das aus der Spieletheorie bekannte „N-Personen Gefangenendilemma“, s. Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 97; Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 48 ff.; Reps, Debt Governance, S. 199; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 47 ff. jeweils m. Nachw. zum spieltheoretischen Schrifttum. 726 S. allgemein 3. Kap. C.II.1.a)cc) sowie spezifisch im Kontext der Vertragsanpassung oben bei B.III.2.b)bb). 727 Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 104; Reps, Debt Governance, S. 200 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 57 ff. 728 Vgl. Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 57.
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zum Beispiel auf Kapitalgeber zutreffen, die große Token-Positionen halten, von denen sie sich im Falle eines wirtschaftlichen Misserfolgs nicht ohne Weiteres lösen können, sei es, weil der Verkauf einen prompten Kursverfall auslöste oder weil der Sekundärmarkt nicht hinreichend liquide ist.729 Dass Token-Inhaber einander in dem Sinne „erpressen“, dass sie ihre Mitwirkung an der Vertragsänderung von einer unmittelbaren Zuwendung abhängig machen, erscheint jedenfalls in anonymen, zahlenstarken Gruppen eher fernliegend. Das Hold-up-Problem entfaltet seine konsensfeindliche Wirkung aber als zusätzlicher Anreiz für strategisches Ausharren: Akkordstörer halten im Wissen um den Anpassungsdruck anderer Kapitalgeber erst recht am vertraglichen status quo fest.730 (2) Unilaterale Rechtsausübung Kollektivhandlungsprobleme bleiben nicht auf Situationen beschränkt, in denen eine ad hoc-Anpassung der Beteiligungsbedingungen erforderlich wird. Vielmehr können sie auch im Zusammenhang mit der unilateralen Wahrnehmung und Durchsetzung tokenisierter Rechte zu Tage treten. Das zeigt sich insbesondere bei der Ausübung gläubigerschützender Informations- und Kontrollrechte ((a)) sowie beim unkoordinierten Kapitalabzug ((b)). (a) Überwachung des Emittenten Was die Überwachung der Gründer anbelangt, vertrauen Token-Investoren vorrangig auf das monitoring durch die Venture Capital-Geber. Mitunter gestehen die Emittenten den Anlegern sachlich begrenzte Informations- und Kontrollrechte allerdings hinsichtlich jener Facetten der Finanzierungsbeziehung zu, die für die wirtschaftlichen Interessen der Token-Gläubiger herausragende Bedeutung haben oder bei denen ein Interessengleichklang im Verhältnis zu den Venture Capital-Investoren nicht gewährleistet scheint.731 Darüber hinaus bestehen bestimmte gesetzliche Auskunftsansprüche.732 Eine effiziente Ausübung dieser Kontrollmöglichkeiten droht jedoch am Zusammenwirken von rationaler Apathie und hold-outProblematik zu scheitern: Vergleichbar mit der Situation bei Vertragsanpassungen wird ein Token-Investor die zur Kontrolle des Emittenten erforderlichen Informationen nur einholen, wenn
729 Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 57 f.; skeptisch Reps, Debt Governance, S. 202, der jedoch zu verkennen scheint, dass nicht die Größenverhältnisse als solche für die Interessendiskrepanz zwischen Groß- und Kleinanlegern verantwortlich sind, sondern die damit u. U. korrelierende Höhe beziehungsspezifischer Investitionen. 730 Vgl. Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 58; ders., in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 12. 731 S. hierzu noch C.II.3. 732 S. hierzu noch C.II.2.
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sein anteiliger Gewinn hieraus die anfallenden Kosten übertrifft.733 Da dies bei im „Streubesitz“ gehaltenen Token üblicherweise nicht der Fall ist, bleiben die Anleger rational apathisch, obwohl die Gläubigergesamtheit von der Überwachung profitierte.734 Hierzu trägt weiterhin bei, dass aus Anlegersicht strategische Erwägungen dafür sprechen, sich eigener Überwachungsleistungen zu enthalten. Denn die Überwachung des Kapitalnehmers generiert für die Gläubigergesamtheit einen Mehrwert, aus dem die Token-Investoren selbst dann einen Nutzen ziehen, wenn sie selbst nicht dazu beitragen.735 Individuell rational ist es daher, als free rider auf die Kontrollbereitschaft der anderen Token-Anleger zu vertrauen.736 Das hat zur Folge, dass selbst überwachungswillige Kapitalgeber dazu tendieren, sich passiv zu verhalten.737 Im Ergebnis stellt sich ein Informationsdefizit und damit ein kollektiv unerwünschter Zustand ein. (b) Unkoordinierte Geltendmachung von Leistungsstörungsrechten Dem Gruppeninteresse widerspricht es schließlich, wenn die Token-Investoren massenhaft und fluchtartig den Ausstieg aus dem Investment suchen (sog. rush to the exit).738 Dazu kann es im Kontext eines STO etwa dann kommen, wenn zentrale Nebenpflichten im Verhältnis zu den Kapitalgebern unerfüllt bleiben, z. B. das Listing der Token an einer Kryptobörse.739 Da der Zugang zum Sekundärmarkt in diesem Fall versperrt ist, bleibt den Gläubigern vor Laufzeitende nur die Möglichkeit, durch die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung die Rückzahlung des investierten Kapitals einzufordern.740 Aus Anlegersicht bestehen hierfür beispielsweise dann individuelle Anreize, wenn Zahlungsausfälle zu befürchten sind741 oder 733
Vgl. grundlegend Berle/Means, The Modern Corporation, passim; Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 66 f. 734 Vgl. mit einem Berechnungsbeispiel aus der Anleihefinanzierung Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 104 f. 735 Auch insofern lässt sich von einem Kollektivgut (hierzu Fn. 719) bzw. öffentlichen Gut sprechen, vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 218 f.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 106; Leland/Pyle, 32 J. Finance 371, 383 (1977). 736 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 219; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 106. Zum vorgelagerten Trittbrettfahrer-Problem beim screening eines Token-Angebots s. 3. Kap. C.I.6.a). 737 Vgl. Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 106 unter Verweis auf das dahinterstehende spieletheoretische Konzept der Rückwärtsinduktion, s. dazu Posner, Economic Analysis of Law, S. 22 f. 738 Vgl. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 6; Reps, Debt Governance, S. 203 m. w. Nachw. 739 Grundsätzlich kommen alle Arten von Leistungsstörungen in Betracht, vgl. Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5 Rn. 18. Zum Risiko ausbleibender Handelbarkeit s. bereits 3. Kap. C.II.1.b). 740 Zum zwingenden Charakter des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund s. A.II.2.a) bb)(4). 741 Vgl. zum Kapitalabzug von der insolvenzbedrohten Kapitalnehmerin Reps, Debt Governance, S. 203.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
das investierte Kapital in der Erwartung der künftigen Handelbarkeit der Token kurzfristig angelegt wurde742. Den Ausstiegsbestrebungen einzelner Kapitalgeber wohnt die Gefahr inne, ein regelrechtes Herdenverhalten unter Nachzüglern auszulösen,743 wobei derartigen Ansteckungseffekten vielfach „verhaltensbedingte Kurzschlussreaktionen“ vorausgehen.744 Der unkoordinierte Kapitalabzug kann bei der finanzierten Gesellschaft zu Liquiditätsengpässen führen und die positive Unternehmensentwicklung nachhaltig gefährden. Da öffentlich (z. B. in einschlägigen Foren) artikulierte Rückzahlungsforderungen häufig einen Imageschaden nach sich ziehen, gilt dies selbst dann, wenn die Zahlungsverlangen materiellrechtlich unbegründet sind.745 Für die Mehrheit der Gläubiger verschlechtern sich infolgedessen die Vergütungsaussichten, sodass die individuelle Zielverfolgung auch insoweit im Konflikt zu den Kollektivinteresse der Anleger steht.746 bb) Hypothetischer single owner-Ansatz und seine Umsetzung Zur Bewältigung der aufgezeigten Probleme bedarf es eines institutionellen Rahmens, der die Token-Inhaber befähigt, Kollektiventscheidungen rational und kosteneffizient zu treffen. Das gilt für den Entschluss über die Anpassung (bzw. Ablösung) der Finanzierungsbeziehung ebenso wie für die Ausübung bestimmter Kontroll-, Informations- sowie Leistungsstörungsrechte. Ziel muss es sein, den Grad an Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit auf überindividueller Ebene zu erhöhen. In Anlehnung an Liebenow lässt sich insofern vom empowerment of tokenholders sprechen.747 Als institutionsökonomische Richtschnur einer Problemlösung hat im Anleiherecht die Denkfigur des single owner breite Anerkennung gefunden.748 Sie beschreibt einen Zustand, in dem es der Kapitalgebergruppe gelingt, wie ein einziger Gläubiger zu agieren.749 Stünde dem Emittenten ein hypothetischer single (token) owner ge742 Dies ist Ausdruck der durch den Kapitalmarkt ermöglichten Fristentransformation, vgl. hierzu Schefczyk, Venture Capital, S. 75. 743 Zum herding-Effekt s. bereits 3. Kap. C.I.4.b)aa). 744 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 204. 745 Vgl. ders., Debt Governance, S. 204; Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5 Rn. 18. Insofern mag hier dahinstehen, ob die unterbliebene Einbeziehung der Token in den kapitalmarktmäßigen Handel einen Kündigungsgrund darstellt. Entscheidend wird es hierfür ohnehin auf den Einzelfall bzw. den Inhalt der Emissionsbedingungen ankommen, vgl. insoweit bereits A.II.2.a)bb)(4). 746 Reps, Debt Governance, S. 204 f. 747 Vgl. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 27 f.: „Empowerment of Bondholders“. 748 S. grundlegend Epstein, 36 J. L. & Econ. 553 (1993); hieran anknüpfend Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 32; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 67, 117; vgl. ferner Friedl/Schmidtbleicher, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 4 Rn. 6. 749 Epstein, 36 J. L. & Econ. 553, 557 (1993): „Where resources are under the command of two or more persons, they seek to create that legal arrangement that induces all the parties to behave in the same fashion as would a single owner who owned all the relevant resources.“
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genüber, wäre dieser per definitionem frei von Kollektivhandlungsproblemen.750 Da keine Anreize bestünden, zum eigenen Nachteil zu handeln, wären seine Entscheidungen einzig von der Zielsetzung getragen, den Wert der Mezzanine-Beteiligung zu maximieren.751 Zur Umsetzung des single owner-Ansatzes kommen im Wesentlichen zwei Mechanismen in Betracht:752 Zum einen kann ein gemeinsamer Vertreter mit der Wahrnehmung der Kapitalgeberinteressen betraut werden (hierzu sogleich). Zum anderen können sich die Gläubiger inter omnes-wirkender Mehrheitsbeschlüsse unterwerfen ((2)). Auch eine Kombination beider Ansätze erscheint erwägenswert ((3)). All diesen Kollektivierungsmaßnahmen ist gemein, dass sie die Handlungsalternativen einzelner Token-Inhaber beschränken. (1) Delegierte Rechtswahrnehmung Die delegierte Wahrnehmung bestimmter Gläubigerrechte durch einen aktiven Interessenwalter gehört zu den zentralen Petita der anleiherechtlichen Literatur.753 Auf diese Weise lasse sich insbesondere das Kollektivhandlungsproblem bei der Überwachung des Emittenten bewältigen.754 Denn individuelle Gläubiger könnten sich ihrem Anteil an den Überwachungskosten nicht länger entziehen, wenn eine ex ante zu bestimmende Instanz, z. B. ein Treuhänder, die Kontroll- und Informationsrechte des Publikums gebündelt wahrnähme.755 Auch im Kontext der Tokenbasierten Finanzierung verspricht der Delegationsansatz Effizienzgewinne. Dazu trägt u. a. bei, dass die Kosten der delegierten Überwachung aufgrund von Skaleneffekten geringer ausfielen als die aggregierten monitoring-Kosten der Token-Inhaber.756 Spiegelbildlich reduzierte sich der anfallende Verwaltungsaufwand auf Seiten des Emittenten, da individuelle Anleger von der Ausübung etwaiger Informations- und Kontrollrechte ausgeschlossen wären.757 Die Übertragung der Kontrollund Informationslast auf eine zentrale Stelle erlaubte zudem einen höheren Grad an Spezialisierung und Professionalisierung.758 Würden die gesammelten Informatio-
750 Vgl. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 32; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 67. 751 Vgl. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 27 f., der von einer Richtigkeitsgewähr qua Selbstbetroffenheit ausgeht. 752 Weitere Ansätze diskutiert Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 68 ff., 117 ff. 753 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 240 ff. 754 Vgl. zum delegierten monitoring aus dem ökonomischen Schrifttum Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 47; Diamond, 51 Rev. Econ. Stud. 393 (1984). 755 Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 196 f.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 121. 756 S. allgemein aus dem ökonomischen Schrifttum Leland/Pyle, 32 J. Finance 371, 383 (1977). Im anleiherechtlichen Kontext ebenso Reps, Debt Governance, S. 225; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 121. 757 Vgl. Mock, NZI 2014, 102, 105; Schön, JZ 1993, 925, 929 f. 758 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 226.
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nen von der Kontrollinstanz ausgewertet und aufbereitet, könnten die Kapitalgeber auf dieser Grundlage frühzeitig auf Fehlentwicklungen reagieren. Mit dem Lösungsansatz sind allerdings gerade die Nachteile verbunden, denen die Blockchain-Technologie abhelfen soll: Die Kapitalgeber müssten einem zentralen Informationsintermediär vertrauen. Daraus folgten zusätzliche Anreiz- und Kontrollprobleme (quis custodiet ipsos custodes?), die ihrerseits nach einem institutionellen Rahmen verlangten.759 So müsste die Unabhängigkeit der Kontrollinstanz etwa durch ein geeignetes Haftungs- und Vergütungsregime abgesichert werden.760 Doch folgt hieraus noch kein zwingendes Argument gegen die partielle Rezentralisierung der Finanzierungsbeziehung. Denn selbst wenn die Überwachungsinstanz der ihr übertragenen Aufgabe nicht nachkäme, bliebe es beim status quo ante. Da die Token-Investoren von sich heraus keine adäquate Kontrolltätigkeit entfalten, ist eine Vertiefung des Überwachungsdefizits nicht zu befürchten.761 Anders verhält es sich in Nachverhandlungssituationen. Hätte ein einziger Intermediär die geballte Verhandlungsmacht des Publikums inne, könnte er zwar zu geringen Transaktionskosten mit dem Emittenten verhandeln.762 Diesen Vorteil müssten sich die Gläubiger aber durch die Aufgabe der eigenen Entscheidungsfreiheit „erkaufen“.763 Da nicht auszuschließen wäre, dass der Verhandlungsvertreter die ihm eingeräumten Rechte wider dem Gläubigerinteresse ausübt, entstünden den Kapitalgebern Agenturkosten.764 Anders als im Überwachungskontext müssten die Token-Gläubiger sogar befürchten, durch eine mangelhafte Wahrnehmung ihrer Belange wirtschaftlich schlechter gestellt zu werden, als es ohne die Kollektivierungsmaßnahme der Fall wäre. Daher erscheint jedenfalls die erzwungene und unbegrenzte Delegation der Verhandlungsmacht zur Umsetzung des single ownerAnsatzes ungeeignet.765 Ähnliches wird für die Wahrnehmung von Leistungsstörungsrechten durch einen Token-Inhabervertreter zu gelten haben. Dabei erscheint gerade ein Überwachungsintermediär für diese Rolle prädestiniert, verfügt er doch – sorgfältiges monitoring vorausgesetzt – über die zur Geltendmachung erforderlichen Informationen.766 Um sicherzustellen, dass der Gläubigervertreter nicht aus eigennützigen 759
Vgl. Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 228 ff.; Reps, Debt Governance, S. 244 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 122. 760 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 247 ff. 761 Vgl. in diesem Sinne Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 122. 762 Vgl. ders., Anleihegläubigermehrheit, S. 95. Zusätzliche Synergieeffekte stellten sich insbesondere dann ein, wenn der Verhandlungsvertreter zugleich Überwachungsintermediär wäre. 763 Vgl. ders., Anleihegläubigermehrheit, S. 96 f. 764 Vgl. ders., Anleihegläubigermehrheit, S. 95 ff. 765 Vgl. ders., Anleihegläubigermehrheit, S. 97 ff., der allerdings Effizienzsteigerungen für möglich hält, soweit die Delegation auf einem privatautonomen Entschluss basiert oder der Beseitigung „technischer Mängel“ dient. 766 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 243 f.
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Motiven untätig bleibt, spricht indes viel dafür, die „Letztentscheidungsbefugnis“ in den Händen der Kapitalgeber zu belassen.767 (2) Majorisierung der Minderheit Soweit Anpassungen der Finanzierungsbeziehung erforderlich werden, gilt im anleiherechtlichen Kontext die Entscheidungsfindung nach dem Mehrheitsprinzip als vorzugswürdiger Kollektivierungsansatz.768 Die maßgeblichen Erwägungen lassen sich auf die Situation der Token-Gläubiger nahtlos übertragen: Solange der Mehrheitsentschluss gleichförmige und zwingende Wirkungen für alle Mitglieder der Kapitalgebergruppe entfaltet (sog. Prinzip der kollektiven Bindung), besteht für Trittbrettfahrer keine Aussicht auf individuelle Sondervorteile.769 Anreize für einen hold-out sind damit hinfällig. Aufgrund der Selbstbetroffenheit jedes einzelnen Token-Investors ist im Unterschied zur delegierten Nachverhandlung zudem nicht zu befürchten, dass Interessenkonflikte die Entscheidung korrumpieren.770 Inter omneswirkende Mehrheitsbeschlüsse sind vor diesem Hintergrund auch als Koordinierungsansatz für die Ausübung von Leistungsstörungsrechten in Betracht zu ziehen.771 Damit die amorphe Masse der Token-Gläubiger zu einem handlungsfähigen Willensbildungs- und Beschlussorgan werden kann, muss die Majorisierung der Anlegerminderheit auf ex ante zu definierenden Verfahrensregeln fußen.772 Es gilt, maßgebliche Informationen im Vorfeld zu kanalisieren und den Token-Inhabern zugänglich zu machen.773 Darüber hinaus bedarf es einer digitalen Infrastruktur, die den Stimmberechtigten als virtuelles Forum zur Meinungsbildung dienen kann.774 Schließlich muss das Beschlussverfahren als solches formalisiert und koordiniert werden.775 Für diesen prozeduralen Unterbau der Mehrheitsherrschaft bietet die Blockchain-Technologie mannigfaltige Vorteile. So können Verfahrensregeln unmittelbar im Smart Contract verankert und ihre Einhaltung für sämtliche Netzwerkteilnehmer transparent gemacht werden. Die Information der Token-Inhaber 767
Vgl. Reps, Debt Governance, S. 243. Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 106 ff.; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 34; Reps, Debt Governance, S. 231 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 102 f. 769 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 231. 770 Vgl. Fn. 751. 771 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 242 f., der allerdings zu Recht darauf hinweist, dass sich ein rush to the exit auf diese Weise nicht vollends ausschließen lässt. 772 Vgl. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 36 f.; Olson, Logik des kollektiven Handelns, S. 45; Reps, Debt Governance, S. 233 ff. 773 Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 36. 774 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 230. 775 Das umfasst Maßnahmen des Minderheitenschutzes wie z. B. die Festlegung bestimmter Quoren und die Sicherstellung gleicher Behandlung, vgl. ders., Debt Governance, S. 233 ff.; Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 82 ff.; Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5 Rn. 15 ff. 768
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
sowie die Kommunikation der Anleger untereinander lässt sich zudem über entsprechende Schnittstellen (DApps) abwickeln.776 Auch die Stimmabgabe und -auszählung kann auf diese Weise erfolgen. Die Eigenschaften der Blockchain, die einen Technologieeinsatz zur inneren Organisation der Aktiengesellschaft nach vielfach vertretener Auffassung wünschenswert erscheinen lassen,777 kommen somit auch im Zusammenhang mit der Koordinierung der Debt Token-Inhaber effizienzsteigernd zur Geltung. (3) Kombinierte Ansätze Neben den Kollektivierungsansätzen in ihrer Reinform sind Mechanismen denkbar, die das Mehrheitsprinzip und die delegierte Rechtswahrnehmung miteinander kombinieren. So kann dem Vertreter der Token-Inhaber beispielsweise im Kontext der Nachverhandlung eine zentrale Rolle zugewiesen werden, während die verbindliche Entscheidung über die Annahme eines Ablösungsangebots der Gläubigermehrheit überlassen bleibt.778 Vorteilhaft ist eine solche Zuständigkeitsaufspaltung vor allem dann, wenn der Gläubigervertreter zugleich als Überwachungsintermediär fungiert, sodass er die entscheidungsrelevanten Umstände ermitteln, auswerten und zu konkreten Handlungsempfehlungen verdichten kann.779 Das ermöglicht es den Token-Inhabern, die Entscheidungsfindung auf eine einheitliche Informationsgrundlage zu stellen. Zudem kann der Intermediär als zentrale Gegenpartei des Emittenten mit der Verhandlungsführung betraut werden.780 Vergleichbare Kombinationsmöglichkeiten bestehen im Zusammenhang mit der Ausübung von Informations-, Kontroll- sowie Leistungsstörungsrechten. So ist es denkbar, den Gläubigervertreter zum Tätigwerden zu verpflichten, sofern die Mehrheit der Token-Inhaber dies verlangt.781 b) Gesetzliche und/oder schuldvertragliche Verankerung Um die aufgezeigten Kollektivierungsmechanismen im Zusammenhang mit einem STO nutzbar zu machen, bedarf es einer gesetzlichen bzw. schuldrechtlichen Grundlage.782 Die einseitige Vergemeinschaftung einmal gewährter Gläubigerrechte durch den Emittenten scheidet aus.783
776
553 f. 777
Vgl. Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 199 f.; Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507,
Hierzu unter A.III.1.a). Vgl. ausführlich Reps, Debt Governance, S. 237 ff. 779 Vgl. ders., Debt Governance, S. 237; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 186. 780 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 239 f.; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 186; Schlitt/ Schäfer, AG 2009, 477, 483 f. 781 Vgl. Fn. 767. 782 Vgl. Schmidtbleicher, in: Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 28. 778
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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aa) Kollektivierung nach Maßgabe des SchVG Als gesetzliches Fundament für die Kollektivierung der Debt Token-Inhaber kommt das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) in Betracht. Wie sich nach einer kursorischen Darstellung seiner Regelungsziele und -gegenstände zeigen soll, wird das SchVG den Anforderungen der Token-basierten Finanzierung durchaus gerecht ((1)). Fraglich erscheint allerdings, ob sich sein Anwendungsbereich überhaupt auf Debt Token erstreckt ((2)). (1) Regelungsziel und -gegenstände Mit seinem Inkrafttreten am 5. 8. 2009 hat das SchVG das aus dem Jahr 1899 datierende Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen (SchVG 1899) abgelöst.784 Das zentrale Regelungsziel des neuen SchVG besteht darin, den Kollektivhandlungsproblemen abzuhelfen, die der Verwirklichung der Anlegerinteressen insbesondere bei der Anpassung von Anleihebedingungen entgegenstehen.785 Dazu fasst das SchVG die Anleihegläubiger zu einer gesetzlich verfassten Interessengemeinschaft zusammen.786 Anders als das SchVG 1899 beschränkt sich die Neufassung dabei nicht auf Änderungen, die anlässlich einer bevorstehenden Sanierung erforderlich werden.787 Vielmehr soll das SchVG Schuldner und Gläubiger befähigen, auf unvorhergesehene Entwicklungen jedweder Art flexibel zu reagieren.788 Damit gewinnt der Regelungskomplex potentiell auch für Situationen an Relevanz, in denen Anpassungsbedarf im Hinblick auf eine Folgefinanzierung oder einen Exit entsteht. Die zentralen Regelungen des „Anleiheorganisationsrechts“789 enthält § 5 SchVG.790 Die Norm knüpft an den Grundsatz der kollektiven Bindung an (s. § 4 S. 1 SchVG),791 wonach eine Änderung der Anleihebedingungen im Ausgangspunkt nur 783
Vgl. allg. BGHZ 119, 305, 315 f. (Klöckner); Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 263. 784 Vgl. hierzu Horn, ZHR 173 (2009), 12, 26 f.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477 ff. 785 Vgl. Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 26; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 41. 786 Friedl, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, Einl. Rn. 17; Habersack, in: MünchKomm BGB, § 793 Rn. 47; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 41 f. Wie das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsschuldner dogmatisch einzuordnen ist, ist umstritten, s. ausführlich zum Meinungsstand Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 101 ff. mit eigener Stellungnahme ab S. 107 ff. 787 Begr. RegE, BT-Drs. 16/12814, S. 18 (li. Sp.). 788 Begr. RegE, BT-Drs. 16/12814, S. 14 (li. Sp.); Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5 Rn. 7. 789 So die Charakterisierung von Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 37 ff. m. w. Nachw. 790 Friedl/Schmidtbleicher, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 5 Rn. 1; Veranneman, in: ders., SchVG, § 5 Rn. 2. 791 Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 1.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern möglich ist.792 Da ein flächendeckender Konsens praktisch nicht zu realisieren wäre, muss sichergestellt sein, dass die Gläubiger wie ein single owner „mit einer Stimme sprechen [können]“.793 Zu diesem Zweck gestattet es § 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SchVG, in den Anleihebedingungen vorzusehen (sog. opt-in794), dass die Obligationäre einem Änderungsangebot durch Mehrheitsentschluss mit verbindlicher Wirkung für alle zustimmen können.795 Darüber hinaus kann der Gläubigermehrheit in den Anleihebedingungen die Befugnis erteilt werden, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, § 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SchVG. Dieser kann z. B. zur Wahrnehmung von Informationsund Kontrollrechten oder zur Verhandlungsführung mit dem Emittenten ermächtigt werden.796 Ob der Gläubigervertreter nach der gesetzlichen Regelung als permanente Kontrollinstanz konzipiert ist,797 kann im hiesigen Kontext dahinstehen. Denn eine aktive Überwachungsfunktion kann dem Gläubigervertreter jedenfalls durch die Anleihebedingungen eingeräumt werden.798 Auf diese Weise ist es möglich, den Koordinierungsproblemen bei der Anpassung des schuldnerseitigen Pflichtenprogramms sowie bei der Überwachung des Emittenten mit größtmöglicher Flexibilität zu begegnen. § 5 Abs. 5 SchVG sieht darüber hinaus die Möglichkeit vor, einem rush to the exit durch Gesamtkündigungsklauseln vorzubeugen.799 Flankiert werden die gesetzlichen Kollektivierungsmechanismen durch detaillierte Verfahrensregeln in den §§ 9 ff. SchVG. Da das neue SchVG „virtuellen Gläubigerversammlungen“ aufgeschlossen gegenübersteht (vgl. § 5 Abs. 6 S. 1 Var. 2 i. V. m. § 18 SchVG),800 erscheint der gesetzliche Rahmen auch für die Ein792
Bilaterale rechtsgeschäftliche Einzeländerungen der Anleihebedingungen sind im Umkehrschluss ausgeschlossen, Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 125 f. Sinn und Zweck der Regelung liegen in der Sicherstellung der Fungibilität und Handelbarkeit der Schuldverschreibungen, s. Begr. RegE, BT-Drs. 16/12814, S. 17 (re. Sp.); Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4 Rn. 11; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 480. 793 Begr. RegE, BT-Drs. 16/12814, S. 18 (li. Sp.). 794 Friedl/Schmidtbleicher, Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 5 Rn. 6; Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 82. 795 Über welche Beschlussgegenstände die Gläubigermehrheit verbindlich entscheiden kann, lässt sich in den Anleihebedingungen konkretisieren, § 5 Abs. 3 S. 2 SchVG. Die Aufzählung in § 5 Abs. 3 S. 1 SchVG ist nicht abschließend, Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5 Rn. 29. Lediglich zusätzlichen Leistungspflichten kann die Gläubigermehrheit nicht verbindlich zustimmen, § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG. 796 Begr. RegE, BT-Drs. 16/12814, S. 18 (li. Sp.); Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 205 ff.; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5 Rn. 28. 797 So Veranneman, in: ders., SchVG, §§ 7, 8 Rn. 2; a. A. Reps, Debt Governance, S. 330 ff.; Wöckener, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 7 Rn. 6 (reine Koordinierungsfunktion). 798 Ders., in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 7 Rn. 6. 799 Hierzu Fest, Anleihebedingungen, S. 223 ff.; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5 Rn. 57. 800 Begr. RegE, BT-Drs. 16/12814, S. 24 (li. Sp.); Kirchner, in: Preuße, SchVG, § 18 Rn. 2; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 153 ff.
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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dämmung der Kollektivhandlungsprobleme im Zusammenhang mit einem STO grundsätzlich geeignet.801 (2) Anwendung auf Debt Token-Emissionen? Fraglich erscheint allerdings, ob das SchVG auf Debt Token überhaupt Anwendung findet. Nach § 1 Abs. 1 SchVG unterfallen dem Gesetz alle nach deutschem Recht begebenen inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen. Ob Debt Token „Schuldverschreibungen“ in diesem Sinne sind, bedarf in zweierlei Hinsicht der Klärung. Zunächst könnte dem entgegenstehen, dass Debt Token im Gegensatz zu Anleihen i. e. S. nicht notwendigerweise reine Fremdkapitalinstrumente repräsentieren. De lege abrogata waren etwa Genussscheine mit einem gewinnabhängigen Rückzahlungsanspruch vom Anwendungsbereich des SchVG 1899 ausgeschlossen, weil sich das Gesetz auf Titel „mit im Voraus bestimmten Nennwerten“ beschränkte.802 Diese Einschränkung hat das neue SchVG aufgegeben; es soll sich laut seiner Begründung auf „alle Arten von Schuldverschreibungen“ erstrecken.803 Hierfür streiten auch Sinn und Zweck des Gesetzes. Immerhin verlieren die Kollektivhandlungsprobleme nicht dadurch an Tragweite, dass den Gläubigern gewinnabhängige Ansprüche zustehen.804 Nach heute einhelliger Ansicht sind Genussscheinemissionen daher in den Anwendungsbereich des SchVG einzubeziehen.805 Das typischerweise mezzanine Gepräge der Debt Token steht der Anwendung nicht entgegen. Allerdings setzt der Begriff der Schuldverschreibung gem. § 1 Abs. 1 SchVG ein wertpapiermäßig verbrieftes Leistungsversprechen im Sinne von § 793 Abs. 1 S. 1 BGB voraus.806 Elektronisch begebene Schuldverschreibungen nach dem eWpG 801 Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass der durch das SchVG geschaffene gesetzliche Rahmen durchaus Anlass zur Kritik bietet. Diese kann und soll hier aber nicht weiter vertieft werden. Reformbedarf identifizieren etwa Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 225 ff.; Reps, Debt Governance, S. 373 ff.; Baums, ZHR 177 (2013), 807 ff. 802 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 28. 4. 2006 – 20 W 158/06 = ZIP 2006, 1388, 1389; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 220 f.; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 129; Sethe, AG 1993, 351, 354 f.; a. A. Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 374; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 255 ff. 803 Begr. RegE, BT-Drs. 16/12814, S. 16 (re. Sp.); Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 42. 804 Vgl. Hartwig-Jacob, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 1 Rn. 31. 805 BGHZ 218, 183, 189; BGHZ 202, 7, 13; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 42; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 252; Hartwig-Jacob, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 1 Rn. 29 ff.; Hirte, in: GKAktG, § 221 Rn. 424; Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 74; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1 Rn. 24; Preuße, in: ders., SchVG, § 1 Rn. 20. 806 BGH, Urt. v. 16. 1. 2020 – IX ZR 351/18 = ZIP 2020, 362; BGHZ 218, 183, 189; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 4; Hartwig-Jacob, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 1 Rn. 9; Preuße, in: ders., SchVG, § 1 Rn. 6.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
werden ebenfalls erfasst, wie sich implizit aus dem neu geschaffenen § 2 Abs. 2 SchVG ergibt.807 Tokenisierte Gläubigerrechte jenseits des eWpG bleiben vom Anwendungsbereich des SchVG dagegen ausgeschlossen.808 Auch die Anwendung des SchVG im Wege einer Gesamtanalogie scheidet richtiger Ansicht nach aus.809 Zwar besteht im Hinblick auf die Token-Gläubigergesamtheit ein unbestreitbares Bedürfnis nach Koordinierung und kollektiver Handlungsfähigkeit, das mit demjenigen der Anleihegläubiger durchaus vergleichbar erscheint.810 Wie der BGH zu Recht betont, setzt das SchVG jedoch die durch Verbriefung gesicherte Verkehrsfähigkeit der Kapitalgeberforderungen voraus.811 Das zeigt sich etwa daran, dass für die einbezogenen Finanzinstrumente gem. § 2 Abs. 1 S. 1 SchVG das wertpapierrechtliche Skripturprinzip gilt, von dem § 2 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 SchVG lediglich im Hinblick auf zentralverwahrte Globalurkunden und elektronisch begebene Schuldverschreibungen gewisse Erleichterungen vorsieht.812 Auch das Prinzip der kollektiven Bindung schöpft seine Daseinsberechtigung aus dem Erfordernis, die inhaltliche Austauschbarkeit wertpapiermäßig handelbarer Titel sicherzustellen.813 Ein derartiges Maß an Verkehrsfähigkeit hat der Gesetzgeber für Security Token außerhalb des eWpG nicht vorgesehen.814 Es fehlt insofern an einer planwidrigen Regelungslücke.815 Das SchVG in toto auf Debt Token anzuwenden, kommt daher nicht in Betracht. Eine Teilanalogie zu einzelnen, zweckmäßig erscheinenden Regelungen des SchVG erscheint nicht minder problematisch. Wollte man etwa die Vorschriften über Mehrheitsbeschlüsse oder den Gläubigervertreter in analoger Anwendung aus dem Regelungskomplex „herauspicken“, liefe dies auf ein willkürlich anmutendes Maßgabenpotpourri hinaus.816 Hierfür besteht keine Notwendigkeit, denn den Parteien eines STO steht es frei, den Kollektivhandlungsproblemen durch privatautonome Mechanismen vorzubeugen (hierzu sogleich). Das SchVG kann hierfür als gesetzliches Vor- und Leitbild dienen. 807
Vgl. Begr.RegE, BT-Drs. 19/26925, S. 73. S. van Aubel, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 20.167; Kusserow, WM 2020, 586, 593. 809 Kusserow, WM 2020, 586, 593; a. A. wohl Koch, ZBB 2018, 359, 367 (Fn. 80). Allgemein gegen die analoge Anwendung auf unverbriefte Finanzinstrumente auch BGH, Urt. v. 16. 1. 2020 – IX ZR 351/18 = ZIP 2020, 362; BGHZ 218, 183, 190 m. Anm. Poelzig/ Schwarzat, WuB 2018, 381 ff. Vgl. in Bezug auf das SchVG 1899 ferner Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 349 f.; Than, in: FS Coing, S. 521, 528 ff. 810 Vgl. Poelzig/Schwarzat, WuB 2018, 381, 382. 811 BGH, Urt. v. 16. 1. 2020 – IX ZR 351/18 = ZIP 2020, 362; BGHZ 218, 183, 190 m. Anm. Poelzig/Schwarzat, WuB 2018, 381 ff. 812 Vgl. BGHZ 218, 183, 190; Kusserow, WM 2020, 586, 593. 813 S. Fn. 792. 814 S. insofern 2. Kap. B.II.2.b)aa). 815 In diesem Befund übereinstimmend Poelzig/Schwarzat, WuB 2018, 381, 382. 816 Vgl. Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 350. 808
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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bb) Privatautonome Vergemeinschaftung der Token-Inhaber Bereits unter der Geltung des SchVG 1899 entsprach es einhelliger Auffassung, dass für Kapitaltitel, die dem engen Anwendungsbereich des Gesetztes nicht unterfielen (u. a. Genussscheine [s. o.] und sog. DM-Auslandsanleihen817), privatautonome Kollektivierungsmechanismen in den Ausgabebedingungen verankert werden konnten.818 Infolge der Ausweitung des gesetzlichen Anwendungsbereichs durch das neue SchVG schien für derartige Konstruktionen nur noch vereinzelt Bedarf zu bestehen.819 An der grundsätzlichen Möglichkeit, die Rechte einer Vielzahl von Kapitalgebern auf schuldrechtlicher Grundlage zu bündeln, hat sich nach allgemeiner Ansicht aber nichts geändert.820 Entsprechende Klauseln finden bereits im Kontext konventioneller Crowdinvestings Verwendung, wo sie als „Pooling-Vereinbarungen“ bekannt sind.821 Im Zusammenhang mit der massenhaften Ausgabe unverbriefter Gläubigerrechte durch Token Sales gewinnt die privatautonome Kollektivierung der Investoren abermals an Aktualität. Von Interesse ist dabei insbesondere die Frage, wie die einschlägigen Klauseln dogmatisch einzuordnen sind ((2)) und an welchen Gestaltungsgrenzen sie sich zu orientieren haben ((3)). Zuvor seien die möglichen Inhalte einer Kollektivierungsklausel noch einmal zusammengefasst. (1) Inhalt kautelarischer Gestaltungen Im Hinblick auf die Inhalte kautelarischer Gestaltungen lässt sich an die bereits herausgearbeiteten Varianten des single owner-Ansatzes anknüpfen (s. o.). Eine gewisse Orientierung bietet insofern das SchVG, was nicht heißen soll, dass dessen Maßgaben zwingend oder für jeden Einzelfall „passend“ wären.822 Demnach ist es insbesondere möglich, die Token-Inhaber durch Mehrheitsbeschluss verbindlich über Änderungsvorschläge und Ablösungsangebote entscheiden zu lassen.823 Dar817 Als solche bezeichnete man die in D-Mark denominierten Anleihen ausländischer Emittenten, s. Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 344 f. 818 RGZ 132, 199, 204 ff.; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 221 f.; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 352 ff.; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 375; Luttermann, Genußrechte, S. 528; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 129 ff.; Than, in: FS Coing, S. 521, 532 ff.; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 231 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 355. 819 Diskutiert wird die Möglichkeit z. B. im Hinblick auf sog. naked warrants und getrennte Optionsscheine, s. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 253. 820 Ders., in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 253; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 425. Hiervon scheint implizit auch die Rechtsprechung auszugehen, wenn sie entsprechende Klauseln (nur) wegen eines AGB-Verstoßes für unwirksam erklärt, s. BGH, Urt. v. 16. 1. 2020 – IX ZR 351/18 = ZIP 2020, 362 sowie die Vorinstanz OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 7. 2018 – 19 U 28/18 = ZIP 2018, 1727, 1730 f. m. Anm. Müller-Eising, EWiR 2019, 41, 42 (dort ausdrücklich). 821 Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 176 ff.; Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153, 157. 822 Vgl. Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 371. S. aber noch unter (3) zur Leitbildfunktion des SchVG im Rahmen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. 823 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 253.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
über hinaus kommt die Einsetzung eines Vertreters bzw. Treuhänders in Betracht, der beispielsweise zur Verhandlungsführung oder zur Ausübung bestimmter Gläubigerrechte ermächtigt werden kann.824 Zu diesem Zweck können individuelle Informations-, Kontroll- sowie Leistungsstörungsrechte durch die Begründung entsprechender Kollektivrechte ersetzt werden.825 In jedem Fall bedarf es zudem einer klaren Regelung des Verfahrens (z. B. Quoren, Ankündigungsfristen etc.) sowie der Festlegung möglicher Änderungsgegenstände.826 Ob die Bestimmungen des SchVG in den Emissionsbedingungen durch einen einfachen Verweis für anwendbar erklärt werden können, ließ der BGH zuletzt ausdrücklich offen.827 Die Tatsache, dass das SchVG seinerseits eine Regelung in den Ausgabebedingungen verschiedentlich voraussetzt (u. a. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG), spricht gegen diese Möglichkeit. Darüber hinaus bliebe unklar, wie mit jenen Vorschriften zu verfahren wäre, die von verbrieften Finanzinstrumenten ausgehen (vgl. § 2 SchVG). Als hinreichend bestimmt ist daher nur eine Regelung in den Ausgabebedingungen anzusehen – u. U. in Verbindung mit einem Teilverweis auf das SchVG.828 (2) Dogmatische Umsetzung Die Möglichkeit, die Kapitalgeber in den Ausgabebedingungen zu einem handlungsfähigen Kollektiv zusammenzufassen, wird im Schrifttum als „unproblematisch“ vorausgesetzt.829 Auch im Zusammenhang mit konventionellen Schwarmfinanzierungen geht man davon aus, Pooling-Vereinbarungen seien „ohne weiteres als zulässig an[zu]sehen“.830 Bei näherer Betrachtung begegnet die gewillkürte Kollektivierung der Kapitalgeber jedoch erheblichen konstruktiven Schwierigkeiten. Bevor die Grenzen der Zulässigkeit ausgeleuchtet werden können, muss feststehen, dass die intendierten Wirkungen mit den Instrumentarien des Privatrechts überhaupt erzielt werden können. Die dogmatische Herausforderung besteht darin, die individuelle Rechtsmacht jedes einzelnen Gläubigers so auf das Kollektiv bzw. auf einen Interessenwalter „zu übertragen“, dass der Kapitalgeber sie nicht einseitig wieder an sich ziehen kann. Zudem muss die inter omnes-Wirkung von Mehrheitsbeschlüssen im Hinblick auf etwaige Änderungen der Finanzierungsbeziehung sichergestellt 824 Vgl. Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 222; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 253; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 373 ff.; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 137 ff.; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 234 f. 825 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 121. 826 Vgl. ausführlich Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 356 ff. 827 BGH, Urt. v. 16. 1. 2020 – IX ZR 351/18 = ZIP 2020, 362. 828 Vgl. Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 221 f.; Than, in: FS Coing, S. 521, 537. Näher zu den AGB-rechtlichen Transparenzanforderungen unter (3). 829 So etwa Vogel, Vergemeinschaftung, S. 236; ähnlich Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 219; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 425: „in jedem Falle möglich“. 830 S. nur Schedensack, Crowdinvesting, S. 266.
B. STOs als Mittel der Zwischenfinanzierung
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sein. Das Schrifttum hält hierfür einen ganzen Strauß diskussionswürdiger Ansätze bereit, die es im Folgenden auf Ihre Eignung und Stichhaltigkeit zu überprüfen gilt. (a) Ausübungsschranken und Bindungswirkung als Inhalt des Gläubigerrechts? Anknüpfend an die Rechtsprechung des Reichsgerichts herrschte vor allem im älteren Schrifttum die Auffassung vor, die Rechtsstellung der Kapitalgeber entstünde aufgrund einer Kollektivierungsklausel ab initio mit der Maßgabe, dass bestimmte Rechte nur durch die Gläubigermehrheit bzw. durch einen Gläubigervertreter wahrgenommen werden können.831 Da den Kapitalgebern von vornherein kein individuelles Informations-, Kontroll- bzw. Vertragsänderungsrecht zustehe, entfalle die Notwendigkeit, entsprechende Befugnisse abzuspalten, zu übertragen oder auf sonstige Weise zu überlassen.832 Auch die Bindungswirkung mehrheitlich gefasster Änderungsentscheidungen werde auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zum originären Inhalt des entstehenden Gläubigerrechts.833 Der Inhaber eines dergestalt „belasteten“ Rechts habe nach dem Konsensprinzip keine Möglichkeit, sich der Mehrheitsherrschaft einseitig zu entziehen.834 Diese Auffassung überzeugt nur teilweise. Richtig ist, dass Gläubigerrechte einer Ausübungsschranke unterworfen werden können. Innerhalb der Grenzen der Gestaltungsfreiheit ist es den Parteien möglich, nach Belieben darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kapitalgeber beispielsweise mit einem Auskunftsrecht ausgestattet oder zur Kündigung835 berechtigt sein soll. Das impliziert auch, dass derartige Rechte von einer positiven Beschlussfassung der Gläubigermehrheit abhängig gemacht oder von vornherein einem Dritten zugewiesen werden können. Die Möglichkeit, eine Abrede durch Vereinbarung mit der Vertragsgegenseite zu ändern, ist dagegen unmittelbarer Ausfluss der Privatautonomie und daher der Dispositionsfreiheit der Parteien entzogen. Ein Forderungsinhaber kann sich der Rechtsmacht, künftige Änderungen zu vereinbaren, durch Rechtsge-
831 RGZ 132, 199, 204 f.; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 376; Than, in: FS Coing, S. 521, 536; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 234 f. 832 Vgl. Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 376. Ähnlich dürfte Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 222 zu verstehen sein, wenn er meint, es sei Vereinbarungssache, ob Gläubiger von der selbständigen Geltendmachung ihrer Rechte ausgeschlossen sind. 833 RGZ 132, 199, 204 f.; Than, in: FS Coing, S. 521, 536; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 234 f.: „originäre Beschränkung der Rechte des einzelnen [Gläubigers]“. 834 Vgl. Than, in: FS Coing, S. 521, 536. 835 Grundsätzlich unentziehbar ist lediglich das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund, s. hierzu A.II.2.a)bb)(4). Innerhalb der Grenzen gem. §§ 307 ff. BGB ist es aber möglich, einzelne Umstände dahingehend zu konkretisieren, dass sie nur dann zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, wenn ein über einem gewissen Schwellenwert liegender Teil der Token-Gläubiger von dem Kündigungsrecht Gebrauch macht, vgl. im anleiherechtlichen Kontext OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. 9. 2014 – 4 U 97/14 = ZIP 2014, 2176, 2177 f.; Veranneman, in: ders., SchVG, § 5 Rn. 36. Auf diese Weise ließe sich das Risiko eines rush to the exit zumindest verringern.
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schäft nicht einfach entledigen, vgl. § 137 S. 1 BGB.836 Bilaterale Vertragsänderungen können daher auch durch eine Mehrheitsklausel nicht wirksam für die Zukunft ausgeschlossen werden. Mangelnde Genauigkeit muss sich schließlich die Auffassung vorwerfen lassen, der zufolge die Bindungswirkung mehrheitlich gefasster Änderungsentscheidungen zum originären Inhalt des Gläubigerrechts wird.837 Denn Schuldverhältnisse, deren Pflichtenprogramm sich fluide nach dem Mehrheitswillen einer Vielzahl nicht verbandlich verfasster, nicht am Vertrag beteiligter Individuen richtet, sind der Rechtsordnung fremd. Die Rechtsmacht für inhaltliche Eingriffe liegt bei den Parteien sowie ggf. bei demjenigen, dem die Parteien die entsprechende Änderungsbefugnis gem. §§ 315 ff. BGB zugewiesen haben. Aus § 5 Abs. 1 und 2 S. 1 SchVG lässt sich nicht auf das Gegenteil schließen, denn die dort angeordnete zwingende Wirkung von Gläubigerbeschlüssen beruht auf der gesetzlichen Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger.838 Auch in diesem Fall ist es Dritten mithin nur kraft gesetzlicher Anordnung möglich, inhaltliche Entscheidungen mit Wirkung für und gegen die vertretenen Kapitalgeber zu treffen. Die allgemeine Anerkennung eines nach dem Mehrheitswillen wandelbaren Rechts ist damit nicht verbunden. Stattdessen hat sich die gewillkürte Bindungswirkung von Mehrheitsbeschlüssen in das bestehende System privatrechtlicher Institute einzufügen. Dem Vorstellungsbild der Finanzierungsparteien dürfte es in diesem Zusammenhang am ehesten entsprechen, dass sich die (Token-)Gläubiger bzw. deren Vertreter und der Schuldner im Bedarfsfall vertraglich über eine Änderung einigen.839 Inwiefern diese Möglichkeit dogmatisch umsetzbar ist, gilt es im Weiteren zu erhellen. (b) Einräumung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht Eine einfache Lösung scheint auf den ersten Blick darin zu bestehen, dass jeder Token-Gläubiger einen Dritten unwiderruflich bevollmächtigt, Änderungs- und Ablösungsangebote des Emittenten im Falle einer Mehrheitsentscheidung anzunehmen. Eine solche unwiderrufliche Vollmachtserteilung ist grundsätzlich zulässig, vgl. § 168 S. 2 und § 176 Abs. 3 BGB.840 Als Vollmachtempfänger käme ein durch die Emissionsbedingungen benannter Gläubigervertreter in Betracht. Dass die 836
Vgl. hinsichtlich des (vermeintlich) verfügenden Charakters einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre (s. dazu Fn. 124) Ekkenga, ZHR 185 (2021), 792, 813 f. 837 Zum wahren Kern der Ansicht s. aber noch unter (d). 838 Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 143 ff. Andere Autoren begnügen sich mit einer Wirkungsbeschreibung, gehen dabei aber anscheinend ebenfalls davon aus, dass die verbindliche Wirkung der Gläubigerbeschlüsse gesetzlichen Ursprungs ist, vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 4 Rn. 40 f.; Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 136; Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 82, die einen opt-in als Alternative zur Änderungsvereinbarung „auf dem Boden des allgemeinen Vertragsrechts“ ansehen. 839 Vgl. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 118. 840 BGH, Urt. v. 26. 2. 1988 – V ZR 231/86 = NJW 1988, 2603; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, § 168 Rn. 6; Schubert, in: MünchKomm BGB, § 168 Rn. 21.
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Token-Gläubiger in ihrer Gesamtheit einen personengesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Verband bilden, dem eine entsprechende Vollmacht erteilt werden könnte, erscheint mangels rechtsgeschäftlicher Zweckabrede unter den Gläubigern dagegen zweifelhaft.841 Theoretisch vorstellbar wäre lediglich, dass die TokenGläubiger einander Gesamtvertretungsmacht entsprechend der Mehrheitserfordernisse einräumen.842 Als dogmatische Grundlage für einen Anpassungsmechanismus taugt das Vertretungsmodell indes nicht. Das liegt nicht nur daran, dass in die Annahmeerklärung gegenüber dem Emittenten zugleich eine konkludente Vollmachtserteilung hineininterpretiert werden müsste.843 Von begrenztem Nutzen ist die Kollektivierung auf Grundlage rechtsgeschäftlicher Vollmachtserteilung auch deshalb, weil auch künftige Token-Erwerber von ihr erfasst sein müssten, was sich allein aufgrund einer späteren Token-Transaktion nicht schlüssig begründen lässt.844 Erschwerend kommt hinzu, dass die rechtsgeschäftliche Vollmacht keine verdrängende Wirkung entfaltet.845 Den einzelnen Kapitalgebern wäre es folgerichtig weiterhin möglich, abweichende Vereinbarungen zu treffen. Ein Zustand der kollektiven Bindung nach dem Vorbild des § 4 S. 1 SchVG ließe sich auf dieser Grundlage nicht erreichen. (c) „Abtretung“ der Änderungszuständigkeit Beiden Problemen wäre beizukommen, wenn die Token-Inhaber ihre „Zuständigkeit“ für Vertragsänderungen an einen Dritten abtreten könnten. Diese Möglichkeit scheidet indes a priori aus, da Gegenstand einer Abtretung gem. §§ 413, 398 BGB nur ein subjektives Recht sein kann.846 Was ein subjektives Recht im Einzelnen ausmacht, ist bis heute nicht abschließend geklärt.847 Ein anerkanntes Merkmal 841 Vgl. Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 222 (Fn. 17); Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 133; Than, in: FS Coing, S. 521, 536. Aus der Diskussion über die Rechtsnatur des Kollektivs nach §§ 4 ff. SchVG (s. Fn. 786) ist derweil in verschiedenen Schattierungen der Vorschlag hervorgegangen, die Anleihegläubiger in ihrer Gesamtheit als (quasi-)personengesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss zu begreifen, s. Liebenow, Anleiheorganisationsrecht, S. 266 ff. (personengesellschaftsrechtlicher Innenverband); Simon, SchVG und Treuepflichten, S. 218 (gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft); Horn, ZHR 173 (2009), 12, 48 f. (Hybrid aus GbR und Bruchteilsgemeinschaft). Hiergegen die h. M.: Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 125 ff.; Friedl/Schmidtbleicher, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, § 4 Rn. 21 f.; Matjuschkin, Bondholder Governance, S. 178 ff.; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4 Rn. 17 f.; Reps, Debt Governance, S. 37; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4 Rn. 45; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG Rn. 6. 842 Vgl. zur dogmatischen Einordnung eines opt ins gem. §§ 5 ff. SchVG als Fall der gesetzlichen Vertretungsmacht Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 143 ff. 843 Zu denken wäre in diesem Zusammenhang an eine Innenvollmacht gem. § 167 Abs. 1 Var. 2 BGB zugunsten des prospektiven Vertreters. Zum Zustandekommen der Finanzierungsvereinbarung im Rahmen eines (klassischen) Token Sales s. bereits 2. Kap. C.III.2. 844 Vgl. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 118. 845 Vgl. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 118; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 375. 846 Vgl. Busche, in: von Staudinger, BGB, § 413 Rn. 3. 847 Vgl. jüngst Wendelstein, Pflicht und Anspruch, passim.
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subjektiver Rechte besteht aber jedenfalls darin, dass sie Befugnisse gewähren, die ausschließlich ihrem Inhaber zugewiesen sind.848 Dementsprechend zeichnen sich subjektive Gestaltungsrechte durch eine einseitig und ausschließlich dem Gestaltungsberechtigten zustehende Einwirkungsmacht aus.849 Einigen sich Gläubiger und Schuldner über eine Vertragsanpassung, manifestiert sich darin kein solches Gestaltungsrecht sondern die allgemeine Vertragsfreiheit. Da diese als Grundbedingung privatrechtlichen Handelns jedem gleichermaßen zukommt, handelt es sich bei ihr nicht um ein subjektives Recht.850 Sie kann daher nicht zum Gegenstand einer Abtretung werden. (d) Bedingtes Leistungsbestimmungsrecht Damit bleibt zu konstatieren, dass die Anpassung der Finanzierungsbeziehung durch einen für alle Token-Gläubiger verbindlichen Änderungsvertrag unüberwindbaren Konstruktionsschwierigkeiten begegnet. Überzeugender dürfte es daher sein, in der gewillkürten Bindungswirkung von Anpassungsentscheidungen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu erkennen.851 Die Möglichkeit, die Anpassungsbefugnis einer Vertragspartei oder einem Dritten (z. B. einem Gläubigervertreter) zu überlassen, wird von den §§ 315 ff. BGB vorausgesetzt852 und ist auch für Mezzanine-Instrumente allgemein anerkannt.853 Die vertragliche Zuweisung des Änderungsrechts hat den gewünschten Effekt, dass sich die Gläubiger seiner gestaltenden Wirkung nicht einseitig entziehen können. Zugleich erweist sich auf dieser Grundlage die Verbindlichkeit der Änderungsentscheidung für zukünftige Erwerber als unproblematisch: Sie erwerben von vornherein eine einseitig modifi848
Vgl. Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 138 ff.; Wendelstein, Pflicht und Anspruch, S. 19 f. Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 143. 850 Ders., in: FS Sontis, S. 129, 143 f. Aus diesem Grund kann an der Möglichkeit, den Inhalt einer Forderung durch Änderungsvertrag anzupassen, auch keine Bruchteilsgemeinschaft entstehen, s. Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 113 f.; a. A. Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 344 ff., 354 ff. 851 Anders die dogmatische Deutung von Bialluch, Anleiheschuldverhältnis, S. 117 f.: Es gehe bei der gewillkürten Bindungswirkung von Mehrheitsentscheidungen der Sache nach um zwei verknüpfte Bedingungen i. S. d. § 158 BGB. Zum einen müssten die ursprünglichen Forderungen unter die auflösende Bedingung eines Mehrheitsbeschlusses sowie des Einverständnisses des Schuldners gestellt werden. Zum anderen müssten aufschiebend bedingte Forderungen unbestimmten Inhalts begründet werden. Diesen Ansatz lehnt die Autorin allerdings ab, weil er den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspreche. M. E. muss das Bedingungsmodell schon aus einem anderen Grund scheitern. Eine (bedingte) Forderung unbestimmten Inhalts kann es nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen nicht geben. Auch einem aufschiebend bedingten Änderungsvertrag unbestimmten Inhalts wäre die Anerkennung zu versagen. Dass der Inhalt eines solchen Vertrages in dem Sinne bestimmbar ist, dass er sich nach der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unvorhersehbaren Änderungsübereinkunft richtet, dürfte nicht ausreichen. 852 Vgl. Würdinger, in: MünchKomm BGB, § 315 Rn. 5. 853 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 264; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 37; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 100. 849
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zierbare Forderung.854 Problematisch wäre es freilich, wenn das Anpassungsrecht entsprechend den Auslegungsregeln gem. §§ 315 ff. BGB in das (nur der Billigkeit verpflichtete) Ermessen einer Partei oder eines Dritten gestellt wäre.855 Um zu gewährleisten, dass die Leistungsbestimmung dem Konsens zwischen Emittent und Gläubigermehrheit entspricht, ist die Änderungsbefugnis unter die Bedingung zu stellen, dass sie nach Maßgabe des mehrheitlich akzeptierten Änderungsangebots ausgeübt wird.856 Die Zulässigkeit einer solchen Abrede ergibt sich aus einem einfachen argumentum a maiore ad minus: Wenn die Leistungsbestimmung sogar dem Ermessen der berechtigten Person anheimgestellt werden kann, dann muss es erst recht möglich sein, die Gestaltungsmacht auf einen im Ausübungszeitpunkt bestimmbaren Inhalt zu beschränken.857 Das Leistungsbestimmungsrecht wird dadurch zum Vehikel des Mehrheitswillens, ohne den praktischen Hindernissen einer nachgelagerten Anpassungsabrede zu unterliegen. Eines vermag der hier vorgeschlagene Mechanismus indes nicht zu leisten. Die Möglichkeit, bilaterale Vertragsänderungen zu erzielen, bleibt den Parteien erhalten. Im Interesse der Fungibilität der tokenisierten Gläubigerrechte kann sich der Emittent in den Emissionsbedingungen lediglich verpflichten, bilaterale Vertragsänderungen zu unterlassen.858 (3) AGB-rechtliche Gestaltungsgrenzen Besteht demnach die grundsätzliche Möglichkeit, Kollektivierungsmechanismen auf schuldrechtlicher Grundlage in den Emissionsbedingungen zu verankern, bleibt noch die Frage nach etwaigen Gestaltungsgrenzen. Diese ergeben sich – geht man mit der ganz h. M. von der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Anleihe- und Genussrechtsbedingungen aus859 – insbesondere aus dem AGB-Recht. Der BGH hat vor diesem Hintergrund Klauseln für unwirksam erklärt, die inhaltlich unbeschränkte Mehrheitsentscheidungen zu Lasten opponierender Gläubi854
Darin liegt dann auch der wahre Kern der älteren Literaturauffassung, die ein von vornherein durch die Änderungsmöglichkeit der Mehrheit „belastetes“ Gläubigerrecht annimmt, s. o. bei (a). 855 Vgl. insoweit bereits unter B.III.2.c). 856 Entsprechendes gilt für den Fall, dass nach den Emissionsbedingungen ein Gläubigervertreter zur Verhandlungsführung berufen ist. 857 Vgl. allgemein zur Möglichkeit das Leistungsbestimmungsrecht vertraglich zu konkretisieren Ring/Wagner, in: NK-BGB, § 315 Rn. 7. 858 S. Fn. 836. 859 Allg. Fest, Anleihebedingungen, S. 29 ff.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 255; für Inhaberschuldverschreibungen BGHZ 163, 311, 314 ff.; für Genussrechte BGHZ 218, 183, 193; BGHZ 119, 305, 312 (Klöckner); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 101 ff.; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 108; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 399; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 35; Luttermann, Genußrechte, S. 495 ff.; a. A. Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44, 48 (Angemessenheitskontrolle auf Grundlage von § 242 BGB für „aktienähnliche Genußscheine“).
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ger ermöglichen, ohne dem Minderheitenschutz dienende Verfahrensschranken vorzusehen.860 Wie die Berufungsinstanz zu Recht beanstandet hat, liegt in einer solchen Klausel eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie von dem gesetzlichen Leitbild des SchVG abweicht.861 Dieses sieht in den §§ 9 ff. u. a. Einberufungsrechte, Bekanntmachungs- und Belehrungspflichten sowie spezielle gerichtliche Durchsetzungsmechanismen vor, um die Teilhabe der Minderheit zu gewährleisten und missbräuchlichen Beschlussfassungen vorzubeugen. Das SchVG als Wertungsmaßstab heranzuziehen, mag dabei auf den ersten Blick überraschend erscheinen. Immerhin bedarf es der privatautonomen Kollektivierung gerade deshalb, weil der gesetzliche Anwendungsbereich nicht eröffnet ist.862 Allerdings findet im SchVG die gesetzgeberische Zielsetzung Ausdruck, kollektive Gläubigerinteressen mit den schutzwürdigen Belangen individueller Kapitalgeber in Ausgleich zu bringen.863 Dieses Spannungsverhältnis entsteht auch bei der Bündelung unverbriefter Gläubigerrechte, sodass die gesetzlichen Wertungen insofern Aussagekraft besitzen. Aus der Leitbildfunktion des SchVG folgt, dass vorformulierte Kollektivierungsklauseln den Interessen der überstimmten Gläubiger in formeller und materieller Hinsicht Ausdruck verleihen müssen.864 Zu fordern ist neben prozeduralen Vorkehrungen insbesondere die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 SchVG.865 Da die fraglichen Klauseln unmittelbar in das Äquivalenzverhältnis der Finanzierung eingreifen, sind darüber hinaus hohe Transparenzanforderungen zu stellen. Die in Betracht kommenden Änderungsgegenstände müssen daher inhaltlich eingegrenzt werden.866 Grundsätzlich anzuerkennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Abänderbarkeit von Vergütungsregelungen sowie näher zu definierende Ablösungsrechte.867 Die Begründung zusätzli-
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BGH, Urt. v. 16. 1. 2020 – IX ZR 351/18 = ZIP 2020, 362 ff. OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 7. 2018 – 19 U 28/18 = ZIP 2018, 1727, 1730 f. Der BGH stütze die Unwirksamkeit der inkriminierten Klausel allein auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Vgl. zur Leitbildfunktion des SchVG 1899 bereits Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 371; Vogel, Vergemeinschaftung, S. 242. 862 Insofern kann im engeren Sinne keine Rede davon sein, die Klausel weiche vom dispositiven Gesetzesrecht ab, vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. 863 Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 7. 2018 – 19 U 28/18 = ZIP 2018, 1727, 1730. 864 Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 7. 2018 – 19 U 28/18 = ZIP 2018, 1727, 1730 f. m. zust. Anm. Müller-Eising, EWiR 2019, 41 f. Was in formeller und materieller Hinsicht im Einzelnen erforderlich ist, kann und soll hier nicht weiter vertieft werden. Orientierung bieten die §§ 5 ff. SchVG. Eine exakte Nachbildung wird insoweit aber nicht zu erwarten sein, vgl. Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 371. 865 OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 7. 2018 – 19 U 28/18 = ZIP 2018, 1727, 1731; vgl. bereits Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 372 f. 866 BGH, Urt. v. 16. 1. 2020 – IX ZR 351/18 = ZIP 2020, 362, 363; OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 7. 2018 – 19 U 28/18 = ZIP 2018, 1727, 1731. 867 Vgl. Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 372. 861
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cher Leistungspflichten ist mit dem Schutzgedanken des § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG dagegen unvereinbar.868 c) Schlussfolgerungen Nach alledem lässt sich festhalten, dass es grundsätzlich möglich ist, die TokenInhaber zu einem handlungsfähigen Kollektiv zusammenzufassen. Als Grundlage hierfür dient entweder das SchVG oder, soweit dieses mangels Verbriefung nicht anwendbar ist, ein privatautonomer Kollektivierungsrahmen. Die Fähigkeit, einen gemeinsamen Willen zu bilden und dem Emittenten gegenüber zu artikulieren, erlaubt es den Token-Inhabern, auf sich wandelnde Finanzierungsbedingungen zu reagieren. Ein mit Venture Capital-Investments vergleichbarer Grad an Flexibilität lässt sich dadurch zwar nicht erreichen. Insbesondere im Hinblick auf Folgefinanzierungen und Exits erweitern sich die Handlungsmöglichkeiten der Parteien aber erheblich. Eine entscheidende Rolle spielt die Bündelung von Gläubigerrechten darüber hinaus für die effiziente Wahrnehmung von Anlegerschutzrechten. Im Hinblick auf die Ziele einer Zwischenfinanzierung stellt die Kollektivierung der Token-Inhaber somit einen wirkmächtigen Governance-Mechanismus dar. Die Blockchain-Technologie kann in diesem Zusammenhang eine unmittelbare und transparente Kommunikation unter den Beteiligten ermöglichen.
IV. Steuerungswirkung der Kapitalstruktur Die Aufnahme von Mezzanine-Kapital durch ein STO bleibt für das zwischen Venture Capital-Gebern und Gründern bestehende Anreizgefüge nicht ohne Folgen.869 Im Hinblick auf die Steuerungswirkungen eines Debt Token Sales lässt sich insofern ein ambivalentes Bild zeichnen. Einerseits kann der vorrangige Zugriff der Token-Investoren auf Gewinne und Erlöse für die residualberechtigten Gründer und Venture Capital-Investoren einen Anreiz bieten, sich für den größtmöglichen Erfolg der Unternehmung einzusetzen. Denn ihnen steht der gesamte über die Fremdkapitalgeberrechte hinausgehende Überschuss zu.870 Dank der Hebelwirkung des Fremd- bzw. Mezzanine-Kapitals können die Eigenkapitalgeber hiervon im Falle einer positiven Wertentwicklung 868
Vgl. Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 372. Die Frage nach der „optimalen“ Kapitalstruktur gehört zu den Kernthemen der finanztheoretischen Forschung. Die klassischen Erklärungsmodelle lassen die spezifischen Bedingungen der Wagnisfinanzierung indes unberücksichtigt und verfügen insofern nur über begrenzte Aussagekraft. Ein prägnanter Überblick im Hinblick auf die mit Debt Token Sales funktional vergleichbaren Venture Debt-Finanzierungen findet sich bei Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1198 ff. (2010). 870 Vgl. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 46 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 63; Cumming, 20 J. Bus. Ventur. 573, 580 (2005). 869
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überdurchschnittlich profitieren.871 Das setzt freilich voraus, dass die Vergütungsansprüche der Token-Inhaber dem Umfang nach beschränkt sind.872 Da die Gesellschafter nur dann am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung partizipieren, wenn zuvor die Fremdkapitalgeber bedient wurden,873 kann die Einräumung vorrangiger Gläubigerrechte ferner dazu dienen, künftigen Investoren das Vertrauen in den Geschäftserfolg zu signalisieren.874 Die Möglichkeit, dass die Residualberechtigten – insbesondere die Gründer – bei der Erlösverteilung weitestgehend leer ausgehen, kann sich andererseits negativ auf die Motivationslage auswirken. Eine hinter den Erwartungen zurückbleibende Wertentwicklung bietet unter diesen Voraussetzungen einen fruchtbaren Boden für opportunistische Verhaltensweisen.875 Das sich verschärfende Risiko von Unter- und Überinvestitionen, asset stripping und riskanten Strategiewechseln verlangt nach einem angemessen Schutz der Token-Anleger.876
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern Venture Capital-Investoren begegnen den Agenturrisiken der Wagnisfinanzierung, indem sie auf privatautonomer Grundlage Vorsorge für etwaige Konflikte treffen. Insbesondere lassen sie sich umfangreiche Mitsprache- und Kontrollrechte einräumen, schaffen geeignete Anreizstrukturen und staffeln die Kapitalbereitstellung. In den Emissionsbedingungen von STOs sind Schutzklauseln dieser Art bislang nur ausnahmsweise anzutreffen.877 Die Initiatoren genießen hinsichtlich der Gestaltung ihres Angebots weitgehende Freiheiten. Das kann zu einem Ungleichgewicht zulasten der Token-Investoren führen, zumal diese anders als reguläre Gesellschafter keinen mitgliedschaftlichen Mindestschutz genießen.878 Gleichzeitig 871
Schnell wachsende Start-Ups bescheren den Gesellschaftern durch Eigenkapitalverkäufe überdurchschnittlich hohe Renditen. Für sie wird die Fremdkapitalfinanzierung infolgedessen umso attraktiver. Auf diesem Zusammenhang basiert im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum die These, Fremdkapitalgeber zögen systematisch Unternehmen an, die ein besonders hohes Renditepotential aufweisen, vgl. Cumming/Johan, Venture Capital, S. 49 f. 872 Hierzu sowie zu der Möglichkeit, ein gestaffeltes Vergütungssystem zu errichten, s. A.II.2.a)bb)(1). 873 Eine Ausnahme stellen posterioritätische Vergütungsabreden dar, s. abermals A.II.2.a) bb)(1). 874 S. grundlegend Ross, 23 Bell J. Econ. 23 (1977). Vgl. im VC-Kontext ferner Kuntz, Gestaltung, S. 64. 875 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 103 f.; Trester, 22 J. Bank. Finance 675, 677 (1998). 876 Zu diesen und weiteren Ausprägungen der Agenturprobleme s. 3. Kap. C.II.1. 877 Vgl. Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 24 ff. (2021). 878 Vgl. mit paralleler Bestandsaufnahme im Bereich konventioneller Crowdinvestings Schedensack, Crowdinvesting, S. 217.
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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tragen die Token-Investoren als Mezzanine-Kapitalgeber einen Teil des unternehmerischen Risikos, sodass sie von opportunistischen Verhaltensweisen in ähnlicher Weise betroffen sind wie Eigenkapitalgeber.879 Das führt zu der Frage, inwiefern die mit dem Eigenkapital verbundenen Wertungen des einschlägigen Verbandsrechts auf schuldrechtliche Finanzierungsbeziehungen ausstrahlen.880 Bestehen gesetzliche Mindestrechte unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes881 auch dann, wenn die Emissionsbedingungen schweigen? Um dies zu beantworten, soll die Rechtstellung der Token-Anleger zunächst im Hinblick auf elementare Schutzbelange beleuchtet werden. Das betrifft zum einen die Erhaltung des wirtschaftlichen Werts der tokenisierten Forderungen (I.), zum anderen den Zugang zu Informationen, derer es zur Anspruchsverfolgung bedarf (II.). Darüber hinaus gilt es zu klären, welche privatautonomen Instrumentarien zur Verfügung stehen, um Agenturrisiken überobligatorisch einzudämmen und die Anlagebereitschaft der Token-Investoren zu erhöhen. Naheliegend erscheint insofern der Rückgriff auf Schutzmechanismen aus dem Bereich der Venture CapitalFinanzierung (III.). Außerdem kommen Token Sale-spezifische Maßnahmen in Betracht (IV.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Etablierung eines privatautonomen Ordnungsrahmens praktischen Hürden begegnet (V.).
I. Schutz des Werterhaltungsinteresses Die Werthaltigkeit von hybriden Beteiligungsinstrumenten hängt im hohen Maße vom Verhalten der finanzierten Gesellschaft ab. Ob und in welcher Höhe Ausschüttungen an die Token-Inhaber fällig werden, ist aufgrund der Kopplung an die unternehmerische Entwicklung ungewiss. Gleiches gilt im Lichte etwaiger Verlustbeteiligungen für Rück- bzw. Ablösungszahlungen.882 Die emittierende Gesellschaft hat es in der Hand, die Rechtsposition der Token-Inhaber durch ihre Entscheidungen inhaltlich zu konkretisieren, ohne unmittelbar in das Pflichtenpro879 Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 152; Sethe, AG 1993, 351, 354 sowie für herkömmliche Schwarmfinanzierungen Schedensack, Crowdinvesting, S. 217 ff. 880 Vgl. noch weiter gehend Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 153 ff., der die Unterscheidung zwischen Mitgliedschaft und schuldrechtlicher Beteiligung im Hinblick auf den Anlegerschutz für „unergiebig“ hält. 881 Mit dem Begriff „Anlegerschutz“ ist im hiesigen Kontext nicht der überindividuelle Institutionenschutz gemeint, der insbesondere im Mittelpunkt organisations-, kapitalmarktsowie aufsichtsrechtlicher Regelungen steht. Stattdessen soll es um die Instrumentarien gehen, die der Wahrung der Interessen individueller Anleger dienen und sich unmittelbar aus deren Beziehung zur finanzierten Gesellschaft ergeben. S. ausführlich zu den Bedeutungsebenen des Begriffes „Anlegerschutz“ Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 93 ff. S. mit einer abstrakten Aufgliederung typischer Kapitalanlegerinteressen zudem Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 9 II.2. (S. 488 ff.). 882 Vgl. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 130; Frantzen, Genußscheine, S. 238 f.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
gramm der Finanzierungsbeziehung einzugreifen.883 So ist es ihr etwa möglich, im Rahmen von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten oder durch Wahlmöglichkeiten auf Ebene der Gewinnverwendung auf die leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren einzuwirken (2.). Zudem können bestimmte Kapital- und Strukturmaßnahmen das tokenisierte Gläubigerrecht wirtschaftlich aushöhlen (3.). Aufgrund der mittelbaren „Definitionsgewalt“884 der finanzierten Gesellschaft müssen Mezzanine-Anleger befürchten, dass sich das übernommene Investitionsrisiko einseitig zu ihren Lasten verlagert.885 Das ist vor allem deshalb problematisch, weil den Token-Gläubigern mitgliedschaftstypische Einflussmöglichkeiten fehlen.886 Die Anleger insoweit auf den reflexhaften Schutz durch die Überwachungstätigkeit der Venture Capital-Geber zu verweisen, griffe zu kurz. Zwar verfolgen Gründer, Venture Capital-Investoren und Token-Gläubiger im Hinblick auf die allgemeine unternehmerische Entwicklung konvergierende Ziele.887 Ein vollständiger Interessengleichlauf ist dadurch aber nicht gewährleistet. Spätestens, wenn es um die Verteilung erwirtschafteter Erträge oder realisierter Wertsteigerungen geht, sind Interessenwidersätze unausweichlich.888 In einem ersten Schritt stellt sich daher die Frage, zu welchem Grad der Emittent verpflichtet ist, bei seinen Entscheidungen auf die Belange der Token-Gläubiger Rücksicht zu nehmen (1.). Da der Schutz der Hybridgläubiger im Gesetz nur fragmentarisch geregelt ist (s. § 216 Abs. 3 AktG, § 57m GmbHG, § 23 UmwG),889 bedarf es in diesem Zusammenhang des Rückgriffs auf allgemeine schuldrechtliche Instrumentarien. Inwieweit verbandsrechtliche Wertungen dabei eine Rolle spielen, ist im Einzelfall kritisch zu hinterfragen. 1. Haftungsbewehrte Sorgfaltspflichten Aufgrund der erfolgsabhängigen Komponente von hybriden Beteiligungstiteln bedrohen Misswirtschaft und unseriöse unternehmerische Entscheidungen die vermögensrechtlichen Belange der Token-Inhaber u. U. einschneidend und nachhaltig. Je nach konkreter Ausgestaltung in den Emissionsbedingungen können wirtschaftliche Fehlentwicklungen die Verzinsung mindern oder gänzlich vereiteln; bei Sub-
883
Vgl. Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 226; Lindemann, Gewinnabhängige Ansprüche, S. 26 f.; Wünsch, in: FS Strasser, S. 871, 881; Sethe, AG 1993, 351, 359. 884 Frantzen, Genußscheine, S. 239. 885 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 127, 579. 886 Vgl. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 130 f.: „Inkongruenz von Risiko und Verwaltung“ (Kursivsetzung im Original); Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 127; Frantzen, Genußscheine, S. 239. 887 S. B.II. 888 Vgl. Florstedt, in: FS K. Schmidt (2009), S. 399, 407; ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 127. 889 Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 123; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 148.
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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ordination und Verlustbeteiligung droht gar ein Totalausfall des Investments.890 Zudem wird die Desinvestition über den Sekundärmarkt nach dem Bekanntwerden etwaiger Missstände zumeist nur unter Inkaufnahme erheblicher Kursverluste möglich sein. Andererseits liegt in der Partizipation an den unternehmerischen Chancen und Risiken gerade das prägende Merkmal der Beteiligungsklasse. Die Anleger erwerben bewusst ein spekulatives Finanzinstrument und übernehmen damit das Ertragsrisiko. Wirtschaftliche Fehlentscheidungen und unternehmerische Misserfolge haben die Token-Inhaber daher grundsätzlich hinzunehmen.891 Gleichwohl sind der Entscheidungsfreiheit des Emittenten mit Rücksicht auf die Interessen der Mezzanine-Investoren gewisse Schranken gesetzt. Als äußerste Grenze des unternehmerischen Ermessens ist im Lichte der §§ 138, 226, 242, 826 BGB das allgemeine Schädigungsverbot anerkannt.892 In einer fast 70 Jahre als maßgeblich angesehenen Entscheidung nahm das Reichsgericht an, der Genussrechtsschuldner hafte für erfolglose Geschäftspraktiken, wenn „absichtlich“ zum Nachteil der Anleger gehandelt wurde.893 Das hierauf Bezug nehmende Schrifttum erklärte „treu- oder sittenwidrige“ Schädigungen für haftungsbegründend.894 Jedenfalls bleibe es dem Emittenten unterhalb dieser Schwelle überlassen, auf welche Weise er seine Geschäft führt; weitergehende Pflichten gingen aus der Finanzierungsbeziehung nicht hervor.895 a) Erweiterte Sorgfaltspflichten nach der Klöckner-Rechtsprechung Zu einer grundlegenden Veränderung des Meinungsbildes führte die KlöcknerEntscheidung des BGH aus dem Jahr 1992. Danach haftet die Gesellschaft den Inhabern mitgliedschaftsähnlicher Genussrechte, wenn sie die Pflicht, „in gewissem Umfang […] für die Erhaltung und den Schutz der Genußrechte zu sorgen[,] […] durch eine Geschäftstätigkeit, die dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand nicht entspricht oder die kaufmännisch schlechthin unseriös und verantwortungslos ist,“ verletzt.896 Die damit anerkannte Schutz- und Verhaltenspflicht des Emittenten flankiert als unmittelbarer Ausfluss des Genussrechtsverhältnisses 890
Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 162 f. Vgl. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 129; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 581; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 163; Habersack, AG 2009, 801, 803. 892 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 132; U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 518; Florstedt, ZIP 2017, 49, 57. 893 RGZ 105, 236, 241. Der Sache nach prüfte das Gericht eine Haftung nach § 826 BGB, Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 132. Zu den Voraussetzungen des deliktsrechtlichen Vermögensschutzes im Einzelnen s. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 137 f. 894 Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 116; U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 518; Wünsch, in: FS Strasser, S. 871, 881; Vollmer, ZGR 1983, 445, 467 (Zitat dort); kritisch hierzu Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 391. 895 RGZ 105, 236, 240 f. 896 BGHZ 119, 305, 306 (Leitsatz e)). 891
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
die Hauptleistungspflichten der Finanzierungsbeziehung.897 Inhalt, Intensität und Umfang der aus § 241 Abs. 2 BGB abgeleiteten Nebenpflicht bestimmen sich nach dem Charakter des jeweiligen Schuldverhältnisses.898 Im Falle einer MezzanineFinanzierung treffen die kapitalaufnehmende Gesellschaft Rücksichtnahmepflichten, deren Intensität aufgrund der Dauer der vertraglichen Beziehung und der damit verbundenen Möglichkeit, auf die Belange der Kapitalgeber einzuwirken, im Vergleich zu einfachen Austauschverhältnissen besonders ausgeprägt ist.899 Kommt der Kapitalnehmer dieser Verpflichtung nicht nach, haftet er den Anlegern nach § 280 Abs. 1 BGB.900 Genussrechtsgläubiger sind somit nicht von vornherein auf deliktsrechtliche Ansprüche beschränkt.901 Gegen die Anerkennung schadensersatzbewehrter Nebenpflichten wenden sich Literaturstimmen, die auf die vermeintliche Unvereinbarkeit mit verbandsrechtlichen Prinzipien hinweisen. Es sei zu befürchten, dass der Handlungsspielraum der Geschäftsleitung (§ 76 Abs. 1 AktG; § 35 GmbHG) über Gebühr beschnitten würde.902 Eingriffe in das innverbandliche Machtgefüge der finanzierten Gesellschaft drohten insbesondere, weil Mezzanine-Kapitalgeber die Möglichkeit erhielten, unliebsame Entscheidungen durch vorbeugende Unterlassungsansprüche zu unterbinden.903 Dass die emittierende Gesellschaft einen weiten unternehmerischen Ermessensspielraum für sich reklamieren kann, bezweifeln aber auch die Befür-
897
Frantzen, Genußscheine, S. 237 ff.; Lutter, ZGR 1993, 291, 300 ff. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 122; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 59. Vor der Schuldrechtsmodernisierung stellte das Schrifttum auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben ab, s. Frantzen, Genußscheine, S. 237. Allgemein zur inhaltlichen Konkretisierung von Schutzpflichten s. Bachmann, in: MünchKomm BGB, § 241 Rn. 55; Grüneberg, in: ders., BGB, § 241 Rn. 7; Olzen, in: von Staudinger, BGB, § 241 Rn. 418. 899 BGHZ 119, 305, 330 (Klöckner); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 130 f.; Frantzen, Genußscheine, S. 238 ff.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 392 f.; Lutter, ZGR 1993, 291, 301. 900 BGHZ 119, 305, 331 (Klöckner); bestätigt durch BGHZ 197, 284, 296 (Eurohypo); BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1167 f. (Corealcredit). Die Lehre ist dem ganz überwiegend gefolgt: Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 131 ff.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 471 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 272; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 416; Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 115 ff.; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 65a; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 225; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 96; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 64; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 85; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.37; a. A. Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 136 ff., der für einen „schuldrechtlichen Residualschutz“ auf Grundlage der §§ 138, 226, 242, 826 BGB plädiert; ferner Mülbert, in: FS Hüffer, S. 679, 687 ff.; Becker, NZG 2012, 1089 ff.; Bracht, WM 2012, 585, 586 ff. 901 Vgl. zu den Unzulänglichkeiten des Deliktsrechts aus Anspruchstellersicht Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 125 (insb. Fn. 528). 902 U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 517. 903 Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 198 f. 898
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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worter der Klöckner-Grundsätze nicht.904 Dem ist bei der Bildung eines geeigneten Sorgfaltsmaßstabs Rechnung zu tragen.905 Die Anerkennung schuldrechtlicher Verhaltenspflichten stellt die verbandsinterne Kompetenzordnung nicht in Frage. Der Vorstand bzw. die Geschäftsführung bleiben allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet.906 Nicht zu überzeugen vermag überdies der Einwand, Mezzanine-Kapitalgeber würden durch die Anerkennung von Ersatzansprüchen unzulässig gegenüber Gesellschaftern privilegiert.907 Die Charakterisierung der Beteiligungsinstrumente als mitgliedschaftsähnlich bringe es mit sich, dass die Hybridkapitalgeber haftungsmäßig mit Gesellschaftern auf einer Stufe stünden. Genussrechtsinhaber seien daher auf die Innenhaftung gem. § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG zu verweisen.908 Eine vollständige vermögens- und haftungsmäßige Gleichstellung von Gesellschaftern und Token-Anlegern ist indes weder nach den Emissionsbedingungen vorgesehen noch wertungsmäßig geboten.909 Das zeigt sich schon daran, dass die Mezzanine-Finanzierer im Insolvenzfall selbst dann vorrangig gegenüber den Gesellschaftern bedient werden, wenn sie am Verlust teilnehmen.910 Die Unterschiedlichkeit der Beteiligungsformen spiegelt sich zudem in dem Umstand wider, dass selbst eigenkapitalnahe Genussrechte keinen mitgliedschaftlichen Mindestschutz genießen.911 Aber auch Gläubigerschutzinstrumente wie das Verfolgungsrecht gem. § 93 Abs. 5 AktG912 stehen den Kapitalgebern nach Ansicht des BGH nicht zur Verfügung, wenn die Beteiligung wie im Fall eines Genussrechts mit Verlustteilnahme Risikocharakter aufweist.913 Nach der h. M. liegt gerade in der damit ver-
904 S. BGHZ 119, 305, 331 (Klöckner); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 128; Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 119; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 14; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 393. 905 Vgl. so letztlich auch Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 196 ff. 906 Zum Begriff des Unternehmensinteresses und den damit assoziierten Unschärfen s. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. 8. 2011 – 13 U 100/10 = ZIP 2011, 2008 ff.; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 67 ff.; Kort, AG 2012, 605 ff. jew. m. w. Nachw. 907 OLG Düsseldorf, Urt. v. 10. 5. 1991 – 17 U 19/90 = ZIP 1991, 1070, 1076; Bracht, WM 2012, 585, 587; Busch, AG 1993, 163, 166. 908 Bracht, WM 2012, 585, 587. 909 Vgl. BGHZ 119, 305, 331 (Klöckner); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 129 f.; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 195 f.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 397 ff. 910 Vgl. BGHZ 119, 305, 327 (Klöckner); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 129 f. 911 S. A.II.2.a)bb)(5). 912 Für die GmbH gilt nach h. M. aufgrund der übereinstimmenden Interessenlage Entsprechendes, vgl. Altmeppen, in: ders., GmbHG, § 43 Rn. 94 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 6. 913 BGHZ 119, 305, 314 f. (Klöckner); Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 273; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 416.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
bundenen Schutzlosigkeit der Hybridgläubiger die sachliche Rechtfertigung dafür, pflichtwidrige Risikoverlagerungen haftungsrechtlich auszugleichen.914 b) Sorgfaltsmaßstab Im Mittelpunkt der Debatte über die gegenüber Mezzanine-Anlegern geschuldete Rücksichtnahme steht die Frage nach einem geeigneten Sorgfaltsmaßstab. Während ein Teil des Schrifttums die mit Gesellschaftern vergleichbare Interessenlage betont und auf dieser Grundlage verbandsrechtliche Maßstäbe anlegt (aa)), haben der BGH und die herrschende Lehre spezifische Sorgfaltsanforderungen aufgestellt (bb)). aa) Sorgfaltsanforderungen entsprechend dem verbandsrechtlichen Pflichtenmaßstab? Eine von Habersack geprägte Literaturansicht spricht sich dafür aus, den Sorgfaltsmaßstab nach § 93 Abs. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG auf das Verhältnis zu den Mezzanine-Kapitalgebern zu übertragen.915 Dafür spreche, dass der Gesetzgeber durch die Ausrichtung des Geschäftsleiterhandelns am Unternehmensinteresse eine Wertentscheidung getroffen habe, die angesichts der wirtschaftlich vergleichbaren Situation auch im Außenverhältnis gegenüber Mezzanine-Kapitalgebern zu berücksichtigen sei.916 Auf diese Weise werde dem Bedürfnis nach einem einheitlichen Haftungsmaßstab Rechnung getragen.917 Aus der entsprechenden Anwendung der organschaftlichen Sorgfaltsanforderungen folge, dass die Belange der Hybridgläubiger jedenfalls insoweit in die Entscheidungsfindung einzubeziehen seien, als sie mit dem übergeordneten Unternehmensinteresse an nachhaltiger Rentabilität vereinbar sind.918 Kollidieren das Gesellschaftswohl und das Renditeinteresse der Token-Inhaber, haben letztere demzufolge das Nachsehen.919 Des Weiteren werde durch die entsprechende Anwendung der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verankerten
914 BGHZ 119, 305, 331 (Klöckner); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 130; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 470; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 272; Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 116; Leuschner, in: GKGmbHG, § 29 Rn. 225; kritisch hierzu Bracht, WM 2012, 585, 587. 915 S. grundlegend Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 398 ff. Hieran anknüpfend Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 132 f.; Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 118 f.; Lindemann, Gewinnabhängige Ansprüche, S. 103 f.; Lorch, Börsenfähiger Genußschein, S. 306 f.; Stadler, in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, § 221 Rn. 95. 916 Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 133; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 398 f. 917 Ders., in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 276. 918 Ders., ZHR 155 (1991), 378, 399. 919 Vgl. Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 399.
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business judgement rule sichergestellt, dass der Unternehmensleitung ausreichend Ermessens- und Handlungsspielraum zur Verfügung steht.920 Bis hierhin kann dem verbandsrechtlich argumentierenden Ansatz zwar nicht in der dogmatischen Herleitung, wohl aber im praktischen Ergebnis beigepflichtet werden. Zu welchem Maß an Sorgfalt und Rücksichtnahme die emittierende Gesellschaft den Mezzanine-Gläubigern gegenüber verpflichtet ist, richtet sich nach der von den Parteien zu Grunde gelegten Risikoverteilung.921 Verbandsrechtliche Wertungen können im Rahmen der erforderlichen Auslegung922 insofern Berücksichtigung finden, als sie über die Grenzen der eingegangenen Bindung Aufschluss geben. Denn eine mit den Grundpfeilern des Verbandes im Konflikt stehende Einschränkung der (vertragsgemäßen) Handlungsmöglichkeiten kann weder von der finanzierten Gesellschaft gewollt sein, noch von den Kapitalgebern vernünftigerweise erwartet werden. Der Gesellschaft steht es daher frei, Entscheidungen zu treffen, die den Token-Investoren zum Nachteil gereichen, wenn vorrangige Belange des Unternehmensinteresses – insbesondere das Interesse an der Bestandserhaltung und dauerhaften Rentabilitätssicherung923 – dies geboten erscheinen lassen. Darüber hinaus ist der finanzierten Gesellschaft hinsichtlich der Konkretisierung des Unternehmensinteresses ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Das gleiche gilt für unternehmerische Entscheidungen, die der Förderung des Gesellschaftswohls dienen.924 Problematisch erscheint der Rückgriff auf den verbandsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab jedoch, soweit Literaturstimmern hieraus auf einen Gleichlauf von Innenund Außenhaftung schließen. So geht namentlich Habersack davon aus, dass eine im Innenverhältnis als pflichtwidrig anzusehende Geschäftsführung stets auch gegenüber den Mezzanine-Kapitalgebern Ersatzansprüche begründet.925 Außerhalb des zuzugestehenden unternehmerischen Ermessens sei die Gesellschaft nicht schutzwürdig und hafte für alle Maßnahmen, die ein gewissenhafter Unternehmensleiter nicht ergriffen hätte.926 Im wirtschaftlichen Ergebnis führe dies dazu, dass Verluste
920 Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 133; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 276; ders., AG 2009, 801, 804; vgl. jedenfalls insoweit übereinstimmend auch Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 416. 921 Vgl. Fn. 898. 922 Angesichts der Kapitalmarktfähigkeit von Debt Token sind die Emissionsbedingungen unabhängig von der privatrechtlichen Einordnung als Wertpapier aus dem Blickwinkel eines verständigen Token-Anlegers auszulegen, vgl. in Bezug auf Genussscheinemissionen OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 15. 7. 2015 – 19 U 201/13 = NZG 2016, 1027; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 258. 923 Vgl. zum Begriff des Unternehmensinteresses bereits die Hinweise in Fn. 906. 924 Insoweit erscheint eine Orientierung an den Voraussetzungen der business judgement rule durchaus zweckmäßig. 925 Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 399. 926 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 276; Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 119.
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allein von den Gesellschaftern zu tragen seien, sofern von der Geschäftsleitung kein Ausgleich gem. § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG zu erlangen ist.927 Der BGH und der überwiegende Teil des Schrifttums haben dem zu Recht widersprochen.928 Zwar trifft es zu, dass die Inhaber eigenkapitalnaher Hybridinstrumente nicht den gleichen kapitalmäßigen Bindungen unterliegen wie Aktionäre bzw. GmbH-Gesellschafter, sodass einer Außenhaftung im Grundsatz nichts entgegensteht.929 Die Privilegierung der Mezzanine-Gläubiger darf aber nicht so weit gehen, dass ihnen das mit der Investitionsentscheidung eingegangene Risiko abgenommen wird. Sie haben sich bewusst dazu entschieden, an der wirtschaftlichen Entwicklung der finanzierten Gesellschaft zu partizipieren und ihre vermögensrechtliche Stellung damit der eines Gesellschafters angenähert.930 Der Beteiligungsabrede liegt das übereinstimmende Verständnis zugrunde, dass die Investoren das bereitgestellte Kapital über die Dauer der Finanzierungsbeziehung in der Gesellschaft belassen. Damit wäre es unvereinbar, könnten Anleger bei jedem internen Pflichtenverstoß Ersatz verlangen. Der damit verbundene Kapitalabfluss gliche einer vorzeitigen Rückzahlung und wäre aufgrund drohender Liquiditätsengpässe geeignet, eine im Übrigen positive Unternehmensentwicklung zu gefährden.931 Angesichts des mittelbaren Schutzes den die Gläubiger aufgrund der innerverbandlichen Ersatzansprüche nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG genießen, besteht hierfür bei einfachen Sorgfaltsverstößen keine Notwendigkeit. Im Gegenteil muss es auf systematische Bedenken stoßen, den in den Kontext der Innenhaftung eingebetteten Sorgfaltsmaßstab auf das Außenverhältnis zu erstrecken. Mit der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ist daher anzunehmen, dass die Haftung der Gesellschaft gegenüber Mezzanine-Kapitalgebern an strengere Voraussetzungen anknüpft als die verbandsinterne Geschäftsleiterhaftung.932 bb) Pflicht zur Einhaltung des statutarischen Unternehmensgegenstands und zur Unterlassung schlechthin unverantwortlicher unternehmerischer Entscheidungen Mit der Feststellung, dass der Emittent den Hybridgläubigern nicht für jeden internen Pflichtenverstoß haftet, ist bloß der erste Schritt getan. Welche Verhaltensweisen das durch die Finanzierungsabrede übernommene Risiko im Einzelnen überschreiten, wird unterschiedlich beurteilt. Unstreitig ist lediglich, dass vorsätz927
Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 399. BGHZ 119, 305, 331 (Klöckner); BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1167 f. (Corealcredit); Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 585; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 196 ff.; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 65a; Lutter, ZGR 1993, 291, 301; Sethe, AG 1993, 351, 361 f. 929 Hierauf verweisend Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 399 f. 930 Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 196. 931 Ders., Kapitalgeberschutz, S. 196 f. 932 S. bereits die Hinweise in Fn. 928. 928
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liche und rechtsmissbräuchliche Nachteilszufügungen von den Kapitalgebern nicht hinzunehmen sind.933 Hiervon abgesehen hat der BGH die Haftung gegenüber Genussrechtsinhabern in der Klöckner-Entscheidung auf Fälle begrenzt, in denen der Emittent durch seine Geschäftstätigkeit den statutarisch festgelegten Unternehmensgegenstand verlässt oder Entscheidungen trifft, „die schlechthin nicht gerechtfertigt werden können und zu deren Durchführung ein verantwortungsbewußt denkender und handelnder Kaufmann zu keiner Zeit bereit wäre.“934 Diese beiden Ausprägungen der vertraglichen Sorgfaltspflichtverletzung sind im Folgenden näher zu beleuchten. (1) Pflicht zur Einhaltung des statutarischen Unternehmensgegenstands Der nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG anzugebende Gegenstand des Unternehmens bezeichnet die Art und den Bereich der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft.935 Neben der internen Begrenzung der Geschäftsführungsbefugnis hat der zwingende Satzungsinhalt den Zweck, den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit für außenstehende Dritte erkennbar zu machen.936 Aufgrund dieser gläubigerschützenden Zielrichtung erscheint die Annahme einer Pflicht zur Einhaltung der selbst gesetzten Grenzen im Grundsatz konsequent.937 In ihr spiegelt sich die vertragliche Risikoverteilung wider: Die TokenAnleger treffen ihre Investitionsentscheidung vor dem Hintergrund einer bestimmten wirtschaftlichen Betätigung der finanzierten Gesellschaft. Das übernommene Ertrags- und ggf. Verlustrisiko hängt dabei mit dem konkreten Unternehmensgegenstand untrennbar zusammen.938 Aufgrund branchenspezifischer Risiken macht es für die Anleger einen erheblichen Unterschied, ob sie etwa in ein Lebensmittel- oder in ein Blockchain-Start-up investieren.939 In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass Strategiewechsel, die das Geschäftsmodell betreffen, gerade im Kontext der Wagnisfinanzierung keine Seltenheit darstellen. Die im Jargon als pivot bezeichneten Anpassungen können in der Frühphase der Unternehmung sogar
933 S. nur BGHZ 119, 305, 330 (Klöckner); Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 138, 587 jeweils in Anlehnung an RGZ 105, 236, 241. 934 BGHZ 119, 305, 331 (Klöckner). 935 Vgl. BGHZ 102, 209, 213; Pentz, in: MünchKomm AktG, § 23 Rn. 69; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 3 Rn. 10; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 3 Rn. 7. 936 Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 3 Rn. 7; Solveen, in: Hölters/Weber, AktG, § 23 Rn. 22. 937 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 589. 938 S. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 201. 939 Selbst zwischen diesen Branchen bestehen im Übrigen zunehmend Schnittmengen, was die Notwendigkeit der nachfolgenden Einschränkungen nur unterstreicht, vgl. Schmitt, Kaffee trifft auf Blockchain, 30. 11. 2020, abrufbar unter: https://tinyurl.com/229bv36h.
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überlebenswichtig sein.940 Vor diesem Hintergrund lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen. Zum einen wird der Emittent den Verzicht auf Änderungen des Unternehmensgegenstandes nicht uneingeschränkt versprechen wollen.941 Entsprechende Satzungsänderungen bewegen sich somit vorbehaltlich anderslautender Vereinbarungen im Rahmen der vertragsgemäßen Betätigung.942 Zum anderen wird der finanzierten Gesellschaft hinsichtlich ihrer Pflicht, die Grenzen des Unternehmensgegenstands einzuhalten, eine gewisse Fehlertoleranz zuzubilligen sein. Andernfalls ergäbe sich ein wertungsmäßiges Ungleichgewicht im Verhältnis zur zweiten Haftungsalternative, der schlechthin unvertretbaren unternehmerischen Entscheidung.943 Da der Unternehmensgegenstand in der Satzung typischerweise nur generalklauselartig festgelegt ist, kann zudem ungewiss sein, ob bestimmte, als sinnvoll erachtete Hilfsgeschäfte umfasst sind oder nicht. Es besteht daher bereits bei Vertragsschluss ein erkennbares wirtschaftliches Bedürfnis, den unternehmerischen Spielraum der Gesellschaft nicht über Gebühr zu begrenzen.944 Auf entsprechende Kritik des Schrifttums945 hin hat der BGH seine Rechtsprechung in der Corealcredit-Entscheidung korrigiert. Danach ist eine außerhalb des Unternehmensgegenstands entfaltete Tätigkeit im Verhältnis zu den Mezzanine-Gläubigern nur relevant, wenn „ein seriöser Kaufmann […] [sie] schlechterdings nicht durchführen würde“.946 Haftungsbegründend sind mithin Überschreitungen, die aufgrund ihrer Schwere einen qualifizierten Pflichtenverstoß darstellen. (2) Pflicht zur Unterlassung schlechthin unverantwortlicher unternehmerischer Entscheidungen Bereits im Anschluss an die Klöckner-Rechtsprechung war zudem weithin anerkannt, dass die emittierende Gesellschaft gegenüber Genussrechtsgläubigern zur Einhaltung der äußersten Grenzen seriöser Unternehmensführung verpflichtet ist.947 Fraglich ist, wie die formelhaften Ausführungen des BGH tatbestandlich zu konturieren sind. Aufgrund der Vielgestaltigkeit und Schnelllebigkeit des Wirtschafts940
Vgl. hierzu grundlegend Ries, The Lean Startup, S. 149 ff. S. losgelöst vom Kontext der Start-Up-Finanzierung Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 201; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 388. 942 Zu den aktienrechtlichen Erfordernissen eines (expliziten) vertraglichen Verzichts s. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 202. 943 Ders., Kapitalgeberschutz, S. 202; Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 388. 944 Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 472; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 202; vgl. auch Karollus, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt u. a., AktG, § 221 Rn. 388; Lutter, ZGR 1993, 291, 301. 945 S. die vorherigen Fußnummern. 946 BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1167 f. (Corealcredit). 947 Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 203 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 361 f. 941
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verkehrs verspricht ein enumerativer Ansatz, der versucht, haftungsbegründende Verhaltensweisen abschließend zu benennen, von vornherein keinen Erfolg. Ein Teil der Lehre zieht sich daher auf die Wertungen nach § 826 BGB zurück.948 Ein signifikanter Erkenntnisgewinn ist damit indes nicht verbunden, denn auch aus dem Blickwinkel der Generalklausel führt an einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und des spezifischen wirtschaftlichen Zusammenhangs kein Weg vorbei.949 Orientierung kann nur die Kasuistik bieten.950 Aus der Rechtsprechung des BGH, die im Fall Klöckner hochspekulative Öltermingeschäfte und im Folgeurteil ruinöse Zinsderivatgeschäfte betraf,951 lässt sich insofern ableiten, dass jedenfalls die Eingehung exzessiver Geschäftsrisiken Haftungsfolgen nach sich ziehen kann.952 Satzungs- oder Gesetzesverstöße sind zumindest dann als Sorgfaltsverstoß zu qualifizieren, wenn ein normativer Zusammenhang zu den Gläubigerinteressen besteht.953 c) Verschuldensmaßstab Ob die Haftungsvoraussetzungen auch auf der Verschuldensebene höher anzusetzen sind, bleibt nach dem jüngsten Judikat des BGH unklar. Während der II. Zivilsenat in der Klöckner-Entscheidung diesbezüglich schwieg, schließt das Gericht in der Folgeentscheidung die Haftung für „fahrlässig außerhalb des Unternehmensgegenstands entfaltet[e]“ Tätigkeiten aus.954 Richtiger Ansicht nach ist trotz der irreführenden Formulierung vom allgemeinen schuldrechtlichen Verschuldensmaßstab nach § 276 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB auszugehen.955 Aus dem Inhalt des Finanzierungsverhältnisses ergibt sich nichts anderes i. S. v. § 276 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Gesellschaft für schwerwiegende aber nur fahrlässig begangene Sorgfaltsverstöße nicht verantwortlich zeichnen sollte. Eine überbordende Haftung droht infolgedessen nicht; das Erfordernis qualifizierter Pflichtwidrigkeiten erfüllt insofern eine Filterfunktion.956 Die praktische Tragweite der Frage ist letztlich begrenzt, da die Vornahme grob pflichtwidriger 948
Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 204 f. Vgl. ders., Kapitalgeberschutz, S. 182 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 361. 950 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 586. 951 Mit einer prägnanten Darstellung der jeweiligen Sachverhalte s. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 121 f. 952 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 586. 953 Vgl. ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 138, 587. 954 BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1167 (Corealcredit) (Kursivsetzung hinzugefügt) m. Anm. Bracht, EWiR 2014, 441, 442. 955 Vor dem Hintergrund der Klöckner-Entscheidung so auch Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 134 f.; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 203 f.; Müller, in: GKGmbHG2, Anh. § 29 Rn. 14; Sethe, AG 1993, 351, 361 jew. m. Nachw. zur Gegenansicht des älteren Schrifttums. 956 Vgl. Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 135 (Fn. 586): Sorgfaltspflichten als „Flaschenhals der Haftung“. 949
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Geschäfte in den allermeisten Fällen auch mit einem mindestes fahrlässigen Organverhalten einhergeht.957 d) Anwendungsbereich Der BGH hat seine Rechtsprechung anhand von „aktienähnlichen“ Genussscheinen entwickelt.958 Die Lehre ist dem ganz überwiegend gefolgt, stimmt aber nicht darin überein, welche Ausstattungsmerkmale im Einzelnen die pflichtensteigernde Wirkung entfalten.959 Insbesondere in Bezug auf „obligationenähnliche“ Instrumente, die einen festen Rückzahlungsanspruch gewähren, gehen die Auffassungen auseinander.960 Erkennt man den Ursprung der Rücksichtnahmepflichten zutreffend in dem allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 241 Abs. 2 BGB Ausdruck gefunden hat, kann es bei der Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze derweil nicht um eine Entweder-oder-Entscheidung gehen. Vielmehr variiert die Intensität der gebotenen Rücksichtnahme in Abhängigkeit vom Grad der gegebenen Einwirkungsmacht, dem Ausmaß der den Kapitalgebern dadurch drohenden Gefahren und der Dauer der jeweiligen Finanzierungsbeziehung.961 Einzelne Gestaltungsmöglichkeiten aus der gesamten Bandbreite hybrider Instrumente für pflichtenbegründend zu erklären, mutet nicht nur arbiträr an, sondern ebnet auch den Weg für Umgehungsstrategien. Solange die MezzanineGläubiger vom Verhalten des Emittenten in erheblichem Maße wirtschaftlich abhängig sind, müssen der finanzierten Gesellschaft schuldrechtliche Grenzen gezogen sein, mögen diese auch nur den äußersten Bereich hinzunehmender Handlungsfreiheit markieren.962 Eine solche Abhängigkeit besteht auch dann, wenn die Hybridkapitalgeber zwar keine Herabsetzung des Rückzahlungsanspruch befürchten müssen, dafür aber eine Verkürzung oder gar den vollständigen Ausfall einer erfolgsabhängigen Verzinsung.963 Denn auch in diesem Fall sind die Kapitalgeber pflichtwidrigen Einwirkungshandlungen schutzlos ausgeliefert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwar nach herrschender Meinung nur den Inhabern von Genussrechten mit Eigenkapitalcharakter das Verfolgungsrecht gem. § 93 Abs. 5 957
Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 135. S. BGHZ 119, 305, 314 f. (Klöckner) und BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166 ff. (Corealcredit), wobei hier sog. KWG-Genussrechte i. S. v. § 10 Abs. 5 KWG a. F. Gegenstand der Entscheidung waren. 959 Vgl. dazu mit umfassenden Hinweisen zum Streitstand Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 591. 960 Gegen Anwendung der Klöckner-Grundsätze: Sethe, AG 1993, 351, 368. Dafür: Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 471; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 274a; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 85; Lutter, ZGR 1993, 291, 302 (implizit). 961 Vgl. insoweit die Hinweise bei Fn. 898 und 899. 962 Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 205 f. 963 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 274a; insoweit kritisch Mülbert, in: FS Hüffer, S. 679, 698. 958
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AktG964 abgeschnitten ist,965 was sie auf den ersten Blick schutzbedürftiger erscheinen lässt.966 Doch hilft die gläubigerschützende Regelung auch Hybridgläubigern mit fixiertem Rückzahlungsanspruch nicht weiter, soweit diesen eine ergebnisabhängige Verzinsung zugesagt ist. Denn das Verfolgungsrecht setzt das Bestehen eines Leistungsanspruchs voraus und greift nicht ein, wenn die Gesellschaft durch sorgfaltswidrige Geschäftsführung geschädigt wurde, sodass ein Anspruch gar nicht erst oder nur in reduziertem Umfang zur Entstehung gelangt.967 Ob tokenisierte Gläubigerrechte eine Verlustbeteiligung oder „lediglich“ eine erfolgsorientierte Vergütung vorsehen, kann für die Existenz von Rücksichtnahmepflichten folgerichtig nicht ausschlaggebend sein.968 e) Haftungsinhalt und Geltendmachung Adressatin der aufgezeigten Schutzpflichten ist die emittierende Gesellschaft, der das Verhalten ihrer Organe analog § 31 BGB zuzurechnen ist.969 Die im Falle einer Nebenpflichtverletzung eingreifende Haftung gem. §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB ist bei Fortbestand des schuldrechtlichen Beteiligungsverhältnisses auf Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB gerichtet. Wurde der Rückzahlungsanspruch aufgrund einer pflichtwidrigen Verlustbeteiligung herabgesetzt, ist nach Ansicht des BGH Wiederauffüllung geschuldet.970 In der Literatur hat sich derweil die Auffassung durchgesetzt, dass der primäre Rückzahlungsanspruch des Mezzanine-Gläubigers in diesem Fall unverändert fortbesteht, sodass es insoweit keines sekundären Ersatzanspruchs bedarf.971 Wird der innere Wert der Finanzierungsinstrumente lediglich mittelbar dadurch beeinträchtigt, dass das Gesellschaftsvermögen geschädigt und die ergebnisorientierte Verzinsung infolgedessen vermindert wird, ist sicherzustellen, dass es nicht zur Überkompensation der Hybridkapitalgeber kommt. Denn sobald der Emittent für die erlittene Vermögenseinbuße Ersatz erlangt, entfällt auch der Schaden der Token-
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Vgl. zur analogen Rechtslage im GmbH-Recht Fn. 912. BGHZ 119, 305, 314 f. (Klöckner); Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 273; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 416. 966 Vgl. Sethe, AG 1993, 351, 368. 967 So zutreffend Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 274a. 968 Ebenso wenig spielt die typologische Einordnung der tokenisierten Instrumente (z. B. als Genussrecht, partiarisches Nachrangdarlehen, Gewinnschuldverschreibung) eine Rolle, vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 205 f. 969 BGHZ 119, 305, 333 (Klöckner); Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 596; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 398; Sethe, AG 1993, 351, 361. 970 BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1168 (Corealcredit); Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 474. 971 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 278; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 415; Habersack, AG 2009, 801, 806. 965
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Anleger.972 Kommt ein vollständiger Nachteilsausgleich nicht zustande, sind die daraus resultierenden Verluste den Mezzanine-Gläubigern gegenüber nicht in Ansatz zu bringen. Diese können die Zahlung des Betrages verlangen, der ihnen zugestanden hätte, wenn die Gesellschaft die leistungsbestimmenden Faktoren auf Grundlage einer korrigierten Bilanz ordnungsgemäß bestimmt hätte.973 Sind die Mezzanine-Beteiligungen wie im Fall der Klöckner-Genussrechte bereits erloschen, kommt nur Geldersatz gem. § 251 Abs. 1 BGB in Betracht.974 Ein für die Beteiligungsinstrumente vorgesehener Nachrang schlägt nach herrschender Meinung auf die geschilderten Ersatzansprüche durch.975 Diese sind somit erst nach der Befriedigung vorrangiger Gläubiger durchsetzbar.976 2. Pflichten in Bezug auf die leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren Weitere Gefahren für das Werterhaltungsinteresse der Token-Investoren resultieren daraus, dass ihre Vergütungsansprüche an Bezugsgrößen anknüpfen, welche die finanzierte Gesellschaft selbst erhebt und somit steuert. Dient als Bemessungsfaktor etwa der Bilanzgewinn, bedarf es zunächst dessen Feststellung; eine dividendenabhängige Verzinsung lässt sich nur auf Grundlage des Gewinnverwendungsbeschlusses bestimmen und Kicker-Zahlungen richten sich nach der vom Emittenten zu beziffernden Wertentwicklung. Die dadurch eröffnete Möglichkeit, auf den wirtschaftlichen Gehalt der Mezzanine-Instrumente einzuwirken, birgt die Gefahr einseitiger Risikoabwälzungen.977 Zu Beeinträchtigungen der Anlegerinteressen kann es insbesondere kommen, wenn die finanzierte Gesellschaft die jeweiligen Bemessungsgrößen gar nicht erst bestimmt (a)), falsch berechnet oder manipuliert (b)) oder im Rahmen bilanzieller Gestaltungsmöglichkeiten oder durch eine restriktive Ausschüttungspolitik beeinflusst (c)). Nicht jede Maßnahme, die sich aus Kapitalgebersicht nachteilig auswirkt, ist indes zu beanstanden. Ob die Mezzanine-Gläubiger geltend machen können, ihre Vergütungsansprüche seien fehler972
Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 188 f. S. zum Anspruch auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen sogleich unter C.I.2.a). 974 BGHZ 119, 305, 334 (Klöckner); BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1168 (Corealcredit); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 136; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 597; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 278; Sethe, AG 1993, 351, 362. 975 BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – II ZR 395/12 = ZIP 2014, 1166, 1171 (Corealcredit); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 136; Frantzen, Genußscheine, S. 130; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 279; Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 117 f.; Busch, AG 1993, 163, 166; a. A. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 189 f. 976 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 279. 977 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 139; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 416; Sethe, AG 1993, 351, 359. 973
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haft ermittelt und deshalb nach oben zu korrigieren, ist im Lichte der vertraglichen Risikoverteilung zu beantworten. a) Pflicht zur Ermittlung der Bezugsgrößen Die finanzierte Gesellschaft kann die Vergütungsansprüche der Anleger nicht dadurch vereiteln, dass sie die Ermittlung der Bezugsgrößen schlichtweg unterlässt. Sie ist den Token-Inhabern verpflichtet, die zur Leistungsbestimmung erforderlichen Handlungen vorzunehmen – gleich, ob es sich dabei um die Feststellung des Jahresabschlusses, das Fassen des Gewinnverwendungsbeschlusses oder sonstige Maßnahmen handelt.978 Zur Herleitung dieser vertraglichen Nebenpflicht lässt sich auf den Rechtsgedanken der §§ 162 Abs. 1, 315 Abs. 3 BGB rekurrieren.979 Umstritten ist, ob Mezzanine-Gläubiger die Zahlung eines bestimmten Ausschüttungsbetrags geltend machen können, falls der Schuldner seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Teils wird dies mit dem Argument verneint, die Höhe des Zahlungsanspruchs stehe aufgrund des Beurteilungs- und Ermessensspielraums, welcher der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Bilanzierung und Gewinnverwendung zusteht, noch gar nicht fest.980 Daraus folgt jedoch nicht, dass die Kapitalgeber zunächst den Anspruch auf Vornahme der vergütungsbestimmenden Maßnahmen durchsetzen müssten.981 Denn soweit die Emissionsbedingungen an den Bilanzgewinn bzw. die Höhe der Dividende anknüpfen, entsteht der Verzinsungsanspruch keineswegs bloß aufschiebend bedingt.982 Vielmehr machen die Finanzierungsparteien die Leistungsbestimmung implizit von der internen Willensbildung der Gesellschaft abhängig. Der Sache nach wird dem Emittenten dadurch ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt, welches er gem. § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel nach billigem Ermessen auszuüben hat.983 Unterbleibt eine entsprechende Ermessensbetätigung können die Mezzanine-Gläubiger nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB unmittelbar auf Zahlung klagen.984 In diesem Fall hat das Gericht die Vergütungs978
Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 142, 601; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 281; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 65; Leuschner, in: GK-GmbHG, § 29 Rn. 223; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 195; Wöckener/Becker, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.38. 979 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 142, 601; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 281. 980 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 142, 601. 981 So aber ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 601. 982 So aber ders., in: KK-AktG, § 221 Rn. 601. 983 Sethe, AG 1993, 351, 359 f. 984 So zu Recht die h. L.: Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 281; Hirte, in: GKAktG, § 221 Rn. 417; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 15; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.38. Da das Gericht den Vertragsinhalt verbindlich festlegt, wird über die auf Leistung gerichtete Klage durch ein „verdecktes“ Gestaltungsurteil entschieden, s. Grüneberg, in: ders., BGB, § 315 Rn. 17.
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höhe unter Abwägung der Interessen beider Vertragsseiten zu bestimmen.985 Die verbandsinterne Gewinnfeststellung und Gewinnverwendung bleiben hiervon unberührt.986 b) Berechnungsfehler und Größenmanipulationen Berechnungsfehler oder gar gezielte Manipulationen zählen grundsätzlich nicht zu den Risiken, die die Anleger durch die partiarische Vergütungsabrede übernehmen.987 Unrichtigkeiten, die etwa den Jahresüberschuss oder den im Rahmen eines Exits realisierten Erlös betreffen, können von den Kapitalgebern daher uneingeschränkt geltend gemacht werden.988 Da der Primäranspruch in Rede steht, kommt es auf die Klöckner-Grundsätze oder ein etwaiges Verschulden insoweit nicht an.989 Komplizierter stehen die Dinge, wenn die Auslegung der Emissionsbedingungen ergibt, dass die vermögensrechtliche Stellung der Hybridgläubiger derjenigen der Gesellschafter entsprechen soll. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn das Genussrechtsverhältnis an den Bilanzgewinn oder die Dividendenhöhe anknüpft.990 Da die Feststellung des Jahresabschlusses für Aktionäre bzw. GmbH-Gesellschafter bis zur Nichtigkeitsgrenze verbindlich ist, liegt es nahe, eine entsprechende Bindungswirkung auch gegenüber den Genussrechtsinhabern anzunehmen.991 Sie haben fehlerhafte Jahresabschlüsse daher hinzunehmen, sofern ein Gesellschafter sich hiergegen nicht mit der Nichtigkeitsklage zur Wehr setzen kann.992 Liegen Gründe vor, welche gem. § 256 AktG993 die Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses nach sich zögen, wenn ein Gesellschafter sie geltend machte,994 ist der Jahresabschluss 985
Vgl. zur gerichtlichen Entscheidungskompetenz Würdinger, in: MünchKomm BGB, § 315 Rn. 61 f. 986 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 281. 987 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 143. 988 OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 9. 2020 – 6 U 137/19 = AG 2021, 758, 763; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 605; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 282; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 63; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.39. 989 Frantzen, Genußscheine, S. 220 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 282; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 63; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.39. 990 Vgl. BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 282. 991 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 603; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 282; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 63; Fest, WM 2019, 1093, 1098 f.; Florstedt, ZIP 2017, 49, 52. 992 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 603. 993 Zur sinngemäßen Anwendung im GmbH-Recht s. Koch, in: MünchKomm AktG, § 256 Rn. 87. 994 Den Token-Gläubigern steht die Nichtigkeitsklage gem. § 249 AktG selbstverständlich nicht offen.
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nach den Maßstäben des Genussrechtsverhältnisses dagegen als unbillige Leistungsbestimmung anzusehen und für die Bemessung der partiarischen Ansprüche gem. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unverbindlich. Um dies gerichtlich geltend zu machen, müssen Mezzanine-Gläubiger die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des darauf beruhenden Verwendungsbeschlusses (§ 253 Abs. 1 S. 1 AktG) nicht erst klageweise feststellen lassen, nur um anschließend den Anspruch auf erneute Ergebnisermittlung und Verwendungsentscheidung durchzusetzen.995 Stattdessen können die Token-Gläubiger ihre Zahlungsansprüche unmittelbar geltend machen, wobei das Gericht gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB zu bestimmen hat, wie die Genussrechte auf Grundlage eines fiktiven ordnungsgemäßen Jahresabschlusses zu bedienen sind.996 c) Bilanzierungswahlrechte und Gewinnthesaurierung Dass der Emittent bilanzpolitische Gestaltungsräume im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ausnutzt und Gewinne thesauriert, haben die MezzanineGläubiger grundsätzlich hinzunehmen.997 Denn wer sich damit einverstanden erklärt, dass sich Ausschüttungen am Bilanzgewinn oder der Dividendenhöhe orientieren, übernimmt das Risiko der Reserven- und Rücklagenbildung.998 Der Emittent ist insofern nicht zur Rücksichtnahme auf das Interesse an einer „angemessenen“ oder „möglichst hohen“ Verzinsung verpflichtet.999 Ein rechtsmissbräuchliches oder gezielt ihren Interessen zuwiderlaufendes Verhalten haben die Token-Anleger nach der vertraglichen Risikoverteilung dagegen
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So aber Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 604; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 63. Dem steht schon entgegen, dass das Feststellungsurteil nach § 256 ZPO nur Wirkungen zwischen den Prozessparteien entfaltet und eine erneute Ergebnisermittlung bzw. Verwendungsentscheidung nicht herbeizuführen vermag, s. Wöckener/Becker, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.40. 996 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 282; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.40; Fest, WM 2019, 1093, 1099. Soweit der ausschüttungsfähige Gewinn als Bemessungsfaktor dient, ist zu berücksichtigen, dass der Beschluss über die Gewinnverwendung möglicherweise auch bei korrekter Gewinnfeststellung nicht anders ausgefallen wäre, vgl. Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 15. 997 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; RGZ 105, 236, 240; RGZ 83, 295, 297 f.; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 606, 609; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 283; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 285; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 15; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 67; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.41; Fest, WM 2019, 1093, 1098; Pöschke, DB 2016, 2219, 2220. 998 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 606, 609; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 283; Sethe, AG 1993, 351, 360. 999 OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 9. 2020 – 6 U 137/19 = AG 2021, 758, 764; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 606, 609; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 283; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 285 f.
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nicht zu erdulden.1000 Von derartigen Grenzfällen abgesehen nehmen Rechtsprechung und herrschende Lehre eine unzulässige Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen im Zusammenhang mit der Rücklagenbildung auch dann an, wenn Gesellschafter die Gewinnverwendungsentscheidung angreifen können.1001 Dem ist zuzustimmen, sofern die Emissionsbedingungen den Schluss zulassen, dass die wirtschaftliche Stellung der Anleger derjenigen der Gesellschafter entsprechen soll.1002 Für Emittenten im Rechtskleid der Aktiengesellschaft markiert insoweit § 254 Abs. 1 AktG die Grenze rechtmäßiger Ermessensausübung;1003 handelt es sich bei der finanzierten Gesellschaft um eine GmbH, ergeben sich Thesaurierungsschranken lediglich aus der Treuepflicht.1004 Im Kontext der Wagnisfinanzierung ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Aufbau stiller Reserven und die Thesaurierung etwaiger Gewinne den Unternehmenswert positiv beeinflussen können, z. B., indem das einbehaltene Kapital in wachstumsträchtige Projekte investiert wird. Im Zusammenspiel mit Kicker-Komponenten spiegeln sich realisierte Wertsteigerungen unmittelbar im inneren Wert der schuldrechtlichen Beteiligungen wider. Dem Weniger an aktuellen Ausschüttungen steht somit ein potentieller Wertzuwachs der Debt Token gegenüber, den die Anleger im Idealfall über den Sekundärmarkt unmittelbar realisieren können.1005 Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des weiten Prognose- und Ermessensspielraums der finanzierten Gesellschaft wird ein vertragswidriger Gebrauch von Bilanzierungswahlrechten und Thesaurierungsmöglichkeiten nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Als reine Gläubiger können Token-Anleger eine nach diesen Maßstäben nicht hinnehmbare Rücklagenbildung zwar weder anfechten1006 noch steht ihnen ein
1000 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 9. 2020 – 6 U 137/19 = AG 2021, 758, 765; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 606, 609; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 283; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 280 f., 286; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 143. 1001 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 9. 2020 – 6 U 137/19 = AG 2021, 758, 765; Frantzen, Genußscheine, S. 214 ff.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 283; Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 417; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 65; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 196; Sethe, AG 1993, 351, 360; a. A. U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 517 f. 1002 S. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 607, der als dahingehenden Anhaltspunkt die Vereinbarung einer dividendenabhängigen Verzinsung genügen lässt. 1003 Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 67; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rn. 196; Sethe, AG 1993, 351, 360. 1004 So die h. M., s. überblicksartig zum Meinungsspektrum Ekkenga, in: MünchKomm GmbHG, § 29 Rn. 165; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 277 ff. 1005 Vgl. Alvensleben, in: Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, Rn. 722; Frantzen, Genußscheine, S. 207; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 275 f. 1006 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 608; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 285.
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Schadensersatzanspruch zu.1007 Die durch den Gewinnverwendungsbeschluss bewirkte Leistungsbestimmung ist nach der vertraglichen Risikoverteilung aber als unbillig anzusehen und für die Token-Inhaber somit gem. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unverbindlich. Sie können daher ihren primären Zahlungsanspruch geltend machen.1008 Dieser richtet sich auf den Betrag, der sich bei ordnungsgemäßer Aufstellung des Jahresabschlusses und Ausschüttung einer hypothetischen Mindestdividende an die Gesellschafter ergäbe.1009 3. Vermeidung von Wertverschiebungen durch Kapital- und Strukturmaßnahmen Der emittierenden Gesellschaft bleibt es nach einem Token Sale unbenommen, Kapital- und Strukturmaßnahmen nach freiem Ermessen durchzuführen.1010 Da die jeweiligen Beschlüsse auf mitgliedschaftlicher Ebene zu fassen sind, fehlt den Mezzanine-Gläubigern diesbezüglich jedwede Einflussmöglichkeit.1011 Führen derartige Maßnahmen zur wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Beteiligungsinstrumente, stellt sich die Frage nach einem geeigneten Korrektiv. Im Venture CapitalBereich kann es zu einseitigen Wertverlagerungen insbesondere kommen, wenn im Zuge einer Anschlussfinanzierung das Gesellschaftskapital erhöht wird (a)). Verwässerungseffekte drohen darüber hinaus bei erneuten Mezzanine-Emissionen (b)) sowie in Umwandlungssituationen (c)). Konzernrechtliche Sachverhalte werden im hiesigen Kontext zumeist erst nach einem Exit-Ereignis relevant (d)). a) Kapitalerhöhung Dient ein Token Sale als komplementäre Kapitalquelle, schließen sich typischerweise weitere Finanzierungsrunden an, zu deren Durchführung es einer Kapitalerhöhung bedarf.1012 Sofern die Token-Beteiligung aus diesem Anlass nicht ohnehin endet,1013 kann die Erhöhung des Gesellschaftskapitals die Beteiligungs1007 So aber BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 9. 2020 – 6 U 137/19 = AG 2021, 758, 764; Fest, WM 2019, 1093, 1099; Stöber, NZG 2017, 1401, 1406. 1008 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 608; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 285; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 281. 1009 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 608; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 285; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 281; a. A. Frantzen, Genußscheine, S. 216 f. 1010 Vgl. BGHZ 28, 259, 277 (Harpen-Bonds); RGZ 83, 295, 298 f.; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 622; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 302; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 102 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 145. 1011 Vgl. Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 17; Sethe, AG 1993, 351, 362. 1012 Vgl. Brehm, VC-Vertragswerk, S. 52 f.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 135 ff. 1013 Vgl. B.III.2.b).
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rechte der Mezzanine-Investoren unmittelbar beeinträchtigen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich Vergütungsansprüche relativ zur Höhe des Grund- bzw. Stammkapitals berechnen, z. B. bei einer Gewinnbeteiligung im Verhältnis von Genuss- zu Eigenkapital.1014 Mezzanine-Kapital, dem eine fixe Beteiligungsquote zugewiesen ist,1015 bleibt von derartigen Verwässerungseffekten verschont.1016 Das ist bei zahlreichen in der Finanzierungspraxis vorkommenden Instrumenten allerdings nur auf den ersten Blick der Fall. Denn häufig sind sie mit Klauseln versehen, wonach die Beteiligungsquote im Falle einer effektiven Kapitalerhöhung proportional verwässert.1017 Der Sache nach steht die Gläubigerstellung auch in diesen Fällen in direkter Abhängigkeit zu den Eigenkapitalverhältnissen der finanzierten Gesellschaft. aa) Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Bei der vor allem im Venture Capital-Bereich selten vorkommenden nominellen Kapitalerhöhung ist der Schutz der Hybridgläubiger durch § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG gesetzlich geregelt. Knüpfen die schuldrechtlichen Instrumente direkt oder indirekt an die Höhe des Grund- bzw. Stammkapitals des Emittenten an, sind die vertraglichen Beziehungen danach ex lege so anzupassen, dass ihr wirtschaftlicher Gehalt gewahrt bleibt.1018 Dazu bedarf es nicht mehr als einer simplen Rechenoperation: Steigt das Grund- bzw. Stammkapital um die Hälfte, ist als Maßstab der Gewinnverteilung ein gedanklich um den gleichen Faktor erhöhtes Genussrechtskapital zugrunde zu legen, sodass das ursprüngliche Verhältnis der Zugriffsrechte erhalten bleibt.1019 bb) Kapitalerhöhung gegen Einlagen Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen stellt im Gegensatz zur nominellen Kapitalerhöhung einen für die Anschlussfinanzierung durch Venture Capital-Geber notwendigen Zwischenschritt dar.1020 Eine etwaig eintretende Verwässerung der Gläubigerrechte ist bei wirtschaftlicher Betrachtung im Ausgangpunkt dadurch 1014
Vgl. zu derartigen Nominalgenussrechten Fn. 75; s. ferner Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 303; Sethe, AG 1993, 351, 363. 1015 S. hierzu unter A.II.2.a)bb)(1). 1016 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 626; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 303. 1017 S. zu derartigen Verwässerungsklauseln bereits unter B.III.2.a). 1018 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 625, 627; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 303 f.; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 18; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.44; Zöllner, ZGR 1986, 288, 289 f. 1019 Mit weiteren Berechnungsbeispielen Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 303 f.; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 18; Zöllner, ZGR 1986, 288, 290. 1020 S. schon Fn. 1012.
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gerechtfertigt, dass sich die Ertragslage und der Unternehmenswert der finanzierten Gesellschaft aufgrund der Eigenkapitalzufuhr verbessern, wovon über den Transmissionsriemen der erfolgsabhängigen Vergütung auch die Token-Anleger profitieren.1021 Probleme bereitet allerdings der Fall, dass der Ausgabepreis der frischen Anteile ihren objektiven Wert unterschreitet, das Gesellschaftskapital also „unter Wert“ erhöht wird.1022 Den „Gratisanteil“1023 der Neuinvestoren haben die TokenGläubiger aufgrund der Verquickung mit dem wirtschaftlichen Schicksal des Emittenten anteilig zu schultern. Die Gründe für derartige Preisabschläge sind vielfältig. Sie können aufgrund akuter Engpässe zur Sicherung des Absatzerfolges erforderlich werden (sog. fire sales), auf einer fehlerhaften Bewertung beruhen oder der Akquise eines prestigeträchtigen Investors dienen. Während die Bestandsgesellschafter durch das Bezugsrecht und im Falle eines Bezugsrechtsausschlusses durch das Anfechtungsrecht gemäß bzw. analog1024 § 255 Abs. 2 AktG vor dem Verwässerungseffekt geschützt sind, stehen den Token-Gläubigern derartige in der Mitgliedschaft wurzelnde Schutzmechanismen nicht zur Verfügung. Auch die Anpassungsregel gem. § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG findet aufgrund ihrer systematischen Verankerung im Regelungszusammenhang der nominellen Kapitalerhöhung keine Anwendung.1025 In der Rechtsprechung und älteren Lehre wurde daraus die Schlussfolgerung gezogen, ein Verwässerungsschutz zugunsten partiarisch beteiligter Gläubiger existiere nicht.1026 Im Anschluss an die Beiträge von Koppensteiner,1027 Köhler1028 und Zöllner1029 wendete sich das Meinungsbild. Nach heute herrschender Ansicht sind § 216 Abs. 3 AktG, § 57m Abs. 3 GmbHG und § 23 UmwG Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, wonach Genussrechtsinhaber die wirtschaftlichen Auswirkungen von Grundlagenentscheidungen auf ihre Gläubigerposition nicht kompensationslos zu erdulden haben.1030 Umstritten bleibt, auf welcher Grundlage dem Schutzbe1021
Vgl. abermals B.III.2.a). So zuerst Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191, 197; s. ferner Hüffer, in: FS Bezzenberger, S. 191, 202; Koch, AG 2017, 6. Ein schuldrechtliches Agio ist dabei zu berücksichtigen. Das wird aus teleologischem Blickwinkel auch dann zu gelten haben, wenn sich der Anschlussinvestor „lediglich“ zur gestaffelten Finanzierung nach Meilensteinen verpflichtet, vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 649 ff. 1023 So treffend Hüffer, in: FS Bezzenberger, S. 191, 202. 1024 Zur entsprechenden Anwendung im GmbH-Recht s. Lieder, in: MünchKomm GmbHG, § 55 Rn. 142. 1025 BAGE 163, 160, 162 f.; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 623; Koch, in: ders., AktG, § 216 Rn. 19; Köhler, AG 1984, 197, 199. 1026 BGHZ 28, 259, 277 (Harpen Bonds); RGZ 83, 295, 299; Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 188 ff.; Wünsch, in: FS Strasser, S. 871, 880 f. 1027 Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191 ff. 1028 Köhler, AG 1984, 197 ff. 1029 Zöllner, ZGR 1986, 288 ff. 1030 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 623; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 306; Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 76; Koch, in: ders., 1022
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dürfnis der Mezzanine-Investoren Rechnung zu tragen ist. Eine stimmstarke Literaturmeinung spricht sich dafür aus, § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG analog heranzuziehen.1031 Die herrschende Gegenauffassung lehnt dies ab und verweist auf die Möglichkeit einer Korrektur im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder über § 313 BGB.1032 Auf welchem Wege man zu einer etwaigen Anpassung gelangt, ist keineswegs unerheblich:1033 Während der Analogieschluss bei jeder Anteilsverschiebung einen „gesetzesähnlichen Automatismus“ in Gang setzte, ist es über die Figur des hypothetischen Parteiwillens möglich, Korrekturen anhand der konkreten Risikoverteilung in das vertragliche Gesamtgefüge aufzunehmen.1034 Vor diesem Hintergrund ist die Stichhaltigkeit der dogmatischen Ansätze im Folgenden näher zu beleuchten. (1) Analogieschluss zu § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG Eine analoge Anwendung kommt von vornherein nur in Betracht, um eine vom Gesetzgeber nicht bedachte Gesetzeslücke zu schließen.1035 Bereits das Bestehen einer solchen planwidrigen Unvollständigkeit lässt sich nicht schlüssig begründen.1036 Wie § 216 Abs. 3 AktG und § 57m Abs. 3 GmbHG belegen, war sich der Gesetzgeber der Verwässerungsproblematik bei Kapitalerhöhungen durchaus bewusst. Bedenkt man, dass die nominelle Kapitalerhöhung einen im Leben der Gesellschaft selten relevant werdenden Sonderfall darstellt, erscheint es fernliegend, dass der Gesetzgeber diesen Ausnahmevorgang einer Lösung zuführen wollte, den praktischen Regelfall einer effektiven Kapitalerhöhung aber übersehen hat.1037 Hinzukommt, dass die beiden Varianten der Kapitalerhöhung gänzlich unterschiedliche Funktionen erfüllen. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist AktG, § 221 Rn. 67; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 19; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 66; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.45; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 389; Sethe, AG 1993, 351, 363. Vgl. sympathisierend auch BGHZ 119, 305, 322 f. (Klöckner). 1031 Arnold, in: MünchKomm AktG, § 216 Rn. 46; Frantzen, Genußscheine, S. 260 ff.; Hirte, in: GK-AktG, § 216 Rn. 63; Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 235 f.; Lieder, in: MünchKomm GmbHG, § 55 Rn. 216; Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 122; Thielemann, Genußrecht, S. 143 ff.; Köhler, AG 1984, 197, 197 ff.; Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191, 193 ff. 1032 BAGE 163, 160, 163 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 47; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 623; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 306; Hüffer, in: FS Bezzenberger, S. 191, 203 ff.; Koch, in: ders., AktG, § 216 Rn. 19; Müller, in: GKGmbHG2, Anh. § 29 Rn. 19; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 216 Rn. 14; ders., AG 2017, 6, 8 ff.; Zöllner, ZGR 1986, 288, 297 ff. 1033 So aber Wüsthoff, in: Spindler/Stilz, AktG, § 216 Rn. 30. 1034 Koch, AG 2017, 6, 7. 1035 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141. 1036 BAGE 163, 160, 165; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 216 Rn. 14; Koch, AG 2017, 6, 10. 1037 BAGE 163, 160, 165; Koch, AG 2017, 6, 10.
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vorrangig ein „Mittel der Dividendenpolitik“, bei dem vorhandene Rücklagen bilanztechnisch lediglich umdeklariert werden.1038 Die effektive Kapitalerhöhung dient dagegen der Eigenkapitalbeschaffung. Dieser Funktionsunterschied stand dem historischen Gesetzgeber deutlich vor Augen, als er der Anpassungsregelung durch das AktG 1965 ihren heutigen Standort im Unterabschnitt für „Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln“ zuwies.1039 Das spricht nicht nur gegen eine Regelungslücke. „[Z]wei rechtlich und wirtschaftlich ganz verschiedene Vorgänge“1040 gleich zu behandeln, provozierte auch Ungereimtheiten auf der Rechtsfolgenseite. Denn die schematische Korrektur der Gläubigerposition nach § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG ist nur sachgerecht, solange sie durch eine simple Rechenoperation vollzogen werden kann. Das ist bei der nominellen Kapitalerhöhung der Fall, weil es sich dabei um einen bloßen „Umbuchungsvorgang“1041 handelt, bei dem sich die Beteiligungsverhältnisse exakt proportional verschieben. Bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen steht der vermeintlichen Anspruchsverwässerung dagegen eine schwerlich zu quantifizierende Verbesserung der Ertrags- und Wachstumsaussichten in Form der Kapitalzuführung gegenüber.1042 Wie auch Vertreter der Analogiethese anerkennen, ließe sich die Ungewissheit über das Ausmaß der im Preisnachlass zum Ausdruck kommenden Verwässerung daher nur durch eine Unternehmensbewertung aus der Welt schaffen.1043 Die Unzulänglichkeit dieser Konsequenz tritt im Zusammenhang mit den hier im Vordergrund stehenden Unternehmen besonders deutlich zutage. Denn weder steht für sie als Wertindikator ein Börsenkurs zur Verfügung,1044 noch kann der mit der Bewertung von Start-Ups unweigerlich verbundene Grad an Ungenauigkeit toleriert werden, wenn man berücksichtigt, dass die Rechtsfolgenanordnung gem. § 216 Abs. 3 AktG und § 57m Abs. 3 GmbHG ipso iure eintritt.1045 Die rechtsfortbildende Erstreckung des Anpassungsautomatismus auf andere Formen der wirtschaftlichen Verwässerung ist folglich abzulehnen. (2) Ergänzende Vertragsauslegung und § 313 BGB Dem anzuerkennenden Schutzbedürfnis der Token-Gläubiger ist daher mit Hilfe der (ergänzenden) Vertragsauslegung und subsidiär durch § 313 BGB Geltung zu verschaffen. Im Verhältnis der beiden Instrumente gebührt der Auslegung der Vor1038 Vgl. BAGE 163, 160, 169; Koch, AG 2017, 6, 12 jeweils unter Verweis auf Hüffer, in: FS Bezzenberger, S. 191 ff. 1039 Begr. RegE, BT-Drs. 4/171, S. 195 (re. Sp.); hierauf verweisend auch BAGE 163, 160, 166 ff. 1040 Begr. RegE, BT-Drs. 4/171, S. 195 (re. Sp.). 1041 BAGE 163, 160, 164. 1042 BAGE 163, 160, 169 f.; Koch, AG 2017, 6, 12; Zöllner, ZGR 1986, 288, 297 f. 1043 Vgl. Köhler, AG 1984, 197, 200; Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191, 202. 1044 Vgl. mit entsprechendem Vorschlag Köhler, AG 1984, 197, 200 ff.; Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191, 200 ff. 1045 Vgl. BAGE 163, 160, 170; Koch, AG 2017, 6, 13; Hüffer, in: FS Bezzenberger, S. 191, 204.
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rang.1046 Schweigen sich die Emissionsbedingungen aus, ist entscheidend, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wobei ein objektiv-generalisierender Maßstab anzulegen ist.1047 Da Verwässerungsschutzklauseln im Zusammenhang mit konventionellen Schwarmfinanzierungen bereits eine gewisse Verbreitung erlangt haben,1048 kann eine vollständige Regelungsabsenz durchaus als Indiz dafür zu werten sein, dass die Finanzierungsparteien keine vom gesetzlichen Leitbild abweichende Vereinbarung treffen und auf einen weitergehenden Verwässerungsschutz verzichten wollten.1049 Das gilt umso mehr, wenn Verwässerungsklauseln existieren, die das Absinken der Beteiligungsquote im Falle einer Anschlussfinanzierung explizit anordnen. Ist gleichwohl vom Bestehen einer vertraglichen Regelungslücke auszugehen und lässt sich aus den Emissionsbedingungen ein hypothetischer Parteiwille nicht eindeutig ableiten, bleibt nur der Rückgriff auf § 313 BGB.1050 Dabei ist zu berücksichtigen, dass es Token-Investoren durch die Anknüpfung an leistungsbemessende Faktoren wie den Unternehmenswert bewusst hingenommen haben, dass die letztendliche Vergütungshöhe von einseitigen Maßnahmen des Emittenten beeinflusst wird.1051 Der Abschluss einer Folgefinanzierung und die dazu erforderliche Erhöhung des Eigenkapitals stellt keine Ausnahme dar, selbst wenn der zugrunde gelegte Anteilspreis den objektiven Wert der Unternehmung nicht widerspiegelt. Nach der vertragsimmanenten Risikoverteilung ist das Anpassungsrecht gem. § 313 Abs. 1 und 2 BGB demnach nicht geeignet, „seismographische Anpassungen an die wirtschaftliche Situation“ der Bestandsgesellschafter vorzunehmen.1052 Vielmehr kommt eine nicht ausdrücklich vereinbarte Modifikation des Gläubigerrechts oder ein wie auch immer gearteter Wertausgleich nur bei schwerwiegenden, den Anlegern unzumutbaren Veränderungen des Äquivalenzverhältnisses in Betracht.1053
1046 BGHZ 191, 336, 341; Finkenauer, in: MünchKomm BGB, § 313 Rn. 145; Grüneberg, in: ders., BGB, § 313 Rn. 10. 1047 BAGE 163, 160, 171. 1048 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 178; vgl. mit einer allgemeinen Empfehlung in diese Richtung ferner Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 79. 1049 Vgl. BAGE 163, 160, 172; Koch, AG 2017, 6, 8. 1050 Vgl. im Zusammenhang mit einem Konzernsachverhalt zutreffend BGHZ 197, 284, 293 (Eurohypo). „Die Grenzen zwischen der […] ergänzenden Vertragsauslegung und der Vertragsanpassung nach den Regeln des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind […] fließend.“ 1051 Vgl. Koch, AG 2017, 6, 15. 1052 Vgl. ders., AG 2017, 6, 15. 1053 Vgl. BAGE 163, 160, 174; Koch, in: ders., AktG, § 216 Rn. 19; ders., AG 2017, 6, 15. Vgl. zum Anpassungsmodus Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 624; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 307.
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b) Erhöhung des im Umlauf befindlichen Mezzanine-Kapitals Die einmalige Emission tokenisierter Mezzanine-Instrumente hindert die finanzierte Gesellschaft grundsätzlich nicht daran, erneut an den Kapitalmarkt heranzutreten und weitere Token auszugeben.1054 Auch wenn die noch junge Geschichte der Finanzierungsmethode hierfür bislang keine Beispiele liefert, mögen für einen erneuten Token Sale aus Sicht des kapitalaufnehmenden Start-Ups gute Gründe sprechen. So ist es etwa vorstellbar, dass sich die Suche nach traditionellen Risikokapitalgebern gerade wegen der vorausgegangenen Token-Emission als schwierig erweist.1055 Fehlt ein entsprechender Vorbehalt in den Emissionsbedingungen,1056 ist sogar die Schaffung konkurrierender Gläubigerrechte von der Finanzierungsfreiheit des Emittenten umfasst.1057 Ein Bezugsrecht, wie es den Gesellschaftern gem. bzw. analog1058 § 221 Abs. 4 AktG zusteht, können Genussrechtsinhaber nicht für sich reklamieren.1059 Die herrschende Lehre hält aus diesem Grund einen Verwässerungsschutz auf Grundlage des hypothetischen Parteiwillens oder nach § 313 BGB für geboten.1060 Dem kann nicht vorbehaltslos zugestimmt werden. Vielmehr sind an eine ungeschriebene Anpassung des Äquivalenzverhältnisses hohe tatbestandliche Anforderungen zu stellen. Insofern gilt das unter C.I.3.a)bb)(2) Gesagte entsprechend: Der Verzicht auf einen in der Emissionspraxis durchaus gängigen vertraglichen Zustimmungsvorbehalt spricht gegen eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Zudem machen sich die Anleger durch das partiarische Element der Finanzierungsinstrumente bewusst von den unternehmerischen Entscheidungen der Geschäftsleitung abhängig. Weshalb Finanzierungsmaßnahmen davon auszunehmen sein sollten, vermag sich nicht zu erschließen. Es besteht auch keine Veranlassung – 1054 Vgl. mit Blick auf Genussrechte Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 635; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 313; U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 518 f. 1055 Vgl. B.III.1. 1056 Vgl. zu derartigen Covenants unter C.III.3.a). 1057 Eine Beeinträchtigung der zuerst eingeräumten Gläubigerpositionen tritt z. B. dann ein, wenn eine nachfolgende Genussrechtstranche an den Jahresüberschuss anknüpft, während die vorausgegangene aus dem Bilanzgewinn zu bedienen ist, s. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 635; vgl. auch Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 313; Sethe, AG 1993, 351, 362. 1058 Zur Rechtslage in der GmbH s. B.I.3.b). 1059 Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.50; Behme/Zickgraf, ZfPW 2019, 66, 90; Sethe, AG 1993, 351, 364. 1060 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 635; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 313; Haberstock/Greitemann, in: Hölters/Weber, AktG, § 221 Rn. 77; Sethe, AG 1993, 351, 363 f. Teils ist – dogmatisch kaum nachvollziehbar – gar davon die Rede, ein Vorrang späterer Genussrechtstranchen könne nur mit Zustimmung der bisherigen Hybridgläubiger begründet werden, s. Ernst, Genußschein im Aktienrecht, S. 196 f.; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.50. Dem Ansatz der älteren Lehre (s. U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 518), § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG auf die Erhöhung des Genusskapitals zu übertragen, ist aus den unter C.I.3.a) bb)(1) dargelegten Gründen keine weitere Beachtung zu schenken.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
wie dies den Befürwortern eines Anpassungsgebots offenbar vorschwebt1061 –, die Gläubigergruppen hinsichtlich ihrer Beteiligungsansprüche gleich zu stellen. Vor einer überbordenden Mezzanine-Finanzierung sind die Anleger ohnehin mittelbar dadurch geschützt, dass einzugehende Verbindlichkeiten auch den residualberechtigten Gründern und Venture Capital-Gebern strukturell vorgingen. Sofern die Emissionsbedingungen in dieser Hinsicht keine Vorsorge treffen, ist eine Modifikation der Finanzierungsbedingungen daher nur in Ausnahmefällen angezeigt. c) Umwandlung Die zentrale Vorschrift zum Schutz von Hybridgläubigern im Zusammenhang mit Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz findet sich in dessen § 23.1062 Danach sind den Inhabern von Mezzanine-Instrumenten im Falle einer übertragenden Verschmelzung des Emittenten wirtschaftlich gleichwertige Rechte gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger einzuräumen.1063 Auf eine Reihe weiterer umwandlungsrechtlicher Maßnahmen findet § 23 UmwG entsprechend Anwendung.1064 Im Lebenszyklus eines Start-Ups wird von diesen Maßnahmen für gewöhnlich allenfalls ein Formwechsel relevant. Der Schutz gem. §§ 204, 23 UmwG ist in diesem Fall nicht auf den Ausgleich von Verwässerungseffekten gerichtet, sondern dient der Vermeidung rechtsformbedingter Beeinträchtigungen, die der fortbestehenden Hybridbeteiligung andernfalls z. B. aufgrund veränderter Kapitalerhaltungsvorschriften drohten.1065 d) Konzernrechtliche Maßnahmen Typischerweise handelt es sich bei dem Emittenten im Zeitpunkt eines Token Sales bereits um ein abhängiges Unternehmen im Sinne von § 17 AktG: Es wird von den Venture Capital-Investoren beherrscht, die, auch ohne Mehrheitsgesellschafter 1061 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 635; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 313, denen zufolge neue Mezzanine-Titel zu den alten nur in Konkurrenz treten dürfen, soweit sie durch frische Kapitalzufuhr relativ zu der Entwicklung der Gesellschaft beitragen. 1062 Die nicht abschließende Auflistung des § 23 UmwG nimmt neben Wandelschuldverschreibungen nur Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte in Bezug. Nach vorzugswürdiger aber nicht unumstrittener Ansicht erstreckt sich der Anwendungsbereich auch auf sonstige partiarisch ausgestaltete Gläubigerrechte, s. Kalss, in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 23 Rn. 7; a. A. Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 23 Rn. 20 (keine Anwendung auf partiarische Forderungsrechte, wohl aber auf stille Beteiligungen); Schürnbrand, ZHR 173 (2009), 689, 693 ff. (analoge Anwendung). 1063 Weiterführend hierzu Kalss, in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 23 Rn. 12 f. 1064 S. § 36 Abs. 1 S. 1 UmwG (Verschmelzung durch Neugründung); § 125 S. 1 UmwG (Spaltung); § 204 UmwG (formwechselnde Umwandlung). 1065 Hoger, in: Lutter, UmwG, § 204 Rn. 1 ff.; Kalss, in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 204 Rn. 4.
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zu sein (vgl. § 17 Abs. 2 AktG), kraft ihrer vertraglichen Einflussrechte sowie angesichts ihrer wirtschaftlichen Position über das für eine beherrschende Stellung erforderliche Maß an rechtlichem und tatsächlichem Einfluss verfügen.1066 Im hier interessierenden Kontext der komplementären Wagnisfinanzierung ist dieser Umstand durchaus erwünscht: Den Token-Investoren stehen die Machtverhältnisse aufgrund der Veröffentlichungen im Emissionsprospekt nicht nur deutlich vor Augen. Ihr wirtschaftliches Kalkül beruht bisweilen sogar auf der finanziellen Absicherung und operativen Unterstützung der finanzierten Gesellschaft durch die institutionellen Kapitalgeber.1067 Die nachträgliche Einbindung der emittierenden Gesellschaft unter die Herrschaft neuer Eigentümer oder die Unterstellung durch einen Organisationsvertrag kommt typischerweise erst nach oder aufgrund eines Exit-Ereignisses in Betracht.1068 Die wirtschaftlichen Folgen derartiger Maßnahmen treffen die Token-Investoren somit nur, falls der Emittent die schuldrechtliche Beteiligung aus diesem Anlass nicht ohnehin kündigt oder ablöst.1069 aa) Faktische Konzernierung Wird der Emittent zum abhängigen Unternehmen in einem faktischen Konzern (§§ 17, 18 AktG), besteht für besondere Schutzvorkehrungen zugunsten der Hybridkapitalgeber kein Anlass, da sich deren wirtschaftliches Risiko dank des kapitalgesellschaftsrechtlichen Schutzes der abhängigen Gesellschaft nicht erhöht.1070 Handelt es sich bei der finanzierten Gesellschaft um eine Aktiengesellschaft, kommt den Anlegern insofern mittelbar das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG zugute, das auf einen vollständigen finanziellen Ausgleich nachteiliger Einflussnahmen abzielt.1071 Bei einer abhängigen GmbH hat sich das herrschende Unternehmen derartiger Beeinträchtigungen ohnehin zu enthalten;1072 darüber hinaus sind seinem 1066
Kuntz, Gestaltung, S. 301. Vgl. hierzu unter A.II.2.b)aa). 1068 Zur Frage, ob die Einflussstellung von Venture Capital-Gebern mit einem verdeckten Vertragskonzern gleichzusetzen ist, s. Kuntz, Gestaltung, S. 297 ff. 1069 Vgl. B.III.2.b). 1070 So die ganz h. M. s. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 633; Frantzen, Genußscheine, S. 279 ff.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 321; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 219 f.; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 68a; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 87; Wöckener/Becker, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rn. 13.56; einschränkend Lindemann, Gewinnabhängige Ansprüche, S. 92 ff.; a. A. Luttermann, Genußrechte, S. 539. 1071 Hierzu ausführlich Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 217 ff. 1072 Dies folgt nach ganz h. M. daraus, dass die §§ 311 ff. AktG aufgrund von Strukturunterschieden in der Organisations- und Finanzverfassung auf die GmbH keine entsprechende Anwendung finden, s. BGHZ 65, 15, 18 (ITT); BGHZ 95, 330, 340 (Autokran); BGHZ 149, 10, 16 (Bremer-Vulkan) (zur Ein-Personen-GmbH); Habersack, in: Emmerich/Habersack/ 1067
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Wirken durch die Treuepflicht und den Gleichbehandlungsgrundsatz Schranken gesetzt.1073 bb) Vertragskonzern Bei der Einbindung der finanzierten Gesellschaft in einen Vertragskonzern durch Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages ist die Schutzbedürftigkeit der Mezzanine-Kapitalgeber im Grundsatz anerkannt.1074 So besteht in der Lehre weitgehend Einigkeit darüber, dass erfolgsabhängig verzinste Hybridinstrumente nach Abschluss eines (isolierten) Gewinnabführungsvertrages weiterhin so zu bedienen sind, als ob die Gewinnabführungspflicht nicht bestünde.1075 Uneins ist man sich indes, welches Schutzinstrumentarium bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages eingreift. Die Möglichkeit des herrschenden Unternehmens, der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft gem. § 308 Abs. 1, 2 AktG verbindliche und, soweit vom Konzerninteresse gedeckt, auch nachteilige Weisungen zu erteilen, führt zu einer Ausweitung der von den Mezzanine-Gläubigern ursprünglich übernommenen Risiken. Die Verlustausgleichspflicht gem. § 302 AktG kann dies nicht verhindern, da die Anleger aufgrund der Kopplung ihrer Rechte an das wirtschaftliche Ergebnis des Emittenten befürchten müssen, dass Ansprüche gar nicht erst oder nur in eingeschränktem Umfang entstehen.1076 Der BGH und die herrschende Lehre haben sich vor diesem Hintergrund dafür ausgesprochen, Genussrechte1077 im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder gem. § 313 BGB anzupassen.1078 In Anlehnung an § 304 Abs. 2 S. 1 AktG soll den Gläubigern jedenfalls Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 AktG Rn. 6; Liebscher, in: MünchKomm GmbHG, Anh. § 13 Rn. 389 ff. 1073 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. KonzernR Rn. 76 ff.; Habersack, in: Emmerich/ Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 AktG Rn. 7, 32. 1074 Vgl. mit einem Überblick zum Meinungsstand BGHZ 197, 284, 292 f. (Eurohypo). 1075 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 633; Frantzen, Genußscheine, S. 282 (Fn. 352); Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 320b; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 237; Luttermann, Genußrechte, S. 538; Schürnbrand, ZHR 173 (2009), 689, 708; Renner/Engel, ZIP 2013, 2436, 2442; Verse/Wiersch, NZG 2014, 5, 8 (Fn. 33); a. A. Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 418 (Handhabung wie beim Beherrschungsvertrag). Dogmatisch ist eine derartige Vertragsanpassung auf den hypothetischen Parteiwillen oder § 313 BGB zu stützen. 1076 Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 181; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 320; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 237. 1077 Für sonstige Mezzanine-Instrumente gilt Entsprechendes, vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 304 AktG Rn. 14; Renner/ Engel, ZIP 2013, 2436, 2441 f. 1078 BGHZ 197, 284, 293 ff. (Eurohypo); Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 181 ff.; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 634; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 88; Casper, ZIP 2012, 497, 501 f.; Renner/Engel, ZIP 2013, 2436, 2441 ff.; Verse/Wiersch, NZG 2014, 5, 8 ff.; zuvor bereits Frantzen, Genußscheine, S. 282 ff.; Kallrath, Inhaltskon-
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dann ein fester Zahlungsanspruch gegen den abhängigen Emittenten zustehen, wenn auf Grundlage einer Ertragsprognose im Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon auszugehen ist, dass er ohne die Konzernbildung so erfolgreich gewirtschaftet hätte, dass die Genussrechte hätten bedient werden können.1079 Dem stehen – nicht im methodischen Ausgangspunkt, wohl aber im wirtschaftlichen Ergebnis – jene Autoren nahe, die in analoger Anwendung des § 304 Abs. 2 S. 1 – 3 AktG eine Ausgleichpflicht des herrschenden Unternehmens befürworten.1080 Beiden Ansätzen ist jedoch vorzuwerfen, dass sie die Interessenlage der Hybridkapitalgeber nur unzureichend abbilden. Dabei ist der Versuch des BGH, einen Kapitalgeberschutz auf vertraglicher Grundlage zu konstruieren, im Ausgangspunkt durchaus lobenswert: In der Tat liegt der Kapitalüberlassung nämlich die übereinstimmende Vorstellung zugrunde, die Geschäftsleitung werde ihr Handeln am Unternehmensinteresse ausrichten. Die Konzernfreiheit des Emittenten ist mithin Geschäftsgrundlage der Finanzierung. Die hieran anknüpfende Ableitung wiederkehrender Ausgleichszahlungen beraubt die ursprüngliche Vergütungsabrede aber ihres entwicklungsabhängigen Charakters und deutet sie in eine anleiheartige Festverzinsung um.1081 Dass die Zubilligung fixierter Zahlungsströme ein aliud zum vertragsimmanenten Chancen-Risiko-Profil der Mezzanine-Finanzierung darstellt, zeigt sich deutlich, wann immer die Kapitalgeber an einer positiv von der Prognose abweichenden Ertragsentwicklung nicht teilhaben können.1082 Auch bietet eine Ausgleichspflicht nach dem Vorbild des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG keinen Ersatz für eine Beteiligung an der Unternehmenswertentwicklung durch Kicker-Komponenten.1083 Kann den Token-Investoren als Kompensation für ihre ursprünglichen Ansprüche kein wirtschaftliches Äquivalent angeboten werden, erscheint es konsequent, ihnen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gem. § 313 Abs. 3 BGB zuzugestehen.1084 Dem lässt sich nicht entgegengehalten, dass ein Ablösungsrecht trolle, S. 180 f.; Lindemann, Gewinnabhängige Ansprüche, S. 66 ff.; Prosser, Anlegerschutz bei Genussscheinen, S. 158 ff.; U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 526. 1079 S. vorherige Fn. 1080 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 320a; Schürnbrand, ZHR 173 (2009), 689, 707 ff. 1081 Vgl. LG Frankfurt a. M., Urt. v. 14. 12. 2010 – 3 – 5 O 65/10 = Der Konzern 2011, 118, 123; Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 242; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 23c. 1082 Vgl. Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 23c sowie Dangelmayer, Schutz von Genussrechtsinhabern, S. 184 f., der den Lösungsansatz jedenfalls in Fällen negativer Ertragsprognosen für nicht interessengerecht und daher anpassungsbedürftig hält. Auch die Zubilligung eines variablen Ausgleichsanspruchs gegen die herrschende Gesellschaft (§ 304 Abs. 2 S. 2 AktG analog) kann aufgrund des abweichenden Ertragsrisikos nicht als wirtschaftliches Äquivalent der ursprünglichen Risikobeteiligung angesehen werden, vgl. ders., Kapitalgeberschutz, S. 240. 1083 Vgl. ders., Kapitalgeberschutz, S. 242. 1084 Für Kündigungs- bzw. Austrittrecht auch ders., Kapitalgeberschutz, S. 240 ff.; Müller, in: GK-GmbHG2, Anh. § 29 Rn. 23c; U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, S. 511, 527; a. A. BGHZ 197, 284, 297 (Eurohypo).
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dem in § 216 Abs. 3 AktG, § 57m Abs. 3 GmbHG und § 23 UmwG zum Ausdruck kommenden Gebot widerspreche, Mezzanine-Instrumente unter Aufrechterhaltung der Finanzierungsbeziehung an geänderte Umstände anzupassen.1085 Der Hinweis auf § 216 Abs. 3 AktG und § 57m Abs. 3 GmbHG geht schon deshalb fehl, weil diese Normen die rein rechnerische Anpassung aufgrund einer nominellen Kapitalerhöhung betreffen, welche das spezifische Investitionsrisiko einer Mezzanine-Beteiligung überhaupt nicht berührt.1086 Der Verweis auf § 23 UmwG entbehrt ebenfalls Überzeugungskraft, denn auch hiernach endet die Finanzierungsbeziehung zum ursprünglichen Emittenten; gleichwertige Rechte sind lediglich am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren.1087 Mit der im negativen Sinne zu beantwortenden Frage nach einem Fortsetzungsund Anpassungsgebot ist die Problematik verknüpft, wie Token-Gläubiger für den Verlust des über den Ausgabepreis hinausgehenden Werts der Risikoanlage zu kompensieren sind. Zuspruch verdient insoweit die Lehrauffassung, der zufolge Hybridkapitalgeber in Anlehnung an § 305 AktG eine Abfindung verlangen können.1088 Die hiergegen vorgebrachte Kritik, § 305 AktG stelle lediglich einen Ausgleich für den Verlust effektiver Stimmrechtsmacht dar, über welche Hybridgläubiger ohnehin nicht verfügten, ist nur vordergründig plausibel.1089 Denn der Schaffung von § 305 AktG lag ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien zumindest auch die Erwägung zu Grunde, dass § 304 AktG „die Vermögensnachteile außenstehender Aktionäre nicht voll decken“ kann.1090 Die Anteilsinhaber sollten keine „Rente“ akzeptieren müssen, die nicht dem tatsächlichen Gewinnanteil der eigenen Gesellschaft entspricht.1091 Dieser auf wirtschaftlichen Nachteilsausgleich abzielende Teilzweck der Norm lässt sich auf die Situation partiarisch beteiligter Gläubiger ohne Weiteres übertragen.1092 Fehlt es demnach an einer entgegenstehenden gesetzlichen Wertung, folgt das Austrittsrecht der Mezzanine-Investoren aus der konsequenten Anwendung von § 313 Abs. 3 BGB.1093 Vorbildcharakter besitzt § 305 AktG dann nur noch für die Frage, wie die ausscheidenden Anleger abzufinden sind. Insofern ist der gesetzlichen Wertung zu entnehmen, dass neben einer Barabfindung auch die
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So aber Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 634; Verse/Wiersch, NZG 2014, 5, 7. S. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 241. 1087 Ders., Kapitalgeberschutz, S. 241. 1088 Vgl. ders., Kapitalgeberschutz, S. 242 ff. 1089 So aber BGHZ 197, 284, 297 (Eurohypo); Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 320; Casper, ZIP 2012, 497, 503; Schürnbrand, ZHR 173 (2009), 689, 708 f. 1090 Begründung zum RegE AktG 1965, wiedergegeben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 397. 1091 Vgl. Begründung zum RegE AktG 1965, wiedergegeben bei ders., Aktiengesetz, S. 397. 1092 Vgl. mit einer vermögensrechtlichen Deutungsweise auch Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 243 ff. 1093 Vgl. Verse/Wiersch, NZG 2014, 5, 7, die eine Kündigungsmöglichkeit gleichwohl ausschließen, weil sie eine beiden Seiten zumutbare Vertragsanpassung für möglich halten. 1086
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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Gewährung gleichwertiger Hybridinstrumente am herrschenden Unternehmen in Betracht kommt, sofern diese liquide handelbar sind.1094 4. Ergebnis: Gesetzlicher Minimalschutz Aus dem Vorausgegangenen lässt sich zusammenfassend ableiten, dass das Werterhaltungsinteresse der Token-Inhaber durch gesetzliche Vorgaben und allgemeine schuldrechtliche Instrumentarien nur rudimentär geschützt ist. Zwar trifft die finanzierte Gesellschaft eine haftungsbewehrte Nebenpflicht, sich grober Überschreitungen des Unternehmensgegenstands zu enthalten und gegenüber Hybridgläubigern ein Mindestmaß an Rücksichtnahme walten zu lassen. Die Beweislast für einen derart schweren Sorgfaltsverstoß tragen jedoch die Kapitalgeber.1095 Problematisch ist das vor allem deshalb, weil für die Mezzanine-Investoren grundsätzlich keine Möglichkeit besteht, durch eine wirkungsvolle Überwachung der finanzierten Gesellschaft von anspruchsbegründenden Verhaltensweisen Kenntnis zu erlangen. Bedenklich ist ein derartiges Kontrolldefizit auch in Fällen, in denen der Emittent das ihm bei der Feststellung der leistungsbestimmenden Bezugsgrößen zustehende Ermessen überschreitet. Dadurch eröffnen sich erhebliche Spielräume für unerkannt bleibende Risikoverlagerungen. Für den Fortgang der Untersuchung hat dies zur Konsequenz, dass sich der Analysefokus zunächst auf die Informationsrechte der Kapitalgeber richtet (II.). Die offengelegten Schutzlücken geben darüber hinaus Anlass, die Verankerung privatautonomer Schutzmechanismen weiter auszuleuchten (III. – V.).
II. Informationsrechte Die Token-Anleger sind nach der Emission in dreifacher Hinsicht auf Informationen über das finanzierte Unternehmen angewiesen. Zur Verfolgung des primären Vergütungs- und Rückzahlungsanspruchs bedarf es der Mitteilung der leistungsbestimmenden Bezugsgrößen. Um etwaige Sekundäransprüche einzufordern, müssen die Kapitalgeber zudem von vertragswidrigen Verhaltensweisen Kenntnis erlangen können. Für die marktseitige Preisbildung ist überdies von Interesse, inwieweit es dem Emittenten gelingt, seine wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Um den Informationszugang der Hybridkapitalgeber zu beurteilen, sind kapitalmarktrechtliche (1.) und sonstige gesetzliche Informationspflichten des Emittenten (2.) in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus kommen weitergehende vertraglich eingeräumte Auskunftsrechte in Betracht (3.). Das technologische Fundament der Finanzierungsmethode kann dabei kostensenkend zum Tragen kommen (4.). 1094
Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 245 f. Eine Analogie zur Beweislastumkehr nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG scheidet aus, s. Sethe, AG 1993, 351, 362. 1095
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
1. Kapitalmarktrechtliche Informationspflichten Fortlaufende, kapitalmarktrechtlich begründete Informationspflichten treffen den Emittenten nach einem Token Sale nur, wenn die fraglichen Instrumente durch das Listing an einer Kryptobörse, die als regulierter Markt i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 – 8 MMVO qualifiziert,1096 tatsächlich gehandelt werden können.1097 Von Bedeutung sind insbesondere die Ad-hoc-Mitteilungspflichten gem. Art. 7 ff., 17 MMVO, §§ 97 f. WpHG, durch welche der Emittent gezwungen ist, Insiderinformationen fortwährend auf ihre Kursrelevanz hin zu überprüfen.1098 Da für tokenisierte Mezzanine-Instrumente insofern keine Besonderheiten gelten, sei auf das einschlägige kapitalmarktrechtliche Schrifttum verwiesen.1099 2. Gesetzliche Auskunfts- und Kontrollrechte kraft schuldvertraglicher Bindung Im Übrigen sind die Informationsrechte von Genussrechtsinhabern weder gesetzlich geregelt,1100 noch lassen sich mitgliedschaftliche Auskunftsansprüche wie derjenige nach § 131 AktG in entsprechender Anwendung übertragen.1101 Auch ohne ausdrückliche Regelung in den Ausgabebedingungen ist der Emittent den TokenGläubigern jedoch zur Rechnungslegung verpflichtet (a)). Die herrschende Meinung erkennt zudem einen allgemeinen, tatbestandlich allerdings eng umgrenzten Auskunftsanspruch der Mezzanine-Investoren an (b)). a) Rechenschaftspflicht Anerkanntermaßen schuldet Rechenschaft, wer Angelegenheiten besorgt, die zugleich eigene und fremde sind. Nach diesem auf §§ 666, 681, 687 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 242 BGB zurückzuführenden Grundsatz besteht ein Informati1096
Zur Einordnung von Trading-Plattformen als MTF oder OTF s. Maume, in: Maume/ Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 12 Rn. 43 ff. 1097 Ders., in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 14 Rn. 10 ff. 1098 Vgl. zur Ad-hoc-Publizitätspflicht im Zusammenhang mit Genussrechtsemissionen BGH, Beschl. v. 10. 7. 2018 – II ZB 24/14 = AG 2019, 79 ff. m. Anm. Bracht/Raßfeld, EWiR 2019, 165 f.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 246. 1099 Vgl. mit weitergehenden Nachweisen Maume, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 14 Rn. 16 ff. 1100 Etwas anderes gilt nach § 233 HGB für als stille Beteiligung zu qualifizierende Instrumente, vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 24. 3. 2015 – 11 U 103/14 = BeckRS 2016, 13828 Rn. 28; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 121 sowie Florstedt, ZIP 2017, 49, 52, der eine Anwendung auch im Zusammenhang mit bilateralen Genussrechtsverträgen für geboten erachtet. 1101 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 619; Frantzen, Genußscheine, S. 224 ff.; Florstedt, ZIP 2017, 49, 51 f.; Sethe, AG 1993, 351, 356; Stöber, NZG 2017, 1401, 1404; a. A. Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 406.
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onsanspruch „bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete hingegen in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen.“1102 Um ein solches Rechtsverhältnis handelt es sich auch bei Finanzierungsgenussrechten.1103 In welcher Form die Rechnungslegung gem. § 259 BGB zu erfolgen hat, hängt von der im Einzelfall vorgesehenen Vergütungsart ab.1104 Sehen die Emissionsbedingungen eine Beteiligung am Bilanzgewinn oder -verlust vor, erschöpft sich das Auskunftsrecht der Anleger in der Mitteilung des Jahresabschlusses.1105 Die Einsichtnahme in die gesamte Buchführung oder gar eine Einzelerläuterung von Bilanzposten kann ein Genussberechtigter auf dieser Grundlage nicht verlangen.1106 Soweit Kicker-Komponenten eine am Unternehmenswert orientierte (Zusatz-)Vergütung ermöglichen, orientiert sich die Rechnungslegung an dem jeweils festgesetzten Berechnungsmodus.1107 b) Allgemeiner Auskunftsanspruch Darüber hinaus erkennt die herrschende Meinung einen ungeschriebenen Informationsanspruch aus § 242 BGB an, der als materiellrechtliches Pendant zum prozessrechtlichen Instrumentarium dazu dient, der darlegungs- und beweispflichtigen Partei über Sachverhaltsunklarheiten hinwegzuhelfen.1108 Erforderlich ist, dass die auskunftsbegehrende Vertragsseite hinreichend substantiierte Anhaltspunkte für eine Vertragspflichtverletzung darzulegen vermag; eine ausforschende Kontrolle des Emittenten „ins Blaue hinein“ kommt nicht in Betracht.1109 Die Reichweite des Anspruchs ergibt sich dabei letztlich aus einer einzelfallbezogenen Abwägung, in welche einerseits das Informationsinteresse des Anspruchsinhabers, andererseits das Geheimhaltungsinteresse der Vertragsgegenseite einzubeziehen sind.1110 Da es den Token-Inhabern ohne zusätzliche Investigationsrechte vielfach kaum möglich sein wird, Anhaltspunkte für einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß im Sinne der 1102
BGHZ 10, 385, 386 f.; Forster, in: Soergel, BGB, § 259 Rn. 8 f. BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529 m. zust. Anm. Pöschke, DB 2016, 2219 ff.; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 61; Florstedt, ZIP 2017, 49, 52; Sethe, AG 1993, 351, 356 f.; Stöber, NZG 2017, 1401, 1404 f. 1104 Florstedt, ZIP 2017, 49, 52; Sethe, AG 1993, 351, 357. 1105 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529 f. m. zust. Anm. Pöschke, DB 2016, 2219, 2221; Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 619; Frantzen, Genußscheine, S. 226; Stöber, NZG 2017, 1401, 1405. 1106 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530. 1107 Vgl. Frantzen, Genußscheine, S. 226 f.; Florstedt, ZIP 2017, 49, 52; vgl. zu in Betracht kommenden Berechnungsmodi Fn. 83. 1108 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 620; Florstedt, ZIP 2017, 49, 53. 1109 BGH, Urt. v. 14. 6. 2016 – II ZR 121/15 = ZIP 2016, 1529, 1530; Florstedt, in: KKAktG, § 221 Rn. 620; ders., ZIP 2017, 49, 53 ff.; Stöber, NZG 2017, 1401, 1406. 1110 Vgl. Florstedt, ZIP 2017, 49, 53. 1103
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Klöckner-Grundsätze darzulegen, bleibt das allgemeine Auskunftsrecht ein verhältnismäßig stumpfes Schwert. 3. Ergänzende Informations- und Kontrollrechte auf vertraglicher Grundlage Grundsätzlich angeraten1111 und in der Crowdinvesting-Praxis üblich1112 ist es daher, den Mezzanine-Investoren auf vertraglicher Grundlage weitergehende Informationsmöglichkeiten einzuräumen. In der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Rechte sind die Finanzierungsparteien frei.1113 In Betracht kommen etwa periodische Berichtspflichten im Hinblick auf die Geschäfts- und Produktentwicklung oder die Vorlage betriebswirtschaftlicher Kennzahlen samt Erläuterungen.1114 Gestaltungsgrenzen ergeben sich lediglich aus der Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsleitung (vgl. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG1115).1116 Solange sich die Investoren auf die Eigenauskünfte der finanzierten Gesellschaft verlassen müssen, bleibt es für sie allerdings unmöglich, sicher zu beurteilen, ob die investierten Mittel zweckentsprechend eingesetzt wurden und ob im Falle eines Misserfolgs unternehmerisches Unvermögen, mangelndes Engagement oder unvorhersehbare Hindernisse verantwortlich waren.1117 Um die fortbestehenden Informationsdefizite der Anleger zu verringern, können ihnen über die Auskunftsrechte hinaus bestimmte Einsichts- und Kontrollrechte zugebilligt werden. Dass hiervon in der Finanzierungspraxis nur zurückhaltend Gebrauch gemacht wurde,1118 ist abgesehen von praktischen Hürden dem unternehmensseitigen Bedürfnis geschuldet, unerwünschte Informationsabflüsse zu vermeiden.1119 Drängen sensible Informationen über die Unternehmensstrategie oder die Produktentwicklung an die Öffentlichkeit, gefährdete dies die Projektverfolgung
1111
So ausdrücklich etwa Sethe, AG 1993, 351, 357. Schedensack, Crowdinvesting, S. 218; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 168 ff. 1113 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 538; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 26; Stöber, NZG 2017, 1401, 1407. 1114 Stöber, NZG 2017, 1401, 1407. Entsprechende Regelungsvorbilder finden sich sowohl im Venture Capital-Bereich als auch im Kontext konventioneller Crowdinvestings, vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 567; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 168 ff. 1115 Im GmbH-Recht ergibt sich nach h. M. Entsprechendes aus den organschaftlichen Treuepflichten, vgl. Fleischer, in: MünchKomm GmbHG, § 43 Rn. 249. 1116 Vgl. Fettes, Covenants, S. 101 ff.; Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 352 sowie im Venture Capital-Kontext Kuntz, Gestaltung, S. 597 f. 1117 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 218. 1118 S. in Bezug auf konventionelle Crowdinvestings Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 174 ff. 1119 Vgl. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 143; Herr/Bantleon, DStR 2015, 532, 539; Weitnauer, GWR 2015, 309, 310. 1112
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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u. U. einschneidend und nachhaltig.1120 Die im Kontext konventioneller Crowdinvestings diskutierte Möglichkeit, die Weitergabe derartiger Informationen durch die Auferlegung vertraglicher Vertraulichkeitspflichten oder durch Übertragungshindernisse zu unterbinden,1121 muss angesichts des liquiden und pseudonymen Handels mit Token als untauglich verworfen werden. In Betracht kommt dagegen, einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Anlegervertreter mit Überwachungsaufgaben und der Auswertung vertraulicher Informationen zu betrauen.1122 Auf diese Weise kann nicht nur dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft Rechnung getragen, sondern auch den Kollektivhandlungsproblemen der Gläubigergesamtheit abgeholfen werden.1123 Angesichts der (Transaktions-)Kosten, die mit der Einschaltung eines solchen Informationsintermediäres einhergingen, bedarf es insoweit einer kritischen Nutzenabwägung im Einzelfall.1124 4. Technische Umsetzung von Informationskanälen Hinsichtlich der Kommunikation mit den Token-Anlegern kann die BlockchainTechnologie gegenüber herkömmlichen webbasierten Informationskanälen effizienzsteigernd zum Tragen kommen.1125 Neben dem unmittelbaren Datentransfer über das Netzwerk macht es der Technologieeinsatz möglich, berechtigte Nutzer anhand ihres public keys zweifelsfrei zu identifizieren und den Inhalt des gesamten Datenaustauschs transparent und manipulationssicher zu dokumentieren. Mithilfe von DApps können zudem virtuelle Investorenversammlungen abgehalten werden.1126 Derartige Formen der Anlegereinbindung bieten nicht nur einen zusätzlichen Investitionsanreiz, sondern können dem Emittenten auch zum Aufbau einer Kundenbzw. Nutzerbasis dienen (sog. community building). Neben der Kapitalaufbringung liegt darin ein zentrales Motiv vieler Token Sale-Initiatoren.1127
1120 Vgl. allgemein zum Geheimhaltungsinteresse von Start-Ups Kuntz, Gestaltung, S. 585 f. 1121 Vgl. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 143; Schedensack, Crowdinvesting, S. 243 f.; Weitnauer/Parzinger, GWR 2013, 153, 158. 1122 Vgl. Reps, Debt Governance, S. 226 f. sowie mit entsprechenden Beispielen aus der Crowdinvesting-Praxis Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 174 ff. 1123 S. ausführlich unter B.III.3.a)aa)(2)(a) und B.III.3.a)bb)(1). 1124 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 218. 1125 S. insoweit bereits unter B.III.3.a)aa)(1)(a). 1126 Vgl. aus dem Bereich konventioneller Crowdinvestings Schulz, Crowdinvesting, S. 21; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 173 f. 1127 Interview vom 1. 3. 2022.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
III. An die traditionelle Wagnisfinanzierung angelehnte Schutzmechanismen Angesichts der Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Anlegerschutzes werden im juristischen Schrifttum Forderungen nach einem privatautonomen Ordnungsrahmen laut, der sich am Regelungsrepertoire der Venture Capital-Finanzierung zu orientieren habe.1128 Dafür scheint zu sprechen, dass Token-Investoren in ähnlicher Weise von opportunistischen Verhaltensweisen der Gründer betroffen sind wie traditionelle Risikokapitalgeber.1129 Zwar profitieren die Anleger mittelbar von dem Anreiz- und Überwachungssystem, das im Zusammenhang mit Venture Capital-Finanzierungen standardmäßig errichtet wird. Da die Vergütungsansprüche der Hybridgläubiger in wirtschaftlicher Konkurrenz zu den Renditezielen der am Eigenkapital beteiligten Investoren stehen, ist blindes Vertrauen auf eine protegierende Einflussentfaltung aber keineswegs gerechtfertigt.1130 Hinzukommt, dass das Maßnahmenregime die spezifischen Schutzbelange außenstehender Kapitalgeber von vornherein nicht adressiert. Mit dem reflexartigen Schutz der Token-Investoren sollte es daher nicht sein Bewenden haben. Inwiefern ausgewählte Instrumente der Wagnisfinanzierung als Regelungsvorbild für den privatautonomen Anlegerschutz taugen, soll im Folgenden untersucht werden. Berücksichtigung finden dabei vier Gestaltungsvarianten, deren Einsatz im Zusammenhang mit Token-basierten oder konventionellen Schwarmfinanzierungen bereits erprobt wurden: Gestaffelte Kapitalüberlassungen (1.), Vesting (2.), Covenants (3.) und Verwässerungsschutzklauseln (4.). Als implementierungswürdig sind in diesem Zusammenhang solche Gestaltungsmittel anzusehen, die geeignet erscheinen, die Agenturrisiken der Finanzierung zu reduzieren, ohne ihrerseits Transaktionskosten in prohibitiver Höhe zu verursachen. Es bedarf mit anderen Worten einer prognostischen Kosten-Nutzen-Abwägung. 1. Gestaffelte Kapitalüberlassung Im Bereich der Venture Capital-Finanzierung begrenzen die Kapitalgeber ihr Investitionsrisiko, indem sie die zugesagten Mittel in mehreren Tranchen bereitstellen (sog. staging oder staggered financing).1131 Dabei übernehmen die Finan1128 Zetzsche/Buckley/Arner u. a., 60 Harv. Int’l L.J. 267, 282 (2019); vgl. auch Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 440 (2019). 1129 S. 3. Kap. C.II.1.a). 1130 Vgl. im Zusammenhang mit konventionellen Crowdinvestings so auch Schedensack, Crowdinvesting, S. 194 f. 1131 Baums/Möller, in: FS Buxbaum, S. 33, 36 ff.; Brehm, VC-Vertragswerk, S. 61 ff.; Gump, in: Halloran, Venture Capital, 10 A-4 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 121, 637; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 146 f.; Winkler, VC-Finanzierung, S. 240 ff.; Ziegert, VCBeteiligungsvertrag, S. 122 ff.; vgl. aus dem ökonomischen Schrifttum ferner Antonczyk/ Breuer/Mark, FB 2008, 225, 228; Bienz/Hirsch, 16 Rev. Fin. 157 (2012); Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1 (2003); Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 506 (1990); Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255 (1999). Auch Venture Debt-Finanzierungen werden typischerweise gestaffelt
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zierer keine unbedingte Verpflichtung zur Leistung der avisierten Investitionssumme, sondern machen die sukzessive Auszahlung vom Erreichen bestimmter Entwicklungsschwellen („Meilensteine“) abhängig.1132 Auf diese Weise erhalten die Investoren eine Möglichkeit, den Entwicklungsfortschritt der finanzierten Unternehmung in regelmäßigen Abständen zu evaluieren und dadurch sicherzustellen, dass die Gründer nicht in aussichtslose Projekte investieren oder Vermögensvorteile vereinnahmen.1133 Dazu ist es unternehmensseitig erforderlich, bestimmte Performance-Indikatoren zu erheben und offenzulegen. Dies wirkt nicht nur den Informationsasymmetrien zwischen der finanzierten Gesellschaft und den Kapitalgebern entgegen, sondern kann für die Gründer auch einen Anreiz darstellen, sich nach Kräften für das Erreichen der gesetzten Ziele einzusetzen.1134 Schließlich führt die tranchenweise Kapitalbereitstellung zur Verknappung der liquiden Mittel und zwingt die Geschäftsleitung somit, ressourceneffizient zu wirtschaften.1135 a) Gestaltungsmöglichkeiten im STO-Kontext Im Zusammenhang mit einem STO kann die Staffelung der Kapitalüberlassung auf zweierlei Weise erfolgen: Die erste Möglichkeit besteht darin, die für die Auszahlung maßgeblichen Meilensteine wie in der deutschen Venture Capital-Praxis üblich bereits ex ante zu definieren.1136 Als entsprechende Wegmarken kommen die Entwicklungsschritte des Businessplans in Betracht, z. B. die Markteinführung eines Produkts, die Anmeldung eines Patents oder das Überschreiten einer bestimmten Nutzerzahl bis zu einem festgelegten Datum.1137 Angeknüpft werden kann darüber hinaus an das Listing der Token an einer Kryptobörse oder an betriebswirtschaftliche Kennzahlen.1138 Die zweite Gestaltungsvariante überlässt in Anlehnung an die U.S.-amerikanische Venture Capital-Praxis den Token-Inhabern die Entscheidung über die Freigabe durchgeführt, s. Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 86. Vereinzelte Beispiele finden sich darüber hinaus im Zusammenhang mit konventionellen Schwarmfinanzierungen, vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 218 f. 1132 Rechtstechnisch handelt es sich bei dieser Gestaltung um ein aufschiebend bedingtes schuldrechtliches Agio, s. hierzu Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 259 ff.; Kuntz, Gestaltung, S. 637 ff. 1133 Baums/Möller, in: FS Buxbaum, S. 33, 38; Brehm, VC-Vertragswerk, S. 64 f.; Gompers/Lerner, VC Cycle, S. 161; Kuntz, Gestaltung, S. 123; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 122 f. Auf diese Weise kann insbesondere dem Überinvestitionsproblem begegnet werden, s. hierzu 3. Kap. C.II.1.a)ff). 1134 Kuntz, Gestaltung, S. 122; Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1079 ff. (2003). 1135 Baums/Möller, in: FS Buxbaum, S. 33, 38. Zu den agency costs of free cash flow s. 3. Kap. C.II.1.a)ff). 1136 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 121, 637. 1137 Baums/Möller, in: FS Buxbaum, S. 33, 38; Kuntz, Gestaltung, S. 124. 1138 Kuntz, Gestaltung, S. 124; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 146.
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
weiterer Tranchen, wobei die Kapitalzuführung von einem positiven Abstimmungsergebnis der Anlegermehrheit abhängt.1139 Findet eine Auszahlung statt, liegt es in beiden Gestaltungsvarianten nahe, die Beteiligungsquote der Mezzanine-Investoren proportional anzuheben. Da dies wirtschaftlich einer Erhöhung des Genussrechtskapitals gleichkommt,1140 bedarf es dazu bei Emittenten im Rechtskleid der Aktiengesellschaft einer erneuten Beschlussfassung gem. § 221 Abs. 3, 1 AktG.1141 Bei der Gestaltung beider Spielarten der Finanzierungsstaffelung ist überdies zu berücksichtigen, dass die Umlauffähigkeit der tokenisierten Instrumente nicht beeinträchtigt werden darf. Dies drohte, wenn die Token-Erwerber aufschiebend bedingte Zahlungspflichten träfen.1142 Ebenso wenig zielführend wäre es allerdings, die ursprünglichen Kapitalgeber mit einer „Nachschusspflicht“ zu belasten, da sie nach der Veräußerung ihrer schuldrechtlichen Beteiligung keinen Anreiz mehr hätten, die eingeräumte Überwachungsmöglichkeit ergebnisoffen wahrzunehmen. In Betracht kommt daher nur, dass die Teilnehmer eines Token Sales von vornherein die vollständige Investitionssumme an den Smart Contract transferieren und dieser einen Teil des eingeworbenen Kapitals gewissermaßen als virtuelle Hinterlegungsstelle einbehält.1143 Sobald die Voraussetzungen der Mittelüberlassung eintreten,1144 kann die Auszahlung weiterer Tranchen automatisiert vollzogen werden.1145 Werden die jeweiligen Entwicklungsschritte dagegen verfehlt oder spricht sich die Mehrheit der Anleger gegen eine Freigabe aus, findet eine Ausschüttung des zurückbehaltenen Kapitals an die aktuellen Token-Inhaber statt.
1139 Vgl. zur U.S.-amerikanischen Gestaltungspraxis Kuntz, Gestaltung, S. 121. Entsprechende Beispiele finden sich bereits im Zusammenhang mit konventionellen Schwarmfinanzierungen, s. Schedensack, Crowdinvesting, S. 218 f. 1140 Der wirtschaftlich identische Effekt ließe sich durch die Ausgabe weiterer (tokenisierter) Mezzanine-Instrumente erzielen, die zu einem Zahlungsanspruch berechtigen, welcher der Differenz zwischen alter und neuer Quote entspricht. 1141 Möglich ist es auch, den Vorstand bereits vorab analog § 221 Abs. 2 AktG entsprechend zu ermächtigen, s. Fn. 556. Zur Rechtslage in der GmbH s. B.I.3.a). 1142 Vgl. im aktienrechtlichen Zusammenhang Kuntz, Gestaltung, S. 644; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 127 f. Zum Eintritt in die (bedingte) Pflichtenstellung bedürfte es zudem anlässlich jeder Token-Transaktion einer vertraglichen Schuldübernahme gem. §§ 414 ff. BGB, wofür es regelmäßig an Anhaltspunkten fehlt. Aus Gläubigerperspektive kann daran schon deshalb kein Interesse bestehen, weil die praktische Durchsetzbarkeit etwaiger Leistungsansprüche angesichts des pseudonymen Handels mit Token ungewiss wäre. 1143 Vgl. Adhami/Giudici/Martinazzi, 100 J. Econ. B. 64, 66 (2018). 1144 Soweit es auf off-chain-Informationen ankommt, bedarf es der Daten-Übermittlung durch ein oracle, s. hierzu 2. Kap. C.I.2. 1145 Angesichts der Volatilitätsrisiken von Kryptowährungen sind bei deren Hinterlegung zusätzliche Wertsicherungsmechanismen erforderlich, s. C.IV.2.
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b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit In der Emissionspraxis haben Initiatoren bislang nur sporadisch von dem Gestaltungsmittel Gebrauch gemacht.1146 Ein Grund hierfür mag in dem Umstand liegen, dass die Umsetzung des staging mit erheblichen Transaktionskosten einhergeht: Im ex ante-Modell bedarf es der Einbindung eines oracles, welches das Erreichen oder Nichterreichen von Meilensteinen verbindlich feststellt und die entsprechenden Daten an den Smart Contract übermittelt.1147 In jenen Fällen, in denen der Entschluss über die Kapitalzuführung in das Ermessen der Anlegermehrheit gestellt ist, müssen die Token-Investoren zudem über die wesentlichen Aspekte der Unternehmensentwicklung in Kenntnis gesetzt werden, um eine informierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen.1148 Eine signifikante Erhöhung des Anlegerschutzes ist gemessen an den damit einhergehenden Kosten nicht zu erwarten. Obliegt den Token-Inhabern die Entscheidung über die Fortsetzung der Finanzierung, besteht die Gefahr, dass sie sich von einer beschönigenden Darstellung des erzielten Fortschritts blenden lassen (sog. window dressing).1149 Aus verhaltensökonomischer Perspektive liegt es in derartigen Situationen zudem nahe, dass die Anleger aus dem menschlichen Bedürfnis heraus, einmal gewonnene Überzeugungen aufrechtzuerhalten, Informationen, die geeignet sind, Zweifel an ihrer Investitionsentscheidung zu begründen, unzureichend würdigen oder gänzlich außer Acht lassen (sog. conservatism bias bzw. confirmation bias).1150 Die Tendenz, weitere Tranchen zu genehmigen, wird zudem u. U. dadurch erhöht, dass die finanzierte Gesellschaft für den Fall einer verweigerten Mittelfreigabe das Ausbleiben jedweder Zahlungsrückflüsse in Aussicht stellt. Insofern ergibt sich erhebliches Erpressungspotenzial auf Seiten des Emittenten.1151
1146 Vgl. Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 26 (2021), die den Anteil der ICOs mit Meilensteinvereinbarungen in ihrer Studie mit 4 % beziffern. 1147 S. Fn. 1144. 1148 Zu den Überwachungskosten des staging im VC-Kontext vgl. Gompers, 50 J. Finance 1461, 1464 (1995). 1149 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 123; Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1, 2 (2003). Vgl. hierzu auch schon 3. Kap. C.II.2. 1150 S. zu solchen Urteilsverzerrungen Klöhn, Kapitalmarkt, S. 106 ff.; Tversky/Kahnemann, 185 Science 1124, 1125 (1974) jeweils m. w. Nachw. Vgl. in Bezug auf Crowdinvestings so auch Schedensack, Crowdinvesting, S. 219. 1151 Die spiegelbildliche Lage kann bei VC-Finanzierungen eintreten: Hier droht ein holdup durch die Kapitalgeberseite, Kuntz, Gestaltung, S. 122; Bienz/Hirsch, 16 Rev. Fin. 157, 162 f. (2012); Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1081 (2003). Der Unterschied zur Token-Finanzierung ist dadurch zu erklären, dass einzelne Privatanleger i. d. R. keine nennenswerte Verhandlungsmacht innehaben. Eine Kumulierung der Verhandlungsmacht scheitert an den Koordinierungsproblemen des Anlegerkollektivs, vgl. B.III.3.a)aa). Etwas anderes kann für jene Fälle gelten, in denen institutionelle Investoren große Token-Beteiligungen halten (sog. whales).
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Derartige Risiken scheinen auf den ersten Blick gebannt, soweit die Mittelfreigabe vom Erreichen ex ante definierter Meilensteine abhängt. Allerdings steht zu befürchten, dass der Emittent die selbstgesteckten Ziele von vornherein so wählt, dass er sie innerhalb des festgelegten Zeitraums mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreicht.1152 Die intendierte Anreizwirkung der Zielvereinbarung geht dadurch im Wesentlichen verloren. Darüber hinaus erwachsen zusätzliche Agenturrisiken aus der Einbindung des oracles, welches als Informationsintermediär seinerseits der Gefahr des window dressing ausgesetzt ist. Als Gestaltungsmittel trägt staging bei einem STO somit weitaus weniger zum Schutze der Kapitalgeber bei als im traditionellen Venture Capital-Kontext. Einen Mehrwert kann die Finanzierungsstaffelung gleichwohl bieten, soweit die Mittelfreigabe über einen längeren Zeitraum an ehrgeizige Meilensteine geknüpft wird, deren Erreichen unabhängige oracles anhand objektiver Indikatoren kontrollieren. 2. Vesting Für die Investitionsentscheidung von Venture Capital-Gebern ist das langfristige Engagement der Gründer von essenzieller Bedeutung.1153 Klauseln, die der Bindung von Knowhow-Trägern an das finanzierte Unternehmen dienen, gelten als „nicht verhandelbar“.1154 Neben nachvertraglichen Wettbewerbsschranken1155 und Vinkulierungsregelungen1156 bedient sich die Gestaltungspraxis vor allem sogenannter Vesting-Regelungen, um ein vorzeitiges Ausscheiden der Gründer zu verhindern.1157 Derartige Klauseln bewirken, dass die Schlüsselfiguren der Unternehmung ihre Beteiligung ganz oder teilweise verlieren, falls sie ihre Tätigkeit vor einem festgelegten Datum niederlegen. Rechtstechnisch wird zu diesem Zweck entweder ein Einziehungsrecht in der Satzung verankert oder eine schuldrechtliche Call Option zugunsten der Mitgesellschafter vereinbart.1158 Auf der Rechtsfolgenseite differenzieren die einschlägigen Regelungen dabei üblicherweise zwischen solchen Personen, die ihr Ausscheiden nicht zu vertreten haben (sog. good leaver) und solchen, die 1152
Schedensack, Crowdinvesting, S. 219. Bank/Möllmann, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 3 Rn. 219; vgl. auch schon 3. Kap. C.II.1.a)cc). 1154 Thelen, RNotZ 2020, 121, 132. 1155 Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 238; Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 228 f. 1156 Kuntz, Gestaltung, S. 705 ff.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 189 ff.; Winkler, VC-Finanzierung, S. 146 ff. 1157 Kuntz, Gestaltung, S. 152 ff., 724 ff.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 220 ff.; Winkler, VC-Finanzierung, S. 188 ff.; Denga, ZGR 2021, 725, 731 ff.; Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1083 (2003); Thelen, RNotZ 2020, 121, 131 ff. 1158 Bank/Möllmann, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 3 Rn. 221 ff.; Kuntz, Gestaltung, S. 724 ff.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 221 ff.; Denga, ZGR 2021, 725, 734 ff.; Thelen, RNotZ 2020, 121, 131 f. 1153
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den Beendigungsgrund selbst herbeigeführt haben (sog. bad leaver).1159 Aus Kapitalgeberperspektive schützt Vesting zum einen vor hold-up-Situationen, in denen Gründer mit ihrem Austritt drohen.1160 Zum anderen stellt die Gestaltung sicher, dass Mitglieder nach ihrem Ausscheiden nicht als Trittbrettfahrer von einem steigenden Anteilswert profitieren und beugt so Konflikten innerhalb der Gründergruppe vor.1161 a) Gestaltungsmöglichkeiten im STO-Kontext Während der Hochphase des Finanzierungsphänomens gehörten Vesting-Versprechen zu den am häufigsten verwendeten Formen des Anlegerschutzes bei Token Sales.1162 Hintergrund der Gestaltungen war, dass regelmäßig 20 – 30 % des Emissionsvolumens für Gründer und andere Unternehmensinsider einbehalten wurden, um die finanziellen Interessen des Entwicklerteams öffentlichkeitswirksam mit denen der Token-Investoren in Einklang zu bringen.1163 Um zu verhindern, dass die begünstigten Personen ihre Beteiligung umgehend am Markt liquidierten und samt den erzielten Erlösen abtauchten,1164 wurden die für Insider vorgesehenen Token mit Verfügungsbeschränkungen versehen, die eine Anteilsveräußerung erst im Laufe der Zeit oder – seltener – nach dem Erreichen bestimmter Meilensteine zuließen.1165 Solche Übertragungsschranken lassen sich von technischer Seite ohne Weiteres mit Hilfe des Smart Contracts implementieren, indem Lock-up-Perioden für die betreffenden Einheiten definiert werden.1166 1159 S. zu verschiedenen Gestaltungsvarianten Bank/Möllmann, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 3 Rn. 235 ff.; Rieckhoff/Hügel, GmbHR 2021, 299 ff. 1160 Kuntz, Gestaltung, S. 152; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 220. 1161 Kuntz, Gestaltung, S. 152; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 220. 1162 Vgl. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 614 (2019); Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 433 (2019). Welchen Verbreitungsgrad das Gestaltungsmittel tatsächlich erreichte, wird allerdings uneinheitlich beantwortet: Während Howell/Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3940 eine entsprechende Regelung in 22 % der von ihnen untersuchten ICOs identifizierten, gehen Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 26 (2021) in ihrer Studie sogar von 59 % aus. 1163 Vgl. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 615, 628 (2019); Rohr/ Wright, 70 Hastings L. J. 463, 479 (Fn. 81) (2019). 1164 Von Vorkommnissen dieser Art berichten Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 615 (Fn. 112) (2019); Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 433 (2019). 1165 Vgl. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 628 (2019); Howell/ Niessner/Yermack, Rev. Financ. Stud. 33 (2020), 3925, 3940; Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 433 (2019). 1166 Blemus/Guégan, 15 Cap. Mark. Law J. 191, 207 (2020); Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 627 ff. (einschließlich Code-Beispiel) (2019); Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 433 (2019). Vgl. aus dem whitepaper des inzwischen vom Markt gegangenen Plattformanbieters Blackmoon v. 7. 9. 2017, abrufbar unter: https://tinyurl.com/2d4zvp42: „20 % of the [tokens] will be allocated to the founding […] team and advisors, locked in a smart contract with a 24-month vesting period, and six-month cliff. These [tokens] won’t be immediately tradable and will secure the core team members by ensuring their motivation after the Distribution Period.“
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Für Gestaltungen dieser Art besteht auch dann noch ein Bedürfnis, wenn ein Token Sale der Ergänzungsfinanzierung dient. Zwar ist das Risiko eines frühzeitigen Gründerausstiegs in diesem Fall weniger akut, da die relevanten Knowhow-Träger aus Anlass der vorausgehenden Venture Capital-Finanzierung bereits einer VestingRegelung unterworfen wurden. Doch können angesichts der Signalwirkung einer solchen Gestaltung gute Gründe dafür sprechen, die betreffenden Schlüsselpersonen durch eine Token-basierte Anreizsetzung im Anlegersinne zu motivieren. So werden die Kapitalgeber dem Versprechen eines liquiden Token-Handels etwa umso eher Glauben schenken, je größer das wirtschaftliche Eigeninteresse der Entscheidungsträger am Listing der Anlageinstrumente ist. Ein solches Eigeninteresse, so das Kalkül, entsteht auf natürliche Weise, wenn die betreffenden Personen selbst eine Token-Beteiligung erhalten. In diesem Zusammenhang gilt es allerdings zu beachten, dass die unentgeltliche oder vergünstigte Zuteilung1167 von Security Token mit unerwünschten einkommensteuerlichen Konsequenzen einhergehen kann, sofern den Begünstigten dadurch ein geldwerter Vorteil gem. § 8 Abs. 2 S. 1 EStG zufließt.1168 Auch aus diesem Grund sind Start-Ups in jüngerer Zeit dazu übergegangen, virtuelle Mitarbeiterbeteiligungsprogramme aufzusetzen, durch die einzelnen Arbeitnehmern sog. stock appreciation rights (SARs)1169 oder phantom stocks1170 in tokenisierter Form sukzessive gutgeschrieben werden.1171 Bei diesen im Venture Capital-Kontext bereits erprobten 1167 Die Gratis- bzw. Rabattausgabe ist grundsätzlich zulässig. Bei der Ausgabe an Aktionäre ergeben sich allerdings Schranken aus dem Grundsatz der Vermögensbindung gem. § 57 Abs. 3 AktG, s. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 85. Dienen die eingeräumten Rechte als Vergütungsbestandteil, ist in der Regel von der Äquivalenz der gegenseitig erbrachten Leistungen auszugehen, s. Bayer, in: MünchKomm AktG, § 57 Rn. 54 ff. 1168 Die unter dem Stichwort dry income diskutierten Nachteile resultieren daraus, dass die mit der Token-Zuteilung entstehende Steuerschuld, das liquide Vermögen der begünstigten Person aufzuzehren droht, solange der innere Wert der Token aufgrund von Vesting-Regelungen nicht konsumierbar ist, vgl. allgemein zum dry income-Problem und dem unvollkommenen gesetzgeberischen Lösungsansatz in Gestalt des § 19a EStG Kuntz/Engelhardt, ZGR 2021, 348, 351 ff. Zur ertragsteuerlichen Qualifikation von Token als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit s. BMF-Schreiben, „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token“, 10. 5. 2022, S. 23. 1169 SARs gewähren einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch, der die Begünstigten wirtschaftlich so stellt, als bestünde zu ihren Gunsten eine Option auf den Bezug von Anteilen, die sie unmittelbar nach Ausübung zum Marktwert veräußern. Der Auszahlungsbetrag entspricht der Differenz von Ausgabebetrag und Marktwert der hypothetischen Anteile bei Ausübung der Option (meist im Zeitpunkt eines Exits), s. Drygala/Staake, in: KK-AktG, § 192 Rn. 148; Fuchs, in: MünchKomm AktG, § 192 Rn. 85; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil F. Rn. 148 ff. 1170 Phantom stocks berücksichtigen neben der Wertentwicklung des Unternehmens auch die seit dem Zeitpunkt ihrer Gewährung an die Gesellschafter ausgeschütteten Dividenden, s. Drygala/Staake, in: KK-AktG, § 192 Rn. 149; Fuchs, in: MünchKomm AktG, § 192 Rn. 85; ders., in: ders., Venture Capital, Teil F. Rn. 152 ff. 1171 Vgl. hierzu den Vortrag von Plagemann/Kaulartz, „Nutzung von Blockchains durch Startups: Tokenisierung von ESOPs und Convertibles“, 15. 4. 2021, abrufbar unter: https://
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Modellen findet ein zu versteuernder Vermögenszufluss i. S. v. § 11 Abs. 1 S. 1 EStG erst dann statt, wenn anlässlich eines Exits eine Auszahlung erfolgt oder wenn der Begünstigte über die gewährten Rechte verfügt.1172 Die Zuteilung der tokenisierten Instrumente kann dabei mit Hilfe eines Smart Contracts automatisiert vollzogen werden.1173 Darüber hinaus ist es möglich, (zeitlich beschränkte) Abtretungsverbote sowie Rückfallklauseln bzw. Kündigungsrechte zu vereinbaren,1174 die sich auf virtueller Ebene ebenfalls softwaregesteuert durchsetzen lassen. In ihrer Wirkung kommen derartige Ausstiegsgegenanreize klassischen Vesting-Regelungen nahe. Sobald die besagten Übertragungsschranken entfallen, die „Vesting-Periode“ der Token also abgelaufen ist, können die Begünstigten ihre Token über den Sekundärmarkt in bare Münze umwandeln. In dogmatischer Hinsicht werden die dem Vergütungsmodell zugrundeliegenden Rechtspositionen überwiegend als Genussrechte qualifiziert.1175 Eine Beschlusskompetenz der Hauptversammlung gem. § 221 Abs. 1, 3 AktG soll nach verbreiteter, keineswegs aber unumstrittener Auffassung gleichwohl nicht bestehen; zuständig sei allein die Geschäftsleitung bzw. der Aufsichtsrat (§ 87 Abs. 1 AktG)1176.1177 Nach hier vertretener Auffassung folgt dieses Ergebnis bereits aus der generellen Unanwendbarkeit des § 221 AktG auf Individualverträge.1178 Selbst wenn mit den eingeräumten Rechten eine (endfällige) Gewinnbeteiligung einhergeht, wie es bei
www.newcon.io/video/nutzung-von-blockchains-durch-startups-tokenisierung-von-esops-undconvertibles. 1172 Eisgruber, in: Kirchhof/Seer, EStG, § 19 Rn. 78; Kuntz/Engelhardt, ZGR 2021, 348, 361; Schiemzik, NWB 2011, 798, 802 f. Vgl. zu realen Anteilsoptionen BFHE 239, 221, 224 f. 1173 Vgl. mit Blick auf tokenisierte Belegschaftsaktien Maume/Fromberger, ZHR 185 (2021), 507, 547 f. 1174 Vgl. Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 566. Abtretungsverbote werden im steuerrechtlichen Schrifttum ausdrücklich empfohlen, um der umstrittenen Frage zu entgehen, ob die Zuteilung von handelbaren Optionsrechten bzw. deren schuldrechtlichen Nachbildungen einen steuerlich relevanten Vermögenszufluss darstellen, s. Schiemzik, NWB 2011, 798, 803 m. w. Nachw. zum Diskussionsstand. 1175 Frey, in: GK-AktG, § 192 Rn. 108; Fuchs, in: MünchKomm AktG, § 192 Rn. 86; sympathisierend ferner Drygala/Staake, in: KK-AktG, § 192 Rn. 150; differenzierend Hoppe, NZG 2018, 811, 813 f.; a. A. LG München I, Urt. v. 23. 8. 2007 – 5 HK O 10734/07 = AG 2008, 133, 135; Koch, in: ders., AktG, § 87 Rn. 42. Vgl. allgemein zu Mitarbeitergenussrechten Florstedt, in: KK-AktG, § 221 Rn. 565 ff.; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 83. 1176 In der GmbH ist die Geschäftsführung bzw., soweit es um deren Vergütung geht, die Gesellschafterversammlung zuständig, s. zur ganz h. M. Liebscher, in: MünchKomm GmbHG, § 46 Rn. 138 m. Nachw. 1177 Habersack., in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 67; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221 Rn. 49; Ekkenga, AG 2017, 89, 91 f.; a. A. Frey, in: GK-AktG, § 192 Rn. 108; Fuchs, in: MünchKomm AktG, § 192 Rn. 86; Hoppe, NZG 2018, 811, 814; wohl auch Drygala/Staake, in: KK-AktG, § 192 Rn. 150. 1178 S. B.I.2.a)bb).
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phantom stocks der Fall ist, kommt gem. § 292 Abs. 2 AktG auch eine Einordnung als Teilgewinnabführungsvertrag nicht in Betracht.1179 b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit Was den anlegerschützenden Mehrwert von Vesting-Klauseln bei einem STO anbelangt, ist zunächst festzuhalten, dass sich die soeben beschriebenen Gestaltungen von denjenigen bei klassischen Venture Capital-Finanzierungen in einem wesentlichen Punkt unterscheiden: Im Falle des frühzeitigen Ausscheidens wird nicht der den Großteil des Gründervermögens ausmachende Gesellschaftsanteil eingeschränkt oder entzogen,1180 sondern „nur“ eine zusätzlich eingeräumte Anreizvergütung. Die Bindungswirkung der Gestaltung ist dementsprechend von vornherein begrenzt.1181 Das ist im Falle einer komplementären Token-Finanzierung unbedenklich, da die Anleger von den Maßnahmen zur Bindung der Gründer profitieren, welche im Zuge der vorausgegangenen Venture Capital-Finanzierung routinemäßig implementiert werden. In den Vordergrund rückt daher ein anderer Effekt: Die Token-basierte Anreizvergütung kann Gründer und Mitarbeiter motivieren, die spezifischen Interessen der Anleger durch ihren Arbeitseinsatz zu fördern und ihre Belange bei unternehmerischen Entscheidungen verstärkt zu berücksichtigen.1182 Das gilt freilich nur, soweit die zur Anreizsetzung ausgegebenen Instrumente den emittierten Titeln inhaltlich gleichen. Ist dies nicht der Fall, bieten die tokenisierten Beteiligungsmodelle gegenüber konventionellen Programmen aus Anlegerperspektive nur den Vorteil potentieller Effizienzgewinne auf der Unternehmensebene. 3. Covenants Im Finanzierungszusammenhang stellen sog. Covenants ein ebenso verbreitetes wie vielgestaltiges Mittel zur Risikosteuerung dar. Der im anglo-amerikanischen Anleihe- und Kreditgeschäft wurzelnde Begriff bezeichnet Verhaltenspflichten, die der finanzierten Partei zur Wahrung der Kapitalgeberinteressen vertraglich auferlegt 1179 Zur überindividuellen Einräumung derartiger Rechte s. Ekkenga, AG 2017, 89, 92 ff.; dagegen die Einordnung als Teilgewinnabführungsvertrag grundlegend ablehnend Koch, in: ders., AktG, § 292 Rn. 27. 1180 Vgl. Denga, ZGR 2021, 725, 738: „Verlustprogramm hinsichtlich zunächst vollumfänglich übertragener Anteile“. 1181 Insofern kritisch Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 433 f. (2019). 1182 Ein Anreizprogramm, das investorenseitig die Befürchtung begründet, die Geschäftsleitung könne bei ihren Entscheidungen die Interessen der Token-Inhaber über die der Risikokapitalgeber stellen, wäre angesichts der Machtverhältnisse in der Venture Capital-finanzierten Gesellschaft nicht durchsetzbar. Dieses „Risiko“ dürfte angesichts des überwiegenden wirtschaftlichen Interesses der Gründer an der Wertsteigerung ihres Gesellschaftsanteils allerdings nur theoretischer Natur sein.
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werden.1183 Mit Blick auf die verwendeten Kautelen wird üblicherweise eine terminologische Dreiteilung vorgenommen, wobei zwischen gebietenden und verbietenden Verhaltenspflichten (sog. affirmative covenants und negative covenants) sowie Vorgaben, die sich auf spezifische betriebswirtschaftliche Kennzahlen beziehen (sog. financial covenants), unterschieden wird.1184 Klassischerweise finden Covenants im Zusammenhang mit Fremd- und Mezzanine-Finanzierungen Verwendung, wo sie die Rückzahlung des investierten Kapitals und ggf. das Erreichen der variablen Vergütungsparameter sicherstellen sollen.1185 Doch auch im Venture Capital-Bereich greift man auf das Gestaltungsmittel zurück, wobei in diesem Fall weniger die Absicherung von Zahlungsansprüchen als die aktive Mitwirkung an der Geschäftsentwicklung im Vordergrund steht.1186 Die Bandbreite der im Beteiligungsvertrag verwendeten Regelungen reicht dabei von allgemeinen Vorgaben zur Risikostruktur der Unternehmung bis hin zu konkreten Personalentscheidungen.1187 a) Zulässigkeit am Beispiel eines negative covenant in Bezug auf konkurrierende Mezzanine-Finanzierungen Im Zusammenhang mit der Emission von Debt Token kommt ein weites Spektrum von Covenants in Betracht, wobei es angesichts der Gläubigerstellung der Investoren lediglich um die Eindämmung finanzierungstypischer Gefahren, nicht um die Gewährung „echter“ Steuerungsmöglichkeiten gehen kann. Die relevanten Gestaltungen umfassend darzustellen, sprengte nicht nur den hier gegebenen Rahmen, sondern böte angesichts des umfangreichen Korpus einschlägiger Spezialliteratur auch nur einen begrenzten Mehrwert.1188 Einer Analyse soll im Folgenden daher nur eine einzige Covenant-Variante unterzogen werden, die im STO-Kontext besondere Bedeutung erlangt: In den Emissionsmaterialien versprechen die Initiatoren mitunter, keine weiteren Token Sales durchzuführen, um eine wirtschaftliche Verwäs-
1183 Bochmann, Covenants, S. 8 ff.; Fettes, Covenants, S. 28 f.; Heinrich, Covenants, S. 120 ff.; Servatius, Gläubigereinfluss, S. 33; Weitnauer, ZIP 2005, 1443. 1184 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 40 ff.; s. aber auch die abweichende Terminologie bei Fettes, Covenants, S. 28 ff., der sowohl Ge- als auch Verbote als affirmative covenants bezeichnet. 1185 Mit einem Überblick ders., Gläubigereinfluss, S. 33 ff. Zur Verwendung bei Mezzanine-Finanzierungen s. ders., Gläubigereinfluss, S. 27 ff.; Berger, ZBB 2008, 92, 98 f. Spezifisch zur Verwendung bei Venture Debt-Finanzierungen s. Heuzeroth, Risikodarlehen, S. 92 f.; Thom/Josenhans/Danzmann, WM 2018, 2162, 2168 f. 1186 Kuntz, Gestaltung, S. 258 f., 617; Weitnauer, ZIP 2005, 1443. 1187 S. überblicksweise Kuntz, Gestaltung, S. 617 f.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 136 sowie mit Beispielen aus der Gestaltungspraxis Robinson/Gunderson, in: Halloran, Venture Capital, S. 9 – 32 ff. 1188 Eine Auswahl einschlägiger Monographien: Bochmann, Covenants, passim; Fettes, Covenants, passim; Heinrich, Covenants, passim; Servatius, Gläubigereinfluss, passim.
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serung der Anleger zu vermeiden.1189 Bezogen auf die Situation von MezzanineInvestoren erschiene es sogar vorstellbar, alle Formen der Finanzierung über konkurrierende Hybridinstrumente zu untersagen bzw. unter den Vorbehalt eines zustimmenden Votums der Token-Inhabermehrheit zu stellen – immerhin bergen auch konventionelle Mezzanine-Emissionen Verwässerungsrisiken.1190 Die dadurch begründete Begrenzung unternehmerischer Handlungsmöglichkeiten steht im Spannungsverhältnis zur Souveränität der emittierenden Gesellschaft und der Unabhängigkeit ihrer Organe. Das gilt umso mehr, da Finanzentscheidungen eine Grundvoraussetzung wirtschaftlicher Tätigkeitsentfaltung darstellen und insofern den Kernbereich der Verbandssouveränität berühren.1191 Ob vertragliche Verzichtserklärungen und Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Token-Gläubiger als zulässiges Gestaltungsmittel anzuerkennen sind, bedarf vor diesem Hintergrund der Klärung. Angesichts der divergierenden Organisationsstruktur in der Aktiengesellschaft und der GmbH ist eine nach Rechtsformen differenzierende Herangehensweise angezeigt. aa) Schuldrechtliche Verzichtserklärungen und Zustimmungsvorbehalte in der Aktiengesellschaft Macht sich ein Emittent in der Rechtsform der Aktiengesellschaft durch Covenants vom Placet der Gläubiger abhängig, drohen binnenorganisatorische Verwerfungen in dreifacher Hinsicht: Problematisch ist zunächst das Verhältnis zur Leitungsverantwortung des Vorstands gem. § 76 Abs. 1 AktG ((1)). Darüber hinaus erscheint klärungsbedürftig, ob die Gewährung von Dritteinfluss mit der Gestaltungsgrenze gem. § 23 Abs. 5 AktG im Einklang steht ((2)). Friktionen drohen zudem im Kompetenzbereich der Hauptversammlung ((3)). Eine beherrschungsvertragliche Qualifikation kommt dagegen – ungeachtet der umstrittenen Frage nach der Reichweite des konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs1192 – jedenfalls in den hier interessierenden Fällen nicht in Betracht, da von einer einheitlichen Leitungsunterstellung angesichts der Vielzahl der Vertragspartner bei einem STO ersichtlich keine Rede sein kann.1193 1189 Um diesem Versprechen Nachdruck zu verleihen, sehen die zur Emission verwendeten Smart Contracts vielfach Ausgabehöchstgrenzen vor, s. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 636 f. (2019). Dass der Emittent im Zuge ein und desselben Token Sales nicht mehr Instrumente ausgeben darf als angekündigt, folgt schon aus dem Grundsatz pacta sunt servanda: Die Emissionsbedingungen legen das Ausgabevolumen verbindlich fest. 1190 Zur Verwässerungsgefahr der Anleger aufgrund der Erhöhung des Mezzanine-Kapitals, s. C.I.3.b) sowie 3. Kap. C.II.1.a)dd). 1191 Vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. Vgl. zu den konzeptionellen Grundlagen der Verbandssouveränität Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 II.1.b) (S. 371). 1192 S. zum Meinungsstand Altmeppen, in: MünchKomm AktG, § 291 Rn. 4 f. 1193 Hiervon abgesehen überschreiten vertragszweckgebundene Zustimmungsvorbehalte regelmäßig nicht die Schwelle zur materiellen Leitungsunterstellung, s. Bochmann, Covenants, S. 155 ff.; von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 120 ff.
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(1) Die Unveräußerlichkeit von Leitungsmacht und das Verbot der Vorwegbindung Der Vorstand hat die Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG in eigener Verantwortung zu leiten. Hieraus folgern Lehre1194 und die instanzgerichtliche Rechtsprechung1195, dass der Vorstand seine Leitungsmacht abgesehen von den konzernrechtlich geregelten Tatbeständen nicht durch Vereinbarungen mit Dritten preisgeben darf. Das Autonomiegebot schirme die Unternehmensleitung vor übermäßigem Außeneinfluss ab und „verteidig[e] mit der Leitungssouveränität des Vorstands zugleich die Selbstbestimmung der Gesellschaft“.1196 Eine Ausprägung dieses Grundsatzes ist das auf Lutter zurückgehende Verbot der Vorwegbindung. Der Vorstand darf sich hiernach seines Handlungsspielraums nicht entäußern, indem er rechtsgeschäftliche Vereinbarungen darüber trifft, ob und wie er seine Leitungsbefugnisse ausübt.1197 Zur Begründung heißt es, der Vorstand habe seine Entscheidungen stets abhängig von den aktuellen Gegebenheiten und in seiner aktuellen Zusammensetzung zu treffen.1198 Covenants, die der emittierenden Gesellschaft die Durchführung weiterer Token Sales untersagen oder allgemein die Ausgabe konkurrierender Hybridinstrumente unter Zustimmungsvorbehalt stellen, stehen vor diesem Hintergrund im Verdacht, das Leitungsermessen unzulässig zu beschränken.1199 Zwar binden die fraglichen Verpflichtungserklärungen die Gesellschaft nur schuldrechtlich, entfalten gegenüber der Geschäftsleitung mithin keine unmittelbar korporative Wirkung.1200 Jedenfalls soweit Covenant-Verletzungen auf der Rechtsfolgenseite mit einschneidenden wirtschaftlichen Nachteilen für die Gesellschaft 1194 S. stellvertretend aus der Kommentarliteratur Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 42, 45; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 28. 1195 OLG Brandenburg, Urt. v. 29. 8. 2018 – 7 U 73/17 = AG 2019, 466 f. m. zust. Anm. Priester, AG 2021, 15 ff. In Bezug auf Business Combination Agreements s. ferner LG München I, Urt. v. 5. 4. 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1153 f.; ausdrücklich bestätigt durch OLG München, Beschl. v. 14. 11. 2013 – 7 AktG 2/12 = AG 2013, 173, 176. Der BGH (Urt. v. 25. 7. 2017 – II ZR 235/15 = ZIP 2017, 1902, 1905) hat die Frage, ob § 76 Abs. 1 AktG die Unveräußerlichkeit von Leitungsmacht zu entnehmen ist und wie dieser Grundsatz bejahendenfalls zu begrenzen ist, zuletzt ausdrücklich offengelassen. 1196 Fleischer, in: FS Schwark, S. 137, 149 (Zitat dort); Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 47; Fleischer, ZIP 2003, 1, 9; Kuntz, AG 2016, 101, 104; a. A. Herwig, Leitungsautonomie, S. 72 ff. (§ 76 AktG lediglich als Norm der Binnenorganisation). 1197 S. Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 184; ferner Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 80; ders., ZIP 2003, 1, 10 f.; Kort, in: GK-AktG, § 76 Rn. 197; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 76 Rn. 47; Oltmanns, in: Heidel, AktR, KapMR, § 76 AktG Rn. 7 („Selbstbindungsverbot“). 1198 Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 184; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 47; Kort, in: GK-AktG, § 76 Rn. 197; Weber, in: Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 16. 1199 Vgl. allgemein Bochmann, Covenants, S. 129 ff.; Fettes, Covenants, S. 86 ff.; Fleischer, in: FS Schwark, S. 137, 149; von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 188 f.; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 33; Priester, AG 2021, 15, 17. 1200 Fettes, Covenants, S. 88 f.
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einhergehen, schlägt die Bindungswirkung der Klausel aber faktisch auf die Verbandsebene durch.1201 Berechtigt der Vertragsbruch die Token-Investoren beispielsweise zur Kündigung ihres Investments,1202 wird sich die Unternehmensleitung gezwungen sehen, in vorauseilendem Gehorsam auf die untersagten Finanzierungsmaßnahmen zu verzichten, um eine akute Liquiditätskrise oder auch nur einen Reputationsschaden von der Gesellschaft abzuwenden.1203 De facto präjudiziert die Covenant-Klausel somit die Ermessensentscheidung des Vorstands und vermittelt den Token-Gläubigern dadurch erheblichen Einfluss auf einen sensiblen Leitungsbereich1204. Hieraus pauschal auf einen Kompetenzverstoß zu schließen, ginge jedoch zu weit. Dass der Vorstand im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit schuldrechtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten eingehen kann, ist gerade Ausdruck seiner Leitungsmacht.1205 Der Geschäftsleitung von vornherein die Fähigkeit abzusprechen, im eigenen Aufgabenkreis schuldrechtliche Bindungen namens der Gesellschaft einzugehen, stellte ihre unternehmerische Bewegungsfreiheit nicht sicher, sondern grundlegend in Frage.1206 Eine derart weitreichende Beschneidung ihre Handlungsmöglichkeiten widerspräche jeder rechtsökonomischen Vernunft, schließlich mögen legitime Gründe dafür sprechen, vertragliche Zustimmungsvorbehalte zu akzeptieren,1207 im hiesigen Kontext z. B., dass ein Token Sale ohne entsprechende Covenants größeren Absatzrisiken begegnete. Das Verbot der Vorwegbindung ist in seiner Absolutheit deshalb unhaltbar und in der jüngeren Vergangenheit einem folgerichtigen Erosionsprozess ausgesetzt gewesen.1208 So spricht sich die inzwischen herrschende Lehre dafür aus, das Selbstbindungsverbot auf einen unentziehbaren Kernbereich zu begrenzen.1209 Das erscheint 1201 Bochmann, Covenants, S. 46 ff.; Fettes, Covenants, S. 91; a. A. offenbar Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 286. 1202 Zu dieser und anderen Rechtsfolgen von Covenant-Verletzungen s. Servatius, Gläubigereinfluss, S. 45 f. Im Zusammenhang mit Token Sales ist das Kündigungsrecht u. U. zusätzlich an die Ausübungsentscheidung der Anlegermehrheit geknüpft, s. hierzu B.III.3.a) bb)(2). 1203 Vgl. Bochmann, Covenants, S. 129 ff.; relativierend dagegen von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 215 ff. 1204 Vgl. zu den Unschärfen des Leitungsbegriffs aber noch Fn. 1210. 1205 OLG Brandenburg, Urt. v. 29. 8. 2018 – 7 U 73/17 = AG 2019, 466; Herwig, Leitungsautonomie, S. 69; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 35. 1206 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 175; Herwig, Leitungsautonomie, S. 105; Koch, in: Fleischer/Koch/Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 95 f.; von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 209 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 53. 1207 Vgl. Bochmann, Covenants, S. 136 ff.; Fleischer, in: FS Schwark, S. 137, 151; Koch, in: ders., AktG, § 76 Rn. 41; Kuntz, AG 2016, 101, 107; Paschos, NZG 2012, 1142, 1144. 1208 Zur Entwicklung des Meinungsstands s. Koch, in: Fleischer/Koch/Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 94 ff. 1209 Bochmann, Covenants, S. 136 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 80; ders., in: FS Schwark, S. 137, 149 ff.; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 179 ff.; Koch, in:
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schon deshalb zwingend, weil keine subsumtionsfähigen Kriterien für die Unterscheidung zwischen unveräußerlicher Leitungsaufgabe und bloßer Geschäftsführungsmaßnahme existieren.1210 Einer überbordenden Selbstverpflichtung beugt zudem die Haftungsandrohung gem. § 93 Abs. 2 AktG vor, deren präventive Funktion das Schrifttum in der aktuellen Debatte zu Recht betont.1211 Noch weitestgehend ungeklärt ist, anhand welcher Kriterien Vorwegbindungen, die in den unantastbaren Kompetenzbereich des Vorstands eingreifen, von lediglich haftungsrechtlich relevanten Sorgfaltsverstößen zu unterscheiden sind. Der überwiegende Teil der Lehre plädiert dafür, die Trennlinie nicht abstrakt, sondern in Abhängigkeit von der Eingriffsintensität zu ziehen, wobei ein zeitlich und sachlich begrenzter Verzicht auf bestimmte Finanzierungsmaßnahmen die Leitungsverantwortung des Vorstands nicht unzulässig beschränke.1212 Unwirksam seien nur besonders weitgehende Bindungen, die in ihrer Eingriffstiefe einem Unternehmensvertrag gleichkommen.1213 Andere Autoren unterscheiden zweckbezogen danach, ob die vertragliche Vorwegbindung mit einem Austauschgeschäft im Zusammenhang steht oder abstrakt darauf abzielt, das Leitungsermessen in eine bestimmte Richtung zu lenken.1214 Eine dritte Literaturauffassung stellt gar grundlegend in Abrede, dass sich aus § 76 Abs. 1 AktG Außenwirkungen ergeben, weil der Norm lediglich binnenorganisatorische Bedeutung zukomme.1215 Covenant-Regelungen der hier interessierenden Art stehen nach keinem der drei Literaturansätze mit der Leitungsverantwortung des Vorstands im Konflikt. Als vertragliche Nebenpflicht zielen sie nicht darauf ab, die Finanzierungsfähigkeit der Gesellschaft auszuschließen – das liefe den Anlegerinteressen ersichtlich zuwider. Vielmehr sollen über einen typischerweise begrenzten Zeitraum bestimmte Finanzierungspraktiken unterbunden werden, die das Werterhaltungsinteresse der Anleger besonders gefährden. Im Zusammenhang mit Mezzanine-Finanzierungen kann es dabei nur um Gestaltungen gehen, die einen bevorrechtigten Zugriff auf die BeFleischer/Koch/Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 98 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 53; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 28; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 15, 35. 1210 Vgl. Koch, in: Fleischer/Koch/Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 94. S. mit einer entsprechenden Fundamentalkritik auch Kuntz, AG 2020, 801, 805 ff. 1211 S. Fleischer, in: FS Schwark, S. 137, 151 f. Hieran anknüpfend ferner Herwig, Leitungsautonomie, S. 106 f.; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 180; Koch, in: Fleischer/Koch/ Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 99; von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 211 ff.; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844 f.; Kuntz, AG 2016, 101, 107; Paschos, NZG 2012, 1142, 1144. Kritisch dagegen Bochmann, Covenants, S. 141 ff. 1212 Fleischer, in: FS Schwark, S. 137, 152; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844 f. 1213 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 178 ff.; Koch, in: ders., AktG, § 76 Rn. 41a; ders., in: Fleischer/Koch/Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 95 ff.; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 76 Rn. 53; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 15. 1214 Bochmann, Covenants, S. 139 f.; vgl. auch Kort, in: GK-AktG, § 76 Rn. 199. 1215 Herwig, Leitungsautonomie, S. 104 ff.
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zugsgrößen der zuerst ausgegebenen Hybridinstrumente gewähren.1216 Die insoweit zugesicherte Zurückhaltung mag je nach Lage des Einzelfalles einen Sorgfaltsverstoß gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG begründen.1217 Eine unverhältnismäßige Preisgabe unternehmerischer Handlungsoptionen geht damit aber nicht einher. (2) § 23 Abs. 5 AktG als Quell schuldrechtlicher Gestaltungsgrenzen? Ein Teil der Lehre verortet die Effekte Covenant-unterlegter Verträge schwerpunktmäßig im Kontext der aktienrechtlichen Satzungsstrenge.1218 Das muss überraschen, immerhin fehlt den fraglichen Klauseln formell jedwede statutarische Grundlage. Es handelt sich um schuldrechtlich zu qualifizierende Vertragsbedingungen, für die der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit gilt.1219 Ihrer Wirkung nach seien Covenants aber geeignet, „die aktienverfassungsrechtlich verbürgten Entscheidungsfreiheiten in unentrinnbarer Art und Weise“ einzuschränken.1220 Fänden schon satzungsmäßige Modifikationen der Organisationsstruktur in § 23 Abs. 5 AktG ihre Grenze, müsse dies erst recht für wirkungsgleiche Abreden schuldrechtlicher Provenienz gelten.1221 Bei näherer Betrachtung muss dieser Begründungsansatz dogmatische Bedenken hervorrufen.1222 Seinem Wortlaut und der gesetzlichen Systematik nach begrenzt § 23 Abs. 5 AktG ausschließlich die satzungsmäßige Gestaltungs- und Verfügungsmacht. Im Hinblick auf die schuldrechtliche Ebene ist der Norm nichts zu entnehmen.1223 Durch Covenants lassen sich daher im Grundsatz auch Regelungen treffen, die satzungsmäßig untersagt wären.1224 In einem Punkt ist der hier kritisierten Auffassung gleichwohl beizupflichten: Schuldrechtliche Abreden, die mittelbar auf eine Modifikation der innerverbandlichen Kompetenzordnung hinauslaufen, können keinen Bestand haben. Das folgt richtiger Ansicht nach allerdings nicht aus dem Grundsatz der Satzungsstrenge, sondern aus den allgemeinen Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht.1225 1216
S. Fn. 1057. Das gilt auch für die vom Vorstand in Ansehung des Covenant-Regimes getroffene Entscheidung, s. Herwig, Leitungsautonomie, S. 161 ff. 1218 Bochmann, Covenants, S. 43 ff., 106 ff. 1219 Das stellt auch Bochmann (Covenants, S. 42 f., 106 f.) nicht in Frage, sondern macht diesen Umstand zum Ausgangspunkt seiner Argumentation. 1220 Bochmann, Covenants, S. 109; vgl. insofern auch schon die Hinweise in Fn. 1201 samt dem dazugehörigen Text. 1221 Bochmann, Covenants, S. 107 ff. 1222 So auch Kuntz, AG 2016, 101, 109 f. 1223 S. stellvertretend für die ganz h. M. BGH, Urt. v. 22. 1. 2013 – II ZR 80/10 = AG 2013, 224, 225; Kuntz, Gestaltung, S. 241; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 101 ff.; Pentz, in: MünchKomm AktG, § 23 Rn. 196. 1224 Bochmann, Covenants, S. 42; Heinrich, Covenants, S. 297. 1225 Kuntz, Gestaltung, S. 241 ff.; ders., AG 2016, 101, 105; Kuntz/Engelhardt, ZGR 2021, 348, 382 f. Zur Bedeutung dieser Kategorie im Allgemeinen Privatrecht s. Armbrüster, in: 1217
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Zur Vornahme von Eingriffen in die Binnenorganisation steht – im gesetzlich gestatteten Umfang (§ 23 Abs. 5 AktG) – als Gestaltungsmittel lediglich die Satzung zur Verfügung. Auf schuldrechtlicher Grundlage ist es der Gesellschaft daher unmöglich, Vereinbarungen zu treffen, die auf die Verbandsebene durchschlagen. Die dazu erforderliche Gestaltungsmacht hat ihr das Gesetz von vornherein nicht verliehen. Dass die hier in Rede stehende Covenant-Gestaltung im Hinblick auf die Leitungsfunktion des Vorstands keine kompetenzüberschreitende Durchschlagskraft entfaltet, konnte bereits festgestellt werden (s. o.). Ob dies auch für die Zuständigkeit der Hauptversammlung gilt, ist im Weiteren zu klären. (3) Regelung im Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung? Zustimmungsvorbehalte und Verzichtserklärungen mit (unmittelbarem1226) Bezug zu Sachgegenständen, die in den Kompetenzbereich der Hauptversammlung fallen, kann der Vorstand nach ganz h. M. nicht wirksam vereinbaren; das Aktiengesetz garantiert unbeeinträchtigte Entscheidungsfreiheit.1227 Das oberste Willensbildungsorgan der Gesellschaft ist zwar nicht im korporativen Sinne an entsprechende Abreden gebunden und somit grundsätzlich frei, entgegenstehende Beschlüsse zu fassen.1228 Die im Falle einer Covenant-Verletzung drohenden wirtschaftlichen Nachteile sind aber u. U. geeignet, faktischen Entscheidungsdruck zu erzeugen und die Hauptversammlung dadurch dem Gläubigerwillen zu unterwerfen.1229 Im Zusammenhang mit den hier interessierenden Covenant-Gestaltungen kommt eine Hauptversammlungszuständigkeit gem. § 221 Abs. 1 und 3 AktG in Be-
MünchKomm BGB, § 134 Rn. 9 ff.; Fischinger/Hengstberger, in: von Staudinger, BGB, § 134 Rn. 10. Abweichend die h. M., die Kompetenzvorschriften als Verbotsgesetz qualifiziert und hiergegen verstoßende Abreden gem. § 134 BGB für nichtig erklärt, s. mit Blick auf § 76 AktG LG München I, Urt. v. 5. 4. 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1154; Koch, in: Fleischer/Koch/Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 99 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 46; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 31. 1226 Lediglich mittelbare oder reflexhafte Auswirkungen auf Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung wird man hiervon ausnehmen können, s. Kuntz, AG 2016, 101, 107 f. mit Beispielen. 1227 S. i. E. übereinstimmend, aber mit divergierenden dogmatischen Begründungsansätzen Bochmann, Covenants, S. 124 ff.; Koch, in: Fleischer/Koch/Kropff u. a., 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 100; Kuntz, Gestaltung, S. 632 ff.; Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 184; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 15; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 31; Kuntz, AG 2016, 101, 104 ff.; Schlitt/Beck, NZG 2001, 688, 692; differenzierend von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 244 ff. Selbiges gilt für die Zuständigkeit des Aufsichtsrates, z. B. im Bereich der Bestellungskompetenz gem. § 84 Abs. 1 AktG. 1228 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 168. 1229 Bochmann, Covenants, S. 125; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 170. Zur parallel gelagerten Situation des Vorstands s. Fn. 1201 samt dem dazugehörigen Text.
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tracht.1230 Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Untersagung von Mezzanine-Emissionen bzw. ein hierauf gerichteter Zustimmungsvorbehalt nur dann in originäre Kompetenzen der Hauptversammlung eingreift, wenn die Aktionäre entsprechende Maßnahmen selbständig beschließen können. Wäre das Initiativrecht für die in § 221 AktG erfassten Maßnahmen dagegen ausschließlich dem Vorstand zugeordnet und beschränkte sich die Rolle der Hauptversammlung darauf, leitungsseitig angestoßene Vorhaben zu ratifizieren, würden dem Organ keine Mitwirkungsrechte abgeschnitten, wenn entsprechende Beschlussvorlagen aufgrund einer Covenant-Regelung von vornherein unterblieben. Ob die Hauptversammlung den Vorstand von sich aus zur Emission von (tokenisierten) Genussrechten oder anderen Mezzanine-Titel zwingen kann, ist umstritten. Der Teil der Lehre1231, der die Hauptversammlung für befugt hält, den Vorstand mittels des Vorlagerechts gem. § 122 Abs. 2 S. 1 AktG zur Ausgabe konkreter Finanztitel zu verpflichten (§ 83 Abs. 2 AktG), macht systematische Argumente geltend. Da Emissionen nach § 221 AktG ausweislich des Normstandortes zu den Kapitalbeschaffungsmaßnahmen zählten, für welche die Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 1 Nr. 7 AktG zuständig sei, könne das Organ aus eigener Initiative Emissionen anordnen. Bei näherer Betrachtung erscheint diese Schlussfolgerung nicht zwingend. Denn für den Kompetenzkatalog gem. § 119 Abs. 1 AktG gilt die dort einleitend genannte Einschränkung, dass die Hauptversammlung nur „in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen“ in eigener Zuständigkeit entscheidet.1232 Der Normtext des § 221 Abs. 1, 3 AktG lässt nicht zweifelsfrei erkennen, welche Rechtswirkungen dem Beschluss der Hauptversammlung zukommen. Erkennt man den Schutzzweck des § 221 AktG aber zutreffend darin, den Aktionären die Kontrolle des Vorstandshandelns zu ermöglichen, besteht für die Verlagerung originärer Entscheidungsbefugnisse keine Veranlassung.1233 Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit von derjenigen nach § 182 AktG: Während Kapitalerhöhungen aufgrund ihrer strukturändernden Bedeutung zum ureigenen Aufgabenbereich der Hauptversammlung zählen, bleiben Mezzanine-Finanzierungen Maßnahmen der Geschäftsführung, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Gefahrenpotenzials lediglich der internen Zustimmung bedürfen.1234 Wer der Hauptversammlung ein Initiativrecht für spezifische Mezzanine-Emissionen angedeihen lässt, überdehnt das auf Kontrollermöglichung begrenzte Regelungsanliegen des § 221 Abs. 1, 3 AktG. 1230
S. zum Anwendungsbereich der Norm unter B.I.2.a)bb)(4). Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 106; Koch, in: ders., AktG, § 221 Rn. 9; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, § 221 Rn. 10; Stadler, in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, § 221 Rn. 22; Scholz, in: MHdB GesR, Bd. IV, § 64 Rn. 17. 1232 S. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 134. 1233 Florstedt, in: KK-AktG, § 221 AktG Rn. 184. 1234 Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 Rn. 494; Florstedt, in: KKAktG, § 221 AktG Rn. 184; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 221 Rn. 134. 1231
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Folgerichtig drohen der Hauptversammlung durch die fragliche Covenant-Gestaltung keine Einschränkungen.1235 Geben die Token-Gläubiger ihre Zustimmung zu einer unter Vorbehalt stehenden Maßnahme i. S. d. § 221 AktG, ändert dies nichts an der Befugnis der Hauptversammlung, die Emission ihrerseits zu unterbinden. Verzichtet der Vorstand aufgrund eines Covenants auf einen Beschlussantrag, dem die Hauptversammlung die Zustimmung versagt hätte, kommt es auf ihr Kontrollrecht gar nicht erst an. Hält die Hauptversammlung eine bestimmte Finanzierungsmaßnahme für sinnvoll, könnte sie den Vorstand ohnehin nicht zur Durchführung zwingen.1236 bb) Schuldrechtliche Verzichtserklärungen und Zustimmungsvorbehalte in der GmbH Im GmbH-Recht zieht die Diskussion über die Zulässigkeit von Covenants traditionell engere Kreise als im Aktienrecht.1237 Eine § 76 Abs. 1 AktG vergleichbare Regelung kennt das GmbHG nicht, vielmehr können die Gesellschafter die Geschäftsführung gem. § 37 Abs. 1 GmbHG jederzeit an sich ziehen. Zudem herrscht Satzungsautonomie. All das ändert indes nichts daran, dass die Ausgestaltung der Organe und ihrer Kompetenzen dem Gesellschaftsvertrag vorbehalten ist (sog. notwendige echte Satzungsbestandteile).1238 Zwar steht es den Gesellschaftern im Wesentlichen frei, wie sie die Gesellschaft binnenorganisatorisch aufstellen (§ 45 Abs. 1 GmbHG), nicht jedoch, wo sie dies tun: Regelungsort für drittwirkende Bestimmungen ist ausschließlich die Satzung; außerhalb derselben fehlt die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht.1239 In der Lehre entspricht es dann auch einhelliger Auffassung, dass außerhalb der Satzung getroffene Abreden, durch welche die Kompetenzen eines Organs auf einen Dritten verlagert werden oder durch die sich die Gesellschaft verpflichtet, Organrechte in einer bestimmten Weise auszuüben, unwirksam sind.1240 Dass durch negative covenants in Bezug auf konkrete Finanzierungspraktiken eine unzulässige Kompetenzauslagerung droht, erscheint allerdings zweifelhaft. 1235 Vgl. insofern unpräzise Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1843, denen zufolge die Ausgabeentscheidung erst durch die Ermächtigung gem. § 221 Abs. 2 AktG zur Geschäftsführungsmaßnahme wird und als solche vertraglichen Bindungen zugänglich sei. 1236 Die Rolle der Hauptversammlung im Kontext des § 221 AktG gleicht damit derjenigen des Aufsichtsrats im Hinblick auf Geschäftsführungsmaßnahmen, bezüglich derer ein Zustimmungsrecht gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG besteht, s. hierzu Kuntz, AG 2016, 101, 109. 1237 Vgl. monographisch – soweit ersichtlich – bislang nur Fettes, Covenants, S. 109 ff. 1238 Kuntz, Gestaltung, S. 142 ff.; Kuntz/Engelhardt, ZGR 2021, 348, 387 f. 1239 Kuntz/Engelhardt, ZGR 2021, 348, 387 f.; vgl. zum parallel gelagerten dogmatischen Ausgangspunkt im Aktienrecht oben unter C.III.3.a)aa)(2). 1240 Vgl. U. H. Schneider/S. H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 35 Rn. 48 f.; Stephan/ Tieves, in: MünchKomm GmbHG, § 35 Rn. 107; Fleck, ZGR 1988, 104, 109 ff. Vgl. zu gesellschaftsvertraglich verankerten Zustimmungsvorbehalten zugunsten Dritter Herfs, Einwirkung, S. 137 ff.
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Insoweit auf das Trennungsprinzip und die rein schuldrechtliche Wirkung einschlägiger Abreden zu verweisen, genügt nicht.1241 Wie im Aktienrecht können die wirtschaftlichen Folgen einer Covenant-Verletzung eine auch auf korporativer Ebene relevante Bindungswirkung entfalten.1242 Mehr noch als im Aktienrecht muss hier allerdings gelten, dass sich die Unternehmensleitung in Wahrnehmung ihrer Kompetenzen namens der Gesellschaft gegenüber Dritten verpflichten können muss, selbst wenn die eingegangenen Bindungen so zentrale Bereiche wie die Finanzplanung betreffen. Hiervon ist jedenfalls auszugehen, solange Geschäftsführungsaufgaben nicht in abstrakter Weise ausgelagert werden oder die Abreden eine unternehmensvertragsähnliche Eingriffsintensität erreichen.1243 Zwar berühren vertragliche Zukunftsbindungen aufgrund der Allzuständigkeit der Gesellschafter stets auch deren Handlungsfreiraum. Die Belange der Mitglieder sind durch das Direktionsrecht gem. § 37 Abs. 1 GmbHG, die Kontrollbefugnisse gem. § 51a GmbHG sowie aufgrund der disziplinierenden Wirkung der Haftungsandrohung nach § 43 Abs. 2 GmbHG aber hinreichend geschützt. Angesichts der weitreichenden Konsequenzen Covenant-unterlegter Finanzierungsgeschäfte liegt zudem eine ungeschriebene Vorlagepflicht der Geschäftsführung nahe.1244 Ausschließliche Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung gem. § 46 GmbHG werden nicht berührt. b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit Negative Covenants in Bezug auf künftige Token Sales und konkurrierende Mezzanine-Emissionen begegnen nach alledem keinen durchschlagenden juristischen Bedenken. Ob sie sich aus einem ökonomischen Blickwinkel nutzensteigernd auf die Finanzierungsbeziehung auswirken, steht auf einem anderen Blatt. Zweifel hieran weckt zunächst der Umstand, dass die mit Covenant-Verletzungen typischerweise verbundenen Rechtsfolgen für die spezifische Gemengelage bei einem STO nur bedingt geeignet erscheinen. In der Finanzierungspraxis wird den Kapitalgebern klassischerweise ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, welches diese aber nur „formal“ zum Anlass nehmen, um den Schuldner zu Neuverhandlungen zu bewegen.1245 Diese Möglichkeit scheidet im Falle der Finanzierung durch eine Vielzahl örtlich verstreuter und pseudonym bleibender Anleger weitestgehend aus. Selbst wenn ein Anpassungs- und Koordinierungsmechanismus existiert,1246 dürften die praktischen Hürden einer Verhandlungslösung erheblich 1241
So aber Fettes, Covenants, S. 115 f. Vgl. Herfs, Einwirkung, S. 161. Vgl. zur Gemengelage im Aktienrecht Fn. 1201 samt dazugehörigem Text. 1243 Vgl. mit entsprechenden Erwägungen zum Aktienrecht die Autoren in Fn. 1212–1214. 1244 Die unter B.I.3.a)bb)(2) schon allgemein für eine Vorlagepflicht angeführten Gründe seien insofern noch ergänzt. 1245 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 45 f. 1246 S. hierzu ausführlich unter B.III.3. 1242
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sein. Die Alternative, der wahrgemachte Kapitalabzug, ist für beide Finanzierungsseiten selten interessengerecht, droht doch gerade in frühen Entwicklungsphasen ein finanzieller Kollaps der Unternehmung und damit eine erhebliche Herabsetzung der Rückzahlungs- und Verzinsungsaussichten. Die vertragliche Beschränkung von Finanzierungsmöglichkeiten, betrifft diese auch nur einen Ausschnitt der theoretisch verfügbaren Gestaltungen, birgt angesichts des voraussehbaren Finanzierungsbedarfs der Unternehmung ihrerseits Risiken. Sachgerechter kann es daher sein, den Anlegern ein vertragliches Bezugsrecht für den Fall eines abermaligen Token Sales einzuräumen.1247 Sonstige Covenants wie z. B. Auskunftspflichten1248 oder die Auflage, die emittierten Titel binnen eines bestimmten Zeitraums an einer Kryptobörse zu listen, versprechen auch im STO-Kontext einen anlegerschützenden Mehrwert.
4. Verwässerungsschutzklauseln Ein zentrales Anliegen von Venture Capital-Investoren besteht darin, die Verwässerungseffekte nachfolgender Finanzierungsrunden abzufedern. Das Hinzutreten neuer Kapitalgeber hat zur Konsequenz, dass sich der relative Umfang ihrer Beteiligung verringert.1249 Das ist aus Sicht der Bestandsgesellschafter verschmerzbar, solange die Neuinvestoren einen mindestens genauso hohen Preis pro Anteil zahlen wie sie selbst.1250 Basiert die Finanzierungsrunde dagegen auf einer niedrigeren Unternehmensbewertung als derjenigen, die dem eigenen Investment zugrunde lag (sog. down round)1251, hat der Altinvestor aus seiner Sicht rückblickend „zu viel“ gezahlt: Gemessen am eingesetzten Kapital kann der hinzutretende Investor im größeren Umfang auf etwaige Erlöse zugreifen als er, der frühere Venture CapitalGeber.1252 Um den dadurch entstehenden Verteilungskonflikt abzumildern, bedienen sich die Finanzierungsparteien sog. Verwässerungsschutzklauseln (anti dilution provisions), die – wirtschaftlich betrachtet – auf eine Korrektur des ursprünglichen Beteiligungspreises abzielen.1253 Der geschützte Kapitalgeber erhält dazu das Recht, im Falle einer down round so viele Anteile zu beziehen, wie ihm im ursprünglichen 1247
S. hierzu noch unter C.IV.4. S. insoweit bereits unter C.II.3. 1249 S. Kuntz, Gestaltung, S. 127. 1250 Das Abschmelzen der relativen Beteiligungsgröße fällt in diesem Fall aufgrund des gestiegenen Gesamtwerts der Unternehmung wirtschaftlich nicht ins Gewicht, s. Kuntz, Gestaltung, S. 128. 1251 Zum Begriff s. 3. Kap. C.II.1.a)cc). 1252 Kuntz, Gestaltung, S. 128 f. 1253 Bank/Möllmann, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 3 Rn. 177; Gump, in: Halloran, Venture Capital, 10 A-9 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 126 ff., 671; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 129; Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 228. 1248
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Investitionszeitpunkt unter Zugrundelegung einer korrigierten Bewertung zusätzlich zugestanden hätten.1254 Die Bewertungsanpassung richtet sich dabei entweder nach dem von den Neuinvestoren gezahlten Anteilspreis (sog. full ratchet-Methode), oder nach einem gewichteten Durchschnittspreis aus früherer und aktueller Finanzierungsrunde (sog. weighted average-Methode).1255 Dass man es dem Venture Capital-Geber auf diese Weise zugesteht, einen Teil seines Investitionsrisikos auf die leidtragenden Gründer abzuschichten, muss auf den ersten Blick überraschen. Die Möglichkeit einer negativen Wertentwicklung gehört schließlich zu den inhärenten Risiken der Wagnisfinanzierung und wird bei der Preisbildung von vornherein berücksichtigt. Rechtfertigung findet die Gestaltung aber in der Gefahr des window dressing:1256 Die Kapitalgeber sind davor zu schützen, dass die Gründer eine unrealistisch hohe Bewertung durchsetzen, indem sie die Entwicklungschancen der Unternehmung beschönigen oder übermäßig optimistisch darstellen. Gleiches gilt für die Freigabe zusätzlicher Mittel im Zusammenhang mit einer an Meilensteinen geknüpften Staffelfinanzierung.1257 a) Gestaltungsmöglichkeiten im STO-Kontext Token-Investoren sind besonders gefährdet, „zu viel“ für ihre Beteiligung zu zahlen. Das liegt zum einen daran, dass die Initiatoren den Ausgabepreis einseitig festlegen und ist zum anderen dem Umstand geschuldet, dass die Anleger die Angemessenheit des Angebots aufgrund ausgeprägter Informationsasymmetrien nur eingeschränkt überprüfen können. Den Folgen von window dressing sind sie praktisch schutzlos ausgeliefert.1258 Diese ohnehin schon prekäre Ausgangssituation spitzt sich zu, wenn die Beteiligungsquote der Anleger durch eine Anschlussfinanzierung zusätzlich verwässert. Dazu kommt es in Folge einer Kapitalerhöhung immer dann, wenn Verwässerungsklauseln1259 eingreifen oder wenn sich der zuge1254 Die Venture Capital-Praxis greift dazu auf ein genehmigtes Kapital oder die Ausgabe von Optionsanleihen zurück, s. hierzu Kuntz, Gestaltung, S. 671 ff. (kritisch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des dazu erforderlichen Bezugsrechtsausschlusses); Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 129. Darüber hinaus kommt die schuldrechtliche Verpflichtung der Gründer in Betracht, den Altinvestoren Anteile in entsprechender Höhe zu übertragen, hierzu Kuntz, Gestaltung, S. 686 ff. unter kritischer Würdigung der damit einhergehenden Zwangswirkung. 1255 Bank/Möllmann, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 3 Rn. 179 ff.; Gump, in: Halloran, Venture Capital, 10 A-9 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 132 ff.; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 130; Ziegert, VC-Beteiligungsvertrag, S. 197 f. 1256 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 136, 689. Zum Begriff des window dressing s. bereits 3. Kap. C.II.2. (dort Fn. 354). 1257 Vgl. Kuntz, Gestaltung, S. 689. 1258 Einen gewissen Schutz verspricht die Einflussstellung institutioneller Kapitalgeber, die schon um ihrer Reputation willen darauf bedacht sein werden, allzu herbe Enttäuschungen auf Anlegerseite zu vermeiden. 1259 S. hierzu B.III.2.a).
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sagte Erlösanteil anhand des Verhältnisses von Mezzanine- zu Eigenkapital bemisst1260.1261 Die Anleger nehmen die Quotenanpassung jedenfalls dann als wirtschaftliche Entwertung wahr, wenn sich der Unternehmenswert seit dem Token Sale verschlechtert hat.1262 Letztlich liefert die offenbar werdende Divergenz aber nur ein Indiz dafür, dass die Anleger von vornherein „überbezahlt“ haben, bzw. eine höhere Beteiligungsquote verdient gehabt hätten. Marktseitig kann diese Erkenntnis u. U. akute Kursstürze hervorrufen. Um dem vorzubeugen, kommen auch bei der Emission tokenisierter MezzanineTitel Verwässerungsschutzklauseln in Betracht.1263 Wie die anti dilution-Regelungen im Venture Capital-Bereich sind sie – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – darauf ausgelegt, den Ausgabepreis rückwirkend zu korrigieren. Dazu bedarf es nicht der Ausgabe zusätzlicher Beteiligungsrechte. Vielmehr kann der bloß schuldrechtlich vermittelte Verwässerungseffekt von vornherein ausgesetzt oder in seiner Wirkung abgeschwächt werden, falls die der Anschlussfinanzierung zugrunde gelegte Bewertung eine bestimmte Höhe nicht erreicht.1264 Vorstellbar wäre etwa eine Regelung, nach der die Beteiligungsquote der Token-Investoren nicht proportional zur Erhöhung des Eigenkapitals verwässert, sondern nur in dem Verhältnis, das sich unter Einbeziehung eines zusätzlichen Korrekturfaktors, dem Quotienten aus aktueller und neuer Bewertung, ergibt.1265 Da die Verwässerungsschutzklausel die Anleger nicht dauerhaft vom Risiko marktbedingter Abwertungen befreien soll, sondern lediglich die Auswirkungen einer einseitig vorgegebenen Überwertung durch den Emittenten korrigiert, spricht viel dafür, den Verwässerungsschutz auf 1260
S. hierzu C.I.3.a). Im Gegensatz zur Verwässerungsproblematik bei VC-Finanzierungen steht dabei nur die Verringerung vermögensrechtlicher Ansprüche im Raum – ein Stimmrecht steht den Mezzanine-Gläubigern ohnehin nicht zu. 1262 Vgl. mit Blick auf konventionelle Schwarmfinanzierungen Schedensack, Crowdinvesting, S. 220. 1263 Hierfür kann abermals die Gestaltungspraxis bei konventionellen Crowdinvestings Modell stehen, vgl. hierzu ders., Crowdinvesting, S. 178, 219 f. 1264 Vgl. ders., Crowdinvesting, S. 178. 1265 Dies sei in Fortführung des Zahlenbeispiels aus A.II.2.a)bb)(1) verdeutlicht: Hier lag der Quotenbildung eine Pre Money-Bewertung von 45 Mio. EUR zugrunde. Von den Token-Investoren konnten Kryptowährungen im Gegenwert von 5 Mio. EUR eingeworben werden, sodass sich eine Post-Money-Bewertung von 50 Mio. EUR und eine Beteiligungsquote von 10 % ergaben. Wird einer Anschlussfinanzierung durch Venture Capital-Investoren nun eine PreMoney-Bewertung von nur 30 Mio. EUR zugrunde gelegt und investieren die Kapitalgeber 15 Mio. EUR, wobei das Eigenkapital um das 1,5-fache erhöht wird, hätte dies unter Zugrundelegung eines proportionalen Verwässerungsmechanismus zur Folge, dass die Beteiligungsquote der Token-Anleger (10 %) um denselben Faktor herabgesetzt würde, und zwar auf 6,67 %. Sieht die Verwässerungsschutzklausel vor, dass der Verwässerungsfaktor im Falle einer down round seinerseits im Verhältnis der neuen zur alten Pre-Money-Bewertung herabgesetzt wird, beträgt er im hiesigen Beispiel nicht 1,5, sondern (nach Rundung) 1,33 (1 + 0,5 * 0,67), sodass sich fortan 1261
eine Quote von 7,5 % ergibt (
10 % ). 1; 33
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einen bestimmten Zeitraum bzw. auf die nächste Finanzierungsrunde zu beschränken.1266 b) Beurteilung der Implementierungswürdigkeit Verwässerungsschutzklauseln erscheinen auch im STO-Kontext grundsätzlich geeignet, die durch window dressing drohenden Gefahren abzuschwächen. Unrealistisch hohe Bewertungen werden aus Sicht der Initiatoren jedenfalls langfristig weniger attraktiv: Je höher sie den Unternehmenswert ansetzen, desto größer ist das Risiko einer down round, die nicht nur negative Reputationseffekte nach sich zieht, sondern – wirtschaftlich betrachtet – auch eine Aufwertung der Beteiligungsquote der Anleger zur Folge hat. In der praktischen Ausführung setzt die Gestaltung allerdings voraus, dass den Anlegern die Unternehmensbewertung zu den fraglichen Zeitpunkten vorliegt. Gerade das ist im Venture Capital-Kontext keineswegs gewährleistet, da die Parteien der Anschlussfinanzierung typischerweise Stillschweigen über den genauen Wertansatz vereinbaren.1267 Um den Unternehmenswert gleichwohl wenigstens annäherungsweise als Bezugspunkt für etwaige Quotenkorrekturen verwenden zu können, bleibt nur der Rückgriff auf im Voraus definierte typisierte Bewertungsformeln – etwa in Form von EBIT- oder Umsatzmultiples.1268 Damit nimmt man zwar gewisse Unschärfen in Kauf, macht sich aber immerhin von der Offenlegung sensibler Informationen unabhängig. 5. Ergebnis: Abweichende Gestaltungsbedingungen als limitierender Faktor Nach alledem ist die Eingangsfrage, inwiefern die im Venture Capital-Bereich erprobten Regulierungsmechanismen für die Zwecke eines STO nutzbar gemacht werden können, differenziert zu beantworten. Einerseits hat sich gezeigt, dass die Funktionsweise der betrachteten Gestaltungen trotz struktureller Unterschiede zwischen den Finanzierungsarten schuldrechtlich nachgebildet werden können. Die Regulierungsprobleme, deren Lösung die berücksichtigten Kautelen dienen, stellen sich in vergleichbarer Weise auch im Verhältnis zu Mezzanine-Investoren. Lediglich im Zusammenhang mit Vesting ist eine partielle Funktionsverschiebung zu konstatieren: Bei einem komplementären STO verliert die Bindung des Gründerteams an Bedeutung; relevant bleibt die Gestaltung – in abgewandelter Form – aber im Zusammenhang mit Token-basierten Anreizmechanismen. 1266
Vgl. ebenso im VC-Kontext Bank/Möllmann, in: dies., Venture Capital Agreements, Teil 3 Rn. 193; Weitnauer, in: ders., Venture Capital, Teil E. Rn. 131. 1267 Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 220. 1268 Vgl. die Hinweise in Fn. 83. Auch der als Anfangsbewertung zugrunde gelegte Betrag wird vielfach auf diese oder ähnliche Weise ermittelt worden sein.
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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Anderseits beruht der privatautonome Kapitalgeberschutz bei Beteiligungsfinanzierungen auf Gestaltungsbedingungen, die bei einem STO nur eingeschränkt erfüllt sind.1269 So leisten z. B. Meilensteinvereinbarungen und Verwässerungsschutzklauseln nur dann einen relevanten Beitrag zum Anlegerschutz, wenn die Token-Inhaber im Stande sind, die Einhaltung der Abreden zu überprüfen. Als hinderlich erweist sich insofern das steile Informationsgefälle im Verhältnis zur kapitalaufnehmenden Gesellschaft. Darüber hinaus fehlt den Anlegern u. U. die Fähigkeit, situationsgerecht auf etwaige Verstöße zu reagieren, da eine kollektive Verhandlungslösung vielfach an praktischen Hürden scheitert. Die im Venture Capital-Bereich bewährten Mechanismen mit dem schuldrechtlichen Instrumentarium lediglich abzupausen, wird die Agenturprobleme der Token-Anleger daher nicht lösen.
IV. Token Sale-spezifische Schutzmechanismen Die spezifischen Finanzierungsbedingungen bei einem Token Sale stellen nicht nur den Wirkungsgrad hergebrachter Mechanismen des Kapitalgeberschutzes in Frage, sondern schaffen auch neuartige Probleme. Gleichzeitig eröffnet der Einsatz von Smart Contracts die Möglichkeit, vertraglichen Schutzmechanismen im Transaktionsraum der Blockchain zur Durchsetzung zu verhelfen. Inwiefern den Schutzbelangen der Mezzanine-Investoren durch Token Sale-spezifische Abreden Rechnung getragen werden kann, beleuchtet der folgende Abschnitt. 1. Soft caps und hard caps Da im Voraus typischerweise ungewiss ist, auf wie viel Nachfrage ein TokenAngebot stößt, laufen Anleger Gefahr, in ein unter- oder überfinanziertes Projekt zu investieren.1270 Im ersten Fall müssen die Kapitalgeber befürchten, dass die angestrebten Wachstumsziele von vornherein unerreichbar bleiben.1271 Bereits seit der Frühphase des Finanzierungsphänomens definieren die Emissionsbedingungen daher, wie viele Token zur Projektverwirklichung mindestens auszugeben sind (soft cap), wobei das Nichterreichen dieser Investitionsschwelle zur Rückgewähr des eingeworbenen Kapitals berechtigen soll.1272 Die Abwicklung der fällig werdenden Transaktionen kann on chain durch einen Smart Contract sichergestellt werden.1273 1269
Vgl. Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 439 (2019). S. bereits 2. Kap. E.II. 1271 Vgl. Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 434 (2019). 1272 Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 84; Hahn/Wons, ICO, S. 18; Rodrigues, 69 Emory L. J. 397, 434 f. (2019); Wolf, Initial Coin Offerings, S. 40; Barsan, RTDF 2017, 54 f. Rechtstechnisch handelt es sich bei der Gestaltung um eine aufschiebende Bedingung des Token-Angebots. 1273 S. abermals die Hinweise in Fn. 1272. 1270
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Auch ein unerwartet stark nachgefragtes Token-Angebot entfaltet unter dem Gesichtspunkt der agency costs of free cash flow problematische Anreizwirkungen.1274 Dem beugen Initiatoren vor, indem sie die von den Anlegern einzuwerbende Investitionssumme nach oben hin begrenzen (hard cap). Die Ausgabe der Maximalanzahl an Token markiert dabei das Ende des Angebotszeitraums, wobei sich auch diese Beschränkung mit Hilfe des Smart Contracts auf virtueller Ebene abbilden lässt.1275 2. Maßnahmen zur Eindämmung von Volatilitätsrisiken Ein weiteres Token Sale-spezifisches Risiko wurzelt in der Volatilität der eingeworbenen Kryptowährungen, soweit diese als Zahlungsmittel akzeptiert werden.1276 Denn Berechnungsgrundlage für die Beteiligungsquote und die Höhe der Rückzahlungsansprüche bleibt der in einer Fiatwährung (z. B. Euro) denominierte Gegenwert der investierten Beträge. Für die Anleger muss daher ex ante ersichtlich sein, zu welchem Zeitpunkt ihr Investment wertmäßig in Ansatz gebracht wird.1277 Um die Volatilitätsrisiken sowohl für die Token-Investoren als auch für die finanzierte Gesellschaft auf ein Minimum zu begrenzen, können die Emissionsbedingungen vorsehen, dass das aufgenommene Kapital umgehend oder zu festgelegten Zeitpunkten in wertbeständigere Stable Coins1278 zu tauschen ist.1279 Auch dieser Prozess kann mit Hilfe von Smart Contracts in erheblichem Umfang automatisiert werden. 3. Lock-ups Die Möglichkeit der jederzeitigen Desinvestition über den Kapitalmarkt stellt für viele Token-Erwerber einen zentralen Investitionsanreiz dar.1280 Bestünde keine realistische Aussicht darauf, die schuldrechtlichen Beteiligungen zu Marktpreisen wieder abstoßen zu können, gingen etliche Privatanleger das mit der Assetklasse verbundene Risiko gar nicht erst ein. Dieses Kalkül wird konterkariert, wenn der Token-Kurs aufgrund exogener Faktoren bereits unmittelbar nach dem Listing 1274
S. hierzu 3. Kap. C.II.1.a)ff). Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 84; Hahn/Wons, ICO, S. 18; Wolf, Initial Coin Offerings, S. 40. 1276 S. 3. Kap. C.I.1. 1277 Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54 ff. 1278 Zum Begriff s. 1. Kap. A.IV.3.a) (Fn. 110). Dass auch Stable Coins keine Wertstabilität garantieren, hat im Juni 2022 der Absturz des Terra/LUNA-Netzwerks gezeigt, s. hierzu Oliver/Chipolina/Szalay, Luna crash sends a chill through decentralised finance market, 3. 6. 2022, abrufbar unter: https://www.ft.com/content/c10bc6f7-abbe-45dc-9367-042186c3336f. 1279 Vgl. Interview vom 1. 3. 2022. Bei dieser Nebenpflicht handelt es sich um einen affirmative covenant, vgl. hierzu C.III.3. 1280 S. 3. Kap. B.II. 1275
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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einbricht. Dazu kann es insbesondere dann kommen, wenn institutionelle Investoren eine pump-and-dump-Strategie verfolgen.1281 Um den Kurs zu stabilisieren, sehen die Ausgabebedingungen häufig jedenfalls für einen Teil der tokenisierten Instrumente zeitlich begrenzte Übertragungsschranken (sog. lock-ups) vor.1282 Der Sache nach handelt es sich dabei um auflösend bedingte Abtretungsverbote gem. § 399 Alt. 2 BGB, die auf virtueller Ebene durch technische Transaktionssperren flankiert werden.1283 Die Implementierung von lock up-Perioden eignet sich nicht nur, um manipulative Anlagestrategien zu unterbinden, sondern stellt auch sicher, dass institutionelle Investoren ihre überlegenen Informations- und Kontrollmöglichkeiten zumindest temporär nicht auf Kosten privater Anleger zu einem vorzeitigen (Teil-) Exit ausnutzen können. Auf diese Weiselässt sich das Risiko eindämmen, dass der Token Sale in erster Linie den kurzfristigen Renditezielen der Venture Capital-Geber zugutekommt.1284 4. Vertragliche Bezugsrechte Schließen die Anlagebedingungen nicht aus, dass die finanzierte Gesellschaft durch weitere Emissionen konkurrierende Mezzanine-Instrumente ausgibt,1285 liegt es nahe, die bisherigen Token-Inhaber durch ein vertragliches Bezugsrecht vor Verwässerungseffekten zu schützen.1286 Entsprechenden Abreden sind allerdings analog § 187 AktG enge Grenzen gezogen.1287 Den Anlegern kann das Recht, an weiteren Emissionen zu partizipieren, nur unter dem Vorbehalt wirksam zugesichert werden, dass das Bezugsrecht der Aktionäre gem. § 221 Abs. 4 in Verbindung mit § 186 AktG ausgeschlossen oder nicht (vollständig) ausgeübt wird.1288 Für Emittenten in der Rechtsform der GmbH gilt nach hier vertretener Auffassung Entsprechendes.1289 Hinsichtlich der Anforderungen an einen Bezugsrechtsausschluss ist umfassend auf die Ausführungen unter B.I.2.d) zu verweisen. Die wirtschaftliche Lage der bisherigen Token-Inhaber steht damit letztlich zur Disposition der Hauptbzw. Gesellschafterversammlung. Vertragliche Sanktionen für den Fall, dass die 1281
Hierzu 3. Kap. C.II.2. Fromberger/Zimmermann, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 1 Rn. 84; Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 183 f.; Fahlenbrach/ Frattaroli, 35 FMPM 1, 26 (2021). 1283 Vgl. Maute, in: Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, § 6 Rn. 183 f. 1284 S. hierzu A.II.2.b)cc)(3). 1285 S. zu entsprechenden Covenants unter C.III.3.a). Bei konventionellen Crowdinvestments halten sich Emittenten teils sogar explizit die Möglichkeit offen, weitere MezzanineInstrumente auszugeben, s. Ivanovic´, Crowdinvesting, S. 236. 1286 Vgl. allgemein im Zusammenhang mit Erhöhungen des Genussrechtskapitals Sethe, AG 1993, 351, 364. 1287 Zur analogen Anwendbarkeit des § 187 AktG s. B.I.2.d). 1288 Vgl. Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 184. 1289 S. hierzu B.I.3.b). 1282
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Beschlussorgane des Emittenten einen Bezugsrechtsausschluss ablehnen, kommen nicht in Betracht.1290 5. Schutz vor Code-Manipulation Im Zusammenhang mit einem Token Sale spielen Smart Contracts nicht nur für die Zuordnung und Übertragung der virtuellen Einheiten eine Schlüsselrolle. Die dezentralen Programme flankieren auch den privatautonomen Anlegerschutz, indem sie einschlägige Abreden – wie oben exemplarisch aufgezeigt – im virtuellen Raum automatisiert abwickeln. Das den Anlegern dadurch vermittelte Gefühl von Sicherheit ist allerdings trügerisch, soweit der Programmcode nachträgliche Manipulationen zulässt.1291 Zwar ist die Software als solche nach dem deploy unabänderbar, weshalb sie landläufig als manipulationsresistent gilt.1292 Referenzieren bestimmte Funktionen des primären Smart Contracts aber Sekundärprogramme, die erst zu einem späteren Zeitpunkt von den Initiatoren in die Laufzeitumgebung der Blockchain eingebracht werden, öffnen sich Einfallstore für nachträgliche Modifikationen.1293 Freilich kann der Emittent auf diese Weise nicht einseitig über die materielle Rechtsstellung der Anleger verfügen. Marktteilnehmer betrachten die faktische Verfügungsmacht über einen Token aber vielfach als Ausdruck der Rechtsinhaberschaft, und zwar auch dann, wenn ein gesetzlicher Gutglaubensschutz, wie ihn das eWpG gewährt, überhaupt nicht existiert. Wer den Code kontrolliert und damit die Token-Lage steuert, ist insofern faktisch in der Lage, das tokenisierte Recht wirtschaftlich zu vereinnahmen. Die Manipulationssicherheit der zur Token-Verwaltung eingesetzten Smart Contracts ist vor diesem Hintergrund unter Anlegerschutzgesichtspunkten von eminenter Bedeutung. Ein Mindestmaß an Präventivschutz gewährleistet in diesem Zusammenhang der Umstand, dass jedermann den Programmcode nach dem deploy auf einer öffentlichen Blockchain einsehen und auf etwaige Sicherheitslücken hin überprüfen kann. Dass selbst Akteure, die der jeweiligen Programmiersprache (z. B. Solidity) mächtig sind, dadurch nicht vor Manipulationen gefeit sind, hat der DAOHack bewiesen.1294 Allerdings hat der Token-Markt seitdem einen Professionalisierungsprozess durchlaufen. So lassen sich inzwischen etwa manche Emittenten die Qualität des verwendeten Codes durch spezialisierte Vertrauensintermediäre bescheinigen.1295 Aus regulatorischem Blickwinkel kommen de lege ferenda zudem spezifische Offenlegungs- und Testatpflichten in Betracht.1296 1290
Vgl. Hirte, in: GK-AktG, § 221 Rn. 184. Vgl. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 615 ff. (2019). 1292 S. hierzu ausführlich 2. Kap. C.I. 1293 S. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 630 ff. (2019) mit Beispielen. 1294 S. hierzu 1. Kap. A.IV.2. 1295 Vgl. Cohney/Hoffman/Sklaroff u. a., 119 Colum. L. Rev. 591, 644 f. (2019). 1291
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
395
V. Möglichkeiten und Grenzen der Etablierung eines privaten Ordnungsrahmens Die vorausgegangene Untersuchung hat verdeutlicht, dass es an privatautonomen Mechanismen zur Ergänzung des gesetzlichen Schutzes der Token-Investoren keineswegs mangelt. Die Initiatoren eines STO können auf einen prallgefüllten Instrumentenkasten zugreifen, in dem sich bewährte Gestaltungen der Wagnisfinanzierung ebenso wiederfinden wie Token Sale-spezifische Abreden. Den Finanzierungsparteien von gesetzgeberischer Seite ein standardisiertes, über den schuldrechtlichen Mindestschutz hinausgehendes Regelungsregime aufzuerlegen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht geboten.1297 Schließlich verdanken Mezzanine-Instrumente ihre Attraktivität für Gestaltungsanlässe, die so spezifisch sind wie die Ergänzungsfinanzierung im Venture Capital-Bereich, gerade ihrer Gestaltungsoffenheit.1298 Es besteht zudem kein Grund, anzunehmen, der Gesetzgeber sei eher in der Lage, die inhärenten Limitationen der Finanzierungsmethode zu überwinden als die sachnäheren Marktakteure. Ob Emittenten dem institutionenökonomischen Petitum1299 nachkommen und die verfügbaren Möglichkeiten zur Schaffung eines privaten Ordnungsrahmens ausschöpfen, ist damit aber noch nicht gesagt. Zwar haben einzelne Gestaltungsmittel bereits einen gewissen Verbreitungsgrad erlangt.1300 Empirische Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass der vertragliche Kapitalgeberschutz nach wie vor eher einem Flickenteppich als einem konsistenten Regulierungsrahmen gleicht.1301 Dass das Schutzniveau bei einem STO insoweit hinter dem anderer Formen der Wagnisfinanzierung zurückbleibt, überrascht nicht. Immerhin werden die Beteiligungsbedingungen nicht wie im Venture Capital-Kontext zwischen den Parteien ausgehandelt, sondern einseitig vom Emittenten diktiert.1302 Ob gleichwohl mit der Etablierung eines elaborierten Schutzsystems zu rechnen ist, beleuchtet der folgende Abschnitt. Grosso modo erscheinen drei sich teils überschneidende Entwicklungspfade vorstellbar: Erstens, In einem race to the top wetteifern die Emittenten um den „besten“ Governance-Rahmen (1.); zweitens, die Rezentralisierung des TokenMarktes mündet in einem von Plattformbetreibern angeführten Standardisierungsprozess (2.) oder drittens, die Anleger verzichten auf ein engmaschiges Netz aus vertraglichen Schutzmechanismen und vertrauen stattdessen auf die mäßigende 1296
Vgl. Matzke, Rethinking Law 4/2019, 54, 56 f. Vgl. in diesem Sinne auch Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 331 f.; Kuntz, Gestaltung, S. 383 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 371; differenzierend Luttermann, Genußrechte, S. 547 ff.; a. A. Lutter, in: KK-AktG2, § 221 Rn. 405; Rid-Niebler, Genußrechte für die GmbH, S. 165 f. 1298 S. insoweit bereits unter A.II.2.a)bb)(6). 1299 S. hierzu 3. Kap. C.II.1.c). 1300 Vgl. die Hinweise in Fn. 1146, 1162, 1272 und 1282. 1301 Vgl. Fahlenbrach/Frattaroli, 35 FMPM 1, 24 ff. (2021). 1302 Diese Ausgangslage liegt freilich in der Natur aller kapitalmarktgängigen Finanzierungstitel begründet, vgl. Luttermann, Genußrechte, S. 547. 1297
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
Einflussnahme durch institutionelle Kapitalgeber (3.). Eine lückenlose Prävention von Agenturrisiken erscheint ohnedies unerreichbar (4.). 1. Race to the top Das erste Szenario basiert auf einem evolutionären Verständnis ökonomischer Entwicklungstendenzen.1303 Es liegt danach im Interesse der Anbieterseite, einen ausbalancierten Governance-Rahmen zu kreieren, um die Investitionsbereitschaft der Anleger zu erhöhen.1304 Nur wer seinem Token-Angebot „optimale“ Ausgabebedingungen zugrunde legt, könne im Wettstreit um begrenzte Finanzierungsmittel erfolgreich sein. Da sich die meisten kapitalsuchenden Start-Ups ähnlichen Gestaltungsproblemen gegenübersehen – so lässt sich die Argumentationslinie fortsetzen – ist mit der Herausbildung von best practices zu rechnen.1305 Dadurch komme es im Hinblick auf die inhaltliche Ausstattung der Mezzanine-Instrumente zu einem sukzessiven Angleichungsprozess.1306 Derartige Standardisierungstendenzen erscheinen im Massenverkehr schon deshalb naheliegend, weil sich die Transaktions- und Suchkosten der Parteien auf diese Weise erheblich reduzieren und Skaleneffekte nutzbar machen lassen.1307 Ob sich langfristig tatsächlich jene Gestaltungen durchsetzen, auf die sich die Parteien in einem hypothetischen Verhandlungsprozess geeinigt hätten, muss unter der Prämisse der begrenzten Rationalität der Marktteilnehmer aber bezweifelt werden.1308 2. Standardisierung durch Plattformbetreiber Das mit Token Sales verknüpfte Ideal einer disintermediatisierten Finanzierungswelt hat sich in weiten Teilen als impraktikabel herausgestellt. Aus teils regulatorischer, teils ökonomischer Notwendigkeit heraus haben Finanzintermediäre seit dem Ende des ICO-Booms erheblich an Bedeutung gewonnen.1309 Besonders deutlich zeigt sich die Tendenz zur Rezentralisierung des Token-Marktes anhand der wachsenden Popularität von Initial Exchange Offerings.1310 Die dabei beteiligten Emissionsplattformen erfüllen nicht nur klassische gate keeper-Funktionen, sondern 1303
S. grundlegend Alchian, 58 J. Polit. Econ. 211 (1950). Vgl. in Bezug auf konventionelle Crowdinvestings Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 147. 1305 Vgl. abermals Alchian, 58 J. Polit. Econ. 211, 217 ff. (1950). 1306 Vgl. mit Blick auf Genussrechte Kuntz, Gestaltung, S. 384; Luttermann, Genußrechte, S. 551. 1307 Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz, S. 331 f. Vgl. zur Kautelarpraxis im VC-Kontext Denga, ZGR 2021, 725, 740 ff. 1308 Vgl. Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142, 147. 1309 Anders noch Wolf, Initial Coin Offerings, S. 206 ff. 1310 Vgl. 2. Kap. D.V. 1304
C. Gesetzlicher und privatautonomer Schutz von Token-Anlegern
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können in Anknüpfung an das soeben illustrierte Entwicklungsszenario auch zur treibenden Kraft hinter der Etablierung eines standardisierten, auf Interessenausgleich abzielenden Governance-Rahmens werden. Sie repräsentieren in dieser Funktion die aggregierte Verhandlungsmacht des Anlegerpublikums. Der Markt für konventionelle Crowdinvestings bietet hierfür reichhaltiges Anschauungsmaterial.1311 3. Institutionelle Investoren als Garanten eines angemessenen Anlegerschutzes? Am anderen Ende des Kontinuums möglicher Entwicklungspfade ist das Szenario anzusiedeln, dass die Finanzierungsparteien auf privatautonome Maßnahmen des Anlegerschutzes weitestgehend verzichten. Stattdessen stützen die Token-Investoren ihr Vertrauen auf die Beteiligung namhafter institutioneller Kapitalgeber. Diese sind im Modell der komplementären Wagnisfinanzierung entweder unmittelbar am Eigenkapital der finanzierten Gesellschaft beteiligt oder nehmen sogar selbst an der Emission bzw. an einem Pre-Sale teil.1312 Private Token-Anleger profitieren in diesem Fall nicht nur mittelbar von dem anlässlich der vorausgegangenen Finanzierung routinemäßig errichteten Governance-System (free riding),1313 sondern verlassen sich auch darauf, dass die institutionellen Investoren die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen werden, um anlegerschädigende Aktivitäten zu unterbinden. Maßgeblicher Motivationsfaktor ist insoweit die eigene Reputation.1314 Als klassische repeat players haben die Risikokapitalgeber schließlich ein erhebliches Interesse daran, dass sich die Anlegeröffentlichkeit auch in Zukunft an ihren Projekten beteiligt.1315 Uneingeschränktes Vertrauen in die protegierende Einflussentfaltung dürfte – wie bereits verschiedentlich angeklungen – dennoch nicht angezeigt sein.1316 4. Verbleibende Vulnerabilität Unterstrichen sei zu guter Letzt, dass das Risiko opportunistischer Verhaltensweisen selbst im Falle einer weitgehenden Etablierung vertraglicher Schutzme-
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147. 1312
S. insoweit Schulz, Crowdinvesting, S. 17; Klöhn/Hornuf/Schilling, ZBB 2016, 142,
S. 3. Kap. C.III. Vgl. Schedensack, Crowdinvesting, S. 194. 1314 Vgl. allgemein zur Bedeutung des Reputationsmarktes bei VC-Investments Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1085 ff. (2003). 1315 Vgl. im Zusammenhang mit Venture Debt-Finanzierungen Ibrahim, U. Ill. L. Rev. 1169, 1184 ff. (2010). 1316 S. Fn. 1130 mit dem dazugehörigen Text. 1313
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4. Kap.: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital
chanismen nicht vollends eliminiert werden kann.1317 Mezzanine-Investoren gehen das unternehmerische Risiko ihrer Kapitalanlage um deren Chancen willen ein. Verfehlungen der Gründer und Selbstbegünstigungen auf horizontaler Ebene lassen sich dabei nicht ausschließen, sind aber andererseits kein Spezifikum der Tokenbasierten Finanzierung.1318
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Vgl. allgemein zu Genussrechten Luttermann, Genußrechte, S. 551 f. Auswüchsen – insbesondere solchen, die ein strafrechtlich relevantes Ausmaß erreichen – kann nur mit den allgemeinen Regeln begegnet werden, vgl. Luttermann, Genußrechte, S. 552. 1318
5. Kapitel
Zusammenfassung1 1. Kapitel: Einleitung – Zeitenwende in der Wagnisfinanzierung? Im Vordergrund der Untersuchung stehen die Rechtsfragen und Gestaltungsprobleme, die sich ergeben, wenn Venture Capital-Investoren und Token-Anleger im Rahmen der Wagnisfinanzierung aufeinandertreffen. Traditionell gilt Venture Capital für Start-ups und Scale-ups als unverzichtbar. Seit einigen Jahren bedienen sich vor allem Akteure aus der Krypto-Branche darüber hinaus einer neuartigen Finanzierungsmethode, sog. Initial Coin Offerings (ICOs). Bei dieser Form der Schwarmfinanzierung werden virtuelle Werte, sog. Token, mit Hilfe der Blockchain-Technologie an ein internationales Anlegerpublikum ausgegeben, ohne dass es dazu eines Finanzintermediärs bedürfte. Im Gegensatz zu konventionellen Wagnisbeteiligungen sind die digitalen Finanzierungsinstrumente auf dem Sekundärmarkt liquide handelbar. In den Jahren 2017/2018 waren Token Sales derart nachgefragt, dass das finanzökonomische Schrifttum der Finanzierungsmethode zutraute, Venture Capital in den Schatten zu stellen. Unter dem Eindruck zahlreicher Betrugsfälle, enttäuschter Anlegererwartungen und gestraffter Regulierung brach der ICO-Markt jedoch binnen kürzester Zeit in sich zusammen. Seitdem haben klassische Venture Capital-Investoren in der Krypto-Branche fußgefasst. Wenngleich sich Token-Emissionen nicht als Alternative zu Venture Capital etablieren konnten, wäre es verfrüht, einen Abgesang auf die Finanzierungsmethode anzustimmen. Statt als ausschließliches Finanzierungsmittel in der Frühphase dienen Token Sales inzwischen vermehrt als ergänzende Kapitalquell für Unternehmen, die bereits eine Venture Capital-Finanzierung erhalten haben. Die Möglichkeit einer künftigen Token-Emission wird dabei von den Wagnisinvestoren a priori berücksichtigt, wobei sich die Risikokapitalgeber mitunter Bezugsrechte auf die virtuellen Einheiten einräumen lassen. An diesen Funktionswandel knüpfen die Untersuchungsfragen der Arbeit an. Sie beleuchtet das Verhältnis von Venture Capital und Token Sales im gereiften 1 Die Struktur der Zusammenfassung entspricht der Untersuchungsgliederung. Die jeweiligen Abschnitte lassen sich in der Arbeit anhand der angegebenen Gliederungspunkte wiederfinden.
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5. Kap.: Zusammenfassung
Marktumfeld und geht der Frage nach, welche Gestaltungsaufgaben sich stellen, wenn Token-Anleger als dritte Interessegruppe neben die Gründer und institutionellen Wagnisinvestoren treten. Dabei konzentriert sich die Analyse von vornherein auf solche Emissionen, bei denen Security Token, d. h. wertpapierartig ausgestaltete Finanzinstrumente, ausgegeben werden. Security Token Offerings (STOs) weisen vor dem Hintergrund ihrer zumeist erfolgsabhängigen Verzinsung unverkennbare Parallelen zu anderen Formen der Wagnisfinanzierung auf und erscheinen daher im Hinblick auf etwaige Wechselwirkungen als Untersuchungsgegenstand besonders geeignet. Innerhalb der Kategorie der Security Token lässt sich wie folgt differenzieren: Debt Token repräsentieren (dividendenähnliche) Zahlungsansprüche gegen den Emittenten, unechte Equity Token vermitteln darüber hinaus gesellschafterähnliche Mitwirkungsrechte und echte Equity Token repräsentieren Gesellschaftsanteile im formellen Sinne.
2. Kapitel: Technische und rechtliche Grundlagen von Token Sales Das zweite Kapitel legt das Fundament für die weitere Untersuchung, indem es die rechtlichen und technischen Grundlagen eines STO freilegt. Diese wirken sich unmittelbar auf die Funktionsbedingungen der Finanzierungsmethode aus. A. Die Blockchain-Technologie bildet das informationstechnische Fundament für Token Sales. A.I. Für die Zwecke dieser Arbeit dient der Begriff „Blockchain“ als Sammelbezeichnung für eine Reihe technologischer, spieltheoretischer und kryptographischer Einzelkomponenten, die zu einem Peer-to-Peer-System zusammengefügt werden, in dem die Integrität von Datenveränderungen sichergestellt ist. Zentrale Vertrauensintermediäre, denen diese Funktion traditionell zukommt, sollen dadurch verzichtbar werden. A.II. Den für Finanzierungszwecke maßgeblichen Anwendungsfall der Blockchain-Technologie bildet die Zuordnung von Informationsgütern in dezentralen Registern. Für die Integrität solcher Peer-to-Peer-Netzwerke ist es entscheidend, dass Mehrfachverfügungen über die verwalteten Güter ausgeschlossen sind. A.III. – V. Die Blockchain-Technologie stellt dies sicher, indem Transaktionsdaten mit Hilfe eines als hashing bezeichneten Referenzmechanismus zu einer unabänderlichen, chronologisch geordneten Kette zusammengefügt werden. Da eine Kopie dieser Datenkette jedem (vollwertigen) Netzwerkteilnehmer vorliegt, kann die Transaktionshistorie nur fortgeschrieben werden, indem Datenänderungen von der Mehrheit der Nutzer übernommen werden. Dazu muss eine Transaktion vom Berechtigten digital signiert und an das Netzwerk übermittelt werden. Die übrigen Netzwerkteilnehmer validieren die Transaktionsdaten nach Maßgabe des Block-
5. Kap.: Zusammenfassung
401
chain-Protokolls. Ein pekuniäres Anreizsystem stellt dabei sicher, dass sich die Mehrheit der Validatoren protokollkonform verhält. Manipulationen der Datenkette sind infolgedessen (nahezu) ausgeschlossen. B. Im Finanzierungskontext fungieren Blockchains als Transaktionsraum für Kryptowerte. Die als „Token“ bezeichneten Registereinträge dienen dabei als Investitionsobjekt. Sie repräsentieren die im Einzelfall eingeräumten Rechtspositionen und sollen deren Verkehrsfähigkeit sicherstellen. B.I. Von technischer Seite spielen dafür Smart Contracts eine Schlüsselrolle. Die in die Laufzeitumgebung der Blockchain eingebettete Software „erzeugt“ die zu emittierenden Token und verwaltet die dazugehörigen Registereinträge gemäß den Vorgaben des Programmcodes. B.II. Die zentrale Problemstelle der Token-basierten Rechteübertragung wurzelt in der zivilrechtlichen Einordnung einer Transaktion. Idealiter besteht zwischen dem Token und dem Recht, das dieser repräsentiert, eine unauflösliche Verbindung, sodass die Token-Lage und die materielle Rechtslage übereinstimmen. In welchem Maße dies zutrifft, hängt davon ab, ob die ausgegebenen Kryptowerte dem eWpG unterfallen oder nach allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben zu beurteilen sind. B.II.1. Mit dem eWpG hat der Gesetzgeber das Wertpapierrecht für elektronische Schuldverschreibungen geöffnet. Konzeptionell bleibt das zum 10. 6. 2021 in Kraft getretene Sonderregime sachenrechtlichen Denkmustern verhaftet. Soweit elektronische Wertpapiere in Sammeleintragung in Rede stehen, beschränkt sich der durch die neuartige Begebungsform ermöglichte Effizienzgewinn auf Kostenersparnisse durch den Verzicht auf die Einlieferung und Verwahrung physischer (Sammel-) Urkunden. Für die Zwecke der Wagnisfinanzierung ist damit wenig gewonnen. Im Hinblick auf elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung entfaltet das elektronische Wertpapierregister nach den §§ 24 ff. eWpG dagegen konstitutive Publizitätswirkungen. Einzeleingetragene Kryptowertpapiere erfüllen somit die marktseitige Erwartungshaltung, dass die Blockchain die Rechtslage widerspiegelt. Die entmaterialisierte Begebungsform eignet sich damit prinzipiell auch für Wagnisfinanzierungen über den Kapitalmarkt. Nach vorzugswürdiger Ansicht ist von der registerführenden Stelle dabei nicht zu erwarten, dass sie Datenänderungen als zentrale Weisungsstelle eigenständig prozessiert. Vielmehr sprechen die besseren Gründe dafür, dass auch public-permissionless Blockchains wie Ethereum mit der Pflichtenstellung der registerführenden Stelle vereinbar sind. Der begrenzte Anwendungsbereich der neuen Rechtsgrundlage stellt ihre praktische Bedeutung allerdings in Frage. Für echte Equity Token und bereits erfolgte Emissionen bleibt das eWpG (vorerst) ohne Relevanz. B.II.2. Die Frage nach den zivilrechtlichen Wirkungen einer Token-Transaktion jenseits des Anwendungsbereichs des eWpG bleibt vor diesem Hintergrund aktuell. B.II.2.a) Als problematisch erweist sich angesichts des ubiquitären Charakters einer Blockchain-Transaktion bereits die Bestimmung des anwendbaren Rechts. Das
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5. Kap.: Zusammenfassung
ist aus Sicht der Finanzierungsparteien misslich, da die Rechtsfolgen einer TokenÜbertragung je nach Sachstatut unterschiedlich ausfallen können. Ausgehend vom deutschen Kollisionsrecht spricht viel dafür, im Hinblick auf die Verfügungswirkungen einer Transaktion die Rechtsordnung für maßgeblich zu erachten, nach der sich das vom Token repräsentierte Recht richtet. Dieses Recht bildet nach dem Verständnis der betroffenen Verkehrskreise mit dem Token eine unauflösliche Einheit, sodass es inkonsistent erschiene, divergierende Regelungskonzepte zur Anwendung gelangen zu lassen. Für Debt Token und unechte Equity Token bestimmt demnach das Schuldstatut zugleich über die Verfügungswirkungen einer Transaktion. Gem. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO können die Parteien das anwendbare Recht grundsätzlich frei wählen. Aus der Sonderkollisionsnorm nach Art. 6 Rom I-VO ergeben sich im Hinblick auf Verbraucherverträge keine Abweichungen. Denn nach der zutreffenden h. M. handelt es sich bei Security Token um übertragbare Wertpapiere i. S. v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II und damit um Finanzinstrumente i. S. d. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II, für die der Ausschluss nach Art. 6 Abs. 4 lit. d) Rom I-VO eingreift. Die fehlende Verbriefung von Token steht dem nicht entgegen, da es auf die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs nach hier vertretener Ansicht nicht ankommt. Im Hinblick auf echte Equity Token ist das Gesellschaftsstatut maßgeblich. Innerhalb des (territorialen) Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit verfügt die emittierende Gesellschaft jedenfalls insofern über Gestaltungsspielraum, als sie das anwendbare Recht unabhängig von ihrem Verwaltungssitz durch Rechtsformwechsel bestimmen kann. B.II.2.b) Die materiellrechtlichen Wirkungen einer deutschem Recht unterliegenden Token-Transaktion hängen von der Rechtsnatur der Kryptowerte ab. Wenig überzeugend erscheint es, Token als Wertpapiere sui generis zu qualifizieren und die für Inhaberpapiere maßgeblichen §§ 793 ff. BGB (entsprechend) anzuwenden. Denn wertpapierrechtliche Vorschriften stehen in dogmatischer Abhängigkeit zur Anwendbarkeit des Sachenrechts. Als rein digitale Repräsentationen sind Token derweil nicht eigentumsfähig. Darüber hilft auch eine funktionsbezogene Betrachtung nicht hinweg. Selbst wenn man die technisch vermittelte Exklusivität der TokenInhaberschaft als mit körperlichen Gegenständen vergleichbar ansähe, stünden systematische Bedenken einer sachenrechtlichen Qualifikation entgegen. Durch die Sachfiktion nach § 2 Abs. 3 eWpG hat der Gesetzgeber gerade erst seinen Willen bekräftigt, Token-basierte Finanzinstrumente nicht in das dingliche Schutz- und Übertragungssystem einzubeziehen. Auch ein Analogieschluss scheidet folgerichtig aus. Da Token als solche kein subjektives Recht vermitteln, können sie auch nicht Gegenstand einer Zession sein. Stattdessen handelt es sich bei einer Token-Transaktion um einen Realakt, dem nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen kann, aber nicht muss. In der Regel wird man eine Token-Transaktion als
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Ausdruck einer konkludenten Abtretungsabrede ansehen können. Das heißt jedoch nicht, dass der Token und das zugrundeliegende Recht zwangsläufig dasselbe Schicksal teilen. Vielmehr bleiben sie isoliert übertragbar, sodass die Token-Lage und die materielle Rechtslage auseinanderzufallen drohen. Dem kann durch vertragliche Abreden nur bedingt vorgebeugt werden. Der Verkehrsschutz der Token-Erwerber bleibt im Lichte dessen unvollkommen. Ein mit der wertpapiermäßigen Übertragung vergleichbarer Gutglaubensschutz ist de lege lata nur im Anwendungsbereich des eWpG gewährleistet. C. Die aufgezeigten Verkehrsschutzlücken werden durch den Einsatz von Smart Contracts keineswegs faktisch aufgewogen. C.I. Smart Contracts ermöglichen die automatisierte Leistungsabwicklung in Bezug auf Kryptowerte. Dank dieser Fähigkeit eignen sie sich im Emissionskontext vor allem als Zuteilungsinstrument. Turing-vollständige Blockchains wie Ethereum bieten dafür eine geeignete Ausführungsumgebung. Das technisch vermittelte Durchsetzungsvermögen von Smart Contracts ist allerdings in mehrfacher Hinsicht limitiert. Das liegt vor allem daran, dass die Programme auf externe Daten-Inputs angewiesen bleiben, soweit Vollzugsbedingungen außerhalb der Blockchain relevant werden. Darüber hinaus unterliegen nur Kryptowerte der unmittelbaren Einwirkungsmacht des Programmcodes. Off-chain-Leistungshandlungen wie die vertragsgemäße Mittelverwendung können Smart Contracts nicht gewährleisten. C.II. Die Rechtsordnung bleibt somit auch faktisch für den Leistungsaustausch relevant. Die selbstvollziehende Wirkung von Smart Contracts schränkt den Geltungsanspruch der Rechtsordnung in keiner Weise ein, wenngleich nicht auszuschließen ist, dass die relative Anonymität der Blockchain die effektive Rechtsdurchsetzung erschwert. C.III. Diesen Grundsätzen entsprechend kann ein Smart Contract im Rahmen der Token Emission zum integralen Bestandteil des Vertragsschlusses werden. Die „Platzierung“ des Smart Contracts auf der Blockchain dürfte vor dem Auslegungshintergrund der Emissionsmaterialien im Regelfall als konkludente offerte ad incertas personas anzusehen sein. Das Angebot nehmen die Token-Investoren typischerweise konkludent an, indem sie einen bestimmten Betrag einer Kryptowährung an den Smart Contract transferieren und den Programmablauf dadurch anstoßen. C.IV. Hinsichtlich des Handels mit tokenisierten Rechten bleibt zu konstatieren, dass die verbreitete Zuversicht der Marktteilnehmer, mit dem Token stets auch das repräsentierte Recht zu erhalten, einer juristischen Grundlage entbehrt. Außerhalb des Anwendungsbereichs des eWpG existiert weder ein gesetzlicher Verkehrsschutz noch lässt sich die resultierende Schutzlücke durch privatautonome Vorkehrungen schließen. Daran können auch Smart Contracts nichts ändern. Token-Erwerber müssen sich damit trösten, dass der Markt den digitalen Einheiten bislang trotz der ungewissen rechtlichen Unterlegung einen Wert beimisst.
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5. Kap.: Zusammenfassung
D. Die kapitalmarktrechtliche Regulierung von STOs hat auf die Emissionspraxis der vergangenen Jahre erheblichen Einfluss genommen. Sie steht im Mittelpunkt der bisherigen juristischen Auseinandersetzung mit dem Finanzierungsphänomen. Die unter Emittenten verbreitete Annahme, Token Sales seien unreguliert, erweist sich als unzutreffend. D.I. Da es sich bei Security Token um Finanzinstrumente im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II handelt (s. B.II.2.a)), ist insbesondere die Prospektpflicht nach Art. 3 Prospekt-VO zu beachten. D.II. – IV. Die Publizitätspflichten nach §§ 6 ff. VermAnlG sind nur subsidiär von Bedeutung. Auch eine Regulierung nach dem KAGB scheidet in den hier interessierenden Konstellationen regelmäßig aus. U. U. bestehen jedoch Marktfolgepflichten nach der MMVO. D.V. Unter dem Eindruck der aufsichtsrechtlichen Durchdringung durchläuft das Marktumfeld einen Reifungsprozess. Zudem gewinnen plattformbasierte Emissionsvarianten, sog. Initial Exchange Offerings (IEOs), an Bedeutung. E. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen wirken sich auf den Ablauf eines STO aus. E.I. Dies zeigt sich insbesondere anhand der Formalisierung und Professionalisierung der Vorbereitungsphase. Statt das Finanzierungsprojekt ausschließlich durch ein Whitepaper und in einschlägigen Foren zu bewerben, geht dem Token-Angebot inzwischen eine ressourcenintensive und zeitaufwendige Prospekterstellung voraus. Darüber hinaus durchlaufen die Emittenten vor einem Token Sale häufig bereits eine oder mehrere Finanzierungsrunden, im Rahmen derer sich institutionelle Investoren entweder auf herkömmliche Weise am Gesellschaftskapital beteiligen oder im Rahmen eines Pre-Sales selbst Token beziehen. Vermehrt werden zudem Emissionsplattformen in den Ausgabeprozess einbezogen. E.II. Die Durchführungsphase wird klassischerweise durch das deployment des Smart Contracts eingeleitet. Um Token zu erwerben, transferieren Anleger Kryptowährungen an den Smart Contract. Z. T. werden in einem zentralisierteren Verfahren auch Fiat-Währungen akzeptiert. Ein Preisbildungsverfahren findet nicht statt, vielmehr legt der Emittent die Ausgabebedingungen einseitig fest. E.III. In der Erfüllungsphase stehen den Token-Investoren zwei Optionen offen. Entweder sie halten die erworbenen Token und warten die periodisch fällig werdenden Ausschüttungen ab oder sie veräußern die Token über den Sekundärmarkt. Die letztgenannte Variante stellt für viele Anleger einen zentralen Investitionsanreiz dar. Erweisen sich die Sekundärmärkte widererwarten als illiquide, besteht für Investoren die Gefahr, langfristig in einer unrentablen Beteiligung „gefangen“ zu sein.
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3. Kapitel: Potenziale und Hemmfaktoren der Token-basierten Wagnisfinanzierung aus dem Blickwinkel der Neuen Institutionenökonomik Das dritte Kapitel geht aus einem institutionenökonomischen Blickwinkel der Frage nach, weshalb sich Tokens Sales entgegen mancher Prognose nicht als Frühphasenfinanzierungsmittel etabliert haben und welche Funktion der Kapitalbeschaffungsmethode nebst Venture Capital im gegenwärtigen Marktumfeld zukommt. A. Dazu skizziert der erste Untersuchungsteil die zentralen Handlungsmotive der Finanzierungsparteien. A.I. Die Gründer sind primär daran interessiert, Kapitallücken zu überbrücken und das wirtschaftliche Potenzial ihrer Geschäftsidee auszuschöpfen. Die dadurch anfallenden Finanzierungskosten sollen minimiert werden. Darüber hinaus erhoffen sich finanzierungsbedürftige Unternehmen von der Beteiligung eines Investors u. U. strategische Vorteile im operativen Bereich, z. B. in Form von Marketingeffekten. Auf Gründer geht zudem von privaten Annehmlichkeiten eine nicht zu unterschätzende Anreizwirkung aus. A.II. Für die Investoren stehen naturgemäß Renditeziele im Vordergrund. Venture Capital-Geber streben einen ertragreichen Exit an. Um das Gedeihen ihrer Portfoliounternehmen zu fördern, leisten sie verschiedene Formen der Managementunterstützung. Token-Anleger haben vor allem in der Frühphase des Finanzierungsphänomens auf Veräußerungsgewinne durch kurzfristige Kurssteigerungen spekuliert. Genau wie die Kapitalnehmerseite haben die Kapitalgeber ein Interesse daran, die Finanzierungskosten zu minimieren. B. Vor diesem Hintergrund gewinnt das ökonomische Potenzial von Token Sales an Kontur. B.I. Die Blockchain-basierte Schwarmfinanzierung kann nach Auffassung ihrer Fürsprecher vor allem die Transaktionskosten einer Finanzierung reduzieren. Kostspielige Finanzintermediäre werden dank des Technikeinsatzes im Ausgangspunkt verzichtbar. Zudem sind Clearingstellen, die im traditionellen Wertpapierhandel eine (buchstäblich) zentrale Rolle einnehmen, nicht länger von Nöten. Die dadurch ermöglichten Effizienzgewinne prädestinieren Token für den liquiden Handel. B.II. Die Existenz eines Sekundärmarkts unterscheidet Token von sonstigen Wagnisanlagen. Das Segment gewinnt dadurch auch für private Anleger an Attraktivität. Wagnisfinanzierungen werden einem internationalen Anlegerpublikum zugänglich. Damit geht die Hoffnung einher, das Kapitalgeberkollektiv sei in der Lage, „bessere“ Investitionsentscheidungen zu treffen als der relativ homogene Kreis professioneller Investoren.
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B.III. Beachtung verdient der Umstand, dass den Potenzialen der Blockchainbasierten Finanzierung zwei implizite Annahmen zugrunde liegen. Erstens scheint man davon auszugehen, dass die Kostenersparnis durch den Verzicht auf Finanzintermediäre größer ist als der Mehrwert, den die Einbeziehung einer Zwischeninstanz geboten hätte. Zweitens wird die Existenz eines funktionsfähigen Sekundärmarkt vorausgesetzt. C. Hinsichtlich der ökonomischen Hemmfaktoren eines STO ist zwischen solchen zu unterscheiden, die im Vorfeld der Investition virulent werden und solchen, die das Finanzierungsverhältnis nach der Mittelbereitstellung belasten. C.I.1. – 3. Ex ante ergeben sich Anlegerrisiken insbesondere daraus, dass die Erfolgschancen des finanzierungssuchenden Unternehmens ungewiss sind. Die für Wagnisfinanzierungen typischen Prognoseschwierigkeiten werden durch ausgeprägte Informationsasymmetrien verschärft. Vor dem Eingreifen nationaler Aufsichtsbehörden fiel die Informationsbereitstellung durch die Emittenten vielfach mangelhaft aus. Das Fehlen eines Preisbildungsmechanismus trug dazu bei, dass auch unseriöse Projekte Finanzierungserfolge verbuchen konnten. Das hat den Effekt der adversen Selektion begünstigt: Qualitätsemittenten verließen den Markt, wodurch eine negative Preisspirale in Gang gesetzt wurde. C.I.4. Erklärungsansätze dafür, dass Token-Anleger trotz der bestehenden Informationsdefizite zunächst scharenweise in die neuartige Assetklasse investierten, folgen aus der Verhaltensökonomik. So besteht Grund zu der Annahme, dass „irrationaler Überschwang“ vor allem private Anleger dazu veranlasst hat, die greifbaren Investitionsrisiken zu vernachlässigen. Es scheint, als hätten systematische Urteilsverzerrungen das Anlageverhalten der Token-Investoren beeinflusst. Empirische Nachweise sind hierfür aber noch nicht gefunden. Abgesehen von sog. noise traders haben allem Anschein nach auch besser informierte, professionelle Anleger, die die rasante Nachfrageentwicklung antizipiert haben, zum Entstehen der Spekulationsblase beigetragen. C.I.5. Die aus der asymmetrischen Informationsverteilung resultierenden Gefahren werden durch kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten nur unzulänglich eingedämmt. Das ist u. a. dem Umstand geschuldet, dass die einschlägigen Kataloge bislang keine Token Sale-spezifischen Pflichtangaben vorsehen. Darüber hinaus mangelt es an professionellen Marktteilnehmern, die in der Lage sind, die verfügbaren Informationen sachgerecht auszuwerten. C.I.6. In den Analysefokus rücken daher die Bewältigungsstrategien des Marktes. Traditionell tragen Finanzintermediäre zum Abbau von Informationsdefiziten bei, indem sie Nachforschungen anstellen, ungesicherte Informationen überprüfen und ihre Erkenntnisse an den Markt weitergeben (sog. screening). Auf dem TokenMarkt fassen solche Informationsintermediäre allmählich Fuß. Zudem können Emittenten Informationsdefizite reduzieren, indem sie glaubwürdige Qualitätssignale an den Markt senden (sog. signaling). Als vertrauens-
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steigernd ist nach der Zertifizierungstheorie insbesondere die Beteiligung eines institutionellen Investors anzusehen. Im Zusammenhang mit Token Sales geht vor allem von Venture Capital-Gebern eine solche Signalwirkung aus. Sie sind in der Lage, ihre Portfoliounternehmen einer gründlichen Due Dilligence-Prüfung zu unterziehen und die Gründer auf operativer Ebene zu unterstützen. Mittelbar können hiervon auch die Token-Anleger profitieren. Limitationen der Zertifizierungsthese sind allerdings in jenen Fällen anzuerkennen, in denen Venture Capital-Geber selbst Token halten, die sie über den Sekundärmarkt jederzeit abstoßen können. Das kann zur Folge haben, dass sich die Zielsetzung der Wagnisinvestoren verändert. C.I.7. In der Gesamtschau überrascht es nicht, dass sich Token Sales nicht als Alternative zu einer Venture Capital-Finanzierung etabliert haben. Die Prämissen für eine effizientere Wagnisfinanzierung durch Token Sales (s. B.III.) erscheinen nicht erfüllt. Insbesondere vermag der durch Disintermediation erreichbare Kostenvorteil die Informations- und Suchkosten nicht zu kompensieren, die aus dem Verzicht auf Finanzintermediäre resultieren. Diese Kosten erreichen eine prohibitive Höhe, sodass es zum Marktversagen kommt. C.II. Ab dem Investitionszeitpunkt wirken Informationsasymmetrien im Gewand der Agenturproblematik fort. Anreizprobleme und Interessenkonflikte drohen einerseits im vertikalen Verhältnis zwischen Gründern und Investoren andererseits auf horizontaler Ebene zwischen verschiedenen Kapitalgebergruppen oder sogar innerhalb derselben. C.II.1. Ein Teil der zwischen Gründern und Token-Anlegern drohenden Agenturprobleme sind aus dem Venture Capital-Bereich wohl bekannt. Das gilt z. B. für das Risiko, dass die Gründer die erforderliche Einsatzbereitschaft vermissen lassen (sog. underinvestment) oder die Gesellschaftsmittel für unternehmensfremde Zwecke einsetzen (sog. asset stripping). Zudem sind Konstellationen vorstellbar, in denen die Unternehmensleitung ein Entgegenkommen der Kapitalgeberseite erzwingt (sog. hold-ups), das Investitionsrisiko der Anleger durch nachträgliche Strategiewechsel erhöht (sog. risk shifting) oder überschüssiges Kapital allzu bereitwillig investiert (sog. overinvestment). Durch nachgelagerte Finanzierungsmaßnahmen kann es überdies zur wirtschaftlichen Verwässerung der Anleger kommen. Andere Verhaltensrisiken hängen mit den spezifischen Merkmalen eines Token Sales zusammen. So entfällt die für Wagnisfinanzierungen typische Reputationskontrolle, wenn Token Sales von vornherein auf nur eine Finanzierungsrunde ausgelegt sind. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Beteiligung illiquide bleibt, weil die Token nicht an einer Kryptobörse gelistet werden. Zudem drohen Marktmanipulationen durch den Emittenten. Zur Bewältigung der aufgezeigten Agenturrisiken empfiehlt das ökonomische Schrifttum, einen privaten Ordnungsrahmen zu schaffen, der Fehlanreizen entge-
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genwirkt, Missbrauchspotenziale minimiert und Verfahrensregeln bereithält, um unvorhergesehene Interessenkollisionen aufzulösen. Während sich im Venture Capital-Bereich standardisierte Bewältigungsmechanismen herausgebildet haben, stellen entsprechende Vorkehrungen auf dem STO-Markt noch immer die Ausnahme dar. C.II.2. Auf horizontaler Ebene lassen sich zwei Arten von Konfliktkonstellationen unterscheiden: Solche im Verhältnis der Token-Inhaber untereinander und solche, die aus der Vorfinanzierung durch konventionelle Wagniskapitalgeber resultieren. In die erste Kategorie fällt das Risiko, dass institutionelle Token-Investoren die zeitliche Staffelung der Emission ausnutzen, um auf Kosten späterer Anleger von Ausgaberabatten zu profitieren (sog. pump-and-dumps). Darüber hinaus ist es möglich, dass Token-haltende Wagnisinvestoren ein scheiterndes Projekt über den Kapitalmarkt verlassen und ihr Risiko somit auf die uninformierte Marktseite abwälzen. Innerhalb der Token-Anlegergruppe können Kollektivhandlungsprobleme zu einem wirtschaftlich suboptimalen Entscheidungsverhalten führen (s. 4. Kap. B.III.3.). Auch im Hinblick auf horizontale Agenturkonflikte besteht ein Bedürfnis nach einem privaten Ordnungsrahmen. C.III. In Anbetracht der ökonomischen Hemmfaktoren ist zu konstatieren, dass STOs als ausschließliches Frühphasenfinanzierungsmittel ungeeignet sind. Für wachstumsorientierte Unternehmen bleibt Venture Capital auch in Zukunft eine unverzichtbare Kapitalquelle. Das Potenzial der Blockchain-basierten Wagnisfinanzierung kann jedoch zur Entfaltung gelangen, wenn Token Sales als komplementäre Kapitalbeschaffungsmethode zum Einsatz kommen. So ermöglicht die Einbindung institutioneller Investoren im Vorfeld einer Emission etwa positive Qualitätssignale an den Anlegermarkt. In der Erfüllungsphase können Token-Investoren darüber hinaus von dem Kontroll- und Anreizsystem profitieren, das im Zusammenhang mit Venture CapitalFinanzierungen standardmäßig errichtet wird. Die Gründer ziehen ihrerseits Nutzen aus der Beteiligung professioneller Risikokapitalgeber, da sie bedarfsgerechte Unterstützung auf operativer Ebene erhalten. Auch Venture Capital-Investoren können von einer Token-basierten Anschlussfinanzierung profitieren, z. B. indem eine drohende Anteilsverwässerung verhindert wird, s. 4. Kap. A.II.2.b).
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4. Kapitel: Wechselbeziehungen zwischen STOs und Venture Capital Das vierte Kapitel untersucht die Wechselwirkungen, die sich einstellen, wenn STOs als komplementäre Finanzierungsquelle auf eine Venture Capital-Finanzierung folgen. Im Vordergrund steht die Frage, welcher gestalterischen Weichenstellungen es bedarf, um Token Sales mit dem Anforderungsprofil einer VC-finanzierten Unternehmung in Einklang zu bringen. A.I. Die grundlegenden Anforderungen an die Ausgestaltung eines STO hängen mit dem frühen Entwicklungsstadium der emittierenden Unternehmen zusammen. Darüber hinaus sind die Interessen der Gesellschafter, d. h. die von Gründern und Venture Capital-Gebern, zu berücksichtigen. A.I.1. Da es Start-Ups zunächst an stetigen Zahlungsströmen mangelt, ist auf eine liquiditätsschonende Verzinsung des eingeworbenen Kapitals zu achten. Dem können erfolgsabhängige Vergütungsabreden Rechnung tragen. Einen vorzeitigen Kapitalabzug durch die Anleger gilt es zu verhindern. A.I.2. Den Venture Capital-Gebern und Gründern wird zudem an einer einflusswahrenden Gestaltung gelegen sein. Einwirkungs- oder Blockademöglichkeiten des Anlegerpublikums erscheinen damit unvereinbar. A.I.3. Damit sich Gründer und Venture Capital-Geber weiterhin für das Vorankommen der finanzierten Gesellschaft einsetzen, ist darüber hinaus auf eine renditezielverträgliche Verteilungsregelung Wert zu legen. A.II. Emittenten geben bei einem STO zumeist tokenisierte Gläubigerrechte aus. Je nach Ausmaß der eingeräumten Mitwirkungsrechte differenziert die Untersuchung zwischen Debt Token und unechten Equity Token. A.II.1. In beiden Fällen lassen sich die durch den Token repräsentierten Instrumente weder dem Fremd- noch dem Eigenkapital eindeutig zuordnen. In der finanzökonomischen Terminologie ist für derartige Hybride die Bezeichnung als „Mezzanine-Kapital“ etabliert. A.II.2. Debt Token gewähren ihren Inhabern dividendenähnliche Vermögensrechte auf schuldrechtlicher Grundlage. Organisatorische Mitwirkungsrechte sind mit ihnen nicht verbunden. A.II.2.a) Die h. M. qualifiziert Debt Token als Genussrechte. A.II.2.a)aa) Unter den historisch gewachsenen Begriff lassen sich im Ausgangspunkt alle schuldvertraglichen Ansprüche auf gesellschaftertypische Vermögensrechte subsumieren. Die Weitläufigkeit dieser Definition belässt den Parteien erhebliche Gestaltungsfreiheit. A.II.2.a)bb) Mangels gesetzlicher Vorgaben obliegt es den Parteien, Art und Inhalt des Genussrechts in den Ausgabebedingungen näher zu bestimmen.
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5. Kap.: Zusammenfassung
Den Emittenten steht es insbesondere offen, den Anlegern eine Erfolgspartizipation einzuräumen. In Betracht kommt die Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös. Angesichts der Motivlage von Gründern und Venture Capital-Investoren liegt darüber hinaus die Teilhabe an der Unternehmenswertentwicklung nahe. Ein mit Blick auf die Anreizsituation bedeutsames Gestaltungsmittel stellen zudem Abreden über die Rangfolge der Ausschüttungen dar. Durch ein gestaffeltes Vergütungssystem kann der Anreizsituation von Gründern, Venture Capital-Investoren und Token-Anlegern Rechnung getragen werden. Als Pendant zur Erfolgsbeteiligung können die Parteien zudem eine Verlustteilnahme vorsehen. Den Eigenkapitalgebern erlaubt eine entsprechende Abrede, das Gesellschaftsvermögen in Verlustsituationen vor einer zusätzlichen Belastung durch die Token-Gläubiger zu schützen. Weit verbreitet sind darüber hinaus Nachrangabreden im Sinne von § 39 Abs. 2 InsO. Ein solcher Rangrücktritt setzt eine ausdrückliche Regelung in den Ausgabebedingungen voraus. Die Laufzeit der Kapitalüberlassung variiert von Fall zu Fall. Um die finanzierte Gesellschaft vor Liquiditätsabflüssen zu schützen, wird eine Kündigungsmöglichkeit der Kapitalgeber im größtmöglichen Umfang ausgeschlossen. Im Hinblick auf mögliche Folgefinanzierungen sehen die Anlagebedingungen mitunter ein Sonderkündigungsrecht des Emittenten vor. Aufgrund seiner rein schuldrechtlichen Natur kann das Genussrecht seinen Inhabern keine mitgliedschaftliche Stellung vermitteln. Möglich ist es aber, bestimmte Kontroll- und Informationsrechte auf schuldrechtlicher Grundlage einzuräumen. Aus dem Interesse der Eigenkapitalgeber an einer einflusserhaltenden Finanzierungsstruktur folgt jedoch, dass eine als „Einmischung“ empfundene Mitwirkungsmöglichkeit das Genussrecht für die Zwecke der Wagnisfinanzierung unbrauchbar machte. Dank seines gestaltungsoffenen Charakters erscheint das Genussrecht zur liquiditätsschonenden, einflusswahrenden und zugleich renditezielverträglichen Strukturierung eines STO grundsätzlich geeignet. A.II.2.a)cc) In phänomenologischer Hinsicht weisen Genussrechte Überschneidungen mit artverwandten Mezzanine-Instrumenten auf. Da die h. M. weitreichende Rechtsfolgen an die Zugehörigkeit eines Finanzierungsinstruments zum einen oder anderen Beteiligungstypus knüpft, stellen sich intrikate Abgrenzungsfragen. Methodischer Ausganspunkt muss die Auslegung der Genussrechtsbedingungen und der sich daraus im Einzelfall ergebende materielle Gehalt des Finanzierungsinstruments sein. Die Gewinnschuldverschreibung unterscheidet sich von einem Genussrecht durch die obligatorische Verbriefung des Forderungsrechts. Zudem kommt eine Verlustbeteiligung nur im Zusammenhang mit Genussrechten in Betracht. Letzteres gilt gleichermaßen für das Verhältnis zum partiarischen (Nachrang-)Darlehen.
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Stille Beteiligungen im Sinne der §§ 230 ff. HGB unterscheiden sich durch das Merkmal der gemeinsamen Zweckverfolgung von Genussrechten. Das von Anonymität und individuellem Renditestreben geprägte Erscheinungsbild eines Debt Token-Sales steht einer personengesellschaftsrechtlichen Qualifikation nicht entgegen. Andererseits ist die Verlustbeteiligung der Kapitalgeber kein zwingendes Indiz für die gemeinsame Zweckverfolgung. Erforderlich ist vielmehr eine indizienorientierten Gesamtbetrachtung im Einzelfall. Im Rahmen derselben spricht gegen die Annahme, Debt Token verkörperten stille Beteiligungen, dass die tokenisierten Rechtspositionen frei veräußerlich sein sollen. Die Beteiligungstitel gem. §§ 230 ff. HGB können dies nur eingeschränkt gewährleisten. Eigenständige Bedeutung gewinnt das Genussrecht dort, wo die Merkmale keines anderen Vertragstypus erfüllt sind. Es ist in diesen Fällen als Dauerschuldverhältnis sui generis zu qualifizieren. Hinsichtlich der gesetzlichen Verwendung des Genussrechtsbegriffs ist zu differenzieren: Ob bloß das besagte Proprium des Rechtsinstituts in Bezug genommen werden soll oder „das Genussrecht“ als Oberbegriff auch für artverwandte Finanzinstrumente steht, kann nur eine am Zweck der jeweiligen Norm orientierte Auslegung beantworten. A.II.2.a)dd) Für die Umlauffähigkeit tokenisierter Genussrechte ist relevant, dass diese auch jenseits des Anwendungsbereichs des eWpG durch abstrakte Schuldversprechen begründet werden können. Dazu bedarf es gem. § 780 S. 1 BGB allerdings der schriftlichen Erteilung. A.II.2.a)ee) Die in §§ 139 ff. AktG niedergelegten Vorschriften über Vorzugsaktien stehen „aktiengleichen“ Genussrechten nicht entgegen. A.II.2.b) Ausgehend von dem Befund, dass Genussrechte dem Anforderungsprofil einer VC-finanzierten Unternehmung im Wesentlichen entsprechen, greift die Untersuchung den im dritten Kapitel gesponnene Faden auf, um das Verhältnis der Finanzierungsarten zu konkretisieren. In funktionaler Hinsicht drängt sich ein Vergleich zu sog. Risikodarlehen (Venture Debt) auf. A.II.2.b)aa) Wie STOs erfüllen Risikodarlehen eine komplementäre Finanzierungsfunktion. Für die Fremdkapitalgeber dient die Beteiligung reputationsträchtiger Venture Capital-Investoren dabei als Investitionssignal. A.II.2.b)bb) Aus Sicht der Eigenkapitalgeber hat die Zwischenfinanzierung mittels Venture Debt primär den Zweck, die Zeit bis zur nächsten Finanzierungsrunde zu verlängern. In einer prosperierenden Gesellschaft kann die Hebelwirkung des Fremdkapitals darüber hinaus zur Verbesserung der Eigenkapitalrendite beitragen. Diese Motive dürften mutatis mutandis auch im Zusammenhang mit einem Debt Token Sale zum Tragen kommen. A.II.2.b)cc) Die funktionale Parallele sollte derweil nicht darüber hinwegtäuschen, dass STOs Besonderheiten aufweisen, die sich unmittelbar auf ihr Verwendungsfähigkeit im Venture Capital-Bereich auswirken. Im Gegensatz zu Risikodarlehen eignen sich STOs etwa nicht als Reaktionsmöglichkeit auf spontane Li-
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quiditätsengpässe. Zudem gehen nur mit einem Token Sale die Chancen und Risiken der kapitalmarktmäßigen Wagnisfinanzierung einher. Das spiegelt sich in der spezifisch mit der Finanzierungsart verbundenen Möglichkeit wider, einen alternativen Exit-Kanal für institutionelle Risikoinvestoren zu eröffnen. A.II.3. „Unechte Equity Token“ bezeichnen eine zweite Ausprägungsform tokenisierter Mezzanine-Instrumente. Sie zielen darauf ab, die Anleger nicht nur in monetärer Hinsicht mit echten Gesellschaftern auf eine Stufe zu stellen, sondern diese auch mit gesellschaftertypischen Verwaltungsrechten auszustatten. A.II.3.a) In dogmatischer Hinsicht sind solche Partizipationsformen als (atypische) stille Beteiligung zu qualifizieren. A.II.3.b) Eine einflussreiche Stellung der Token-Inhaber ist mit dem Lenkungsanspruch der Venture Capital-Investoren indes nur schwer zu vereinbaren. Als komplementäres Finanzierungsmittel erscheinen unechte Equity Token insofern ungeeignet. A.III. Echte Equity Token gewähren eine nicht nur schuldrechtlich nachempfundene, sondern reale Beteiligung am Stamm- bzw. Grundkapital der emittierenden Gesellschaft. A.III.1. De lege lata begegnet die Ausgabe von und der Handel mit tokenisierten Anteilen jedoch gesellschaftsrechtlichen Hürden. A.III.1.a) Im Falle der Aktiengesellschaft ist die Ausgabe entmaterialisierter Mitgliedschaftsrechte im Ausgangspunkt zulässig. Die Mitgliedschaft im Verband entsteht unabhängig von ihrer Verbriefung. Die Zuteilung unverbriefter Aktien im Wege eines Token Sales wird allerdings durch die Formbedürftigkeit der Zeichnungserklärung gem. § 185 Abs. 1 S. 1 AktG erschwert. Zudem ist der Anspruch auf Globalverbriefung satzungsfest und auch im Zusammenhang mit Blockchain-basierten Aktien voll durchsetzbar. Blockchain-Aktien bleiben daher eine bloß theoretische Möglichkeit. Der Gesetzgeber scheint bestrebt, dies zu ändern. A.III.1.b) Im GmbH-Recht ergeben sich Umsetzungshindernisse insbesondere aus dem Formzwang der Anteilsübertragung. Bestrebungen, die darauf abzielen, die GmbH als Rechtsform für das Anlegerpublikum zu öffnen, müssten mit tiefgreifenden Änderungen der Verbandsorganisation einhergehen. A.III.2. Die Gestaltungspraxis hat sich bemüht, die aufgezeigten Hürden auf verschiedenerlei Weise zu umgehen. A.III.2.a) Emittenten im Rechtskleid der Aktiengesellschaft versuchten etwa, die Eigentumsverhältnisse an physischen Aktienurkunden durch „digitale Zwillinge“ abzubilden. Diese Verwahrungslösung begegnet jedoch depotrechtlichen Einwänden. Treuhandgestaltungen sind dagegen grundsätzlich anzuerkennen, führen den auf Disintermediation abzielenden Zweck der Blockchain aber geradezu ad absurdum.
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A.III.2.b) Für Emittenten im Rechtskleid der GmbH scheiden Treuhandgestaltungen von vornherein aus, weil die Übertragung der Treugeberstellung formbedürftig und mit den Anforderungen des Token-basierten Handels somit unvereinbar ist. Zulässig sind hingegen Unterbeteiligungsmodelle. Infolgedessen stellen sich intrikate Abgrenzungsproblem, die nur im Wege einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung aufzulösen sind. A.III.3. Im Kontext der Wagnisfinanzierung erscheint die Beteiligung des Anlegerpublikums mittels echter Equity Token wenig zweckdienlich. Zu groß wäre die Gefahr, dass „Störenfriede“ die Beschlussfassung erschweren oder einem Exit im Wege stehen. B. Ausgehend von dem Befund, dass Debt Token dem Anforderungsprofil der Wagnisfinanzierung am ehesten entsprechen, wendet sich die Untersuchung sodann den Gestaltungsaufgaben zu, die sich im Zuge der Integration der Token-Anleger in die bestehende Beteiligungsstruktur stellen. B.I. Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang die Frage, wer innerhalb des Organisationsgefüges der emittierenden Gesellschaft für die Finanzierungsentscheidung zuständig ist. Zudem beleuchtet die Untersuchung, ob die Bestandsgesellschafter ein Bezugsrecht für sich beanspruchen können. B.I.1. Die aufgeworfenen Fragen stellen sich vor dem Hintergrund, dass die Vergütungsansprüche der Debt Token-Inhaber in wirtschaftlicher Konkurrenz zu den Vermögensrechten der Gesellschafter stehen. B.I.2.a) Im Aktienrecht hängt ihre Beantwortung davon ab, ob § 221 AktG oder die für Teilgewinnabführungsverträge maßgeblichen §§ 291 ff. AktG Anwendung finden. Beide Normkomplexe dienen dem Zweck, die Bestandsgesellschafter vor den wirtschaftlichen Folgen einer Gewinnbeteiligung der Kapitalgeber zu schützen. Dem teleologischen Gleichlauf beider Normen stehen markante Unterschiede auf der Rechtsfolgenseite gegenüber. Zum Zwecke der Abgrenzung verfolgt die h. M. einen typologischen Ansatz, wobei Genussrechte § 221 AktG, stille Beteiligungen dagegen § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG unterfallen sollen. Angesichts der Konturenlosigkeit des Genussrechtsbegriffs führt diese Differenzierung nicht weiter. Stattdessen ist im Falle typologischer Überschneidungen die Größe des Kapitalgeberkreises als maßgebliches Unterscheidungskriterium heranzuziehen. Nur im Zusammenhang mit Massenemissionen gelangt § 221 AktG zu konsistenten Rechtsfolgen. Jedenfalls bei einem öffentlichen Token-Angebot ist von einer „massenweisen“ Ausgabe in diesem Sinne auszugehen. B.I.2.b) Für „obligationsähnliche Genussrechte“ gilt derweil das gleiche wie für sonstige Fremdkapitaltitel: Die Aktionäre verfügen weder über eine Beschlusskompetenz in der Hauptversammlung, noch steht ihnen ein Bezugsrecht zu. B.I.2.c) In der Gestaltungspraxis sichern schuldvertragliche und statutarische Abreden das Mitspracherecht der Venture Capital-Geber ab.
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5. Kap.: Zusammenfassung
B.I.2.d) Beschließt die Hauptversammlung einen Debt Token Sale, steht den Aktionären das Bezugsrecht gem. § 221 Abs. 4 in Verbindung mit § 186 AktG zu. B.I.3. Im GmbH-Recht existiert mit Blick auf Mezzanine-Finanzierungsmaßnahmen weder eine spezielle Kompetenznorm noch eine dem § 221 Abs. 4 AktG vergleichbare Regelung über ein Bezugsrecht der Gesellschafter. B.I.3.a) Ob die Gesellschafterversammlung gleichwohl im Vorfeld einer Emission zu beteiligen ist, muss vor dem Hintergrund der allgemeinen GmbH-rechtlichen Kompetenzordnung gewürdigt werden. Keinen Zuspruch verdienen Stellungnahmen, die in der Erfolgsbeteiligung Dritter einen Eingriff in das korporative Gefüge des betroffenen Verbands erblicken und die Zustimmung der Gesellschafter aus diesem Grund zur Wirksamkeitsvoraussetzung erheben. Die Zusage ergebnisabhängiger Zahlungen stellt einen gewinnschmälernden Kostenfaktor dar, der das Gewinnstammrecht der Mitglieder ebenso unberührt lässt wie den Verbandszweck der Gesellschaft. Eine interne Beschlusskompetenz analog § 221 Abs. 1 und 3 AktG scheidet aus. Im Innenverhältnis trifft die Geschäftsführung aber eine ungeschriebene Vorlagepflicht, wenn der Token Sale als „außergewöhnliche“ Finanzierungsmaßnahme anzusehen ist. Hiervon dürfte in der Regel auszugehen sein. Venture Capital-Investoren bedingen sich in der Gestaltungspraxis ohnehin umfassende Zustimmungsvorbehalte für Fremd- und Mezzanine-Finanzierungen aus. B.I.3.b) Da zwischen Aktionären und GmbH-Gesellschaftern im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit bei einer Mezzanine-Emission keine gravierenden Unterschiede bestehen, spricht viel dafür, auch Letzteren ein Bezugsrecht analog § 221 Abs. 4 AktG zuzugestehen. B.II. Als vertragliches Instrument zur Herstellung einer weitestgehenden Zielkonvergenz zwischen Eigenkapitalgebern und Token-Erwerbern rücken sodann Kicker-Komponenten in den Untersuchungsfokus. B.II.1. Die Teilhabe der Investoren am Wertsteigerungspotenzial schont den Cashflow der Gesellschaft, fördert den Interessengleichklang unter den Beteiligten und trägt dadurch zur Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen bei. Im Kontext eines STO kommen insbesondere sog. Non-Equity Kicker in Betracht, die die wirtschaftliche Stellung der Gesellschafter auf schuldrechtlicher Grundlage nachbilden. B.II.2. Ein vollständiger Interessengleichlauf lässt sich durch Kicker-Komponenten gleichwohl nicht verwirklichen. B.III. Da ein Debt Token Sale den Kapitalbedarf der finanzierten Gesellschaft nur temporär abdeckt, sollten die Bedürfnisse potentieller Anschlussinvestoren im Rahmen der Gestaltung von vornherein bedacht werden. Im Interesse aller Betei-
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ligter muss darüber hinaus sichergestellt sein, dass der Token Sale nicht den Weg zu einem späteren Exit versperrt. B.III.1. Auf künftige Risikokapitalgeber sowie Kaufinteressenten kann die schuldrechtliche Beteiligung einer Vielzahl von Investoren abschreckend wirken. Ohne geeignete Vorkehrungen kann ein STO somit gerade für prosperierende Unternehmen zum Wachstumshindernis werden. B.III.2. Vor diesem Hintergrund besteht ein Bedürfnis, die Finanzierungsbeziehung zu den Token-Investoren nachträglich anpassen oder gänzlich ablösen zu können. Zur Flexibilisierung der im Ausganspunkt statischen Emissionsbedingungen stehen drei verschiedene kautelarjuristische Ansätze zur Verfügung: Ex ante definierte Anpassungsmechanismen, einseitige Änderungs- bzw. Ablösungsrechte sowie konsensuale Modifikationen der Beteiligungsbedingungen. Jede dieser Gestaltungsvarianten geht mit spezifischen Anpassungskosten einher. B.III.3. Ein besonderes Augenmerk der Untersuchung gilt den Kosten, die bei der Einbeziehung des Token-Publikums auftreten. Sog. Kollektivhandlungsprobleme erschweren nicht nur die konsensuale Anpassung des Finanzierungsverhältnisses, sondern strahlen auch auf den Anlegerschutz aus. Der Ausgangspunkt beider Problemkreise ist der gleiche: Jeder Token-Gläubiger kann individuell über das Schicksal seiner Forderung disponieren. Die Interessen des Einzelnen weichen vom Gruppeninteresse jedoch u. U. ab. B.III.3.a) Im Zusammenhang mit der konsensualen Vertragsadjustierung erschweren Mobilisierungshindernisse kollektiv rationale Entscheidungen. Darüber hinaus bestehen Kooperationshindernisse. So haben individuelle Anleger einen Anreiz, als Trittbrettfahrer von den Anpassungsbemühungen anderer zu profitieren (hold-outs). Eine Verhandlungslösung kann infolgedessen in Gänze scheitern. Spiegelbildliche Probleme treten im Zusammenhang mit der einseitigen Ausübung von Gläubigerrechten auf. So bleiben Anleger bei der Wahrnehmung bestehender Überwachungsmöglichkeiten rational apathisch oder machen von Leistungsstörungsrechten ohne Rücksicht auf die gemeinsamen Gruppeninteressen Gebrauch. Als institutionsökonomische Richtschnur einer Problemlösung überzeugt die Denkfigur des single owner. Sie beschreibt einen Zustand, in dem es der Kapitalgebergruppe gelingt, wie ein einziger Gläubiger zu agieren. Um einen solchen Zustand zu erreichen, kann die Rechtsmacht der einzelnen Gruppenmitglieder an einen gemeinsamen Interessenwalter delegiert oder durch das Mehrheitsprinzip beschränkt werden. Auch eine Kombination beider Ansätze ist möglich. B.III.3.b) Um die aufgezeigten Kollektivierungsmechanismen im Zusammenhang mit einem STO nutzbar zu machen, bedarf es einer gesetzlichen bzw. schuldrechtlichen Grundlage. B.III.3.b)aa) Als gesetzliches Fundament für die Kollektivierung der Debt Token-Inhaber kommt das SchVG in Betracht. Dieses wird den Anforderungen der
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Token-basierten Finanzierung zwar durchaus gerecht, ist bei näherer Betrachtung aber nur auf Schuldverschreibungsemissionen nach dem eWpG anwendbar. Ein Analogieschluss kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht. B.III.3.b)bb) Außerhalb des Anwendungsbereichs des SchVG steht es den Parteien frei, privatautonome Kollektivierungsmechanismen zu verankern. Ihrem Inhalt nach lehnen sich solche Abreden an die verschiedenen Varianten des single owner-Ansatzes an. Probleme bereitet die rechtstechnische Umsetzung von bindenden Mehrheitsentscheidungen. Überzeugend erscheint es, in der gewillkürten Bindungswirkung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Emittenten zu erkennen, das unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Willensbetätigung der Gläubigermehrheit steht. Gestaltungsgrenzen folgen aus dem AGB-Recht. B.III.3.c) Im Ergebnis ist es demnach grundsätzlich möglich, die Token-Inhaber zu einem handlungsfähigen Kollektiv zusammenzufassen – sowohl für die Zwecke der Finanzierungsanpassung als auch im Zusammenhang mit anlegerschützenden Rechtsinstituten. B.IV. Im Hinblick auf die Steuerungswirkungen eines Debt Token Sales zeichnet die Untersuchung ein ambivalentes Bild. Einerseits kann der Umstand, dass den Gründern und Venture Capital-Investoren der gesamte über die Fremdkapitalgeberrechte hinausgehende Überschuss zusteht, einen Anreiz bieten, sich für den Erfolg der Unternehmung einzusetzen. Andererseits gehen von der Möglichkeit, dass die Residualberechtigten bei der Erlösverteilung leer ausgehen, negative Anreizwirkungen aus. C. Der dritte und letzte Analyseblock des vierten Kapitels beleuchtet den gesetzlichen und privatautonomen Schutz von Token-Anlegern. C.I. Ein Schutzbedürfnis ist insbesondere im Hinblick auf das Werterhaltungsinteresse der Anleger anzuerkennen. Die Kapitalgeber auf den reflexhaften Schutz durch die Überwachungstätigkeit der Venture Capital-Investoren zu verweisen, griffe zu kurz. Zwar verfolgen Gründer, Venture Capital-Investoren und TokenGläubiger im Hinblick auf die allgemeine unternehmerische Entwicklung konvergierende Ziele. Ein vollständiger Interessengleichlauf ist dadurch aber nicht gewährleistet. C.I.1. Die vermögensrechtlichen Belange der Token-Inhaber werden v. a. durch Misswirtschaft und unseriöse unternehmerische Entscheidungen bedroht. Angesichts des spekulativen Charakters ihrer Beteiligung haben die Token-Inhaber dies grundsätzlich hinzunehmen. Gleichwohl sind der Entscheidungsfreiheit des Emittenten Schranken gesetzt. Als äußerste Grenze des unternehmerischen Ermessens ist das allgemeine Schädigungsverbot anerkannt.
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C.I.1.a) Seit der Klöckner-Entscheidung des BGH geht die h. M. darüber hinaus von haftungsbewehrten, vertraglich begründeten Sorgfaltspflichten aus. Verbandsrechtliche Wertungen stehen dem nicht entgegen. C.I.1.b) Probleme bereitet jedoch die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs. Der Rückgriff auf den verbandsrechtlichen Pflichtenmaßstab hätte eine der Parteiabrede widersprechende Privilegierung der Mezzanine-Anleger zur Konsequenz. Als haftungsbegründend sind daher nur qualifizierte Pflichtenverstöße anzusehen. Zur Konkretisierung dieser äußersten Ermessensgrenze ist es eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Die Kasuistik mag insofern als Orientierungshilfe dienen. C.I.1.c) – e) Die Geltung dieser Grundsätze ist nicht auf „aktienähnliche“ Genussrechte beschränkt. Vielmehr variiert die im Einzelfall gebotene Rücksichtnahme in Abhängigkeit vom Grad der gegebenen Einwirkungsmacht. Im Falle eines Sorgfaltsverstoßes hat der Emittent Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Was die finanzierte Gesellschaft im Haftungsfall schuldet, hängt von der konkreten Vergütungs- bzw. Verlustteilnahmeregelung ab. C.I.2. Gefahren für das Werterhaltungsinteresse der Token-Investoren resultieren ferner daraus, dass der Schuldner die leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren selbst erhebt. Ob die Gläubiger geltend machen können, ihre Vergütungsansprüche seien fehlerhaft ermittelt und deshalb nach oben zu korrigieren, ist im Lichte der vertraglichen Risikoverteilung zu beurteilen. C.I.2.a) Die finanzierte Gesellschaft trifft eine vertragliche Nebenpflicht, die zur Leistungsbestimmung erforderlichen Handlungen vorzunehmen. C.I.2.b) Berechnungsfehler oder gar gezielte Manipulationen zählen grundsätzlich nicht zu den von den Anlegern übernommenen Risiken. Sind die Investoren den Gesellschaftern nach den Genussrechtsbedingungen vermögensrechtlich gleichgestellt, haben sie fehlerhafte Abschlüsse jedoch hinzunehmen, soweit ein Gesellschafter sich hiergegen nicht zur Wehr setzen könnte. C.I.2.c) Die Mezzanine-Gläubiger müssen zudem erdulden, dass der Emittent bilanzpolitische Gestaltungsräume ausnutzt und Gewinne thesauriert. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten haben die Token-Anleger nach der vertraglichen Risikoverteilung aber nicht zu akzeptieren. C.I.3. Der emittierenden Gesellschaft bleibt es nach einem Token Sale unbenommen, Kapital- und Strukturmaßnahmen durchzuführen. Führen derartige Maßnahmen zur wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Token-Inhaber, stellt sich die Frage nach einem Korrektiv. C.I.3.a) Dient ein Token Sale als komplementäre Kapitalquelle, schließen sich häufig weitere Finanzierungsrunden an, zu deren Durchführung es einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen bedarf. Probleme bereitet der Fall, dass die Beteiligungsquote der Anleger aufgrund einer Verwässerungsabrede proportional ab-
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schmilzt, während das Gesellschaftskapital „unter Wert“ erhöht wird. Für eine analoge Anwendung von § 216 Abs. 3 AktG bzw. § 57m Abs. 3 GmbHG besteht kein Raum. Dem Schutzbedürfnis der Token-Gläubiger ist stattdessen im Wege der Vertragsauslegung Geltung zu verschaffen. Eine Modifikation des Gläubigerrechts kommt aber nur bei schwerwiegenden Veränderungen des Äquivalenzverhältnisses in Betracht. C.I.3.b) Im Hinblick auf nachträgliche Mezzanine-Emissionen gilt Entsprechendes. Schweigen die Genussrechtsbedingungen, ist eine Modifikation des Gläubigerrechts nur in Ausnahmefällen angezeigt. C.I.3.c) In Umwandlungssituationen trägt § 23 UmwG den Belangen der Hybridgläubiger Rechnung. C.I.3.d) Auch wenn sich die finanzierte Gesellschaft einem Beherrschungsvertrag unterwirft, ist der Kapitalgeberschutz auf vertraglicher Grundlage zu konstruieren. Die Konzernfreiheit des Emittenten ist Geschäftsgrundlage der Finanzierung. Eine wiederkehrende Ausgleichspflicht des Emittenten würde dem entwicklungsabhängigen Charakter der Vergütungsabrede derweil nicht gerecht. Vielmehr erscheint es konsequent, den Mezzanine-Investoren ein Recht zur außerordentlichen Kündigung in Kombination mit einem Abfindungsanspruch zuzugestehen. C.I.4. Als Ergebnis hält die Untersuchung fest, dass das Werterhaltungsinteresse der Token-Inhaber durch gesetzliche Vorgaben und allgemeine schuldrechtliche Instrumentarien nur rudimentär geschützt ist. C.II. Bedeutung gewinnen vor diesem Hintergrund die Informationsrechte der Anleger. C.II.1. Fortlaufende, kapitalmarktrechtlich begründete Informationspflichten treffen den Emittenten nach einem Token Sale nur, wenn die Token durch das Listing an einem regulierten Markt tatsächlich gehandelt werden können. C.II.2. Auch ohne ausdrückliche Regelung ist der Emittent den Token-Gläubigern jedoch kraft schuldvertraglicher Bindung zur Rechnungslegung verpflichtet. Darüber hinaus erkennt die h. M. einen ungeschriebenen Informationsanspruch an. Erforderlich ist allerdings, dass die auskunftsbegehrende Vertragsseite hinreichend substantiierte Anhaltspunkte für eine Vertragspflichtverletzung darzulegen vermag. C.II.3. Auf vertraglicher Grundlage werden den Mezzanine-Investoren mitunter weitergehende Informationsmöglichkeiten eingeräumt. Darüber hinaus ist es möglich, den Anlegern bestimmte Einsichts- und Kontrollrechte zuzubilligen. C.II.4. Hinsichtlich der Kommunikation mit den Token-Anlegern kann die Blockchain-Technologie gegenüber herkömmlichen webbasierten Informationskanälen effizienzsteigernd zum Tragen kommen. C.III. Angesichts der Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Anlegerschutzes geht die Untersuchung anschließend der Frage nach, inwiefern ausgewählte Instrumente der
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Venture Capital-Finanzierung als Regelungsvorbild für den privatautonomen Anlegerschutz taugen. C.III.1. Dazu nimmt die Untersuchung zunächst die gestaffelte Kapitalüberlassung in den Blick. C.III.1.a) Im STO-Kontext kommen zwei Gestaltungsvarianten in Betracht. Zum einen können die für die Auszahlung maßgeblichen Meilensteine bereits ex ante definiert werden. Zum anderen kann den Token-Inhabern die Entscheidung über die Freigabe weiterer Tranchen überlassen werden, wobei die Kapitalzuführung von einem positiven Abstimmungsergebnis der Anlegermehrheit abhängig gemacht wird. C.III.1.b) Die Implementierungswürdigkeit des Gestaltungsmittels wird durch dessen Umsetzungskosten in Frage gestellt. Eine signifikante Erhöhung des Anlegerschutzes ist hieran gemessen nicht zu erwarten. Das ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass für die Kapitalnehmerseite ein erheblicher Anreiz besteht, die wirtschaftliche Lage der Unternehmung zu beschönigen (sog. window dressing). C.III.2. Als Gestaltungsmittel kommen ferner Vesting-Regelungen in Betracht, die im Venture Capital-Bereich dazu dienen, ein vorzeitiges Ausscheiden der Gründer zu verhindern. C.III.2.a) Im Kontext eines STO ist dieses Risiko von vornherein weniger akut, da die relevanten Knowhow-Träger aus Anlass der vorausgehenden Venture CapitalFinanzierung bereits einer Vesting-Regelung unterworfen wurden. Vergleichbare Mechanismen gewinnen aber im Zusammenhang mit Token-basierten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen an Bedeutung. C.III.2.b) Im STO-Kontext kann die Token-basierte Anreizvergütung Gründer und Mitarbeiter motivieren, die spezifischen Interessen der Anleger durch ihren Arbeitseinsatz zu fördern. C.III.3. Als weiteres Instrument zur Risikosteuerung kommen Covenants in Betracht. C.III.3.a) Im STO-Kontext versprechen die Initiatoren mitunter, weitere Token Sales zu unterlassen, um eine wirtschaftliche Verwässerung der Anleger zu verhindern. Die Untersuchung beleuchtet die Zulässigkeit solcher schuldrechtlichen Verzichtserklärungen. C.III.3.a)aa) Im Zusammenhang mit Emittenten im Rechtskleid der Aktiengesellschaft stehen die fraglichen Klauseln im Verdacht, das Leitungsermessen des Vorstands unzulässig zu beschränken. De facto präjudiziert die Covenant-Klausel die Finanzierungsentscheidung des Vorstands und vermittelt den Token-Gläubigern dadurch Einfluss auf einen sensiblen Leitungsbereich. Hieraus pauschal auf einen Kompetenzverstoß zu schließen, ginge jedoch zu weit. Vielmehr ist das Selbstbindungsverbot auf einen unentziehbaren Kernbereich zu begrenzen, der von den diskutierten Verzichtsabreden nicht angetastet wird.
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Aus § 23 Abs. 5 AktG ergibt sich nichts Abweichendes. Im Hinblick auf die schuldrechtliche Ebene ist der Norm nichts zu entnehmen. Da der Hauptversammlung im Hinblick auf Mezzanine-Emissionen von vornherein kein Initiativerecht zusteht, bleibt auch deren Zuständigkeitsbereich unberührt. C.III.3.a)bb) Die untersuchten Covenants begegnen auch dann keinen grundlegenden Bedenken, wenn es sich bei dem Emittenten um eine GmbH handelt. Mehr noch als im Aktienrecht gilt hier, dass sich die Unternehmensleitung in Wahrnehmung ihrer Kompetenzen namens der Gesellschaft gegenüber Dritten verpflichten können muss. C.III.3.b) Gleichwohl erscheinen die fraglichen Abreden zur Bewältigung des Verwässerungsrisikos der Token-Anleger nur bedingt geeignet. Sachgerechter kann es sein, für den Fall einer erneuten Emission ein vertragliches Bezugsrecht einzuräumen. C.III.4. Entwickelt sich der Unternehmenswert nicht erwartungsgemäß, werden Verwässerungsschutzklauseln relevant, die auf eine rückwirkende Korrektur des Ausgabepreises abzielen. C.III.4.a) Im STO-Kontext kann der bloß schuldrechtlich vermittelte Verwässerungseffekt von vornherein ausgesetzt oder in seiner Wirkung abgeschwächt werden, falls die der Anschlussfinanzierung zugrunde gelegte Bewertung eine bestimmte Höhe nicht erreicht. C.III.4.b) Die durch window dressing drohenden Gefahren lassen sich auf diese Weise eindämmen. In der praktischen Ausführung setzt die Gestaltung allerdings voraus, dass den Anlegern die Unternehmensbewertung zu den fraglichen Zeitpunkten vorliegt. C.III.5. Auf die Ausgangsfrage, inwiefern die im Venture Capital-Bereich erprobten Regulierungsmechanismen für die Zwecke eines STO nutzbar gemacht werden können, gibt die Untersuchung eine zwiegespaltene Antwort. Zwar ist es möglich, die Funktionsweise der betrachteten Gestaltungen trotz struktureller Unterschiede zwischen den Finanzierungsarten schuldrechtlich nachzubilden. Der privatautonome Kapitalgeberschutz bei Beteiligungsfinanzierungen beruht aber auf Gestaltungsbedingungen, die bei einem STO nur eingeschränkt erfüllt sind. Das schränkt den anlegerschützende Mehrwert vieler Gestaltungen ein. C.IV. Die Untersuchung wendet sich vor diesem Hintergrund Token Sale-spezifischen Schutzmechanismen zu. C.IV.1. Hierzu zählen sog. soft caps und hard caps. Sie tragen dazu bei, die mit der Nachfrageunsicherheit auf dem Token-Markt zusammenhängenden Risiken zu reduzieren. C.IV.2. Angesichts der Volatilität der eingeworbenen Kryptowährungen erscheinen zudem Maßnahmen zur Eindämmung des Wechselkursrisikos angeraten.
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C.IV.3. Sog. lock-ups dienen in erster Linie der Bewältigung der Agenturrisiken, die auftreten, wenn Venture Capital-Geber selbst Token beziehen. Sie verhindern zumindest temporär, dass institutionelle Investoren ihre überlegenen Informationsund Kontrollmöglichkeiten auf Kosten privater Anleger zu einem vorzeitigen (Teil-) Exit ausnutzen können. C.IV.4. Schließen die Anlagebedingungen nicht aus, dass die finanzierte Gesellschaft durch weitere Emissionen konkurrierende Instrumente ausgibt, liegt es überdies nahe, die bisherigen Token-Inhaber durch ein vertragliches Bezugsrecht vor Verwässerungseffekten zu schützen. C.IV.5. Zudem sind Maßnahmen zum Schutz vor Manipulationen der eingesetzten Smart Contracts erforderlich. C.V. Im letzten Untersuchungsabschnitt wagt die Arbeit einen Ausblick auf die Möglichkeiten zur Etablierung eines privaten Ordnungsrahmens. C.V.1. – 3. Grosso modo erscheinen drei Entwicklungspfade vorstellbar: Erstens, In einem race to the top wetteifern die Emittenten um den „besten“ GovernanceRahmen; zweitens, die Rezentralisierung des Token-Marktes mündet in einem von Plattformbetreibern angeführten Standardisierungsprozess oder drittens, die Anleger verzichten auf ein engmaschiges Netz aus vertraglichen Schutzmechanismen und vertrauen stattdessen auf die mäßigende Einflussnahme durch institutionelle Kapitalgeber. C.V.4. Die Untersuchung endet mit dem Hinweis, dass Token-Anleger selbst im Falle einer weitgehenden Etablierung vertraglicher Schutzmechanismen für opportunistische Verhaltensweisen anfällig bleiben.
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Stichwortverzeichnis Anlegerschutz – Covenants 376 ff. – Entwicklungspfade 395 ff. – gesetzlich 332 ff. – gestaffelte Kapitalüberlassung 368 ff. – Informationsrechte 363 ff. – kapitalmarktrechtlich siehe Regulierung – Kapital-/Strukturmaßnahmen 351 ff. – privatautonom 368 ff. – Sorgfaltspflichten 334 ff. – Token Sale-spezifische Schutzmechanismen 391 ff. – Verwässerungsschutzklauseln 387 ff. – Vesting 372 ff. Bezugsrecht – Aktiengesellschaft 287 ff. – GmbH 295 f. Blockchain – Begriff 51 f. – Bitcoin 50 f. – distributed ledger technology 55 – fork 65 – Funktionsweise 57 ff. – hashing 57 f. – merkle trees 59 ff. – mining 67, 73 f. – Peer-to-Peer-Netzwerke 52 f. – private key 63 – Proof-of-Stake 69 f. – Proof-of-Work 65 ff. – public key 36, 48 – Varianten 70 f. Business Angels 27 Crowdinvesting DAO
37
28,
299, 302 ff.
Effektengiro 80 f., 262 Emissionsbedingungen – Anpassungsfähigkeit 300 ff. – Einbeziehung 144 ff. – Gestaltung 159 ff. Ethereum 70, 135 f. eWpG – Effektengiro siehe dort – elektronische Schuldverschreibungen 76 ff. – Kontextualisierung 77 ff. – Kryptowertpapiere 85 – Kryptowertpapierregister 85, 89 f. – Wertrechte siehe dort Exit – allgemein 27, 167 f. – Alternativen 254 f. – Fähigkeit 300 ff. Finanzintermediäre – Disintermediation 53 – Funktion 27, 189 ff. – Transaktionskosten siehe Neue Institutionenökonomik – Plattformen 28, 155, 396 f. Finanzinstrumente – hybride Finanzinstrumente siehe Mezzanine-Kapital – im Kapitalmarktrecht 150 – im Kollisionsrecht 102 ff. Fonds – Kryptofonds 32 – Kryptofondsanteile 36 f. Genussrechte – aktiengleiche 248 f. – Ausgabekompetenz siehe Kompetenzverteilung – Begriff 218 ff. – Bezugsrecht siehe dort – Inhaltliche Ausformung 221 ff.
Stichwortverzeichnis – – – –
kausal oder abstrakt 247 f. Klöckner-Rechtsprechung 335 ff. „obligationsähnliche“ 286 f. Rechtsnatur 235 ff.
hashing siehe Blockchain Initial Coin Offerings
25, 28 f.
Kapital-/Strukturmaßnahmen siehe Anlegerschutz Kapitalstruktur 331 f. Kicker-Komponente 223, 296 ff. Kollektivierung – Kollektivhandlungsprobleme 308 ff. – privatautonome Vergemeinschaftung 323 ff. – SchVG 319 ff. – single owner-Ansatz 314 ff. Kollisionsrecht – Gesellschaftsstatut 115 f. – Vertragsstatut 95 ff. Kompetenzverteilung – Aktiengesellschaft 277 ff. – GmbH 289 ff. Krypto-Branche 30, 32 Kryptowertpapiere siehe eWpG Leistungsbestimmende Bemessungsfaktoren 346 ff. Mezzanine-Kapital – Abgrenzung/Typologie 238 ff. – Begriff 216 f. – Genussrechte siehe dort Neue Institutionenökonomik – Agenturkonflikte 195 ff. – Informationsasymmetrien 175 ff. – Kollektivhandlungsprobleme siehe Kollektivierung – methodischer Ansatz 46, 163 ff. – private ordering 204 ff., 395 ff. – Transaktionskosten 168 ff. – Verhaltensökonomik 180 ff. – Zertifizierungseffekt 193 f., 397
463
Regulierung – BaFin 31 – Defizite 186 ff. – kapitalmarktrechtliche Regulierung 149 ff. – MiCa-VO 150 – Prospektpflicht 31 f., 150 f. – Risikodarlehen siehe Venture Debt – Risikokapital siehe Venture Capital SchVG 319 ff. Schwarmfinanzierung 28, 174 Security Token Offerings – Ablauf 155 ff. – als „Jugendsünde“ 301 ff. – Debt Token 43 f., 217 ff. – echte Equity Token 44, 258 ff. – Finanzierungsfunktion 32 f., 209 f., 250 ff. – spezifische Agenturprobleme 203 f. – unechte Equity Token 44 f., 256 f. Sekundärmarkt – ICO-Hype 30 f., 181 ff. – Kryptobörsen 107 f. – Token-Markt 31 f., 154 f. – Verkehrsschutz 130 ff., 148 f. Smart Contracts – Begriff 73 f., 134 f. – Funktionsweise 136 ff. – Konzept 133 f. – Limitationen 138 ff. – minting 73 f. – Rechtsgeschäfte 143 ff. Sorgfaltspflichten siehe Anlegerschutz Start-ups 25 Token – Abgrenzung zu Coins 72 – Currency Token 39 ff. – Debt Token siehe Security Token Offering – Equity Token siehe Security Token Offering – Funktionsweise 73 f. – Kollisionsrecht 93 ff. – Markt siehe Sekundärmarkt – Rechtsnatur 117 ff. – Security Token 29 f., 43 ff. – Tokenisierung 72
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Stichwortverzeichnis
– Transaktion (materiellrechtlich) 117 ff. – Transaktion (technisch) 74 f. – Utility Token 41 ff. Token Sale siehe Intial Coin Offering Venture Capital – Begriff 25 – Gesellschaft 27 – Gestaltungsinstrumente 368 ff. – Finanzierungsparteien 165 ff.
– Zertifizierungseffekt siehe Neue Institutionenökonomik Venture Debt 249 ff. Wagniskapital siehe Venture Capital Wagnisfinanzierung – Anforderungsprofil 212 ff. – Interessenlage 165 ff. – mittels tokenisierter Anteile 258 ff. Wertrechte 81 f. Zwischenfinanzierung
252 f., 275 ff.